procontra Ausgabe 05-2022 Preview
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
INVESTMENTFONDS ESG-Regulierung<br />
»Eine Anpassung<br />
wäre zu begrüßen«<br />
ANJA BAUERMEISTER, Abteilungsleiterin Publikumsfonds bei Union Investment<br />
<strong>procontra</strong>: Frau Bauermeister, hat die Quote<br />
der BaFin dazu geführt, dass Ihr Unternehmen<br />
den Standort Luxemburg verstärkt nutzt, um<br />
nachhaltige Fonds zu lancieren?<br />
Anja Bauermeister: Wir würden uns natürlich<br />
wünschen, dass die Vorgaben der europäischen<br />
Regulierung in den EU-Mitgliedsstaaten<br />
einheitlich umgesetzt werden. Der Alleingang<br />
der BaFin sorgt dafür, dass die Regelungen in<br />
den Verkaufsprospekten bzw. Anlagebedingungen<br />
für unsere nachhaltigen Produkte an<br />
einigen Stellen unterschiedlich sind. Das ist für<br />
Kunden kaum nachvollziehbar. Für uns erhöht<br />
es den Aufwand. Von den drei seit Herbst 2021<br />
neu aufgelegten Publikumsfonds für Privatkunden<br />
fiel die Wahl bei einem auf Deutschland,<br />
bei den zwei anderen auf Luxemburg.<br />
<strong>procontra</strong>: Ist die Quote von 75 Prozent nachhaltiger<br />
Investments in den entsprechenden<br />
Fonds überhaupt darstellbar? Sind solche<br />
Fonds ausreichend diversifiziert?<br />
Bauermeister: Die Quote ist darstellbar. Wo<br />
Nachhaltigkeit draufsteht, soll auch Nachhaltigkeit<br />
drin sein. Allerdings kommt es entscheidend<br />
auf die Umsetzung an. Leider bezieht<br />
sich die Quote nämlich nicht auf die Wertpapiere,<br />
in die ein Fonds investiert, sondern<br />
auf den gesamten Fonds. Das kann für die<br />
Steuerung der Portfolios in extremen Marktsituationen<br />
problematisch sein, da nur bis zu<br />
25 Prozent Kassenbestände<br />
aufgebaut<br />
werden können. Diese<br />
Einschränkung dient<br />
nicht der Nachhaltigkeit.<br />
Eine Anpassung<br />
wäre daher zu begrüßen.<br />
Klumpenrisiken<br />
drohen nur, wenn man<br />
den Begriff „nachhaltige<br />
Investments“ zu<br />
eng interpretiert, indem<br />
man zu viele braune<br />
Geschäftsfelder ausschließt<br />
und sich auf zu<br />
wenige grüne Gewinner<br />
konzentriert. Hier kommt es also auf das<br />
Portfoliomanagement an. Unsere Portfolios<br />
sind ausbalanciert, weil wir in alle Geschäftsfelder<br />
investieren, die sich transformieren<br />
können, und dort in die Unternehmen, die sich<br />
glaubwürdig transformieren.<br />
<strong>procontra</strong>: Wenn die Quote vor Etikettenschwindel<br />
bei den Fonds schützen soll und<br />
auch darstellbar ist, könnte sie sich zu einem<br />
Qualitätsmerkmal entwickeln?<br />
Bauermeister: Die Quote führt einen strengeren<br />
Maßstab ein und versucht so, Qualität zu<br />
fördern. Strenge führt aber nicht notwendigerweise<br />
zur Qualität. Und Qualität bedeutet mehr<br />
als Nachhaltigkeit: Auch Sicherheit, Liquidität<br />
und Rendite, die wir aus dem magischen<br />
Dreieck der Geldanlage kennen, sind wichtige<br />
Zielgrößen für Anleger.<br />
<strong>procontra</strong>: Derzeit fehlt die rechtliche Basis<br />
für die Quote. Hat die BaFin Ihnen signalisiert,<br />
dass die entsprechende Richtlinie kommen<br />
wird?<br />
Bauermeister: Die Rechtsgrundlage der aktuellen<br />
Verwaltungspraxis ist derzeit unklar. Eine<br />
Klärung dieser Frage könnte Rahmenbedingungen<br />
vereinheitlichen und damit Orientierung<br />
stiften. Mehr Transparenz wäre hier<br />
wünschenswert und passt gut zum Thema<br />
Nachhaltigkeit.<br />
Nur weil die Quote nicht zu einem<br />
Exodus nachhaltiger Fonds aus Deutschland<br />
geführt hat, heißt das nicht im Umkehrschluss,<br />
dass sie für die deutsche<br />
nachhaltige Investmentindustrie gut ist. Im<br />
Gegenteil: Deutsche Fondsanbieter können<br />
immer nach Luxemburg ausweichen, wenn<br />
sie der Meinung sind, die Quote hindere sie<br />
daran, eine maximale Diversifikation zu erzielen.<br />
Diese Entscheidung wäre auch legitim,<br />
weil ihre Produkte es einfacher hätten,<br />
Klumpenrisiken zu vermeiden – wie zum<br />
Beispiel eine Übergewichtung zugunsten<br />
des Sektors grüne Technik. Dasselbe gilt<br />
für ausländische Asset-Manager, die ESG-<br />
Fonds in Deutschland anbieten wollen.<br />
Auch die Befürchtung, dass etwa der<br />
Luxemburger Regulierer mit einer fehlenden<br />
Quote Greenwashing fördern<br />
könnte, ist unbegründet. Das liegt an den<br />
Transparenzpflichten unter der Offenlegungs-Verordnung.<br />
Damit können Berater<br />
und Anleger nachvollziehen, ob die im<br />
Fondsprospekt angegebene nachhaltige<br />
Strategie wirklich umgesetzt wird. Angesichts<br />
dieser hohen Transparenz und damit<br />
des großen Reputationsrisikos wäre es für<br />
den Anbieter höchst risikoreich, wenn er<br />
Greenwashing betriebe.<br />
Für die Aufsicht stellt die Quote jedenfalls<br />
kein Hindernis in Sachen Diversifikation<br />
dar. Eine Sprecherin begründet: „ESG<br />
bezieht sich nicht nur auf ‚Environment‘,<br />
sondern auch auf ‚Social‘ und ‚Governance‘.<br />
Zudem bietet die BaFin-Verwaltungspraxis<br />
Flexibilität. Investmentvermögen dürfen<br />
sich auch dann als nachhaltig bezeichnen,<br />
wenn sie eine nachhaltige Anlagestrategie<br />
verfolgen und bestimmte Mindestausschlüsse<br />
einhalten.“ Sollte die Quote aber<br />
letztlich doch zu einem Exodus nachhaltiger<br />
Fonds aus Deutschland führen, würde<br />
es für die BaFin schwierig, in der Frage hart<br />
zu bleiben.<br />
PRO<br />
BAFIN-QUOTE FÜR ESG-FONDS?<br />
Schutz vor<br />
„Greenwashing ”<br />
Mögliches<br />
Qualitätsmerkmal<br />
Hilfreich für Berater<br />
CONTRA<br />
Erschwert die<br />
Diversifikation<br />
Gefahr für den<br />
Fondsstandort<br />
Durch EU-Regelung<br />
eigentlich unnötig<br />
38 <strong>procontra</strong> <strong>05</strong> | 22