188_StadtBILD_Maerz_2019
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Ratsarchivar und Historiker Richard Jecht<br />
Görlitzer Münze<br />
Bäcker bekamen kein Getreide und Mehl<br />
und konnten nicht backen. In Görlitz war<br />
man daher gezwungen, im Salzhause auf<br />
dem Obermarkte einen Getreidespeicher<br />
anzulegen und von dort aus verhältnismäßig<br />
wohlfeil die Gottesgabe zu verkaufen.<br />
Zu allem Unglück war der Winter<br />
1515/1516 naßkalt und schädigte die<br />
Saaten, so daß die Not in der Folgezeit<br />
noch stieg. - Es war nun natürlich, daß<br />
die übrigen Oberlausitzer mit Vorwürfen<br />
gegen die Görlitzer nicht zurückhielten:<br />
Sie hätten zu viel und dazu leichtfertig<br />
und schlecht gemünzt. Die Görlitzer<br />
leugneten das und schoben die Schuld<br />
an der Not auf die Fälschungen und auf<br />
das Verbot der Einfuhr ihrer Münze nach<br />
Böhmen. Städtetage in Löbau, Landtage<br />
in Bautzen, Zusammenkünfte in Prag<br />
wurden deshalb abgehalten, Botschaften<br />
gingen nach Meißen, Dresden, der<br />
Niederlausitz, der Mark und Schlesien<br />
in dieser Sache. Die Oberlausitzer forderten<br />
von Görlitz eine neue vollgültige<br />
Münze, Einziehen der bösen Stücke und<br />
Weißen der schwarzen Schrötlinge. Da<br />
das hartköpfige Görlitz hierbei Schwierigkeiten<br />
bereitete, platzten die Geister<br />
heftig aufeinander. Zittau, das in großer<br />
Sorge um das liebe Brot stand und auch,<br />
um die durstigen Kehlen zu befriedigen,<br />
eine Anleihe in Bier beim Kloster Oybin<br />
gemacht hatte, war der Meinung, in der<br />
Stadt Görlitz sei darauf hinzielend ein<br />
Schandlied gemacht und gesungen, und<br />
erregte sich darüber heftig. Am meisten<br />
erzürnte sich der Adel; es fielen Drohungen,<br />
man wolle den Görlitzern die Zufuhr<br />
sperren; in einer Sitzung mußte sich<br />
der Görlitzer Oberstadtschreiber Haß einen<br />
Lügner nennen lassen, und als er<br />
heftig auf die „Kretschamworte“ (Kneipenausdrücke)<br />
Nickels von Gersdorff<br />
auf Malschwitz erwiderte, erhob sich ein<br />
heftig Gemurmel; die Hände legten sich<br />
an die Schwerter, und nicht viel hätte<br />
gefehlt, so wären die städtischen, vornehmlich<br />
die Görlitzischen Abgesandten<br />
in Stücke gehauen. Als die Görlitzer einmal<br />
hören mußten, man wolle auch in den<br />
5 Schwesterstädten die Görlitzer Münze<br />
verbieten, da drohte die Neißestadt mit<br />
dem Austritt aus dem Sechsstädtebunde<br />
(sie wollten fürder ihre zugeordneten<br />
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Geschichte<br />
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