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klein & stark 1/23

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Suizidgedanken bei Kindern und Jugendlichen. Unser Magazin behandelt psychosoziale Gesundheitsthemen von Kindern und Jugendlichen.

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Suizidgedanken und -versuche unter Jugendlichen

sionen, Angstzustände, selbstverletzendes

Verhalten, Zwangsverhalten

oder Aggressionen.

Die einschränkenden Maßnahmen

im Zuge von COVID-19

haben im subjektiven Erleben der

Jugendlichen die Lebensqualität

derart verringert, dass sich sämtliche

Kinderkliniken mit extrem

erhöhten Aufnahmezahlen konfrontiert

sehen. Die genannten

Gründe sind meistens

Selbstverletzungen,

Depressionen

und Ängste.

Einige Kinderpsychiatrien

geben an,

in Bezug auf Aufnahmekapazitäten

überlastet zu sein.

Um einen Blick in

unser Nachbarland Deutschland

zu werfen: die Berliner Charité

beispielsweise verzeichnete einen

Anstieg der jugendlichen Akutaufnahmen

im Zeitrahmen der Pandemie

um bis zu 84 % aufgrund

von Depressionen.

Anderen Statistiken zufolge geben

rund 30 % aller Jugendlichen an,

schon einmal in ihrem Leben das

Szenario “Selbstmord” gedanklich

durchgespielt zu haben. Tatsächlich

verüben durchschnittlich

bis zu 10 % aller Jugendlichen

einen Suizidversuch. Bei Mädchen

kommen statistisch gesehen

Suizidversuche häufiger vor als

bei Jungen, wobei auch die Varianten,

wie der Freitod erfolgen

soll, analog zu den Erwachsenen,

genderspezifische Unterschiede

aufweist.

Im Hinblick auf das Alter kann

berichtet werden, dass Suizidversuche

vor dem 12. Lebensjahr

extrem selten vorkommen.

In ganz Europa ist Suizid die

zweithäufigste Todesursache

jugendlicher Menschen, Todesfolge

durch Unfälle steht hier an

erster Stelle. Statistiken zufolge ist

der Freitod durch “Erhängen” die

häufigste Methode unter Jugendlichen,

sich das Leben zu nehmen.

„Keine

Erkrankung,

sondern ein

Lösungsversuch“

Suizidgedanken aus psychotherapeutischer

Sicht

Suizidgedanken – psychotherapeutisch

betrachtet – erfüllen

einen bestimmten Zweck. In der

Psychotherapie sehen wir im

Willen, nicht mehr leben zu wollen

keine Erkrankung, sondern

einen Lösungsversuch. Irgendwo

hat der Selbstmordgedanke für

unsere Patient*innen in dieser

Situation etwas

Beruhigendes.

In der Ausübung

unseres Berufes

ist es essenziell,

sich dieser bedrückenden

Thematik

angstfrei zu

nähern. Denn der

Patient empfindet

bereits selbst so viel Angst, dass

er nicht mehr leben möchte. Das

letzte, was nun hilfreich wäre, ist

zusätzliche Angst.

Mögliche Gründe für Suizidgedanken

bei Jugendlichen

(und was wir beobachten)

Bekannt ist, dass die Pubertät

ohnehin eine Entwicklungsphase

voller Instabilität ist. Der jugendliche

Mensch ist sich selbst “fremd”

geworden. Das Kind, das man

gerade noch gewesen ist, existiert

nicht mehr, der Erwachsene, der

man sein wird, ist noch in weiter

Ferne. Daher sinkt der Selbstwert

drastisch und gibt Irritationen

und Ängsten den Nährboden für

irrationales, lebensgefährdendes

Verhalten. Zu weiteren Risikofaktoren

zählen noch Kinder und

Jugendliche, die einen hohen Perfektionsanspruch

an sich selbst

haben, jedoch mit einer geringen

Frustrationstoleranz ausgestattet

sind. Und schließlich wird die Diagnose

ADHS (Aufmerksamkeitshyperaktivitätsdefizit)

immer wieder

mit Suizidandrohungen und -versuchen

in Verbindung gebracht.

Durch Corona haben sich zwar

auf Österreich bezogen die Zahlen

der erfolgten Suizide vorerst

verringert, die Auswirkungen

werden uns dennoch langfristig

begleiten. Zumindest können

bereits jetzt diverse Schlussfolgerungen

gezogen werden.

Ein wichtiger Schritt in der

Lebensphase Pubertät ist die

schrittweise Loslösung vom

Elternhaus, um allmählich zu

seinem erwachsenen Ich zu finden.

Der Freundeskreis wird sehr

bedeutsam, die gezogenen Kreise

nach Außen immer größer. Die

Lockdownphasen haben sich auf

diesen wichtigen Entwicklungsschritt

kontraproduktiv ausgewirkt.

Statt der wichtigen Autonomie

wurden unsere Kinder

und Jugendlichen buchstäblich

“eingekerkert”, der einzige Ausweg

aus diesem Dilemma waren

Onlinekontakte. Gleichzeitig

wurde ein rasanter Anstieg an

“Computersucht und Handysucht”

beklagt. Was definitiv fehlte, war

der reale, zwischenmenschliche

Kontakt.

Ebenso hat das Thema “Homeschooling”

einen gewichtigen

Beitrag zur Verschlechterung

der Situation geleistet. Je jünger

die Schulkinder, umso

unlösbarer entpuppte sich das

“Distance Learning”. Bei Online-

Unterrichtsvarianten war zu

beobachten, dass vor allem für

jüngere Schulkinder die Störfaktoren

viel zu groß waren,

um neu Gelerntes auch kognitiv

abspeichern zu können. Für etliche

Schüler war schon das “sich

einloggen” mit großer Aufregung

(und Schwierigkeiten) verbunden,

vom Umgang mit Fragestellungen,

Handzeichen, Buchbeiträgen

oder Hörbeispielen ganz

zu schweigen. Oft hatte die Technik

noch Mängel, die den Effekt

des Lernens – um das es ja gehen

hätte sollen – zunichte machte.

Vor lauter Aufregung war im

Gehirn lediglich das Angstzentrum

aktiviert – absolut keine

gute Basis für einen Lernerfolg.

Die Praxis zeigt, dass eher nur

größere Kinder (Oberstufe) mit

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