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THEMA <strong>ERF</strong> MEDIEN MAGAZIN ı 07.<strong>2023</strong> ı 7 VON DER SUCHE NACH DEM GUTEN UMGANG MIT UNSEREN FREIHEITEN Freiheit – mit allen Risiken und Nebenwirkungen VON TAMARA BOPPART Obwohl wir heute hier in der Schweiz jede nur erdenkliche Freiheit geniessen, fühlen wir uns längst nicht immer frei. Was macht Freiheit aus? Ist sie mehr als diese diffuse Sehnsucht nach Weite und Terminfreiheit? Unsere Autorin macht sich der Freiheit auf die Spur – und zeigt auf, was Freiheit mit Verantwortung, der Marmeladenauswahl im Supermarkt oder dem christlichen Glauben zu tun hat. Nehmen wir mal an, ich wäre eine Suchmaschine. Da ich eine Person bin, wäre das eine sehr subjektive Angelegenheit, das versteht sich von selbst. Würde man den Begriff «Freiheit» eingeben und auf Bildersuche klicken, würde ich zahlreiche Fotos von Menschen mit emporgestreckten Armen auf Felsvorsprüngen ausspucken. Würde man in mir nach «Freiheit» und «Lebensentwürfen» suchen, würde man das einfache Leben in einer Hütte im Bergtal kombiniert mit einem romantisierten Autorinnendasein finden. Feststeht, dass das Suchmir, ordentlich am Begriff der Freiheit gearbeitet. Digitalisierung, Klimawandel, Pandemie: Freiheit ist längst keine Privatsache mehr. Die Freiheit, die Arme! Sie muss im Moment für alles Mögliche und Unmögliche herhalten. Sie wird von allen Seiten inhaltlich aufgeladen. Von rechts, von links, von oben, von unten. Beispiele gefällig? Die SP ist die «Partei der Freiheit». Die mit den Glocken und den klaren Vorstellungen nennen sich «Freiheitstrychler». Die Grundidee des Liberalismus fordert indessen vom Staat, dass er uns ein ergebnis viel mit Selbstbestimmung, MEINE FREIHEIT ENDET Leben in Freiheit ermöglicht, sich ALSO DA, WO ICH ANFANGE, Luft und Weite zu tun hätte – und sonst aber aus allem raushält. Dem ANDEREN ZU SCHADEN. sehr wenig mit drängenden Aufgaben, Enge und Hamsterrädern. So Wendell Holmes Jr. wird folgendes US-amerikanischen Richter Oliver NUR, WO IST DAS? viel zu meinem intuitiven Begriff von Freiheit. Die Frage nach der Bedeutung und überhaupt dem Gesamtkonzept von Freiheit plagt die Menschheit schon lange. Seit der Antike bemühen sich die klugen Köpfe der Philosophie und auch der Religion um Durchblick. Viele fragten bereits danach, ob und wie wir – in welcher Form auch immer – frei sind oder es werden können. Zitat zur Frage der Grenzen individueller Freiheit zugeschrieben: «Das Recht, meine Faust zu schwingen, endet, wo die Nase des anderen Mannes beginnt.» Ich gehe davon aus, dass heute auch Frauennasen betroffen wären. Meine Freiheit endet also da, wo ich anfange, anderen zu schaden. Nur, wo ist das? Mit sechzehn dachte ich noch, Freiheit sei, tun, was man will. (Unbeschwertheit – das Privileg der Jugend in den Neunzigern.) Mit dem Philosophen Grenzen der individuellen Freiheit Der erste Artikel der Menschenrechte der UNO besagt, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Gesellschaftspolitisch wird, so scheint Hegel wird es komplexer: «Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit.» Als ich 1999 konfirmiert wurde, wählten wir das Schlagwort «Freiheit» als Motto unseres Gottesdienstes. Wir