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stadtMAGAZIN KÖLN. Ausg. April-Mai 2023

Kölner Magazin für Zeitgeschehen, Kunst, Kultur und Lebensart.

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Exklusiv im <strong>stadtMAGAZIN</strong> <strong>KÖLN</strong>: Bürgerschaftliches Engagement<br />

Menschen im Ehrenamt <br />

von Annette Siebeneck<br />

VERTRAULICHE<br />

Gespräche<br />

hinter Gittern<br />

Edith Simons arbeitet als<br />

ehrenamtliche<br />

Gefängnisseelsorgerin.<br />

Foto: ©Claudia Keller.<br />

Erschienen auf: Evangelischer Kirchenverband Köln und Region<br />

SEELSORGE · GEFÄNGNISSEELSORGE ·<br />

Jedes Mal, wenn Edith Simons die Justizvollzugsanstalt<br />

Köln-Ossendorf besucht, erwartet sie „eine Wundertüte“.<br />

Donnerstags fährt die rüstige Rentnerin regelmäßig<br />

für drei bis vier Stunden zum Gefängnis, unterzieht sich<br />

einer strengen Personenkontrolle und lässt sich abtasten.<br />

Eine durchsichtige Tasche mit einer kleinen Flasche Wasser,<br />

Notizblock und Taschentüchern darf sie mittlerweile<br />

aufgrund Sondergenehmigung mit hineinnehmen. Sonst<br />

nichts. „Wenn ich Geburtstag habe, stelle ich einen Antrag,<br />

damit ich einen Kuchen mitbringen kann. Das darf dann<br />

aber nur ein eingeschweißter Fertigkuchen sein“, sagt Simons.<br />

Nur allzu verständlich – sie geht schließlich in den<br />

„Knast“ und da muss streng darauf geachtet werden, dass<br />

keine Drogen oder andere Gegenstände hineingeschmuggelt<br />

werden. Gleiche Regeln für alle.<br />

Wenn Frau Simons die Kontrolle überwunden hat, geht<br />

sie in die Besuchsabteilung und wird in einen kleinen Raum<br />

gebracht, in dem sie mit einer*einem Inhaftierten zusammentrifft.<br />

Frau Simons weiß vorher nicht, wer das Einzelgespräch<br />

im Rahmen der Gefängnisseelsorge beantragt hat,<br />

sie kennt nicht die Straftaten, die die Personen verübt haben.<br />

„Ich will das auch gar nicht wissen. Mir geht es nur um den<br />

Menschen“, betont die 73-Jährige.<br />

Edith Simons vor dem Eingang der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf<br />

„Es geht kein Mensch über diese Erde, den Gott nicht<br />

liebt.“ Dieses Zitat von Friedrich von Bodelschwingh dem Älteren<br />

(1831 - 1910), evangelischer Theologe und Hilfswerkgründer<br />

der heutigen Stiftungen Bethel, ist ihr Leitspruch. Genauso<br />

unvoreingenommen und offen geht sie in die Gespräche mit<br />

den Gefangenen hinein. Mit ihren Besuchen, die manchmal<br />

eine der wenigen Schnittstellen mit der Außenwelt darstellen,<br />

gibt sie den Menschen die Möglichkeit ihr Dinge zu sagen, die<br />

sie im Gefängnisalltag nicht sagen können. Es sind Dinge, die<br />

die Gefangenen bewegen, Probleme, familiäre Hintergründe.<br />

„Ich nehme die Menschen auch in den Arm, wenn sie es<br />

möchten“, erzählt Simons. Manchmal fängt ihr Gegenüber an,<br />

heftig zu weinen. „Gefühle zeigen, festgehalten werden - das<br />

erleben die Menschen im Knast sonst nicht.“<br />

36<br />

stadt MAGAZIN <strong>KÖLN</strong>. Nr. 2/ <strong>2023</strong> 34. Jahrgang

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