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Zukunftsvisionen

Ausgabe 7/2023

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ZBW<br />

ZAHNÄRZTEBLATT BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

7/2023<br />

Titelthema<br />

Zwischen Chancen<br />

und Kontroversen<br />

Fortbildung<br />

Lichtpolymerisation:<br />

Update und Optimierung<br />

Diese Ausgabe enthält das neue


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Tel. 0711 7877-236<br />

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Tel. 07071 911-230


ZBW_07/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

3_EDITORIAL<br />

Foto: istock/Devrimb<br />

Foto: Michael Bamberger<br />

TITELTHEMA<br />

<strong>Zukunftsvisionen</strong> in der Zahnmedizin heißt unser aktuelles<br />

Titelthema und bei der Recherche dazu befanden wir uns in<br />

bester Gesellschaft. Aktuell beschäftigen sich nahezu alle Medien<br />

mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI). Die Zahnmedizin<br />

hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant weiterentwickelt,<br />

und es ist kein Ende dieses Fortschritts in Sicht. Eine<br />

der spannendsten <strong>Zukunftsvisionen</strong> ist zweifellos der Einsatz<br />

von Chatbots und KI in der zahnmedizinischen Praxis. Doch<br />

während diese Technologien mit Sicherheit ihr Potenzial haben,<br />

bleibt eines klar: Künstliche Intelligenz wird niemals die<br />

menschliche Intelligenz und vor allem deren Einfühlungsvermögen<br />

ersetzen. Chatbots und KI-Systeme haben bereits in<br />

vielen Bereichen Einzug gehalten und effiziente Lösungen für<br />

verschiedenste Aufgabenstellungen geboten. Und angesichts<br />

des Fachkräftemangels werden wir wohl auch nicht umhinkommen,<br />

diese Möglichkeiten vollumfänglich auszuschöpfen.<br />

Auf den folgenden Seiten haben wir uns diesem Thema<br />

von verschiedenen Seiten genähert und dabei eine Zusammenstellung<br />

der unterschiedlichen Aspekte für Sie zusammengetragen.<br />

Unser Fazit nach der Erstellung des Heftes: Die<br />

<strong>Zukunftsvisionen</strong> in der Zahnmedizin sind aufregend und<br />

vielversprechend. Die Fortschritte in der KI und Technologie<br />

werden zweifellos neue Möglichkeiten eröffnen. Dennoch<br />

dürfen wir nicht vergessen, dass das Herzstück der Zahnarztpraxis<br />

das Einfühlungsvermögen des*der menschlichen<br />

Zahnarztes*ärztin bleibt und immer unersetzlich sein wird,<br />

um eine ganzheitliche und patientenzentrierte Versorgung zu<br />

gewährleisten.<br />

RUST<br />

Zur 47. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzt*innen unter<br />

der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Elmar Hellwig,<br />

Freiburg, kamen Mitte April renommierte Referent*innen aus<br />

der Schweiz und Deutschland nach Rust. Unter dem Titel<br />

„Prävention, Reparatur und Regeneration – Bausteine einer<br />

minimalinvasiven Zahnmedizin“ erwartete die über 2000 Teilnehmer*innen<br />

ein praxisbezogenes und vielseitiges Fortbildungsprogramm.<br />

Auch das Thema KI wurde im Rahmen des<br />

Kongresses behandelt: Prof. Dr. Falk Schwendicke von der Berliner<br />

Charité stellte neueste Diagnostiksysteme des Kariesmanagements<br />

vor, die auf Basis einer KI angelegt sind. Den<br />

ausführlichen Bericht hierzu finden Sie ab Seite 30 ff.<br />

Der Festvortrag von Prof. Dr. Jutta Rump bildete umfassend<br />

und äußerst informativ ab, welche Chancen die Digitalisierung<br />

im Hinblick auf den Fachkräftemangel bietet. Passend<br />

zur aktuellen Titelthemenstrecke fand er daher Abbildung in<br />

einem separaten Beitrag (S. 12/13).<br />

Auch die 33. Fortbildungstagung für Zahnmedizinische<br />

Fachangestellte (ZFA) fand in diesem Rahmen statt. Neben<br />

den auf die Zielgruppe abgestimmten Inhalten des wissenschaftlichen<br />

Kongresses, die ebenfalls von renommierten Referent*innen<br />

vermittelt wurden, stand in diesem Jahr die Betreuung<br />

von Patient*innen mit Parodontitis im Fokus (S. 35).<br />

FORTBILDUNG<br />

Die Lichthärtung von zahnärztlichen Materialien ist ein<br />

entscheidender Bestandteil der Füllungstherapie. Allerdings<br />

kritisiert OA Dr. Uwe Blunck aus der Abteilung für Zahnerhaltung,<br />

Präventiv- und Kinderzahnmedizin der Charité–<br />

Universitätsmedizin in Berlin, dass diesem Arbeitsschritt<br />

nicht immer die volle Aufmerksamkeit geschenkt wird, die<br />

für eine sichere Aushärtung nötig wäre. Er bemängelt, dass<br />

dieser Arbeitsschritt in vielen Praxen an die ZFA delegiert<br />

würde, die damit eine große Verantwortung übernimmt. In<br />

seinem Beitrag benennt Dr. Blunck die Schwierigkeiten, aber<br />

zeigt auch deren Lösungsansätze auf. Ab Seite 36 ff. beleuchtet<br />

er die lichthärtenden Komposit-Füllungsmaterialien<br />

ebenso wie die entsprechenden Belichtungsdosen und die<br />

Polymerisationsgeräte. Auch die Problematik bei der Lichthärtung<br />

wird in seinem Beitrag umfassend behandelt.<br />

Cornelia Schwarz<br />

»


4_INHALT<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

INHALT<br />

LEITARTIKEL<br />

09_Perspektive Zahnmedizin 2030<br />

Prof. Dr. Roland Frankenberger<br />

18_Hilfe für das Praxis-Team<br />

Service-Roboter in der<br />

Zahnarztpraxis<br />

TITELTHEMA<br />

20_Der KI-Doktor macht noch zu viele Fehler<br />

Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen<br />

10_Zwischen Chancen und Kontroversen<br />

Das ZBW-Gespräch mit Dr. Torsten Tomppert<br />

22_Achtung, Hackerangriff! Was jetzt?<br />

Cyberwehr BW<br />

12_Digitale Transformation<br />

Festvortrag der 47. Jahrestagung der südbadischen<br />

Zahnärzt*innen<br />

23_Wie schützt man sich vor Cyber-Angriffen?<br />

Landesverband der Freien Berufe (LFB)<br />

BERUFSPOLITIK<br />

14_Wem sollen Gesundheitsdaten gehören?<br />

Veranstaltung des Ethikrats: „Patientenorientierte<br />

Datennutzung“<br />

24_Zukunft der zahnärztlichen<br />

Versorgung im Fokus<br />

Gemeinsame Konferenz der<br />

Öffentlichkeitsbeauftragten<br />

26_„Zähne zeigen“<br />

gegen die Folgen der<br />

Budgetierung<br />

Kampagne für eine<br />

präventionsorientierte<br />

Patientenversorgung<br />

16_KI in aller Munde<br />

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Zahnarztpraxis<br />

28_Abschied und Neuwahl<br />

Vertreterversammlung der BZK Freiburg in Rust


ZBW_7/2023<br />

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5_INHALT<br />

BERUFSPOLITIK<br />

PROPHYLAXE<br />

29_Dr. Struß ist neuer Vorsitzender<br />

Konstituierende Vertreterversammlung<br />

der BZK Freiburg<br />

29_Berufspolitischer Austausch<br />

Treffen der VV-Vorsitzenden der KZVen<br />

KULTUR<br />

44_Deutschland in den<br />

Mund geschaut<br />

Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie<br />

46_Von Hürden und Herausforderungen<br />

Einblicke in die Arbeitsfelder der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

für Zahngesundheit<br />

FORTBILDUNG<br />

30_Prävention, Reparatur und Regeneration<br />

47. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzteschaft in Rust<br />

48_Medienstadt Karlsruhe<br />

Spontaner Städtetrip<br />

INFORMATION UND SERVICES<br />

35_Fortbildung in Rust – Live und in Farbe<br />

33. Fortbildungstagung der BZK Freiburg für Zahnmedizinische<br />

Fachangestellte<br />

03_Editorial<br />

50_Namen und Nachrichten<br />

53_Praxis<br />

57_Personalia<br />

62_Leserforum<br />

62_ Amtliche Mitteilungen<br />

63_ Zu guter Letzt/<br />

Impressum<br />

Besuchen Sie auch die ZBW-Website. Neben der<br />

Online-Ausgabe des ZBW gibt es zusätzliche Informationen<br />

sowie ein ZBW-Archiv.<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

InformationszentrumZahnundMundgesundheit<br />

36_Update und Möglichkeiten zur Optimierung<br />

Lichtpolymerisation<br />

40_Zahnmedizin: Citius, altius, fortius?<br />

Sportzahnmedizin<br />

izz_bw<br />

izzbadenwuerttemberg<br />

Für den Druck des Zahnärzteblatts Baden-Württemberg<br />

(ZBW) wurden ausschließlich Materialien aus<br />

FSC-zertifizierten Wäldern und/oder Recyclingmaterial<br />

aus kontrollierten Quellen verwendet.


6 _PERSPEKTIVEN<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

GOTTESDIENST DURCH KÜNSTLICHE INTELLIGENZ<br />

Beim Evangelischen Kirchentag wurde der erste Gottesdienst abgehalten, der von einer Künstlichen Intelligenz geschrieben<br />

und geleitet wurde. Dieses Thema stieß auf großes Interesse bei den Teilnehmenden. Die St. Paul-Kirche<br />

in Fürth war voll besetzt, und auch viele Pressevertreter*innen waren anwesend. Zu Beginn erhielten die Menschen<br />

eine kurze Einführung, um zu erfahren, was sie in diesem Gottesdienst erwartet. Nicht alle waren bereits mit<br />

dem Chatbot ChatGPT vertraut, der in den letzten Monaten viel diskutiert wurde.<br />

Foto: picture alliance/dpa/Daniel Vogl


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

PERSPEKTIVEN_7


Kursprogramm<br />

Juli 2023 – Januar 2024<br />

Jetzt online<br />

anmelden unter<br />

fortbildung.kzvbw.de<br />

Keramikveneers - praktischer Arbeitskurs<br />

Prof. Dr. Jürgen Manhart, München<br />

• 15 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKZ30917<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />

• € 595.-<br />

21./22.07.2023<br />

Das Berner Konzept zur Behandlung von<br />

Weichgewebsdefekten am Zahn und Implantat<br />

Prof. Dr. Dr. Anton Sculean, Bern<br />

• 9 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKZ31118<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />

• € 450.-<br />

16.9.2023<br />

Grundlagen der CMD-Diagnostik -<br />

Einsteigerseminar zum aktuellen Stand der CMD-<br />

Diagnostik<br />

Prof. Dr. Axel Bumann, Berlin<br />

• 8 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKZ30119<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />

• € 450.-<br />

22.9.2023<br />

CMD-Diagnostik und Therapie für die tägliche<br />

Praxis - Refresherkurs<br />

Prof. Dr. Axel Bumann, Berlin<br />

• 8 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKZ30120<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />

• € 450.-<br />

23.9.2023<br />

Ergonomietraining in Theorie und Praxis<br />

Thomas Krutsch, Sindelfingen und Evelyn Lischke, Wieden<br />

• 7 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKT20913<br />

• für das Praxisteam<br />

• € 225.-<br />

23.9.2023<br />

Update Kinderzahnheilkunde 2023<br />

Prof. Dr. Christian H. Splieth, Greifswald<br />

• 7 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKZ31322<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />

• € 395.-<br />

7.10.2023<br />

Psychosomatische Diagnostik bei<br />

Schmerzpatienten<br />

Prof. Dr. Anne Wolowski, Münster<br />

• 7 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 23FKZ30425<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte<br />

• € 375.-<br />

14.10.2023<br />

Strukturierte Fortbildung ENDODONTIE 2024<br />

Prof. Dr. David Sonntag, Düsseldorf<br />

• 163 Fortbildungspunkte<br />

• Kurs-Nr.: 24FKZ40101 Januar bis Dezember<br />

• für Zahnärztinnen / Zahnärzte 2024 (8 Teile)<br />

• € 6.400.-<br />

FFZ Fortbildungsforum<br />

Zahnärzte<br />

Merzhauser Straße 114-116<br />

79100 Freiburg<br />

Fon: 0761 4506-160/-161<br />

Fax: 0761 4506-460<br />

Mail: fobi-freiburg@kzvbw.de<br />

Web: www.ffz-fortbildung.de


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

9_LEITARTIKEL<br />

PERSPEKTIVE ZAHNMEDIZIN 2030<br />

2020 publizierte das Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mundund<br />

Kieferheilkunde (DGZMK) sein Positionspapier „Perspektive Zahnmedizin<br />

2030“, welches die präpandemische Zahnmedizin schonungslos beschrieb.<br />

Die vorliegende Bestandsaufnahme erörtert auf Basis des damaligen Papiers<br />

die aktuelle Lage unseres Fachs anhand ausgewählter Aspekte.<br />

Prof. Dr. Roland Frankenberger<br />

Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung, UniversitätsZahnMedizin der Universität Marburg und des Universitätsklinkums<br />

Gießen und Marburg, Campus Marburg<br />

Alle zahnmedizinischen Bereiche (Praxis,<br />

Berufspolitik, Universitäten) haben<br />

die Mahnungen des Wissenschaftsrates<br />

zur Entwicklung der Zahnmedizin als<br />

universitäres Fach aus dem Jahr 2005 1<br />

sehr ernst genommen und eine Neuorientierung<br />

im biologischen und oralmedizinischen<br />

Kontext vorangetrieben.<br />

Nicht zuletzt die Promotion einer präventionsorientierten<br />

Zahnheilkunde<br />

hat auch politisch viele Signale gesetzt 2 .<br />

In ethischen Belangen haben die Sozialen<br />

Medien in den letzten drei Jahren<br />

deutlich an Einfluss gewonnen und Influencer<br />

glauben heute, sich auch zahnmedizinisch<br />

äußern zu müssen, wodurch<br />

vor allem junge Menschen fehlgeleitet<br />

werden 3 . Dem hat die DGZMK<br />

Ende 2022 erfolgreich einen „Zahnärzte-Codex“<br />

entgegengesetzt, der die Auseinandersetzung<br />

mit kritischen ethischen<br />

Fragestellungen widerspiegelt 4 .<br />

RAHMENBEDINGUNGEN<br />

Vor Kurzem durfte ich an einem Meinungsaustausch<br />

zwischen Zahnmediziner*innen<br />

und Politiker*innen teilnehmen.<br />

Es war erstaunlich, dass alle mit<br />

ihrem bloßen Beruf (also der Patientenbehandlung)<br />

zu 100 Prozent zufrieden<br />

waren, die politischen und administrativen<br />

Umstände aber als z. T. katastrophal<br />

beschrieben. Ich sehe mit großer<br />

Sorge eine immer größere Diskrepanz<br />

zwischen den berechtigten Anforderungen<br />

an die zahnmedizinische Grundversorgung<br />

und Teilhabe am medizinischen<br />

Fortschritt einerseits und der Bereitstellung<br />

der dafür notwendigen<br />

Ressourcen, beginnend für die Ausbildung<br />

der Studierenden bis zur täglichen<br />

Berufsausübung, andererseits. Honoraranpassungen<br />

sind deshalb zwingend<br />

notwendig, um die Patient*innen<br />

auch zukünftig am zahnmedizinischen<br />

Fortschritt teilhaben zu lassen. In diesem<br />

Kontext fällt der Politik ernsthaft<br />

nichts anderes ein, als die alte Budgetierung<br />

wieder aus der Schublade zu holen?<br />

Ein Aspekt, der sich in den letzten<br />

drei Jahren in einigen Gebieten<br />

Deutschlands deutlich verschärft hat,<br />

ist die zahnärztliche Versorgung in peripheren<br />

Gebieten, die mancherorts wieder<br />

eine „Landzahnarztquote“ in den<br />

politischen Blickpunkt rückt. Es bleibt<br />

zu hoffen, dass die im Rahmen der neuen<br />

AOZ inaugurierten Praktika und Famulaturen<br />

den jungen Kolleg*innen<br />

zeigen, dass man auch auf dem Land ein<br />

glückliches Zahnarztleben führen kann.<br />

UNIVERSITÄTEN<br />

Was wir 2020 erstmals explizit beschrieben<br />

haben und was noch immer<br />

kaum einer weiß: Die Situation an den<br />

Hochschulstandorten mit Zahnklinik<br />

(„UniversitätsZahnMedizin“) ist deutschlandweit<br />

extrem unterschiedlich. Über<br />

die sogenannte leistungsorientierte<br />

Mittelvergabe (LOM) werden teilweise<br />

über 20 Prozent der Gelder, die von<br />

den Bundesländern eigentlich in die<br />

Zahnmedizin fließen sollten, in die<br />

Medizin „umgeleitet“. Je schlechter die<br />

finanzielle Situation des individuellen<br />

Medizinstandorts ist, desto extremer<br />

fallen die genannten Maßnahmen<br />

zum Schutz der medizinischen Kernund<br />

wissenschaftlichen Schwerpunktfächer<br />

aus. Seien Sie froh, dass Sie in<br />

Baden-Württemberg leben, da gehen<br />

die Uhren an den Universitäten noch<br />

anders. Denn: Gute zahnmedizinische<br />

Ausbildung und Forschung kosten<br />

Geld – wird dieses Geld reduziert,<br />

kann ein erfolgreicher Aufbruch unseres<br />

Fachs in der Breite nicht gelingen.<br />

Trotzdem zeichnet sich heute ab, dass<br />

die für die neue AOZ erforderlichen finanziellen<br />

Mittel zur Verfügung gestellt<br />

werden, was an manchen Standorten<br />

eine deutliche Aufbruchstimmung<br />

erzeugt hat.<br />

DEMOGRAFISCHER WANDEL<br />

Wir befinden uns am Vorabend des demografischen<br />

Wandels und in der letzten<br />

Bundes-Legislaturperiode, die nicht<br />

direkt davon betroffen ist 5 . Die Überalterung<br />

der deutschen Bevölkerung bedingt<br />

eine signifikante Morbiditätskompression<br />

in höherem Alter, auch die<br />

Multimorbidität zahnärztlicher Patient*innen<br />

wird deutlich zunehmen 6 .<br />

Dem muss vor allem mit einer Anpassung<br />

der zahnmedizinischen Lehre begegnet<br />

werden. Es ist begrüßenswert,<br />

dass im Rahmen der Novelle der zahnärztlichen<br />

Approbationsordnung ebendiese<br />

Aspekte in der Ausbildung intensiviert<br />

werden sollen. Auf der anderen Seite<br />

wird der demografische Wandel aber<br />

vor allem eines sein: Nagelprobe und<br />

große Chance für unseren Berufsstand.<br />

DIGITALISIERUNG<br />

Die Digitalisierung erlebt seit Jahren einen<br />

deutlichen Schub in allen Bereichen<br />

der Zahnmedizin, der es einerseits<br />

erfordert, dass die junge Generation im<br />

Rahmen der Ausbildung bereits früh<br />

mit möglichst vielen Aspekten moderner<br />

Diagnostik und Therapie in Berührung<br />

kommt, der aber auf der anderen<br />

Seite initial und dauerhaft mit erheblichen<br />

Kosten verbunden sein wird. Unabhängig<br />

davon beschleunigen und revolutionieren<br />

Faktoren der Digitalisierung<br />

den Praxisalltag, nicht zuletzt<br />

auch in der Prävention. Und ein noch<br />

stärkeres disruptives Potenzial dürfte<br />

der gerade beginnende Einzug Künstlicher<br />

Intelligenz in Medizin und Zahnmedizin<br />

mit sich bringen. Auch KI sollte<br />

man nicht als Gefahr, sondern als<br />

Chance für die Diagnostik sehen, wenn<br />

auch bei allem Hype gerade in jüngeren<br />

Publikationen deutlich deren Limitationen<br />

beschrieben wurden 7, 8 .<br />

Literatur kann über das Zahnärzteblatt abgerufen werden:<br />

info@zahnaerzteblatt.de.


10_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Das ZBW-Gespräch mit Dr. Torsten Tomppert<br />

ZWISCHEN CHANCEN UND<br />

KONTROVERSEN<br />

Die Zukunft der Zahnmedizin verspricht eine Fülle von Möglichkeiten und Innovationen,<br />

doch birgt sie auch einige kontroverse Fragen und Bedenken. Gemeinsam mit<br />

Dr. Torsten Tomppert, Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV BW)<br />

und Präsident der Landeszahnärztekammer (LZK BW) Baden-Württemberg, werfen wir<br />

einen Blick auf diese Optionen. Wir hinterfragen, ob die Einzelpraxis ein überholtes<br />

Modell ist, inwieweit die Werbebotschaften von Influencer*innen die Zahnmedizin<br />

der Zukunft beeinflussen, die Selbstständigkeit noch ein Lebensmodell für die nachrückende<br />

Generation Z darstellt und die Anstellung in einem investorenbetriebenen<br />

Medizinischen Versorgungszentrun (iMVZ) für den Zahnarzt je eine Option war.<br />

Herr Dr. Tomppert, kann die zunehmende<br />

Technologisierung in der Zahnmedizin<br />

Ihrer Ansicht nach dazu führen,<br />

dass menschliche Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten in der Behandlung weniger<br />

wichtig werden?<br />

Ich halte es für nahezu unwahrscheinlich,<br />

dass menschliche Kompetenz<br />

und vor allem auch Empathie komplett<br />

an Bedeutung verlieren. Moderne<br />

Technologien wie der digitale Workflow<br />

mit CAD/CAM-Systemen, Laser<br />

und 3-D-Druck haben bereits viele Aspekte<br />

der Zahnmedizin revolutioniert<br />

und ermöglichen präzisere Diagnosen,<br />

effizientere Behandlungen und maßgeschneiderte<br />

Restaurationen.<br />

Doch gerade die Zahnmedizin erfordert<br />

zwischenmenschliche Fähigkeiten,<br />

weil der Umgang mit Patienten<br />

und die Kommunikation über Behandlungsoptionen<br />

und mögliche Risiken<br />

von großer Bedeutung sind. Die<br />

Technologie dient immer der Unterstützung<br />

der menschlichen Fähigkeiten.<br />

Politik gefährdet ist. Die unzureichende<br />

Vergütung zahnmedizinischer<br />

Leistungen und die zeitintensive Belastung<br />

von Praxisinhabern durch Bürokratie<br />

haben Auswirkungen auf die<br />

Rentabilität und Wirtschaftlichkeit<br />

von Einzelpraxen. Hinzu kommen<br />

steigende Kosten, Budgetierung, und<br />

der Stillstand in der GOZ. All das<br />

trägt nicht gerade zur Attraktivität einer<br />

Einzelpraxis für Zahnärzte und<br />

Zahnärztinnen bei.<br />

Gehen wir gemeinsam einige Jahre zurück:<br />

Sie sind frisch von der Uni, Ihre<br />

Approbation ist noch ganz jung. Denken<br />

Sie, eine Anstellung in einem<br />

iMVZ hätte Sie zu diesem Zeitpunkt<br />

gelockt?<br />

Für mich stand immer die Niederlassung<br />

und Selbstständigkeit an erster<br />

Stelle. Ich wollte meine eigene Praxis<br />

führen und die volle Verantwortung<br />

für die Versorgung meiner Patientinnen<br />

und Patienten tragen. Auch die<br />

Freiheit, eigene Entscheidungen zu<br />

treffen, ein eigenes Praxiskonzept zu<br />

entwickeln und die langfristige Betreuung<br />

meiner Patientenschaft waren mir<br />

wichtig.<br />

Für einen Großteil der Generation Z<br />

sind die Themen Flexibilität und Work-<br />

Life-Balance wesentliche Aspekte.<br />

Denken Sie, dass diese Ansätze sich<br />

mit der Gründung einer eigenen Praxis<br />

vereinen lassen?<br />

Ich bin sogar davon überzeugt, dass<br />

sich die Ansätze von Flexibilität und<br />

Work-Life-Balance mit der Gründung<br />

einer eigenen Praxis vereinen lassen,<br />

insbesondere wenn mehrere junge<br />

Zahnärztinnen und Zahnärzte sich zu<br />

einer Berufsausübungsgemeinschaft<br />

zusammenschließen. Eine solche Gemeinschaftspraxis<br />

bietet die Möglichkeit,<br />

Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />

auf mehrere Schultern zu verteilen.<br />

Dadurch entsteht eine größere<br />

Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeiten<br />

und der Organisation des<br />

Praxisbetriebs. Ich kann aus meiner<br />

Sehen Sie die Einzelpraxis als überholtes<br />

Modell?<br />

Überhaupt nicht. Gerade die Einzelpraxis<br />

bietet viele Vorteile, wie eine<br />

persönliche Betreuung, individuelle<br />

Behandlungspläne und eine enge Patienten-Arzt-Beziehung.<br />

Zahnärzte in<br />

Einzelpraxen können flexibel auf die<br />

Bedürfnisse ihrer Patienten eingehen<br />

und eine angemessene Versorgung anbieten.<br />

Jedoch ist es wichtig anzumerken,<br />

dass die Einzelpraxis durch die<br />

» Ich bin davon überzeugt, dass sich<br />

die Ansätze von Flexibilität und Work-<br />

Life-Balance mit der Gründung einer<br />

eigenen Praxis vereinen lassen.«<br />

Dr. Torsten Tomppert


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

11_TITELTHEMA<br />

Foto: Jan Potente<br />

eigenen Erfahrung sprechen, da meine<br />

Frau und ich eine Praxis zusammen<br />

führen. Wir haben unsere Arbeitszeiten<br />

so gestaltet, dass sie den Bedürfnissen<br />

unserer Kinder entsprachen<br />

und somit die Vereinbarkeit von Beruf<br />

und Familie gewährleistet war.<br />

Welche Aufgaben in einer Zahnarztpraxis<br />

könnten aus Ihrer Sicht unkompliziert<br />

an eine KI abgegeben werden?<br />

Beispielsweise die Terminplanung und<br />

auch Verwaltungsaufgaben wie die Patientendatenverwaltung<br />

oder die Abrechnung.<br />

Ich denke, dass wir uns angesichts<br />

des Fachkräftemangels diesen<br />

Optionen weiter öffnen müssen.<br />

Auch im Hinblick auf die Diagnostik,<br />

beispielsweise im Bereich Röntgen,<br />

kann eine KI dabei unterstützen, radiologische<br />

Bilder zu analysieren und<br />

potenzielle Auffälligkeiten oder Anomalien<br />

zu identifizieren. Am Ende<br />

können wir unseren Patientinnen und<br />

Patienten dadurch schneller helfen<br />

und präzisere Diagnosen stellen.<br />

Die Zahnfee steht vor Ihnen und ist in<br />

Spendierlaune: Welche neuen Technologien<br />

und Innovationen in der Zahnmedizin<br />

würden Sie sich für die nahe<br />

Zukunft in der Zahnmedizin von ihr<br />

wünschen?<br />

<strong>Zukunftsvisionen</strong>. Im Interview beschäftigte sich Dr. Torsten Tomppert mit den zahnmedizinischen<br />

Herausforderungen der unmittelbaren Zukunft.<br />

Innovative Technologien, die zur Regeneration<br />

von Zahn- und Knochengewebe<br />

beitragen, sind ja bereits eine<br />

tolle Sache. Auch die Entwicklung<br />

von Materialien oder Verfahren, die<br />

das natürliche Wachstum von Zähnen<br />

unterstützen und somit den Bedarf<br />

an Zahnersatz reduzieren, sind<br />

bereits ein großer Fortschritt, wenngleich<br />

noch nicht praxisreif. Vielleicht<br />

könnte die Zahnfee die Entwicklung<br />

hier etwas beschleunigen?<br />

Mit Hinblick auf die Prophylaxe begrüße<br />

ich neue Technologien, die die<br />

Prävention von Zahnerkrankungen<br />

verbessern, zum Beispiel fortschrittliche<br />

Mundhygiene-Produkte oder<br />

intelligente Geräte, die bei der Überwachung<br />

der Mundgesundheit unterstützen<br />

und rechtzeitig auf potenzielle<br />

Probleme hinweisen.<br />

Und wenn ich noch einen weiteren<br />

Wunsch frei hätte, stünden Behandlungsmethoden<br />

für Patientinnen und<br />

Patienten mit Zahnarztphobie oder<br />

Angst vor zahnärztlichen Eingriffen<br />

auf meiner Liste. Hier bin ich gespannt<br />

auf die Entwicklung der Virtual-Reality-Technologien<br />

der kommenden<br />

Jahre.<br />

Wie können zukünftige Entwicklungen<br />

in der Zahnmedizin dazu beitragen,<br />

Kosten zu sparen und die Effizienz im<br />

Gesundheitswesen zu erhöhen?<br />

Eine Entschlackung bürokratischer<br />

Prozesse könnte hier sicher vieles bewirken.<br />

Kosten werden dadurch primär<br />

keine gespart, aber es bliebe definitiv<br />

mehr Zeit für die Betreuung unserer<br />

Patientinnen und Patienten.<br />

Die Fortschritte und Entwicklungen<br />

der nahen Zukunft werden hinsichtlich<br />

zahnmedizinischer Technologien<br />

weiterhin zu effizienteren Diagnoseverfahren<br />

und Behandlungsmethoden<br />

und dadurch zu kürzeren Behandlungszeiten<br />

und weniger Terminen<br />

führen. Das spart letztendlich<br />

tatsächlich Kosten und ist vor allem<br />

auch nachhaltig.<br />

Immer häufiger spielen in der Zahnmedizin<br />

kosmetische Themen wie z. B.<br />

Bleaching, für die auch Influencer*innen<br />

Werbung machen, eine Rolle. Was<br />

denken Sie, Herr Dr. Tomppert, wie<br />

wird die Zahnmedizin der Zukunft auf<br />

die steigende Nachfrage nach ästhetischen<br />

Eingriffen, die nicht notwendigerweise<br />

mit der Gesundheit der Zähne<br />

zusammenhängen, reagieren?<br />

Ich unterscheide prinzipiell zwischen<br />

kosmetischer und ästhetischer Zahnheilkunde.<br />

Die Ästhetik wird in der<br />

Heilbehandlung der Zahnmedizin<br />

immer vorhanden sein. Die Nachfrage<br />

nach kosmetischer Zahnheilkunde<br />

stellt eine Dienstleistung auf Wunsch<br />

des Patienten dar. Diese Nachfrage<br />

wird sicher durch Social Media weiterhin<br />

zunehmen.<br />

Das Gespräch führte Cornelia Schwarz


12_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

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Festvortrag der 47. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzt*innen<br />

DIGITALE TRANSFORMATION<br />

Die digitale Transformation war Thema des Festvortrags von Prof. Dr. Jutta Rump, Professorin<br />

für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft<br />

Ludwigshafen. In ihrem Vortrag „Digitalisierung – der Mensch im Fokus“ zeigte sie auf, welche<br />

Chancen die Digitalisierung bietet, besonders im Hinblick auf den Nachwuchs- und Fachkräftemangel,<br />

der sich auch in den Zahnarztpraxen immer stärker bemerkbar macht.<br />

„Die Digitalisierung ist eine Revolution<br />

und sie begann, als im November 2022<br />

OpenAI Chat GPT der Öffentlichkeit<br />

vorstellte“, leitete Prof. Rump ihren Vortrag<br />

ein. Seitdem habe sich die Art und<br />

Weise, wie wir Informationen erhalten<br />

und kommunizieren, grundlegend verändert.<br />

Ein beeindruckendes Beispiel sei<br />

die Möglichkeit, das berühmte Gemälde<br />

der Mona Lisa zu analysieren. In kürzester<br />

Zeit könne man vier verschiedene Erklärungen<br />

für ihr mysteriöses Lächeln erhalten.<br />

Früher hätte dies eine umfangreiche<br />

Forschung erfordert, heute können<br />

wir auf eine Fülle von Informationen und<br />

Meinungen zugreifen. Als weiteres Beispiel<br />

nannte sie die Interpretation von literarischen<br />

Werken wie zum Beispiel das<br />

Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe<br />

„Wo die Zi tronen blühn“. Früher<br />

habe man sich auf eine begrenzte Anzahl<br />

von Experten verlassen müssen, um eine<br />

Interpretation zu erhalten. Heute seien<br />

zahlreiche Quellen, Analysen und Diskussionen<br />

online verfügbar, um das Gedicht<br />

besser zu verstehen. Ein weiterer bedeutender<br />

Fortschritt sei die schnelle<br />

und präzise Übersetzung von Texten.<br />

Plattformen wie deepl ermöglichten es,<br />

innerhalb von nur zehn Sekunden beispielsweise<br />

einen Vortrag in eine andere<br />

Sprache zu übersetzen, und das mit einer<br />

erstaunlichen Treffsicherheit von 99 Prozent.<br />

„Das ist Digitalisierung“, brachte es<br />

Prof. Rump auf den Punkt.<br />

VERNETZUNG VON DATEN<br />

„Wo macht die Digitalisierung uns das<br />

Leben leichter und wo ist die Grenze?“,<br />

sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen<br />

müssen, erläuterte Prof.<br />

Rump. „Es liegt in unserer Verantwortung,<br />

abzuwägen, wie weit wir die Digitalisierung<br />

in unserem Leben zulassen und<br />

welche persönlichen Grenzen wir setzen.“<br />

„Digitalisierung ist die Vernetzung von<br />

Daten aus verschiedenen Quellen mithilfe<br />

spezifischer Systeme“, definierte Prof.<br />

Rump den Begriff. Indem unterschiedliche<br />

Datenquellen miteinander vernetzt<br />

Foto: Michael Bamberger<br />

Digitale Transformation. Prof. Dr. Jutta Rump erklärt, dass wir bereits in der vierten<br />

Dimension der Digitalisierung angekommen sind.<br />

würden, entstehe ein großer Datenpool.<br />

Daraus könnten logische Konsequenzen<br />

abgeleitet werden. Ein entscheidender<br />

Fortschritt durch die Digitalisierung sei<br />

die Entstehung von Systemen, die ein einfaches,<br />

intelligentes und logisches Verhalten<br />

zeigen. Diese Systeme seien in der<br />

Lage, mit hoher Geschwindigkeit Daten<br />

zu analysieren und Maßnahmen vorzuschlagen.<br />

Dadurch werde die Effizienz<br />

und Qualität der Entscheidungsfindung<br />

verbessert. Sie nannte ein anschauliches<br />

Beispiel aus der Medizin: „Wenn wir Daten<br />

über Patient*innen in ein System eingeben,<br />

können diese mit anderen Datenquellen<br />

verglichen werden. Dadurch erweitern<br />

wir unser Erfahrungswissen und<br />

können fundiertere Entscheidungen treffen.<br />

Dies ist ein Mehrwert und einer der<br />

Gründe für den Siegeszug dieser Technologie.“<br />

Die Einführung der Künstlichen<br />

Intelligenz (KI) habe diesen Effekt verstärkt.<br />

KI-Systeme seien in der Lage, eigenständige<br />

Ableitungen zu machen und<br />

weitere Daten hinzuzufügen. Die KI basiere<br />

auf mathematischer Logik, könne jedoch<br />

keine emotionale Intelligenz bereitstellen.<br />

Hier zeigten sich auch bereits<br />

Grenzen dieser Systeme.<br />

„Megatrends machen unsere Welt heutzutage<br />

sehr komplex“, verdeutlichte Prof.<br />

Rump. Hierzu gehören gesellschaftliche,<br />

sozio-ökologische, ökonomische, technologische<br />

und demografische Trends. Sie<br />

prägen die globale Entwicklung und haben<br />

Auswirkungen auf alle Lebensbereiche.<br />

Hinzu kommen noch die Corona-Krise<br />

und geopolitische Krisen, die zu Veränderungen<br />

in den Arbeitsmärkten geführt<br />

haben. Angesichts dieser sich rasch verändernden<br />

globalen Landschaft sei es von<br />

entscheidender Bedeutung, dass wir die<br />

Auswirkungen dieser Megatrends verstehen<br />

und darauf reagieren. Die Digitalisierung<br />

spiele dabei eine zentrale Rolle, um<br />

Lösungen zu finden und den Herausforderungen<br />

effektiv zu begegnen.<br />

ARBEITSKRÄFTEMANGEL<br />

Der Arbeitskräfte-, Nachwuchs- und<br />

Fachkräftemangel stellt laut Prof. Rump<br />

eine bedeutende Herausforderung dar. In


ZBW_7/2023<br />

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13_TITELTHEMA<br />

den kommenden Jahren werden rund elf<br />

Millionen Menschen in Rente gehen, vorausgesetzt,<br />

sie arbeiten bis zum Alter von<br />

65 Jahren. Auf der Seite der jüngeren Generation<br />

stehen jedoch nur etwa 60 Prozent<br />

dieser Anzahl gegenüber, was bedeutet,<br />

dass eine Lücke von etwa 4,4 Millionen<br />

Menschen besteht. Diese demografische<br />

Entwicklung bilde die Grundlage<br />

für das politische Handeln. Bereits im<br />

Jahr 2027 werde der Mangel an Arbeitskräften<br />

einen ersten Höhepunkt erreichen.<br />

Es wird erwartet, dass dann bereits<br />

27.000 Menschen fehlen werden. „Um<br />

diese Lücke zu bewältigen, bleibt uns keine<br />

andere Wahl, als Algorithmen, Roboter<br />

und Künstliche Intelligenz einzusetzen“,<br />

hob Prof. Rump hervor. „Die Vorsicht<br />

wird zur Seite geschoben aus der<br />

reinen Not des Arbeitsmarktes“, stellte<br />

sie klar. „Wir müssen genau analysieren,<br />

wo es Routineprozesse gibt, die uns oder<br />

unser Personal in der Praxis entlasten<br />

können. Die demografische Entwicklung<br />

ist ein entscheidender Treiber für technologische<br />

Entwicklungen, um diesen Herausforderungen<br />

zu begegnen.“<br />

VERÄNDERUNG<br />

In einer Welt, die von Volatilität, Unsicherheit,<br />

Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt<br />

ist, sei Veränderung ein Normalzustand,<br />

hob Prof. Rump hervor. Die Komplexität<br />

der globalen Zusammenhänge erfordere<br />

die Fähigkeit, sich schnell an veränderte<br />

Bedingungen anzupassen. „In unserer<br />

heutigen Zeit gibt es eine neue<br />

Währung, die nicht in Geld, sondern in<br />

Zeit gemessen wird“, führte Prof. Rump<br />

aus. Und im Zuge dieser Veränderungen<br />

hätten viele Menschen den Wunsch, ihre<br />

Zeit anders zu nutzen und souveräner damit<br />

umzugehen. Dieser Logik liege auch<br />

die Forderung nach der Vier-Tage-Woche<br />

zugrunde. Menschen sehnten sich nach<br />

mehr Erholung und hätten den Wunsch,<br />

weniger zu arbeiten. Demgegenüber seien<br />

Arbeitgeber zunehmend mit einem Personalmangel<br />

konfrontiert, der nicht über<br />

den Arbeitsmarkt kompensiert werden<br />

könne. Dies sei der Grund, warum Aufgaben<br />

an Algorithmen, Roboter und Künstliche<br />

Intelligenz ausgelagert werden. Wenn<br />

wir auf die menschliche Entwicklung zurückblickten,<br />

sähen wir verschiedene Meilensteine.<br />

Angefangen vom Webstuhl über<br />

die Einführung von Arbeitsteilung und<br />

Fließbandarbeit bis hin zum Computer<br />

haben diese Entwicklungen unsere Arbeitswelt<br />

revolutioniert. „Nun stehen wir<br />

an einem weiteren Wendepunkt – der Digitalisierung“,<br />

betonte Prof. Rump.<br />

Sie veranschaulichte das Konzept der vier<br />

Dimensionen der Digitalisierung, das verschiedene<br />

Aspekte beschreibt, die unsere<br />

Welt in unterschiedlicher Weise beeinflussen.<br />

Die erste Dimension umfasst Innovationen<br />

in der Technik, die neue Möglichkeiten<br />

und Potenziale eröffnen. In der<br />

zweiten Dimension sind die Geschäftsmodelle<br />

von Unternehmen von Bedeutung,<br />

da sich durch die Digitalisierung<br />

neue Geschäftsfelder und -ansätze ergeben.<br />

Die dritte Dimension bezieht sich<br />

auf Innovationen in Prozessen und Strukturen,<br />

wodurch Arbeitsabläufe effizienter<br />

und flexibler gestaltet werden können.<br />

Die vierte Dimension befasst sich mit den<br />

Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft,<br />

mit sozialen Kontexten und der<br />

Arbeitswelt. „Wir befinden uns in der vierten<br />

Dimension der Digitalisierung, der<br />

digitalen Transformation“, erklärte Prof.<br />

Rump. In dieser Phase seien Daten und<br />

Zeit zu einer wichtigen Währung geworden.<br />

Die Auswirkungen dieser Entwicklung<br />

müssten mit Blick auf Personalentwicklung,<br />

Führung und Identifikation<br />

mit dem Arbeitsplatz betrachtet werden,<br />

verdeutlichte Prof. Rump. „Bewahren<br />

und verändern sollten hier unsere Kernkompetenzen<br />

sein“, unterstrich sie. „Um<br />

in einer Welt der Beweglichkeit und Veränderung<br />

Orientierung zu finden, ist es<br />

besonders wichtig für uns Menschen, etwas<br />

zu haben, an dem wir uns festhalten<br />

können.“ Die traditionelle Berufsausbildung<br />

werde hier zukünftig nicht mehr<br />

ausreichen. In einer Welt der Diskontinuität<br />

werden zwischenmenschliche Aspekte<br />

und die Art und Weise, wie wir miteinander<br />

umgehen, dafür umso wichtiger.<br />

NEUE FÜHRUNGSSTILE<br />

Moderne Führungsansätze sind laut<br />

Prof. Rump geprägt von der Nutzung von<br />

Technologie, Vernetzung und hoher Geschwindigkeit.<br />

In diesem Kontext sei es<br />

entscheidend, sich den Herausforderungen<br />

anzupassen. „In der vierten Dimension<br />

der Digitalisierung spielt Leadership<br />

eine entscheidende Rolle“, unterstrich sie.<br />

Agilität sei hier der Schlüsselbegriff. Ein<br />

zentrales Element dabei ist, dass wir uns<br />

auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam<br />

daran arbeiten, Veränderungen<br />

voran zutreiben und Dinge besser zu machen.<br />

Innerhalb eines Teams bedeute<br />

dies, sich nicht nur auf die individuelle<br />

Entwicklung zu konzentrieren, sondern<br />

auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

und die Zusammenarbeit im<br />

Team. Erfolgreiche Führung in der digitalen<br />

Ära erfordere daher nicht nur technologisches<br />

Know-how, sondern auch die<br />

Fähigkeit, Menschen zu motivieren, zu<br />

inspirieren und gemeinsam Ziele zu erreichen.<br />

Während Routinetätigkeiten zunehmend<br />

von Robotern, KI und Algorithmen<br />

übernommen werden, ist es wichtiger<br />

denn je, über die nötigen Kompetenzen<br />

und Qualifikationen zu verfügen.<br />

„Lebenslanges Lernen wird zu einem zentralen<br />

Thema, um sich kontinuierlich<br />

weiterzuentwickeln“, hob Prof. Rump<br />

hervor. Mitarbeitende sollten entsprechend<br />

ihrer Stärken und Schwächen eingesetzt<br />

werden und das Gefühl haben, etwas<br />

beitragen zu können. Hier laute das<br />

Motto: „Jeder hat ein Talent, jeder ist ein<br />

Talent“. Mitarbeitermotivation und Identifikation<br />

mit der Arbeit seien essenzielle<br />

Aspekte für die Mitarbeiterbindung.<br />

AUSBLICK<br />

Im quantitativen Beschäftigungseffekt<br />

wird sich laut Prof. Rump eine U-Kurve<br />

abzeichnen. Kognitive und routinemäßige<br />

Aufgaben werden von KI, Robotern<br />

und Algorithmen übernommen, wodurch<br />

ein vorübergehender Beschäftigungsrückgang<br />

erfolgt. Dies betrifft insbesondere<br />

das mittlere Qualifikationssegment. „Viele<br />

Menschen, die seit Jahren gute Arbeit<br />

geleistet haben, müssen sich in ihrem Beruf<br />

neu orientieren. Es kommt zu massiven<br />

Veränderungen, aber wir werden nicht<br />

arbeitslos sein. Stattdessen werden wir<br />

uns in einen Veränderungsprozess begeben,<br />

der Anpassung und Weiterentwicklung<br />

erfordert“, hob sie hervor.<br />

Gabriele Billischek<br />

ZUR PERSON<br />

Prof. Dr. Jutta Rump ist Professorin für<br />

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre<br />

mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement<br />

und Organisationsentwicklung<br />

an der Hochschule für<br />

Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen.<br />

Darüber hinaus ist sie Direktorin<br />

des Instituts für Beschäftigung<br />

und Employability in Ludwigshafen<br />

(IBE). Ihre Forschungsschwerpunkte<br />

sind Trends in der Arbeitswelt (Digitalisierung,<br />

Demografie, Diversität,<br />

gesellschaftlicher Wertewandel, technologische<br />

Trends und ökonomische<br />

Entwicklungen) und die Konsequenzen<br />

für Personalmanagement und Organisationsentwicklung<br />

sowie Führung.


14_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Veranstaltung des Ethikrats: „Patientenorientierte Datennutzung“<br />

WEM SOLLEN GESUNDHEITS-<br />

DATEN GEHÖREN?<br />

Ob in der Praxis, bei den Krankenkassen oder privat auf dem Smartphone: Gesundheitsdaten<br />

werden täglich gesammelt und verarbeitet. Der Deutsche Ethikrat beschäftigt<br />

sich schon lange mit der Frage, wie mit diesen Daten umgegangen werden soll,<br />

weshalb er im März 2023 Expert*innen nach Berlin eingeladen hat, um über das<br />

Thema „Patientenorientierte Datennutzung“ zu diskutieren: Wie kann der Spagat<br />

zwischen ausreichendem Datenschutz und einer für Patient*innen gewinnbringende<br />

Verarbeitung der Daten gelingen?<br />

Geben und Nehmen. „Meine Daten gehören mir. Und der Solidargemeinschaft“, positioniert sich Dr. Sylvia Thun, Professorin für<br />

Digitale Medizin, in der Diskussion um Gesundheitsdaten und deren Verwertung.<br />

Foto: Deutscher Ethikrat/Christian Thiel<br />

PROBLEMAUFRISS<br />

„Patientenorientierte Datennutzung“ –<br />

bereits der Titel der Veranstaltung<br />

trug die beiden Spannungspole in<br />

sich, zwischen denen sich die Frage<br />

nach dem Umgang mit Gesundheitsdaten<br />

bewegt: Auf der einen Seite der<br />

Schutz der Patientendaten und auf<br />

der anderen Seite deren Nutzung.<br />

Doch was meint in diesem Kontext<br />

„patientenorientiert“ eigentlich? Soll<br />

der Schwerpunkt auf dem Schutz der<br />

Persönlichkeitsrechte von Patient*innen<br />

oder auf den positiven Effekten<br />

einer sinnvollen Datennutzung liegen?<br />

Von Letzterem erhofft man sich<br />

viel. So beispielsweise, dass Forschung<br />

und Industrie Zugriff auf sämtliche<br />

Gesundheitsdaten erhalten und die<br />

daraus gewonnenen Erkenntnisse<br />

wieder Patient*innen zugutekommen.<br />

Dies kann in Form von genauerer<br />

Diagnostik, verbesserter Therapien<br />

oder der Früherkennung von Erkrankungen,<br />

geschehen. Infolge dessen<br />

bedeutet dies eine verbesserte medizinische<br />

Versorgung für alle. Es ist<br />

ein Kreislauf nach dem Prinzip „do ut<br />

des – ich gebe, damit du gibst“. Und<br />

wer sollte da nicht mit einstimmen, in<br />

Zeiten von Fachkräftemangel und<br />

sich abzeichnenden Versorgungsengpässen<br />

in strukturschwachen Regionen?<br />

Doch ist die Nutzung von Gesundheitsdaten<br />

hierzulande noch<br />

nicht weit gediehen: Obwohl medizinische<br />

Daten seit Langem in Form<br />

von Abrechnungsdaten bei den Krankenkassen<br />

digital vorliegen, werden<br />

sie wenig genutzt. Das kann an einer<br />

restriktiven Auslegung des europäischen<br />

und nationalen Datenschutzes<br />

liegen. Erschwert wird die Nutzung<br />

auch dadurch, dass die Gesundheitsdaten<br />

in unterschiedlichen Datenbanken<br />

und -formaten vorliegen, die<br />

nicht miteinander kompatibel sind,<br />

Stichwort Interoperabilität. Damit<br />

sind die Herausforderungen für eine<br />

„patientenorientierte Datennutzung“<br />

umrissen.


ZBW_7/2023<br />

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15_TITELTHEMA<br />

»<br />

Gesundheitsdaten bergen<br />

ein enormes Potenzial<br />

für das Patientenwohl.«<br />

Prof. Dr. Alena Buyx<br />

DEBATTE<br />

Der Deutsche Ethikrat hat<br />

unter anderen Prof. Ulrich<br />

Kelber, Bundesbeauftragter<br />

für Datenschutz und Informationsfreiheit,<br />

und Dr.<br />

Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin<br />

für Digitalisierung<br />

und Innovation im Bundesgesundheitsministerium,<br />

eingeladen. Gemeinsam wurde<br />

auf dem Podium mit weiteren<br />

Vertreter*innen aus Medizin, Ethik<br />

und Recht diskutiert, „wie sich Datenschutzrecht<br />

und Forschungsinfrastruktur<br />

weiterentwickeln lassen, sodass<br />

eine effektivere, patientenorientierte<br />

Nutzung von Daten in der medizinischen<br />

Forschung und Versorgung<br />

möglich wird“ (Deutscher Ethikrat).<br />

So war denn auch schnell klar, dass es<br />

nicht um die Schwächung des Datenschutzes<br />

gehen soll: „Gesundheitsdaten<br />

bergen ein enormes Potenzial für<br />

das Patientenwohl, wenn sie nur genutzt<br />

werden können. Damit dies<br />

möglich ist, brauchen wir nicht weniger<br />

Datenschutz, sondern dessen bessere<br />

Umsetzung“, sagte Prof. Dr. Alena<br />

Buyx, die dem Ethikrat vorsteht.<br />

HERAUSFORDERUNGEN<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass<br />

Patient*innen über den Zweck und die<br />

Art der Datennutzung informiert werden<br />

und ihre Zustimmung eingeholt<br />

werden muss. Prof. Dr. Tobias Huber,<br />

Nephrologe und Internist am Universitätsklinikum<br />

Hamburg-Eppendorf,<br />

problematisierte die Schwierigkeiten<br />

bei der Einwilligung in die Nutzung<br />

von Daten für die Forschung. So würden<br />

Patient*innen Aufklärungs- und<br />

Einwilligungsbögen nicht sorgfältig<br />

und vollständig lesen, sondern darauf<br />

vertrauen, dass es „schon recht sein<br />

wird“. Dies sei ethisch fragwürdig.<br />

Prof. Dr. Sylvia Thun, Professorin für<br />

Digitale Medizin und Interoperabilität<br />

am Berlin Institut of Health (BIH) der<br />

Charité, erklärte, wie Daten genutzt<br />

werden sollen: „Datennutzung soll auf<br />

FAIRen Daten beruhen (FAIR bezieht<br />

Foto: unsplash.com/NationalCancerInstitut<br />

Interoperabilität. Wie müssen Gesundheitsdaten aussehen und gespeichert werden, damit sie<br />

institutsübergreifend genutzt werden können?<br />

sich dabei auf: findable, accessible, interoperable,<br />

reusable). Das bedeutet,<br />

dass Daten in einer hohen Qualität<br />

verfügbar sind und genutzt werden<br />

dürfen“ Die Interoperabilität sei die<br />

Voraussetzung, dass Daten auf standardisierte<br />

Weise grenzüberschreitend<br />

zwischen Forschungseinrichtungen<br />

ausgetauscht werden könnten.<br />

Doch wer Daten sammelt, muss sie<br />

auch in elektronische Gesundheitsakten<br />

und Datenbanken einspielen und<br />

diese pflegen. So ein zusätzlicher Dokumentationsaufwand<br />

müsse sich lohnen<br />

und dürfe keine vergeudete Zeit<br />

sein, befand Prof. Dr. Dirk Lanzerath,<br />

Geschäftsführer des Deutschen Referenzzentrums<br />

für Ethik in den Biowissenschaften.<br />

Dieser zusätzliche Aufwand<br />

im Versorgungskontext könne<br />

zwar zugunsten der Forschung, aber<br />

auch zulasten der Versorgungsqualität<br />

gehen. Darunter könne das Arzt-Patienten-Verhältnis<br />

minimiert werden<br />

und das Wohl der Patient*innen leiden.<br />

Bei der patientenorientierten Datennutzung<br />

spielt Sicherheit eine große<br />

Rolle: „Die Datenschutzaufsichtsbehörden<br />

unterstützen die Nutzung personenbezogener<br />

Daten zu Forschungszwecken,<br />

ohne dabei den nötigen<br />

Schutz der besonders sensiblen Gesundheitsdaten,<br />

die aus dem vertrauensvollen<br />

Arzt-Patienten-Verhältnis<br />

stammen, aufzugeben”, gab Kelber bekannt.<br />

Es wird in Zukunft also darum gehen,<br />

eine Regelung zu finden, die sowohl<br />

den Datenschutz als auch die Nutzbarmachung<br />

von Gesundheitsdaten ermöglicht.<br />

Wenn die Daten verantwor-<br />

tungsvoll genutzt werden und das Persönlichkeitsrecht<br />

der Patient*innen<br />

geschützt wird, kann dies zu neuen Erkenntnissen<br />

und innovativen Lösungen<br />

führen, um Krankheiten besser zu<br />

verstehen und zu behandeln.<br />

Alexander Messmer<br />

INFO<br />

Der Europäische Gesundheitsdatenraum<br />

(European Health Data<br />

Space, kurz: EHDS) soll europaweit<br />

einen einheitlichen Standard<br />

in der Nutzung von Gesundheitsdaten<br />

vorgeben. Die EU-Kommission<br />

hat dazu eine Verordnung auf<br />

den Weg gebracht. Nun sind die<br />

Mitgliedsstaaten gefragt, die Verordnung<br />

in die nationale Gesetzgebung<br />

umzusetzen. In Deutschland<br />

soll das mit dem „Digitalgesetz“<br />

und dem „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“<br />

geschehen.<br />

Beide Gesetze sollen noch vor der<br />

Sommerpause im Kabinett verabschiedet<br />

werden. Vorgesehen ist<br />

u. a. die Einführung der elektronischen<br />

Patientenakte (ePA) für alle<br />

Versicherten und die Nutzbarmachung<br />

der ePA-Daten für Forschungszwecke<br />

(vgl. ZBW-Ausgabe<br />

5-6/2023). Ziel ist es, eine<br />

breite Datenlandschaft für die<br />

Forschung einzurichten. Die EU<br />

will damit zum Vorbild einer datennutzenden<br />

Gesellschaft werden.


16_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Zahnarztpraxis<br />

KI IN ALLER MUNDE<br />

Derzeit erlebt unsere Gesellschaft und damit natürlich auch die Gesundheitsbranche, nicht<br />

zuletzt durch die Coronapandemie, eine rapide digitale Transformation. Durch den<br />

Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und sogenannten Chatbots, also einer KI, die sich in<br />

natürlicher Sprache mit Menschen unterhält, wird sie zusätzlich angetrieben. Bilder werden<br />

auf diese Weise kreiert und Fotos, deren Qualität überzeugt – und auch erschreckt. Auch<br />

komplette Texte, selbstverständlich orthografisch und grammatikalisch korrekt formuliert,<br />

egal zu welchem Thema und in welcher Sprache, können in Auftrag gegeben werden. Teilweise<br />

sogar kostenfrei und in verschiedenen Varianten.<br />

Zukunft? Begleitet uns die künstliche Intelligenz in Form von Chatbots zukünftig zur Wissensvermittlung und Unterstützung in der<br />

Arbeitswelt, wie es heute das Internet tut? Sind sie die Zukunft des digitalen Wissens?<br />

Foto: Adobe Stock/NicoElNino<br />

Ich denke so oder so ähnlich müssen<br />

sich unsere Vorfahren anlässlich der<br />

industriellen Revolution, Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts, gefühlt haben: Die Möglichkeiten<br />

und Chancen scheinen beeindruckend,<br />

doch der kritische Betrachter<br />

spürt auch die möglichen Bedrohungen.<br />

Doch was kann ein solches<br />

System tatsächlich an Nutzen für eine<br />

Zahnarztpraxis bringen?<br />

Zugegeben es wäre ein charmanter Gedanke,<br />

den aktuellen Fachkräftemangel<br />

durch KI abfangen zu können und<br />

mit Sicherheit müssen wir uns zukünftig<br />

auch tatsächlich diesem Gedanken<br />

öffnen. Roboter, die in der Zahnarztpraxis<br />

zugange sind und die Patientenschaft<br />

begrüßen, gibt es ja bereits. Pepper<br />

ist ein solcher Roboter und sieht<br />

wirklich niedlich aus. Aber natürlich<br />

hat er/sie/es auch eine Funktion: Er/<br />

sie/es begrüßt die Patientenschaft,<br />

während das Praxispersonal telefoniert,<br />

beantwortet Fragen und sorgt<br />

für Kurzweil während der Wartezeiten.<br />

Doch natürlich hat diese Maschine einen<br />

Preis und den muss man zahlen<br />

wollen. Die Preise bewegen sich laut<br />

Hersteller zwischen 17 000 und 20 000<br />

Euro und er ist auch stunden-, tageoder<br />

sogar jahresweise mietbar. Doch<br />

welche weiteren Angebote macht die KI<br />

der Zahnmedizin?<br />

TERMINVEREINBARUNG<br />

Ohne viel Aufwand lässt sich ein Chatbot<br />

in die Praxishomepage integrieren.<br />

Wichtig hierfür ist eine klare Definition<br />

dessen, was der Chatbot dort für<br />

Aufgaben zu erfüllen hat. Je klarer diese<br />

Themen umrissen werden und der<br />

Chatbot mit möglichen Antworten ge-


ZBW_7/2023<br />

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17_TITELTHEMA<br />

füttert wird, desto besser wird er die<br />

gestellte Aufgabe erfüllen können. So<br />

könnte ein Chatbot Fragen zu Terminwünschen<br />

beantworten und aufgrund<br />

der Verfügbarkeit in der Praxis einen<br />

passenden Termin vorschlagen. Auch<br />

Erinnerungen an anstehende Termine<br />

könnten durch die KI versandt werden,<br />

um sicherzustellen, dass Patient*innen<br />

ihre Termine nicht vergessen und<br />

pünktlich erscheinen.<br />

PATIENTENAUFKLÄRUNG<br />

Auch denkbar wäre es, dass ein Chatbot<br />

Patienten*innen vor ihrem Zahnarztbesuch<br />

hilft, indem er allgemeine<br />

Informationen zur Verfügung stellt,<br />

beispielsweise zum Vermeiden von<br />

Nahrungsmitteln oder Getränken vor<br />

einer bestimmten Behandlung. Zudem<br />

könnte die KI über häufige Zahnprobleme,<br />

Behandlungsmöglichkeiten,<br />

Kosten und Finanzierungsoptionen<br />

aufklären. Auch hier spielt die Programmierung<br />

eine wesentliche Rolle,<br />

denn eine KI kann nur die Informationen<br />

ausspucken, die in sie eingespeist<br />

werden. Ein Chatbot kann<br />

zudem dabei unterstützen,<br />

Krankheiten und Behandlungsabläufe<br />

besser zu verstehen,<br />

indem er einfache und verständliche<br />

Erklärungen zu medizinischen<br />

Begriffen und Verfahren<br />

liefert. Darüber hinaus<br />

kann er Ratschläge zur Vermeidung<br />

von Komplikationen geben.<br />

SYMPTOMCHECK<br />

Im Rahmen einer Diagnoseunterstützung<br />

könnte ein Chatbot wesentliche<br />

Hinweise weiterreichen und dem Praxisteam<br />

dadurch Arbeit abnehmen.<br />

Auf diese Weise könnte das System der<br />

Patientenschaft helfen, ihre Symptome<br />

zu bewerten und festzustellen, ob sie<br />

einen Zahnarzttermint benötigen. Zudem<br />

könnten Patient*innen eventuell<br />

auch Zeit sparen und direkt die richtige<br />

Fachärzteschaft aufsuchen. Allerdings<br />

sollte dabei berücksichtigt werden,<br />

dass die KI unter Umständen<br />

nicht auf dem aktuellsten Stand der<br />

wissenschaftlichen Erkenntnis ist.<br />

Eine regelmäßiges Update des Systems<br />

ist daher unerlässlich.<br />

NACHSORGE<br />

Auch die Nachsorge könnte eine Aufgabe<br />

für einen Chatbot sein. Nach einem<br />

Zahnarztbesuch könnten er mit Anweisungen<br />

zur Pflege und Nachsorge der<br />

Zähne unterstützen. Selbstverständlich<br />

auch zur richtigen Zahnreinigung und<br />

zur Verwendung von Zahnseide, Zwischenraumbürstchen,<br />

Zahnbürste, der<br />

richtigen Putztechnik, Pflege von Zahnspangen<br />

oder Zahnersatz. Im Rahmen<br />

der Medikamentenverwaltung kann er<br />

medizinischen Fachkräften dabei helfen,<br />

die Medikamentenverwaltung von<br />

Patient*innen zu verbessern, indem er<br />

auf Basis von medizinischen Daten personalisierte<br />

Empfehlungen zur Dosis<br />

und zum Medikamentenzeitplan gibt.<br />

Der Chatbot kann auch daran erinnern,<br />

Medikamente pünktlich einzunehmen<br />

und Warnungen vor möglichen Wechselwirkungen<br />

mit anderen Präparaten<br />

geben.<br />

RISIKEN<br />

Wie bei allen Technologien gibt es<br />

auch bei der Verwendung von Chatbots<br />

in der medizinischen Unterstützung<br />

Risiken, die beachtet werden<br />

sollten. So besteht die Möglichkeit einer<br />

falschen Diagnose, wenn wichtige<br />

Informationen nicht berücksichtigt<br />

werden oder wenn keine zuverlässigen<br />

klinischen Daten zur Verfügung stehen.<br />

Da Chatbot-Systeme persönliche<br />

medizinische Patientendaten verarbeiten<br />

und speichern, ist es wichtig,<br />

dass alle Datenschutz- und Sicherheitsrichtlinien<br />

eingehalten werden.<br />

Natürlich besteht auch das Risiko von<br />

Cyberangriffen auf diese Systeme, was<br />

zu einem Datenverlust oder einer Datenmanipulation<br />

führen kann. Eine<br />

Gefahr droht natürlich auch, wenn<br />

sich sowohl die medizinischen Fachkräfte<br />

als auch die Patientenschaft zu<br />

sehr auf die KI-Systeme verlassen und<br />

die menschliche Interaktion vernachlässigen.<br />

Dies kann dazu führen, dass<br />

wichtige Aspekte des Patientenkontakts<br />

verloren gehen, die nur durch die<br />

menschliche Erfahrung und das Urteilsvermögen<br />

gewonnen werden können.<br />

Dies bringt uns auch dem Thema<br />

Ethik und Verantwortung näher,<br />

denn die Verwendung von Chatbot-<br />

Systemen in der medizinischen Unterstützung<br />

wirft auch ethische Fragen<br />

auf, wie beispielsweise wer für die Entscheidungen,<br />

die das System trifft,<br />

verantwortlich ist, wenn etwas schief<br />

geht oder Patientendaten missbraucht<br />

werden.<br />

Und selbst wenn eine KI über zahlreiche<br />

menschliche Fähigkeiten verfügt,<br />

so wird ihr doch immer eines fehlen:<br />

Empathie. Nie wird sie Patient*innen<br />

mit einem Handauflegen beruhigen<br />

oder ihr aufrichtiges Verständnis bei<br />

Ängsten oder Schmerzen vermitteln<br />

können.<br />

Cornelia Schwarz<br />

[…] Mein Training basiert auf einem umfangreichen<br />

Korpus an Texten aus dem<br />

Internet, Büchern, Artikeln und vielen<br />

anderen Quellen. Ich wurde nicht von<br />

einer spezifischen Person oder Gruppe<br />

von Personen gefüttert, sondern von einem<br />

Team von Ingenieuren und Forschern<br />

entwickelt, die an Open-AI arbeiten.<br />

Mein Training basiert auf Algorithmen<br />

und Datenverarbeitungstechniken,<br />

um Muster und Zusammenhänge in<br />

den Trainingsdaten zu erkennen und<br />

menschenähnliche Antworten zu generieren.<br />

Es ist wichtig zu beachten, dass<br />

ich als KI-Modell selbst keine spezifischen<br />

Informationen über meine Schöpfer<br />

oder den genauen Prozess meines<br />

Trainings habe.<br />

[…] Da ChatGPT in der Lage ist, menschenähnlichen<br />

Text zu generieren, besteht<br />

das Risiko, dass es zur Verbreitung<br />

von Fehlinformationen oder gefälschten<br />

Inhalten verwendet wird. […]<br />

[…] ChatGPT lernt aus den Daten, mit<br />

denen es trainiert wird. Wenn diese Trainingsdaten<br />

Vorurteile oder Diskriminierung<br />

enthalten, besteht die Gefahr, dass<br />

das Modell diese Vorurteile verstärkt<br />

und diskriminierende Aussagen oder Inhalte<br />

generiert. […]<br />

[…] Kriminelle könnten ChatGPT für<br />

bösartige Zwecke einsetzen, z. B. für die<br />

Erstellung überzeugender Phishing-Angriffe,<br />

Social-Engineering-Betrug oder<br />

die Automatisierung von Angriffen wie<br />

Spamming oder Denial-of-Service-Angriffen.<br />

[…]<br />

[…] Der Einsatz von ChatGPT wirft ethische<br />

Fragen auf, insbesondere im Hinblick<br />

auf den Schutz der Privatsphäre<br />

der Benutzer. Wenn sensible Informationen<br />

mit dem Modell geteilt werden, besteht<br />

das Risiko, dass diese Informationen<br />

missbraucht oder unangemessen<br />

verwendet werden.<br />

Die Fragen formulierte Cornelia Schwarz


18_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

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Service-Roboter in der Zahnarztpraxis<br />

HILFE FÜR DAS PRAXIS-TEAM<br />

In Krankenhäusern werden Roboter schon vielfältig eingesetzt. Sie assistieren bei<br />

Operationen und übernehmen den Transport von Medikamenten, Essen oder Betten.<br />

Autonome Roboter desinfizieren mit UV-Licht bestimmte Klinikbereiche. In der Pflege<br />

gleichen Hebe-Roboter und Exoskelette menschliche Defizite aus. Und die Roboter-<br />

Robbe PARO erfüllt sogar emotionale Bedürfnisse. Das erklärte Ziel: Menschen<br />

durch die technischen Helfer sinnvoll zu unterstützen und bei der Arbeit zu entlasten.<br />

Warum nicht auch in der Zahnarztpraxis?<br />

Im deutschsprachigen Raum sind bisher<br />

nur wenige Einsätze von Service-<br />

Robotern in Zahnarztpraxen bekannt.<br />

So wurde 2021 im Rahmen eines Forschungsprojekts<br />

der Julius-Maximilians-Universität<br />

Würzburg der Service-Roboter<br />

Pepper in der kieferchirurgischen<br />

Praxis von Dr. Dr. Boris<br />

Herzlieb in Würzburg ausprobiert.<br />

Mit einem Gewicht von 28 Kilogramm<br />

verteilt auf 1,20 Meter<br />

wirkt Pepper wie ein zierlicher<br />

Mensch. Der Kopf mit den großen<br />

Augen bedient das Kindchenschema<br />

und soll Vertrauen<br />

wecken. Hinter der weißen<br />

Außenhaut verbergen sich Motoren<br />

mit Batterieantrieb, Mikrofone,<br />

Sensoren, Kameras<br />

und vieles mehr. Pepper kommuniziert<br />

verbal und über ein<br />

Tablet. Er bewegt sich, kann<br />

tanzen, singen und Videos abspielen<br />

– oder bis zu 12 Stunden<br />

„richtig arbeiten“.<br />

Gestatten? Am Empfang des Wiener Zahninstituts<br />

Sleep & Smile wartet Serviceroboter Pepper<br />

als „Dr. Smiley“ auf seinen Einsatz.<br />

EMPFANG DURCH PEPPER<br />

Dem Praxisteam von Dr. Herzlieb<br />

war Pepper schnell ein guter Kollege.<br />

Der Service-Roboter wurde während<br />

des Projekts am Empfang eingesetzt<br />

und begrüßte die eintretenden<br />

Patientinnen und Patienten. Dank<br />

seiner Hilfe mussten die Angestellten<br />

ihre laufenden Tätigkeiten oder<br />

Telefonate nicht mehr so häufig unterbrechen.<br />

Für das Praxisteam war<br />

das eine große Entlastung. Völlig<br />

überraschend waren die Reaktionen<br />

der Patientinnen und Patienten. Entgegen<br />

der Erwartungen waren besonders<br />

die Älteren vom technischen Assistenten<br />

begeistert, während sich viele<br />

Jüngere schnell wieder ihrem Smartphone<br />

widmeten. Nach dem ersten erfolgreichen<br />

Versuch hat sich Dr. Herzlieb<br />

mittlerweile entschlossen, auf eigene<br />

Kosten einen Nachfolger für Pepper<br />

zu erwerben. Dieser soll zukünftig<br />

auch andere Aufgaben übernehmen<br />

und beispielsweise Patientinnen und<br />

Patienten zu den Behandlungsräumen<br />

führen.<br />

Foto: Sleep & Smile<br />

DR. SMILEY IM WARTEZIMMER<br />

Bereits 2019 wurde Pepper im Wiener<br />

Zahninstitut Sleep & Smile eingesetzt.<br />

Die Zahnklinik ist spezialisiert auf die<br />

Behandlung von Kindern sowie von<br />

Menschen mit besonderen Bedürfnissen.<br />

Bei diesen Patientengruppen<br />

kann der Zahnarztbesuch mit Angst<br />

verbunden sein – für Pepper eine Aufgabe<br />

nach Maß. Unter dem Namen<br />

„Dr. Smiley“ hat der Service-Roboter<br />

im Wartezimmer seinen Auftritt: Er<br />

spielt, singt und tanzt mit den<br />

Wartenden oder verkürzt ihnen<br />

mit Quizfragen und Witzen die<br />

Zeit. Durch seine Aktivitäten<br />

lenkt er sie wirksam von der anstehenden<br />

Behandlung und ihren<br />

Ängsten ab. Das Behandlungsteam<br />

ist sehr zufrieden mit Dr.<br />

Smiley, da die zahnmedizinische<br />

Arbeit durch ihn oft einfacher und<br />

entspannter ablaufen kann. Viele<br />

Patientinnen und Patienten freuen<br />

sich sogar schon auf den nächsten<br />

Besuch in der Zahnklinik – und<br />

Dr. Smiley.<br />

ALLROUNDTALENT CRUZR<br />

Ein letztes Beispiel aus dem schweizerischen<br />

Thun, wo Dr. Christian Leithold<br />

seit 2020 mit dem Service-Roboter<br />

Cruzr zusammenarbeitet. Als einziger<br />

Unterstützung im Empfang,<br />

denn ein Praxis-Team im klassischen<br />

Sinn gibt es in der kieferorthopädischen<br />

Praxis nicht. Cruzr misst 1,20<br />

Meter und wiegt 45 Kilogramm. Am<br />

Kopf prangt ein großer Bildschirm,<br />

wodurch der Roboter weniger menschlich<br />

als Pepper wirkt. Dafür hat er andere<br />

Stärken, die er im Rahmen des Gesamtkonzepts<br />

der voll digitalisierten<br />

Praxis ausspielt.<br />

VIELSEITIG EINSETZBAR<br />

Aus Sicht der Patientinnen und Pa-


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

19_TITELTHEMA<br />

tienten stellt sich das<br />

so dar: Der Termin<br />

wird online gebucht<br />

und man erhält einen<br />

QR-Code auf das<br />

Handy. Wenn man<br />

die Praxis betritt, rollt Cruzr<br />

auf einen zu und bittet um<br />

den QR-Code. Alternativ<br />

könnte man seinen Namen<br />

auf dem Display eingeben,<br />

damit der Roboter den<br />

Menschen identifizieren<br />

kann. Während er ihn ins<br />

Wartezimmer führt, meldet<br />

er die Patientin oder<br />

den Patienten bereits im Praxissystem<br />

an und vielleicht verkürzt<br />

er auch die Wartezeit mit<br />

einem Tänzchen. Cruzr vergibt außerdem<br />

Termine und gibt Auskünfte zu<br />

den Kunstwerken in der Praxis oder<br />

zu sich selbst. Im Behandlungsraum<br />

spielt er auf Wunsch Erklärvideos ab<br />

und beantwortet Fragen dazu. Und<br />

natürlich kann er auch die Personen<br />

im Wartezimmer über etwaige Verspätungen<br />

informieren. Dank seiner<br />

technischen Ausstattung erledigt er<br />

(fast) alle Aufgaben des Praxisteams.<br />

Die menschliche Komponente kann<br />

der Service-Roboter natürlich nicht<br />

ersetzen. Aber das muss er auch nicht.<br />

Denn die meisten Patientinnen und<br />

Patienten reagieren positiv auf ihn.<br />

Aktuell macht Dr. Leithold bereits<br />

den nächsten Schritt und verwendet<br />

auch ChatGPT, einen ChatBot mit<br />

künstlicher Intelligenz. Seine Bewertung:<br />

„Dank der Einbindung von<br />

ChatGPT hat sich Cruzrs Interaktion<br />

mit meinen Patienten in eine unglaublich<br />

faszinierende Richtung entwickelt.“<br />

LOHNENDE INVESTITION?<br />

Die Kosten für den Kauf eines Roboters<br />

fallen abhängig von Typ, Garantiezeit<br />

und Lieferumfang (beispielsweise<br />

mehrere Sprachen) unterschiedlich<br />

hoch aus. Vor dem Betrieb müssen<br />

die Geräte außerdem in der neuen<br />

Umgebung trainiert werden, ähnlich<br />

wie Saugroboter, die die Wohnung vor<br />

dem Einsatz abscannen. Je nach Aufgabenspektrum<br />

können sie auch in<br />

das Softwaresystem der Praxis integriert<br />

werden, natürlich unter Beachtung<br />

des Datenschutzes. Technikaffine<br />

Praxisinhaberinnen und -inhaber<br />

können dabei selbst tätig werden und<br />

teilweise auch programmieren.<br />

Dienstleistungen rund um die Installation<br />

werden aber auch von vielen<br />

Händlern angeboten, wie die Internetrecherche<br />

zeigt. Die oben genannten<br />

Zahnärzte waren vom Nutzen ihrer<br />

technischen Assistenten überzeugt.<br />

Und wenn sich der Robotermarkt weiter<br />

so sprunghaft entwickelt wie in<br />

den letzten Jahren, kann für die Zukunft<br />

auch mit niedrigeren Preisen für<br />

Service-Roboter gerechnet werden.<br />

LÖSUNG DER ZUKUNFT<br />

Service-Roboter können das Praxis-<br />

Team spürbar entlasten. Sie nehmen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

Arbeiten ab und verschaffen ihnen dadurch<br />

Freiraum für andere Tätigkeiten.<br />

Voraussetzung dafür ist, dass sich<br />

die Beteiligten auf so ein Experiment –<br />

und das ist es in Zahnarztpraxen momentan<br />

noch – einlassen wollen. Patientinnen<br />

und Patienten jedenfalls<br />

scheinen Robotern gegenüber nicht<br />

grundsätzlich abgeneigt zu sein, wie<br />

auch Studien zeigen. Wenn dann<br />

noch die medizinische Behandlung<br />

leichter durchgeführt werden kann,<br />

weil Patientinnen und Patienten entspannter<br />

aus dem Wartezimmer kom-<br />

Foto: Dr. Christian Leithold<br />

Zufrieden. Dr. Christian Leithold kann sich auf den Serviceroboter<br />

Cruzr verlassen, der fast alle Aufgaben des Praxisteams übernimmt.<br />

men, ist das mehr als ein willkommener<br />

Nebeneffekt. Gerade mit Blick auf<br />

den immer stärker zunehmenden<br />

Fachkräftemangel könnten Service-<br />

Roboter für die Zukunft ein Lösungsansatz<br />

sein. Dabei steht im Vordergrund,<br />

das Team durch den „Kollegen<br />

Roboter“ zu unterstützen und zu entlasten.<br />

INFO<br />

Kerstin Sigle<br />

Haben Sie schon einen Service-Roboter<br />

in Ihrer Praxis? Oder kennen<br />

Sie eine Praxis, die bereits Erfahrungen<br />

damit gemacht hat? Wir sind gespannt!<br />

Gerne können Sie an die Mailadresse<br />

sigle@lzk-bw.de schreiben und uns<br />

über Ihre Erfahrungen berichten.


20_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

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Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen<br />

DER KI-DOKTOR MACHT NOCH<br />

ZU VIELE FEHLER<br />

Wenn man Microsoft-Gründer Bill Gates zur Künstlichen Intelligenz (KI)<br />

fragt, gibt er z. B. im Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Antwort,<br />

dass intelligente Computer wohl bald Diagnosen stellen könnten – die<br />

Betonung liegt auf „wohl bald“. KI könne auch zu besserer Beratung der<br />

Patient*innen führen. Wie das Unternehmen IBM betont, gebe es im<br />

Gesundheitswesen „riesige Datenbestände“, die für KI-Technologien sehr<br />

gut geeignet seien. Intelligente Gesundheitssysteme müssen, so Gates,<br />

„sehr genau“ arbeiten und technisch noch sehr viel besser werden. Der<br />

KI-Doktor macht noch zu viele Fehler.<br />

KI könnte dafür sorgen, dass die Menschen<br />

Zugang zu Diagnostik und besserer<br />

Beratung bekommen, so der Microsoft-Gründer.<br />

Gesundheitssysteme in<br />

Ländern mit mittleren und hohen Einkommen<br />

könnten sehr viel effizienter<br />

werden. Konkretes Beispiel: die Bürokratie<br />

und deren Abbau im Gesundheitswesen.<br />

Gates ist davon überzeugt,<br />

dass Künstliche Intelligenz „den Papierkram<br />

für das medizinische Personal reduziert“.<br />

Zudem gebe es hohen Personalmangel<br />

im Gesundheitssektor. „Am<br />

wichtigsten ist es mir aber, dass auch<br />

Menschen in Ländern mit niedrigem<br />

Einkommen Zugang zu der Innovation<br />

haben, um zum Beispiel die Gesundheitsversorgung<br />

zu verbessern“, betonte<br />

der Unternehmer, Programmierer und<br />

Mäzen.<br />

GENAUIGKEIT<br />

Sehen, Hören, Analysieren, Entscheiden<br />

und Handeln: „Künstliche Intelligenz<br />

ist die Fähigkeit einer Maschine,<br />

menschliche Fähigkeiten zu imitieren“,<br />

lautet eine Definition zur KI des Lexikons<br />

der Neurowissenschaften im Verlag<br />

„Spektrum der Wissenschaft“. Und,<br />

»<br />

Im Gesundheitssektor muss es einen<br />

hohen Grad an Genauigkeit und regulatorischer<br />

Überprüfung geben, ehe man solch<br />

ein System einführen kann.«<br />

Bill Gates, Microsoft-Gründer<br />

Foto: Bill Gates/gettyimages<br />

KI im Gesundheitswesen. Für Microsoft-Gründer Bill Gates ist „noch nicht ganz klar“, ob KI<br />

tatsächlich eine Revolution für die Menschen im Gesundheitswesen sein werde.<br />

sehr relevant hinsichtlich der Gesundheitssysteme:<br />

Genauigkeit. „Im Gesundheitssektor<br />

muss es einen hohen<br />

Grad an Genauigkeit und regulatorischer<br />

Überprüfung geben, ehe man<br />

solch ein System einführen kann“, sagte<br />

Gates. Die Bing-Suchmaschine mit KI<br />

von der Microsoft Corp. sei einerseits<br />

zwar „viel genauer als ChatGPT“, andererseits<br />

sei Bing aber „nicht bereit für<br />

diese Art der Anwendung“ im Gesundheitswesen.<br />

Anders formuliert: Bei Diagnosen<br />

und medizinischer Beratung


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

21_TITELTHEMA<br />

Nicht bereit. Die Bing-Suchmaschine mit KI der Microsoft Corp. sei „viel genauer als<br />

ChatGPT“, allerdings sei Bing noch „nicht bereit für diese Art der Anwendung“ im Gesundheitswesen.<br />

Foto: CHUAN CHUAN/shutterstock.com<br />

Fällen [zu] unterstützen“, können Mediziner*innen<br />

„damit relevante Erkenntnisse<br />

gewinnen, die ihnen helfen<br />

können, kritische Fälle zuerst zu identifizieren,<br />

genauere Diagnosen zu stellen<br />

und potenziell Fehler zu vermeiden,<br />

während sie gleichzeitig Umfang und<br />

Komplexität elektronischer Patientenakten<br />

nutzen“, so das Unternehmen.<br />

Ob KI tatsächlich eine Revolution für<br />

die Menschheit im Gesundheitswesen<br />

sein werde, ist aus Bill Gates Sicht „noch<br />

nicht ganz klar“. Das gemeinnützige<br />

Future of Life Institute (Cambridge,<br />

Massachusetts) empfiehlt: „Leistungsstarke<br />

KI-Systeme sollten erst dann entwickelt<br />

werden, wenn wir sicher sind,<br />

dass ihre Auswirkungen positiv und<br />

ihre Risiken überschaubar sein werden.“<br />

Guido Reiter<br />

würde der KI-Doktor noch zu viele Fehler<br />

machen.<br />

Dass die Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen<br />

aber besonders die Effizienz<br />

befördern wird und dass die<br />

größtmögliche Sicherheit der Systeme<br />

gegeben sein müsse, ist für den Microsoft-Gründer<br />

eine Conditio sine qua<br />

non. Die Arbeit der Ärzt*innen könne<br />

dank des Werkzeugs KI deutlich nutzbringender<br />

und wirkungsvoller sein,<br />

denn KI finde Wissen und Informationen<br />

schneller als konventionelle Systeme.<br />

Am Beispiel Pandemie gibt es viele<br />

Parallelen zur KI: Man könne, erläuterte<br />

der Unternehmer, sich besser vorbereiten<br />

mit einem „international einsetzbaren<br />

Expertenteam, das mögliche Ausbrüche<br />

beobachtet, schnell reagiert und<br />

Regierungen beratend zur Seite steht“.<br />

Gates: „Außerdem brauchen wir bessere<br />

Diagnostik und Impfstoffe, die helfen,<br />

künftig mit einer Pandemie zurechtzukommen.“<br />

LÖSUNGEN<br />

Während Bill Gates die großen Zusammenhänge<br />

zur KI beschrieben hat, von<br />

Klima über Pandemie bis hin zum Gesundheitswesen,<br />

hat das Unternehmen<br />

IBM detailliert Lösungen für Künstliche<br />

Intelligenz benannt. Das maschinelle<br />

Lernen verändere die Art und Weise,<br />

wie Gesundheitsversorgung bereitgestellt<br />

werde, so die Spezialisten. Gesundheitsorganisationen<br />

hätten „riesige<br />

Datenbestände in Form von Krankenakten<br />

und -bildern, Bevölkerungsdaten,<br />

Anspruchsdaten und Daten<br />

klinischer Studien angesammelt“. KI-<br />

Technologien seien „gut geeignet, um<br />

diese Daten zu analysieren und Muster<br />

und Erkenntnisse abzuleiten, die Menschen<br />

alleine nicht finden<br />

könnten“. Mit<br />

„Deep Learning“ aus<br />

KI, einer speziellen Methode<br />

der Informationsverarbeitung,<br />

könnten<br />

Gesundheitsorganisationen<br />

„Algorithmen<br />

verwenden, um bessere<br />

geschäftliche und klinische<br />

Entscheidungen<br />

zu treffen und die Qualität<br />

der von ihnen bereitgestellten<br />

Erfahrungen zu verbessern“.<br />

Die Vorteile, die IBM von KI für das Gesundheitswesen<br />

sieht, sind die Bereitstellung<br />

benutzerorientierter Erfahrungen,<br />

die Verbindung unterschiedlicher<br />

Gesundheitsdaten und wiederum die<br />

Verbesserung der Effizienz im Betrieb<br />

bzw. in der Praxis. „Durch Verwendung<br />

großer Datenbestände und maschinellen<br />

Lernens können Gesundheitsorganisationen<br />

mit KI schneller und genauer<br />

Erkenntnisse gewinnen, was sowohl<br />

intern als auch bei Nutzern höhere Zufriedenheit<br />

ermöglicht“, so das Unternehmen.<br />

Gesundheitsdaten seien oft<br />

fragmentiert und lägen in verschiedenen<br />

Formaten vor. „Durch den Einsatz<br />

von Technologien für KI und maschinelles<br />

Lernen können Unternehmen<br />

unterschiedliche Daten verbinden, um<br />

ein einheitlicheres Bild der Personen<br />

hinter den Daten zu erhalten“, so IBM.<br />

MEDIZINISCHE BILDGEBUNG<br />

Die besondere Aufmerksamkeit gilt aus<br />

Sicht der Ärzt*innen KI-Lösungen im<br />

Zusammenhang mit medizinischer<br />

Bildgebung. Um „das arbeitsintensive<br />

Scannen von Bildern und Sichten von<br />

»<br />

Künstliche Intelligenz ist die<br />

Fähigkeit einer Maschine,<br />

menschliche Fähigkeiten wie<br />

logisches Denken, Lernen, Planen<br />

und Kreativität zu imitieren.«<br />

Europäisches Parlament<br />

INFO<br />

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein<br />

Teilgebiet der Informatik. Es umfasst<br />

alle Anstrengungen, deren Ziel<br />

es ist, Maschinen intelligent zu machen.<br />

Dabei wird Intelligenz verstanden<br />

als die Eigenschaft, die ein<br />

Wesen befähigt, angemessen und<br />

vorausschauend in seiner Umgebung<br />

zu agieren; dazu gehört die<br />

Fähigkeit, Sinneseindrücke wahrzunehmen<br />

und darauf zu reagieren,<br />

Informationen aufzunehmen, zu<br />

verarbeiten und als Wissen zu speichern,<br />

Sprache zu verstehen und zu<br />

erzeugen, Probleme zu lösen und<br />

Ziele zu erreichen. In der Medizin<br />

ist KI ein stark wachsender Teilbereich<br />

der künstlichen Intelligenz, bei<br />

dem digital vorliegende Informationen<br />

ausgewertet werden, um möglichst<br />

aussagekräftige Diagnosen zu<br />

stellen und optimierte Therapien<br />

vorzuschlagen.<br />

Quelle: Wikipedia


22_TITELTHEMA<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Cyberwehr BW<br />

ACHTUNG HACKERANGRIFF!<br />

WAS JETZT?<br />

Über das Internet sind wir weltweit verbunden. Das ist praktisch, aber auch<br />

riskant. Besonders medizinische Betriebe sollten sich bewusst sein, dass sie mit<br />

sensiblen Personendaten operieren, die gegen Angriffe von außen geschützt<br />

werden müssen. Firewalls und andere Vorsichtsmaßnahmen sind sehr<br />

effektiv. Trotzdem kann es passieren, dass Unbefugte in die Praxissoftware<br />

eindringen. Das Projekt „Cyberwehr BW“ hilft nach einem Hackerangriff.<br />

zertifiziert. Geprüft wird zudem, ob ein<br />

Dienstleister in der Nähe zur Verfügung<br />

steht. Für einzelne ausgewählte Landkreise<br />

ist das sogar garantiert.<br />

Schnell reagieren! Unbekannte haben sich Zugriff zum System verschafft. Die Cyberwehr BW steht<br />

nach Hackerangriffen auch Zahnarztpraxen zur Seite.<br />

INFO<br />

CYBERWEHR<br />

Nach einem IT-Sicherheitsvorfall<br />

kann man sich rund um die Uhr an<br />

diese kostenlose Hotline wenden:<br />

0800 - 292379347<br />

Die Nummer steht auch Einrichtungen<br />

aus dem medizinischen Bereich<br />

zur Verfügung. Für den Notfall findet<br />

man auf der Webseite von Cyberwehr<br />

BW zudem eine Liste mit<br />

Sofortmaßnahmen.<br />

Erste-Hilfe-Maßnahmen<br />

Es ist ein Alptraum: Der PC startet und<br />

sofort öffnet sich ein neues Fenster:<br />

„Ihr Computer wurde gehackt.“ Offensichtlich<br />

sind Kriminelle in das System<br />

eingedrungen und verlangen eine<br />

Geldzahlung. Zahlenmäßig ist solch<br />

ein Hackerangriff vergleichsweise selten,<br />

gefühlt aber umso dramatischer.<br />

Jedoch wird nicht jeder unbefugte Zugriff<br />

gleich bemerkt. Auch heimlich<br />

können Daten abgesaugt werden, oft<br />

sogar über längere Zeiträume. Gerade<br />

bei Gesundheitsdaten ist das unbefugte<br />

Eindringen in ein Betriebssystem<br />

eine Katastrophe!<br />

CYBERWEHR HILFT<br />

In Baden-Württemberg gibt es eine<br />

Kontakt- und Beratungsstelle, die eigens<br />

für solche Fälle gegründet wurde:<br />

Cyberwehr BW. Die telefonische Anlaufstelle<br />

bietet rund um die Uhr<br />

schnelle Hilfe im Notfall für kleine und<br />

mittlere Unternehmen – auch für Zahnarztpraxen.<br />

In einem kostenlosen Telefongespräch<br />

wird zunächst das Ausmaß<br />

des Schadens geklärt. Anschließend an<br />

die Meldung wird in den Schritten Diagnose,<br />

Schadensbegrenzung und Nachbereitung<br />

ein mögliches individuelles<br />

Maßnahmenpaket besprochen. Auf<br />

Wunsch können dann kostenpflichtig<br />

Expertinnen und Experten eingesetzt<br />

werden, welche Cyberwehr BW vermittelt.<br />

Die Preise für die Notfallhilfe werden<br />

vorab vereinbart. Alle vermittelten<br />

Fachleute sind einheitlich geschult und<br />

Foto: Adobe Stock/Montri<br />

GEMEINSAM GEGEN HACKER<br />

Cyberwehr BW und das einheitliche Vorgehen<br />

nach Hackerangriffen wurde im<br />

Rahmen eines Projekts am Forschungszentrum<br />

Informatik (FZI) Karlsruhe entwickelt<br />

und erprobt. Das Ministerium<br />

für Inneres, Digitalisierung und Kommunen<br />

Baden-Württemberg förderte das<br />

Projekt als Teil der Digitalisierungsstrategie<br />

digital@bw bis zum Juni 2022. Um<br />

das Projekt fortzuführen, werden derzeit<br />

verschiedene Finanzierungsmodelle diskutiert.<br />

Ziel des Projekts: mit einem gemeinsamen<br />

Netz aus Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Sicherheitsbehörden gegen<br />

Wirtschaftskriminalität anzukämpfen.<br />

Durch das weltumspannende Internet<br />

haben Kriminelle online oft leichtes<br />

Spiel. Gerade bei kleinen und mittleren<br />

Unternehmen stehen die Einfallstore<br />

weit offen. Gleichzeitig sind sie aufgrund<br />

ihrer größenbedingten Struktur oft mit<br />

einem Hackerangriff überfordert und<br />

auf externe Hilfe angewiesen. Cyberwehr<br />

BW bietet hierfür wirksame Hilfe im<br />

Notfall und koordiniert alle Maßnahmen,<br />

um den „Alptraum Hackerangriff“<br />

möglichst schnell zu beenden.<br />

TIPPS ZUR PRÄVENTION<br />

Prüfen Sie Daten und Links aus unbekannten<br />

Quellen, bevor Sie sie öffnen.<br />

Dies gilt insbesondere für Dateien mit<br />

der Endung *.exe. Verwenden Sie sichere<br />

Passwörter. Diese dürfen nicht öffentlich<br />

einsehbar sein. Nutzen Sie<br />

Passwortmanager. Erstellen Sie regelmäßig<br />

Backups. Bei einem Sicherheitsvorfall<br />

können die gesicherten Daten<br />

dann neu aufgespielt werden.<br />

Kerstin Sigle


ZBW_7/2023<br />

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23_TITELTHEMA<br />

Landesverband der Freien Berufe (LFB)<br />

WIE SCHÜTZT MAN SICH VOR<br />

CYBER-ANGRIFFEN?<br />

Angriffe aus dem Netz sind schon lange keine Fiktion mehr, sondern tagtägliche<br />

Realität. Egal ob Phishing, Hackerangriffe oder Datenspionage: Die digitalen Bedrohungen<br />

nehmen seit Jahren rasant zu. In den Fokus der Kriminellen rücken dabei immer<br />

öfter auch selbstständige Freiberuflerinnen und Freiberufler, die in ihren Praxen,<br />

Kanzleien, Apotheken und Büros mit hochsensiblen Daten und höchstpersönlichen<br />

Informationen ihrer Patienten- und Mandantenschaft zu tun haben. Das macht sie zu<br />

besonders beliebten Zielen digitaler Erpressungen.<br />

Der Landesverband der Freien Berufe<br />

Baden-Württemberg (LFB) bietet in Kooperation<br />

mit dem Landeskriminalamt<br />

Baden-Württemberg (LKA) deshalb eine<br />

Präventionsveranstaltung zum Thema<br />

Cybersicherheit an. Ein Experte der Zentralen<br />

Ansprechstelle Cybercrime (ZAC)<br />

des LKA wird über typische Cybercrime-<br />

Phänomene und Taktiken der Angreifer<br />

aufklären und empfehlenswerte Gegenmaßnahmen<br />

vorstellen.<br />

PRÄVENTIONSVERANSTALTUNG<br />

Die Informationsveranstaltung findet<br />

am Mittwoch, 27. September 2023, um<br />

18:30 Uhr bei der Bezirksärztekammer<br />

Nordwürttemberg (Jahnstraße 5, 70597<br />

Stuttgart-Degerloch) und digital als Livestream<br />

statt. Die Teilnahme ist kostenfrei.<br />

Die Zahl der Plätze in Präsenz<br />

ist begrenzt. Der LFB bittet um verbindliche<br />

Anmeldung bis 25. September<br />

2023 per E-Mail an info@freie-berufebw.de.<br />

Bitte geben Sie an, ob Sie in Präsenz<br />

oder online teilnehmen möchten.<br />

Weitere Informationen zur Veranstaltung<br />

finden Sie auf der Webseite des<br />

Landesverbands der Freien Berufe.<br />

Dr. Manuel Wäschle, LFB<br />

INFO<br />

LFB ZUM THEMA CYBER-<br />

SICHERHEIT<br />

Die Veranstaltung findet hybrid<br />

statt. Bei Teilnahme (vor Ort in<br />

Stuttgart oder per Livestream)<br />

wird um Anmeldung gebeten. Alle<br />

Informationen finden Sie hier:<br />

https://www.freie-berufe-bw.de/<br />

index.php/presse/veranstaltungcybercrime<br />

Anzeige<br />

Präventions- und Informationsveranstaltung<br />

WIE SCHÜTZT MAN SICH<br />

VOR CYBER-ANGRIFFEN?<br />

Aktuelle Cybercrime-Phänomene,<br />

beliebte Taktiken der Angreifer und<br />

empfehlenswerte Gegenmaßnahmen<br />

27.09.2023 | 18:30 Uhr | hybrid<br />

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem<br />

Landeskriminalamt Baden-Württemberg<br />

Weitere Informationen unter<br />

www.freie-berufe-bw.de


24_BERUFSPOLITIK<br />

ZBW_7/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Gemeinsame Konferenz der Öffentlichkeitsbeauftragten<br />

ZUKUNFT DER ZAHNÄRZTLICHEN<br />

VERSORGUNG IM FOKUS<br />

Die Vorstandswahlen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) lagen noch keine<br />

drei Wochen zurück, da lud der neu gewählte Vorstand gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer<br />

(BZÄK) zur traditionellen Konferenz der Öffentlichkeitsbeauftragten nach Köln.<br />

Hier wurde deutlich: Die strategische Positionierung gegenüber der Bundespolitik ist<br />

gerade in Zeiten wichtig, in denen die ambulante Versorgung durch politische Maßnahmen<br />

stark unter Druck steht. Erstmalig wurde die Kampagne „Zähne zeigen“ vorgestellt.<br />

Foto: KZBV/Knoff<br />

Präsentation. Martin<br />

Hendges, der neue<br />

Vorsitzende der KZBV<br />

stellte auf der Konferenz<br />

der Öffentlichkeitsbeauftragten<br />

die Kampagne<br />

„Zähne zeigen“ vor.<br />

Ein hohes Tempo bei der Vorlage von<br />

Gesetzen gehörte bereits unter dem<br />

Amtsvorgänger von Gesundheitsminister<br />

Lauterbach, dem CDU-Politiker Jens<br />

Spahn, zur zweifelhaften Charakteristika<br />

der Gesundheitspolitik. Denn ungeachtet<br />

des weiterhin bestehenden Reformbedarfs<br />

ist Schnelligkeit an sich<br />

kein Qualitätsmerkmal der Gesetzgebung.<br />

Vielmehr sollten handwerkliche<br />

Sorgfalt und eine enge Abstimmung<br />

mit den handelnden Akteuren des Gesundheitswesens<br />

im Mittelpunkt stehen.<br />

Zielsetzung müssten Regelungen<br />

sein, die die medizinische Versorgung<br />

im Sinne der Patientinnen und Patienten<br />

stärken. Dass die aktuelle Gesundheitspolitik<br />

diesem Ziel zuwiderlaufe,<br />

sei in den Monaten zuvor vielfach deutlich<br />

geworden – so die Kernbotschaft<br />

der Konferenz. Gerade die fehlende<br />

Wertschätzung des Ministers für den<br />

ambulanten Sektor ist weit mehr als<br />

nur ein Ärgernis für die niedergelassenen<br />

(Zahn-)ärztinnen und (Zahn-)ärzte.<br />

Diese Politik hat sich längst zu einer<br />

ernsthaften Bedrohung der bestehenden<br />

Versorgungsstrukturen entwickelt,<br />

wie auf der Konferenz deutlich wurde.<br />

GKV-FINSTG<br />

Folgerichtig standen das GKV-<br />

Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-<br />

FinStG) und dessen Folgen auf die<br />

zahnärztliche Versorgung im Mittelpunkt<br />

der Beratungen. Martin Hendges,<br />

neu gewählter Vorstandsvorsitzender<br />

der KZBV, stellte die erheblichen<br />

Auswirkungen des Gesetzes auf<br />

die Preis- und Mengenkomponente<br />

der Gesamtvergütung für die Zahnarztpraxen<br />

dar: Einerseits führe die<br />

Absenkung der Punktwerte zu einer<br />

Reduzierung der Einnahmen, während<br />

die Ausgaben inflationsbedingt<br />

stark ansteigen würden. „Die Inflation<br />

enteilt der Grundlohnsumme“, so<br />

Hendges mit Blick auf die Zahlen. Einer<br />

Inflation von 7,9 Prozent im Jahr<br />

2023 stehe eine Grundlohnsumme<br />

(GLS) von 3,45 Prozent gegenüber,<br />

wobei die vereinbarte Punktwertsteigerung<br />

infolge des Gesetzes um weitere<br />

0,75 Prozent gekürzt werden müsse.<br />

Auch im kommenden Jahr sei eine<br />

erhebliche Diskrepanz zwischen gekürzter<br />

GLS und der Inflation zu erwarten.<br />

Dadurch drohten schwere<br />

Auswirkungen auf die flächendeckenden,<br />

wohnortnahen Versorgungsstrukturen.<br />

Insbesondere werde die<br />

Inhaberschaft gegenüber einer Anstellung<br />

immer unattraktiver. Einzelpraxen<br />

in strukturschwachen Gebieten<br />

würden verschwinden, während<br />

größere Einrichtungen – gerade investorengeführte<br />

MVZ (iMVZ) – in einkommensstarken<br />

Gebieten zunehmen.<br />

PAR-VERSORGUNG<br />

Nicht weniger gravierend für die Versorgung<br />

der Versicherten sei die Mengenbegrenzung<br />

durch die faktische<br />

Wiedereinführung der strengen Budgetierung.<br />

Hendges machte zudem


ZBW_7/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

25_BERUFSPOLITIK<br />

»<br />

Die Inflation enteilt der Grundlohnsumme.«<br />

Martin Hendges, Vorsitzender der KZBV<br />

deutlich, wie die Begrenzung der Gesamtvergütung<br />

insbesondere der Parodontitis-Versorgungsstrecke<br />

die notwendigen<br />

Mittel entziehen würde.<br />

Durch die Aufnahme der neuen Leistungen<br />

bei einer mehrjährigen Behandlungsdauer<br />

komme es zwangsläufig<br />

zu einer Mengenausweitung.<br />

So würden 61 Prozent der geplanten<br />

PAR-Leistungen in Jahr 1 induziert,<br />

fielen aber erst in den Folgezeiträumen<br />

Jahr 2 und Jahr 3 an. Durch die<br />

festen Obergrenzen stünden die notwendigen<br />

und politisch zugesicherten<br />

Finanzmittel für die Parodontitis-Versorgung<br />

nicht in ausreichendem<br />

Maße zur Verfügung, wie Hendges<br />

betonte. Dies werde zwangsläufig<br />

negative Folgen für die Mund- und<br />

Allgemeingesundheit mit sich bringen.<br />

PARO-CHECK<br />

Die Brisanz dieser politischen Entscheidung<br />

und die Bedeutung einer<br />

strukturierten PAR-Versorgung auf<br />

dem aktuellen Stand der Wissenschaft<br />

bekräftigte Dr. Romy Ermler,<br />

Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer.<br />

Ihr Resümee nach einem<br />

Jahr BZÄK-Aufklärungskampagne<br />

zu Parodontitis (www.paro-check.<br />

de): Die „stille Volkskrankheit“ werde<br />

nach wie vor von einer großen<br />

Mehrheit der Bevölkerung unterschätzt,<br />

der Behandlungsbedarf sei<br />

offensichtlich. Die erfolgreiche Aufklärungsarbeit,<br />

die seit der Einführung<br />

der neuen PAR-Leistungen bundesweit<br />

umgesetzt worden ist, laufe<br />

jedoch ins Leere, wenn dieser Behandlungsstrecke<br />

gleichzeitig die<br />

nötigen Mittel entzogen würden.<br />

KZBV-KAMPAGNE<br />

Es gelte daher, eine nachhaltige Beschädigung<br />

der Versorgungsstrukturen<br />

auf Kosten der Versicherten zu<br />

verhindern, so die einhellige Meinung.<br />

Der Berufsstand müsse sich<br />

gegen die kurzsichtige Sparpolitik<br />

der Bundesregierung zur Wehr setzen.<br />

Kurzfristig sei das Ziel die extrabudgetäre<br />

Vergütung der PAR-Leistungen.<br />

Langfristig kämpfe man für<br />

die generelle Abschaffung von Obergrenzen<br />

im ambulanten Sektor. Damit<br />

war die Ausgangslage für die öffentlichkeitswirksame<br />

Kampagne<br />

„Zähne zeigen“ abgesteckt, die der<br />

KZBV-Vorsitzende tags darauf skizzierte<br />

(siehe Infokasten).<br />

PERSPEKTIVE<br />

Dass das GKV-FinStG nur der Auftakt<br />

für weitere Spargesetze gewesen<br />

sei, darüber bestand wenig Zweifel.<br />

Im Rahmen eines „GKV-FinStG 2.0“<br />

will das Bundesgesundheitsministerium<br />

Empfehlungen für eine stabile,<br />

verlässliche und solidarische Finanzierung<br />

der GKV erarbeiten und hierbei<br />

insbesondere die Ausgabenseite<br />

der GKV betrachten. Die Gesetzgebung<br />

dazu soll noch vor Veröffentlichung<br />

der Empfehlungen des Schätzerkreises<br />

im November 2023 abgeschlossen<br />

sein. Umso überzeugender<br />

und faktenbasiert müsse die Begleitung<br />

der Gesundheitspolitik durch<br />

die zahnärztlichen Körperschaften<br />

gerade bei der geplanten Evaluierung<br />

der Budgetierung im PAR-Bereich<br />

sein.<br />

GESETZESMARATHON<br />

Auch die weiteren, derzeit in der Abstimmung<br />

befindlichen Gesetzesvorhaben<br />

hätten teils unmittelbare Auswirkungen<br />

auf die zahnärztliche Versorgung.<br />

Während das „Versorgungsgesetz<br />

I“ maßgeblich die kommunale<br />

Gesundheitsversorgung in den Blick<br />

nehme, gehe es beim angekündigten<br />

„Versorgungsgesetz II“ um das seit<br />

Jahren virulente Thema der Regulierung<br />

von Medizinischen Versorgungszentren.<br />

Gründung, Zulassung,<br />

Betrieb und Transparenz von<br />

MVZ sollen demnach gerade mit<br />

Blick auf investorenbetriebene MVZ<br />

weiterentwickelt werden. Unabhängig<br />

vom BMG-Entwurf wurde im<br />

Frühjahr 2023 eine Bundesratsinitiative<br />

für ein „iMVZ-Regulierungsgesetz“<br />

auf den Weg gebracht. Wie weitgehend<br />

die finalen Regelungen sein<br />

werden, war bei Redaktionsschluss<br />

noch nicht abzusehen.<br />

Unter dem Dach einer Digitalisierungsstrategie<br />

solle ein „Digitalgesetz“<br />

für Verbesserungen des Behandlungsalltags<br />

mit digitalen Lösungen<br />

sorgen. Das „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“<br />

soll einen sinnvollen<br />

Umgang mit Gesundheitsdaten<br />

sowohl für die Behandlung als<br />

auch für die medizinische Forschung<br />

regeln. Nicht zuletzt sollen bis Ende<br />

September 2023 die Empfehlungen<br />

zum Bürokratieabbau vorliegen. Auf<br />

Basis dieser Empfehlungen soll<br />

schließlich das im Koalitionsvertrag<br />

verankerte „Bürokratie-Entlastungsgesetz“<br />

entstehen. Damit dies nach<br />

jahrelangen Lippenbekenntnissen<br />

wirklich zu spürbaren Erleichterungen<br />

im Praxisalltag führt, ist wiederum<br />

eine enge fachliche Begleitung<br />

durch die (zahn-)ärztlichen Berufsvertretungen<br />

angezeigt.<br />

AUSBLICK<br />

Wie Martin Hendges betonte, seien<br />

somit zahlreiche weitere Vorhaben<br />

und Gesetzgebungen angekündigt<br />

oder bereits in Arbeit, die ein teilweise<br />

hohes Konfliktpotenzial für die<br />

Zahnärzteschaft aufweisen würden.<br />

Daher sei es absolut notwendig, auf<br />

verschiedenen Feldern für den Erhalt<br />

der flächendeckenden Versorgungsstrukturen<br />

und gegen eine weitere<br />

Verschlechterung der Bedingungen<br />

der Berufsausübung anzukämpfen.<br />

INFO<br />

Dr. Holger Simon-Denoix<br />

Die bundesweite Kampagne „Zähne<br />

zeigen“ verfolgt das Ziel, die langfristigen<br />

Folgen der Budgetierung für<br />

die zahnmedizinische Versorgung<br />

am Beispiel der Paradontitisbehandlung<br />

und die Auswirkungen für die<br />

Zahn- und Allgemeingesundheit<br />

aufzuzeigen.<br />

Auf den Seiten 22 ff. lesen Sie mehr<br />

über die Kampagne „Zähne zeigen“<br />

und darüber, wie<br />

die Praxen diese<br />

Kampagne ganz<br />

konkret unterstützen<br />

können.


26_BERUFSPOLITIK<br />

ZBW_7/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Kampagne für eine präventionsorientierte Patientenversorgung<br />

„ZÄHNE ZEIGEN“ GEGEN DIE<br />

FOLGEN DER BUDGETIERUNG<br />

Im vergangenen Jahr wurde mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) die<br />

gesetzliche Budgetierung zahnärztlicher Leistungen wieder aus der Mottenkiste geholt. Und<br />

das, obwohl der Anteil an den Gesamtausgaben der GKV für die vertragszahnärztliche<br />

Versorgung durch die präventionsorientierte Ausrichtung seit Jahren kontinuierlich gesunken ist.<br />

Foto: MEDIUM Werbeagentur GmbH<br />

Informationsplattform. Zentrale Anlaufstelle für die Kampagne „Zähne zeigen“ ist die Webseite www.zaehnezeigen.info. Dort<br />

können sich Interessierte informieren und Protestmails direkt an die regionalen Abgeordneten verschicken.<br />

Im Zielkonflikt zwischen Kostendämpfung<br />

und präventionsorientierter Versorgung<br />

hat sich die Politik ganz bewusst<br />

auf die Seite der Kostendämpfung<br />

geschlagen und damit gegen die Versorgung<br />

und die berechtigten Ansprüche<br />

der Versicherten gestellt. Dies ging klar<br />

zu Lasten der Parodontitistherapie.<br />

Trotz eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

und nachprüfbarer Sachargumente<br />

hat Bundesgesundheitsminister<br />

Lauterbach den Rotstift bei der modernen<br />

Parodontitistherapie angesetzt.<br />

Dieser tiefgreifende politische Einschnitt<br />

kann für die neue Therapie der<br />

Parodontitis nicht ohne Folgen bleiben.<br />

Ganz davon abgesehen, ist eine solche<br />

Politik in höchstem Maße ungerecht gegenüber<br />

denjenigen, die unter hohem<br />

Einsatz während der Corona-Pandemie<br />

die zahnmedizinische Versorgung der<br />

Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt vollumfänglich<br />

erhalten haben und jetzt –<br />

statt einen Ausgleich der gestiegenen Betriebskosten<br />

und der Folgen durch den<br />

zunehmenden Fachkräftemangel zu erhalten<br />

– Gefahr laufen, auch noch durch<br />

die Wiedereinführung der strikten Budgetierung<br />

und der basiswirksamen Limitierung<br />

der Punktwerte die Patientenversorgung<br />

im Bereich der Parodontitistherapie<br />

nicht mehr umfänglich sichern zu<br />

können. Dass letztlich auch die Niederlassungswilligkeit<br />

sinkt und frühzeitige<br />

Praxisschließungen mit fatalen Folgen<br />

für die flächendeckende und wohnortnahe<br />

Versorgung befördert werden, ist<br />

eine logische Folge.<br />

BUNDESWEITE KAMPAGNE<br />

Damit die zahnärztliche Versorgung unserer<br />

Patientinnen und Patienten nicht<br />

unter die Räder gerät und die Zahnarztpraxen<br />

künftig wieder unter angemessenen<br />

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

tätig werden können, hat die KZBV<br />

gemeinsam mit allen KZVen und im<br />

Schulterschluss mit der Bundeszahnärztekammer,<br />

den Länderzahnärztekammern<br />

sowie den zahnärztlichen Verbänden<br />

die bundesweite Kampagne „Zähne<br />

zeigen!“ ins Leben gerufen. Mit ihr sollen<br />

die langfristigen Folgen der Budgetierung<br />

verständlich, nachvollziehbar<br />

und einprägsam kommuniziert werden.<br />

Dabei wollen wir über die Zahnarztpraxen<br />

die Patientinnen und Patienten erreichen.<br />

#ZÄHNEZEIGEN<br />

Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Kampagne<br />

ist die Webseite zaehnezeigen.info,<br />

auf der sich Patientinnen und Patienten<br />

ebenso wie Praxisteams über die drohenden<br />

Folgen für die Versorgung informieren<br />

können. Leicht verständliche


ZBW_7/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

27_BERUFSPOLITIK<br />

Statements und Erklärtexte helfen bei<br />

der Vermittlung der konkreten negativen<br />

Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes.<br />

Mittels QR-Codes<br />

kann von den Materialien direkt die<br />

Kampagnenseite erreicht werden. Zusätzlich<br />

vermittelt ein anschauliches Erklärvideo<br />

die Zielsetzung und Handhabung<br />

der Kampagne im Praxisteam.<br />

Flankiert werden diese Maßnahmen von<br />

einer Social Media-Aktion auf Twitter<br />

und Instagram, die unter dem Hashtag<br />

#zähnezeigen mit ausdrucksvollen Bildern<br />

Aufmerksamkeit erzeugt.<br />

Praxis-Info-Kit: Mit Postern, Flyern und Plakaten können die Praxen auf die Kampagne aufmerksam<br />

machen und so mit den Patientinnen und Patienten ins Gespräch über den Protest<br />

kommen.<br />

PROTESTMAILS<br />

Zudem ruft die Webseite Patientinnen<br />

und Patienten dazu auf, sich direkt an<br />

ihre regionalen Abgeordneten und politische<br />

Entscheidungsträgerinnen und<br />

Entscheidungsträger auf Landes- und<br />

Bundesebene zu wenden. So soll darauf<br />

hingewiesen werden, dass die Kostendämpfungspolitik<br />

der Patientenversorgung<br />

schadet und ein Ende finden muss.<br />

In den kommenden Monaten werden<br />

bundesweit in allen Zahnarztpraxen<br />

doppelseitige Plakate, Postkarten, Informationsflyer,<br />

Thekenaufsteller, Stempel<br />

und Buttons mit der aufmerksamkeitsstarken<br />

Botschaft „Diagnose Sparodontose“<br />

auf die Kampagne aufmerksam<br />

machen. Ergänzt wird dieser Slogan<br />

durch Leitsätze zu drohenden regionalen<br />

Versorgungsproblemen („Versorgung<br />

örtlich betäubt“) und den gekürzten<br />

Mitteln zur Behandlung der Parodontitis<br />

(„Von dieser Gesundheitspolitik<br />

bekommt man Zahnfleischbluten,<br />

Herr Lauterbach“).<br />

Dazu betont Dr. Torsten Tomppert,<br />

Vorstandsvorsitzender der KZV BW<br />

und Präsident der LZK BW: „Wir Zahnärztinnen<br />

und Zahnärzte in Baden-<br />

Württemberg müssen gemeinsam mit<br />

unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

unsere Stimme deutlich erheben<br />

und unsere Patientinnen und Patienten<br />

aufklären. Nur wenn Sie, liebe<br />

Kolleginnen und Kollegen, mit Ihren<br />

Praxisteams die Kampagne „Zähne zeigen!“<br />

aktiv unterstützen, tatkräftig mitarbeiten<br />

und sie in Ihren Praxen an die<br />

Patientinnen und Patienten herantragen,<br />

wird sie ein Erfolg werden. Ihre<br />

KZV BW, die LZK BW und die KZBV<br />

werden Sie in den kommenden Wochen<br />

über die weiteren konkreten Maßnahmen<br />

informieren. Machen Sie mit, wir<br />

brauchen Sie!“<br />

KZBV/KZV BW<br />

INFO<br />

DIE KAMPAGNE „ZÄHNE<br />

ZEIGEN“ AUF EINEN BLICK<br />

Kampagnen-Start: 1. Juni 2023<br />

Laufzeit: Die Kampagne läuft bis<br />

Herbst dieses Jahres und damit parallel<br />

zum politischen Entscheidungsprozess<br />

über Maßnahmen zur langfristigen<br />

Stabilisierung der GKV-Finanzen.<br />

Foto: KZV BW<br />

Ziel: Kurzfristig: PAR-Behandlung<br />

extrabudgetär stellen / Langfristig:<br />

Abschaffung der Budgetierung<br />

Inhalt: Patient*innen werden mobilisiert,<br />

über die Webseite www.zaehnezeigen.info<br />

an ihre lokalen Bundestagsabgeordneten<br />

vorformulierte<br />

E-Mails zu versenden und so politischen<br />

Druck auszuüben.<br />

Info: www.zaehnezeigen.info<br />

sowie auf www.kzvbw.de.<br />

Für alle Fragen rund um die<br />

Kampagne „Zähne<br />

zeigen“ können Sie sich<br />

gerne mit uns in<br />

Verbindung setzen.<br />

Abbildung: KZV BW<br />

„Zähne zeigen“. Unter dem Hashtag<br />

#zähnezeigen geht die Kampagne<br />

online viral. Verschiedene Beispiele<br />

für Posts in den sozialen Medien<br />

sind auf der Kampagnen-Webseite<br />

hinterlegt.<br />

Kontakt: Stabsstelle Kommunikation<br />

und Politik<br />

0711 7877-218<br />

presse@kzvbw.de<br />

Albstadtweg 9<br />

70567 Stuttgart


28_BERUFSPOLITK<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Vertreterversammlung der BZK Freiburg in Rust<br />

ABSCHIED UND NEUWAHL<br />

Traditionell einen Tag vor Beginn der 47. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzteschaft<br />

tagte die Vertreterversammlung der Bezirkszahnärztekammer (BZK) Freiburg. In<br />

diesem Jahr markierte das Treffen der Delegierten – noch vor Ende der Wahlperiode –<br />

einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Freiburger BZK: Nach 12 Jahren im Amt<br />

trat Dr. Peter Riedel von seinem Vorsitz zurück. Als Nachfolger wählten die Delegierten<br />

einstimmig das bisherige Vorstandsmitglied Dr. Norbert Struß.<br />

» Die Verabschiedung des<br />

GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes war<br />

ein rabenschwarzer Tag.«<br />

Dr. Peter Riedel<br />

Foto: Cornelia Schwarz/IZZBW<br />

Neue Strukturen. Als neuer Vorsitzender strebt Dr.<br />

Norbert Struß einen engen Kontakt zu den Universitäten<br />

und einen Schulterschluss in der Zusammenarbeit<br />

mit der Ärzteschaft an.<br />

Die diesjährige Eröffnungsansprache<br />

von Dr. Peter Riedel war zugleich<br />

seine Abschiedsrede. Nach über einem<br />

Jahrzehnt an der Spitze der südbadischen<br />

Zahnärzteschaft gab er<br />

sein Amt vorzeitig ab, da er im Dezember<br />

2022 in den Vorstand der<br />

Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />

(KZV) Baden-Württemberg gewählt<br />

worden war. In seinem Vortrag kritisierte<br />

Riedel vor allem die Digitalisierungsstrategie<br />

des Gesundheitsministeriums.<br />

Sei die Telematik als<br />

größtmögliche Entlastung angekündigt<br />

worden, so habe sich diese „mit<br />

mehr Arbeit als je zuvor“ eher zu einer<br />

Belastung für die Praxen entwickelt.<br />

Auch die Verabschiedung des<br />

GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes<br />

am 20. Oktober 2022 fand keine lobende<br />

Erwähnung in seiner Rede.<br />

„Als rabenschwarzen Tag“, bezeichnete<br />

der scheidende Vorsitzende diesen<br />

Tag, da damit die Parodontitistherapie,<br />

um die man so lange gerungen<br />

hatte, komplett infrage gestellt<br />

würde. Seine Forderung, diese Budgetierungen<br />

abzulehnen, quittierten<br />

die Delegierten mit spontanem Applaus.<br />

FACHKRÄFTEMANGEL<br />

Auch der Fachkräftemangel im Bereich<br />

der ZFA wurde im Rahmen der<br />

Vertreterversammlung (VV) mehrfach<br />

thematisiert. Dr. Bert Bauder,<br />

stellvertretender Präsident der Landeszahnärztekammer<br />

(LZK) Baden-<br />

Württemberg, informierte die VV<br />

über eine geplante Kampagne, mit<br />

der die Kammer potenzielle Auszubildende<br />

auf die attraktiven Karrieremöglichkeiten<br />

in der Zahnmedizin<br />

aufmerksam machen wolle. So soll<br />

der kürzlich veröffentlichte neue<br />

ZFA-Imagefilm noch diesen Sommer<br />

als Werbung in die Kinos kommen.<br />

Zudem wollen die Verantwortlichen<br />

eine Aufwertung des Ausbildungsberufes<br />

durch die Etablierung eines<br />

DH-Studiengangs an der Universität<br />

Freiburg erreichen. Dieser soll in Zusammenarbeit<br />

mit dem Zahnmedizinischen<br />

Fortbildungszentrum (ZFZ)<br />

Stuttgart und Prof. Dr. Petra Ratka-<br />

Krüger etabliert werden.<br />

BILANZ<br />

Dr. Georg Bach, stellvertretender<br />

BZK-Vorsitzender und Gutachterreferent,<br />

gab einen strukturierten<br />

Überblick über die Situation des Gutachterwesens.<br />

Dem Trend der Vorjahre<br />

folgend, nahm die Zahl der Privatgutachten<br />

im letzten Jahr weiterhin<br />

ab. Waren es im Jahr 2017 noch 48<br />

Gutachten, wurden 2023 mit 20 Gutachten<br />

nicht einmal halb so viele angefordert.<br />

Dr. Helen Schultz, Mitglied im BZK-<br />

Vorstand und Ansprechpartnerin für<br />

Studierende und junge Zahnärzt*innen,<br />

berichtete vom Austausch mit<br />

den Studierenden und der Fachschaft.<br />

Dabei wolle man, so ihr erklärtes<br />

Ziel, „jeden Zahnarzt ab dem<br />

Studium bis zur eigenen Niederlassung<br />

begleiten“.<br />

Aus seinem Referat „Praxisführung“<br />

berichtete Dr. Norbert Struß, noch in<br />

seiner Funktion als Mitglied des<br />

BZK-Vorstands, über die Corona-Änderungen<br />

zum 2. Februar dieses Jah-


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

29_BERUFSPOLITK<br />

res und die teilweise recht komplizierten<br />

Regularien der EU-MDR.<br />

Mit sichtlicher Freude blickte Prof.<br />

Dr. Elmar Hellwig auf die Entwicklung<br />

der 47. Jahrestagung der südbadischen<br />

Zahnärzteschaft zurück.<br />

„Mittlerweile ist Rust einer der größten<br />

Kongresse in Deutschland geworden“,<br />

berichtete Prof. Hellwig, der für<br />

die Leitung des wissenschaftlichen<br />

Programms der Tagung verantwortlich<br />

zeichnet. Im Laufe der Jahre seien<br />

über 200 Referent*innen nach<br />

Rust gekommen und stünden nach<br />

wie vor sofort in den Startlöchern,<br />

wenn sie angefragt würden. Trotz der<br />

Vielzahl an hochkarätigen Themengebieten,<br />

die in den Vorjahren bereits<br />

bearbeitet wurden, bekräftigte Prof.<br />

Hellwig, dass er noch zahlreiche Themengebiete<br />

auf der Agenda habe, die<br />

sich als Tagungsschwerpunkt eignen.<br />

WAHLEN<br />

Die an die Vorträge angeschlossenen<br />

Wahlen bestätigten Dr. Norbert Struß<br />

einstimmig, mit einer Enthaltung,<br />

im Amt als neuen Vorsitzenden und<br />

Neuer Vorstand. Prof. Dr. Elmar Hellwig, Dr. Helen Schultz, Dr. Norbert Struß, Dr. Martin Jablonka, und Dr.<br />

Georg Bach (v. l.).<br />

somit als Nachfolger von Dr. Peter<br />

Riedel. Stellvertretender Vorsitzender<br />

bleibt Dr. Georg Bach, Freiburg.<br />

Als neues Vorstandsmitglied wurde<br />

ZA Martin Jablonka, Bad Säckingen,<br />

gewählt. Weitere Mitglieder des Vor-<br />

stands bleiben Prof. Dr. Elmar Hellwig<br />

und Dr. Helen Schultz, beide aus<br />

Freiburg.<br />

Cornelia Schwarz<br />

Foto: C.Schwarz/IZZ BW<br />

Treffen der VV-Vorsitzenden der KZVen<br />

BERUFSPOLITISCHER AUSTAUSCH<br />

Am 12. und 13. Mai 2023 fand auf Einladung der KZV Rheinland-Pfalz in<br />

Ludwigshafen im Hotel der BASF ein Treffen der VV-Vorsitzenden der KZVen statt.<br />

Foto: KZV RLP<br />

Wir haben uns intensiv ausgetauscht<br />

über die zu erwartenden Einschränkungen<br />

im Zahlungsfluss an die Kolleginnen<br />

und Kollegen durch die Budgetierungen<br />

des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes,<br />

über Satzungsangelegenheiten und über<br />

Erfahrungen mit den Aufsichtsbehörden.<br />

Robert Schwan, Vorsitzender der VV der KZV RLP


30_FORTBILDUNG<br />

ZBW_7/2023<br />

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47. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzteschaft in Rust<br />

PRÄVENTION, REPARATUR<br />

UND REGENERATION<br />

Fotos: Michael Bamberger<br />

Zur 47. Jahrestagung der südbadischen Zahnärztinnen und Zahnärzte unter der wissenschaftlichen<br />

Leitung von Prof. Dr. Elmar Hellwig, Freiburg, kamen Mitte April renommierte<br />

Referent*innen aus der Schweiz und Deutschland nach Rust. Mit dem Thema „Prävention,<br />

Reparatur und Regeneration – Bausteine einer minimalinvasiven Zahnmedizin“ erwartete die<br />

über 2000 Teilnehmer*innen ein praxisbezogenes und vielseitiges Fortbildungsprogramm.<br />

Dr. Norbert Struß, der am Vorabend zum<br />

Vorsitzenden der Bezirkszahnärztekammer<br />

Freiburg (BZK Freiburg) gewählt<br />

wurde, eröffnete die Veranstaltung und<br />

freute sich über das große Interesse der<br />

Anwesenden. Er dankte Dr. Peter Riedel,<br />

der nach zwölf Jahren als Vorsitzender<br />

der BZK Freiburg zurückgetreten war, für<br />

seine prägende Rolle in der Entwicklung<br />

dieser Tagung. Dr. Struß lobte Dr. Riedel<br />

für seinen engagierten Einsatz und die<br />

hervorragende Vorbereitung der Tagung.<br />

Ein weiterer Dank ging an Prof. Dr. Elmar<br />

Hellwig für die wissenschaftliche<br />

Vorbereitung und die ausgezeichnete<br />

Wahl des Tagungsthemas. Dr. Struß hob<br />

hervor, dass es erneut gelungen sei, eine<br />

praxisnahe und spannende Fortbildung<br />

zu gestalten, die den Teilnehmenden<br />

wertvolles Wissen vermittle.<br />

Prof. Dr. Elmar Hellwig beschrieb in seiner<br />

Einführung, dass der Einsatz von primärpräventiven<br />

Maßnahmen bekannt<br />

ist, um zahlreiche orale Erkrankungen zu<br />

verhindern oder einzuschränken, um die<br />

Lebensqualität der Patient*innen nicht<br />

zu beeinträchtigen. Weniger offensichtlich<br />

seien jedoch Maßnahmen der sekundären<br />

und tertiären Prävention, die darauf<br />

abzielen, Schäden während oder<br />

nach einer Therapie zu vermeiden. Hierzu<br />

zählen die Vermeidung von periimplantären<br />

Erkrankungen, der Einsatz<br />

spezieller Techniken und Verfahren während<br />

und nach einer Zahnextraktion sowie<br />

reparative und regenerative Verfahren.<br />

Aus diesem Grund sind die Vorträge<br />

auf die Aspekte der Prävention, Reparatur<br />

und Regeneration ausgerichtet.<br />

PERIIMPLANTITIS<br />

Den Auftakt machte Dr. Philipp Sahrmann,<br />

Basel, mit seinem Vortrag „Präventive<br />

Konzepte zur Vermeidung periimplantärer<br />

Erkrankungen“. „Bei Periimplantitis<br />

hat die Vermeidung der Erkrankung<br />

allerhöchsten Stellenwert, weil<br />

die Erfolgsraten der Therapie niedrig<br />

sind“, betonte er. Die Prophylaxe vor Implantation<br />

sei die Grundlage für die spätere<br />

Implantation. Neben der täglichen<br />

Reinigung mit der Single Brush empfiahl<br />

er die Verwendung von Interdental­Bürsten,<br />

insbesondere für einzelne Stellen.<br />

Von Superfloss riet er ab, da das Risiko<br />

von Ablagerungen bestehe, die zu kleinen<br />

Abszessen führen können. Auch die<br />

Rauchberatung sei ein wichtiger Aspekt,<br />

da eine Parodontaltherapie ohne Rauchberatung<br />

als „unethisch“ gelte. Dr. Sahrmann<br />

wies auch auf die hohe Dunkelziffer<br />

von Diabetes mellitus hin, die in<br />

Deutschland bei zwei Millionen liege.<br />

Eine einfache Prüfung könne mittels des<br />

HbA1c­Tests erfolgen. Bei vorhandenen<br />

Implantaten bleibe die Vorgehensweise<br />

im Wesentlichen unverändert. Ursache<br />

und Risikofaktoren müssten kontrolliert<br />

und ein Update der Anamnese durchgeführt<br />

werden. Der Fokus liege auf der<br />

Prüfung von Blutungsneigung und Taschentiefen.<br />

Bei periimplantärer Mukositis<br />

sind spezifische Maßnahmen notwendig,<br />

da herkömmliche Methoden wie die<br />

Verwendung von Chlorhexidin und Natriumhypochlorit<br />

oft begrenzte Wirkung<br />

zeigen. Um die Titanoberflächen zu schonen,<br />

empfahl Prof. Sahrmann, für die<br />

Reinigung Pulverstrahlgeräte einzusetzen,<br />

da sie einen umfassenden Zugang ermöglichten,<br />

nur minimalen Abtrag ver­


ZBW_7/2023<br />

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31_FORTBILDUNG<br />

ursachten und ihre Anwendung für die<br />

Patient*innen angenehm sei. Die gefürchteten<br />

Emphyseme treten laut Dr.<br />

Sahrmann äußerst selten auf. Die Reinigung<br />

mit dem Scaler sei ein weiterer<br />

wichtiger Schritt, bevor die Oberfläche<br />

mit einer Polierpaste oder niedrig abrasiven<br />

Pulvern poliert werden kann.<br />

WEICHGEWEBSAUGMENTATION<br />

Im Vortrag „Weichgewebsaugmentation<br />

mit Gewebeersatzmaterialien“ von Dr.<br />

Dr. Eik Schiegnitz aus Mainz standen<br />

moderne Techniken zur Augmentation<br />

des Weichgewebes im Fokus. Dr. Schiegnitz<br />

hob hervor, dass ein gesundes Weichgewebe<br />

eine wichtige Voraussetzung für<br />

den Langzeiterfolg von Implantaten sei.<br />

Eine Breite der keratinisierten Mukosa<br />

von mehr als drei Millimetern sei entscheidend<br />

für ästhetische Ergebnisse,<br />

während eine reduzierte Breite von weniger<br />

als zwei Millimeter mit einem erhöhten<br />

Risiko für Periimplantitis assoziiert<br />

sei. Autologe Implantate werden laut Dr.<br />

Schiegnitz immer noch als Goldstandard<br />

betrachtet. Bei den Entnahmetechniken<br />

sei die Zucchelli­Technik möglicherweise<br />

weniger invasiv im Vergleich zur Trapdoor­Technik,<br />

jedoch sei die Morbidität<br />

vergleichbar laut wissenschaftlicher Datenlage.<br />

Ein häufiger Fehler bei der Implantatpositionierung<br />

bestehe darin, die<br />

Messung von zwei Millimetern plus der<br />

Hälfte des Implantatdurchmessers zu<br />

vernachlässigen. „Viele Implantate sitzen<br />

zu weit bukkal, weil dies nicht berücksichtigt<br />

wird“, sagte Dr. Schiegnitz. „Zu<br />

tief gesetzte Implantate haben immer<br />

eine Rezession zur Folge.“ Abschließend<br />

bekräftigte er, dass Implantate eine lange<br />

Lebensdauer hätten, wenn die Parameter,<br />

die auch in den Leitlinien beschrieben<br />

seien, beachtet würden.<br />

Begrüßung. Dr. Norbert<br />

Struß eröffnete die<br />

Tagung und wünschte<br />

den Teilnehmenden<br />

eine praxisnahe und<br />

spannende Fortbildung.<br />

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ<br />

Prof. Dr. Falk Schwendicke von der Charité<br />

Berlin präsentierte in seinem Vortrag<br />

„Künstliche Intelligenz für ein modernes<br />

Kariesmanagement?“ die neuesten Diagnosesysteme,<br />

die auf Künstlicher Intelligenz<br />

(KI) basieren. Er illustrierte den<br />

Nutzen der KI anhand der Kariesdiagnostik.<br />

Laut aktueller Zahlen werde mehr<br />

als jede zweite Karies übersehen. Hier setze<br />

die KI als vielversprechendes Einsatzgebiet<br />

an. Prof. Schwendicke machte<br />

deutlich, dass, obwohl der Begriff „Künstliche<br />

Intelligenz“ verwendet werde, diese<br />

Technologie nichts mit dem menschlichen<br />

Gehirn zu tun habe, sondern ausschließlich<br />

auf mathematischen Prinzipien<br />

basiere. Er erläuterte die Bedeutung<br />

des Machine Learning als ein großes Feld<br />

innerhalb der KI. Dies ermögliche KI­Systemen,<br />

aus Fehlern zu lernen und ihre<br />

Leistung im Laufe der Zeit zu verbessern.<br />

Bei der Diagnostik von früher Karies, insbesondere<br />

im Bereich der Schmelzkaries,<br />

sind Studien zufolge die Zahnärzt*innen<br />

der KI unterlegen. Die frühzeitige Erkennung<br />

kariöser Läsionen ist eine Voraussetzung<br />

für eine frühe, kausale und nonrestaurative<br />

Therapie. KI könne die<br />

Karies detektion unterstützen und gleichzeitig<br />

die Dokumentation verbessern.<br />

Prof. Schwendicke fügte hinzu, dass etablierte<br />

non­restaurative Therapien nur bedingt<br />

geeignet seien, frühe Läsionen zu<br />

arretieren. Mikroinvasive Behandlungen<br />

wie die Kariesinfiltration werden vor allem<br />

für Kariesrisikopatient*innen empfohlen.<br />

„Künstliche Intelligenz und moderne<br />

Therapien gehen Hand in Hand“,<br />

sagte Prof. Schwendicke. „Zukünftig<br />

kann die KI die Zahnärzt*innen darin<br />

unterstützen, präzisere und zuverlässigere<br />

Diagnosen zu stellen und beispielsweise<br />

Risikovorhersagen zu treffen.“<br />

Wissenschaftliche Leitung.<br />

Prof. Dr. Elmar Hellwig<br />

hatte die wissenschaftliche<br />

Leitung der Tagung inne<br />

und wartete mit namhaften<br />

Referent*innen auf, die<br />

innovative Ansätze<br />

präsentierten.<br />

DENTALE EROSIONEN<br />

Prof. Dr. Adrian Lussi, Bern, beleuchtete<br />

in seinem Vortrag „Reflux, Erbrechen<br />

und (Mund)gesundheit“ dentale Erosionen.<br />

In den letzten Jahrzehnten habe<br />

sich die Häufigkeit von Reflux um das<br />

Fünffache erhöht. Ein deutlicher Hinweis<br />

auf Reflux sind laut Prof. Lussi beispielsweise<br />

asymmetrische Erosionen<br />

aufgrund einer bevorzugten Schlafseite.<br />

Die Maßnahmen vor der Behandlung<br />

umfassen die Überweisung an den Gastroenterologen,<br />

eine Versiegelung der<br />

überempfindlichen Flächen, Kaugummi<br />

sofort nach dem Essen zur Reduktion<br />

des postprandialen Refluxes, die Verwendung<br />

von zinnhaltigen Fluoridpräparaten<br />

und Restaurationen. Um dentale<br />

Erosionen durch Reflux zu verhindern,<br />

müsse der Lebensstil angepasst werden,<br />

führte Prof. Lussi aus. Dazu gehöre es,<br />

auf fettige Speisen und säurehaltige Lebensmittel<br />

sowie Alkohol und Koffein<br />

zu verzichten und das Körpergewicht zu<br />

reduzieren. Seine Empfehlung beinhaltete<br />

sowohl die kausale Therapie mit Ernährungsberatung,<br />

als auch die symptomatische<br />

Therapie mit Mundspülungen<br />

nach dem Verzehr von sauren Lebensmitteln.<br />

Er räumte auf mit dem „Märchen<br />

der Wartezeit“ und empfahl, die<br />

Zähne unmittelbar nach dem Essen zu<br />

reinigen. Nach einer Refluxepisode sollte<br />

der Mund sofort mit Wasser oder einer<br />

zinnhaltigen Lösung gespült werden.<br />

Wichtig sei auch, zu verstehen, dass<br />

nicht alle sauren Lebensmittel zwangsläufig<br />

erosiv sind. Bei Patient*innen mit<br />

Refluxproblemen könne es sinnvoll sein,<br />

nach dem Essen Kaugummi zu kauen,<br />

da dies den Speichelfluss anrege und helfe,<br />

Säure zu neutralisieren. Es bestehe<br />

eine Wechselbeziehung zwischen Reflux<br />

und Zahngesundheit. Aus diesem Grund<br />

sollten bei Patient*innen mit Refluxproblemen<br />

die Zähne regelmäßig überprüft<br />

werden. Bei auffälligen Erosionen sei es<br />

ratsam, den Zusammenhang mit Reflux<br />

zu überprüfen.


32_FORTBILDUNG<br />

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PARODONTALERKRANKUNGEN<br />

Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Leipzig, unterstrich<br />

in seinem Vortrag die wichtige<br />

Rolle der allgemeinmedizinischen Aspekte<br />

in der Prävention von Parodontalerkrankungen.<br />

Er wies darauf hin, dass<br />

langfristig gesunde, funktionale, ästhetisch<br />

ansprechende und schmerzfreie<br />

Zähne nur erhalten werden können,<br />

wenn auch in der Zahnarztpraxis der Allgemeingesundheit<br />

genügend Aufmerksamkeit<br />

zuteil wird. So stehen beispielsweise<br />

Parodontitis und Diabetes mellitus<br />

in einer bidirektionalen Wechselbeziehung<br />

und Parodontitis sei eine anerkannte<br />

Folgeerkrankung des Diabetes<br />

mellitus. Deshalb empfahl er ein Diabetes­Screening<br />

in der Zahnarztpraxis mittels<br />

eines Fragebogens. Besondere Aufmerksamkeit<br />

sollte auch der Medikamenteneinnahme<br />

von chronisch Kranken<br />

gewidmet werden. Sie benötigen eine<br />

spezielle Anpassung der Behandlungsund<br />

Präventionsmaßnahmen, um potenzielle<br />

Risiken zu minimieren und den<br />

individuellen Bedürfnissen gerecht zu<br />

werden. Als weiteren wichtigen Aspekt<br />

sprach er die Rauchentwöhnung in der<br />

Parodontitistherapie an. Er empfahl<br />

Rauchern, die nicht aufhören wollen,<br />

den Umstieg auf E­Zigaretten nahezulegen.<br />

Dies habe den Vorteil, dass es schadensmindernd<br />

sei und die Wahrscheinlichkeit<br />

des Rauchstopps erhöhe.<br />

KNOCHENERHALT<br />

Prof. Dr. Dr. Peer Kämmerer, Mainz,<br />

ging in seinem Vortrag „Präventionsaspekte<br />

bei Extraktionen zum Knochenerhalt“<br />

auf die gängigsten Techniken<br />

zur Vermeidung einer Kieferatrophie<br />

nach Zahnextraktion ein und veran­<br />

Regenerationskapazität, da hier ein<br />

Raum mit vielen erhaltenen Knochenwänden<br />

innerhalb des Skeletal Envelope<br />

vorliegt“, erläuterte Prof. Kämmerer.<br />

Bei einfachen Defekten könne partikuläres<br />

Material wie xenogene, allogene,<br />

alloplastische oder autologe Knochenmasse<br />

verwendet werden, ergänzt durch<br />

eine Kollagenmembran. Bei komplexeren<br />

Defekten und längeren Wartezeiten<br />

empfahl Prof. Kämmerer die Blocktechnik.<br />

Die Verwendung von extraoralem<br />

Knochenmaterial sei heutzutage selten<br />

geworden. Meistens werde intraoraler<br />

Eigenknochen oder Spenderknochen<br />

Vortragende. Dr. Philipp Sahrmann,<br />

Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Dr. Dr. Eik<br />

Schiegnitz, Dr. Daniel Hellmann, Dr.<br />

Yvonne Wagner, Prof. Dr. Dr. Peer<br />

Kämmerer, Prof. Dr. Dr. Bernd Lapatki,<br />

Prof. Dr. Falk Schwendicke,<br />

Prof. Dr. Adrian Lussi (im Uhrzeigersinn,<br />

beginnend oben links).<br />

schaulichte diese anhand klinischer Beispiele.<br />

Die Erhaltung des Alveolarkamms<br />

ist ein multifaktorieller Prozess,<br />

der von der Konstitution und den individuellen<br />

Eigenschaften der Patient*innen<br />

abhängt. Die Art des Defekts spiele<br />

eine entscheidende Rolle. „Bei vestibulären<br />

Defekten der Alveole verfügen wir<br />

über eine beeindruckende biologische<br />

eingesetzt. Hier empfahl Prof. Kämmerer<br />

die Schalentechnik und den Einsatz<br />

von Mesh. Diese aufwendigen Techniken<br />

seien jedoch nur in selektierten Fällen<br />

notwendig, die immer seltener werden.<br />

WURZELKARIES<br />

Dr. Yvonne Wagner, Stuttgart, legte in<br />

ihrem Vortrag „Moderne Konzepte zur<br />

Prävention koronaler und Wurzelkaries“<br />

dar, dass ein zielgruppenspezifisches<br />

Prophylaxekonzept einen immer höheren<br />

Stellenwert für eine nachhaltige<br />

zahnärztliche Behandlung einnehme.<br />

Im Fokus des modernen Kariesmanagements<br />

stünden präventive Ansätze und<br />

die Kontrolle von Risikofaktoren. Die<br />

Vorbeugung von Karies durch regelmäßige<br />

Zahnpflege und die Verwendung


ZBW_7/2023<br />

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33_FORTBILDUNG<br />

von fluoridhaltigen Produkten sei essenziell.<br />

Die Kontrolle von Risikofaktoren<br />

und eine individuelle Risikoeinschätzung<br />

spielten eine wichtige Rolle,<br />

um das Kariesrisiko zu minimieren.<br />

Eine ausgewogene Ernährung mit reduziertem<br />

Zuckerkonsum sei ebenso wichtig<br />

wie gute Mundhygiene und Biofilmentfernung.<br />

Bestimmte Erkrankungen<br />

und die Einnahme von Medikamenten<br />

könnten die Mundgesundheit ebenso<br />

beeinflussen. Daher sei eine sorgfältige<br />

Überwachung und Anpassung der<br />

zahnärztlichen Behandlung an die individuelle<br />

Situation wichtig. Das Kariesmonitoring<br />

ist ein weiterer wichtiger<br />

Aspekt, auf den Dr. Wagner hinwies.<br />

Durch regelmäßige Überwachung der<br />

Kariesaktivität könne frühzeitig interveniert<br />

werden. „Wir sollten wirklich<br />

erst dann restaurieren, wenn die Oberflächen<br />

eingebrochen sind“, appellierte<br />

Dr. Wagner an die Zuhörenden. „Wir<br />

sollten möglichst immer versuchen, alles<br />

zu remineralisieren und soviel Zahnstruktur<br />

wie möglich zu erhalten.“<br />

LÜCKENSCHLUSS<br />

Prof. Dr. Dr. Bernd Lapatki, Ulm, referierte<br />

über den orthodontischen Lückenschluss<br />

als regenerativen Therapieansatz<br />

nach Zahnverlust oder bei dentalen Aplasien.<br />

Das Fehlen einzelner Zähne kann<br />

auf Extraktionen, Nichtanlage oder dentale<br />

Traumata zurückzuführen sein. Am<br />

häufigsten fehlten nicht erhaltungswürdige<br />

erste Molaren sowie nicht angelegte<br />

5er im Unterkiefer und 2er im Oberkiefer.<br />

Bei Aplasie der Oberkiefer 2er sei der<br />

Oberkiefer 3er als Ersatz geeignet, wenn<br />

er eine Krone habe, die nicht viel breiter<br />

sei als die Oberkiefer 1er und nicht zu<br />

bauchig sei. Auch sollte der Gingivaverlauf<br />

nicht zu hoch sein. Vorteile dieser<br />

Therapieoption sind laut Prof. Lapatki,<br />

dass die Lücke schon früh definitiv geschlossen<br />

ist, Patient*innen den Vorzug<br />

von natürlichen Zähnen als Lückenersatz<br />

hätten und sich funktionell und ästhetisch<br />

ein gutes und langzeitstabiles Ergebnis<br />

biete. Da bisher keine Studien<br />

existieren, die die Vorteile der Eckzahnführung<br />

unterstreichen, sei es kein Problem,<br />

wenn die Eckzahnführung nicht<br />

vorhanden sei, da in diesem Fall der 4er<br />

im Oberkiefer die Funktion des Eckzahns<br />

übernehme. Wenn Weisheitszähne<br />

vorhanden seien, könnten diese beim<br />

Lückenschluss durch Mesialisation der<br />

Molaren in den Zahnbogen integriert<br />

werden, erklärte Prof. Lapatki. Deshalb<br />

appellierte er an die Zuhörenden,<br />

Weisheitszähne nicht ohne<br />

Grund zu ziehen: „Das Argument,<br />

dass sie die Zähne zusammenschieben,<br />

ist wissenschaftlich nicht haltbar.“<br />

FUNKTIONSDIAGNOSTIK<br />

Dr. Daniel Hellmann, Karlsruhe,<br />

gab unter dem Titel „Funktionelle<br />

und restaurative Rehabilitation –<br />

was wir über das kraniomandibuläre<br />

System wissen sollten“ ein Update<br />

zur Funktionsdiagnostik. Er betonte,<br />

dass es keinen generellen Zusammenhang<br />

zwischen okklusalen Abweichungen<br />

von der Norm und der<br />

Entstehung einer craniomandibulären<br />

Dysfunktion (CMD) gebe. Die<br />

Sensoren der Kiefergelenke hätten<br />

nur eine untergeordnete Bedeutung<br />

für die motorische Steuerung des<br />

kraniomandibulären Systems. Während<br />

funktioneller Bewegungen des<br />

Unterkiefers, wie zum Beispiel beim<br />

Kauen, sei die Position der Zahnreihe<br />

die präzise kontrollierte Zielvariable.<br />

Die Steuermechanismen des<br />

kraniomandibulären Systems agieren<br />

strikt okklusionsbezogen. „Deshalb<br />

ist die Bedeutung der Okklusion<br />

im klinischen Kontext enorm“,<br />

unterstrich Dr. Hellmann. „Wenn<br />

wir ein okklusales Konzept vorbehaltlos<br />

umsetzen oder den symptomfreien<br />

okklusalen Status quo<br />

verändern, greifen wir stark in das<br />

äußerst sensible stomatognathe System<br />

ein.“ Es entsteht die Notwendigkeit einer<br />

mehr oder weniger ausgeprägten<br />

Adaption. „Unsere Patienten verfügen<br />

normalerweise über eine enorme Fähigkeit<br />

zur Anpassung des stomatognathen<br />

Systems. Deshalb sollten wir uns bemühen,<br />

diese Anpassungsfähigkeit nicht<br />

unnötig herauszufordern“, appellierte<br />

Dr. Hellmann. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen<br />

Rehabilitation liege daher<br />

nicht in der Perfektion der Umsetzung<br />

okklusaler Konzepte, sondern vielmehr<br />

in der Berücksichtigung der Adaptionsfähigkeit<br />

des stomatognathen Systems.<br />

Deshalb sei es so wichtig, „dem Körper<br />

unserer Patienten im Rahmen der Therapie<br />

ausreichend Zeit für eine neuromuskuläre<br />

und strukturelle Anpassung<br />

zu geben,“ schloss er.<br />

Gabriele Billischek


PRÄSENZ<br />

PRÄSENZ<br />

ABSCHIEDSSYMPOSIUM<br />

UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG<br />

Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie<br />

Prof. Dr. Elmar Hellwig<br />

Samstag, 30. September 2023 | 10 – 17 Uhr<br />

„Rückblicke und Ausblicke in der Zahnerhaltung“<br />

Rückblicke: Alle Habilitanden von Prof. Hellwig<br />

Vorträge:<br />

Prof. Dr. Rainer Seemann, Bern:<br />

„Digitale Zahnmedizin der Zukunft“<br />

Prof. Dr. Adrian Lussi, Bern:<br />

„Prävention von Karies und Erosionen – Was Neues hinterm Horizont?“<br />

Prof. Matthias Hannig, Homburg:<br />

„Speicheldiagnostik – Was bringt die Zukunft?“<br />

Prof. Dr. Bernd Haller, Ulm:<br />

„30 Jahre Direkte Seitenzahnrestauration mit Komposit:<br />

Tops, Flops, Perspektiven“<br />

Prof. Dr. Reinhard Hickel, München:<br />

„Ein arbeitsreiches Leben, aber gelacht haben wir auch…“<br />

Prof. Dr. Elmar Hellwig:<br />

„Mein Weg zum Hochschullehrer“<br />

Mit freundlicher Unterstützung der „Gold-Sponsoren“:<br />

ColgateGaba • DentsplySirona • Intensiv • IvoclarVivadent • Wrigley Oral Healthcare Program<br />

ANMELDUNG UND WEITERE INFORMATIONEN UNTER: WWW.IFG-FORTBILDUNG.DE


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35_FORTBILDUNG<br />

33. Fortbildungstagung der BZK Freiburg für Zahnmedizinische Fachangestellte<br />

FORTBILDUNG IN RUST –<br />

LIVE UND IN FARBE<br />

Mit diesem Versprechen läutete die Referentin für Zahnmedizinische Fachangestellte der BZK<br />

Freiburg, Dr. Priska Fischer, die diesjährige Tagung zum Thema „Prävention, Reparatur, Regeneration<br />

– Bausteine einer minimalinvasiven Zahnheilkunde“ ein. Eloquent und charmant begrüßte sie<br />

das Publikum im ausgebuchten Ballsaal Berlin des Europaparks und bewies gleich zu Beginn<br />

der Live-Veranstaltung Souveränität: Aufgrund eines Technikproblems mussten die beiden ersten<br />

Referenten die Reihenfolge wechseln, doch das geschah unaufgeregt und ohne Zeitverlust.<br />

„Eine detailliert erhobene Allgemeinanamnese<br />

ist nicht nur die Grundvoraussetzung<br />

für die erfolgreiche Therapie von<br />

Parodontalerkrankungen – gute Prävention<br />

steht und fällt mit dem Wissen um<br />

den medizinischen Zustand Ihrer Patienten!“<br />

Mit diesem gleich zu Beginn eindringlichen<br />

Appell betrat Prof. Dr. Dirk<br />

Ziebolz aus Leipzig die Bühne und erläuterte<br />

dem Auditorium fachkundig die<br />

Zusammenhänge zwischen Allgemeinerkrankungen<br />

und ihrem Einfluss auf die<br />

parodontale Gesundheit. Zudem lenkte<br />

Prof. Ziebolz die Aufmerksamkeit auf<br />

Dauermedikationen, die bei der Planung<br />

präventiver Maßnahmen immer wieder<br />

eruiert und bei Bedarf und nach Möglichkeit<br />

angepasst werden sollten.<br />

SÄUREQUELLEN<br />

Den allgemeinanamnestischen Staffelstab<br />

übernahm Prof. Dr. Adrian Lussi aus<br />

Bern gekonnt und übertrug das Thema<br />

elegant auf die immer häufiger zu beobachtende<br />

Problematik der Erosionen.<br />

„Der sauren Ursache für diese nicht bakteriell<br />

induzierte Erkrankung der Zahnhartsubstanzen<br />

auf den Grund zu gehen<br />

und die schuldigen Säurequellen so gut<br />

wie möglich versiegen zu lassen, (sei) im<br />

Rahmen der Therapieplanung unabdingbar“,<br />

so der Berner. Das Verhalten betroffener<br />

Patient*innen umzustellen, sei dabei<br />

eine ebenso große Herausforderung<br />

wie eine psychotherapeutische Begleitung,<br />

bemerkte Prof. Lussi abschließend.<br />

BIOFILM<br />

Unter diesem Aspekt stellte PD Dr.<br />

Philipp Sahrmann aus Basel dem nach<br />

einer ersten Pause frisch gestärkten Publikum<br />

sein wohldurchdachtes und sinnvoll<br />

strukturiertes Konzept zur Periimplantitis-Verhütung<br />

vor. „Entscheidend<br />

sei“, so der Schweizer Fachzahnarzt für<br />

Parodontologie, „sich im Rahmen präventiver<br />

Maßnahmen immer wieder den<br />

Zusammenhang zwischen Ursache einer<br />

Periimplantitis und dem Ziel der Prävention<br />

vor Augen zu führen“. „Den Biofilm<br />

sowie die individuellen Risikofaktoren<br />

unter Kontrolle zu halten, ist das oberste<br />

Credo“, plädierte Sahrmann und knüpfte<br />

damit an die Ausführungen von Prof.<br />

Ziebolz an. Des Weiteren fand er kritische<br />

Worte bezüglich einer vermeintlichen<br />

Effektivität beim periimplantären<br />

Einsatz von Kunststoff- und Titanküretten<br />

und empfahl für die tägliche häusliche<br />

Mundhygiene Schallzahnbürsten<br />

mit kleinem Bürstenkopf.<br />

VUCA-WELT<br />

In ihrem fulminanten Festvortrag führte<br />

Prof. Dr. Jutta Rump, Professorin für<br />

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit<br />

Schwerpunkt Internationales Personalmanagement<br />

und Organisationsentwicklung<br />

an der Hochschule für Wirtschaft<br />

und Gesellschaft Ludwigshafen,<br />

das Publikum in die Arbeitswelt der Zukunft.<br />

„Im Jahr 2027 werden über<br />

700.000 Menschen nicht mehr in der bislang<br />

bekannten Arbeitswelt tätig sein, da<br />

die Nutzung künstlicher Intelligenz weiter<br />

auf dem Vormarsch sein wird“, prophezeite<br />

Prof. Rump. Im Rahmen zunehmender<br />

KI und Digitalisierung in einer<br />

immer ausgeprägter volatilen, ungewissen,<br />

komplexen, mehrdeutigen „VUCA-<br />

Welt“ als Mensch zu bestehen, sei die<br />

Aufgabe von morgen.<br />

Foto: Michael Bamberger<br />

Wegweisend. Dr. Priska Fischer zeichnete für<br />

die Fortbildungstagung im Bereich ZFA verantwortlich<br />

und richtete den Fokus auf eine minimalinvasive<br />

Zahnheilkunde.<br />

PARODONTITIS<br />

Unter dem Titel „UPT & Co. – die Betreuung<br />

von Patient*innen mit Parodontitis<br />

in der Praxis“ referierte Dr. Steffen Rieger,<br />

M.Sc. aus Reutlingen über die konsequente<br />

Betreuung von Parodontitispatienten<br />

in einem funktionierenden Nachsorgeprogramm.<br />

„Dies ist der entscheidende<br />

Erfolgsfaktor für die langfristige Kontrolle<br />

der chronischen Erkrankung“, so Dr.<br />

Rieger. Ausführlich beleuchtete er, worin<br />

sich die Professionelle Zahnreinigung<br />

(PZR) und die Unterstützende Parodontitistherapie<br />

(UPT) unterscheiden, welche<br />

Inhalte zu einer UPT zählen und worauf<br />

es bei ihrer Durchführung ankommt.<br />

Ebenso erklärte er, mit welchen Instrumenten<br />

schonend und dennoch effektiv<br />

gearbeitet werden kann und was es bei der<br />

Erbringung der UPT im Rahmen der aktuellen<br />

Richtlinie zu berücksichtigen gilt.<br />

Im Rahmen seiner Erläuterungen zur<br />

UPT legte Dr. Rieger ein großes Augenmerk<br />

auf die Unersetzbarkeit der ZFA.<br />

Diesen „Ball“ nahm Dr. Priska Fischer am<br />

Ende der Fortbildung gekonnt auf und<br />

dankte den anwesenden ZFAs dafür, „dass<br />

Sie uns in den Praxen so tatkräftig unterstützen“.<br />

Fortbildung in Rust – live und in<br />

Farbe und zudem auch wertschätzend.<br />

Cornelia Schwarz


36_FORTBILDUNG<br />

Lichtpolymerisation<br />

UPDATE UND<br />

MÖGLICHKEITEN<br />

ZUR OPTIMIERUNG<br />

Die Lichthärtung von zahnärztlichen<br />

Materialien ist ein entscheidender<br />

Bestandteil der Füllungstherapie am<br />

Patienten. Es wird aber diesem<br />

Arbeitsschritt leider nicht immer die<br />

volle Aufmerksamkeit geschenkt, die<br />

für eine sichere Aushärtung nötig<br />

wäre 19 und er wird in vielen Praxen an<br />

die ZFA delegiert, die damit eine große<br />

Verantwortung übernimmt. Denn die Oberfläche<br />

lichthärtender Komposite erscheint schon nach<br />

kurzer oder unzureichender Belichtung hart, aber die physikalischen<br />

Werte wie die erzielte Härte – vor allem am Kavitätenboden<br />

–, die Biegefestigkeit sowie die Abrasionswerte,<br />

die letztendlich über die Langzeitperspektive der Restauration<br />

entscheiden 17 , sind damit noch nicht gesichert.<br />

Foto: AdobeStock/Oleg Zhukov<br />

Zum besseren Verständnis der Problematik bei der Lichthärtung<br />

müssen drei Begriffe unterschieden werden:<br />

• Die Lichtleistung einer Lichtquelle: Sie ist die Energiemenge,<br />

die pro Zeitspanne von einer Lichtquelle erzeugt wird, angegeben<br />

in W (Watt).<br />

• Die Lichtintensität: Sie ist die Energiemenge pro Fläche am<br />

Lichtaustrittsfenster, die pro Zeiteinheit ausgestrahlt wird,<br />

angegeben in mW/cm².<br />

• Die Bestrahlungsstärke: Sie gibt an, wie viel Lichtenergie am<br />

Wirkort, also bei den Photoinitiatoren ankommt, bezogen<br />

auf die Fläche, und wird daher ebenfalls in mW/cm² angegeben.<br />

Die empfohlene Intensität in mW/cm² am Lichtaustrittsfenster<br />

eines Lichtgerätes sollte zwischen 800 und 1.500 liegen 13 .<br />

Dieser Wert allein sagt aber noch nichts aus, denn er berechnet<br />

sich ja aus der Lichtleistung der Lichtquelle bezogen auf die<br />

Fläche des Lichtaustrittsfensters: Kleinere Durchmesser haben<br />

somit bei gleicher Lichtleistung der Lichtquelle eine höhere Intensität,<br />

allerdings auch nur eine eingeschränkte Beleuchtungsfläche<br />

(Abb. 1).<br />

LICHTHÄRTENDE FÜLLUNGSMATERIALIEN<br />

Um die physikalischen Eigenschaften lichthärtender Komposit-Füllungsmaterialien<br />

voll nutzen zu können, müssen<br />

sie zu Polymeren vernetzen, indem Radikale die Doppelbindungen<br />

an den Monomeren aktivieren. Die Radikale werden<br />

durch Einwirkung spezifischer Wellenlängen auf die Photoinitiatoren<br />

aktiviert. Diese Wellenlängen werden Absorptionsspektren<br />

genannt und müssen zu den Emissionsspektren<br />

der Lichtgeräte passen. Sie sind also entscheidend<br />

für die sichere Aushärtung des Kompositmaterials, bereiten<br />

aber für das menschliche Auge enorme Probleme 23 , denn gerade<br />

der blaue Wellenlängenbereich ist für die Netzhaut besonders<br />

gefährlich. Darauf weisen bereits Augenärzte hin bezüglich<br />

der verstärkten Nutzung von weißen LEDs in unserer<br />

alltäglichen Umgebung, die ebenfalls hohe Anteile an<br />

Wellenlängen des blauen Lichtes enthalten. Das Licht der<br />

Polymerisationsgeräte kann somit langfristig zur Beeinträchtigung<br />

der Sehfähigkeit führen. Daher sind Orange-<br />

Filter unbedingt erforderlich, um die korrekte Positionierung<br />

des Lichtaustrittsfensters visuell überprüfen zu können<br />

15 .<br />

BELICHTUNGSDOSIS ODER „TOTAL ENERGY CONCEPT“<br />

Zur sicheren Aushärtung eines lichthärtenden Kompositmaterials<br />

wird neben dem entsprechenden Absorptionsspektrum<br />

auch die genügende Menge an Radikalen in der gesamten<br />

Schichtstärke des Komposits nötig, also eine be-


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

37_FORTBILDUNG<br />

stimmte Belichtungsdosis. Dies wird als sogenanntes Total<br />

Energy Concept beschrieben.<br />

Die Belichtungsdosis ist dabei das Produkt aus Bestrahlungsstärke<br />

(also der Lichtenergie, die auf das auszuhärtende<br />

Komposit trifft) multipliziert mit der Belichtungszeit. 6<br />

Dabei gilt diese lineare Beziehung annäherungsweise allerdings<br />

nur im Bereich von Bestrahlungsstärken zwischen 500<br />

und 1.500 mW/cm².<br />

Für eine sichere Polymerisation der aktuellen Komposite ist<br />

für die adäquate Polymerisation eines 2 mm dicken Inkrementes<br />

eine erforderliche Energiedosis von 12.000 bis 24.000<br />

mWs/cm² = 12 bis 24 J/cm² berechnet worden 2,3,6,16,24 . Dadurch<br />

können sich, in Abhängigkeit von der Bestrahlungsstärke<br />

des verwendeten Polymerisationsgerätes, unterschiedlich<br />

lange Belichtungszeiten ergeben. Hochvisköse Bulkfill-<br />

Kompositmaterialien liegen wegen der dickeren Schichtstärke<br />

eher im oberen Bereich, also über 20 J/cm 2,9 .<br />

Lichtgeräte mit hoher Intensität, um ein schnelles Aushärten<br />

in besonders kurzer Zeit zu ermöglichen, werden kritisch<br />

gesehen, da ein Initiatorsystem nur eine bestimmte<br />

Menge an Energie pro Zeiteinheit aufnehmen kann und ab<br />

einer bestimmten Bestrahlungsstärke keine weitere Erhöhung<br />

der Radikalbildung mehr erfolgt 4,8 . Außerdem ist damit<br />

auch eine hohe Wärmeentwicklung verbunden, was die<br />

Gefahr der Pulpaüberhitzung oder Verletzungen des Weichgewebes<br />

erhöht.<br />

POLYMERISATIONS-LICHTGERÄTE<br />

Seit ca. zehn Jahren sind die LEDs (lichtemittierende Dioden)<br />

der Standard in der Lichtpolymerisation geworden 18 ,<br />

die mit einem relativ schmalen Wellenlängenbereich keine<br />

hohen Temperaturen an der Lichtquelle wie bei den Halogen-Lichtgeräten<br />

erzeugen. Daher können sie ohne Kühlung<br />

auskommen und als handliche Akku-Geräte angeboten<br />

werden. 5<br />

Die meisten LED-Polymerisationsgeräte weisen das typische<br />

enge Emissionsspektrum im blauen Wellenlängenbereich<br />

von 430 bis 490 nm auf und daher ist ihr universeller<br />

Einsatz nicht automatisch gegeben. Einige Hersteller (z. B.<br />

Ultradent, Vivadent, GC) bieten sogenannte Multi-Peak-<br />

LED-Lichtgeräte an, die verschiedene LEDs also für blaues<br />

und violettes Licht im Bereich von 385 bis 515 nm einsetzen<br />

und somit für alle lichthärtenden Materialien verwendet<br />

werden können 11,7 .<br />

LICHTSTREUUNG<br />

Ein weiteres Problem bei der Lichthärtung ist die Lichtstreuung,<br />

weil dadurch die Bestrahlungsstärke exponentiell mit<br />

der Entfernung abnimmt. Untersuchungen von Richard<br />

Price haben zeigen können, dass bei einer Entfernung von<br />

sechs mm die Bestrahlungsstärke bis um ca. 50 Prozent, bei<br />

einer Entfernung von 10 mm bis um ca. 80 Prozent abnehmen<br />

kann 10 , Entfernungen, die bei tiefen Kavitäten oder bei<br />

schwer zugänglichen Approximalflächen häufig vorliegen.<br />

Dann müssen die Belichtungszeiten entsprechend verlängert<br />

werden.<br />

Um die Streueffekte zu minimieren, sind bei Lichtgeräten,<br />

deren LEDs direkt vorn am Lichtaustrittsfenster liegen, Linsen<br />

angebracht worden oder das Licht wird durch Faserstäbe<br />

geleitet. Dabei sind parallelwandige sinnvoller als sich zum<br />

Lichtaustrittsfenster verjüngende Lichtleiter. Diese sogenannten<br />

Turbolichtleiter streuen nämlich besonders stark<br />

und zeichnen sich bei zunehmendem Abstand zum Lichtaustrittsfenster<br />

durch einen höheren Abfall der Bestrahlungsstärke<br />

aus 10 (Abb. 2) .<br />

Um die Hygienestandards einzuhalten, sollte der Lichtleiter<br />

idealerweise aus dem Handstück entfern- und autoklavierbar<br />

sein 1 . Ansonsten sind Einmal-Schutzfolien einzusetzen, wobei<br />

darauf zu achten ist, dass die Schutzfolie straff über das<br />

Lichtaustrittsfenster gespannt wird. Sonst kann auch dies bereits<br />

zu einer Verminderung der Bestrahlungsstärke führen.<br />

(Abb. 3)<br />

TEMPERATURENTWICKLUNG<br />

Beim Auftreffen der Lichtwellen auf das Kompositmaterial,<br />

auf die Zahnhartsubstanz und gegebenenfalls auf das benachbarte<br />

Weichgewebe kommt es zu einer Hitzeentwicklung,<br />

die vor allem in tiefen Kavitäten eine Reizung der Pulpa<br />

darstellen kann 7 . Dem kann auch mit Hilfe eines Luftstroms<br />

durch die Mehrfunktionsspritze oder den Suktor zur<br />

1<br />

Vergleich. Unterschiedliche Durchmesser von zwei Lichtaustrittsfenstern.<br />

2<br />

Lichtstreuung. Unterschiedliche Streuung parallelwandiger Lichtleiter<br />

und des Turbo-Tips.<br />

3<br />

Einfluss auf Strahlungsstärke. Ungünstig angelegte Schutzfolien, die<br />

die Bestrahlungsstärke negativ beeinträchtigen.<br />

Abb.: Dr. Uwe BLucnk


38_FORTBILDUNG<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

4<br />

Kühlung entgegengewirkt werden 13 . Bei der Lichthärtung in<br />

Gingivanähe ist zu bedenken, dass das rote Gewebe die Wellenlängen<br />

des blauen Lichts besonders gut absorbieren und<br />

es daher sogar zu Verbrennungen der Gingiva kommen<br />

kann.<br />

ENERGIESTRAHLPROFIL (BEAM PROFILE)<br />

Ebenso wichtig wie das Emissionsspektrum ist auch das sogenannte<br />

Energiestrahlprofil (engl. Beam Profile), die Verteilung<br />

der Bestrahlungsstärke und – bei Geräten mit unterschiedlichen<br />

LEDs – der Wellenlängen auf der Fläche des<br />

Lichtaustrittsfensters. In den Abb. 4 und 5 sind verschiedene<br />

Beam Profiles dargestellt, die deutlich zeigen, wie sehr der<br />

Durchmesser des Lichtaustrittsfensters und die gleichmäßige<br />

Verteilung der Bestrahlungsstärke Einfluss nehmen können<br />

auf die Lichthärtung in Standard-Kavitäten.<br />

Foto Dr. R. Price, Universität Halifax, Kanada<br />

Foto Dr. R. Price, Universität Halifax, Kanada<br />

Farbverteilung. Beam Profiles verschiedener Lichtgeräte, je mehr<br />

unterschiedliche Farben dargestellt werden, desto weniger<br />

gleichmäßig ist die Verteilung der Intensität.<br />

5<br />

Strahlungsleistung. Verteilung der Bestrahlungsstärke in der Kavität<br />

in Abhängigkeit vom Durchmesser und den Beam Profiles<br />

von zwei verschiedenen Lichtgeräten.<br />

WARTUNG<br />

Die benötigte Lichtmenge kann auch durch Verunreinigungen<br />

am Ausgangsfenster des Lichtleiters und durch defekte<br />

Fasern im Lichtleiter beeinflusst werden. Daher sollte auf Beschädigungen<br />

sowie Verschmutzungen des Lichtaustrittsfensters<br />

geachtet und die Intensität (Lichtleistung am Lichtaustrittsfenster)<br />

regelmäßig überprüft werden. 20 Die dazu<br />

angebotenen Lichtmessgeräte, so genannte Radiometer, ergeben<br />

keine verlässlichen Werte 20 , können aber den Verlauf<br />

der Lichtleistung eines Geräts über einen längeren Zeitlauf<br />

erfassen. Innerhalb der angebotenen Lichtmessgeräte zeichnet<br />

sich zurzeit das BluePhase Meter II (Ivoclar Vivadent)<br />

durch die genauesten Werte aus 20 und es kann durch Eingabe<br />

des Durchmessers des Lichtaustrittfensters die Intensität<br />

exakter bestimmen.<br />

AUSWAHL EINES LICHTGERÄTS<br />

Bei der Auswahl des Lichtgeräts sollte bedacht werden, dass<br />

nicht zertifizierte Billig-Angebote nur auf Kosten der Qualität<br />

der LEDs und der verwendeten Elektronik möglich sind.<br />

Es empfiehlt sich daher, Markenprodukte zu wählen, die<br />

durch deren hohe Qualitätskontrolle eine sichere Anwendung<br />

ermöglichen 13 .<br />

Bei der Auswahl sollte auf folgende Aspekte geachtet werden<br />

14 :<br />

• Die Leistung des Gerätes (mW) gibt mehr Auskunft über<br />

die Wertigkeit als die Intensität!<br />

• Entscheidend ist der Durchmesser des Lichtaustrittsfensters.<br />

Empfohlen werden Durchmesser ab ca. 10 mm.<br />

• Die Intensität sollte zwischen 800 und 1.500 mW/cm² liegen.<br />

• Wichtig ist eine geringe Streuung des Lichts mit zunehmender<br />

Distanz!<br />

• Das Emissionsspektrum und die benötigten Wellenlängen<br />

zur Aushärtung des angewendeten Kompositmaterials<br />

sollten übereinstimmen!<br />

• Die Verteilung der Lichtenergie auf der Fläche des Lichtaustrittsfensters,<br />

Beam Profile, sollte gleichmäßig sein!<br />

Ein weiteres Kriterium ist die Form des Lichtleiters. In der<br />

Kinderbehandlung und bei Patienten mit geringer Mundöffnung<br />

sowie beim Einsatz im posterioren Zahnreihenbereich<br />

empfehlen sich an der Spitze verkürzte Lichtleiter<br />

oder die Geräte mit LEDs direkt am Lichtaustrittsfenster.<br />

(Abb. 6)<br />

PROBLEME DER ANWENDUNG<br />

Studien von Richard Price konnten an Phantomköpfen mit<br />

eingebauten Photosensoren eindrucksvoll nachweisen, dass


ZBW_7/2023<br />

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39_FORTBILDUNG<br />

6 7<br />

Abb.: Dr. Uwe BLucnk<br />

Optimale Bestrahlung. Darstellung der unterschiedlichen<br />

Winkelung von Lichtleitern, die verschieden starke Mundöffnungen<br />

benötigen zur Lichthärtung im posterioren Seitenzahnbereich.<br />

Messung. Aufzeichnung der Bestrahlungsstärke am Boden einer 4 mm tiefen Kavität<br />

bei Anwendung eines Lichtgerätes durch verschiedene Studienteilnehmer<br />

(rot vor und grün nach Instruktion zur korrekten Abstützung).<br />

es nicht einfach ist, eine optimale Belichtung am Boden einer<br />

Klasse-I-Kavität sicherzustellen, und dass die Ergebnisse<br />

zwischen den verschiedenen Anwendern große Streuung<br />

aufzeigen 12 . (Abb. 7) Dabei konnte auch gemessen werden,<br />

dass bereits ein Winkel von 30 Grad zu einer Abnahme der<br />

Bestrahlungsstärke um 26 Prozent führt 12 . Außerdem<br />

kommt es bei schrägen Lichteinfallswinkeln zu Schattenbildungen<br />

in der Kavität, wodurch eventuell Teile des Komposits<br />

gar nicht vom Licht erreicht werden.<br />

Zur Sicherstellung einer effektiven Lichthärtung des Komposits<br />

kann es daher nötig sein, in mehreren überlappenden<br />

Zyklen die Lichthärtung durchzuführen. Die effektive Lichthärtung<br />

kann auch unterstützt werden, wenn nach Abnahme<br />

des Metall-Matrizenbandes nochmals der approximale<br />

Kasten von bukkal und oral belichtet wird 21, 22 .<br />

LEITLINIEN<br />

Zur sicheren Lichthärtung sollten folgende Hinweise beachtet<br />

werden 13 :<br />

• regelmäßig die Intensität des Lichtgerätes prüfen,<br />

• das Lichtaustrittsfenster auf Verunreinigungen kontrollieren,<br />

• die korrekte Belichtungszeit für das spezifische Kompositmaterial<br />

wählen,<br />

• das Komposit in der korrekten Schichtstärke applizieren,<br />

• die Entfernung zwischen Lichtaustrittsfenster und Komposit<br />

berücksichtigen und entsprechend die Belichtungszeit<br />

verlängern,<br />

• darauf achten, dass das applizierte Kompositmaterial<br />

vollständig vom Licht erfasst wird,<br />

• mögliche Hitzeschäden bedenken, gegebenenfalls vermindern<br />

mit Mehrfunktionsspritze oder Suktor und<br />

• die Augen schützen.<br />

FAZIT<br />

Damit ein Kompositmaterial seine vollen Eigenschaften entwickeln<br />

kann, muss die Polymerisation zu einer optimalen<br />

Vernetzung der Monomere führen. Bei lichthärtenden Produkten<br />

muss dazu eine ausreichende Belichtungsdosis das<br />

Kompositmaterial erreichen, die sich berechnet aus dem Produkt<br />

der Bestrahlungsstärke (mW/cm 2 ) und der Belichtungszeit.<br />

Die wirksame Bestrahlungsstärke wiederum ist abhängig<br />

von<br />

• der Intensität des Geräts,<br />

• der Entfernung vom Lichtaustrittsfenster,<br />

• dem Winkel der Einstrahlung,<br />

• der Schichtstärke des applizierten Kompositmaterials.<br />

Das kann nur mit visueller Kontrolle des Belichtungsvorgangs<br />

mit Augenschutz erfolgen.<br />

Die Lichtpolymerisation ist also ein komplexer Vorgang,<br />

dem genügend Aufmerksamkeit gewidmet werden muss! Es<br />

kommt somit nicht auf eine möglichst schnelle, sondern auf<br />

eine vollständige Aushärtung an, um dauerhafte Restaurationen<br />

erfolgreich legen zu können.<br />

OA Dr. Uwe Blunck,<br />

Charité-Universitätsmedizin Berlin<br />

Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter<br />

Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: infozahnaerzteblatt.de.<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

0711 222966-14<br />

info@zahnaerzteblatt.de<br />

OA Dr. Uwe Blunck,<br />

Abteilung für Zahnerhaltung,<br />

Präventiv- und<br />

Kinderzahnmedizin<br />

Charité–Universitätsmedizin<br />

Berlin


40_FORTBILDUNG<br />

ZBW_7/2023<br />

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Sportzahnmedizin<br />

ZAHNMEDIZIN: CITIUS,<br />

ALTIUS, FORTIUS?<br />

Sport spielt in der Zahnarztpraxis meist erst eine Rolle, wenn Hilfe nach einem<br />

Sportunfall, der passende Mundschutz für „Kontakt-Sportarten“ gefragt ist oder wenn in<br />

Trainings- bzw. Wettkampfphasen akute Beschwerden entstehen. Das Querschnittsfach<br />

der Sportzahnmedizin erforscht jedoch noch viel mehr: Können Zahnschienen die sportliche<br />

Leistung positiv beeinflussen? Wirkt sich die Mundgesundheit auf die sportliche Leistung<br />

aus oder umgekehrt? Antworten auf diese Fragen sowie eine Einordnung gab eine Online-<br />

Fortbildung der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe im Februar 2023.<br />

Stärker. Pressen oder Beißen mit den Zähnen kann die Maximalkraft steigern, egal ob mit oder<br />

ohne Schiene.<br />

Der Titel der Veranstaltung „Sportzahnmedizin<br />

– Arbeit an der Schnittstelle zwischen<br />

Physiologie, Medizin und Zahnmedizin“<br />

spannte einen weiten Bogen, der<br />

mit Fakten und aktuellen Forschungsergebnissen<br />

gefüllt wurde. Zunächst gab<br />

PD Dr. Daniel Hellmann, Direktor der<br />

Akademie für Zahnärztliche Fortbildung<br />

Karlsruhe, einen Überblick über die Aufgabenbereiche<br />

der Sportzahnmedizin.<br />

Danach stellte er aktuelle Forschungsergebnisse<br />

zur Leistungssteigerung im<br />

Sport durch Performanceschienen vor.<br />

BESSER DURCH SCHIENEN?<br />

Aufbiss-Schiene, Performance-Schiene,<br />

CMD-Schiene – das Phänomen ist mittlerweile<br />

auch auf dem deutschen Sportmarkt<br />

angekommen. Die Werbung ist<br />

verheißungsvoll: „Verbesserte Koordination,<br />

Beweglichkeit, Maximalkraft, Ausdauer<br />

und Regeneration“ verspricht beispielsweise<br />

der Fachverlag „fitness MA-<br />

NAGEMENT“ auf seiner Internetseite.<br />

Dr. Hellmann riet nach einem Blick auf<br />

die aktuelle Forschungslage zu Zurückhaltung.<br />

So ist belegt, dass das Pressen<br />

bzw. Beißen mit den Zähnen zu einer generellen<br />

Steigerung der Erregbarkeit des<br />

motorischen Systems führt – also die<br />

Reizleitung im Nervensystem und damit<br />

auch die Reflexaktivität beeinflusst. Allerdings<br />

spielt es dabei keine Rolle, ob der<br />

Sportler eine Schiene trägt oder nicht.<br />

Foto: Adobe Stock/Wollwerth Imagery<br />

BEISSEN KANN HELFEN<br />

Profi-Sportschützen profitieren davon,<br />

dass durch Beißen die Körperschwankung<br />

verringert werden kann. Sie können<br />

in manchen Positionen ruhiger stehen<br />

und so besser zielen. Jedoch geht<br />

der Effekt nicht auf eine „Versteifung“<br />

zurück, sondern auf die verbesserte motorische<br />

Kontrolle. Studien in Kraftsportarten<br />

berichten von einer Steigerung<br />

der Maximalkraft, vor allem in den<br />

unteren Extremitäten. Diese lässt sich<br />

auf die erhöhte Beißaktivität zurückführen<br />

und kann z. B. im Gewichtheben<br />

Einfluss auf die Leistung nehmen. Auch<br />

in Hochgeschwindigkeitssportarten<br />

(Ski alpin, Motorrad etc.) neigen viele<br />

Sportler zum Beißen, mit dem Ziel einer<br />

verbesserten Stabilität. Dr. Hellmann<br />

betonte, dass auch Placeboeffekte beim<br />

Einsatz von Schienen messbar seien.<br />

Und: Eine Erhöhung der Ausdauerleistungsfähigkeit<br />

konnte bis heute nicht<br />

eindeutig nachgewiesen werden.<br />

BRUXISMUS IST NORMAL<br />

Viele Sportler knirschen während der<br />

sportlichen Aktivität mit den Zähnen,<br />

zum Beispiel Radfahrer und Ruderer im<br />

Endspurt. Anekdotisch berichtete Dr.<br />

Hellmann von einer Unterwasser-Rugby-Spielerin,<br />

die erzählte, sie könne 20<br />

Sekunden länger unter Wasser bleiben,<br />

wenn sie mit großer Kraft auf ihr<br />

Schnorchel-Mundstück beiße. Sie spüre<br />

dadurch eine Reduzierung ihres „Lufthungers“.<br />

Das Beißen auf das Mundstück<br />

führte allerdings zu Schmerzen<br />

im Bereich der Kiefergelenke. Zur Entlastung<br />

beim Sport wurde eine spezielle<br />

Aufbiss-Schiene mit isolierten Aufbissen<br />

im Seitenzahnbereich gefertigt.<br />

CMD DURCH BEISSEN?<br />

Dr. Hellmann wies darauf hin, dass gerade<br />

bei Sportlern, die das Beißen gewollt<br />

oder intuitiv zur Leistungssteigerung<br />

einsetzten, auch mit negativen<br />

Folgen zu rechnen sei. Die umgebende<br />

Muskulatur kann durch die häufige Belastung<br />

geschädigt werden. Wie in der<br />

„normalen Bevölkerung“ treten diese<br />

schmerzhaften Veränderungen in Kiefermuskeln<br />

und -gelenken als Zahn-


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

41_FORTBILDUNG<br />

Individuell. Die Orthopantomogramm-Aufnahme junger männlicher<br />

Leistungssportler zeigen, wie unterschiedlich die orale Entzündungslast<br />

sein kann. Generell ist die Mundgesundheit von Leistungssportlern vergleichbar<br />

mit dem Bevölkerungsdurchschnitt.<br />

Abbildungen: Quintessenz Publishing/<br />

Erstpublikation: Quintessenz 2021;72(9):1052–1062.<br />

schmerzen auf. Die Sportler stellen sich<br />

dann in der Zahnarztpraxis vor. Abschließend<br />

wies Dr. Hellmann darauf<br />

hin, dass es bei einer Cranio-Mandibulären<br />

Dysfunktion (CMD) auch zu einer<br />

Schmerzwahrnehmung in weiteren<br />

Körperregionen außerhalb des Kauorgans<br />

kommen könne. Ursache hierfür<br />

seien subakute Läsionen (Verspannungen<br />

in der Muskulatur, die man bisher<br />

noch nicht als schmerzhaft wahrgenommen<br />

hat), die durch Sensibilisierungsphänomene<br />

des Schmerzleitungssystems<br />

spürbar werden, jedoch nicht in<br />

direktem Zusammenhang mit den<br />

Schmerzen im Kauorgan stehen.<br />

LEISTUNGSSPORT UND ZAHNMEDIZIN<br />

Der zweite Teil der Veranstaltung wurde<br />

von Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Poliklinik für<br />

Zahnerhaltung und Parodontologie der<br />

Universität Leipzig, gestaltet. Unter dem<br />

Titel „Mundgesundheitszustand und belastungsabhängige<br />

Veränderungen bei<br />

Leistungssportlern“ stellte er aktuelle<br />

Forschungsergebnisse vor, verwies allerdings<br />

auch auf die dünne Studienlage.<br />

Problematisch sind zudem Studien, die<br />

im Umfeld von Spitzensportereignissen<br />

wie Olympischen Spielen entstehen.<br />

Denn meist werden dort Patienten einbezogen,<br />

die den zahnmedizinischen Dienst<br />

mit akuten Problemen aufsuchen.<br />

IM FOKUS: ENTZÜNDUNGEN<br />

Prof. Ziebolz zufolge haben deutsche<br />

Sportler generell eine mit der Bevölkerung<br />

vergleichbare Mundgesundheit, etwas<br />

häufiger entzündlich-bedingte Probleme<br />

mit (teil-) retinierten Weisheitszähnen.<br />

Zusätzlich weisen viele Athleten<br />

belastungsabhängige Veränderungen<br />

im Mund auf. Dabei ist Karies weniger<br />

problematisch. Hingegen sind Entzündungen<br />

der Gingiva in verschiedenen<br />

Schweregraden sowie initiale Parodontitis<br />

im Spitzensport weit verbreitet. Allerdings<br />

kann im Spitzensport kein direkter<br />

negativer Einfluss auf die sportliche<br />

Leistungsfähigkeit festgestellt werden.<br />

Ein Großteil der Sportler leidet unter<br />

Beschwerden bzw. Symptomen des<br />

CMD-Spektrums, also Auffälligkeiten<br />

des Kiefergelenks, der Kaumuskulatur<br />

etc. Hier können indikationsbezogene<br />

Aufbissbehelfe (Schienen) einen echten<br />

therapeutischen Nutzen bringen.<br />

EINFLUSS AUF ENTZÜNDUNGEN<br />

Die Mundgesundheit wird nach Prof.<br />

Ziebolz durch drei zentrale Faktoren beeinflusst:<br />

Ernährung, Verhalten und Belastung.<br />

Viele Entzündungen können auf<br />

das Mundpflege-Verhalten der Sporttreibenden<br />

und eine mangelhafte Inanspruchnahme<br />

professioneller präventivzahnmedizinischer<br />

Angebote wie der<br />

Professionellen Zahnreinigung zurückgeführt<br />

werden. Allerdings verwenden<br />

rund 45 Prozent der Athleten regelmäßig<br />

fluoridhaltige Mundspüllösungen, um<br />

ihre Zahngesundheit positiv zu beeinflussen.<br />

Rund 80 Prozent sind mit ihrer<br />

Mundgesundheit zufrieden, was wiederum<br />

das gering ausgeprägte (zahnmedizinische)<br />

Präventionsverhalten gut erklärt.<br />

Denn die meisten Sportler sind der Meinung,<br />

dass ihre sportliche Leistung nicht<br />

von der Mundgesundheit abhängt.<br />

Obwohl sich chronische Entzündungen<br />

im Körper negativ auf Verletzungsanfälligkeit<br />

und Regeneration auswirken, reiche<br />

das Vorliegen einer Gingivitis hierfür<br />

nicht aus, betonte Prof. Ziebolz. Beeinträchtigt<br />

wird die sportliche Leistungsfähigkeit<br />

jedoch durch akute orale Entzündungen<br />

wie eine Perikoronitis oder<br />

auch eine etablierte Parodontitis, hier<br />

vor allem bei älteren oder vorerkrankten<br />

Sportlern, z.B. im Rehasport. Damit ist<br />

die Parodontitis jedoch kein typisches<br />

Problem im Spitzensport.<br />

SCHADET LEISTUNGSSPORT?<br />

Am Beispiel Marathonlauf erläuterte<br />

Prof. Ziebolz die Auswirkungen extremer<br />

Ausdauerbelastungen auf das Immunsystem.<br />

Unmittelbar nach einem Marathon<br />

und bis zu 24 Stunden danach sind unterschiedliche<br />

und zunehmende Entzündungsprozesse<br />

im Körper nachweisbar.<br />

Das Immunsystem ist dadurch einerseits<br />

stark aktiviert, gleichzeitig ist die Immunabwehr<br />

geschwächt, so dass Angriffen<br />

von außen nicht wirksam begegnet<br />

werden kann. Dieser so genannte „Open-<br />

Windows-Effekt“ führt regelmäßig auch<br />

zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Das<br />

Stressphänomen zeigt sich im Blut und<br />

auch im Speichel (durch Nachweis von<br />

Cortisol, Testosterol und proinflammatorischen<br />

Markern). Der Nachweis in der<br />

Mundhöhle legt nahe, dass dort möglicherweise<br />

auch Entzündungen verstärkt<br />

werden. Dies könnte unter Umständen<br />

eine Erklärung für das vermehrte Auftreten<br />

gingivaler Entzündungen vornehmlich<br />

bei Ausdauersportlern sein.<br />

WECHSEL DER PERSPEKTIVE<br />

Abschließend verwies Prof. Ziebolz auf<br />

die vordringlichste Aufgabe der Zahnärzteschaft:<br />

Die Gesundheit der Menschen<br />

zu erhalten – auch wenn deren<br />

sportliche Leistung dadurch nicht gefördert<br />

werden kann. Ziel der (Sport-)<br />

Zahnmedizin kann die Vermeidung und<br />

Reduktion von Entzündungen durch<br />

professionelle zahnmedizinische Angebote<br />

sein. Hierzu zählen auch präventionsorientierte<br />

Betreuungskonzepte mit<br />

dem Ziel, Kenntnis- und Verhaltensänderungen<br />

bei Sportlern zu bewirken –<br />

und natürlich eine zeitgemäße zahnärztliche<br />

präventionsorientierte Betreuung.<br />

Kerstin Sigle<br />

INFO<br />

AUFGABENBEREICHE DER<br />

SPORTZAHNMEDIZIN<br />

• Trauma und Traumaprävention<br />

• Antierosive, rekonstruktive Konzepte<br />

• Antiinflammatorische Konzepte<br />

• Craniomandibuläre Funktion –<br />

Auswirkungen der CMD im Sport<br />

• Atmungsverbessernde Konzepte


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gemeinsam mit der DGDH-Jahrestagung<br />

Melden Sie sich jetzt an und erleben Sie ein vielfältiges Programm für das gesamte Praxisteam.<br />

Ihre Gastgeberin PD Dr. Yvonne Wagner (Direktorin des ZFZ Stuttgart) freut sich auf Sie.<br />

+ SOMMER-AKADEMIE: „Schmerzpatienten<br />

in der Zahnarztpraxis –<br />

Die häufigsten Diagnosen und ihre<br />

Behandlungen“<br />

+ Auswahl aus vielen Workshops<br />

oder Vorprogramm für Mitarbeiter<br />

der Praxisverwaltung<br />

+ alle Vorträge inkl. Diskussionen<br />

On-Demand bis 31.08.2023 abrufbar<br />

+ spannendes Rahmenprogramm<br />

+ ausgelassenes BBQ<br />

SOMMERAKADEMIE 7.-8. JULI 2023<br />

7. Juli 2023: Präsenz 7. Juli 2023: Präsenz oder Livestream<br />

Vorprogramm Teil 1: Abrechnung /<br />

PAR Abrechnung in der GOZ<br />

Dr. Dr. A. Raff<br />

Vorprogramm Teil 2:<br />

How not to get shot: Professioneller<br />

Umgang mit Patient:innen in<br />

anspruchsvollen Situationen<br />

Dr. Martin Simmel<br />

Der etwas andere Schmerzpatient<br />

oder auf was muss ich in der<br />

Kommunikation achten<br />

Dr. Christian Bittner


Präsenzveranstaltung im Forum<br />

Ludwigsburg oder als Live-Stream<br />

und On-Demand<br />

7. Juli 2023: Präsenz oder Livestream<br />

Präsenzveranstaltung<br />

im Forum Ludwigsburg<br />

oder als Live-Stream<br />

und On-Demand<br />

Endodontische Schmerzen:<br />

Diagnostik und Therapie?<br />

Prof. Dr. David Sonntag<br />

8. Juli 2023: Livestream<br />

Schmerzpatienten aus Sicht der<br />

Chirurgie / Chirurgische Notfälle<br />

im Notdienst<br />

Prof. Dr. Marco Kesting<br />

Notfälle in der Zahnarztpraxis –<br />

von A wie Aspiration bis Z<br />

wie Zyanose<br />

Dr. med. Jens Reichel<br />

6. Juli 2023<br />

DGDH-Jahrestagung<br />

Vorträge 9 – 18 Uhr<br />

7. Juli 2023<br />

Workshops / Vorprogramm<br />

9 – 12 Uhr<br />

Vorträge 13.30 – 18 Uhr<br />

Abendprogramm mit<br />

Barbecue 18.30 – 23 Uhr<br />

8. Juli 2023<br />

Vorträge 9 – 15.45 Uhr<br />

im Livestream<br />

bis 31. August 2023<br />

On-Demand verfügbar<br />

PAKET AUSWÄHLEN,<br />

ANMELDEN, ERLEBEN<br />

DGDH<br />

ONLY<br />

(Paket 1)<br />

SOMMER-AKADEMIE<br />

CLASSIC (Paket 2)<br />

Unsere Empfehlung<br />

Schmerzpatienten aus Sicht<br />

der Parodontologie<br />

Prof. Dr. Hendrik Dommisch<br />

Notfall und Schmerzpatienten<br />

aus Sicht der Kieferorthopädie<br />

Dr. Christroph-Ludwig Henning<br />

Der kindliche Schmerzpatient<br />

oder Schmerzfälle in der<br />

Kinderzahnheilkunde<br />

Prof. Dr. Katrin Bekes<br />

SOMMERFEST<br />

XXL<br />

(Paket 3)<br />

SOMMER-AKADEMIE<br />

ONLINE<br />

(Paket 4)<br />

Platinsponsoren<br />

Schmerzpatienten<br />

aus Sicht der Prothetik<br />

Prof. Dr. Nicole Passia<br />

Goldsponsor<br />

Zahnmedizinisches<br />

FortbildungsZentrum<br />

Stuttgart<br />

Eine Einrichtung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg<br />

Körperschaft des öffentlichen Rechts


44_PROPHYLAXE<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS•6)<br />

DEUTSCHLAND IN DEN MUND<br />

GESCHAUT<br />

Die Mundgesundheit der Bevölkerung in Deutschland wurde zuletzt vor acht Jahren<br />

im Rahmen der fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) untersucht. Nun<br />

steht die sechste Auflage der oralepidemiologischen Studie an. Insgesamt wird<br />

dabei etwa 4000 Personen aus allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten auf<br />

den Zahn gefühlt, um genaue Aussagen über die Gesundheit der Zähne und des<br />

Mundes von Menschen in Deutschland treffen zu können. Hier ein Einblick in die<br />

Felduntersuchungen in Ditzingen bei Stuttgart.<br />

Proband. Ein 12-jähriger Studienteilnehmer lässt sich bereitwillig von Zahnarzt Lucas Szabo in<br />

den Mund schauen.<br />

„Bitte zählen Sie mir auf, was Sie alles regelmäßig<br />

beim Zähneputzen und zur<br />

Zahnpflege benutzen“, mit diesem Satz<br />

beginnt für alle Probandinnen und Probanden<br />

der Untersuchungstermin im<br />

Rahmen der DMS-6-Studie. Sie trägt<br />

den Titel „Deutschland auf den Zahn gefühlt“.<br />

An 90 verschiedenen Orten in<br />

Deutschland wird bis zum Sommer<br />

2023 insgesamt etwa 4000 Menschen genauestens<br />

in den Mund geschaut, davon<br />

in neun Untersuchungszentren in Baden-Württemberg.<br />

Eines ist das Hotel<br />

Dobler Green in Gerlingen bei Stuttgart,<br />

das als Anlaufstation für die Teilneh-<br />

menden aus Ditzingen dient. Hier untersuchte<br />

das DMS-Studienteam, bestehend<br />

aus Zahnarzt Lucas Szabo und Interviewer<br />

Rony Jolak, im April 2023<br />

sechs Tage in Folge etwa 50 ausgewählte<br />

Personen. Und hier durfte das ZBW einen<br />

ganzen Nachmittag lang zuschauen.<br />

STUDIE<br />

Die DMS ist die größte Untersuchung<br />

zur Mundgesundheit, zum Mundgesundheitsverhalten<br />

und zur zahnmedizinischen<br />

Versorgungssituation in<br />

Deutschland. Langfristig gibt die DMS<br />

im Vergleich mit früheren Auflagen einen<br />

Überblick über Zunahme oder<br />

Rückgang von oralen Erkrankungen.<br />

Zudem werden Anhaltspunkte für mögliche<br />

Verbesserungen der zahnmedizinischen<br />

Vorsorge und Behandlung oder<br />

schwierige Versorgungsstrukturen ermittelt,<br />

um entsprechend gegensteuern<br />

zu können. Die Ergebnisse bieten am<br />

Ende eine Basis für die gesundheitspolitische<br />

Diskussion sowie für die Entwicklung<br />

zukünftiger Versorgungskonzepte.<br />

Folgende Altersgruppen stehen bei der<br />

DMS • 6 im Fokus: 12-Jährige, 20-Jährige,<br />

35- bis 44-Jährige, 43- bis 52-Jährige, 65-<br />

bis 74-Jährige sowie 73- bis 82-Jährige.<br />

Die Kohorten sind so angelegt, dass eine<br />

Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen<br />

aus der vorherigen DMS und zukünftigen<br />

Studien gewährleistet ist. Das Institut<br />

der Deutschen Zahnärzte (IDS) leitet<br />

die Studie. Finanziert wird sie von der<br />

Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen<br />

Bundesvereinigung.<br />

Die Firma Cerner Enviza (zuvor Kantar)<br />

ist für die Studienorganisation in Zusammenarbeit<br />

mit Infratrend zuständig.<br />

AUFWAND<br />

Wer auf der Basis von statistischen Faktoren<br />

aus dem Melderegister des Einwohnermeldeamtes<br />

ausgewählt wurde,<br />

wird zuerst schriftlich kontaktiert und<br />

soll einen schriftlichen Fragebogen beantworten.<br />

Anschließend folgt die Einladung<br />

zu einem Termin. Am Untersuchungstag<br />

stellen sich die Probandinnen<br />

und Probanden zuerst einem Interview,<br />

müssen anschließend ihre Zähne<br />

putzen – wenn sie es erlauben, sogar mit<br />

Videoaufzeichnung – anschließend<br />

folgt die ausführliche Untersuchung<br />

durch den Studienzahnarzt. Insgesamt<br />

dauert das Prozedere zwischen 30 (bei<br />

12-Jährigen) und 45 Minuten (bei Er-


ZBW_7/2023<br />

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45_PROPHYLAXE<br />

PAR-Untersuchung. Damit die umfangreiche Erhebung des parodontalen Befundes der 20-jährigen<br />

Probandin zügig und fehlerfrei erfolgt, assistiert Rony Jolak (l.) Zahnarzt Lucas Szabo (r.) bei der Eingabe<br />

der Untersuchungswerte.<br />

Hygiene. Diese Zahnputzeinheit zeichnet<br />

auf, wie sich die Probandinnen<br />

und Probanden die Zähne putzen.<br />

Fotos: Claudia Richter<br />

wachsenen). Die Teilnahme ist freiwillig,<br />

pro Untersuchungsort werden um<br />

die 50 Personen untersucht. Um diese<br />

Anzahl zu erreichen, müssen im Vorfeld<br />

bis zu 150 Personen angeschrieben werden.<br />

Wer nicht zum Untersuchungszentrum<br />

kommen kann, wird zuhause oder<br />

in der Betreuungseinrichtung befundet.<br />

Berufstätige bekommen zudem die<br />

Möglichkeit, sich abends oder an einem<br />

Samstag untersuchen zu lassen. Als<br />

Aufwandsentschädigung erhalten die<br />

Teilnehmenden mindestens 20 Euro.<br />

ABLAUF<br />

Zurück zum Hotel Dobler Green in<br />

Gerlingen: Dem Team Lucas Szabo und<br />

Rony Jolak steht für die Studie ein Tagungsraum<br />

zur Verfügung, den sie sich<br />

nach den erforderlichen Abläufen und<br />

Hygienerichtlinien selbst eingerichtet<br />

haben. Es gibt einen kleinen Empfangsbereich,<br />

eine Zahnputzstation sowie<br />

eine Untersuchungseinheit. Inzwischen<br />

hat sich die erste Probandin, eine<br />

12-Jährige, mit ihrer Mutter eingefunden.<br />

Befragung und Untersuchung von<br />

Minderjährigen erfolgen stets in Absprache<br />

mit den Erziehungsberechtigten.<br />

Nachdem beide die Fragen beantwortet<br />

haben, geht es ans Zähneputzen,<br />

und zwar so, wie es zuhause gemacht<br />

wird, mit den persönlichen Zahnputzutensilien.<br />

Anschließend darf das Mädchen<br />

auf der Untersuchungsliege Platz<br />

nehmen und eine Schutzbrille aufsetzen,<br />

damit die Lichtquelle nicht blendet.<br />

Um den Zustand der Zähne adäquat<br />

beurteilen zu können, benötigt<br />

der Zahnarzt Lucas Szabo eine perfekte<br />

Ausleuchtung. Er erläutert während der<br />

Untersuchung alle Arbeitsschritte und<br />

geht beruhigend auf die junge Probandin<br />

ein. Zuerst erfolgt der Zahnbefund,<br />

anschließend wird der Kariesstatus erhoben.<br />

Bis zum Alter von 20 Jahren<br />

wird außerdem nach einer Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation<br />

geschaut.<br />

Die Plaque-Untersuchung kommt zum<br />

Schluss. Dazu werden die Zähne eingefärbt.<br />

Nun zeigt sich, wie gut das vorherige<br />

Zähneputzen durchgeführt wurde.<br />

Lucas Szabo trägt alle Daten gewissenhaft<br />

in seinen Laptop ein. Die Dokumentation<br />

der Untersuchung erfolgt<br />

anonymisiert, d. h. die Probandin erscheint<br />

im System lediglich als Identifikationsnummer,<br />

die keinerlei Rückschlüsse<br />

auf die Person ermöglicht. Die<br />

Untersuchung ist eine reine Aufnahme<br />

des Ist-Zustands. Es wird nicht behandelt,<br />

nur geschaut. Auf Nachfrage gibt<br />

Lucas Szabo Auskunft, ob alles mit den<br />

Zähnen in Ordnung ist. Wäre etwas<br />

nicht okay, würde er einen Besuch beim<br />

Hauszahnarzt empfehlen.<br />

UNTERSUCHUNGSPARAMETER<br />

Bei Erwachsenen dauert die Untersuchung<br />

etwas länger, weil neben Zahnbefund,<br />

Karies und Plaque noch weitere<br />

Kriterien wichtig sind. Ab dem Alter von<br />

20 Jahren wird zusätzlich ein parodontaler<br />

Befund erhoben sowie die Abnutzung<br />

von Zahnhartsubstanzen ermittelt. Ab<br />

35 Jahren wird außerdem nach Wurzelkaries<br />

geschaut und der Zahnersatz dokumentiert.<br />

Ab 65 Jahren kommt die<br />

Untersuchung der Mundschleimhaut<br />

hinzu sowie die Messung der Belastbarkeit<br />

des älteren Menschen bei der zahnärztlichen<br />

Behandlung, seiner Mundhygienefähigkeit<br />

und Eigenverantwortlichkeit.<br />

Am umfangreichsten ist die Parodontaluntersuchung<br />

mit Bestimmung<br />

von Gingivahöhe, Sondierungstiefen<br />

und Attachmentlevel. Bei den Altersgruppen<br />

20, 35 bis 44 und 65 bis 74 Jahre<br />

findet dazu ein Full-Mouth-Recording<br />

an allen Zähnen statt.<br />

TEAMARBEIT<br />

Zahnarzt Lucas Szabo und Interviewer<br />

Rony Jolak sind als Team gut aufeinander<br />

abgestimmt. Sie reisen mit einem<br />

großen Transporter von einem Untersuchungszentrum<br />

zum nächsten und sind<br />

meist drei Wochen am Stück unterwegs.<br />

Dann folgt eine Woche Pause. Lucas Szabo<br />

hat sich für die Mitarbeit an der<br />

DMS • 6 beworben, weil er nach seiner<br />

Assistenzzeit die Chance nutzen wollte,<br />

um etwas ganz Neues zu machen, bevor<br />

er sich als Zahnarzt niederlässt – vermutlich<br />

in Baden-Württemberg. „Außerdem<br />

finde ich es sinnvoll und spannend, sich<br />

im öffentlichen Gesundheitswesen einzubringen<br />

und an einer großen Studie<br />

mitzuarbeiten“, erläuterte er seine weiteren<br />

Beweggründe, an der Studie mitzuarbeiten.<br />

AKZEPTANZ<br />

Unter den Teilnehmenden in Gerlingen<br />

gab es einige „Wiederholungstäter“, d. h.<br />

sie nahmen nicht zum ersten Mal an der<br />

DMS-Felduntersuchung teil. Die 20-jährige<br />

Probandin war als 12-Jährige schon<br />

dabei. Der 74-Jährige kam bereits zum<br />

dritten Mal und bedauerte es sehr, dass<br />

er bei der nächsten Studie vermutlich zu<br />

alt sein wird, um mitmachen zu dürfen.<br />

Dies zeigt, dass die Teilnahme an der<br />

Studie nicht als Belastung wahrgenommen<br />

wird, sondern als wichtiger persönlicher<br />

Beitrag zu einer großen gesellschaftsrelevanten<br />

Studie. Die Veröffentlichung<br />

der Ergebnisse der DMS • 6 wird<br />

in zwei Publikationswellen in den Jahren<br />

2025 und 2026 erfolgen. Das ZBW wird<br />

darüber berichten.<br />

Claudia Richter


46_PROPHYLAXE<br />

ZBW_7/2023<br />

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Einblicke in die Arbeitsfelder der Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit<br />

VON HÜRDEN UND<br />

HERAUSFORDERUNGEN<br />

Das Interview mit Carolin Möller-Scheib, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

für Zahngesundheit (LAGZ) e. V. gewährt einen Einblick in die Herausforderungen, denen<br />

sich die regionalen Arbeitsgemeinschaften nach der Pandemie stellen müssen. Zudem<br />

wird die Bedeutung der Patenzahnärzt*innen beleuchtet, die mit ihrer engagierten Arbeit<br />

in den Kitas im Land einen wertvollen Beitrag zur Zahn- und Mundgesundheit der Kinder<br />

leisten. Im Fokus stehen außerdem aktuelle Projekte und neue Ideen.<br />

Foto: G. Billischek<br />

Ausgezeichnet. Carolin Möller-Scheib (r.) präsentierte das mit dem Wrigley-Prophylaxe-Preis ausgezeichnete<br />

Projekt „Mäusezähnchen“, das speziell für die Gruppe der unter Dreijährigen konzipiert wurde.<br />

In Baden-Württemberg haben wir<br />

derzeit 37 regionale Arbeitsgemeinschaften<br />

mit über 170 Prophylaxe-<br />

Fachkräften. Aktuell verzeichnen<br />

wir allerdings vermehrt Altersabgänge<br />

und haben Probleme, diese<br />

Stellen mit qualifiziertem Fachpersonal<br />

neu zu besetzen. Gegenwärtig<br />

drückt uns deshalb auch der Schuh<br />

hinsichtlich der Risikogruppen und<br />

bei der Versorgung der unter Dreijährigen.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

setzen wir deshalb auch viel Hoffnung<br />

auf ein mit dem Wrigley-Prophylaxe-Preis<br />

ausgezeichneten Projekt,<br />

das von der AG Rhein-Neckar-<br />

Kreis konzipiert wurde. Es ist speziell<br />

für die Gruppe der unter Dreijährigen<br />

erdacht worden und heißt<br />

„Mäusezähnchen“. Als Erfolg empfinde<br />

ich auch die seit Corona gewachsene<br />

Zusammenarbeit zwischen<br />

der Geschäftsstelle und den<br />

regionalen Arbeitsgemeinschaften.<br />

Zurzeit treibt das Land vor allem der<br />

Engpass im Bereich der Patenzahnärzt*innen<br />

um. Welche Auswirkungen<br />

hat diese Versorgungslücke?<br />

ZBW: Corona hat die Arbeit der regionalen<br />

Arbeitsgemeinschaften der LAGZ<br />

massiv beeinträchtigt. Frau Möller-<br />

Scheib, wie ist die Resonanz aus den<br />

Arbeitsgemeinschaften? Können diese<br />

die Pandemie mittlerweile der Vergangenheit<br />

zuschreiben oder sind noch<br />

Ausläufer davon in der täglichen Arbeit<br />

zu spüren?<br />

Es gibt keine Einschränkungen mehr<br />

und wir befinden uns im regulären<br />

Betrieb. In den Schulen finden die<br />

Vorsorgeuntersuchungen durch die<br />

Jugendzahnärzt*innen des Öffentlichen<br />

Gesundheitsdienstes wieder wie<br />

gewohnt statt. Und im Bereich der<br />

zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe<br />

sind unsere Fachfrauen in<br />

den Kindertageseinrichtungen und<br />

Schulen stark nachgefragt. Wir spüren,<br />

dass hier ein hoher Nachholbedarf<br />

besteht, jedoch haben wir<br />

Schwierigkeiten, diesem aus personellen<br />

Gründen, vollständig gerecht<br />

zu werden.<br />

Wenn wir in die einzelnen AGs schauen,<br />

wie sind diese aktuell aufgestellt?<br />

Welche Schuhe drücken und welche<br />

Erfolge werden gefeiert?<br />

Zunächst können natürlich mit weniger<br />

Patenzahnärzt*innen weniger<br />

Kitas mit Vorsorgeuntersuchungen<br />

betreut werden. Das ist vor allem für<br />

die Kinder ein Problem, die zu den<br />

Risikogruppen gehören. Daraus<br />

folgt dann natürlich auch ein Mangel<br />

an Präventionsangeboten in den<br />

Praxen, wie man im aktuellen KKH-<br />

Report lesen kann. Und schließlich<br />

werden bedauerlicherweise diejenigen,<br />

die ohnehin schon sozial benachteiligt<br />

sind, noch weiter vernachlässigt.<br />

Woran liegt es Ihrer Ansicht nach,<br />

dass immer weniger Patenzahn-


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

ärzt*innen im Einsatz sind? Eigentlich<br />

ist dieses Ehrenamt doch eine sehr<br />

schöne Aufgabe.<br />

Meiner Ansicht nach liegt die geringere<br />

Anzahl von Patenzahnärzt*innen<br />

hauptsächlich daran, dass der<br />

Workload für die verbleibenden<br />

Zahnarztpraxen aufgrund der Praxisschließungen<br />

aus Altersgründen<br />

im Laufe der Jahre deutlich gestiegen<br />

ist. Dies führt dazu, dass weniger<br />

Zahnärzt*innen die zusätzliche Zeit<br />

und Ressourcen haben, um sich ehrenamtlich<br />

einzubringen.<br />

Obwohl das Ehrenamt als Patenzahnarzt*ärztin<br />

eine sehr schöne<br />

Aufgabe sein kann, erfordert es eine<br />

gewisse Zeitinvestition. Die verbleibenden<br />

Zahnarztpraxen sind bereits<br />

mit einem erhöhten Arbeitspensum<br />

konfrontiert, da sie die Patientenversorgung<br />

für eine größere Bevölkerung<br />

übernehmen müssen. Dies lässt<br />

weniger Raum und Zeit für zusätzliche<br />

ehrenamtliche Tätigkeiten.<br />

Gibt es ein Maßnahmenpaket, um<br />

diesen Zustand zu ändern?<br />

Ende letzten Jahres einigte sich der<br />

LAGZ-Vorstand darauf, die Ehrenamtspauschale<br />

für diese Einsätze zu<br />

erhöhen. Zudem hat die Landeszahnärztekammer<br />

einen, wie ich finde,<br />

sehr schönen Flyer für die Gewinnung<br />

von Patenzahnärzt*innen konzipiert.<br />

Darüber hinaus versuchen<br />

die Bezirkszahnärztekammern ebenfalls<br />

im persönlichem Austausch, beispielsweise<br />

bei Neugründungen oder<br />

bei Infoveranstaltungen, für das Thema<br />

zu sensibilisieren. Auch die regionalen<br />

Arbeitsgemeinschaften sind<br />

hier aktiv und gehen persönlich auf<br />

die Kreisvorsitzenden zu.<br />

Mit welchen weiteren Herausforderungen<br />

sieht sich die LAGZ aktuell<br />

konfrontiert?<br />

Neben dem Mangel an Patenzahnärzt*innen<br />

ist es, wie bereits erwähnt,<br />

vor allem das Rekrutieren von neuem<br />

Personal und die Versorgung der unter<br />

Dreijährigen. Aber auch die steigende<br />

Zahl von Migrant*innen und<br />

Kriegsgeflüchteten stellt eine Herausforderung<br />

für uns dar. Sie erfordern<br />

nicht nur eine verbesserte interkulturelle<br />

Kompetenz und Sensibilität,<br />

sondern auch die Überwindung<br />

sprachlicher Barrieren und unterschiedlicher<br />

kultureller Ansichten<br />

zur Zahnmedizin.<br />

Wie sehen Sie die nahe Zukunft in Bezug<br />

auf die Prophylaxe? Gibt es Projekte<br />

oder Initiativen, auf die wir uns<br />

freuen dürfen?<br />

Die Pandemie hat uns gezeigt, dass<br />

die Gesundheit einen hohen Wert<br />

darstellt. Nicht nur die Zuwanderung<br />

wird uns in den nächsten Jahren<br />

vor große Herausforderungen<br />

stellen, sondern auch die stark reduzierte<br />

Gruppenprophylaxe der letzten<br />

Jahre.<br />

Durch Corona haben sich auch unsere<br />

Arbeitsgemeinschaften schneller<br />

den neuen Medien geöffnet, als dies<br />

vermutlich sonst der Fall gewesen<br />

wäre. Dabei sind einige zukunftsweisende<br />

Strategien entstanden, so beispielsweise<br />

auch unsere Online-Seminare.<br />

Besonders freuen dürfen wir uns<br />

auch auf unsere neuen Filme, die im<br />

Rahmen der nächsten Fortbildungsveranstaltung<br />

im Kloster Schöntal<br />

vorgestellt werden.<br />

Gemeinsam freuen dürfen wir uns<br />

außerdem auf den Tag der Zahngesundheit,<br />

der 2023 in Rottenburg<br />

stattfindet. Gemeinsam mit Ihrem<br />

IZZ-Team plant die regionale Arbeitsgemeinschaft<br />

Tübingen derzeit ja die<br />

Details dafür.<br />

Welche Rolle spielen digitale Technologien<br />

in der Arbeit der LAGZ und wie<br />

werden sie genutzt, um die Zahngesundheit<br />

zu verbessern?<br />

Hier stehen wir aktuell noch am Anfang.<br />

Wir haben in den vergangenen<br />

zwei Jahren Hörspiele entwickelt,<br />

jetzt arbeiten wir an drei Filmen für<br />

Erzieher*innen, Eltern und Kinder.<br />

Auf diese Weise versuchen wir, alle<br />

mit ins Boot zu nehmen und vor al-<br />

47_PROPHYLAXE<br />

» Meiner Ansicht nach liegt die geringere<br />

Anzahl von Patenzahnärzten*innen<br />

hauptsächlich daran, dass der<br />

Workload für die verbleibenden<br />

Zahnarztpraxen aufgrund der<br />

Praxisschließungen aus Altersgründen im<br />

Laufe der Jahre deutlich gestiegen ist.«<br />

Carolin Möller-Scheib<br />

lem Kinder mit allen Sinnen anzusprechen<br />

und für die Zahngesundheit<br />

zu begeistern. Auch zukünftig<br />

werden hier mit Sicherheit weitere<br />

Projekte entstehen, denn die regionalen<br />

Arbeitsgemeinschaften sind äußerst<br />

kreativ und engagiert.<br />

Das Gespräch führte Cornelia Schwarz<br />

INFO<br />

Die Landesarbeitsgemeinschaft<br />

für Zahngesundheit Baden-<br />

Württemberg e. V. besteht seit<br />

1954 und ist seit 1986 als Verein<br />

eingetragen. Sie ist eine gemeinsame<br />

Einrichtung von elf Organisationen,<br />

die sich die Erhaltung und<br />

Förderung der Zahngesundheit<br />

und damit die Verhütung von<br />

Zahn- und Munderkrankungen bei<br />

Kindern und Jugendlichen zum<br />

Ziel gesetzt haben.<br />

Sie wird vom Präsidenten der LZK<br />

BW, Dr. Torsten Tomppert, als<br />

Vorsitzendem geleitet.<br />

Mitglieder sind das Ministerium für<br />

Soziales, Gesundheit und Integration<br />

Baden-Württemberg, der<br />

Landkreistag Baden-Württemberg<br />

und der Städtetag Baden-Württemberg,<br />

die Kassenzahnärztliche<br />

Vereinigung Baden-Württemberg<br />

und die Landeszahnärztekammer<br />

Baden-Württemberg, die AOK Baden-Württemberg,<br />

die IKK classic,<br />

der BKK Landesverband Süd, die<br />

Landwirtschaftliche Krankenkasse,<br />

die Knappschaft Regionaldirektion<br />

München sowie die vdek-Landesvertretung<br />

Baden-Württemberg.


48_KULTUR<br />

ZBW_7/2023<br />

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Spontaner Städtetrip<br />

MEDIENSTADT<br />

KARLSRUHE<br />

Foto: ARTIS-Uli_Deck,Maxin10sity<br />

Karlsruhe ist eine Stadt, die durch ihre einzigartige<br />

Verbindung von Tradition und Innovation beeindruckt.<br />

Mit einer lebendigen Kunst- und Kulturszene, einer<br />

reichen Geschichte und einer dynamischen Wirtschaft<br />

ist Karlsruhe ein Ort, der eine Vielzahl von Interessen<br />

und Vorlieben anspricht. Begleiten Sie uns auf einem<br />

kulturellen Streifzug durch die Stadt und ent decken Sie<br />

gemeinsam mit uns ihre verschiedenen Gesichter.<br />

Foto: Alamy Stock Photo/Timo Christ<br />

Sehenswürdigkeiten der Fächerstadt. Das Wahrzeichen und Zentrum der<br />

Fächerstadt Karlsruhe ist das barocke Schloss, das den badischen Großherzögen<br />

seit dem 18. Jahrhundert als Residenz diente. Heute beherbergt es das Badische<br />

Landesmuseum, in dem man viel über das hiesige Leben von der Frühgeschichte bis<br />

zur Neuzeit erfährt. Vom Schlossturm aus genießt man außerdem einen tollen<br />

Ausblick über die Stadt. Direkt hinter dem Schloss liegt der Schlossgarten, eine<br />

große Gartenanlage, die 1967 anlässlich der Bundesgartenschau im Stil eines<br />

englischen Landschaftsparks angelegt wurde. Hier findet vom 25. bis 27. August<br />

2023 auch die 21. Karlsruher Bierbörse statt – das größte Bierfest Baden-Württembergs.<br />

An rund 60 Ständen können Bierfans mehr als 500 traditionelle und<br />

exotische Biersorten verkosten. Nur wenige Gehminuten vom Schloss liegt der<br />

Botanische Garten (Foto oben), ein wunderschöner Ort, der zum Verweilen einlädt.<br />

Besucher können historische Bauten wie die Orangerie, Gewächshäuser, den<br />

Wintergarten und die Kunsthalle besichtigen. Ein entspannter Spaziergang lohnt<br />

sich hier auf jeden Fall. Der Marktplatz mit der Pyramide (Foto rechts) ist der wohl<br />

bekannteste Platz in Karlsruhe. Die Pyramide ist das Grabmal des Stadtgründers<br />

Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) und ein Wahrzeichen der Stadt.


ZBW_7/2023<br />

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49_KULTUR<br />

Kulinarische Genüsse. Beginnen Sie den Tag mit einem köstlichen Frühstück im<br />

Café Palaver am Lidellplatz oder im Café Juli am Gutenbergplatz. Für die<br />

Mittagspause empfiehlt sich das Restaurant Eigenart, das mit seiner bodenständig<br />

leckeren Bistroküche überzeugt. Wenn Sie frische Burger aus hochwertigen<br />

regionalen Zutaten und köstliche Pommes genießen möchten, ist DeliBurgers die<br />

richtige Wahl. Pinsa Si ist ein kleines, unscheinbares Restaurant mit unglaublich<br />

guter Pinsa. In Karlsruhe gibt es auch eine wachsende Auswahl an veganen<br />

Restaurants. Das Verde in der Kaiserstraße beeindruckt nicht nur mit seinem<br />

schönen Ambiente, sondern auch mit außergewöhnlichen Speisen. Die Süße<br />

Marie in der Karlsruher Südstadt bietet gutbürgerliche Küche und leckere Kuchen.<br />

Wenn Sie kreative Burger, Wraps, Salate, Currys und Eintöpfe suchen, ist das My<br />

Heart Beats Vegan in der Kriegsstraße eine gute Option. Für kulinarische<br />

Höhepunkte sollten Sie das Restaurant Sein mit der kreativen Küche von Thorsten<br />

Bender in der Scheffelstraße besuchen. Das Restaurant Erasmus in der Nürnberger<br />

Straße legt großen Wert auf Nachhaltigkeit, ist Bio-zertifiziert und bietet eine<br />

italienisch-mediterrane Küche. Auf dem Gelände des Alten Schlachthofs in der<br />

Karlsruher Oststadt finden Sie einige Trendrestaurants. Carls Wirtshaus bietet<br />

Craft-Beer und Pub-Gerichte, im Aurum erwarten Sie feine Burger und Steaks, in<br />

der „Fettschmelze“ werden köstliche Pizzen serviert und in der Alten Hackerei<br />

können Sie bei regelmäßigen Live-Musikveranstaltungen entspannen.<br />

Foto: Alamy Stock Photo/Michael Liebrecht<br />

Foto: KTG Karlsruhe Tourismus GmbH/Mende<br />

Stadt der Medienkunst. Karlsruhe ist die erste deutsche Unesco-Stadt<br />

der Medienkunst. Eine herausragende Einrichtung in diesem Bereich<br />

ist das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM, Foto links). In einem<br />

denkmalgeschützten Industriebau, der einst eine Munitionsfabrik war,<br />

befinden sich das Museum für Neue Kunst, das Museum für Medienkunst,<br />

die Staatliche Hochschule für Gestaltung und mehrere<br />

Forschungsinstitute. Besonders interessant ist der Fokus auf zeitgenössische<br />

Kunst in Verbindung mit Medientechnologie und digitalem<br />

Wandel. Ein absolutes Highlight ist die interaktive Computerspiele-<br />

Ausstellung, die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Bei den<br />

Karlsruher Schlosslichtspielen (großes Foto), die vom 16. August bis<br />

17. September 2023 stattfinden, wird die barocke Fassade des<br />

Karlsruher Schlosses in ein digitales Kunstwerk verwandelt. Darüber<br />

hinaus wird die ganze Innenstadt zur dezentralen Bühne und Ausstellungsfläche<br />

für Medienkunst, Illuminationen und leuchtende Aktionen.<br />

Foto: KTG Karlsruhe Tourismus GmbH/Fabian von Poser<br />

Reise ins Mittelalter. Bis 1938 war Durlach noch eine eigenständige<br />

Stadt und zuvor die erste Residenz des Markgrafen. Heute<br />

ist es der größte Stadtteil von Karlsruhe. Mittelalterliches Flair<br />

prägt die Durlacher Altstadt mit ihrem malerischen Marktplatz<br />

(Foto rechts), den Überresten der historischen Stadtmauer, dem<br />

Schlossplatz und den engen Gassen. Sehenswert sind die<br />

Stadtkirche, die Karlsburg und das Rathaus. Der Turmberg mit<br />

einer Höhe von 256 Metern ist ein beliebtes Ausflugsziel und<br />

kann über verschiedene Wege erreicht werden. Die Turmbergbahn,<br />

die seit 1888 den Berg hinauffährt, ist die älteste noch in<br />

Betrieb befindliche Standseilbahn Deutschlands. Eine Alternative<br />

sind die sogenannten „Hexenstäffele“, ein Treppenweg mit 528<br />

Stufen, der direkt von Durlach auf den Turmberg führt. Oben<br />

angekommen, bietet sich ein wunderschöner Blick auf die<br />

Rheinebene und das Stadtgebiet von Durlach und Karlsruhe.<br />

Gabriele Billischek<br />

Foto: Adobe Stock/marcelheinzmann


50_NAMEN UND NACHRICHTEN<br />

ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

Pandemie<br />

UNGLEICHHEITEN VERSTÄRKT<br />

Die Europäische Kommission hat eine<br />

Metastudie veröffentlicht, die sich mit<br />

den Auswirkungen der Coronapandemie<br />

auf Geschlechtergleichheit in<br />

Forschung und Entwicklung beschäftigt<br />

hat, berichtet die Zeit. Die Studie<br />

komme zu dem Schluss, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen<br />

am meisten<br />

von den Folgen der Coronappandemie<br />

betroffen und benachteiligt<br />

waren. Dies gilt insbesondere für junge<br />

Wissenschaftlerinnen mit Kindern.<br />

Die Pandemie habe außerdem weitere<br />

Ungleichheiten wie etwa durch Behinderungen,<br />

ethnische Herkunft, sozio-ökonomische<br />

Hintergründe oder<br />

sexuelle Orientierung verstärkt. Im<br />

Vergleich zu ihren älteren Kollegen<br />

haben jedoch auch männliche Nachwuchswissenschaftler<br />

Nachteile erlebt.<br />

Die schon vor Beginn der Pandemie<br />

prekäre Lage junger Forschender<br />

habe sich allgemein verschlechtert,<br />

aufgrund der mangelnden internationalen<br />

Mobilität und des eingeschränkten<br />

Zugangs zu Arbeitsstätten<br />

hätten sie teilweise nicht die Erfahrungen<br />

machen und Kontakte knüpfen<br />

können, die ihre Karrieren befördert<br />

hätten.<br />

IZZ<br />

ZWEI DRITTEL FÜR WARNHINWEISE AUF ALKOHOLFLASCHEN<br />

Die Mehrheit der Bundesbürger fände einer Umfrage zufolge Warnhinweise auf<br />

alkoholischen Getränken gut. 67 Prozent der Befragten gaben in einer Yougov-Umfrage<br />

an, Hinweise über Gesundheitsrisiken durch Alkoholkonsum zu befürworten. Unter<br />

Frauen ist die Befürwortung für solche Warnungen mit 72 Prozent demnach höher als<br />

unter Männern mit 63 Prozent. Den Ergebnissen zufolge würden 22 Prozent der<br />

Befragten Warnhinweise auf Etiketten ablehnen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO<br />

sterben jedes Jahr<br />

weltweit rund drei<br />

Millionen Menschen an<br />

den Folgen des Alkoholkonsums.<br />

Alkohol sei<br />

darüber hinaus ein<br />

Auslöser für über 200<br />

Krankheiten – darunter<br />

verschiedene Krebsformen,<br />

Depressionen oder<br />

Gehirnschädigungen. dpa<br />

500 ml<br />

Trinkwasser geht durch eine einfache Konversation mit<br />

ChatGPT von etwa 20 bis 50 Fragen und<br />

Antworten verloren, um die Server zu kühlen.<br />

Täglich nutzen Millionen von Nutzern ChatGPT – die Rechner laufen heiß.<br />

Quelle: dpa-Infografik<br />

Foto: auf Pixabay/Alexander Lesnitsky


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

51_NAMEN UND NACHRICHTEN<br />

Foto: Adobe Stock/fotoliaxrender<br />

Zungenschrittmacher<br />

ERFOLGREICHE IMPLANTATION<br />

In der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,<br />

Kopf- und Halschirurgie Magdeburg, wurde unter<br />

der kommissarischen Leitung von Prof. Dr. med. Martin<br />

Durisin die zehnte Implantation eines sogenannten<br />

Zungenschrittmachers zur Therapie des nächtlichen<br />

obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms (OSAS) durchgeführt.<br />

Bei dieser Erkrankung erschlaffen die Zungenmuskulatur<br />

und das umliegende Gewebe während des<br />

Schlafes. Die Zunge rutscht nach hinten und behindert<br />

den Atemstrom zur Luftröhre. Der Atem stockt – teilweise<br />

sehr oft in der Nacht. Der Zungenschrittmacher<br />

stimuliert sanft den Zungenmuskelnerv, sodass ein<br />

nächtliches Zurückfallen der Zunge verhindert wird und<br />

die Luftwege wieder frei sind. Für ausgewählte Patient*innen<br />

ist dies eine wirkungsvolle Alternative zu klassischen<br />

Therapien. Die Kosten der gesamten Therapie werden<br />

von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.<br />

Der operative Eingriff erfolgt über zwei kleine Schnitte,<br />

einmal im Bereich des Schlüsselbeins sowie im Bereich<br />

des Mundbodens. Der stationäre Aufenthalt nach dem<br />

Eingriff beträgt ein bis zwei Tage.<br />

Ein weiterer positiver Effekt<br />

des Zungenschrittmachers<br />

ist, dass es in vielen Fällen<br />

das Schnarchen signifikant<br />

reduziert.<br />

Das Neurostimulationssystem<br />

des Zungenschrittmachers<br />

misst<br />

kontinuierlich den<br />

Atemrhythmus im Schlaf<br />

und passt sich der<br />

natürlichen Atemfrequenz<br />

an. Die Betroffenen können<br />

das System selbstständig bedienen<br />

und schalten es per Fernbedienung vor dem Schlafengehen<br />

ein und morgens nach dem Erwachen wieder aus.<br />

Auch nächtliche Pausen für den Toilettengang oder zum<br />

Trinken sind problemlos möglich.<br />

Universität Magdeburg/IZZ<br />

Abbildung: Inspire Medical Systems Europe<br />

Künstliche Intelligenz<br />

„FAKE SCIENCE“<br />

Die Integrität des<br />

akademischen Publikationswesens<br />

wird<br />

zunehmend<br />

durch gefälschte<br />

wissenschaftliche<br />

Publikationen<br />

untergraben,<br />

die von kommerziellen<br />

„Redaktionsdiensten“<br />

(sogenannten „Paper Mills“) massenhaft produziert werden. Diese<br />

nutzen KI-gestützte, automatisierte Produktionstechniken in<br />

großem Maßstab und verkaufen gefälschte Publikationen an<br />

Studenten, Wissenschaftler und Ärzte, die unter dem Druck stehen,<br />

ihre Karriere voranzutreiben. Eine Studie des Direktors des Instituts<br />

für Medizinische Psychologie an der Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg, Prof. Dr. Bernhard Sabel, zusammen mit seinen<br />

Mitarbeiterinnen Emely Knaack und Mirela Bilc, in Kooperation mit<br />

Prof. Dr. Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung<br />

in Berlin, belegt einen deutlichen Anstieg gefälschter<br />

Publikationen in der Biomedizin. 28 Prozent der Publikationen<br />

stehen unter Verdacht der Fälschung, was mehr als 300.000<br />

Publikationen pro Jahr entspricht. Der Magdeburger Neuropsychologe<br />

hat ein Programm zur Erkennung von Fake-Science entwickelt,<br />

das ähnlich wie Anti-Spam-Mailprogramme arbeitet. In einer<br />

Teststichprobe erkannte das Tool 90 Prozent der gefälschten oder<br />

zurückgezogenen Arbeiten als Fake Science. Allerdings wurden 37<br />

Prozent der echten Arbeiten im Test fälschlicherweise als gefälscht<br />

eingestuft. Die Untersuchung von Sabel wurde auf dem Preprint-<br />

Server medRxiv veröffentlicht.<br />

Länder mit hohem Fälschungsanteil sind der Studie zufolge<br />

Russland, Türkei, Ägypten, China und Indien mit Werten zwischen<br />

39 bis 48 Prozent aller veröffentlichten Arbeiten, wobei absolut<br />

betrachtet China mit 55 Prozent das Ranking anführt. IZZ<br />

Foto: Adobe Stock/BillionPhotos.com


Landesverbandes<br />

Baden-Württemberg<br />

www.fvdz-bw.de<br />

LANDESVERSAMMLUNG<br />

DES LANDESVERBANDES<br />

BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

TERMIN:<br />

ORT:<br />

SAMSTAG, DEN 15. JULI 2023, 9:30 UHR<br />

DENTAURUM GMBH & CO. KG, TURNSTR. 31, 75228 ISPRINGEN<br />

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,<br />

gemäß § 14 Abs. 2, 4 und 8 der Satzung laden wir hiermit alle Mitglieder des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte<br />

e.V. in Baden-Württemberg ganz herzlich ein zur Landesversammlung des Landesverbandes Baden-Württemberg.<br />

TAGESORDNUNG:<br />

1. Begrüßung<br />

2. Gastvortrag von Prof. Dr. Thomas Ratajczak:<br />

EU-MDR/vom Segen zum Fluch?<br />

3. Eröffnung der Sitzung gem. § 1 der<br />

Geschäftsordnung<br />

4. Regularien<br />

5. Fragestunde<br />

(Die Fragen dürfen sich nicht auf Punkte der<br />

Tagesordnung beziehen und müssen gemäß § 5<br />

der Geschäftsordnung mindestens 5 Tage vor der<br />

Sitzung der Landesversammlung in der Landesgeschäftsstelle<br />

schriftlich eingegangen sein.)<br />

6. Bericht des Landesvorsitzenden<br />

7. Diskussion<br />

8. Geschäftsbericht<br />

9. Bericht der Kassenprüfer<br />

10. Jahresrechnung 2022<br />

11. Entlastung des Landesvorstandes<br />

12. Wahlen<br />

12.1 Wahl der/des Landesvorsitzenden<br />

12.2 Wahl der beiden stellvertretenden<br />

Landesvorsitzenden<br />

12.3 Wahl der Versammlungsleiterin/<br />

des Versammlungsleiters<br />

12.4 Wahl von zwei stellvertretenden<br />

VersammlungsleiterInnen<br />

12.5 Wahl von einem/einer weiteren<br />

Delegierten zur Hauptversammlung<br />

und dessen/deren StellvertreterIn<br />

12.6 Wahl der zwei KassenprüferInnen und<br />

deren StellvertreterInnen<br />

13. Haushaltsplan 2023<br />

14. Anträge<br />

Anträge, die die Tagesordnung verändern, sind<br />

zwei Wochen vor der Landesversammlung schriftlich<br />

beim Landesvorstand über die Landesgeschäftsstelle<br />

einzureichen.<br />

15. Verschiedenes<br />

Die Landesversammlung ist für Mitglieder des<br />

Freien Verbandes öffentlich. Rede- und stimmberechtigt<br />

sind nur die Delegierten.<br />

! Anmeldung über die Landesgeschäftsstelle<br />

(info@fvdz-bw.de) unbedingt erforderlich.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V.<br />

Landesverband Baden-Württemberg<br />

Dr. Joachim Härer<br />

Landesvorsitzender<br />

Freier Verband Deutscher Zahnärzte e.V., Landesverband Baden-Württemberg<br />

Albstadtweg 9 • 70567 Stuttgart • Tel.: (0711) 7 80 30 90 • Fax: (0711) 7 80 30 92 • E-Mail: info@fvdz-bw.de


ZBW_7/2023<br />

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53_PRAXIS<br />

Foto: AdobeStock/Sondem<br />

Keine Angst vor HIV, HBV und HCV<br />

SENSIBEL VORGEHEN<br />

In der zahnmedizinischen Versorgung<br />

von Menschen mit HBV, HCV, HIV oder<br />

Aids kommt es immer wieder zu Fragen,<br />

Unsicherheiten und Ängsten. Bei Einhaltung<br />

der üblichen Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen<br />

besteht keine<br />

Infektionsgefahr, weder für Sie noch für<br />

Ihr Praxisteam oder für Patientinnen<br />

und Patienten. Und selbst bei Arbeitsunfällen,<br />

zum Beispiel Stich- oder<br />

Schnittverletzungen mit kontaminierten<br />

Instrumenten, oder bei Benetzung<br />

offener Wunden und Schleimhäute mit<br />

virushaltigen Flüssigkeiten kann das<br />

Ansteckungsrisiko durch Sofortmaßnahmen<br />

und gegebenenfalls eine Post-<br />

Expositions-Prophylaxe minimiert werden.<br />

ÜBERTRAGUNG<br />

Ein Infektionsrisiko besteht nur, wenn<br />

Viren in ausreichender Menge (z. B.<br />

durch Verletzungen mit kontaminierten<br />

Kanülen, Skalpellen oder Scalern)<br />

in den Körper gelangen oder durch<br />

Blutspritzer mit offenen Wunden oder<br />

Schleimhäuten in Berührung kommen.<br />

Sehr gering ist das Risiko einer HIV-<br />

Übertragung bei der zahnärztlichen Behandlung,<br />

wenn die Viruslast durch<br />

eine antiretrovirale Therapie dauerhaft<br />

unter der Nachweisgrenze liegt. Die Patientinnen<br />

und Patienten sind in den<br />

meisten Fällen gut über ihre Viruslast<br />

informiert, da dieser Wert regelmäßig<br />

kontrolliert wird. Keinerlei HIV-Ansteckungsgefahr<br />

besteht bei Alltagskontakten<br />

wie Händeschütteln, Berühren<br />

von Oberflächen, gemeinsame Benutzung<br />

von Toiletten oder Zusammenarbeit<br />

mit HIV-positiven Menschen.<br />

MASSNAHMEN?<br />

HIV, HBV und HCV erfordern keine besonderen<br />

Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen.<br />

Die Standard-Hygieneund<br />

Arbeitsschutzmaßnahmen einer<br />

Zahnarztpraxis stellen ein wirksames<br />

Bündel an Schutzmaßnahmen dar: Abfallentsorgung,<br />

persönliche Schutzausrüstung<br />

(auf konsequentes Tragen ist zu<br />

achten!), Flächenwischdesinfektion<br />

(nach jeder Patientenbehandlung), Hygienemanagement<br />

an den Behandlungseinheiten<br />

(Absauganlage, Wasser führende<br />

Systeme) und KRINKO-/BfArM-konforme<br />

Medizinprodukte-Aufbereitung.<br />

PATIENTEN<br />

Viele Menschen wissen nicht von ihren<br />

Infektionserkrankungen oder teilen sie<br />

aufgrund negativer Erfahrungen den behandelnden<br />

Zahnärztinnen und -ärzten<br />

bzw. dem Praxisteam nicht mit. Eine Mitteilungspflicht<br />

gibt es nicht. Alle Patientinnen<br />

und Patienten sind daher so zu behandeln,<br />

als ob sie infektiös wären. Nicht<br />

nötig sind Maßnahmen wie die folgenden,<br />

die zudem als diskriminierend empfunden<br />

werden könnten: Behandlung<br />

nur am Ende des Behandlungstags, gesonderte<br />

Aufbereitung der in der Behandlung<br />

eingesetzten Medizinprodukte.<br />

SENSIBEL<br />

Nicht nur für Menschen mit Infektionserkrankungen<br />

ist es wichtig, die Kontrolle<br />

darüber zu behalten, wer von ihrer Diagnose<br />

erfährt. Die Möglichkeit, den<br />

Anam nesebogen ohne neugierige Blicke<br />

auszufüllen, schützt die Privatsphäre und<br />

erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass alle<br />

Erkrankungen angegeben werden. Nur<br />

wer sich sicher vor Ablehnung und Ausgrenzung<br />

fühlt, wird die Fragen zur<br />

Anam nese ehrlich beantworten. Der weitere<br />

sensible Umgang mit diesen Informationen<br />

liegt in Ihrer Verantwortung.<br />

Ein „Warnhinweis“ auf den Behandlungsunterlagen<br />

ist unnötig, weil für alle Patientinnen<br />

und Patienten die gleichen Hygiene-<br />

und (Arbeits-)Schutzmaßnahmen<br />

gelten. Bitte achten Sie auch stets auf die<br />

Wahrung des Datenschutzes.<br />

INFORMATIONEN<br />

Auf der Webseite der LZK BW (https://<br />

lzk-bw.de/downloads) haben Sie unter<br />

der Rubrik „Rund um die Praxisführung“<br />

im Bereich „Keine Angst vor HIV,<br />

HBV und HCV!“ einfach und schnell<br />

Zugang zu weiterführenden Informationen<br />

(z. B. Erklärvideo).<br />

Ihre LZK-Geschäftsstelle


Leiter Fortbildungsforum (m/w/d) in<br />

Voll- oder Teilzeit<br />

SERVICE • LEISTUNG • PARTNERSCHAFT


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

55_PRAXIS<br />

Der GOZ-Ausschuss der LZK BW informiert<br />

NEUE PAR-RICHTLINIE<br />

VERALTETE GOZ –<br />

EIN WIDERSPRUCH?<br />

Ein Punktwert, der seit nunmehr 35 Jahren bei 11 Pfennigen – heute umgerechnet<br />

5,62421 Cent – liegt und eine Honorierung, die der von 1965 entspricht: Besser<br />

hätte der Begriff „veraltete Gebührenordnung“ nicht definiert werden können. Aber<br />

die Teilhabe am medizinischen Fortschritt und eine Behandlung nach dem aktuellen<br />

Stand der Wissenschaft ist bei einer Vergütung ohne jeglichen wirtschaftlichen Bezug<br />

nicht möglich. Trotz ihrer Obsoleszenz bietet die GOZ einen Vorteil in Form<br />

der Freiheiten, abweichende Vereinbarungen nach § 2 abzuschließen und Analogabrechnungen<br />

entsprechend § 6 durchzuführen.<br />

S3-LEITLINIE<br />

Eine Behandlung von Parodontitis<br />

nach der neuen PAR-Richtlinie, die<br />

neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

folgt und damit neue Qualitätsstandards<br />

setzt, muss selbstverständlich<br />

auch Privatversicherten zur<br />

Verfügung stehen. Die derzeitige GOZ<br />

bildet allerdings nicht alle Leistungen<br />

ab, die nach heutigem wissenschaftlichen<br />

Stand in der Parodontitistherapie<br />

erforderlich sind. Für derartige<br />

Leistungen hat der Gesetzgeber eine<br />

analoge Berechnung nach § 6 GOZ<br />

vorgesehen.<br />

PAR-ANALOGABRECHNUNG<br />

Im Zuge der Veröffentlichung zahlreicher<br />

Positionspapiere, welche eine<br />

Analogabrechnung unterstützen, unter<br />

anderem der BZÄK, der DG Paro<br />

und der LZK BW, haben PKV-Verband<br />

und Beihilfe Ende 2022 im Beratungsforum<br />

für Gebührenordnungsfragen<br />

endlich einer analogen Abrechnung<br />

einiger Leistungen der PAR-Behandlungsstrecke<br />

nach S3-Leitlinie zugestimmt.<br />

Dazu zählen die parodontale<br />

Diagnostik einschließlich Staging<br />

und Grading (8000a anstatt 4000),<br />

das Parodontologische Aufklärungsund<br />

Therapiegespräch (ATG) (2110a),<br />

die Antiinfektiöse Therapie (AIT)<br />

(einwurzelig 3010a, mehrwurzelig<br />

4138a), die BEV (Befundevaluation)<br />

(5070a, bis zu dreimal innerhalb eines<br />

Jahres) und die lokalisierte subgingivale<br />

Instrumentierung in der Unterstützende<br />

Parodontitistherapie (UPT)<br />

(einwurzelig 0090a, mehrwurzelig<br />

2197a). Bei den vorgeschlagenen Gebührenpositionen<br />

handelt es sich wie<br />

immer nur um Empfehlungen. Anzumerken<br />

ist dabei, dass selbstverständlich<br />

auch Analogleistungen im Faktor<br />

gesteigert werden können beziehungsweise,<br />

je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand<br />

der einzelnen Leistung sowie<br />

der Umstände bei der Ausführung, gesteigert<br />

werden müssen.<br />

SICHERE KOSTENERSTATTUNG<br />

PKV und Beihilfe haben eine sichere<br />

Erstattung bei Liquidation entsprechend<br />

der Beschlüsse zugesagt. Dies<br />

war Voraussetzung für eine Einigung<br />

in der Sitzung des Beratungsforums.<br />

Falls die aktuellen Beschlüsse allerdings<br />

doch noch nicht zu allen Versicherern<br />

durchgedrungen sein sollten<br />

und es dadurch zu Erstattungskürzungen<br />

kommt, wird darum gebeten,<br />

sich an die zuständige GOZ-Stelle der<br />

jeweiligen BZK zu wenden. Restriktionen<br />

durch Mitgliedsunternehmen<br />

des PKV-Verbands, entgegen der Beschlüsse<br />

des eigenen Verbands, sind<br />

unter keinen Umständen zu akzeptieren.<br />

MUNDHYGIENEUNTERWEISUNGEN<br />

Der sprechenden Zahnmedizin wird<br />

in der neuen Richtlinie zur Parodontitisbehandlung<br />

eine entscheidende<br />

Bedeutung für den Therapieerfolg zugeschrieben.<br />

Teil davon ist die Mundhygieneunterweisung,<br />

welche die Instruktion<br />

und Motivation zur Verbesserung<br />

der Mundhygiene sowie die<br />

Kontrolle gingivaler Entzündungen<br />

im Verlauf aller Therapiestufen inklusive<br />

der UPT beinhaltet. Dabei wird<br />

der Fokus auch auf den Ausschluss<br />

beziehungsweise die Abmilderung<br />

von Risikofaktoren gelegt. Ziel ist es,<br />

durch eine gesamtgesundheitliche Intervention<br />

die Lebensgewohnheiten<br />

des Patienten hin zur parodontalen<br />

Gesundheit zu beeinflussen. Diese<br />

neu definierte Mundhygieneunterweisung<br />

im Rahmen der PAR-Therapie<br />

geht somit weit über die mit den<br />

originären Gebührennummern 1000<br />

und 1010 beschriebenen Leistungen<br />

Mundhygienestatus und -kontrolle<br />

hinaus. Diese beiden Leistungen bilden<br />

weder den aktuellen wissenschaftlichen<br />

Kenntnisstand ab, noch<br />

sind sie ansatzweise angemessen honoriert.<br />

Der Zusatz in der Leistungsbeschreibung<br />

„Dauer mind. 25 bzw.<br />

10 Min.“ macht es unumgänglich,<br />

hier eine abweichende Vereinbarung<br />

nach § 2 GOZ zu treffen, um eine betriebswirtschaftliche<br />

Kostendeckung<br />

zu erreichen.<br />

Eine Behandlung nach dem aktuellen<br />

Stand der Wissenschaft entsprechend<br />

der neuen PAR-Richtlinie kann nur<br />

bei Anwendung der §§ 2 und 6 der bestehenden<br />

GOZ zeitgemäß honoriert<br />

werden. Diese Paragrafen sollten von<br />

den Kolleginnen und Kollegen also<br />

definitiv genutzt werden.<br />

Autorenteam des GOZ-Ausschusses<br />

der LZK BW


Akademie<br />

Fortbildungsangebot<br />

Juli 2023 - September 2023<br />

Zahnärzte/-innen<br />

Kurs Nr. 9376 | 18 Punkte<br />

Einzelkurs | Frontzahnästhetik in der Praxis: Komposit statt<br />

Keramik?<br />

Referent: Prof. Dr. Gabriel Krastl<br />

Datum: 14.-15.07.2023 | 10:00 - 17:00 Uhr<br />

Kursgebühr: 800 €<br />

Kurs Nr. 9399 | 8 Punkte<br />

Hybrid | Einzelkurs | Trauma und Zahnverlust im wachsenden<br />

Kiefer – was tun?<br />

Referent: Prof. Dr. Andreas Filippi<br />

Datum: 14.07.2023<br />

Kursgebühr: 500 €<br />

Kurs Nr. 9400 | 6 Punkte<br />

Hybrid | Einzelkurs | Postendodontische Versorgung<br />

Referent: Prof. Dr. Thomas Wrbas<br />

Datum: 15.07.2023<br />

Kursgebühr: 350 €<br />

Kurs Nr. 9473 | 10 Punkte<br />

Einzelkurs | Bewegungsanalyse in der restaurativen Therapie<br />

Referent: PD Dr. Daniel Hellmann<br />

Datum: 09.09.2023<br />

Kursgebühr: 580 €<br />

Team | ZFA<br />

9 Punkte<br />

Online-Seminare | Hygienemodule der Landeszahnärztekammer<br />

BW<br />

08.07.2023 9489 Modul H2<br />

22.07.2023 9490 Modul H3<br />

07.10.2023 9494 Modul H1<br />

21.10.2023 9495 Modul H2<br />

18.11.2023 9496 Modul H3<br />

Referenten: Dr. Carsten Ullrich | Dieter Gaukel, M.A.<br />

Kursgebühr: jeweils 190 €<br />

Bei gleichzeitiger Buchung aller drei Module erhalten Sie einen<br />

Rabatt von 20 € pro Modul.<br />

Kurs Nr. 9469<br />

Einzelkurs | Röntgenkurs für Zahnmedizinische Fachangestellte<br />

Referent: Dr. Burkhard Maager<br />

Datum: 06.-08.07.2023<br />

Kursgebühr: 620 €<br />

Kurs Nr. 5784<br />

Aufstiegsfortbildung | Kombinationskurs Standard<br />

Referentinnen: Birgit Hackel, ZMF, u. a.<br />

Datum: 26.06.-21.07.2023<br />

Kursgebühr: 2100 € (inkl. 300 € Prüfungsgebühr)<br />

Kurs Nr. 5813<br />

Aufstiegsfortbildung | Herstellung von Provisorien und<br />

Situationsabformungen<br />

Referentinnen: Badegül Top, ZMF u. a.<br />

Datum: 06.-09.09.2023<br />

Kursgebühr: 620 € (inkl. 100 € Prüfungsgebühr)<br />

Kurs Nr. 9462<br />

Einzelkurs | Die professionelle Implantatreinigung – Implantatpatienten/-innen<br />

in der Prophylaxe<br />

Referentinnen: Dr. Sonja Rahmi-Wöstefeld, M.Sc.,<br />

Nadja Pfister, ZMF<br />

Datum: 16.09.2023<br />

Kursgebühr: 200 €<br />

Kurs Nr. 5813<br />

Aufstiegsfortbildung | Zahnmedizinische/-r Prophylaxeassistent/-in<br />

(ZMP) 2023/2024<br />

Referentinnen: Prof. Dr. Bernadette Pretzl, u. a.<br />

Datum: 06.09.2023-20.01.2024<br />

Kursgebühr: 4850 € (inkl. 550 € Prüfungsgebühr)<br />

Unser komplettes Programm mit vielen<br />

weiteren Kursangeboten finden Sie auch auf:<br />

www.za-karlsruhe.de<br />

Wir freuen uns auf Sie!<br />

Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe | Lorenzstraße 7 | 76135 Karlsruhe | Fon +49 721 9181-200 | Fax + 49 721 9181-222 | fortbildung@za-karlsruhe.de<br />

Eine Fortbildungseinrichtung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg | Körperschaft des öffentlichen Rechts


ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

57_PERSONALIA<br />

Trauer um Dr. Ulrich Seeger<br />

EIN MENSCHENFREUND<br />

IST VON UNS GEGANGEN<br />

Dr. Ulrich Seeger lebt nicht mehr. Er starb am 2. Mai 2023 in seinem 86. Lebensjahr.<br />

Wir alle haben Uli – wie wir ihn nannten – sehr viel zu verdanken, auch<br />

die jungen Kolleginnen und Kollegen, die ihn nicht mehr persönlich oder nur vom<br />

Hörensagen kennen.<br />

Kollege Ulrich Seeger prägte in der<br />

Kammer eine ganze Ära. Von 1985 bis<br />

2000 war er während vier Legislaturperioden<br />

Vorsitzender der BZK Stuttgart.<br />

Viele werden sich an die unzähligen<br />

Kreisversammlungen erinnern, die er in<br />

dieser langen Zeit absolvierte. Schon<br />

lange davor kam er zur Standespolitik<br />

und übte seit Anfang der siebziger Jahre<br />

zahlreiche Ehrenämter aus. Er war unter<br />

anderem stellvertretender Vorsitzender<br />

der Vertreterversammlung der früheren<br />

KZV Stuttgart, Mitglied der Vertreterversammlungen<br />

von LZK Baden-<br />

Württemberg und BZK Stuttgart, Delegierter<br />

zur BZÄK-Vertreterversammlung<br />

und Vorstandsmitglied der BZÄK,<br />

Mitglied des ZBW-Redaktionsausschusses,<br />

Verwaltungsratsvorsitzender<br />

des ZFZ. Außerdem war er Mitglied im<br />

Fachausschuss zur Überprüfung<br />

der Gleichwertigkeit<br />

zahnärztlicher<br />

Approbationen, dessen<br />

Votum eine Richtschnur<br />

für das Regierungspräsidium<br />

Stuttgart<br />

bei der Erteilung<br />

der deutschen Approbation<br />

war. Ein besonderes<br />

Anliegen war Dr.<br />

Seeger auch die allgemeine<br />

und individuelle<br />

Patientenberatung, die<br />

ganz wesentlich von<br />

ihm getragen und gefördert<br />

wurden. Ebenso<br />

war ihm die Qualifikation<br />

der Gutachter – die<br />

ja auch oftmals in der<br />

Gutachterkommission<br />

für Fragen zahnärztlicher<br />

Haftung schwierige<br />

Entscheidungen zu<br />

treffen hatten – ein Herzensanliegen.<br />

Zu Beginn<br />

dieses Jahrtausends<br />

erhielt er die Ehrennadel<br />

der Deutschen Zahnärzteschaft,<br />

die Verdienstmedaille der LZK<br />

Baden-Württemberg, und wurde zum<br />

Ehrenvorsitzenden der BZK Stuttgart<br />

ernannt.<br />

Aber nicht nur die Zahnärzteschaft würdigte<br />

das herausragende Engagement<br />

von Dr. Ulrich Seeger. Auch die „große“<br />

Politik war auf ihn aufmerksam geworden.<br />

Er erhielt aus den Händen des damaligen<br />

Oberbürgermeisters der Stadt<br />

Esslingen am Neckar, Dr. Jürgen Zieger,<br />

das Bundesverdienstkreuz am Bande –<br />

eine Würdigung, die ihm sehr naheging.<br />

Ich saß bei der Feierstunde im Esslinger<br />

Rathaus an seiner Seite und kann mir<br />

dieses Urteil also erlauben.<br />

So weit seine Ehrenämter und Auszeichnungen.<br />

Das ist aber nur der „offizielle“<br />

Teil seiner Person und seiner<br />

Foto: Dr. Martin Seeger<br />

Persönlichkeit. Uli zeichnete viel mehr<br />

aus: Es war ihm wichtig, die Menschen<br />

„mitzunehmen“, ihnen nicht unrecht<br />

zu tun und kein vorschnelles Urteil<br />

über sie zu fällen, sondern sie in ihrem<br />

Anliegen ernst zu nehmen. So ließ er<br />

uns in „seinem“ Vorstand so lange diskutieren,<br />

bis wir einen Konsens erzielt<br />

hatten, mit dem wir alle leben und den<br />

wir in der Kollegenschaft guten Gewissens<br />

vertreten konnten. Mehr als einmal<br />

fiel mir dabei die Rolle des „heißblütigen<br />

Jungspunds“ zu, der ich in der<br />

Tat ja war. Aber Uli ließ auch mich reden<br />

– so oft und zu welchem Thema<br />

ich wollte. Und ich hatte sehr häufig<br />

das Gefühl, dass ihm nicht unrecht<br />

war, was ich sagte.<br />

Etwas ganz „Seeger-Spezifisches“ habe<br />

ich als langjähriges BZK-Vorstandsmitglied<br />

und als unmittelbarer Nachfolger<br />

von ihm gelernt: Immer, wenn es in der<br />

Kollegenschaft oder in den Gremien gewisse<br />

„Probleme“ gab (die letztendlich<br />

eigentlich eher zwischenmenschlicher<br />

Natur waren), lud Ulrich Seeger zu einem<br />

Essen ein. Und nach zwei oder drei<br />

Stunden des gemeinsamen Essens mit<br />

„Smalltalk“ abseits des eigentlichen<br />

Problems war genau dieses eigentlich<br />

keines mehr. Es war schlichtweg von<br />

den Streitparteien vergessen worden<br />

und alle verabschiedeten sich angesichts<br />

des harmonischen Abends mit<br />

einem ehrlichen Händedruck. Ulrich<br />

Seeger hatte also ganze Arbeit geleistet –<br />

durch sein Wirken, das auf den ersten<br />

Blick und für einen Außenstehenden<br />

nicht nach Arbeit ausgesehen hatte.<br />

Aber wir alle wussten und spürten: Es<br />

war harte und wertvolle und sehr wichtige<br />

Arbeit, die Uli leistete!<br />

Uli hat uns nun für immer verlassen.<br />

Wirklich verlassen?<br />

Er ist uns nur vorausgegangen ...<br />

Dr. Rainer-Udo Steck


S-1.indd 1 02.05.2023 15:10:30<br />

62_LESERFORUM<br />

ZBW_7/2022<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

ZBW<br />

ZAHNÄRZTEBLATT BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

5-6/2023<br />

Titelthema<br />

GOZ-Jahr 2023:<br />

Kampagne gestartet<br />

Fortbildung<br />

Obliterierte Wurzelkanäle:<br />

Guided Endodontics<br />

BLICK AUF DIE GOZ<br />

Diese Ausgabe enthält das neue<br />

ZBW-AUSGABE 5–6/2023,<br />

S. 12, GOZ-JAHR 2023:<br />

KAMPAGNE GESTARTET<br />

Ja hallo, endlich tut sich mal das, was ich<br />

seit mehr als 20 Jahren fordere. Die Tour<br />

de Ländle startet und das ungläubige<br />

Staunen des Auditoriums ist nicht erstaunlich.<br />

Schon Anfang der 90er an<br />

meinen Kreisstammtischen herrschte<br />

Verwunderung und zum Teil Unverständnis.<br />

Endlich wird auch von der Kollegenschaft<br />

die betriebswirtschaftliche<br />

Bewertung gefordert und im Mittel 6,00<br />

Euro/Min. angesetzt. Hui, noch vor zwei<br />

Jahren erhielt ich auf meine Berechnung<br />

(nur schlappe 5,00 Euro/Min.), einen<br />

Anschrieb des GOZ-Referenten Mannheim<br />

und mir wurde vorgehalten, dass<br />

ich wohl die Grundrechenarten nicht beherrsche.<br />

Wie sich der Wind doch drehen<br />

kann. Die Argumente, den § 2 GOZ<br />

nicht zu nutzen, sind allerdings seit Jahren<br />

die gleichen (siehe Sprechblase ZBW<br />

5-6/2023, S. 15). „Viele Patienten können<br />

sich das nicht leisten und ich möchte sie<br />

nicht verlieren...“. Ich habe meinem<br />

Tankwart gleich erklärt, dass ich mir die<br />

hohen Spritpreise nicht mehr leisten<br />

kann und er mir den Sprit billiger geben<br />

könnte, weil er mich ja nicht verlieren<br />

will! Oder „über 3,5 habe ich eine Bremse“,<br />

beim Leistung zu Dumpingpreisen<br />

Erbringen und der Politik zu bestätigen,<br />

ich habe es ja eigentlich nicht nötig, habe<br />

ich aber keine Bremse. Oder „ich fand es<br />

gut, dass nochmals rekapituliert wurde,<br />

wie viel? wir? einnehmen müssen, um<br />

kostendeckend…“ Selbst bin ich nämlich<br />

noch nicht auf die Idee gekommen das<br />

für mich und meine Praxis auszurechnen,<br />

schade. Die höchste Form cerebraler<br />

Diarrhoe bringt aber der Direktor des<br />

Verbandes der PKV, Dr. Reuther. Er erkennt<br />

sogar, dass z. B. chirurgische Leistungen<br />

unterbewertet sind, aber es darf<br />

nicht verkannt werden, dass anschließend,<br />

eventuell folgende, höher bewertete<br />

Leistung aus der Implantologie, erbracht<br />

werden. Ich habe heute meiner<br />

Werkstatt gleich erklärt, dass ich die Inspektion<br />

jetzt geringer bezahle, da ja in<br />

der Regel teurere Reparaturleistungen<br />

folgen. Auch für die Tramfahrkarte habe<br />

ich nur die Hälfte gezahlt, da ich ja normalerweise<br />

auch wieder zurückfahre.<br />

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die<br />

Conclusio lässt mich mit Sicherheit erahnen,<br />

dass wir in 10 Jahren die tupfengleiche<br />

Diskussion führen. Na dann<br />

gute Nacht und weiterhin viel Vergnügen.<br />

ZA Michael May, Freiburg<br />

AMTLICHE MITTEILUNGEN<br />

WEITERBILDUNGSSTÄTTE<br />

Nach §35 des Heilberufe-Kammergesetzes<br />

i. V. m. §§ 9 und 11 der Weiterbildungsordnung<br />

wurden folgende Kammermitglieder<br />

zur Weiterbildung ermächtigt:<br />

Oralchirurgie<br />

Dr. Philipp Endler, Gartenstraße 21,<br />

74564 Crailsheim<br />

Die anerkennungsfähige Weiterbildungszeit<br />

beträgt gem. § 24 Abs. 1<br />

und Abs. 4 der Weiterbildungsordnung<br />

2 Jahre.<br />

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ZBW_7/2023<br />

www.zahnaerzteblatt.de<br />

63_ZU GUTER LETZT<br />

Karikatur: picture alliance/dieKLEINERT | Karin Mihm<br />

IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

_Herausgeber:<br />

Dr. Torsten Tomppert, Präsident der<br />

Landeszahnärztekammer Baden-<br />

Württemberg (LZK BW),<br />

Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart,<br />

und Vorsitzender des Vorstands der<br />

Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />

Baden-Württemberg (KZV BW),<br />

Albstadtweg 9, 70567 Stuttgart,<br />

für das Informationszentrum<br />

Zahn- und Mundgesundheit Baden-<br />

Württemberg<br />

Eine Einrichtung der KZV BW und<br />

LZK BW<br />

_Redaktion:<br />

Cornelia Schwarz (cos) (ChR, verantw.)<br />

E-Mail: cornelia.schwarz@izzbw.de<br />

Telefon: 0711/222 966-10<br />

Gabriele Billischek (bi),<br />

E-Mail: gabriele.billischek@izzbw.de<br />

Telefon: 0711/222 966-14<br />

Andrea Mader (am),<br />

Landeszahnärztekammer Baden-<br />

Württemberg<br />

Telefon: 0711/228 45-29<br />

E-Mail: mader@lzk-bw.de<br />

Dr. Holger Simon-Denoix (hsd),<br />

Kassenzahnärztliche Vereinigung<br />

Baden-Württemberg<br />

Telefon: 0711/78 77-229<br />

E-Mail: holger.simon-denoix@kzvbw.de<br />

_Anschrift der Redaktion:<br />

Informationszentrum Zahn- und<br />

Mundgesundheit Baden-Württemberg<br />

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Telefon: 0711/222 966-14<br />

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E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de<br />

_Redaktionsassistenz:<br />

Gabriele Billischek<br />

_Layout:<br />

Armin Fischer, Gabriele Billischek<br />

_Autoren*innen dieser Ausgabe:<br />

Gabriele Billischek, Dr. Uwe Blunck,<br />

Prof. Dr. Roland Frankenberger,<br />

Alexander Messmer, Guido Reiter,<br />

Claudia Richter, Cornelia Schwarz,<br />

Kerstin Sigle, Dr. Holger Simon-Denoix,<br />

Dr. Rainer-Udo Steck, Dr. Manuel<br />

Wäschle.<br />

_Titelseite:<br />

Foto: istock/Devrimb<br />

_Rubrik Titelthema:<br />

Abbildungen: Adobe Stock: MINIWIDE;<br />

Armin Fischer<br />

_Verantwortlich für Amtliche<br />

Mitteilungen der Kassenzahnärztlichen<br />

Vereinigung Baden-<br />

Württemberg (KZV BW):<br />

Dr. Torsten Tomppert, Vorsitzender des<br />

Vorstands der Kassenzahnärztlichen<br />

Vereinigung Baden-Württemberg<br />

(KZV BW), KdöR<br />

_Verantwortlich für Amtliche<br />

Mitteilungen der Landeszahnärztekammer<br />

Baden-Württemberg<br />

(LZK BW):<br />

Dr. Torsten Tomppert, Präsident<br />

der Landeszahnärztekammer Baden-<br />

Württemberg (LZK BW), KdöR<br />

_Hinweise:<br />

Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen.<br />

Ein Anspruch auf Veröffentlichung<br />

besteht nicht. Bei Einsendungen an<br />

die Redaktion wird der vollen oder<br />

auszugsweisen Veröffentlichung<br />

zugestimmt.Unaufgefordert<br />

eingegangene Fortbildungsmanuskripte<br />

können nicht veröffentlicht<br />

werden, da die Redaktion nur mit<br />

wissenschaftlichen Autoren vereinbarte<br />

Fort bildungsbeiträge veröffentlicht.<br />

Alle Rechte an dem Druckerzeugnis,<br />

insbesondere Titel-, Namens- und<br />

Nutzungsrechte etc., stehen<br />

ausschließlich den Herausgebern zu.<br />

Mit Annahme des Manuskripts zur<br />

Publikation erwerben die Herausgeber<br />

das aus schließliche Nutzungsrecht,<br />

das die Erstellung von Fort- und<br />

Sonderdrucken, auch für Auftraggeber<br />

aus der Industrie, das Einstellen des<br />

ZBW ins Internet, die Übersetzung in<br />

andere Sprachen, die Erteilung von<br />

Abdruckgenehmigungen für Teile,<br />

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an andere Verlage sowie Nachdrucke<br />

in Medien der Herausgeber, die<br />

fotomechanische sowie elektronische<br />

Vervielfältigung und die Wiederverwendung<br />

von Abbildungen umfasst.<br />

Dabei ist die Quelle anzugeben.<br />

Änderungen und Hinzufügungen<br />

zu Originalpublikationen bedürfen<br />

der Zustimmung des Autors und der<br />

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der Landeszahnärztekammer Baden-<br />

Württemberg ist der Bezugspreis mit<br />

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_Druck:<br />

W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG<br />

Augsburger Straße 722, 70329 Stuttgart<br />

Stefan Leicht, Tel. 0711 3272-232<br />

E-Mail: stefan.leicht@kohlhammerdruck.de<br />

www.kohlhammerdruck.de<br />

ISSN: 0340-3017

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