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2022<br />
Abschlussbericht<br />
DVS-Forschung<br />
Verbesserung der mechanisch<br />
technologischen Eigenschaften<br />
von nass unterwasser<br />
geschweißten Kehlnähten an<br />
hochfesten Stählen
Verbesserung der mechanisch<br />
technologischen Eigenschaften<br />
von nass unterwassergeschweißten<br />
Kehlnähten an<br />
hochfesten Stählen<br />
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben<br />
IGF-Nr.: 20.405 N<br />
DVS-Nr.: V4.2264<br />
RWTH Aachen<br />
Institut für Schweißtechnik<br />
und Fügetechnik (ISF)<br />
Förderhinweis:<br />
Das IGF-Vorhaben Nr.: 20.405 N / DVS-Nr.: V4.2264 der Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf, wurde über die<br />
AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)<br />
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des<br />
Deutschen Bundestages gefördert.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar<br />
unter: http://dnb.dnb.de<br />
© 2022 DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />
DVS Forschung Band 570<br />
Bestell-Nr.: 170680<br />
I<strong>SB</strong>N: 978-3-96870-570-5<br />
Kontakt:<br />
Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />
T +49 211 1591-0<br />
F +49 211 1591-200<br />
forschung@dvs-hg.de<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung in andere Sprachen, bleiben<br />
vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nicht gestattet.
Schlussbericht vom 31.05.2023<br />
zu IGF-Vorhaben Nr. 20405 N<br />
Thema<br />
Verbesserung der mechanisch technologischen Eigenschaften von nass<br />
unterwassergeschweißten Kehlnähten an hochfesten Stählen<br />
Berichtszeitraum<br />
01.08.2019 - 30.09.2022<br />
Forschungsvereinigung<br />
Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren des DVS e.V.<br />
Forschungseinrichtung(en)<br />
RWTH Aachen, Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF)
Inhaltsverzeichnis 9<br />
IV Inhaltsverzeichnis<br />
I Zusammenfassung I<br />
II Ziel der Untersuchungen II<br />
III Wissenschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen III<br />
IV Inhaltsverzeichnis 9<br />
V Abbildungsverzeichnis 11<br />
VI Tabellenverzeichnis 13<br />
1. Anlass für den Forschungsantrag 14<br />
1.1 Einleitung 14<br />
1.2 Stand der Technik 17<br />
2. Zielstellung und Arbeitshypothese 23<br />
3. Lösungsweg 25<br />
4. Untersuchungsergebnisse 28<br />
4.1 AP1 Erstellung einer Versuchsmatrix und Planung der Tauchschweißversuche 28<br />
4.2 AP2 Schweißen der Prüfstücke unter Praxisbedingungen durch erfahrene<br />
Unterwasserschweißer 33<br />
4.3 AP3 Auswahl und Ausarbeitung von Proben 34<br />
4.4 AP4 Bestimmung der mechanisch technologischen Eigenschaften 37<br />
4.5 AP5 Versuchsauswertung und Bewertung der Ergebnisse 39<br />
4.6 AP6 Optimierung der Ergebnisse mit angepassten Parametern und Festlegung<br />
von Sicherheitsbeiwerten 45<br />
4.7 AP7 Konstruktion und Planung eines Induktors zur Wärmebehandlung 47<br />
4.8 AP8 Modifikation der Versuchsanlage, Probenvorbereitung, Induktorbau 48<br />
4.9 AP9 Induktor Erprobung und Parameteranpassung 51<br />
4.10 AP10 Induktive Wärmenachbehandlung von nass unterwassergeschweißten<br />
Kehlnähten in Laboranlage 53<br />
4.11 AP11 Gefügeuntersuchung, Härtemessungen, Wasserstoffmessung 56<br />
4.12 AP12 Auswertung der Laborversuche 59<br />
5. Abschließende Bewertung der Ergebnisse 63<br />
6. Ausblick 64<br />
7. Formales 65<br />
8. Gegenüberstellung der durchgeführten Arbeiten und des Ergebnisses mit<br />
den Zielen. 66<br />
9. Wissenschaftlich-technischer u. wirtschaftlicher Nutzen der<br />
Forschungsergebnisse für KMU 68<br />
9.1 Wissenschaftlich-technische Ergebnisse 68
Inhaltsverzeichnis 10<br />
9.2 Wirtschaftliche Ergebnisse 68<br />
9.3 Einschätzung zur Realisierbarkeit 69<br />
VII Literaturverzeichnis 70
Anlass für den Forschungsantrag 14<br />
1. Anlass für den Forschungsantrag<br />
1.1 Einleitung<br />
Das deutsche Bundeswasserstraßennetz beinhaltet etwa 7300 km Binnenwasserstraße und<br />
ungefähr 23000 Quadratkilometer Seewasserstraßen [1]. Zudem enthält es eine große Anzahl<br />
an Wasserbauwerken und -anlagen wie Schleusen, Wehranlagen oder Über- und Unterführungen<br />
von Kanälen. Insbesondere bei Schleusen und Kanälen kommen Spundwände als<br />
Bauelemente zum Einsatz. Diese bestehen größtenteils aus niedrig legierten Baustählen der<br />
Güten S235GP bis S355GP. Aus Gründen der Langlebigkeit und der Ressourceneinsparung<br />
finden seit einiger Zeit jedoch auch Spundwände aus höherfesten Werkstoffen wie S430GP<br />
und S460GP Anwendung [2]. Da die meisten dieser Bauwerke bereits seit mehreren Jahren<br />
oder Jahrzehnten im Einsatz sind, gibt es in diesem Bereich einen sehr hohen Sanierungsbedarf<br />
[3]. Hieraus ergibt sich häufig die Notwendigkeit von Reparaturschweißungen, welche<br />
aufgrund der Zugänglichkeit in nasser Umgebung erfolgen.<br />
Das von der Bundesregierung 2023 neu veröffentlichte Erneuerbare Energie Gesetz (EEG)<br />
sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 80% des in der Bundesrepublik genutzten<br />
Stromes aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Im Jahr 2022 belief sich der Anteil an<br />
erneuerbaren Energien auf ca. 44%, wobei mit etwa 22% der größte Anteil durch Windkraft<br />
erzeugt wurde [4]. Der Ausbau von Offshore-Windkraftanlagen bietet hierbei einen Ansatz<br />
dieses vom EEG geforderten Ziel zu erreichen. Für den Bau dieser Windkraftanlagen werden<br />
insbesondere Stähle der Güte S355, aber auch Stähle der Güte S460, eigesetzt. Die Gründungsstrukturen<br />
solcher Windkraftanlagen, welche sich in Wassertiefen von bis zu 40 m befinden<br />
können, worden zumeist als Schweißkonstruktionen ausgelegt. Hierbei können derartige<br />
Bauteile Gesamtschweißnahtlängen von über 1000 Metern aufweisen. Die Fertigung<br />
dieser Schweißung geschieht in den meisten Fällen an Land. Infolge von zu erwartenden<br />
Reparaturen im Laufe des Lebenszyklus solcher Gründungsstrukturen sind Reparaturschweißungen<br />
Unterwasser jedoch nur schwer vermeidbar. [5]<br />
Beide oben beschriebenen Anwendungsbereiche bedingen im Reparaturfall den Einsatz der<br />
Schweißtechnik Unterwasser. Das nasse Unterwasserschweißen ist eines der wesentlichen<br />
Verfahren zur Reparatur von Bauwerken in nasser Umgebung. Es ist ein etabliertes Verfahren,<br />
für welches bei den gängigen im maritimen Bereich Anwendung findenden unlegierten<br />
Baustählen ausreichend Erfahrung bei den ausführenden Tauchschweißern vorliegt. Das<br />
nasse Unterwasserschweißen höherfester Stähle mit einem Kohlenstoffäquivalent über 0,4<br />
%, welches als obere Grenze für das nasse Unterwasserschweißen empfohlen wird, ist jedoch<br />
aktuell noch nicht ausreichend etabliert. Aus diesem Grund gibt es bei den ausführenden<br />
Firmen kaum Erfahrung beim Verarbeiten dieser Werkstoffe. Auch die konstruktive Auslegung<br />
von Schweißverbindungen an diesen Werkstoffen gestaltet sich aufgrund der mangelnden<br />
Grundlage an zu erwartenden Festigkeiten schwierig. Da die Verwendung höherfester<br />
Stähle eine Reduzierung der Wandstärke und somit des Gewichtes bei gleichbleibender<br />
oder sogar gesteigerter Steifigkeit und Festigkeit erlaubt, bietet eine Substitution des Grundwerkstoffs<br />
einen attraktiven Ansatz zur Kostensenkung. Zudem kann die Verwendung von<br />
Werkstoffen höherer Festigkeit eine Reduktion der Nahtdicke ermöglichen, was aufgrund der<br />
hohen Nahtkosten beim nassen Unterwasserschweißen zu erheblichen Einsparungen führen<br />
kann.
Anlass für den Forschungsantrag 15<br />
Das höhere Kohlenstoffäquivalent dieser Stähle führt jedoch zu einer gesteigerten Gefahr<br />
der Aufhärtung infolge des Schweißens. Die Aufhärtung stellt beim Unterwasserschweißen<br />
durch die sehr geringen Abkühlzeiten ohnehin ein nicht zu vernachlässigendes Risiko dar<br />
und hierdurch zusätzlich erhöht. Zudem kommt es im Lichtbogen zur Dissoziation des umgebenden<br />
Wassers zu Wasserstoff und Sauerstoff [6]. Wie in Abbildung 1 gezeigt, nimmt die<br />
Aufnahmefähigkeit des Stahls von elementarem Wasserstoff mit steigender Temperatur zu.<br />
Abbildung 1: Wasserstofflöslichkeit in Stahl nach [7]<br />
Hierdurch diffundiert Wasserstoff in das flüssige Schweißgut und reichert sich in diesem an.<br />
Infolge der schnellen Abkühlung durch die nasse Umgebung wird die Effusion des Wasserstoffs<br />
größtenteils unterbunden und elementarer Wasserstoff lagert sich im Metallgitter an.<br />
Dieser elementare Wasserstoff kann sich im Verlauf von Stunden oder Tagen an beispielsweise<br />
Gitterfehlstellen ansammeln und dort zu molekularem Wasserstoff rekombinieren. Da<br />
molekularer Wasserstoff eine wesentlich größere räumliche Ausdehnung besitzt als elementarer<br />
Wasserstoff, kommt es hierdurch zur Entstehung von Spannungsfeldern, welche mit<br />
zunehmender Rekombination ansteigen. Infolge der verminderten Verformbarkeit aufgrund<br />
der gesteigerten Härte durch das höhere Kohlenstoffäquivalent und die geringen Abkühlzeiten<br />
kann es zur Versprödung des Werkstoffs und zur Rissbildung kommen. Dieses Phänomen<br />
wird als Wasserstoffversprödung oder wasserstoffinduzierte Rissbildung bezeichnet.<br />
Diese ist exemplarisch in Abbildung 2 gezeigt.<br />
Bereits durchgeführte Untersuchungen in einem Vorgängerprojekt haben ergeben, dass die<br />
Wasserstoffversprödung, wie in der Abbildung gezeigt, bei mehrlagig geschweißten Kehlnähten<br />
häufig zu Unternahtrissen im Bereich der Grobkornzone führt. Diese Risserscheinungen<br />
sind von außen für den Tauchschweißer nicht sichtbar und können somit ohne den Einsatz<br />
spezieller Messemethoden nicht detektiert werden. Da wasserstoffinduzierte Risse erst nach<br />
Stunden oder Tagen auftreten können, müsste zu ihrer Detektion eine zeitversetzte Kontrolle<br />
durchgeführt werden. Da ein erneutes Auftreten derartiger Risse jedoch auch nach einem<br />
Ausschleifen und Neuschweißen der Naht nicht ausgeschlossen werden kann, bietet sich an<br />
dieser Stelle ein Verbesserungsansatz [5].
Anlass für den Forschungsantrag 16<br />
Abbildung 2: Wasserstoffinduzierte Nahtunterrisse bei einer mehrlagigen Kehlnaht<br />
Die genannten Herausforderungen und die mangelnde Erfahrung beim Schweißen von<br />
mehrlagigen Kehlnähten an höherfesten Stählen in nasser Umgebung bildet die Basis für<br />
dieses Forschungsprojekt. Die Untersuchung der mechanisch-technologischen Eigenschaften<br />
von Tauchschweißern geschweißter Kehlnahtverbindungen kann eine Grundlage für die<br />
konstruktive Auslegung von nass unterwassergeschweißten Nähten bei Montagen und Reparaturschweißungen<br />
an Bauteilen aus höherfestem Stahl bieten.<br />
Einen Ansatz zur Reduktion der Aufhärtung, sowie der Wasserstoffversprödung liefert eine<br />
dem Schweißen nachgelagerte Wärmebehandlung. Hierfür stellt das induktive Nachwärmen<br />
ein vielversprechendes Verfahren dar.
Anlass für den Forschungsantrag 17<br />
1.2 Stand der Technik<br />
Das Unterwasserschweißen kann in verschiedene Verfahrensvarianten unterschieden werden.<br />
Bei dem Verfahren des trockenen hyperbaren Unterwasserschweißens wird das Bauteil<br />
lokal vom Wasser getrennt. Hierfür werden Kammern, sogenannte Habitate, verwendet, in<br />
denen der Schweißer bei erhöhtem Druck unter Luft oder einem anderen Gasgemisch<br />
schweißt. Die im Bereich der Fügestelle verbleibende Restfeuchte führt zu einer Beeinträchtigung<br />
beim Schweißen, dennoch lassen sich mit diesem Verfahren qualitativ hochwertige<br />
Nähte erzeugen, welche mit Schweißungen an Atmosphäre vergleichbar sind. Die hohen<br />
Kosten und der Zeitaufwand beim Aufbau der Kammern stellen einen wesentlichen Nachteil<br />
dieses Verfahrens dar. Das trockene Unterwasserschweißen bietet insbesondere bei<br />
Schweißungen in großen Tiefen, in denen sich Schweißtaucher nicht lange aufhalten können<br />
Vorteile. Schweißungen in sehr großen Tiefen von etwa 300 m können nur noch mit Robotern<br />
durchgeführt werden. [8]<br />
Das halb nasse Unterwasserschweißen stellt eine Zwischenstufe zwischen dem trockenen<br />
hyperbaren und dem nassen Unterwasserschweißen dar. Bei diesem Verfahren wird direkt in<br />
der Wasserumgebung geschweißt. Das Wasser wird hierbei mit Hilfe eines Schutzgasstroms<br />
von der Schweißstelle verdrängt und diese so trocken gehalten und die Schweißnaht von<br />
Sauerstoff abgeschirmt [9]. Die Abkühlgeschwindigkeiten der Schweißzone sind hier mit Abkühlgeschwindigkeiten<br />
an Atmosphäre vergleichbar. Auch die mechanischen Eigenschaften<br />
der Verbindung und die Nahtqualitäten sind mit an Atmosphäre geschweißten Nähten vergleichbar<br />
[8]. Aufgrund von Wasserdampf in den Schutzgasdüsen und dem hohen benötigten<br />
Schutzgasdruck kann es zu vermehrter Porenbildung im Schweißgut kommen. Beim trockenen<br />
und halb nassen Unterwasserschweißen wird in der Regel das Metallschutzgasschweißen<br />
angewendet [10]. Das Verfahren bietet eine geringere Flexibilität als das nasse<br />
Unterwasserschweißen mit Stabelektrode.<br />
Beim nassen Unterwasserschweißen befindet sich die Schweißzone im direkten Kontakt<br />
zum Wasser [9]. Hierdurch kommt es zu einer Veränderung der Lichtbogenausbildung, der<br />
Dissoziation von Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff, sowie zu hohen Abkühlgeschwindigkeiten<br />
im Bereich der Fügezone [8]. Der entstehende Wasserstoff diffundiert teilweise in<br />
die Schmelze, wohingegen der entstehende Sauerstoff einen Abbrand von Legierungselementen<br />
begünstigt. Beide Effekte bewirken einer Reduktion der Schweißnahtqualität [6]. Neben<br />
der Schweißung selbst, wird auch der Tauchschweißer durch schlechtere Sichtverhältnisse<br />
und die vorherrschenden Strömungsverhältnisse beeinflusst [11]. Beim nassen Unterwasserschweißen<br />
wird hauptsächlich das Schweißen mit Stabelektrode eingesetzt. Das Verfahren<br />
bedarf im Vergleich zu den beiden anderen genannten Verfahren einen geringeren<br />
apparativen Aufwand. Die zentralen Ausrüstungsgegenstände, welche benötigt werden, umfassen<br />
neben der Stabelektrode und einer für das nasse Unterwasserschweißen angepassten<br />
Schweißstromquelle mit verringerter Leerlaufspannung eine Atemluftversorgung und eine<br />
Kommunikationsmöglichkeit für den Taucher. Die Schweißstromquelle wird hierbei nicht von<br />
dem Tauchschweißer selbst, sondern von einer an der Oberfläche befindlichen weiteren<br />
Person bedient [12]. Das Prinzip des nassen Unterwasserschweißens mit Stabelektrode ist<br />
schematisch in Abbildung 3 dargestellt.