29. November 2022
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20 Quartier<br />
<strong>29.</strong><strong>November</strong> <strong>2022</strong><br />
ES HÄMPFELI BÄRNDÜTSCH<br />
«So alt wie hütt bin i<br />
no nie gsi»<br />
Der Bärndütsch-Aabe, der vor<br />
einem Jahr noch im Quartiertreff<br />
Baracke im Kleefeld<br />
durchgeführt wurde, ist immer<br />
eine spannende Wundertüte.<br />
Sämi Kobel sucht sich oft weniger<br />
bekannte Mundart-Geschichten<br />
oder -Gedichte, von<br />
denen sie annimmt, dass sie<br />
das Publikum erheitern oder<br />
zum Nachdenken anregen.<br />
Das war auch dieses Jahr so. Es<br />
begann mit einer längeren Erzählung<br />
von Achim Parterre, in<br />
der sich der Mundart-Poet freut,<br />
dass seine Grossmutter alte<br />
berndeutsche Redewendungen<br />
weiterpflegt. «Ds Radio abdräie»,<br />
also abdrehen, auch wenn<br />
man heute auf einen Knopf<br />
drückt. Oder «ds Liecht lösche»,<br />
obschon es da nichts mehr zu<br />
löschen gibt.<br />
Sämi Kobel in ihrem Element. Sie meistert die Tücken beim Vorlesen der<br />
berndeutschen Texte. Rechts: Olga Albisetti am Örgeli. Fotos: Marc de Roche<br />
DER BÄNZ U DER BÄRI<br />
von Carl Albert Loosli<br />
Der Bänz, dä het zu Bäbin weue,<br />
U Bäbi hätt nen ycheglaa,<br />
Du tuet ne du der Bäri schneue,<br />
U Bänz lat ds Leiterli la stah.<br />
Der Bänz isch nachhär nümme ggange,<br />
U Bäbi Chrischten ubercho,<br />
U dä het nid lang müesse plange,<br />
Su het’s ne du i d Finger gno.<br />
Der Bänz, dä isch du lidig bblibe,<br />
Het gseit: «I warte no ne Rung,<br />
Der Hung het mer der Gluscht vertribe,<br />
Der Bäri isch e brave Hung!»<br />
Der Bänz isch hütt no nüüt ulydig,<br />
Der Chrischten isch e gschlagne Maa<br />
Un isch vom Donner nache chybig,<br />
Dass ihm der Bäri nüüt het ta.<br />
Gleich viermal gab es ganz fröhliche<br />
Kost von Pedro Lenz, darunter<br />
der Schwank aus dem<br />
Hundeleben «Won i e Afghan bi<br />
gsi». Auch Walter Däpp und sein<br />
Bruder Heinz waren viermal<br />
im Programm, mit bekannten,<br />
gut beobachteten Momentaufnahmen.<br />
Kurze Augenblicke jedenfalls,<br />
deren Stärke darin<br />
liegt, etwas zu beinhalten, was<br />
man schon zu kennen glaubt.<br />
Ein Beispiel von Walter Däpp:<br />
Betrachtungen zum Edelweiss.<br />
Er ist beeindruckt von der Wertschätzung<br />
dieser wohl bekanntesten<br />
und symbolträchtigsten<br />
Alpenblume. Das Edelweiss ist<br />
in der Schweizer Armee das<br />
Rangabzeichen von Generälen.<br />
Es ziert das Logo von Schweiz<br />
Tourismus und ist auch auf der<br />
grössten Münze, auf dem Fünfliber,<br />
abgebildet. Aber für den<br />
Autor hat die Pflanze ihre Aura<br />
verloren, seit sie für 6,90 Franken<br />
im Gartencenter erhältlich<br />
ist. Buchtipp zu Weihnachten:<br />
Walter Däpp, «So alt wie hütt<br />
bin i no nie gsi».<br />
Auch Einheimisches?<br />
Klar, dass Sämi Kobel die Werke<br />
vom unbequemen Philosophen<br />
von Bümpliz, Carl Albert Loosli,<br />
hervorholte, der von 1904 bis zu<br />
seinem Tod 1959 hier lebte und<br />
wirkte. Ihn dürfen wir nicht<br />
Mundart-Poetin und Texterin Stefanie<br />
Christ liest aus ihrem neuesten Werk<br />
«Wüeschti Hüng». Das Publikum<br />
klatscht begeistert.<br />
vergessen. Da war noch das besinnliche<br />
Gedicht von Marianne<br />
Chopard, «Es herbschtelet<br />
haut». Die Autorin aus Hinterkappelen<br />
schreibt: «Die Natur,<br />
meine Umgebung und Beobachtungen<br />
an Menschen, sind mir<br />
Inspirationsquellen zur Niederschrift<br />
meiner gereimten Gedanken.<br />
Es geschieht oft, dass<br />
sich bei den Hausarbeiten, auf<br />
einem Spaziergang oder beim<br />
Einkaufen Wörter, welche mir<br />
im Kopf herumpurzeln, plötzlich<br />
zu einem Gedicht zusammenfügen<br />
lassen.» Zwei Mundartautorinnen<br />
lasen eigene<br />
Werke. Erst Julia Degelo aus<br />
Hinterkappelen. Sie wohnt und<br />
Julia Degelo, die scharfsinnige<br />
Textschreiberin, gibt Gas.<br />
Da spitzt sogar der Hund unter dem<br />
Tisch die Ohren.<br />
arbeitet jetzt in Zürich. Ihre bitterböse<br />
apokalyptische Vision<br />
eines helvetischen Polizeistaates<br />
war eindringlich und schwer<br />
verdauliches Berndeutsch.<br />
Dann kam die Kultur-Journalistin<br />
Stefanie Christ, die aus ihrer<br />
ersten grossen Mundart-Publikation<br />
las. «Wüeschti Hüng» ist<br />
eine Sammlung von Mundartgeschichten,<br />
die nicht selten in<br />
skurrilen, abgründigen, magischen<br />
und stets überraschenden<br />
Auflösungen münden. Geissen<br />
mit der falschen Farbe, malende<br />
Metzger, gestrandete Wale,<br />
sprechende Münsterfiguren,<br />
fliegende Teppiche, sinnfreies<br />
Warten vor Berns beliebtester<br />
Das ist nicht nur für alte Leute: Die<br />
Texte von Walter Däpp enthalten viel<br />
Lebensfreude, von unbekümmert bis<br />
tiefsinnig.<br />
Gelateria und ein Streit in der<br />
Waschküche, der ausartet. Dieses<br />
Buch ist mein zweiter Weihnachtstipp<br />
für 29 Franken.<br />
Fröhliche musikalische Akzente<br />
unterbrachen die Lesungen.<br />
Olga Albisetti, Flavia Eichenberger<br />
und Michèle Rüegg spielten<br />
Melodien mit Örgeli und Geige.<br />
Caroline Prato von der reformierten<br />
Kirchgemeinde<br />
Bümpliz führte geschickt durch<br />
den ganzen Anlass und versprach,<br />
dass dieser Anlass auch<br />
im nächsten Winter stattfinden<br />
soll, vielleicht aber erst im Januar.<br />
Die BümplizWoche wird dabei<br />
sein.<br />
Marc de Roche