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Seltene Erkankungen

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SELTENE<br />

ERKRANKUNGEN<br />

Eosinophile<br />

Granulomatose mit<br />

Polyangiitis (EGPA)<br />

Vanessa Rennspieß<br />

hat EGPA und wünscht<br />

sich bessere Aufklärung<br />

und kürzere Diagnosewege,<br />

um die Belastung<br />

Betroffener zu mindern.<br />

Seite 05<br />

Morbus Fabry<br />

und Morbus Pompe<br />

Im Interview spricht<br />

Dr. med. Christina Lampe<br />

über diese seltenen<br />

lysosomalen Speichererkrankungen.<br />

Seite 10<br />

"Trotz aller Herausforderungen empfinde<br />

ich mein Leben als wunderbar!"<br />

Sara Franke ist von der seltenen Knochenstoffwechselstörung<br />

XLH betroffen und berichtet im Interview über ihr<br />

Leben mit dieser seltenen Erkrankung. Seite 14


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facebook.com/MediaplanetStories<br />

@Mediaplanet_germany<br />

Please recycle<br />

VERANTWORTLICH FÜR DEN<br />

INHALT IN DIESER AUSGABE<br />

Miriam Hähnel<br />

Die vier Millionen<br />

Menschen in Deutschland,<br />

die von einer seltenen Erkrankung<br />

betroffen sind,<br />

müssen gehört werden.<br />

Schenken Sie ihnen Aufmerksamkeit:<br />

Auch über<br />

den Tag der <strong>Seltene</strong>n<br />

Erkrankungen hinaus!<br />

IN DIESER AUSGABE<br />

06<br />

Forschung braucht<br />

Vernetzung, Förderung und<br />

eine strukturelle Finanzierung<br />

Text Eva Luise Köhler<br />

Leben mit NDM<br />

Manuela Albert hat eine Nichtdystrophe<br />

Myotonie und erzählt<br />

von ihrem schwierigen Weg zur<br />

richtigen Diagnose.<br />

08“Ich bin wie alle!“<br />

Felix hat das seltene Alagille-Syndrom.<br />

Er und seine Mutter berichten,<br />

was die Krankheit für ihn und ihre<br />

Familie bedeutet.<br />

12<br />

“Die besten Informationen<br />

bekommen Patienten von<br />

anderen Betroffenen.“<br />

Natascha Sippel-Schönborn,<br />

Morbus Fabry-Betroffene und<br />

Geschäftsführerin der Morbus Fabry<br />

Selbsthilfegruppe e. V., im Interview.<br />

Director Business Development Health: Miriam<br />

Hähnel, Geschäftsführung: Richard Båge (CEO),<br />

Henriette Schröder (Managing Director), Philipp<br />

Colaço (Director Business Development),<br />

Lea Hartmann (Head of Design), Cover: Privat<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

der letzte Tag im Februar ist der Tag der <strong>Seltene</strong>n<br />

Erkrankungen. Betroffene Menschen, Angehörige<br />

und Unterstützer weltweit schaffen Aufmerksamkeit für<br />

ein Thema, das in der Forschung, der Politik, im Gesundheitswesen<br />

und der öffentlichen Wahrnehmung viel zu oft<br />

in den Schatten gedrängt wird: <strong>Seltene</strong> Erkrankungen. Die<br />

Errungenschaften der letzten Jahre wie die Etablierung<br />

der Zentrenstruktur, neue Therapieansätze, einige Medikationen<br />

sowie eine gewachsene Medienaufmerksamkeit<br />

können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Leid der<br />

vier Millionen Menschen, die in Deutschland von <strong>Seltene</strong>n<br />

Erkrankungen betroffen sind, noch immer groß ist.<br />

Die ACHSE, Dachverband und Netzwerk von und für Menschen<br />

mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen, bündelt die Anliegen<br />

und Bedarfe der Betroffenen seit nunmehr 20 Jahren und<br />

verschafft ihnen Gehör. Da ist der Kampf um Heil- und<br />

Hilfsmittel, um Arzneimittel und pflegerische Unterstützung.<br />

Finanzielle Nöte, auch weil Kind oder Partner zu<br />

Hause gepflegt werden. Viele Betroffene fühlen sich allein<br />

gelassen, es gibt kaum strukturelle Entlastung. Pandemie,<br />

Krieg und Krisen hinterlassen Spuren, zusätzliche Einschnitte<br />

sind allseits spürbar. Dazu der Mangel an Fachkräften<br />

im Bereich Pflege und Medizin. Nun sind es die<br />

Weiterentwicklung des Gesundheitswesens sowie geplante<br />

Reformen, die geradezu existenzielle Ängste bei den Betroffenen<br />

hervorrufen. Eltern schwerkranker Kinder fürchten,<br />

dass die Chancen auf Therapieentwicklungen weiter sinken.<br />

Viele fragen sich, ob sie ihre Medikamente in Zukunft<br />

noch kaufen können oder diese gar erhalten.<br />

Fragen Sie Betroffene, was diese sich am meisten wünschen,<br />

so ist es „Heilung“ oder zumindest eine Therapie,<br />

die ihr Leid, das des Kindes, des Partners oder der Partnerin<br />

lindert. Es sind Fortschritt und Innovation, die neue<br />

Diagnoseverfahren, Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten<br />

schaffen. Für Kinder und Erwachsene mit <strong>Seltene</strong>n<br />

Erkrankungen bedeuten sie eine Chance auf ein längeres,<br />

besseres Leben und Hoffnung auf Heilung. Digitalisierung,<br />

Genomsequenzierung, Neugeborenen-Screening sind nur<br />

drei Bereiche, die neue Türen öffnen.<br />

Doch Forschung braucht Vernetzung, Förderung und<br />

eine strukturelle Finanzierung. Die Zentren für <strong>Seltene</strong><br />

Erkrankungen, die nun zum Teil seit mehr als zehn Jahren<br />

ausgezeichnete Arbeit leisten, benötigen endlich eine<br />

nachhaltige Finanzierung, auch um ihren Forschungsauftrag<br />

durchführen zu können. Im Eckpunktepapier für die<br />

geplante Krankenhausreform kommen die Menschen mit<br />

<strong>Seltene</strong>n Erkrankungen nicht vor. Das muss geändert werden.<br />

Immer am letzten Tag im<br />

Februar richten wir die<br />

Scheinwerfer auf die<br />

<strong>Seltene</strong>n Erkrankungen.<br />

Die Anliegen<br />

und Bedarfe der<br />

Betroffenen gelten<br />

365 Tage im Jahr.<br />

Ihre Eva Luise Köhler<br />

FOTO:<br />

ANDREA KATHEDER<br />

Es sind Fortschritte und<br />

Innovationen, die neue<br />

Diagnoseverfahren,<br />

Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten<br />

schaffen.<br />

Eva Luise Köhler, Schirmherrin der<br />

Allianz Chronischer <strong>Seltene</strong>r Erkrankungen (ACHSE) e. V.<br />

Mediaplanet-Kontakt: de.redaktion@<br />

mediaplanet.com<br />

Alle Artikel, die mit “In Zusammenarbeit mit“<br />

gekennzeichnet sind, sind keine neutrale<br />

Redaktion der Mediaplanet Verlag Deutschland<br />

GmbH. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit<br />

wird auf die gleichzeitige Verwendung der<br />

Sprachformen männlich, weiblich und divers<br />

(m/w/d) verzichtet. Alle Personenbezeichnungen<br />

gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.<br />

Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen brauchen die ACHSE.<br />

Unterstützen Sie die ACHSE mit Ihrer Spende!<br />

Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft<br />

IBAN: DE89 3702 0500 0008 0505 00<br />

Weitere Informationen: achse-online.de/jetzt_spenden<br />

Wir danken folgenden Partnern für die Zusammenarbeit:<br />

Amicus Therapeutics GmbH<br />

www.amicusrx.de<br />

Chiesi GmbH<br />

www.chiesirarediseases.de<br />

Dr. Falk Pharma GmbH<br />

www.drfalkpharma.de<br />

DEUTSCHEFACHPFLEGE<br />

www.deutschefachpflege.de<br />

GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG<br />

de.gsk.com<br />

Hormosan Pharma GmbH<br />

www.hormosan.com<br />

Kyowa Kirin GmbH<br />

www.kyowakirin.com<br />

Mirum Pharmaceuticals<br />

Germany GmbH<br />

www.mirumpharma.com<br />

Novartis Pharma GmbH<br />

www.novartis.de<br />

Sächsisches Staatsministerium<br />

für Wissenschaft,<br />

Kultur und Tourismus<br />

www.smwk.sachsen.de


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 3<br />

ORPHAN DRUGS –<br />

viele Patienten warten auf Therapien!<br />

Derzeit gibt es ca. 200 Arzneimittel zur Behandlung<br />

eines <strong>Seltene</strong>n Leidens (Orphan Drug). Etwa<br />

8.000 verschiedene <strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

sind bekannt. Der therapeutische Bedarf ist<br />

also weiterhin groß! Orphan Drugs können<br />

erheblich zu einer Verbesserung der Lebensqualität<br />

von Patientinnen und Patienten<br />

beitragen. Sie wirken sich positiv auf den<br />

nachfolgenden Pflege- und Behandlungsaufwand<br />

der Betroffenen aus.<br />

Text Dr. Matthias Wilken<br />

Neue Therapien stehen Patientinnen und<br />

Patienten in Deutschland so schnell und umfassend<br />

zur Verfügung wie in keinem anderen<br />

europäischen Staat. Eine gute Nachricht –<br />

denn ein rascher Zugang ist im Sinne der Patientinnen<br />

und Patienten. Pharmazeutische Unternehmen tun alles<br />

dafür, dieser Verpflichtung auch in Zukunft nachzukommen.<br />

Denn Menschen mit einer <strong>Seltene</strong>n Erkrankung<br />

haben das gleiche Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung<br />

wie Menschen mit häufigen Erkrankungen.<br />

Das Besondere bei der Forschung im Bereich der<br />

<strong>Seltene</strong>n Erkrankungen ist, dass die Erkenntnisse<br />

weit über ihr Indikationsgebiet hinaus strahlen.<br />

Das gewonnene Wissen aus dem Krankheitsgeschehen<br />

einer <strong>Seltene</strong>n Erkrankung lässt sich meist auch auf<br />

andere Krankheitsbilder übertragen. Je mehr Faktoren<br />

eines Krankheitsverlaufs bekannt sind, umso eher<br />

können pharmazeutische Unternehmen präzise Therapien<br />

entwickeln. Forschung an <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen<br />

ist also auch „das Labor“ für häufige Erkrankungen –<br />

es profitieren mittelbar auch Menschen mit anderen<br />

Erkrankungen.<br />

FOTO: BPI/KRUPPA<br />

Stabile politische<br />

Rahmenbedingungen<br />

sind für die<br />

Arzneimittelentwicklung<br />

das A und O.<br />

Dr. Matthias Wilken<br />

Geschäftsführer BPI (Bundesverband der<br />

Pharmazeutischen Industrie e.V.) , Market Access,<br />

Märkte und Versorgung<br />

Wichtig ist, dass der Arzneimittelmarkt preispolitisch<br />

so aufgestellt bleibt, dass es Unternehmen möglich ist,<br />

Therapien für nur wenige Patientinnen und Patienten<br />

zu entwickeln. Stabile politische Rahmenbedingungen<br />

sind dafür das A und O.<br />

Leider weisen aktuelle Entwicklungen in eine andere<br />

Richtung: Auf europäischer Ebene werden Einschnitte<br />

im Anreizsystem zur Entwicklung von Orphan Drugs<br />

diskutiert. Und auch auf nationaler Ebene wird der<br />

sozialrechtliche Sonderstatus immer wieder in<br />

Frage gestellt.<br />

Da im Vergleich zu häufigen Erkrankungen wie Diabetes<br />

oder Hypertonie (Bluthochdruck) nur sehr wenige<br />

Patientinnen und Patienten diese speziellen Arzneimittel<br />

brauchen, entwickelt die pharmazeutische Industrie<br />

Orphan Drugs unter ganz besonderen Bedingungen.<br />

Forschende stehen bei der Vorbereitung und Durchführung<br />

von Studien vor großen Herausforderungen.<br />

Das fängt schon bei der Datengenerierung an: Meist ist<br />

das Wissen zu der jeweiligen Erkrankung sehr begrenzt.<br />

Die Patientenpopulationen sind klein, heterogen und<br />

geografisch oft weit verteilt. Die Rekrutierung von<br />

Probanden ist daher sehr schwierig und kostenintensiv<br />

– das Investitionsrisiko für pharmazeutische Unternehmen<br />

wiederum sehr hoch. Entscheidet sich ein<br />

Unternehmen, Therapieansätze für eine <strong>Seltene</strong> Erkrankung<br />

zu erforschen, sucht es nach der Stecknadel<br />

im Heuhaufen. Auch die Entwicklung eines Orphan<br />

Drugs ist sehr aufwändig: Sie kann bis zu 15 Jahre dauern<br />

und mehrere hundert Millionen bis Milliarden Euro<br />

kosten. Hersteller müssen also in der Lage sein, diese<br />

Kosten zu refinanzieren. Da der Absatzmarkt durch<br />

kleine Patientenpopulationen aber stark begrenzt ist,<br />

ergeben sich auch höhere Preise.<br />

Als Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie<br />

(BPI) engagieren wir uns seit Jahren für verbesserte<br />

Diagnose- und Therapieoptionen. Die Versorgung ist<br />

ein Prozess: Entscheidend ist eine frühzeitige Diagnose.<br />

Das setzt voraus, dass Ärztinnen und Ärzte bei der<br />

Diagnosestellung auch an <strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

denken. Oft vergehen etliche Jahre, bis Patientinnen<br />

und Patienten die zutreffende Diagnose erhalten.<br />

Aufgrund der Seltenheit und Komplexität der Krankheitsbilder<br />

ist es für viele Menschen ein langer Weg,<br />

bis sie von einer adäquaten Therapie profitieren<br />

können. Patientenlotsen in Zentren für <strong>Seltene</strong><br />

Erkrankungen können bei unklaren Diagnosen<br />

helfen, diesen Prozess zu beschleunigen.<br />

Therapien machen dann den Unterschied – doch Patientinnen<br />

und Patienten, die von ihnen profitieren, müssen<br />

erst einmal „gefunden“ werden. Um diesen Prozess integrativ<br />

zu denken, machen wir uns als BPI im Rahmen des<br />

Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit<br />

<strong>Seltene</strong>n Erkrankungen (NAMSE) stark. Im Zusammenschluss<br />

mit Bundesministerien und über 20 Bündnispartnern<br />

setzen wir uns dafür ein, dass alle Patientinnen<br />

und Patienten eine Chance auf eine zeitnahe Diagnose<br />

und Therapie ihrer <strong>Seltene</strong>n Erkrankung erhalten.<br />

Bei <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen handelt es sich oft<br />

um genetisch bedingte Erkrankungen,<br />

oft sind Kinder betroffen. Für viele schwerkranke<br />

Patientinnen und Patienten, bei denen andere<br />

Therapien meist ausgeschöpft sind, können<br />

mitunter Arzneimittel für neuartige Therapien<br />

(ATMP) zum Einsatz kommen.<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

ZUM THEMA FINDEN SIE IM<br />

BPI-THEMENDIENST „ATMP“<br />

UND IM<br />

BPI-THEMENDIENST<br />

„SELTENE ERKRANKUNGEN“


4<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der DEUTSCHENFACHPFLEGE entstanden.<br />

FOTOS: DEUTSCHE FACHPFLEGE<br />

HOLDING GMBH<br />

Weil Pflege so<br />

viel mehr ist.<br />

"Auch digital lassen sich besondere<br />

Momente mit Angehörigen teilen."<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Herr Klein, die außerklinische Versorgung<br />

steht bei der DEUTSCHENFACH-<br />

PFLEGE besonders im Fokus. Was sind<br />

die Herausforderungen in der Intensivpflege<br />

von Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen?<br />

Im Grundsatz sind die Anforderungen nicht anders<br />

als bei allem, was wir ohnehin tun. Die Menschen, die<br />

sich uns anvertrauen, sollen sich in ihren individuellen<br />

Bedürfnissen verstanden und gut betreut fühlen können.<br />

Dieser zwischenmenschliche Aspekt steht bei uns im<br />

Mittelpunkt. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn<br />

in der außerklinischen Intensivpflege befinden sich<br />

die Menschen und ihre Angehörigen häufig in einer<br />

Ausnahmesituation, die sie psychisch mitnimmt und<br />

oft überfordert. Wir tun sehr viel, um unsere Pflegekräfte<br />

dafür zu sensibilisieren. Diese zwischenmenschlichen<br />

Aspekte, Einfühlungsvermögen und Geduld sind<br />

fundamental. Deshalb müssen unsere Pflegekräfte<br />

besonders geschult sein und auch die Besonderheiten<br />

der <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen kennen.<br />

Die Verbesserung der Pflege<br />

ist ein Prozess, der nie<br />

abgeschlossen sein wird.<br />

Daniel Klein<br />

CEO DEUTSCHEFACHPFLEGE<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankungen sind oft sehr komplex und<br />

erfordern ein hohes Maß an Wissen um die Erkrankung.<br />

Wie stellen Sie sicher, dass Menschen mit<br />

<strong>Seltene</strong>n Erkrankungen bestmöglich versorgt<br />

werden können?<br />

Das A und O in der außerklinischen Intensivpflege ist die<br />

Schulung unserer Pflegekräfte. Die bieten wir auch über<br />

unsere hausinterne Pflegeleicht Akademie an.<br />

Das geht bei uns weit über die gesetzlichen Mindestanforderungen<br />

hinaus. Wir unternehmen aber auch<br />

große Anstrengungen, um die Pflegekräfte durch digitale<br />

Innovationen und Künstliche Intelligenz zu unterstützen.<br />

So arbeiten wir daran, dass wir künftig die Vitalwerte<br />

durch digitale Lösungen rund um die Uhr überwachen<br />

können. Dadurch werden unsere Pflegekräfte früh auf<br />

mögliche Abweichungen von den Normalwerten aufmerksam<br />

gemacht und können rasch intervenieren.<br />

Das zweite große Gebiet ist das Fachteam medizinische<br />

Behandlungspflege, das wir in den vergangenen Jahren<br />

aufgebaut haben. Eine große Herausforderung bei der<br />

Pflege von Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen ist,<br />

dass neben der Hauptdiagnose häufig unterschiedlichste<br />

Nebendiagnosen festgestellt werden. Dadurch gleicht<br />

keine Betreuung der anderen. Im FmB, wie wir das abkürzen,<br />

bringen wir für jeden betreuten Menschen individuell<br />

die notwendigen Fachkompetenzen zusammen:<br />

Atmungstherapeuten, Fachkrankenpfleger und andere<br />

Spezialisten. Auch mit den Fachärzten kooperieren wir<br />

dabei eng. Im Jahr 2020 haben wir diese Innovation<br />

eingeführt – und die Ergebnisse geben uns recht.<br />

Schließlich ist ein zentraler Bestandteil für uns das<br />

Qualitätsmanagement, in das wir große Ressourcen<br />

investieren. Die Verbesserung der Pflege ist ein Prozess,<br />

der nie abgeschlossen sein wird. Neben dem Qualitätsmanagement<br />

pflegen wir deshalb einen engen Kontakt zu<br />

Forschung und Wissenschaft, um fortwährend neueste<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse oder das Wissen anderer<br />

Fachgebiete in unsere Pflegekonzepte einfließen zu<br />

lassen.<br />

Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen haben oft viele<br />

Krankenhausaufenthalte hinter sich und fühlen sich<br />

daher im häuslichen Umfeld wohler. Wie können<br />

Krankenhauseinweisungen minimiert werden?<br />

Manche Vertreter im Gesundheitswesen halten die stationäre<br />

Betreuung für überlegen. Das ist meiner Meinung<br />

nach falsch. Unsere Erhebungen sprechen eine andere<br />

Sprache: Die Menschen, die auf außerklinische Intensivpflege<br />

angewiesen sind, wollen vor allem Selbstbestimmung<br />

über ihr Leben, das steht für sie an oberster<br />

Stelle. An zweiter Stelle kommt Nähe zu den Angehörigen.<br />

Wir überfordern unser Gesundheitssystem, wenn<br />

wir glauben, wir könnten in Deutschland flächendeckend<br />

genügend Heime zur Betreuung dieser Personengruppe<br />

aufbauen. Deshalb sollte die außerklinische Intensivpflege<br />

einen angemessenen Stellenwert im Gesundheitswesen<br />

bekommen.<br />

Ich bin der Meinung, dass jeder selbst die Möglichkeit<br />

haben sollte, zu entscheiden, ob er oder ob sie lieber in<br />

einem Heim, in der eigenen Häuslichkeit oder in einer<br />

wohnortnahen Wohngemeinschaft betreut werden<br />

möchte. Ich wünsche mir ein System, in dem ideologiefrei<br />

die verschiedenen Betreuungsformen nebeneinander<br />

existieren. Denn ich bin der festen Überzeugung: Das<br />

Selbstbestimmungsrecht ist unantastbar. Wir können<br />

nicht wegdiskutieren, dass Lebensqualität in unmittelbarem<br />

Zusammenhang mit dem häuslichen Milieu steht.<br />

Das FmB und eine akkurate Analyse der Diagnosen sind<br />

neben einer qualitativ hochwertigen Pflege aus meiner<br />

Sicht die wesentlichen Elemente, um den Zustand der<br />

Menschen, die sich uns anvertrauen, zu stabilisieren und,<br />

wenn möglich, zu verbessern. So können wir Krankenhausaufenthalte<br />

reduzieren, die für die betroffenen Menschen,<br />

aber auch für die Krankenhäuser belastend sind.<br />

Die Digitalisierung spielt auch bei der Intensivversorgung<br />

von Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen<br />

eine immer größere Rolle. Können Sie uns<br />

dazu mehr erzählen?<br />

Lassen Sie mich einen Vergleich aus dem Sport nehmen:<br />

Bisher wurden Laktatwerte mit Blutproben am Ohrläppchen<br />

nach dem Training gemessen. Bis dahin sind die<br />

Spitzenbelastungen jedoch schon abgeklungen. Mit<br />

digitalen Lösungen können Sie Blutwerte während der<br />

Belastung messen. Die sind viel genauer. Genauso können<br />

Sie auch mit klugen digitalen Lösungen und Künstlicher<br />

Intelligenz die Vitalwerte von Menschen, die Intensivpflege<br />

benötigen, fortwährend messen und Veränderungen<br />

unmittelbar und schneller wahrnehmen. Das ist<br />

wichtig, um Komplikationen vorzubeugen, damit wirkliche<br />

Risiken gar nicht erst entstehen. Das ist das Ziel:<br />

Wir wollen durch Künstliche Intelligenz Risiken und<br />

Komplikationen offensiv und gezielt entgegenwirken.<br />

Wie können Angehörige von Betroffenen in den<br />

Pflegeprozess eingebunden und vor allem<br />

entlastet werden?<br />

Die Angehörigen sind in der außerklinischen Intensivpflege<br />

enorm wichtig. Wenn Menschen, die Intensivpflege<br />

benötigen, in einem häuslichen Umfeld leben,<br />

in dem sie sich wohlfühlen, verbessert sich ihre gesamte<br />

psychische und mentale Grundeinstellung. Und das kann<br />

sich nur positiv auf ihre gesundheitliche Entwicklung<br />

auswirken.<br />

Ganz wichtig ist aber auch, dass sich die Angehörigen<br />

nicht überfordert fühlen. Sie brauchen eine Unterstützung,<br />

die ihnen nicht nur Aufgaben abnimmt. Sie muss<br />

auch fachlich so hochwertig sein, dass sich die Angehörigen<br />

entlastet und gut aufgenommen fühlen. Dieser<br />

Aspekt ist ganz wichtig, wenn wir eine Rückzugspflege<br />

erfolgreich durchführen wollen. Und wir wollen die<br />

Menschen ja darin unterstützen, wieder ein Mehr an<br />

Autonomie zu gewinnen. Manchmal überfordert aber<br />

auch eine häusliche Unterbringung die Angehörigen.<br />

Deshalb haben wir in 15 der 16 Bundesländer Intensivpflege-Wohngemeinschaften<br />

gegründet, in denen die<br />

Menschen selbstbestimmt in der Nähe ihrer Angehörigen<br />

leben können. Das bietet einen unglaublichen Gewinn<br />

an Lebensqualität.<br />

Weitere Informationen: www.deutschefachpflege.de


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 5<br />

„Unsicherheit und Angst<br />

sind meine ständigen Begleiter.“<br />

Rheumatische Erkrankungen - da denkt man zunächst an eine Volkskrankheit, von der viele Menschen betroffen sind. Doch es gibt<br />

auch eine Reihe seltener rheumatischer Erkrankungen, zu denen die sogenannten Vaskulitiden gehören, die durch eine Entzündung<br />

der Blutgefäße gekennzeichnet sind. Vanessa Rennspieß ist von der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (kurz EGPA)<br />

betroffen und spricht mit uns über ihr Leben mit der Krankheit und ihre Wünsche für Betroffene.<br />

Text Alexandra Lassas<br />

FOTO:<br />

P R I VAT<br />

Frau Rennspieß, sie haben EGPA und ihre<br />

Beschwerden haben bereits vor 26 Jahren<br />

begonnen. Mit welchen Symptomen hat<br />

sich die Erkrankung gezeigt?<br />

Die Symptome meiner EGPA-Erkrankung sind schwer<br />

eindeutig zuzuordnen, da ich bereits an einer systemischen<br />

Sklerose litt und der Weichteilrheumatismus<br />

meine Beschwerden verstärkte. Die Beschwerden<br />

schlichen sich nach und nach in mein Leben ein, begleitet<br />

von häufigen, plötzlich auftretenden Nasennebenhöhlenentzündungen.<br />

Selbst sportliche Aktivitäten<br />

wie regelmäßiges Walken wurden durch die Verschlechterung<br />

der Atmung in Verbindung mit dem<br />

Heuschnupfen zur Qual und es entwickelte sich Asthma.<br />

Die Abstände zwischen den Phasen, in denen es mir<br />

gut ging, wurden immer kürzer.<br />

Auch für erfahrene Ärzte ist es nicht leicht, die<br />

Symptome in Zusammenhang zu bringen und die<br />

richtige Diagnose zu stellen. Können Sie uns von<br />

Ihrem Weg zur Diagnose erzählen?<br />

Nach einem Aufenthalt in einer Rehaklinik wurde mir<br />

die Diagnose Raynaud-Syndrom mitgeteilt. Zu diesem<br />

Zeitpunkt hatte ich bereits offene Stellen an den<br />

Händen, Schmerzen bei einfachsten Bewegungen<br />

und beim Atmen. Die offenen Stellen schränken mich<br />

in meiner Freizeit und im Haushalt sehr stark ein.<br />

Normale Dinge wie Staubsaugen, Kochen oder Putzen<br />

gehen zum Teil nur mit Handschuhen. Auch bei<br />

meiner Arbeit stoße ich an meine Grenzen. Kurz nach<br />

der Geburt meiner Tochter traten häufig blaue, taube<br />

Finger auf. In den Jahren darauf verschlimmerten sich<br />

alle Symptome. Zahlreiche Arztbesuche und Überweisungen<br />

brachten keine eindeutige Diagnose, bis ich<br />

schließlich einen Rheumatologen aufsuchte, der mich<br />

gründlich untersuchte und die systemische Sklerose<br />

diagnostizierte. Parallel dazu wurde ich in der Uniklinik<br />

wegen meiner offenen Hautstellen behandelt,<br />

erhielt aber von der Dermatologie viele Diagnosen,<br />

mit denen ich wenig anfangen konnte. Im Alltag<br />

musste ich lernen, mit den Symptomen zu leben.<br />

Ständig neue Diagnosen machten mich unsicher<br />

und verzweifelt.<br />

Erst 2017 wurde die Diagnose EGPA gestellt, als meine<br />

Blutwerte, insbesondere die Eosinophilen, auffällig<br />

waren. Eine Nasenblutentnahme in Kombination mit<br />

einer Chemotherapie brachte schließlich die genaue<br />

Diagnose.<br />

Wie sind Sie mit der permanenten Ungewissheit<br />

umgegangen?<br />

Das Gefühl ist erdrückend. Die intensive Suche nach<br />

den Ursachen macht unruhig und führt dazu, dass jede<br />

Kleinigkeit im Alltag überdacht wird. Ich habe z. B. oft<br />

meine Ernährung umgestellt und Routineverhalten<br />

geändert, um herauszufinden, was meine Symptome<br />

verschlimmert. Auch die Sorge, die Krankheit vielleicht<br />

an meine Tochter weiterzugeben, war ein Gedanke,<br />

der mir oft den Schlaf raubte. Kaum ein Monat verging,<br />

ohne dass ich einen Arzt aufsuchte oder zumindest<br />

einen Arztbesuch plante. Jeder Arztbesuch brachte<br />

mehr Informationen, aber oft auch mehr Unsicherheit.<br />

Unsicherheit und Angst sind meine ständigen Begleiter.<br />

Generell wünsche ich mir,<br />

dass seltene Erkrankungen<br />

frühzeitig erkannt werden,<br />

um die Unsicherheit und<br />

Belastung der Patienten<br />

zu minimieren.<br />

Wie geht es Ihnen jetzt?<br />

Ich gehe regelmäßig zum Kardiologen, weil ich unter<br />

Herzrhythmusstörungen leide. Außerdem sind immer<br />

wieder Darmspiegelungen notwendig, um Probleme mit<br />

meinem Verdauungstrakt zu überwachen.<br />

Vanessa Rennspieß<br />

EGPA-Patientin<br />

Auch Lungenfunktionstests und Besuche in der Uniklinik<br />

gehören zu meinen regelmäßigen Terminen.<br />

Da meine Erkrankungen sehr selten und unterschiedlich<br />

ausgeprägt sind, ist es schwierig, das richtige Medikament<br />

zu finden. Viele negative Nebenwirkungen sind<br />

teilweise sehr schwer auszuhalten. Zum Glück hilft mir<br />

ein Biologikum, meine Lunge in Remission zu halten.<br />

Wegen schlechter Thrombozyten- und Leukozytenwerte<br />

muss ich regelmäßig Blut abnehmen lassen, um Veränderungen<br />

zu beobachten. Vor diesen Terminen bin<br />

ich immer nervös, weil ich nie genau weiß, wie sie verlaufen<br />

und welche Ergebnisse sie bringen werden. Die<br />

Ergebnisse wirken sich direkt auf meine Stimmung aus.<br />

Der schwierige Heilungsprozess und die langen Termine<br />

stellen insgesamt eine enorme körperliche und emotionale<br />

Belastung dar.<br />

Forschung im Bereich <strong>Seltene</strong>r Erkrankungen ist<br />

lebenswichtig für Betroffene: Sie beteiligen sich<br />

z. B. selbst an Studien rund um Ihre Krankheit.<br />

Was wünschen Sie sich als Betroffene bezüglich der<br />

Patientenversorgung, abgesehen von anhaltender<br />

Forschung?<br />

Generell wünsche ich mir, dass <strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

frühzeitig erkannt werden, um die Unsicherheit und<br />

Belastung der Patienten zu minimieren. Dazu wäre es<br />

wichtig, die Ärzte in diesen Fragen besser zu schulen.<br />

Die Erfahrungen und Ergebnisse bei Arztbesuchen<br />

sind oft unterschiedlich, so dass man sich oftmals<br />

nicht ernst genommen oder ausreichend untersucht<br />

fühlt. Trifft man jedoch auf einen geschulten Arzt, der<br />

sich mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen auskennt, kann dies<br />

zu einem Durchbruch in der eigenen Diagnose führen.<br />

Eine weitere wichtige Komponente wäre die Unterstützung<br />

bei der Beantragung von Maßnahmen, die<br />

den Alltag erleichtern. Oft sind mehrere Anträge oder<br />

ein paar Tipps nötig, um mit Frührente, Zusatzurlaub<br />

und Schwerbehindertenausweis leichter durch den<br />

Alltag zu kommen.<br />

NP-DE-EOS-ADVR-240001; 01/2024<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG entstanden.<br />

Der Formwandler unter den rheumatischen Erkrankungen<br />

Unser Immunsystem ist ein komplexes Netzwerk. Seine Aufgabe ist es, Viren, Bakterien oder Parasiten zu bekämpfen. Diese Abwehrschlacht tobt<br />

meist unmerklich, und nur wenn es besonders heiß hergeht, spüren wir sie in Form von Fieber oder einer laufenden Nase. Doch wie jedes komplexe<br />

System, ist auch dieses fehleranfällig. Dann kann es zu Autoimmunerkrankungen kommen, bei denen unsere Abwehr gegen körpereigene Zellen<br />

vorgeht, wie im Falle des hypereosinophilen Syndroms (HES) oder der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA).<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Herr Dr. Aries, Sie und Ihr Team vom Immunologikum<br />

Hamburg sind auf Immunerkrankungen sowie<br />

entzündliche rheumatischen Erkrankungen spezialisiert.<br />

Was ist die besondere Herausforderung dabei?<br />

Diese sehr komplexen Krankheitsbilder sind teils schwer<br />

zu diagnostizieren und zu behandeln. Betrachtet man<br />

z. B. das HES oder die EGPA, treten bei diesen die Eosinophile<br />

– eine Unterart der weißen Blutkörperchen – in<br />

erhöhter Konzentration auf und lösen an unterschiedlichen<br />

Organen Entzündungsprozesse aus.<br />

Je nach betroffenem Organ treten Symptome auf, die<br />

auch auf andere Erkrankungen deuten. Im Falle der<br />

EGPA tritt in frühen Erkrankungsphasen z.B. häufig<br />

ein Asthma auf. Der Betroffene erhält daraufhin oft<br />

eine Asthmabehandlung, die den Krankheitsmechanismus<br />

der EGPA aber nicht berücksichtigt, so dass dieser<br />

weiter fortschreiten und weitere Organe angreifen<br />

kann. Häufig kommt es auch zu Problemen der Nebenhöhlen,<br />

wie z.B. Nasenpolypen, oder des Nervensystems.<br />

Wie finden Betroffene den Weg zu Ihnen?<br />

In der Hausarztpraxis ist es extrem schwer, solche seltenen<br />

Erkrankungen zu erkennen. Meist erfolgt zunächst<br />

eine Überweisung an einen Facharzt. Fällt aber im Behandlungsverlauf<br />

auf, dass z. B. ein Asthma nicht auf die übliche<br />

Behandlung anspricht oder ggf. weitere Entzündungssymptome<br />

an anderen Organen auftreten, liegt der Verdacht<br />

nahe, dass die Befunde einen gemeinsamen Nenner<br />

haben. An dieser Stelle werden die Patient*innen an uns<br />

überwiesen. Wir erheben dann Biomarker per Differentialblutbild,<br />

nehmen ggf. Gewebeproben und untersuchen<br />

die Patient*innen sprichwörtlich von der Locke bis zur<br />

Socke, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen und die<br />

richtige Diagnose stellen zu können.<br />

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es heute für<br />

solche Autoimmunerkrankungen?<br />

Bei der Therapie von Erkrankungen wie HES und EGPA,<br />

geht es nicht nur darum die Symptome zu beseitigen, sondern<br />

vor allem um die Entzündungshemmung.<br />

Dr. med. Peer M. Aries<br />

Internist, Rheumatologe und Immunologe<br />

Dazu ist im ersten Schritt meist der Einsatz von Kortison<br />

notwendig, eventuell von weiteren Immunsuppressiva. Das<br />

Kortison setzen wir aber wenn möglich ebenso schnell<br />

wieder ab, weil es mittel- und langfristig sehr viele Nebenwirkungen<br />

mit sich bringt. Dann kommen zielgerichtetere<br />

Therapien zum Einsatz, die etwas Zeit brauchen, bis sie<br />

ihre Wirkung entfalten, dafür langfristig eingenommen<br />

werden können. Die therapeutischen Möglichkeiten sind<br />

aktuell schon relativ gut, doch es wird es noch weitere Forschung<br />

benötigen, die einer engen Zusammenarbeit mit<br />

den Betroffenen und ihrer Behandlungsteams bedarf.<br />

Weitere Informationen: www.immunologikum.de<br />

FOTO:<br />

ASJA CASPARI


6<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

FOTO: SHUTTERSTOCK_ 789680077<br />

“Meine Diagnose:<br />

Eine seltene Krankheit mit lehrbuchfremdem Verlauf“<br />

Die drei Buchstaben NDM stehen für eine Gruppe seltener erblicher Erkrankungen, die sogenannten<br />

Nicht-dystrophen Myotonien. Manuela Albert ist davon betroffen. Allerdings zeigt sich die NDM bei der<br />

43-jährigen Mutter von vier Kindern lehrbuchfremd, was die an und für sich einfache Diagnosestellung<br />

erschwerte. Das ist Manuelas Geschichte.<br />

Text Doreen Brumme<br />

Manuela, wann zeigte sich Ihre<br />

NDM erstmals?<br />

Ich erinnere mich, dass ich auf<br />

dem Schulhof der Grundschule<br />

häufig stürzte. Häufiger, als meine<br />

Mitschüler. Es war, als würde mir jemand aus dem<br />

Nichts heraus mitten im Lauf ein Bein stellen. Von 100<br />

auf 0. Nur, dass da niemand war. Noch heute habe ich<br />

Narben an Händen und Knien von den andauernden<br />

Schürfwunden damals.<br />

Gab es bereits NDM in Ihrer Familie?<br />

Meine Mutter hat typische klinische Anzeichen einer<br />

leichten Myotonie. Sie kann Muskeln, die zum Bewegen<br />

angespannt werden, teilweise nicht mehr entspannen.<br />

Auch meine Oma und mein Urgroßvater mütterlicherseits<br />

hatten solche Symptome.<br />

Haben Sie Ihre Symptome fortan stets begleitet?<br />

Nein. Mit Beginn der Pubertät waren sie verschwunden.<br />

Wie kam es zur Diagnose NDM?<br />

Vor zwei Jahren wollte ich eines Nachts aufs Klo und<br />

kam gar nicht erst aus dem Bett. Das ist Stress, dachte<br />

ich. Dann fiel ich quasi aus der Dusche und stieß mir<br />

den Kopf am Türrahmen. Wenige Minuten später<br />

stürzte ich noch einmal. Daraufhin fuhr ich ins<br />

Krankenhaus. Der Verdacht auf einen Schlaganfall<br />

bestätigte sich zum Glück nicht. Ebenso wenig der<br />

auf Multiple Sklerose. Ich berichtete dem Arzt in der<br />

Notaufnahme jedoch von meinen Unfällen und der<br />

familiären Belastung: Der schickte mich geistesgegenwärtig<br />

in die Neurologie.<br />

Die Ärzte dort machten zwei schnelle Tests mit mir,<br />

die bei einem NDM-Verlauf nach Lehrbuch oft schon<br />

zur Diagnose führen: Faust ballen und öffnen sowie<br />

Augen zukneifen. Beide Tests waren bei mir unauffällig.<br />

Auch beim EMG, wo Nadelelektroden in meine<br />

Muskeln gestochen wurden, fiel nichts auf. (Mit einer<br />

Elektromyografie misst man die natürliche<br />

elektrische Aktivität eines Muskels.<br />

– Anm. d. Red.).<br />

Seit ich meine<br />

Diagnose erhalten<br />

habe und in Behandlung<br />

bin,<br />

habe ich wieder<br />

Handlungsspielräume.<br />

Ich kann<br />

sogar wieder in<br />

Vollzeit arbeiten.<br />

Manuela Albert<br />

NDM-Betroffene<br />

FOTO:<br />

PRIVAT<br />

Manuela Albert<br />

NDM-Patientin<br />

Die mich behandelnde Ärztin erklärte meine<br />

Probleme als psychosomatisch. Ich war verzweifelt<br />

und recherchierte auf eigene Faust im Internet.<br />

Dort stieß ich auf den Verein „Mensch und Myotonie e. V.“,<br />

eine Patientenorganisation. Ich nahm Kontakt auf<br />

und bekam den Namen eines NDM-Experten, den ich<br />

anschrieb. Er antwortete mir unerwartet schnell.<br />

Meine Symptome und medizinische Familiengeschichte<br />

sprächen durchaus für eine Myotonie,<br />

schrieb er. Vier Monate später war ich in seiner Klinik<br />

und wurde dort einmal komplett auf links gedreht.<br />

Das gründliche EMG ergab diesmal pseudomyotone<br />

Entladungen. Da meine Symptome so lehrbuchfremd<br />

waren, riet man mir zu einem Gentest. Der bestätigte<br />

mir eine Myotonia Congenita Thomsen.


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 7<br />

Wie sieht Ihr Alltag mit NDM heute aus?<br />

Sie kennen vielleicht den schmerzhaften Wadenkrampf<br />

nach einem langen Tag oder nach körperlicher Anstrengung,<br />

der einen plötzlich nachts im Bett wachhält...?<br />

Den hatte ich dreißig Mal am Tag in unterschiedlichen<br />

Muskeln, gleichwohl im Lehrbuch steht, dass die<br />

Thomsen-Myotonie schmerzfrei verläuft.<br />

Ich nehme seit der Diagnose zweimal täglich das<br />

Medikament, das in Deutschland für die Behandlung<br />

von NDM zugelassen ist. Das mindert meine Muskelkrämpfe<br />

und Schmerzen für einige Stunden. Und diese<br />

Zeit nutze ich. Ich arbeite in Vollzeit als Sekretärin in<br />

einem Baubetrieb. Meinem Arbeitgeber und meinen<br />

Kollegen habe ich von meiner Diagnose erzählt und<br />

ernte Verständnis und Unterstützung.<br />

Im Internet stieß ich auf den<br />

Verein „Mensch und Myotonie e. V.“,<br />

eine Patientenorganisation.<br />

Ich nahm Kontakt auf und bekam<br />

den Namen eines NDM-Experten,<br />

der mir vier Monate später eine<br />

Myotonia Congenita Thomsen<br />

bestätigte.<br />

Daheim zeigt sich die NDM oft beim Zubereiten der<br />

Mahlzeiten für meine Großfamilie. Sobald ich merke,<br />

dass ich die Arme gleich nicht mehr bewegen kann,<br />

um in Topf und Pfanne umzurühren, rufe ich laut<br />

nach Hilfe. Das Medikament verschafft mir Handlungsspielraum.<br />

Seit Februar bin ich zudem im E-Rolli<br />

unterwegs und genieße die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit.<br />

Ich leide außerdem am Erschöpfungssyndrom Fatigue.<br />

Einmal zuhause die Treppe hoch und runter – und<br />

ich bin fertig! Die Erschöpfung betrifft aber auch<br />

meinen Kopf: Immer wieder spüre ich nach körperlicher<br />

Anstrengung so einen Nebel. Dann höre ich<br />

zwar, wie jemand mich was fragt, brauche aber<br />

mitunter mehrere Minuten, um zu antworten.<br />

Draußen auf der Straße ist diese verzögerte<br />

Reaktion lebensgefährlich.<br />

Was wünschen Sie sich und anderen NDM-<br />

Betroffenen?<br />

• Ich wünsche uns, dass die Ärzte uns genau zuhören,<br />

auch wenn die Zeit knapp und der Stress groß sind.<br />

Meine NDM ist so untypisch, und doch ist sie real.<br />

Das schnelle Abtun als „psychosomatisch“ erleben<br />

leider viele NDM-Betroffene.<br />

• Ich wünsche uns ein gründliches Abklären unserer<br />

Symptome seitens der Ärzte.<br />

• Ich wünsche uns bessere Aufklärung. Auch im<br />

Internet finden sich scheinbar seriöse Quellen, die<br />

die NDM teils falsch, teils lückenhaft beschreiben.<br />

Weitere Informationen finden Sie auf der Website<br />

der Patientenorganisation Mensch und Myotonie<br />

e. V. unter: www.menschundmyotonie.de<br />

Kontakt<br />

Mensch & Myotonie e. V.<br />

Postfach 16 03 30, 44333 Dortmund<br />

1. Vorsitzender: Volker Kowalski<br />

E-Mail: vokiko@online.de<br />

Tel.: 0231-803290 ( ab 12 Uhr )<br />

officialmyotonia.orga<br />

www.instagram.com/officialmyotonia.orga/<br />

Mensch & Myotonie e. V.<br />

www.facebook.com/Myotonien<br />

@myotonia.org<br />

www.tiktok.com/@myotonia.org<br />

Auch auf der Website der Deutschen Gesellschaft<br />

für Muskelkranke e. V. finden Sie weitere<br />

Informationen: www.dgm.org<br />

Kontakt<br />

Bundesgeschäftsstelle der DGM<br />

E-Mail: info@dgm.org<br />

Tel.: 07665 94470<br />

ANZEIGE<br />

Ständig unter Strom, und doch blockiert<br />

Ich bin sehr muskulös,<br />

habe aber keine Kraft. Mein<br />

Nachbar hält mich für einen<br />

Macho, weil meine Frau die<br />

Getränkekisten trägt….<br />

Die Musik ist mein<br />

Leben: die erste Geige<br />

im Orchester spielen<br />

– ein Traum, der<br />

mit einer wirksamen<br />

Therapie Realität<br />

werden könnte.<br />

Als ich<br />

die Hand meines<br />

neuen Chefs nicht<br />

loslassen konnte, wäre<br />

ich am liebsten im Boden<br />

versunken. Ihm nicht<br />

die Hand zu geben war<br />

keine Option!<br />

Kälte verstärkt<br />

meine Symptome.<br />

Wintersport –<br />

ohne wirksame<br />

Therapie ist das<br />

undenkbar!<br />

Meine Eltern<br />

hielten mich für bockig,<br />

weil ich vor der Treppe<br />

stehen blieb und nicht<br />

hochgehen konnte.<br />

DE-NDM-2401-00002<br />

Die Unfähigkeit, einen Muskel nach Anspannung schnell wieder zu entspannen, beeinträchtigt unser Leben in vielerlei Hinsicht.<br />

Alltägliche Dinge wie Händeschütteln, Treppensteigen, nach dem Bus Rennen, sogar Aufstehen und einfach Loslaufen stellen<br />

enorme Herausforderungen dar und bedeuten emotionalen Stress für uns. Äußerlich wirken wir gesund, teilweise sogar athletisch,<br />

was oft Unverständnis bei Außenstehenden hervorruft und uns zusätzlich belastet.<br />

Wir lassen Sie nicht allein!


8<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

„Ich bin wie alle!“<br />

Felix* bekam mit sechs eine neue Leber, denn er leidet am seltenen Alagille-Syndrom,<br />

das Probleme an Leber, Herz, Nieren und Knochen macht. Was die Erbkrankheit für<br />

ihn und seine Familie bedeutet, berichten Felix und seine Mutter hier.<br />

Text Doreen Brumme<br />

Frau Steinbach*, Felix leidet am Alagille-<br />

Syndrom. Wann fiel Ihnen auf, dass er Beschwerden<br />

hat – und wie sahen diese aus?<br />

Felix hat vier ältere Geschwister, ich hatte also bereits<br />

Erfahrung mit Neugeborenen. Mir fiel sofort auf, dass<br />

er sich mit dem Stillen schwertat. Mit der Hebamme<br />

zusammen versuchte ich alles, um ihn zum Trinken zu<br />

bewegen – vergebens. Zudem war Felix ungewöhnlich<br />

lange nach der Geburt noch sehr gelb – als Krankenschwester<br />

wusste ich, dass das mit der Leber zusammenhing.<br />

Bei der ersten Untersuchung bei unserer Kinderärztin<br />

wurde deshalb gleich ein Bluttest gemacht<br />

und der ergab dann die Diagnose.<br />

Wie wurde Felix behandelt?<br />

Felix‘ Leber wurde fortan engmaschig kontrolliert.<br />

Da bei der Erbkrankheit oft auch Herz, Nieren und<br />

Knochen in Mitleidenschaft geraten, machte man eine<br />

Herzkatheter-Untersuchung und stellte Gefäßveränderungen<br />

fest. Die Leberwerte von Felix waren jahrelang<br />

auf einem schlechten Niveau, das gerade noch geduldet<br />

werden konnte. Mit vier Jahren hatte Felix bereits etliche<br />

Knochenbrüche hinter sich. Das hieß: Arztbesuche<br />

bestimmten seine Kindheit. Immer wieder stand eine<br />

neue Leber im Raum. Mit sechs Jahren brauchte Felix<br />

eine neue Leber. Kurz nach Neujahr kam der Anruf...<br />

Wir hatten nicht mal eine Kliniktasche gepackt. Den<br />

Moment, als Felix in den OP geschoben wurde, werde<br />

ich nie vergessen. Ich hatte selbst an Transplantationen<br />

mitgewirkt. Ich wusste, was ihm, was uns bevorstand.<br />

Ich kannte die Risiken. Ich höre noch heute, wie der<br />

operierende Arzt mir versicherte, es sei eine gute Leber,<br />

die er für Felix hätte. Das half, die 14 Stunden Warten<br />

auszuhalten.<br />

Felix, du bist inzwischen 14 Jahre alt. Wirkt sich<br />

deine Erkrankung auf deinen Alltag aus – und fühlst<br />

du dich anders als gesunde Gleichaltrige?<br />

Ich bin ganz normal und werde so auch wahrgenommen.<br />

Als ich neulich beim Schulausflug meinen Behindertenausweis<br />

zeigte, um den günstigeren Eintritt<br />

zu bekommen, fragten viele, warum ich den habe. Ab<br />

und zu sprechen mich manche auch auf meine grau<br />

verfärbten Zähne an. Dann sage ich, dass das von den<br />

Medikamenten kommt. Ansonsten bin ich wie alle. Ich<br />

kann machen, was meine Freunde auch tun: Ich fühle<br />

mich nicht im Abseits. Ich bin sehr sportlich, mache seit<br />

Jahren Akrobatik im Zirkus. Ich weiß ziemlich<br />

gut, was ich mir zumuten kann und was nicht.<br />

Die vermeintlich „normalen“ Dinge wie Rauchen,<br />

Saufen und Kiffen lasse ich gerne aus.<br />

Was bedeutet Felix‘ Diagnose für die Familie?<br />

Frau Steinbach: Felix war von Anfang an unser<br />

Päppelkind. Jahrelang ging es bei ihm vor allem darum,<br />

dass er genug isst, zunimmt und wächst. Das hat<br />

den Takt der Familie bestimmt. Er war lange zu klein...<br />

Felix: Jetzt bin ich einer der Großen!<br />

Frau Steinbach: Felix hatte in der Grundschule eine<br />

Begleitung an der Seite, die seinen Ranzen trug, ihm<br />

schwere Türen öffnete. Doch je weiter die OP zurück lag,<br />

desto normaler wurde sein Leben und unser Familienleben.<br />

Die Geschwister hatten ja auch ihre Themen<br />

mit Schule, Abschluss ...<br />

Felix: Wir sind alle frühreif.<br />

Frau Steinbach: Das stimmt. Alle sind an der Situation<br />

gewachsen. Mitunter sorge ich mich, dass die Krankheit<br />

Felix und seinen Geschwistern die Leichtigkeit aus dem<br />

Leben nimmt. Doch dann sage ich mir: Was ist, ist kein<br />

Zufall. So, wie’s ist, ist’s gut. Unser, also vor allem mein<br />

nächstes Thema wird sein, Felix in sein eigenes Leben<br />

zu entlassen.<br />

Vielleicht wäre es<br />

irgendwann mal ganz schön,<br />

jemanden zu sprechen, der<br />

Ähnliches erlebt hat.<br />

Wo bekommen Sie Unterstützung?<br />

Frau Steinbach: Ich bin mit meinen fünf Kindern allein.<br />

Doch ich habe eine große Familie, Freunde und Nachbarn,<br />

auf die immer Verlass ist. Wir sind in unserer<br />

freikirchlichen Gemeinde sehr gut eingebunden und<br />

finden dort immer Hilfe. Mir ist klar, dass das nicht<br />

selbstverständlich ist. Ich bin dankbar für die Gewissheit,<br />

mit allem in Gottes Hand zu sein und bin mir<br />

bewusst, dass das ein Geschenk ist.<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

FOTO:<br />

SHUTTERSTOCK_465884015<br />

Andere, insbesondere Alleinerziehende, haben solch ein<br />

Hilfenetz wie ich vielleicht nicht. Allein kommt man beim<br />

Betreuen eines chronisch kranken Kindes rasch an seine<br />

Grenzen. Es kostet Kraft, zu erkennen, dass man Hilfe<br />

braucht. Und es kostet noch mehr Kraft, Hilfe zu holen.<br />

Da können Selbsthilfegruppen eine Unterstützung sein.<br />

Felix: Vielleicht wäre es irgendwann mal ganz schön,<br />

jemanden zu sprechen, der Ähnliches erlebt hat. Aber momentan<br />

geht’s mir gut. Ich habe Freunde, die alles von mir<br />

wissen. Mit denen kann ich reden, wenn mir danach ist.<br />

Der Verein Leberkrankes Kind e. V.<br />

Seit 1987 gibt es den Verein Leberkrankes Kind e. V.<br />

Gegründet wurde der Verein von Eltern leberkranker<br />

Kinder, die das Bedürfnis hatten, sich mit anderen<br />

betroffenen Familien auszutauschen. Heute hat<br />

unser Verein rund 300 Mitglieder. Wir informieren<br />

über Krankheitsbilder und über Unterstützungsmöglichkeiten<br />

für Familien schwer kranker Kinder.<br />

Der Verein fördert verschiedene Projekte an Kliniken,<br />

unterstützt Ferienfreizeiten oder ermöglich transplantierten<br />

Kindern die Teilnahme an den<br />

World Transplant Games.<br />

Wir als Verein möchten informieren, Mut machen und<br />

unsere Erfahrungen teilen. Jede und jeder ist herzlich<br />

als Mitglied in unserem Verein willkommen.<br />

Je mehr wir sind, desto mehr können wir bewirken –<br />

gemeinsam für unsere Kinder!<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.leberkrankes-kind.de<br />

„Eine frühe Diagnose des Alagille-Syndroms ist entscheidend“<br />

Das Alagille-Syndrom ist eine seltene angeborene System-Erkrankung, die hauptsächlich die Leber und oft das Herz betrifft. Wir sprachen mit PD Dr. Eberhard Lurz,<br />

Facharzt Kinder- und Jugendmedizin, Zusatz-Weiterbildung Kinder-Gastroenterologie, am LMU Zentrum für Entwicklung und komplex chronisch kranke<br />

Kinder im Dr. von Haunerschen Kinderspital, 2. Vorsitzender der GPGE e. V., über die Symptome und die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten.<br />

Text Katharina Lassmann<br />

Herr Dr. Lurz, was passiert beim Alagille-Syndrom<br />

im Körper Betroffener und wie äußert sich die Erkrankung?<br />

Das Alagille-Syndrom manifestiert sich meist unmittelbar<br />

nach der Geburt oder in der Säuglingsphase und ist<br />

durch eine deutliche Lebererkrankung mit Gelbsucht<br />

und Juckreiz gekennzeichnet, oft betrifft sie aber auch<br />

Herz oder Nieren. Verantwortlich hierfür ist ein Defekt<br />

in einem der beiden Strukturgene JAG1 bzw. NOTCH2,<br />

der zu einer fehlerhaften Entwicklung spezifischer<br />

Zellen führt.<br />

Dadurch kommt es zu einer unzureichenden Entwicklung<br />

der Gallengänge in der Leber und Symptome wie<br />

Gelbsucht, Juckreiz und Leberprobleme können entstehen.<br />

Die Galle kann nicht regelrecht aus der Leber<br />

ausgeschieden werden, sodass es langsam zu einer Vernarbung<br />

der Leber kommt. Gemäß einer aktuellen internationalen<br />

(GALA) Registerstudie überleben weniger<br />

als 50% der Kinder mit ihrer eigenen Leber und eine Lebertransplantation<br />

wird im Verlauf notwendig. Manche<br />

Patienten haben einen sehr milden Krankheitsverlauf<br />

ohne relevante Symptome und die Diagnose wird erst zu<br />

einem späteren Zeitpunkt gestellt, z. B. wegen auffälligen<br />

Gesichtsmerkmalen wie einem spitzen Kinn mit breiter<br />

Stirn, kleinen Fettknötchen (Xanthomen) an den Augen<br />

oder der Haut, oder eigenem Nachwuchs mit Alagille-<br />

Syndrom. Eine endgültige Diagnose erfolgt in der Regel<br />

mittels genetischer Tests.<br />

Was sind die größten Herausforderungen für Patienten<br />

und ihre Angehörigen?<br />

Neugeborene zeigen oft in den ersten beiden Wochen<br />

eine gelbliche Verfärbung der Haut oder Skleren, welche<br />

man gut beobachten und spätestens nach dem 14.<br />

Lebenstag mit einer Blutuntersuchung und Bilirubin-<br />

Bestimmung abklären lassen sollte. Manche Neugeborenen<br />

haben auch sehr hellen, kalkfarbenen oder entfärbten<br />

Stuhlgang, bei dem man die Blutuntersuchung<br />

sofort durchführen sollte. Durch diese konsequente<br />

Untersuchung kann die Diagnose eines Alagille-Syndroms<br />

oder anderer Gelbsuchterkrankungen der Leber<br />

möglichst früh gestellt werden. Eine späte Diagnose<br />

birgt größere Belastungen für das Kind und die Familie,<br />

wie starken Juckreiz und Schlafprobleme. Hemmung<br />

des Wachstums und eine Entwicklungsstagnation können<br />

auftreten. Durch einen möglichen Mangel der fettlöslichen<br />

Vitamine besteht auch das Risiko für z. B. eine<br />

Vitamin K Mangel-bedingte Hirnblutung.<br />

FOTO: LMU<br />

KLINIKUM MÜNCHEN<br />

Welche Behandlungsoptionen<br />

gibt es derzeit?<br />

Die Therapie beginnt mit der<br />

Verabreichung von fettlöslichen<br />

Vitaminen, um einen Mangel an den Vitaminen A, D, E<br />

und K zu verhindern. Zusätzlich versucht man durch die<br />

Gabe einer künstlich hergestellten Gallensäure, die Löslichkeit<br />

der Gallenflüssigkeit und damit Abfluss dieser aus<br />

der Leber zu optimieren. Die körperliche Entwicklung des<br />

Kindes wird engmaschig kontrolliert und die Ernährung<br />

ggf. angepasst und auf eine ausreichende Kalorienzufuhr<br />

geachtet. Teilweise kratzen sich Kinder mit Alagille-Syndrom<br />

täglich blutig und können nachts nicht schlafen.<br />

Ein neues Medikament ist seit letztem Jahr verfügbar<br />

und für die Behandlung dieses Juckreizes zugelassen.<br />

Dieses Medikament blockiert die Aufnahme der Gallensäuren<br />

im Dünndarm, sodass diese im Blut gesenkt<br />

werden und sich der Juckreiz mindert. Eventuell wird sogar<br />

die Leber entlastet und das Überleben mit der eigenen<br />

Leber verbessert. Eine frühe Diagnose und damit früher<br />

Beginn aller verfügbaren Therapieoptionen ist somit sehr<br />

wichtig für betroffene Kinder, um schwere Komplikationen<br />

zu vermeiden und ihnen eine altersentsprechende Entwicklung<br />

mit maximaler Lebensqualität zu ermöglichen.


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 9<br />

Polycythaemia Vera –<br />

Betroffene spielen eine wichtige Rolle in der Therapie<br />

Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind eine Gruppe von seltenen Erkrankungen des Knochenmarkes.<br />

Charakteristisch für diese Krankheitsbilder ist eine gesteigerte Produktion von Blutzellen, was sich in einer<br />

Vielzahl von Symptomen äußern kann. Wir sprachen mit Frau Prof. Dr. med. Haifa Kathrin Al-Ali über die<br />

Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Polycythaemia Vera (PV), die zu den MPN zählt.<br />

Text Alexandra Lassas<br />

Frau Prof. Al-Ali, wie sehen die Symptome einer<br />

PV aus und auf welche Symptomkonstellationen<br />

sollten Mediziner achten?<br />

Symptome lassen sich in allgemeine Beschwerden und<br />

durch die Komplikationen verursachte Probleme unterteilen.<br />

Allgemeine Symptome sind schwer zu erkennen<br />

und von den Patienten kaum mit der Erkrankung in<br />

Verbindung zu bringen, wie z. B. Kopfschmerzen, Müdigkeit<br />

und Konzentrationsstörungen. Die Symptome sind<br />

unspezifisch, aber ihre Auswirkungen sind enorm und<br />

beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich. Zusätzlich<br />

treten spezifische Beschwerden wie Sehstörungen und<br />

Juckreiz auf, der bei 14% der Patienten auftritt, obwohl<br />

auf der Haut keine sichtbaren Anzeichen vorhanden<br />

sind. Viele Patienten durchlaufen einen langen Leidensweg,<br />

bis die Krankheit korrekt diagnostiziert wird, und<br />

manche kämpfen jahrzehntelang mit den Symptomen.<br />

Aufgrund der erhöhten Dichte der roten Blutkörperchen<br />

im Körper sehen die Betroffenen äußerlich gesund aus,<br />

fühlen sich aber genau das Gegenteil. Dies hat Auswirkungen<br />

auf die psychische Verfassung, da viele nicht<br />

ernst genommen werden.<br />

Welche Untersuchungsmöglichkeiten hat der Arzt,<br />

um eine PV zu diagnostizieren und wie ginge es dann<br />

weiter?<br />

Der Arzt kann eine PV anhand des Blutbildes schnell und<br />

eindeutig diagnostizieren. Erhöhte Werte von Hämoglobin<br />

und Hämatokrit sind dabei ein deutlicher Hinweis.<br />

Eine PCR-Analyse des Blutes kann zusätzlich die<br />

JAK2-Mutation nachweisen, die die Diagnose PV bekräftigt<br />

und eine Untersuchung des Knochenmarks<br />

rundet das diagnostische Vorgehen ab. Es ist auch<br />

möglich, dass eine PV ohne auffällige Blutwerte vorliegt.<br />

Insbesondere bei jungen Menschen können plötzliche<br />

und ungewöhnliche Thrombosen auf eine vorhandene<br />

JAK2-Mutation hinweisen. Grundsätzlich hat die Erkrankung<br />

eine gute Prognose, wenn sie frühzeitig diagnostiziert<br />

wird. In Absprache mit dem Patienten sollte<br />

dann eine geeignete Therapie gefunden werden.<br />

Warum sollten Betroffene nach Diagnose oder unter<br />

Therapie regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen<br />

gehen?<br />

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind für Betroffene<br />

von großer Bedeutung. Ein nicht gut kontrollierter<br />

Hämatokritwert erhöht z. B. das Risiko von Thrombosen.<br />

Eine regelmäßige Überwachung des Blutbildes ist daher<br />

unverzichtbar. Auch die Lebensqualität und eine gute<br />

Kontrolle der Beschwerden können nur durch gute Verlaufskontrollen<br />

gewährt werden. Eine Vergrößerung der<br />

Milz kann u. a. ein Anzeichen für das Fortschreiten der<br />

Krankheit sein und möglicherweise eine Anpassung der<br />

Behandlung erfordern. Zusätzlich müssen die auftretenden<br />

Nebenwirkungen der verwendeten Medikamente<br />

beobachtet werden: Z. B. ist bei der PV insbesondere<br />

während der Behandlung auf unerwünschte Hautreaktionen<br />

wie Geschwüre an den Beinen (Beinulzerationen)<br />

und hellen Hautkrebs zu achten. Ein regelmäßiger Hautcheck<br />

ist daher sehr wichtig.<br />

FOTO:<br />

U N IVERS ITÄTS-<br />

MEDIZIN HALLE<br />

Wie merkt der Patient, dass sich die<br />

Symptome verändern/verschlechtern<br />

und es z. B. nicht um weitere Veränderungen<br />

des Alters geht?<br />

Für Patienten stehen international anerkannte<br />

Fragebögen zur Verfügung, die sie regelmäßig<br />

während des Kontakts mit ihrem behandelnden<br />

Arzt ausfüllen sollten. Durch den Vergleich der Werte über<br />

einen längeren Zeitraum können Verschlechterungen oder<br />

Veränderungen erkannt werden. Symptome wie Müdigkeit<br />

und Juckreiz lassen sich so über einen längeren Zeitraum<br />

besser beurteilen. Zudem wird dadurch das Ausmaß der<br />

Beschwerden deutlich und es kann eine klare Abgrenzung<br />

zu altersbedingten schleichenden Veränderungen erfolgen.<br />

Wie sollten sich Betroffene verhalten, wenn sie Veränderungen<br />

oder neue Beschwerden feststellen?<br />

Es ist ratsam, sofort den behandelnden Arzt aufzusuchen.<br />

Durch die Auswertung des Fragebogens erhält der Patient<br />

einen umfassenden Überblick über die Symptome, und<br />

der Arzt kann entsprechende therapeutische Maßnahmen<br />

ergreifen oder die Behandlung anpassen. Der Austausch<br />

mit anderen Betroffenen spielt ebenfalls eine wichtige<br />

Rolle. Das MPN-Netzwerk bietet die Möglichkeit, das<br />

Verständnis für die Krankheit zu verbessern und Kontakt<br />

zu anderen Betroffenen aufzunehmen.<br />

Wie können behandelnde Ärzte erkennen, wann eine<br />

Anpassung der Therapie notwendig ist?<br />

Der Arzt kann durch die Auswertung des Blutbildes eingreifen<br />

und die Therapie entsprechend anpassen. Anhand<br />

der Fragebögen können alternative Therapiemöglichkeiten<br />

zur Verbesserung der Lebensqualität des Patienten gesucht<br />

werden. PV ist eine äußerst vielfältige Erkrankung, und<br />

die Probleme und Beschwerden jedes einzelnen Patienten<br />

sind unterschiedlich. Als Arzt ist es wichtig, alle Parameter<br />

im Blick zu behalten, sie individuell auf den Patienten<br />

abzustimmen und gemeinsam an der Therapie zu arbeiten.<br />

Bei der Anpassung der Behandlung sollten auch die emotionalen<br />

Aspekte berücksichtigt werden. Die Verbesserung<br />

der Lebensqualität sollte gemeinsam angestrebt werden.<br />

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Leben mit MPN –<br />

Umfassende Hilfe für Betroffene<br />

<strong>Seltene</strong> Krankheiten stehen oft im Schatten. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, das Bewusstsein für<br />

seltene Erkrankungen zu schärfen und Solidarität mit Betroffenen zu zeigen. Der Rare Disease Day bietet auch<br />

dieses Jahr eine einzigartige Gelegenheit, auf seltene Erkrankungen wie die Polycythaemia vera aufmerksam zu<br />

machen. Das forschende Pharmaunternehmen Novartis denkt Medizin neu, um besonders auch Menschen mit<br />

seltenen Erkrankungen mit innovativen Therapien zu mehr Lebensqualität zu verhelfen und ihnen mit<br />

umfangreichen Unterstützungs- und Informationsangeboten zur Seite zu stehen.<br />

FOTO: NOVARTIS PHARMA GMBH<br />

Speziell für Menschen, die an einer Myeloproliferativen Neoplasie (MPN) wie der Myelofibrose,<br />

der Polycythaemia Vera oder der Chronischen Myeloischen Leukämie leiden,<br />

hat Novartis für Patient:innen und deren Angehörige umfangreiche Informationsinitiativen<br />

ins Leben gerufen, die Betroffenen und deren Angehörigen wissenschaftlich fundiertes<br />

Wissen zur Erkrankung und zum Umgang damit zur Verfügung stellen.<br />

Symptome erkennen – und richtig in Zusammenhang bringen<br />

Da die verschiedenen Symptome der MPN sehr vielschichtig sind und mit Fortschreiten<br />

der Erkrankung stärker werden, sind fundierte Informationen zu den möglichen Beschwerden<br />

für Patient:innen und deren Angehörige sehr wichtig. Das macht das Beispiel der<br />

Polycythaemia Vera deutlich: denn Beschwerden wie chronische Müdigkeit, Schmerzen<br />

im linken Oberbauch, verstärktes nächtliches Schwitzen, Juckreiz besonders nach Kontakt<br />

mit Wasser und Appetitlosigkeit lassen oft nicht direkt an eine schwere Erkrankung denken.<br />

Gerade Frauen denken oftmals eher an die Wechseljahre und nicht an eine seltene Bluterkrankung.<br />

Auch Seh- und Konzentrationsstörungen, Ohrensausen, trockene Haut werden<br />

eher auf das Alter zurückgeführt und nicht in Kombination betrachtet. Die Folge: der<br />

Arztbesuch bleibt aus, die PV bleibt unentdeckt und somit auch unbehandelt, schwere<br />

Komplikationen können auftreten.<br />

Zunehmende Beschwerden ernst nehmen<br />

Aber auch wenn die Diagnose bereits gestellt wurde, sollten Betroffene die Symptome<br />

im Blick behalten. Gerade wenn die Symptomlast zunimmt oder Nebenwirkungen auftreten,<br />

sollten Betroffene das Gespräch mit dem Behandlungsteam suchen. Manche Begleiterkrankungen<br />

oder Komplikationen können für Betroffene im schlimmsten Fall<br />

lebensbedrohlich werden, weshalb ein schnelles Gegensteuern entscheidend ist. Ist der<br />

Betroffene gut informiert, kann er bei der Wahl und Durchführung der passenden Therapie<br />

intensiv mit einbezogen werden. Die Patient:innen sollten immer ein offenes Ohr<br />

finden, wenn Handlungsbedarf besteht. Das gilt auch für die Angehörigen der Betroffenen,<br />

denn sie können eine große Stütze sein: Auch wenn es darum geht, körperliche<br />

und seelische Beschwerden oder eine Verschlechterung des Zustandes frühzeitig<br />

zu erkennen. Sie spielen also eine tragende Rolle, wenn es darum geht, Betroffene zu<br />

unterstützen und ihre Lebensqualität zu verbessern.<br />

Die einzelnen Initiativen www.leben-mit-myelofibrose.de, www.leben-mit-pv.de<br />

und www.leben-mit-cml.de möchten Betroffene deshalb über alle Facetten der Erkrankung<br />

informieren. Hier finden sich auch Patienten-Erfahrungsberichte und Expertenbeiträge<br />

zu verschiedenen krankheitsrelevanten Schwerpunkten. Zudem finden Patient:innen<br />

ausführliche Checklisten, die ihnen die Gespräche mit dem Behandlungsteam erleichtern<br />

können: denn die Patient:innen selbst spielen eine wesentliche Rolle bei der<br />

Wahl und Durchführung der geeigneten Therapie. Dazu kann auch eine Anpassung der<br />

bestehenden Therapie gehören, wenn die bestehende Behandlung nicht den gewünschten<br />

Erfolg erzielt. Dabei kann auch der MPN-Tracker unter www.mpntracker.com<br />

helfen, der Patient:innen in Form eines Therapietagebuches bei der Dokumentation<br />

zur Entwicklung ihrer Erkrankung unterstützt.<br />

Zusammen stärker<br />

Auch der Austausch mit anderen Betroffenen, Selbsthilfeorganisationen und Fachärzt:innen<br />

stärkt Patient:innen und ihre Angehörigen im Umgang mit der Erkrankung.<br />

Seit 2016 können MPN-Betroffene einen bundesweit etablierten Treffpunkt nutzen:<br />

die MPN-Patient:innentage. Diese finden mehrmals im Jahr an immer anderen Standorten<br />

statt, damit möglichst viele Betroffene teilnehmen können. Seit 2020 ist für einige<br />

der Termine auch eine Online-Teilnahme möglich. Die Teilnahme an den MPN Veranstaltungen<br />

ist kostenlos. Auf www.mpn-patiententage.de findet man die Anmeldung<br />

für den nächsten Patient:innentag sowie weitere Informationen und einen<br />

kleinen Rückblick auf vergangene Veranstaltungen.<br />

Scannen Sie den QR-Code und lesen Sie mehr zu uns<br />

auf unserer Webseite unter https://www.leben-mit-pv.de/sp1


10<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

Morbus Fabry<br />

und Morbus Pompe -<br />

„Die Lebensqualität der Betroffenen steht immer im Vordergrund“<br />

Morbus Fabry und Morbus Pompe zählen zu den lysosomalen Speichererkrankungen, einer Gruppe<br />

von seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Werden die Erkrankungen nicht behandelt,<br />

schreiten sie unaufhaltsam fort und beeinträchtigen das Leben Betroffener stark.<br />

Wir sprachen mit Dr. Christina Lampe über die Wichtigkeit einer frühen<br />

Diagnose und die derzeitigen Therapieoptionen.<br />

FOTO: UK GIESSEN<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Frau Dr. Lampe, Morbus Fabry und<br />

Morbus Pompe sind seltene Stoffwechselerkrankungen.<br />

Was passiert dabei im<br />

Körper Betroffener?<br />

Die Erkrankungen äußern sich sehr unterschiedlich:<br />

Morbus Pompe ist eine Muskelerkrankung, Morbus<br />

Fabry betrifft das Herz, die Niere und das Nervensystem.<br />

Sie gehören aber beide zu den lysosomalen Speichererkrankungen.<br />

Das Grundprinzip ist so: Durch eine<br />

Genveränderung wird ein Enzym nicht korrekt gebildet.<br />

Enzyme benötigt man, damit in den Zellen<br />

der Organe Abfallstoffe (die nun mal bei der Zellerneuerung<br />

anfallen) zerkleinert und ausgeschieden<br />

werden können. Fehlt das entsprechende Enzym oder<br />

wird es nur unzureichend gebildet, verbleiben die Abfallprodukte<br />

in den Zellen und stören die Funktion der<br />

Organe. Je mehr Abfallprodukt abgelagert wird, desto<br />

schwerer die Erkrankung oder anders gesagt, je weniger<br />

Enzym im Körper vorhanden ist, desto schwerer ist der<br />

Patient betroffen.<br />

Die Genveränderungen sind meist ererbt. Man erbt<br />

immer ein Gen vom Vater und eins von der Mutter.<br />

Bei den meisten seltenen Erkrankungen benötigt man<br />

2 kranke Gene, um krank zu sein, so bei Morbus Pompe.<br />

Hat man nur ein krankes Gen, ist man Träger der Erkrankung,<br />

ist aber gesund. Bei Morbus Fabry ist das<br />

anders: Die Genveränderung liegt auf dem weiblichen<br />

Geschlechtschromosom, dem X-Chromosom. Männer<br />

tragen ein X- und ein Y-Chromosom, Frauen zwei<br />

X-Chromosomen. Daher können Frauen manchmal<br />

etwas weniger betroffen sein, da das gesunde X-<br />

Chromosom ausgleichen kann.<br />

Wie sehen die Symptome eines Morbus Fabry aus<br />

und wann zeigen sie sich typischerweise?<br />

Die Symptome können von Patient zu Patient unterschiedlich<br />

sein, nicht jeder Betroffene zeigt alle Symptome.<br />

In der Kindheit stehen die brennenden Schmerzen<br />

in Händen und Füßen, eine verminderte Fähigkeit zu<br />

schwitzen, Bauchschmerzen und Durchfall sowie unerklärbare<br />

Fieberschübe im Vordergrund, im Jugendalter<br />

kommen ein Tinnitus, ein Hörsturz, Schwindel,<br />

eine verminderte Leistungsfähigkeit, Müdigkeit und<br />

kleine rote Pünktchen im Bereich des Nabels, der Leisten<br />

oder im Gesäßbereich hinzu (Angiokeratome). Auch eine<br />

Augenveränderung, die sogenannte Cornea verticillata,<br />

kann auftreten. Im Erwachsenenalter können die<br />

brennenden Schmerzen weniger werden. Neben den<br />

genannten Symptomen kann es nun zu Nierenfunktionsstörungen,<br />

Auffälligkeiten am Herzen wie eine Linksherzvergrößerung,<br />

Herzinfarkt oder Schlaganfall vor<br />

dem 55. Lebensjahr kommen. Die Patienten berichten<br />

z. B. über Kälte und/oder Hitzeunverträglichkeit, Atemnot<br />

bei Belastung, Abnahme der Belastungsfähigkeit,<br />

Abgeschlagenheit/Fatigue.<br />

Welche Symptome sind für Morbus Pompe typisch?<br />

Grundsätzlich muss man 2 Formen des Morbus Pompe<br />

unterscheiden: die infantile (kindliche) Form, auch<br />

IOPD genannt und die jugendliche oder erwachsene<br />

(spät einsetzende, late onset) Form, die LOPD. Eine<br />

IOPD fällt schon im Säuglingsalter auf. Typisch sind<br />

eine Trinkschwäche mit frühzeitiger Erschöpfung und<br />

starkem Schwitzen, eine Kopfhalte- und stammbetonte<br />

Muskelschwäche, eine Entwicklungsverzögerung und<br />

Gedeihstörung sowie eine Ateminsuffizienz. Die betroffenen<br />

Kinder haben eine massive Herzvergrößerung<br />

und Herzinsuffizienz. Das sind Kinder, die keine<br />

Körperspannung haben, sich kaum bewegen und<br />

schlapp wirken. Unbehandelt sterben die betroffenen<br />

Kinder meist im ersten Lebensjahr.<br />

Bei der juvenilen und erwachsenen Form fehlt die<br />

Herzbeteiligung. Betroffene Kinder fallen häufig hin,<br />

machen unsichere Bewegungen beim Klettern und<br />

Spielen, haben Schwierigkeiten beim schnellen Laufen<br />

und Treppensteigen. Auch scheint der Gang watschelnd,<br />

das Aufstehen vom Boden bereitet ihnen Probleme, es<br />

sind „Sport-Bewegungsmuffel“. Hinzu können feinmotorische<br />

Probleme wie Schwierigkeiten beim Schuhe<br />

binden, Ausmalen oder Rucksackpacken kommen. Sie<br />

haben eine Entwicklungsstörung. Zudem können sie<br />

Schwierigkeiten beim Atmen oder eine Atemnot im<br />

Liegen haben, über morgendlichen Kopfschmerz oder<br />

Müdigkeit bzw. Antriebslosigkeit klagen. Die Nackenmuskulatur<br />

ist schwach ausgebildet, viele Kinder haben<br />

eine Skoliose. Bei betroffenen Erwachsenen fällt ein<br />

wiegender Gang auf, sie haben Probleme beim Treppensteigen,<br />

beim Aufstehen aus dem Liegen oder aus der<br />

Hocke und Schwierigkeiten beim Anheben von Lasten.<br />

Hinzu kommen ein morgendlicher Kopfschmerz,<br />

Tagesschläfrigkeit, Atemnot bei Belastung und beim<br />

Liegen und eine allgemeine Schwäche.<br />

Wie lange dauert es durchschnittlich, bis eine<br />

Diagnose gestellt wird?<br />

Bei Morbus Fabry geht man von etwa 16 Jahren<br />

bei Frauen und 14 Jahren bei Männern zwischen<br />

Symptombeginn und Diagnose aus. Bei Morbus Pompe<br />

hängt es von der Verlaufsform ab. Bei der schweren<br />

infantilen Form (IOPD) sind es etwa 6 Monate, bei<br />

der später einsetzenden Form, der late Onset Form<br />

(LOPD) etwa 12 Jahre. In manchen Ländern gibt es für<br />

Fabry und Pompe ein Neugeborenenscreening, in<br />

Deutschland ist das leider noch nicht der Fall. Die<br />

Herausforderung für Ärzte ist daher, die Symptome<br />

richtig in Zusammenhang zu bringen, um den Erkrankungen<br />

auf die Spur zu kommen.<br />

Warum ist eine möglichst frühe Diagnose so wichtig<br />

und welche Rolle spielt die Familienanamnese bei<br />

erblich bedingten Erkrankungen wie Morbus Fabry<br />

und Morbus Pompe?<br />

Da es sich um chronisch fortschreitende Erkrankungen<br />

handelt, bedeutet eine möglichst frühe Diagnose und<br />

Behandlung, dass potenziell weniger Gewebe oder gar<br />

Organe unwiderruflich geschädigt werden. Man kann<br />

also therapeutisch eingreifen, bevor schwere Organschäden<br />

entstehen. Zwar gibt es noch keine Therapien,<br />

die die Erkrankungen heilen, aber man kann das Fortschreiten<br />

der Erkrankungen verlangsamen oder manchmal<br />

auch für eine Zeit stoppen. Das wirkt sich natürlich<br />

positiv auf die Lebensqualität der Betroffenen aus.<br />

Die Familienanamnese ist<br />

deshalb so wichtig, da die<br />

beiden Erkrankungen ererbt<br />

sind, das heißt, die Genveränderung<br />

liegt in der Familie.<br />

Dr. med. Christina Lampe<br />

Oberärztin am Zentrum für seltene Erkrankungen Gießen<br />

(ZSEGI), Abteilung Kinderneurologie, Sozialpädiatrie und<br />

Epileptologie, Zentrum Kinderheilkunde und Jugendmedizin<br />

(Univ.-Klinikum Giessen / Marburg; Standort Giessen)<br />

Die Familienanamnese ist deshalb so wichtig, da die<br />

beiden Erkrankungen ererbt sind, das heißt, die Genveränderung<br />

liegt in der Familie. Mit einer Stammbaumanalyse<br />

kann man somit weitere Betroffene herausfinden,<br />

bevor sie Krankheitssymptome haben, diese<br />

noch nicht bemerkt haben oder auch Symptome haben,<br />

deren Ursache bislang noch nicht gefunden wurde.<br />

Sowohl für Morbus Fabry als auch für Morbus<br />

Pompe stehen glücklicherweise gut wirksame<br />

Behandlungsoptionen zur Verfügung. Können Sie<br />

uns erklären, wie diese wirken und wie sie sich auf<br />

die Lebensqualität Betroffener auswirken können?<br />

Es gibt derzeit 2 Enzymersatztherapien und eine<br />

Kombinationstherapie (Enzymersatztherapie in<br />

Kombination mit einer oral einzunehmenden Kapsel)<br />

bei Morbus Pompe und 3 Enzymersatztherapien<br />

sowie eine Chaperontherapie bei Morbus Fabry. Bei<br />

der Enzymersatztherapie wird das fehlende Enzym<br />

künstlich hergestellt und als Infusion über die Vene<br />

verabreicht. Damit wird das Enzym, welches vom Köper<br />

nicht ausreichend oder gar nicht gebildet wird, ersetzt.<br />

So können zwar bereits entstandene Schäden nicht<br />

rückgängig gemacht werden, aber es können weitere<br />

Schäden verhindert werden. So ist eine Verlangsamung<br />

des Fortschreitens der Erkrankung, manchmal sogar<br />

ein Aufhalten möglich. Bei Morbus Fabry gibt es auch<br />

eine orale Therapie, eine sogenannte Chaperontherapie.<br />

Sie kann aber nur bei bestimmten Genveränderungen<br />

angewendet werden, nämlich solchen, die zu einer<br />

gestörten Faltung des Enzyms führen. Hier kann durch<br />

die Chaperontherapie die Struktur des Enzyms wieder<br />

hergestellt werden, damit es wirken kann. Diese<br />

Kapsel wird alle 2 Tage eingenommen. Bei allen<br />

Therapien handelt es sich um lebenslange Therapien.<br />

Neuere Therapieansätze sind beispielsweise Gentherapien.<br />

Hierbei wird das Erbmaterial so verändert,<br />

dass es selbständig das entsprechende Enzym produzieren<br />

kann. Aber diese Therapieansätze sind noch<br />

in klinischer Erprobung. Neben der Verhinderung<br />

weiterer Schäden durch ein Fortschreiten der Erkrankung<br />

und weiteren Symptomen steht natürlich<br />

die Lebensqualität der Betroffenen im Vordergrund.<br />

Viele Patienten berichten, dass sie sich besser fühlen,<br />

mehr Energie und Ausdauer haben, aktiver am sozialen<br />

Leben teilnehmen können. Und das ist ja das Ziel.


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FOTO:<br />

PRIVAT<br />

„Es braucht viel mehr Aufklärung<br />

zu meiner Erkrankung!“<br />

Gabi D. dachte den größten Teil ihres Lebens, dass sie vollkommen gesund sei: Bis die Diagnose<br />

Morbus Pompe sie vollkommen unvermittelt traf. Wie es ihr heute geht und was ihr im Umgang mit<br />

ihrer Erkrankung hilft, erzählte sie uns im Interview.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Gabi, Sie haben Morbus Pompe. Wie und<br />

wann ist man Ihrer Erkrankung auf die<br />

Spur gekommen?<br />

Ich habe 55 Jahre lang ein ganz normales Leben geführt<br />

und dachte, ich wäre kerngesund. Ich war immer sehr<br />

aktiv und sportlich, habe als Kind und Jugendliche<br />

Geräteturnen und später regelmäßig Step-Aerobic,<br />

Zumba und Spinning gemacht. Seit 2017 wurde ich<br />

immer wieder auf meine schwankende Art zu gehen angesprochen.<br />

Ich schob das auf das Alter. Bis dann Knieschmerzen<br />

auftraten, die ich beim Orthopäden untersuchen<br />

ließ: Es konnte aber nichts festgestellt werden,<br />

ich bekam eine Bandage und das war‘s. Zwei Jahre später<br />

habe ich ein Urlaubsvideo von mir gesehen und bin sehr<br />

erschrocken: Mein Gang war wirklich stark verändert,<br />

ich ging unsicher und wackelig. Ich machte erneut einen<br />

Termin in der Orthopädie, wo die Ärztin weitere Tests<br />

durchführte und eine Muskeldystrophie vermutete,<br />

sie überwies mich in die Neurologie. Dort hatte ich das<br />

große Glück, dass der junge und engagierte Neurologe<br />

eine genetisch bedingte Muskelerkrankung vermutete.<br />

Im Januar 2020 bestätigte dann ein Bluttest, ein EMG<br />

und ein Gentest die Diagnose Morbus Pompe. Das war<br />

ein Schock für mich, da es in meiner Familie bisher keine<br />

ähnlichen Fälle gab.<br />

Ich dachte direkt: Was ist mit meinen Kindern? Glücklicherweise<br />

sind sie gesund, sie können aber Träger des<br />

defekten Gens sein.<br />

Die Erkrankung wird Sie Ihr ganzes Leben begleiten:<br />

Wie bestreiten Sie Ihren Alltag und wo ist der<br />

Morbus Pompe ggf. ein Hindernis für Sie?<br />

Ich arbeite im Home Office als technische Zeichnerin,<br />

bin dadurch flexibel und habe zudem einen höhenverstellbaren<br />

Schreibtisch, der mir bei plötzlich auftretenden<br />

Muskel- oder Rückenschmerzen sehr hilft. Sportlich<br />

musste ich sehr viel kürzer treten. Stattdessen mache ich<br />

nun Rehasport, Physiotherapie und gehe spazieren. Alle<br />

zwei Wochen benötige ich eine ca. 4,5-stündige Infusion<br />

für die Enzymersatztherapie.<br />

Ich wünsche mir, dass die Erkrankung<br />

irgendwann heilbar oder<br />

leichter behandelbar sein wird.<br />

Gabi D.<br />

Morbus Pompe-Patientin<br />

Die ersten sechs Monate musste ich dafür ins Uniklinikum<br />

fahren, was sehr aufwendig war und viel Zeit<br />

gekostet hat. Mittlerweile konnte ich aber auf eine<br />

Heiminfusion umstellen, was viel komfortabler ist.<br />

Sie sind im UK Giessen bei Frau Dr. Lampe in<br />

Behandlung: Wie geht es Ihnen unter Therapie?<br />

Durch die Therapie sind meine Beschwerden soweit gut<br />

kontrollierbar, und auch die moderate sportliche Betätigung<br />

hilft mir sehr. Ich habe einen stabileren Gang<br />

und bin insgesamt beweglicher. Zudem hilft mir der<br />

Austausch mit anderen Betroffenen sehr. Bei meinen<br />

ersten Recherchen zur Krankheit bin ich auf die Selbsthilfegruppe<br />

Pompe Deutschland e. V. gestoßen und<br />

wurde dort Mitglied. Gerade am Anfang hat man viele<br />

Fragen. Andere Betroffene können helfen, Tipps<br />

geben, verstehen die Probleme, die man hat.<br />

Das ist unglaublich viel wert!<br />

Was wünschen Sie sich in Zukunft an Verbesserungen<br />

für Betroffene, sei es bzgl. der<br />

Versorgung oder auch der Forschung?<br />

Haus- und Fachärzte benötigen mehr Informationen<br />

zu seltenen Krankheitsbildern, damit Diagnosen<br />

schneller gestellt und Betroffene professionell und<br />

einfühlsam versorgt werden können. Auch ein<br />

flächendeckenderes Netz an spezialisierten Zentren<br />

wäre wichtig, denn oft sind leider lange Anfahrtswege<br />

für die Therapie und die Kontrolltermine die Regel.<br />

Und natürlich wünsche ich mir, dass die Erkrankung<br />

irgendwann heilbar oder leichter behandelbar sein<br />

wird. Es befinden sich ja bereits erste gentherapeutische<br />

Therapieansätze und neue Medikamente in<br />

der Entwicklung, das macht Hoffnung!<br />

ANZEIGE<br />

Morbus Fabry und Morbus Pompe: Den Erkrankungen auf die Spur kommen<br />

Morbus Fabry und Morbus Pompe sind seltene genetische Erkrankungen, die sich durch eine Vielzahl an Symptomen bemerkbar machen können.<br />

Es handelt sich um Multisystemerkrankungen: es können also Schäden an verschiedenen Organen auftreten. Da die Erkrankungen unbehandelt<br />

weiter fortschreiten, sich die Beschwerden weiter verschlechtern und die Lebensqualität Betroffener zunehmend einschränken,<br />

ist eine frühe Diagnose von entscheidender Bedeutung.<br />

NP-NN-DE-00010124(v1.0)-02/24<br />

Mögliche Symptome bei<br />

Morbus Fabry<br />

NERVENSYSTEM<br />

• Starke Schmerzen, die Minuten bis Stunden andauern<br />

• Hörverlust, Tinnitus<br />

• Hitze- oder Kälteunverträglichkeit oder<br />

Belastungsintoleranz<br />

• Transitorisch-ischämische Attacke (TIA)<br />

und Schlaganfall<br />

• Brennen der Hände und Füße, auch als<br />

Akroparästhesie bezeichnet<br />

• Schwindel<br />

HERZ<br />

• Unregelmäßiger Herzschlag (schnell/langsam)<br />

• Herzanfall oder -versagen<br />

• Vergrößertes Herz<br />

NIEREN<br />

• Eiweiß im Urin<br />

• Verminderte Nierenfunktion<br />

• Nierenversagen<br />

MAGEN-DARM<br />

• Übelkeit und Erbrechen<br />

• Durchfall und/oder Verstopfung<br />

• Bauchschmerzen<br />

• Blähungen<br />

HAUT<br />

• Vermindertes Schwitzen<br />

• Kleine dunkelrote Punkte, die als Angiokeratome<br />

bezeichnet werden, vor allem<br />

zwischen Bauchnabel und Knien<br />

AUGEN<br />

• Wirbelförmiges Muster auf der Hornhaut<br />

• Fabry-Katarakt (eine bestimmte Form der<br />

Linsentrübung)<br />

PSYCHOSOZIALE ASPEKTE<br />

• Depression<br />

• Angstzustände<br />

• Panikattacken<br />

• Isolation<br />

Morbus Fabry<br />

Morbus Fabry wird auch als das Chamäleon<br />

unter den seltenen Erkrankungen bezeichnet,<br />

da er diverse Symptome verursachen<br />

kann, die zunächst auf die falsche<br />

Fährte locken können. Betroffene haben oft<br />

eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt<br />

hinter sich, in der häufig Fehldiagnosen gestellt<br />

werden, verbunden mit einer Fehlbehandlung,<br />

die für die Patienten oft wirkungslos<br />

bleibt. Zu den körperlichen Symptomen<br />

kommen daher nicht selten psychische Beschwerden<br />

hinzu.<br />

Wenn also verschiedene unspezifische<br />

Symptome auftreten (s. Grafik links), sollten<br />

diese in Kombination betrachtet werden, um<br />

der Erkrankung möglichst früh auf die Spur<br />

zu kommen.<br />

Sind zudem bereits ähnliche Fälle in der Familie<br />

aufgetreten, sollte man umso hellhöriger<br />

werden. Bei männlichen Patienten<br />

kann bereits ein einfacher Bluttest zur Bestimmung<br />

der Enzymaktivität zur Diagnose<br />

führen, die durch eine genetische Testung<br />

abgesichert werden kann. Bei weiblichen<br />

Patienten kann die genetische Testung die<br />

Diagnose sichern. Je früher die Erkrankung<br />

erkannt wird, umso schneller kann die<br />

passende Therapie in die Wege geleitet werden.<br />

Nur so können Beschwerden eingedämmt,<br />

mögliche Folgeschäden verhindert<br />

und die Lebensqualität Betroffener verbessert<br />

werden.<br />

Morbus Pompe<br />

Wie der Morbus Fabry ist auch der Morbus<br />

Pompe eine Erkrankung mit vielen Gesichtern,<br />

die sich durch eine Vielzahl an Symptomen<br />

bemerkbar machen kann (s. Grafik<br />

rechts). Da die Beschwerden auch auf andere<br />

neuromuskuläre Erkrankungen hindeuten<br />

können, dauert es oft bis die richtige<br />

Diagnose gestellt ist. Die Erkrankung schreitet<br />

weiter voran und kann die Lebensqualität<br />

stark beeinträchtigen.<br />

Oft kommen seelische Beschwerden durch<br />

den anhaltenden Leidensdruck und die<br />

langen Diagnosewege hinzu. Die einzelnen<br />

Symptome sollten also unbedingt in Gänze<br />

betrachtet werden.<br />

Morbus Pompe ist eine genetisch bedingte<br />

Erkrankung. Besteht der Verdacht auf Morbus<br />

Pompe, ist der erste Schritt ein einfacher Bluttest.<br />

Verhärtet sich der Verdacht, entscheidet<br />

der Arzt, ob eine genetische Testung<br />

anzuraten ist, die den Morbus Pompe final<br />

bestätigen kann.<br />

Der Zeitpunkt der Diagnose ist entscheidend<br />

für den Behandlungserfolg, da bereits entstandene<br />

Schäden oft irreversibel sind. Um<br />

weitere Organschäden zu verhindern sowie<br />

die Lebensqualität Betroffener langfristig zu<br />

verbessern, sollte bei einer entsprechenden<br />

Symptomkombination ein Arzt aufgesucht<br />

werden.<br />

Mögliche Symptome bei<br />

adultem Morbus Pompe<br />

SKELETT UND MUSKELN<br />

• Muskelschwäche, vor allem der rumpfnahen<br />

Muskulatur<br />

• Rückenschmerzen<br />

• Körperliche Aktivität ist nicht mehr oder<br />

eingeschränkt möglich<br />

• Schwierigkeiten beim Treppensteigen<br />

• Gangstörungen (Watschelgang)<br />

• Gelenksteifheit<br />

• Flügelartiges Abstehen der Schulterblätter<br />

• Eingeschränkte Beweglichkeit der<br />

Wirbelsäule<br />

• Abnorme Krümmung der Wirbelsäule<br />

• Motorische Einschränkungen<br />

LUNGE<br />

• Atemschwäche<br />

• Atembeschwerden<br />

• Häufige Atemwegsinfekte<br />

• Schlafapnoe<br />

• Tagesschläfrigkeit<br />

• Morgendliche Kopfschmerzen<br />

VERDAUUNGSTRAKT<br />

• Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken<br />

• Unzureichende Gewichtszunahme<br />

• Chronische Verstopfung<br />

• Harn- und Stuhlinkontinenz<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.fabryfamilytree.de und<br />

www.amicusrx.de


12<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

„Die besten Informationen bekommen<br />

Morbus Fabry-Patienten von anderen Betroffenen.“<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Morbus Fabry ist eine erblich bedingte Stoffwechselstörung, die das Leben Betroffener stark beeinträchtigen kann.<br />

Natascha Sippel-Schönborn ist selbst betroffen von der Erkrankung und Geschäftsführerin der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe<br />

(MFSH) e. V. Warum anhaltende Forschung im Sinne der Patienten so wichtig ist und welche Rolle die Selbsthilfe hier einnimmt,<br />

erzählt sie uns im Interview.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Frau Sippel-Schönborn, Sie sind selbst betroffen<br />

von Morbus Fabry. Wie gehen Sie persönlich<br />

mit Ihrer Erkrankung um?<br />

Nachdem ich mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Uniklinikum<br />

Mainz eingeliefert wurde, war ein Arzt direkt<br />

hellhörig, da ich keinen Gefäßverschluss hatte, der<br />

für einen Infarkt typisch wäre. Als er hörte, dass mein<br />

verstorbener Vater mehrere Herzinfarkte, Nierenprobleme<br />

und Schlaganfälle hatte, riet er mir zu weiteren<br />

Untersuchungen und einer genetischen Analyse. Es war<br />

großes Glück, dass der Arzt schon einmal von Morbus<br />

Fabry gehört hatte, die Puzzleteile richtig kombinierte<br />

und so die Diagnose gestellt werden konnte. Meinen<br />

ersten Behandlungstermin im Zentrum für seltene Erkrankungen<br />

Mainz hatte ich dann sechs Monate später:<br />

die Wartezeit war schrecklich und ich hatte große Angst,<br />

dass zwischenzeitlich wieder etwas passiert. Ich leide<br />

zum Glück nicht unter Schmerzen, aber habe Einlagerungen<br />

im Herzen, eine Herzwandverdickung<br />

und Herz-Rhythmus-Störungen. Die medikamentöse<br />

Behandlung hält das Fortschreiten meiner Erkrankung<br />

auf und bringt mir die Sicherheit, nicht von Krankheitsschüben<br />

überrollt zu werden. Ich habe außerdem einen<br />

Herzschrittmacher. Mir geht es dadurch recht gut und<br />

ich lebe nicht mehr in ständiger Angst.<br />

Sie sind Geschäftsführerin der MFSH e. V. Warum ist<br />

die Vernetzung unter Patienten so wichtig?<br />

Nach meiner Diagnose musste ich feststellen, dass sehr<br />

wenige Ärzte Morbus Fabry kennen. Ich war vergeblich<br />

auf der Suche nach Informationen für mich und<br />

meine vier Kinder, die alle von Morbus Fabry betroffen<br />

sind. Leider hatte ich das damals jährliche Treffen der<br />

Selbsthilfegruppe gerade verpasst. Als die damalige<br />

Vorsitzende der Selbsthilfegruppe zurücktrat, rückten<br />

Herr Dr. Wilden als Vorsitzender und Herr Landgraf als<br />

stellvertretender Vorsitzender nach. Sie fragten mich, ob<br />

ich den nächsten Fabry-Frauenworkshop besuchen und<br />

dabei die MFSH vorstellen könne: mein erster Schritt in<br />

die Selbsthilfearbeit. Ich bekam von den Teilnehmenden<br />

sehr positives Feedback und besuchte weitere Workshops,<br />

in denen ich kleine Vorträge hielt. Mir wurde bald<br />

klar, dass ich eine Teilzeitarbeit nicht mehr mit der Arbeit<br />

in der Selbsthilfe unter einen Hut bekomme.<br />

Also habe ich erst einen Minijob in der Selbsthilfegruppe<br />

übernommen und arbeite inzwischen halbtags als Geschäftsführerin<br />

der MFSH e. V. Meine Ambition war von<br />

Anfang an, mehr Informationen verfügbar zu machen und<br />

engmaschigere Austauschmöglichkeiten für Betroffene<br />

zu schaffen. Im Alltag sind Betroffene meist auf sich<br />

gestellt. Die besten Tipps bekommen sie von anderen<br />

Patienten, die ihre Beschwerden nachvollziehen können.<br />

Meine Ambition war von Anfang<br />

an, mehr Informationen<br />

verfügbar zu machen und engmaschigere<br />

Austauschmöglichkeiten<br />

für Betroffene zu schaffen.<br />

Dieser Austausch ist extrem wichtig, insbesondere für<br />

Kinder: wie geht man z. B. im Sportunterricht damit um,<br />

wenn man Schmerzen hat, ohne als Drückeberger abgestempelt<br />

zu werden? Wie erkläre ich anderen meine Erkrankung?<br />

Unsere Jugendtreffen geben Raum für diesen<br />

Austausch. Erwachsene Betroffene haben wieder andere<br />

Hürden: Viele können z. B. nicht in Vollzeit arbeiten und<br />

brauchen Unterstützung bei sozialrechtlichen Fragen. Bei<br />

unseren Online-Treffen, die zweimal monatlich stattfinden,<br />

bekommen sie schnell Antworten auf ihre Fragen.<br />

Sie vernetzen auch die Forschung mit Betroffenen.<br />

Wie können Betroffene sich hier aktiv beteiligen<br />

und welche Rolle übernimmt dabei die MFSH e. V.?<br />

Patienten sind sehr interessiert daran, was sich in der<br />

Forschung tut, da sie wissen, dass sie davon profitieren,<br />

wenn Therapien weiter verbessert werden. Wir sehen<br />

es als unsere Aufgabe, mit medizinischen Zentren und<br />

der Pharmaindustrie in Kontakt zu treten, um Patienten<br />

z. B. zu Studien zu informieren, an denen sie<br />

teilnehmen können. Den Betroffenen ist sehr bewusst,<br />

welche wichtige Rolle sie in der Forschung spielen,<br />

gerade weil die Patientenzahl klein ist.<br />

Natascha Sippel-Schönborn<br />

Geschäftsführerin der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe<br />

(MFSH) e. V. und selbst Morbus Fabry-Patientin<br />

Die große Hoffnung der Patienten ist, dass es irgendwann<br />

eine Möglichkeit gibt, die Erkrankung ursächlich<br />

zu bekämpfen. Zudem werden wir zunehmend gefragt,<br />

was wir Patienten brauchen, um den Alltag mit der<br />

Erkrankung zu bestreiten und zu welchen Themen wir<br />

Informationen benötigen. Diese Themen bringen wir<br />

dann bei Ärzten und Pharmaunternehmen zur Sprache,<br />

die dann z. B. Workshops und Vorträge für Betroffene<br />

organisieren. Auch beim Erstellen von Infomaterial<br />

werden wir intensiv mit einbezogen, da uns hierfür<br />

oftmals die Ressourcen fehlen. Wir stellen dann gern<br />

die gesammelten Infos der Pharmaunternehmen zur<br />

Verfügung und freuen uns, dass unser Patienteninput<br />

wertgeschätzt wird. Trotzdem bleiben wir dabei immer<br />

eine unabhängige Anlaufstelle.<br />

Eines Ihrer Ziele ist es, über die Erkrankung aufzuklären.<br />

Sie haben eine tolle Lichterkettenaktion<br />

gestartet: können Sie uns dazu etwas mehr erzählen?<br />

Bei Morbus Fabry geht man von einer hohen Dunkelziffer<br />

Betroffener aus. D. h. es gibt vermutlich viele<br />

nicht- oder falschdiagnostizierte Patienten. Daher ist<br />

es sehr wichtig, die Erkrankung bekannter zu machen,<br />

und Aktionen zum Rare Disease Day tragen dazu bei.<br />

Wir haben von einer Patientin inspiriert begonnen,<br />

Ampullen der Fabry-Medikamente zu sammeln und<br />

daraus Lichterketten in den Farben des Rare Disease<br />

Days zu basteln, die in Apotheken zusammen mit Infoflyern<br />

ausliegen. So konnten wir zudem noch Spendengelder<br />

z. B. für unsere Jugendtreffen sammeln. Wir<br />

haben hunderte Ampullen verarbeitet! Das schafft<br />

nicht nur Aufmerksamkeit, sondern bringt auch Patienten<br />

in dieser gemeinsamen Mission zusammen.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.fabry-shg.org<br />

ANZEIGE<br />

Leben mit<br />

Morbus Fabry –<br />

Die Patient:innen<br />

im Fokus<br />

Die ungedeckten Bedürfnisse von Menschen mit<br />

seltenen Erkrankungen besser zu verstehen und zu<br />

erfüllen: Das geht nur im engen Austausch mit den<br />

Betroffenen selbst. Das forschende Pharmaunternehmen<br />

Chiesi, das stets an der Entwicklung neuer<br />

Behandlungsoptionen und der Bereitstellung von<br />

Unterstützungsangeboten für Menschen mit seltenen<br />

Erkrankungen arbeitet, hat sich genau das zum Ziel<br />

gesetzt. Derzeit liegt der Schwerpunkt des Unternehmens<br />

unter anderem auf lysosomalen<br />

Speicherkrankheiten, wie Morbus Fabry.<br />

Unterstützung für Morbus Fabry-Patient:innen<br />

Das Leben mit seltenen Erkrankungen kann herausfordernd<br />

sein. Deshalb tritt Chiesi in den Dialog mit Betroffenen, um<br />

herauszufinden, welche Hindernisse Morbus Fabry birgt,<br />

und welche durch gemeinsame Projekte Stück-für-Stück<br />

bewältigt werden können. So ist beispielsweise nicht nur<br />

ein Bereich für Fachpersonal auf der neuen Website des<br />

Unternehmens zu finden, sondern auch ein Patient:innenbereich,<br />

der in Zusammenarbeit mit Betroffenen<br />

entstanden ist.<br />

Unter morbus-fabry.chiesirarediseases.de wird sowohl<br />

Patient:innen als auch ihren Angehörigen Hilfestellung<br />

dabei angeboten, die Erkrankung zu verstehen und<br />

mit ihr umzugehen. Denn sowohl für den Patient oder<br />

die Patientin selbst als auch für die Angehörigen kann<br />

es zunächst schwer sein, mit einer solche Diagnose<br />

zurecht zu kommen. Auf der Website finden sie nicht<br />

nur grundlegende Informationen zu Symptomen sowie<br />

Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, sondern<br />

vor allem Berichte von Betroffenen und ihre konkreten<br />

Erfahrungen mit der Erkrankung, die besonders neu<br />

diagnostizierten Patient:innen eine große Hilfe sein<br />

können. Zudem sind unter anderem Anlaufstellen für die<br />

spezialärztliche Versorgung in der Nähe zu finden, und<br />

auch zu sozialrechtlichen Themen wie der Beantragung<br />

eines Schwerbehindertenausweises oder einer Erwerbsminderungsrente<br />

finden Betroffene und ihre Angehörigen<br />

hier wertvolle Tipps. Patient:innen sind<br />

Expert:innen ihrer Erkrankung und wissen selbst am<br />

besten, welche Unterstützung sie benötigen. Chiesi<br />

möchte ihnen deshalb mehr Gehör verschaffen.<br />

Aktive Forschung im Sinne der Betroffenen<br />

Und diese Arbeit im Sinne der Patient:innen bleibt<br />

nicht stehen: Derzeit werden von Chiesi u.a. verschiedene<br />

Studienprojekte gefördert, mit dem Ziel,<br />

unter anderem die Diagnostik der Erkrankung zu<br />

verbessern. Dabei bleibt immer eines im Fokus: Die<br />

Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Angehörigen<br />

und die weitere Verbesserung ihrer Lebensqualität.<br />

Nur, wenn ihre Stimmen gehört werden, können<br />

Betroffene aktiv mit einbezogen werden: bei der<br />

Forschung und Entwicklung, bei der so wichtigen<br />

Aufklärungsarbeit rund um<br />

ihre Erkrankung und bei<br />

allen Fragen zu einer<br />

passgenauen Versorgung<br />

und Unterstützung<br />

von Patient:innen<br />

und den ihnen<br />

Nahestehenden.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter<br />

morbus-fabry.chiesirarediseases.de


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 13<br />

„Für mich war es immer wichtig zu wissen, dass<br />

ich mit meinen Beschwerden nicht allein bin.“<br />

Vermutlich jeder kennt das Gefühl: Man isst zu schnell und hat das Gefühl, dass einem der Bissen förmlich im Hals<br />

stecken bleibt. Treten Schluckbeschwerden häufiger auf und werden von Schmerzen begleitet, kann auch eine ernsthafte<br />

Erkrankung dahinterstecken: Die eosinophile Ösophagitis (kurz EoE). Carla Oberth ist erst 23 Jahre alt, lebt seit über<br />

zehn Jahren mit einer EoE und erzählte uns ihre Geschichte.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Frau Oberth, sie haben eine EoE, die Sie bereits<br />

seit der Kindheit begleitet. Wie ist man Ihrer<br />

Erkrankung auf die Schliche gekommen?<br />

Ich hatte bei meiner Geburt einen Speiseröhrenverschluss<br />

(eine sogenannte Ösophagusatresie), der operativ<br />

geweitet werden musste. Es blieb eine Engstelle in der<br />

Speiseröhre, die jährlich überprüft wurde. Bei einer dieser<br />

Routineuntersuchungen wurde festgestellt, dass meine<br />

Speiseröhre Längsrillen aufweist, was typisch für die<br />

EoE ist. Zudem hatte ich immer das Gefühl, einen Kloß<br />

im Hals zu haben: ein weiteres deutliches Zeichen, das<br />

auf eine EoE deutet. Es wurden dann Gewebeproben<br />

entnommen und untersucht. Das Ergebis war, dass meine<br />

Eosinophilen (eine bestimmte Art weißer Blutkörperchen)<br />

deutlich erhöht sind, was das entscheidende klinische<br />

Merkmal für eine EoE ist. So bekam ich im Alter von elf<br />

Jahren meine Diagnose.<br />

Gerade im Kindes- und Jugendalter ist es nicht leicht,<br />

anders zu sein: Wie sind Sie in so jungen Jahren<br />

mit Ihrer Erkrankung umgegangen und zurecht<br />

gekommen?<br />

Natürlich war es nicht angenehm. Aber da ich seit<br />

meiner Geburt auf Hilfsmittel angewiesen war und auf<br />

meine Ernährung achten musste, war das für mich<br />

Normalzustand. Durch die EoE, die dann dazukam, war<br />

ich natürlich noch ein Stück weiter eingeschränkt, ich<br />

musste eine strikte Diät einhalten und auf viele Nahrungsmittel<br />

verzichten. Aber ich habe immer versucht, positiv<br />

zu bleiben, da das zunächst gut funktionierte, um die<br />

Symptome zu kontrollieren.<br />

Als ich etwa 19 Jahre alt war, wurden die Symptome<br />

stärker, die Diät wurde weiter verschärft. Ich verzichtete<br />

auf alle weizen- und zuckerhaltigen Produkte, habe quasi<br />

vegan gelebt. Zudem wurde ich dann auch medikamentös<br />

behandelt, aber mein Arzt meinte schon bald, dass ich für<br />

eine dauerhafte medikamentöse Therapie zu jung sei.<br />

Ich habe immer versucht,<br />

positiv zu bleiben.<br />

Carla Oberth, EoE-Patientin<br />

Heute geht es mir soweit gut, ich halte aber weiter eine<br />

strikte Auslassungsdiät ein. Ich achte darauf, wenn<br />

möglich zu Hause zu essen, spontane Abendessen z. B. im<br />

Restaurant versuche ich zu vermeiden. Das schränkt mich<br />

durchaus ein.<br />

Welche Rolle spielt für Sie der Austausch mit<br />

anderen Betroffenen, z.B. über den KEKS e. V.?<br />

Für mich war es immer sehr wichtig zu wissen, dass ich<br />

mit meinen Beschwerden nicht allein bin. Der Austausch<br />

mit anderen Betroffenen bietet mir die Möglichkeit, mich<br />

auszutauschen zu Fragen im Umgang mit meiner Erkrankung,<br />

zu Behandlungsoptionen und Anlaufstellen.<br />

Ich bin deswegen sowohl beim KEKS e. V. als auch bei<br />

SoMA e. V. aktiv, helfe bei Vorträgen und Workshops.<br />

Für mich ist das essenziell!<br />

KEKS e. V. - Die Patienten- und Selbsthilfe-<br />

Organisation für Kinder und Erwachsene mit<br />

kranker Speiseröhre<br />

Der KEKS e. V. unterstützt im Schwerpunkt Menschen,<br />

die mit einer nicht durchgängigen Speiseröhre<br />

(Ösophagusatresie) oder Verengung (Stenose)<br />

geboren wurden. Hier finden auch Betroffene mit<br />

eosinophiler Ösophagitis und Verätzungen der<br />

Speiseröhre Unterstützung. Was 1984 als Gemeinschaft<br />

von Eltern mit von einer Ösophagusatresie betroffenen<br />

Kindern begann, hat sich heute zu einer professionellen,<br />

bundesweit tätigen und international vernetzten<br />

Patientenorganisation entwickelt.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.keks.org<br />

FOTO: PRIVAT<br />

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Die Symptome der Eosinophilen Ösophagitis (EoE)<br />

Die eosinophile Ösophagitis (kurz EoE) bezeichnet eine seltene immunvermittelte Erkrankung, bei der die<br />

Speiseröhre (Ösophagus) chronisch entzündet ist. Auch wenn sie zu den seltenen Erkrankungen zählt,<br />

ist die EoE die zweithäufigste Erkrankung der Speiseröhre.<br />

BILD: SHUTTERSTOCK_2238871153<br />

ACHTUNG – VERWECHSLUNGSGEFAHR!<br />

Aufgrund der unspezifischen Symptome kommt es nach wie vor<br />

häufig zu Fehldiagnosen. Daher ist es wichtig, die Symptome zu<br />

kennen und im Patientengespräch die richtigen Fragen zu stellen,<br />

um den Betroffenen durch eine korrekte Diagnose und Therapie<br />

zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.<br />

Oftmals wird die EoE zunächst mit der gastroösophagealen Refluxkrankheit<br />

(GERD) verwechselt. Es können aber auch andere<br />

Erkrankungen wie eine eosinophile Gastroenteritis, parasitäre<br />

Infektionen oder auch Morbus Crohn als Fehldiagnosen gestellt<br />

werden. Daher ist es sehr wichtig, die rechts aufgeführten<br />

Symptome zu kennen und bei Alarmzeichen hellhörig<br />

zu werden.<br />

Die Diagnose sollte in jedem Fall durch eine*n Gastroenterolog*in<br />

erfolgen, der/die nach einem ausführlichen Patientengespräch<br />

eine endoskopische Untersuchung durchführt, bei der mehrere<br />

Gewebeproben aus der Speiseröhre entnommen und unter dem<br />

Mikroskop analysiert werden. Die Diagnose kann dann zusammen<br />

mit dem endoskopischen Bild und durch den Nachweis eosinophiler<br />

Granulozyten (einer speziellen Art weißer Blutkörperchen)<br />

zweifelsfrei gestellt und eine Therapie eingeleitet werden.<br />

Hauptsymptome der EoE bei Erwachsenen<br />

• Schluckbeschwerden, vor allem beim Verzehr<br />

fester Speisen und faseriger/trockener<br />

Lebensmittel<br />

• Unangenehmes oder schmerzhaftes Gefühl,<br />

als würde ein Bissen im Hals stecken bleiben<br />

• Brennen hinter dem Brustbein<br />

• Bolusimpaktion: Nahrungsbissen<br />

bleibt im Hals stecken<br />

ACHTUNG! Dies kann einen<br />

medizinischen Notfall hervorrufen!<br />

Betroffene leiden oft zusätzlich an allergischen<br />

Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma<br />

oder atopischen Ekzemen.<br />

Hauptsymptome der EoE bei Kindern<br />

• Übelkeit<br />

• Erbrechen<br />

• Bauchschmerzen<br />

• Nahrungsverweigerung<br />

• Wachstumsstörungen<br />

Weitere Informationen finden Sie unter www.schluckbeschwerden.de


14<br />

Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de<br />

Leben mit Phosphatdiabetes -<br />

“Gestalten statt hinnehmen“<br />

Die x-chromosomale Hypophosphatämie (kurz XLH) ist eine seltene Störung des Knochenstoffwechsels.<br />

Die Mutation, die XLH hervorruft, kann vererbt werden oder als spontane Mutation auftreten, was die Diagnose<br />

erschweren kann. XLH führt zu einem Phosphatmangel, weshalb die Erkrankung auch die Bezeichnung Phosphatdiabetes<br />

trägt. Auch wenn die Erkrankung entdeckt und behandelt wird, leiden Betroffene an ihren Folgen:<br />

dazu zählen u. A. starke Schmerzen, enorme Bewegungseinschränkungen und schlecht verheilende Knochenbrüche.<br />

Wir sprachen mit Sara Franke über ihr Leben mit der Erkrankung.<br />

Text Alexandra Lassas<br />

Frau Franke, Sie haben die Erkrankung XLH.<br />

Wann und wie hat sich die Erkrankung bei<br />

Ihnen geäußert und gibt es in Ihrer Familie<br />

weitere Betroffene?<br />

Bei mir wurde XLH bereits im Kleinkindalter sichtbar.<br />

Mit dem Beginn des Laufens zeigten sich deutliche Verformungen<br />

meiner Beine. Meine Mutter bemerkte das<br />

und zog sofort Parallelen zu ihrer eigenen Kindheit, in<br />

der sie ähnliche Verformungen hatte. Die Krankheit,<br />

die auch meine Mutter und meine beiden Geschwister<br />

betrifft, wurde bei meiner Mutter damals fälschlicherweise<br />

als Knochenfehlbildung diagnostiziert. Damals<br />

versuchte man durch verschiedene OPs, ihre Beine zu<br />

korrigieren, was zu starken Verformungen und irreversiblen<br />

Schäden bei ihr führte. Glücklicherweise wurde<br />

durch die Hartnäckigkeit meiner Eltern bei meinen<br />

Schwestern und mir die korrekte Diagnose gestellt,<br />

als ich drei Jahre alt war.<br />

Was waren und sind für Sie die größten Herausforderungen<br />

aufgrund Ihrer Erkrankung?<br />

In meiner Kindheit kämpfte ich mit Zahnabszessen<br />

und den Einschränkungen durch O-Beine, besonders<br />

beim Laufen und Springen. Aber unsere Familie lebte<br />

nach dem Motto: Jeder gestaltet sein Leben so gut wie<br />

möglich. In meiner Jugend führten Operationen zur<br />

Korrektur der Beine und weitere Eingriffe zu vielen Fehlzeiten<br />

in der Schule. Es war sehr schwer, als "behindert"<br />

abgestempelt und von Mitschülern und Lehrern in<br />

meinen Fähigkeiten unterschätzt zu werden. Doch<br />

dank der Unterstützung meiner Familie und Freunde<br />

konnte ich mein Selbstbewusstsein stärken.<br />

Mein gesamtes Skelett ist deformiert, was zu zahlreichen<br />

Begleiterkrankungen führte. Ärzte behandeln diese<br />

meist nur symptomatisch: ein zeitaufwendiger und<br />

kraftraubender Prozess. Die wirksame Behandlung<br />

begann erst, als ich gute Beziehungen zu den Ärzten aufbaute.<br />

Es gibt nicht viele Patienten mit dieser Krankheit,<br />

und es dauert oft zu lang, bis man als erwachsener Patient<br />

einen Spezialisten findet. Bis dahin versuchte ich,<br />

meine Schmerzen mit Schmerzmitteln zu lindern.<br />

Als lebensfroher Mensch stieß ich oft auf<br />

Schwierigkeiten, die Intensität meiner Schmerzen den<br />

Ärzten zu vermitteln und die Dringlichkeit meiner<br />

Situation zu betonen. Aber nicht nur erkrankte Kinder,<br />

sondern auch erwachsene Patienten benötigen<br />

weiterhin eine adäquate Betreuung, um Beschwerden<br />

zu lindern!<br />

XLH ist zwar noch nicht heilbar, aber behandelbar:<br />

wie geht es Ihnen unter Therapie?<br />

Mir geht es ganz gut. Natürlich begleiten mich ständig<br />

Schmerzen, die wohl auch bleiben werden. Das Bücken<br />

und Knien wird mir immer verwehrt bleiben. Trotz dieser<br />

Herausforderungen empfinde ich mein Leben als<br />

wunderbar. Seit einem Jahr spritze ich mir ein Medikament,<br />

das auch für Erwachsene zugelassen ist und<br />

mir Tage mit erträglichen Schmerzen schenkt.<br />

Sie sind 2022 Mutter geworden: Hatten Sie Sorge,<br />

dass ihr Kind auch von XLH betroffen sein könnte<br />

und wie verlief Ihre Schwangerschaft?<br />

Mein Mann und ich haben ausführlich darüber gesprochen<br />

und uns entschlossen, unsere Lebensfreude<br />

und unsere Träume nicht von einer Erkrankung beeinträchtigen<br />

zu lassen. Als das neue Medikament zugelassen<br />

wurde und die Erfolge bei Kindern vielversprechend<br />

waren, wurde unser Wunsch nach einer<br />

Familie nur stärker. Meine Frauenärztin war hervorragend<br />

über meine Krankheit informiert und hat mich<br />

jederzeit einfühlsam unterstützt. Nun sind wir stolze<br />

Eltern eines kerngesunden Sohnes.<br />

Wie geht es Ihnen heute und was möchten Sie<br />

anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?<br />

In jedem von uns schlummert etwas, für das es sich<br />

zu kämpfen lohnt. Jeder, der betroffen ist, sollte die<br />

Kraft und Geduld aufbringen, Ärzte aufzusuchen,<br />

bei denen er sich wohl fühlt. Unterstützung ist von<br />

entscheidender Bedeutung. Zudem sollte man sich<br />

bemühen, sich von der Erkrankung nicht übermäßig<br />

einschränken zu lassen. Es ist von grundlegender<br />

Bedeutung, fest an sich selbst zu glauben. Wir verdienen<br />

es, wertgeschätzt zu werden. Wir sind so viel<br />

mehr als die Erkrankung!<br />

Sara Franke<br />

XLH-Patientin<br />

Symptome der XLH im Überblick<br />

Mögliche Symptome bei Kindern:<br />

• Fehlstellungen der Beine (O- oder X-Beine)<br />

• Deformierungen der Knochen und Achsenfehlstellungen<br />

• Weiche Knochen (Rachitis)<br />

• Verspäteter Laufbeginn, Gangbildveränderungen,<br />

„Watschelgang“<br />

• Verzögertes/Vermindertes Wachstum (Kleinwuchs)<br />

• Dysproportionen<br />

• Knochen- und Gelenkschmerzen<br />

• Muskelschmerzen und -schwäche<br />

• Schädeldeformationen: Craniosynostose<br />

(verfrühter Verschluss der Schädelnähte),<br />

Chiari Malformation (Fehlbildung des Übergangs<br />

zwischen Hinterhaupt und Wirbelsäule)<br />

• Spätes Sekundärgebiss und Zahnprobleme<br />

(z. B. Abszesse und Fisteln)<br />

Zusätzliche mögliche Symptome bei Erwachsenen:<br />

• Veränderungen des Gehörs: Schwerhörigkeit<br />

bis hin zum Hörverlust, Tinitus, Schwindel<br />

• Frakturen und Pseudofrakturen durch unzureichende<br />

Knochenmineralisation<br />

• Osteomalazie (Knochenerweichung)<br />

• Spinalkanalstenosen (Verengungen des<br />

Wirbelkanals)<br />

• Früh einsetzende Arthrose oder Knochen- und<br />

Gelenkentzündungen<br />

• Bewegungseinschränkungen und Steifigkeit<br />

• Mineralisierung (Verkalkung) von Sehnen und<br />

Bändern<br />

• Dauerhafte Verkürzung von Sehnen, Muskeln und<br />

Bändern<br />

• Reduzierte Belastbarkeit, Erschöpfung<br />

Phosphatdiabetes e. V.<br />

Die Patientenorganisation Phosphatdiabetes e. V. ist<br />

eine Gemeinschaft von Betroffenen und Angehörigen,<br />

die Informationen bereitstellt, Hilfestellung anbietet<br />

und durch persönlichen Erfahrungsaustausch im<br />

Umgang mit der Erkrankung unterstützt. Die Belange<br />

aller Altersstufen – von Kindern, Jugendlichen und<br />

Erwachsenen – finden Beachtung.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.phosphatdiabetes.de<br />

FOTO: PRIVAT<br />

FOTO: GPOINTSTUDIO<br />

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Kyowa Kirin GmbH entstanden.<br />

Einsatz für Menschen<br />

mit seltenen Erkrankungen<br />

Text Katharina Lassmann<br />

„Meine Hautprobleme begannen 2004“, berichtet eine<br />

Patientin. Sie litt zu dieser Zeit unter wiederkehrenden<br />

Hautausschlägen und Schmerzen. Erst Jahre später<br />

wurde bei ihr eine Mycosis fungoides diagnostiziert,<br />

eine Krebserkrankung, die in Europa weniger als einen<br />

von 110.000 Menschen betrifft. 1<br />

„Ich befand mich fast zehn Jahre lang in einer Grauzone“,<br />

erinnert sie sich. Ihre anfänglichen Symptome<br />

wurden zunächst als Ekzem erkannt. Erst ein Zufallsbefund<br />

führte zur richtigen Diagnose. Diese Geschichte ist<br />

kein Einzelfall: Der Weg bis zum Befund dauert bei diesem<br />

Krankheitsbild durchschnittlich zwei bis sieben<br />

Jahre. 2<br />

Kyowa Kirin ist ein global tätiges biopharmazeutisches<br />

Unternehmen, das die Versorgung von Menschen mit<br />

seltenen Erkrankungen verbessern möchte. Es wurde<br />

1949 in Japan gegründet und entwickelt seit dieser Zeit<br />

innovative Therapien in den Bereichen Nephrologie,<br />

Neurologie, Onkologie und Immunologie. Die Forschung,<br />

Entwicklung und Wirkstoffproduktion stützen<br />

sich auf Verfahren der Spitzenbiotechnologie<br />

aus eigenem Hause.<br />

Kyowa Kirin ist ein global<br />

tätiges Unternehemen, das<br />

die Versorgung von Menschen<br />

mit seltenen Erkrankungen<br />

verbessern möchte.<br />

So gilt das Unternehmen als Pionier in der Behandlung<br />

des nur selten auftretenden Phosphatdiabetes.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Behandlung seltener<br />

Krebserkrankungen wie der Mycosis fungoides und des<br />

Sézary-Syndroms – beides Unterformen des kutanen<br />

T-Zell-Lymphoms (CTCL).<br />

Kyowa Kirin möchte sämtlichen Menschen, mit denen<br />

es sich im Austausch befindet, ein Lächeln schenken<br />

– nicht nur durch die Bereitstellung neuer Wirkstoffe,<br />

sondern auch durch gelebte Partnerschaften. Das Unternehmen<br />

sucht weltweit den Austausch mit Betroffenen<br />

und Beteiligten, um gemeinsam bessere Antworten<br />

auf Patientenbedürfnisse zu finden, getrieben von dem<br />

Ansporn „Making people smile“.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.kyowakirin.com<br />

Quellen: 1 – Orphanet https://tinyurl.com/4vr9ar9v 2 – CL Foundation https://tinyurl.com/mvk67utw


Lesen Sie mehr auf seltenekrankheiten.de 15<br />

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem<br />

Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus entstanden.<br />

„Die interdisziplinäre Expertise ist der entscheidende Vorteil<br />

eines Zentrums für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen“<br />

Zentren für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen (ZSEs) sind eine wichtige Anlaufstelle für Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen. Deutschlandweit gibt es mittlerweile<br />

über 30 ZSEs. Eines davon ist das UniversitätsCentrum für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen (USE) in Dresden. Wir sprachen mit Prof. Dr. med. Reinhard Berner,<br />

Sprecher des USEs Dresden, über die wichtige Rolle der ZSEs.<br />

Text Hanna Sinnecker<br />

Herr Prof. Berner, <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen auf<br />

die Spur zu kommen ist nicht leicht. Wie sehen<br />

die Diagnosewege derzeit aus?<br />

Die Zugangswege sind ganz unterschiedlich. Ein sehr<br />

großer Teil der <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen hat eine genetische<br />

Ursache, sodass Betroffene oft schon im Säuglingsoder<br />

Kleinkindalter klinische Auffälligkeiten zeigen. Wenn<br />

deren Ursache nicht zu klären ist, wird heute in der Pädiatrie<br />

relativ schnell auch auf <strong>Seltene</strong> Erkrankungen hin<br />

untersucht, die zur Symptomatik passen könnten. Bei<br />

Kindern ist der Zugangsweg also meist relativ direkt. Bei<br />

erwachsenen Betroffenen sieht das oft anders aus, da die<br />

Symptomatik unklar ist, sie häufig von Facharzt zu Facharzt<br />

überwiesen werden und man oft erst spät an eine<br />

<strong>Seltene</strong> Erkrankung denkt. Sie warten oft sehr lange auf<br />

ihre Diagnose oder erhalten sie schlimmstenfalls nie.<br />

Sie verfolgen am USE einen interdisziplinären Ansatz<br />

bei der Diagnostik und Therapie: Wie funktioniert die<br />

Zusammenarbeit im Netzwerk genau und welche Rolle<br />

spielt dabei moderne Technik?<br />

Wenn wir einen Patienten übermittelt bekommen, wird der<br />

Fall in einer interdisziplinären Fallkonferenz besprochen.<br />

Dabei sind je nach Symptomatik Mediziner unterschiedlicher<br />

Fachbereiche eingebunden, die so einen ganzheitlichen<br />

Blick, aber von verschiedenen Seiten auf den Patienten,<br />

seine Beschwerden und seine Krankheitsgeschichte<br />

werfen. Diese strukturierte interdisziplinäre Expertise<br />

ist der entscheidende Vorteil eines ZSEs. Verhärtet<br />

sich der Verdacht auf eine <strong>Seltene</strong> Erkrankung und die<br />

Fallkonferenz kommt zu der Entscheidung, dass eine<br />

genetische Untersuchung sinnvoll ist, dann kann diese im<br />

Regelfall direkt in die Wege geleitet werden.<br />

Prof. Dr. med.<br />

Reinhard Berner<br />

Sprecher des Universitäts-<br />

Centrums für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

am Universitätsklinikum<br />

Carl Gustav Carus Dresden<br />

FOTO:<br />

UNIVERSITÄTSKLINIKUM DRESDEN<br />

Die Möglichkeiten der genetischen Diagnostik sind ein<br />

enormer medizinischer Fortschritt, der besonders auch<br />

Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen zugutekommt.<br />

Diese Möglichkeiten der genetischen Diagnostik sind ein<br />

enormer medizinischer Fortschritt, der besonders auch<br />

Menschen mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen zugutekommt. Mittlerweile<br />

können wir an den Zentren für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen<br />

annähernd die Hälfte der Patienten diagnostizieren,<br />

aber unser Anspruch ist es natürlich, diese Zahl auch unter<br />

Einsatz von Bioinformatik, neuen Labor-, Analyse- und<br />

Auswertemethoden und KI in Zukunft weiter zu erhöhen.<br />

Welche Schwerpunkte haben Sie in der Arbeit mit<br />

Patienten und ihren Angehörigen, und wo sehen Sie<br />

Potenziale, sie noch stärker einzubinden und zu<br />

unterstützen?<br />

Am USE haben wir hier schon verschiedene Projekte<br />

erfolgreich umgesetzt, allen voran das Projekt Translate<br />

NAMSE. Der Fokus war hier ganz klar, Diagnosewege zu<br />

verkürzen und Betroffenen eine Behandlung zu ermöglichen,<br />

wenn es für die Erkrankung zielgerichtete Therapien<br />

gibt.<br />

Aber auch wenn die diagnostizierte Erkrankung noch nicht<br />

zielführend therapiert werden kann, haben viele der am<br />

Projekt beteiligten Familien berichtet, dass es bereits eine<br />

große Erleichterung für sie war, dass der Erkrankung ein<br />

Name gegeben werden konnte. Und vielen Betroffenen<br />

konnten dadurch auch neue Wege der Begleitung und<br />

Therapieunterstützung ermöglicht werden. Dabei ist es<br />

wichtig herauszufinden – und dafür brauchen wir gerade<br />

die Patienten und ihre Angehörigen auch dringend und<br />

müssen sie einbinden – wo sie denn in der Betreuung, die<br />

ja häufig auch interdisziplinär und multidimensional sein<br />

muss, Unterstützungsbedarfe sehen. Ein weiterer wichtiger<br />

Punkt des Projektes war es, den Übergang vom Kindes- und<br />

Jugendalter zum Erwachsenenalter zu begleiten. Hier sind<br />

wir dabei, strukturierte Programme zu entwickeln, um die<br />

Betroffenen bei diesem Übergang zu unterstützen und ihre<br />

Weiterversorgung zu sichern. Dieser Prozess ist aber sehr<br />

aufwendig und derzeit in der normalen Regelversorgung<br />

nicht abbildbar. Umso wichtiger sind solche Projekte, da<br />

sie zeigen, dass diese sog. Transitionsprogramme von unschätzbarem<br />

Wert für Betroffene und ihre Angehörigen und<br />

auf lange Sicht eben doch kosteneffizient sind. Insofern<br />

müssen sie mittelfristig in die Regelversorgung überführt<br />

werden.<br />

Das USE ist auch in der Forschung breit aufgestellt. In<br />

welchen Bereichen liegt Ihre besondere Expertise?<br />

Wie praktisch alle ZSEs fokussieren wir uns auf spezielle<br />

Krankheitsgebiete, auch wenn wir in unserer koordinierenden<br />

Funktion natürlich Ansprechpartner für alle Patienten<br />

sind. Am USE in Dresden konzentrieren wir uns<br />

zum einen auf Erkrankungen des Immunsystems. Gerade<br />

bei Kindern gibt es angeborene Immundefekterkrankungen,<br />

bei denen ein Teil des Immunsystems fehlt oder nicht vollständig<br />

funktionsfähig ist. Aber auch Fehlregulierungen<br />

des Immunsystems wie z. B. autoinflammatorische Erkrankungen<br />

oder Autoimmunerkrankungen gehören zu<br />

unserer Expertise; ein weiterer Schwerpunkt sind seltene<br />

angeborene Entwicklungsstörungen.<br />

Gibt es Bereiche, in denen Sie besondere Forschungsfortschritte<br />

verzeichnen konnten?<br />

In den eben genannten Bereichen forschen wir ganz aktiv<br />

daran, die Gene zu identifizieren, deren Fehlfunktion für<br />

die entsprechenden immunologischen Erkrankungen verantwortlich<br />

sind. Wir möchten herausfinden, an welcher<br />

Stelle der Signalweg zur Regulation des Immunsystems<br />

unterbrochen wird, um den Krankheitsmechanismus zu<br />

verstehen. Denn wenn man die Mechanismen versteht,<br />

kann man u. U. gezielt bestimmte Moleküle einsetzen, die<br />

diese fehlregulierten Signalwege „umprogrammieren“. Das<br />

hilft bei der Entwicklung ganz neuer Therapiekonzepte<br />

und kann Hinweise liefern, ob bereits zugelassene Medikamente,<br />

die vielleicht für ganz andere Zwecke entwickelt<br />

worden sind, hier zum Einsatz kommen können, weil deren<br />

Wirkmechanismus an der entsprechenden Stelle ansetzt.<br />

Ein ganz wichtiger und oft vergessener Punkt dabei: Mit<br />

den Erkenntnissen, die wir anhand der Aufklärung seltener<br />

Krankheitsbilder gewinnen, können vielfach auch<br />

häufiger auftretende Erkrankungen und ihre Wirkmechanismen<br />

besser verstanden und Therapie- oder Präventionskonzepte<br />

entwickelt werden.<br />

Von der Forschung an seltenen<br />

Erkrankungen profitieren<br />

also am Ende sehr viel<br />

mehr Menschen als nur<br />

die Betroffenen selbst!<br />

Forscher und Ärzte arbeiten beständig daran,<br />

Diagnosen schneller und genauer stellen<br />

zu können und Behandlungsmöglichkeiten<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Ein Gastbeitrag von Sachsens Wissenschaftsminister<br />

Sebastian Gemkow<br />

Vernetzung und Kooperation von Expertinnen<br />

und Experten – das ist der Schlüssel!<br />

Die Fortschritte in der Biotechnologie und anderen<br />

Forschungsgebieten in der Medizin in den vergangenen<br />

Jahren tragen inzwischen Früchte und helfen Patienten<br />

mit <strong>Seltene</strong>n Erkrankungen heute viel besser<br />

als noch vor wenigen Jahren. Sachsen trägt seinen<br />

Teil dazu bei: Mit gleich zwei universitären Zentren<br />

für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen. Neben dem Universitäts-<br />

Centrum für <strong>Seltene</strong> Erkrankungen am Uniklinikum<br />

„Carl Gustav Carus“ Dresden (USE) arbeiten Forscher<br />

und Ärzte auch am Universitären Zentrum für <strong>Seltene</strong><br />

Erkrankungen Leipzig (UZSE Leipzig) beständig daran,<br />

Diagnosen schneller und genauer stellen zu können<br />

und Behandlungsmöglichkeiten weiterzuentwickeln.<br />

Der Schlüssel zum Erfolg ist aber nicht der technologische<br />

Fortschritt allein. Vielmehr ist es die Vernetzung<br />

und Kooperation mit Expertinnen und Experten<br />

verschiedenster Disziplinen und Professionen unter<br />

Einbindung von Patientennetzwerken und wiederum<br />

spezialisierten Zentren für unterschiedliche Erkrankungen.<br />

Der Vorteil: Mit der Vernetzung werden Erkenntnisse<br />

zusammengeführt und in Verbindung mit<br />

modernster Ausstattung in der Medizin-Technik neue<br />

Forschungsansätze generiert. Neues Wissen vervollständigt<br />

das Bild, das sich Ärztinnen und Ärzte von<br />

<strong>Seltene</strong>n Erkrankungen machen. Solange, bis es eines<br />

Tages komplett ist und damit Verlauf, Symptome,<br />

biologische, chemische und physikalische Abläufe der<br />

jeweiligen Erkrankung verstanden sind. Dieses Wissen<br />

kommt den Patientinnen und Patienten in der Versorgung<br />

unmittelbar zugute. Es verbessert die Lebensqualität<br />

mit der Erkrankung oder kann sogar heilen.<br />

Der Freistaat Sachsen unterstützt deshalb kontinuierlich<br />

mit Investitionen in die Universitätsmedizin.<br />

FOTO:<br />

BEN BIERIG<br />

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