klein & stark 1/23
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Suizidgedanken bei Kindern und Jugendlichen. Unser Magazin behandelt psychosoziale Gesundheitsthemen von Kindern und Jugendlichen.
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Suizidgedanken bei Kindern und Jugendlichen.
Unser Magazin behandelt psychosoziale Gesundheitsthemen von Kindern und Jugendlichen.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Suizidgedanken und -versuche unter Jugendlichen
sem Zielbild anzunähern, eignet
sich das Eintauchen in die Problemwelt
des Klienten. Die folgenden
drei Fragen
im Gedankenmodell
“ok, du bist tot ...”
können bei der Problemlösung
ausgesprochen
hilfreich
sein: “Wer wird
um dich trauern?
Wer kommt auf dein Begräbnis?
Wem wird es egal sein?”
Diese Fragen mögen Ihnen als
Leser vielleicht fehlplatziert
erscheinen, doch die jeweiligen
Antworten sind Hinweise darauf,
was der Klient braucht, um sein
Leid überwinden zu können. Auf
den Punkt gebracht, fördert die
Psychotherapie die Autonomieentwicklung
des Klienten.
Besonders hilfreich für den Psychotherapeuten
ist die Tatsache,
die Marina Gottwald in einer Weiterbildung
bei uns im Juli 2022
exakt formuliert hat: “Sobald
der Klient die Praxis betritt, tut
er etwas Lebensbejahendes.”
Im Verlauf der Sitzungen wird
daran gearbeitet, eine Identifikation
mit dem lebensbejahenden
Anteil zu erreichen, wobei Fragen
nach “wohin” immer zielbringender
sind als Fragen nach
dem “warum”.
Tabuthema erfolgter Suizid –
was kann ich nun für die Hinterbliebenen
tun?
Wenn Sie dieses Martyrium
selbst mitgemacht haben, sollte
sich Ihr eigenes Kind das Leben
genommen haben, so ist es uns
ein Anliegen, Sie zu unterstützen.
„Behutsam
alternative
Strategien
entwickeln“
Wir Menschen trauern so lange,
bis wir in dem erlittenen Verlust
dann letztendlich einen Sinn
erkennen können. Psychotherapie
kann Sie in dieser Zeit intensiv
unterstützen. Die Tradition,
sich in schwarze Kleidung zu hüllen,
macht auf gesellschaftlicher
Ebene viel Sinn. Jemand, der aufgrund
von Trauer schwarz trägt,
signalisiert seinen
Mitmenschen,
dass er in einer
sensiblen Lebensphase
ist. Wichtig
ist, dass die betroffenen
Menschen
erzählen können.
Denn durch das Narrative, die
Erzählung, bringt man den Trauerschmerz
sozusagen “in die Vergangenheit”,
man lässt ihn hinter
sich.
Kennen Sie Betroffene, so bieten
Sie sich als Zuhörer an. Sie müssen
nicht bewerten, sie brauchen
keine Ratschläge zu verteilen, es
wird von Ihnen nicht erwartet,
dass Sie fremde Probleme lösen.
Das Zuhören alleine schafft
Erleichterung.
Gleichzeitig ist es in unserer
Gesellschaft üblich, Trauernde
darin zu respektieren, dass sie
momentan nicht allzu belastbar
sind (und so sein dürfen). Eine
Tugend, die mittlerweile leider
eher verloren geht. Es wird
immer schneller erwartet, dass
der trauernde Mensch doch möglichst
bald wieder “ok” sein muss.
Doch es ist genau anders herum
– die Trauer braucht die Zeit,
die sie eben braucht. Ein hilfreiches
(therapeutisches) Bild:
Gras wächst auch nicht schneller,
wenn man daran zieht.
Sollte es Geschwisterkinder
geben, so ist es wichtig, diese
nicht zu übersehen. Sie brauchen
und verdienen die volle
Zuwendung, auch oder gerade
wenn sich die Schwester oder der
Bruder das Leben genommen hat.
Und noch ein letzter Gedanke: das
tote Kind soll nicht vergessen
werden. Auch wenn der Trauerprozess
bereits in die Phase der
Akzeptanz übergegangen ist – es
darf einen Erinnerungsplatz
geben.
Dr. in Maria Fessl
Systemische Familientherapeutin,
Leitung Kinderhilfswerk Linz,
Universitätslehrbeauftragte,
Referentin, Trainerin
maria.fessl@
kinderhilfswerk.at
Autorin
Quellen:
• Bundesministerium für Soziales, Gesundheit,
Pflege und Konsumentenschutz (2022):
Suizid und Suizidprävention in Österreich.
Bericht 2022.
• Eink Michael & Haltenhof Horst (2022): Basiswissen:
Umgang mit Suizidgefährdeten
Menschen.
• Eink Michael & Haltenhof Horst (2016): Beziehungsgestaltung
mit suizidgefährdeten
Menschen.
• Gottwald Marina (2022): Umgang mit Suizidgedanken.
Weiterbildung im Kinderhilfswerk
Linz.
• Grabenhofer-Eggerth Alexander & Nowotny
Monika (2020): Daten zu Suiziden in Österreich,
in: Psychologie in Österreich 1. Themenschwerpunkt
Suizidalität, Volume 40,
März 2020, 7 – 11.
• Rotthaus Wilhelm (2017): Suizidhandlungen
von Kindern und Jugendlichen. Band 7, Störungen
systemisch behandeln.
• Singer Tania & Bolz Matthias (Hg.): Mitgefühl
in Alltag und Forschung. Max Plank Institut,
E-Book: http://www.compassion-training.
org
• Wewetzer Christoph & Quaschner Kurt
(2019) Suizidalität. Band 27, Leitfaden Kinder-
und Jugendpsychotherapie.
• United Nations Children´s Fund (2021): The
State of the World´s Children 2021: On My
Mind – Promoting, protecting and caring for
children´s mental health, UNICEF, New York.
20