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NEUROLOGIE

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THEMA<br />

Leben und lieben mit Demenz in<br />

jungen Jahren<br />

Yasemin Aicher ist 58 Jahre alt und<br />

erhielt vor 14 Jahren die Diagnose<br />

Frontotemporale Demenz (FTD). Eine<br />

Krankheit, bei der Nervenzellen vor<br />

allem im Stirn- und Schläfenbereich<br />

des Gehirns absterben. Der Bereich,<br />

in dem unsere Emotionen und das<br />

Sozialverhalten gesteuert werden. Im<br />

Interview mit der Demenz-Aktivistin<br />

beschreibt sie ein Leben, das anders<br />

verläuft als geplant.<br />

Text Luke Schröder<br />

Sie haben mit 44 Jahren die Diagnose<br />

FTD und Parkinson erhalten, was waren<br />

Ihre ersten Gedanken?<br />

Die Diagnose erhielt ich damals nach<br />

einem zwei Jahre andauernden Ärztemarathon<br />

und schockierte meine Familie<br />

und riss uns den Boden unter den Füßen<br />

weg. Es war derart surreal, dass zumindest<br />

ich damals glaubte, dass es nur etwas<br />

Vorübergehendes wäre oder ein Irrtum<br />

der Ärzte.<br />

Wie hat sich die Erkrankung in Ihr Leben<br />

geschlichen?<br />

Erste Warnzeichen oder Symptome<br />

kamen mit 42 Jahren. Ich selbst fühlte<br />

mich nicht mehr so leistungsfähig und<br />

bestimmte Aufgaben, wie z. B. neue<br />

Dinge im beruflichen Alltag zu lernen<br />

fielen mir schwer. Hinzu kam ein Tremor<br />

am linken Arm und der linken Hand.<br />

Außerhalb der Arbeit konnte ich mich<br />

an geschaute Filme von vor einer Woche<br />

nicht erinnern, blieb draußen ohne Orientierung<br />

stehen und war für Sekunden<br />

einfach weggetreten. Mittlerweile habe<br />

ich die Pflegestufe 4, bin zu 100 Prozent<br />

schwerbehindert. Gespräche führen und<br />

ihnen folgen, strengt mich derart an,<br />

dass ich nach einer Stunde völlig platt<br />

bin. Auch diese Fragen hat mein Mann<br />

schriftlich für mich beantwortet, wie<br />

auch andere schriftliche Kommunikation<br />

oder das Schreiben meines Buches.<br />

Wie geht Ihre Familie seit der Diagnose<br />

mit Ihnen um? Was hat sich verändert?<br />

Der größte Teil lebt in Istanbul und<br />

Ankara und sie taten sich von Anfang an<br />

schwer damit. Demenz ist gerade in der<br />

Türkei noch immer eine Erkrankung, die<br />

Menschen im höheren Alter ereilt, und<br />

die Betroffenheit von jungen Menschen<br />

ist eine große Grauzone. Daher auch<br />

mein Interesse an Aufklärung bei meinen<br />

Landsleuten. Meine Tochter hat sich von<br />

Jahr zu Jahr mehr von mir entfernt. Ähnlich<br />

wie meine Mutter, die vor drei Jahren<br />

starb. Ihr erster Satz damals war, dass die<br />

Hoffnung auf Pflege im Alter von mir nun<br />

nicht mehr erfüllt werden kann, sondern<br />

sie mich dann pflegen müsste.<br />

Was stimmt Sie positiv?<br />

Mein Mann, der immer für mich da ist.<br />

„In guten wie in schlechten Zeiten“ hat<br />

Yasemin Aichers Buch „Ich habe Demenz…keine Angst ist nicht ansteckend“<br />

beschreibt ihr Leben mit ihrem Mann und ihrer Freundin, der<br />

Demenz.<br />

er mir damals gesagt, als ich ihm anbot,<br />

mich zu verlassen, weil ich an Demenz<br />

erkrankte. Er war wütend und hat mir<br />

zu verstehen gegeben, dass dies für ihn<br />

keine Option ist. Er behandelt mich noch<br />

immer wie einen Menschen und begehrt<br />

mich als Frau, auch wenn ich nicht mehr<br />

die bin, die er einst kennenlernte. Und<br />

dennoch lieben wir uns. Für uns ist das<br />

Leben auch mit Demenz noch lebensund<br />

liebenswert.<br />

Sie unterstützen andere in einer Selbsthilfegruppe<br />

und helfen bei der Aufklärung.<br />

Warum? Was wünschen Sie sich?<br />

Unser gemeinsames Ziel ist es, jungen<br />

Menschen mit Demenz ihren Platz in der<br />

Gesellschaft zu geben. Ihnen Mut zu<br />

machen, dass sie sich nicht schämen<br />

müssen. Wir möchten aufzeigen, dass<br />

das Leben trotz Demenz lebens- und<br />

liebenswert ist. Demenz darf nicht länger<br />

als eine Erkrankung von hochbetagten<br />

Menschen angesehen werden und<br />

unbeachtet bleiben. Es muss endlich ein<br />

Umdenken stattfinden. Denn: DEMENZ<br />

GEHT UNS ALLE ETWAS AN. Es kann<br />

jeden treffen.<br />

Welt-<br />

Alzheimertag<br />

Am 21. September 2022 findet<br />

der Welt-Alzheimertag mit dem<br />

diesjährigen Motto „Demenz –<br />

verbunden bleiben“ und die Woche der<br />

Demenz vom 19. bis 25. September<br />

2022 statt. Bundesweit gibt es dazu<br />

lokale Aktionen und Veranstaltungen,<br />

die wir zentral und fortlaufend auf<br />

unserer Webseite<br />

www.welt-alzheimertag.de<br />

listen.<br />

Immer wieder geht es darum, auf die<br />

Situation der etwa 1,8 Millionen<br />

Demenzerkrankten und ihrer<br />

Familien in Deutschland hinzuweisen.<br />

Auch wenn gegenwärtig eine<br />

Heilung der Krankheit nicht möglich ist,<br />

kann durch medizinische Behandlung,<br />

Beratung, soziale Betreuung, fachkundige<br />

Pflege und vieles mehr den Erkrankten<br />

und ihren Angehörigen geholfen werden.<br />

Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen<br />

sollen erleben, dass sie trotz der<br />

Erkrankung akzeptiert werden und<br />

dazugehören. Deshalb informieren<br />

Alzheimer-Gesellschaften und andere<br />

Engagierte am Welt-Alzheimertag und in<br />

der Woche der Demenz über die Erkrankung<br />

und ihre Folgen für Betroffene und<br />

Angehörige.Demenz - verbunden bleben<br />

ist das diesjährige Motto des Welt-Alzheimertages.<br />

Wir brauchen Gemeinschaft und persönliche<br />

Begegnung! Auch für Menschen mit<br />

Demenz und ihre An- und Zugehörigen<br />

ist es wichtig, mit anderen verbunden zu<br />

bleiben. Dazu braucht es Sensibilität,<br />

Offenheit und ein Aufeinander-Zugehen:<br />

Wenn Frau Meier im Bus sitzen bleibt und<br />

nicht mehr weiß, wo auszusteigen, ihr<br />

Orientierung geben. Wenn die Mutter<br />

nach Worten sucht, ihr die Zeit lassen, bis<br />

sie das Wort findet.<br />

Neue positive kognitive Effekte bei Spermidin<br />

Supplementierung am Menschen erkannt<br />

FOTO: PRIVAT<br />

In einer alternden Gesellschaft sind<br />

altersbedingte neurodegenerative<br />

Erkrankungen wie Parkinson und<br />

Alzheimer sowie weitere Demenz-<br />

Erkrankungen auf dem Vormarsch. Eine<br />

gestörte Autophagie ist ein wichtiger<br />

Faktor in der Pathogenese schwerwiegender<br />

neurodegenerativer Erkrankungen.<br />

Bei Alzheimer, Parkinson, Huntington,<br />

amyotropher Lateralsklerose und anderen<br />

Erkrankungen führt eine Beeinträchtigung<br />

der Autophagie zum Aufbau pathogener<br />

Proteine und geschädigter Zell-Organellen.<br />

Es ist bekannt, dass durch die Aktivierung<br />

der Autophagie toxische Proteinaggregate<br />

in den Zellen entfernt werden, die für<br />

diese Krankheiten verantwortlich sind. Der<br />

Abbau von Neuronen und damit einhergehenden<br />

Krankheitsbildern kann durch eine<br />

aktive Autophagie eingedämmt werden [1].<br />

Spermidin als Autophagie Aktivator und<br />

Vorbeugung kognitiven Erkrankungen.<br />

Spermidin könnte durch Aktivierung der<br />

Autophagie bei der Vorbeugung kognitiver<br />

Erkrankungen eine wichtige Rolle<br />

spielen. Insbesondere zur Prävention in<br />

frühen Stadien bzw. aus der präklinischen<br />

Forschung gibt es dazu positive Ergebnisse,<br />

welche nun durch neue klinische<br />

Studien bestätigt wurden. Es konnte in<br />

Modellorganismen bewiesen werden, dass<br />

Spermidin die Blut-Hirn-Schranke<br />

überwinden kann [2]. Weiters ist eine<br />

höhere Spermidinaufnahme mit einem<br />

größeren Hippocampusvolumen assoziiert.<br />

Dies reduziert das Risiko für kognitive<br />

Beeinträchtigungen [3]. Auch bei Fliegen<br />

verringert sich mit zunehmendem Alter<br />

die Lernfähigkeit parallel zum Abfall von<br />

Spermidin. Eine gezielte<br />

Supplementierung alternder Fliegen mit<br />

Spermidin kann diesen Prozess des<br />

altersbedingten Abfalls der Lernfähigkeit<br />

ausgleichen, ein Effekt, der ebenfalls von<br />

der Autophagie-Kompetenz der Fliegenzellen<br />

abhängt. Spermidin wirkt sich<br />

dabei positiv auf die Funktionalität der<br />

neuronalen Synapsen aus [4]. Eine erste<br />

klinische Studie am Menschen bestätigte<br />

die Korrelation zwischen Spermidingehalt<br />

im Blut und kognitiver Leistungsfähigkeit<br />

in zwei Schritten. Erstens konnte<br />

gezeigt werden, dass es eine reziproke<br />

Korrelation zwischen dem Alter und dem<br />

Spermidinspiegel im Blut gibt – je höher<br />

das Alter desto geringer der Spermidngehalt<br />

im Blut der Probanden. Weiterführende<br />

Analysen zeigten den positiven<br />

Effekt eines hohen Spermidingehalts auf<br />

die kognitive Leistungsfähigkeit<br />

1. Nixon RA (2013). The role of autophagy in neurodegenerative disease. Nat Med. 19(8): 983–997. 2. Schroeder S, et al. (2021). Dietary spermidine improves cognitive function. Cell Rep. 13;35(2):108985. 3. Schwarz<br />

C., Horn N., G. Benson, et al. Spermidine intake is associated with cortical thickness and hippocampal volume in older adults. Neuroimage. 2020 4. Gupta VK, Pech U, Bhukel A, Fulterer A, Ender A, Mauermann SF,<br />

Andlauer TFM, Antwi-Adjei E, Beuschel C, Thriene K, Maglione M, Quentin C, Bushow R, Schwärzel M, Mielke T, Madeo F, Dengjel J, Fiala A, and Sigrist SJ (2016). Spermidine Suppresses Age-Associated Memory<br />

Impairment by Preventing Adverse Increase of Presynaptic Active Zone Size and Release. PLOS Biology. 14(9): e1002563. doi: 10.1371/journal. pbio.1002563. 5. Pekar T, et al. (2020). Spermidine in dementia:<br />

Relation to age and memory performance. Wien Klin Wochenschr. 132(1–2): 42–46.<br />

FOTO: PRIVAT<br />

– gemessen anhand des standardisierten<br />

mini-mental state examination scores<br />

(MMSE); Probanden mit weniger Spermidin<br />

im Blut hatten im Durchschnitt eine<br />

geringere kognitive Leistungsfähigkeit [5].<br />

Zwei kürzlich veröffentlichte Studien am<br />

Menschen - SMARTAGE an der Charité<br />

Berlin und die Pflegepatienten Studie an<br />

den Geriatrischen Gesundheitszentren in<br />

Graz - konnten die positiven Effekte von<br />

Spermidin im Gehirn bestätigen.

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