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SUMO #33

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Crime<br />

» True Crime Podcasts<br />

» „Richter Alexander Hold“<br />

» Polizei auf „Facebook“<br />

Copyright: Raffael Hagleitner<br />

Ausgabe 33<br />

- Oktober 2019 -


St. Pölten University of Applied Sciences<br />

Jetzt<br />

informieren!<br />

fhstp.ac.at/bmm<br />

© Martin Lifka Photography<br />

Medienmanagement<br />

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Das Bachelorstudium für Radio | TV | Print | Online<br />

mit den Schwerpunkten:<br />

• Content Management<br />

• Marketing und Sales<br />

• Strategisches Management<br />

medien & wirtschaft


Inhalt<br />

» Mord ist ihr Hobby 4<br />

» „Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow? 7<br />

» Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“ 10<br />

» Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz 14<br />

» Fokus statt High? Microdosing 17<br />

» Gedruckt, geladen und entsichert 20<br />

» Wie soziale Medien die Kommunikation über sexuelle und andere Gewalt verändern 23<br />

» „Last Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes 26<br />

» Framing in der (Gewalt-)Berichterstattung 29<br />

» Doping und die Rolle der Medien 33<br />

» Darknet: Anonymität vs. Kriminalität 34<br />

» Cyberwar und Cyberdefense 36<br />

» Horrorfilme: Lust auf Angst und Spannung vs. Ekel 37<br />

Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Ich schulde Ihnen eine Erklärung: Diese Ausgabe war<br />

unter dem Rahmenthema CRIME – in etwa: woher<br />

rührt das mediale Faszinosum Gewalt in unserer Gesellschaft<br />

und was bewirkt es – intendiert. Die RedakteurInnen<br />

jedoch haben mich eines Besseren belehrt:<br />

Sie schweiften ab in Gefilde, die zumeist indirekt Gewalt<br />

und Verbrechen beleuchten.<br />

Streaming-, aber auch lineare TV-Kanäle basieren<br />

einen Gutteil ihres Geschäftsmodells darauf, Zeitschriften<br />

wie „Stern“ erzielen mit ihren Spin-Offs<br />

gute Reichweiten, Onlinekanäle finanzieren sich über<br />

Gewaltattraktion, Verbrechensberichte in Zeitungen<br />

lukrieren die größten Schlagzeilen und online meisten<br />

Klickraten und Posts, Thriller haben auf Stränden<br />

die Badetücher als Reservierungsablage abgelöst...<br />

Warum interessiert uns das, was uns derart Angst<br />

macht derart?<br />

Bachelor Studiengang Medienmanagement der FH St.<br />

Pölten aus.<br />

<strong>SUMO</strong>, das einzige studentische Medienfachmagazin<br />

mit dieser Konzeption, liegt auf Ihrem Schreibtisch und<br />

jenem aller MedienmanagerInnen Österreichs und in<br />

den Klassenzimmern vieler Höher Bildenden Schulen<br />

zu hoffentlich Ihrem Interesse – in unserem liegt auch<br />

das Referenzieren auf medienpraktische Leistungen<br />

unserer Studierender in diversen Mediengattungen.<br />

Stichwort: medienmachen.at.<br />

Ach ja, Erklärung: Es erwarten Sie Artikel zu True Crime<br />

Podcasts, zur Gefahr von Suizidforen bzw. 3D-Drucker-Waffen,<br />

zur Cyberdefense Österreichs, gelüftet<br />

werden die Geheimnisses um „Richter Hold“, warum<br />

die Polizei twittert und Museen bei Kunstdiebstählen<br />

eher nicht...<br />

Eine interessante Lektüre wünschen<br />

Dennoch, liebe Leserinnen und Leser, berichten wir<br />

darüber nur am Rande. In dieser <strong>SUMO</strong>-Ausgabe<br />

lesen Sie Berichte und Reportagen, wie stets basierend<br />

auf Experteninterviews und Studien, zu Themen<br />

eben an den Rändern – etwas, das <strong>SUMO</strong> ausmacht.<br />

Abgesehen davon, dass dieselben RedakteurInnen<br />

auch die Bildredaktion, Sales, Produktion unseres gedruckten<br />

Magazins wie dessen Schwester sumomag.<br />

at, Distribution, Release-Organisation und Controlling<br />

verantwortet haben. Alle Schritte in einem Medienunternehmen<br />

zu durchlaufen und noch wenig thematisierte,<br />

jedoch kommende Inhalte wirtschaftlich<br />

aufzubereiten für Sie: Das unter anderem zeichnet den<br />

Copyright: Claudia Mann<br />

FH-Prof. Mag. Ewald Volk<br />

Studiengangsleiter<br />

Bachelor Medienmanagement<br />

Copyright: Ulrike Wieser<br />

FH-Prof. Mag. Roland Steiner<br />

Praxislaborleiter Print<br />

Chefredakteur <strong>SUMO</strong><br />

© Copyright: pexels<br />

Inhalt und Editorial<br />

3


Mord ist ihr Hobby<br />

Im Leben gibt es Höhen und Tiefen. Auf der Autofahrt zur eigenen<br />

Geburtstagsfeier zu weinen, würde für die meisten wahrscheinlich zu<br />

Zweiterem zählen. Für mich war es aber nur eines von vielen kuriosen<br />

Erlebnissen, mit denen ich im Laufe dieser Reportage konfrontiert wurde.<br />

Die Ursache für diese Umstände ist das Thema dieses Artikels: True Crime<br />

Podcasts.<br />

Die erste Frage, die ich klären wollte:<br />

Wie beliebt sind Podcasts? Es wird<br />

immer wieder die Hypothese in den<br />

Raum gestellt, dass die Jugend keine<br />

Aufmerksamkeitsspanne mehr und<br />

lieber Informationshäppchen als tiefgehende<br />

Berichte hätte. Podcasts sind<br />

die Antithese zu dieser Behauptung:<br />

oftmals stundenlange Monologe oder<br />

Gespräche zu Themen, die kaum ein<br />

Radiosender relevant finden würde.<br />

Vom detailierten Geschichtsvortrag bis<br />

zur lockeren Datingshow hat jede Nische<br />

ein Zuhause und eine treue Hörerschaft<br />

auf Podcastplattformen finden können.<br />

Nutzung und Formate von Podcasts<br />

Von Saruul Krause-Jentsch, Co-Initiatorin<br />

des Berliner Podcast-Labels „Auf<br />

die Ohren“, erhoffte ich mir eine Erklärung<br />

zu der Koexistenz dieser beiden<br />

divergierenden Thesen. Laut ihr gebe<br />

es zumindest vier Argumente, die dies<br />

erklären können. An vorderster Front<br />

sei die Intimität, die Podcasts innewohne.<br />

Mehr als 70% der HörerInnen<br />

benutzen Kopfhörer, was, insbesondere<br />

im Vergleich zum Fernsehen oder<br />

Autoradios, für ein anderes Verhältnis<br />

zum Inhalt sorge. Die Ursache dafür<br />

ist die besondere Nutzungssituation:<br />

Der Großteil höre Podcasts nicht zuhause<br />

auf der Couch, sondern unterwegs.<br />

Krause-Jentsch sieht darin auch<br />

den Grund, warum gerade ein zeitlanges<br />

Format gewünscht sei. Wenn man läuft<br />

oder Fahrrad fährt, könne man nicht<br />

dauernd das nächste Video einschalten,<br />

das dann wieder nur drei Minuten dauert.<br />

Man benötige ein Format, welches<br />

das Pendeln entspannter und nicht anstrengender<br />

mache. Ein weiterer Grund<br />

ist die Fantasie, denn im Gegensatz zu<br />

anderen Medien solle diese stärker angeregt<br />

werden. Die Podcast-Rezeption<br />

sei laut Krause-Jentsch näher beim Buch<br />

als beim Fernsehen, da uns nicht vorgekaut<br />

werde, was man sich vorstellen<br />

soll. Schlussendlich sieht sie auch einen<br />

Überdruss an dem viralen Shortform<br />

Content, der den Großteil des Internet<br />

darstelle. Podcasts mit ihren oft weitläufigen<br />

und detaillierten Ausführungen<br />

stellen dafür das optimale Pendant dar.<br />

Damit war für mich zumindestens<br />

geklärt, warum Menschen Podcasts<br />

hören. Die Frage, warum sie gerade<br />

Mord- und Kriminal-Podcasts hören,<br />

war allerdings noch offen und größer<br />

denn je, denn ich konnte mir nicht vorstellen,<br />

dass ich mir beim Laufen, Fahrradfahren<br />

oder Pendeln anhöre, wie<br />

jemand abgestochen oder erdrosselt<br />

wird. Doch wer könnte mir diese Frage<br />

beantworten? Am besten natürlich True<br />

Crime Podcaster. In Deutschland gibt es<br />

von diesen allerdings noch nicht so viele<br />

wie beispielsweise in den USA, wo dieser<br />

Trend durch „Serial“ vom „Chicago<br />

Public Radio“ in die breite Öffentlichkeit<br />

rückte. Im deutschsprachigen<br />

Raum wurde es dann u.a. von „ZEIT“<br />

mit ihrem Podcast „Verbrechen“ aufgenommen.<br />

Ebenso hat das deutsche<br />

Content Network „funk“ von ARD und<br />

ZDF vor einigen Monaten ein Format<br />

übernommen: „Mordlust“, von Paulina<br />

Krasa und Laura Wohlers, wird seit<br />

letztem Jahr von den beiden produziert<br />

und über Streaming-Plattformen wie<br />

„Spotify“ verbreitet. Mit einer Hälfte<br />

des Teams, Paulina Krasa, konnte ich<br />

dann zumindest einige meiner Fragen<br />

klären. Davor wollte ich mich allerdings<br />

in die Welt der Fans hineinversetzen.<br />

Zwei Wochen lang habe ich jede freie<br />

Minute genutzt, um mich von der realen<br />

Welt abzuschotten und in die Welt<br />

der True Crime Podcasts abzutauchen.<br />

Getting the real motive<br />

Dabei konnte ich gleich mehrere Phänomene<br />

beobachten. Erstens hatte<br />

ich das dringende Bedürfnis, jedes Gespräch<br />

zu kapern, um über komische<br />

und verstörende Mordfälle zu reden.<br />

Aus einer Unterhaltung über Wochenendpläne<br />

wurde ein Vortrag über<br />

die schlimmsten Weihnachtsmorde.<br />

Aus einer Diskussion über Artikel 13<br />

(EU-Uploadfilter) wurde ein Segment<br />

zu deutschen Amokläufen. Dies geschah<br />

aber weniger aus Freude, sondern<br />

mehr aus einem Bedürfnis, diese<br />

Geschichten zu teilen und zu sehen,<br />

wie andere Menschen darauf reagieren<br />

würden und ob sie die Erzählungen<br />

gleichermaßen verstörend fanden wie<br />

ich selbst. Gleichzeitig hatte ich auch<br />

das Gefühl, dass die im Podcast erzählten<br />

Geschichten an Grausamkeit und<br />

Ekelfaktor verloren. Dadurch wurde ich<br />

dann mit der Frage konfrontiert, ob die<br />

4<br />

Mord ist ihr Hobby


Geschichten wirklich harmloser wurden<br />

oder ich einfach desensibilisiert.<br />

Die Kommunikationswissenschaft<br />

begründet die Desensibilisierung<br />

in der Arousal-Theorie. Bis zur Veröffentlichung<br />

dieses Artikels konnte<br />

ich mir diese Frage nicht beantworten.<br />

Nach diesem Selbstversuch war es<br />

dann Zeit, Paulina Krasa zu interviewen<br />

und dabei stellte sich heraus, dass<br />

einige Fragen, die ich mir stellte sie<br />

sich ebenso schon gestellt hat. Unter<br />

anderem, wieso ihre Fans den Podcast<br />

hören. Deswegen haben sie bereits eine<br />

wiewohl nicht-repräsentative Umfrage<br />

unter ihren ZuhörerInnen gemacht, um<br />

ebendies herauszufinden. Dabei gab es<br />

unterschiedliche Begründungen, die in<br />

mehrere Kategorien unterteilt werden<br />

konnten. Ebenjene Begründungen finden<br />

sich auch in mehreren Studien wieder.<br />

Ein großer Faktor ist das Bedürfnis<br />

nach Verständnis. Eine Zuhörerin<br />

schrieb, sie wolle „versuchen [...] zu<br />

verstehen, warum ein Mensch eine Tat<br />

begeht, bzw. was ihn dazu getrieben<br />

hat“. Dadurch soll aus einer für den<br />

Durchschnittsmenschen unverständlichen<br />

Tat etwas werden, das man einordnen<br />

kann. Wie eine andere Zuhörerin<br />

schrieb, werde es so „verständlich oder<br />

zumindest nachvollziehbar“. Manche<br />

gaben auch zu, dass Sensationslust –<br />

in der Kommunikationswissenschaft<br />

lautet das theoretische Konstrukt<br />

„Sensation Seeking“ – einen Einfluss<br />

auf ihr Interesse habe. Es sei fesselnd<br />

zu sehen, wozu Menschen fähig und<br />

wie sie dazu geworden sind. Auch der<br />

Gruselfaktor wurde mehrfach erwähnt.<br />

Bei beiden handelt es sich um ein Interesse<br />

an dem Unbekannten. Etwas, das<br />

einem/r komplett fremd ist und nicht<br />

Copyright: adobe stock/vladimir<br />

Mord ist ihr Hobby<br />

5


dem Alltag entspricht und gerade deswegen<br />

ein verdrehtes Interesse weckt.<br />

Mordinteresse ist weiblich...<br />

Für mich der interessanteste Grund<br />

war allerdings die Vorbereitung. Dazu<br />

fand ich bei meiner Recherche auch die<br />

Studie „Captured by True Crime: Why<br />

Are Women Drawn to Tales of Rape,<br />

Murder, and Serial Killers?“, die mir auch<br />

zu einem anderen versteckten Wissen<br />

verhalf. Der Großteil der True Crime Fans<br />

ist weiblich. Gleichzeitig beantwortete<br />

sie auch die Frage, warum das so ist.<br />

Noch dazu bestätigte sie auch die Ansichten<br />

der befragten ZuhörerInnen.<br />

Amanda M. Vicary und Chris R. Fraley<br />

von der University of Illinois zeigten in<br />

ihrer Studie einen Unterschied auf zwischen<br />

Männern und Frauen. Während<br />

weibliche Leserinnen eher zu Lektüre<br />

griffen, die ein weibliches Opfer hat,<br />

Tipps enthielt oder eine Erklärung zum<br />

Motiv des Mörders andeutet, war es<br />

bei Männern zwar manchmal auch<br />

ein Faktor, aber weitaus geringerer<br />

als bei Frauen. In der Studie wird besonders<br />

beim Unterschied durch das<br />

Geschlecht der Protagonistin darauf<br />

hingewiesen, dass dies dadurch bedingt<br />

ist, dass der gleichgeschlechtliche<br />

Protagonist ansprechender ist, da er<br />

oder sie einem selbst ähnlicher sei.<br />

„Emotional Rescue“<br />

Das ist auch ein Thema, das Paulina<br />

Krasa ansprach und ich als besonders<br />

interessant empfand: Was trifft uns<br />

emotional am meisten? Die Anekdote<br />

mit der tränennahen Autofahrt erklärt<br />

sie mit dem Kontext, den ich zu dieser<br />

Situation habe. Dieser Kontext gibt mir<br />

eine Nähe zu dem Geschehen, die ich zu<br />

einem Hamburger Prostituiertennmörder<br />

nie haben könnte. Ein anderer Weg<br />

diese Nähe zu schaffen, die Podcasts<br />

bzw. auditiven Medien im Vergleich zu<br />

Texten eigen ist, sind originale Ton-Aufnahmen.<br />

Bis heute haben sich Telefonatmitschnitte<br />

des Podcasts in mein<br />

Gehirn gebrannt. Geschichten von verzweifelten<br />

Müttern setzen einem zwar<br />

allein wegen dem bekannten Bezug<br />

zu, der Mitschnitt eines Notrufs von<br />

einer weinenden Mutter deren Tochter<br />

gerade angeschossen wurde, trifft<br />

einen aber auf einem Level, den kein<br />

Zeitungsartikel je erreichen könnte.<br />

Denn nicht nur haben wir den Bezugspunkt,<br />

sondern wir hören auch noch die<br />

Verzweiflung in ihrer Stimme und haben<br />

noch dazu das grauenvolle Wissen,<br />

dass das was wir in diesem Moment<br />

hören, nicht geschauspielert ist. Dass<br />

wir nicht zu einem Happy End vorspulen<br />

können. Dass wir gerade hören, wie<br />

eine Mutter mit dem Gedanken kämpfen<br />

muss, ihr eigenes Kind zu begraben.<br />

von Alexander Weller<br />

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6<br />

Mord ist ihr Hobby


„Richter Alexander Hold“ – Was steckt<br />

hinter den Kulissen der Gerichtsshow?<br />

Zwar ist die pseudo-dokumentarische Gerichtsshow schon seit 2013 abgedreht, doch werden Wiederholungen<br />

nach wie vor via „Sat1Gold“ ausgestrahlt. Was aber steckte hinter dem Hype um die Scripted-Reality Show, in<br />

der fiktive Gerichtsverhandlungen in Strafsachen dargestellt werden? Und was sind die Motive, die Gerichtsshow<br />

zu rezipieren? <strong>SUMO</strong> ging diesen Fragen nach und sprach mit drei DarstellerInnen: Alexander Hold, Isabella Kirkitadse<br />

und Alexander Stevens.<br />

Es ist in jeder Folge dasselbe Schema:<br />

Tagtäglich sitzt der Richter in gleicher<br />

Robe sowie Kulisse und verhandelt<br />

nach dem üblichen Ritual des Strafprozesses<br />

die Fälle, die ihm jeden Tag<br />

aufs Neue aufgetischt werden. Mag<br />

eintönig klingen, ist es aber keineswegs<br />

– denn die Pseudo-Gerichtsshow<br />

zeichnet sich seit nun schon über 20<br />

Jahren durch anhaltenden Erfolg aus.<br />

Generell erlebte das Genre bereits<br />

im deutschen öffentlich-rechtlichen<br />

Fernsehen der 1970er, aber auch<br />

später bei den privaten Sendern (etwa<br />

„Richterin Barbara Salesch“, Sat.1, oder<br />

„Das Jugendgericht“; RTL) Hochblüten.<br />

Der echte Beruf in fiktiver Maske<br />

Auf Seiten der ZuseherInnen bleibt die<br />

Serie ein spannendes Fernseherlebnis.<br />

Doch was die Wenigsten wissen: Die<br />

DarstellerInnen der juristischen Rollen<br />

üben diese auch im echten Leben aus.<br />

So ist Hold auch off-screen Richter und<br />

verhandelt Straffälle, die Staats- bzw.<br />

Rechtsanwälte und -innen sind in der<br />

Realität ebenfalls solche. Wie ist es für<br />

sie, den echten Beruf auch in fiktiver<br />

Rolle zu spielen? „Der Unterschied<br />

ist gar nicht so groß, da ich auch im<br />

Fernsehen in völlig richterlicher Unabhängigkeit<br />

agiert habe. Das heißt,<br />

ich habe selbst die Fälle, mit Ausnahme<br />

von Formalia juristisch sauber nach<br />

der Strafprozessordnung vorbereitet.<br />

Völlig frei im Ablauf führte ich die Verhandlungen<br />

nach eigenem Gutdünken<br />

und habe schließlich die Entscheidung<br />

am Ende so getroffen, wie ich es auch bei<br />

der Justiz getan hätte. Tatsächlich habe<br />

ich die Entscheidungen für mich selbst<br />

erst nach den Plädoyers getroffen – so<br />

wie es in der Realität im Gerichtssaal<br />

abläuft. Ich habe also genauso als Jurist<br />

gehandelt wie bei der Justiz, nur über<br />

fiktive statt über echte Fälle“, so Hold.<br />

Alexander Stevens, der als Anwalt<br />

in der Serie tätig war, entgegnet auf<br />

die Frage, dass es – unabhängig vom<br />

Beruf – für viele sicher nicht so einfach<br />

sei, den Beruf auch vor laufender<br />

Kamera darzustellen. Deshalb war<br />

es auch für die Casting-Abteilung<br />

schwierig, die Rollen richtig zu<br />

besetzen, da das Cast die Rolle schließlich<br />

authentisch verkörpern muss.<br />

Dank medialer Vorerfahrungen war<br />

es für Stevens aber kein Problem,<br />

seine Rolle lebensnah auszuüben.<br />

Mehr Reality als Scripted<br />

Wie es in vielen TV-Serien üblich ist,<br />

liegt den SchauspielerInnen ein Drehbuch<br />

vor, an das sie sich zu halten<br />

haben. Ganz so streng lief es bei „Richter<br />

Alexander Hold“ jedoch nicht ab. „Im<br />

Laufe der zwölf Jahre haben wir immer<br />

wieder neue Wege ausprobiert, in<br />

welcher den DarstellerInnen die Tiefe<br />

und Genauigkeit der Aussagen vorgegeben<br />

waren. Eines blieb jedoch<br />

immer gleich: Ich habe die Verhandlung<br />

unabhängig geführt, mit eigenen Worten<br />

gesprochen und immer wieder<br />

spontan zusätzliche Fragen gestellt,<br />

was auch für meine KollegInnen, die<br />

Staatsanwälte und -innen und VerteidigerInnen<br />

galt“, sagt Hold. „Das Drehbuch<br />

diente vor allem zur Orientierung<br />

für SchauspielerInnen und KomparsInnen,<br />

damit sie wissen, wann ihr Einsatz<br />

ist“, bestätigt Stevens. Auch Plädoyers,<br />

Urteile und Urteilsbegründungen<br />

durften völlig frei gehalten und nach<br />

eigenem juristischen Background selbst<br />

bestimmt werden, ohne sich an Vor-<br />

Copyright: adobe stock/ rcfototstock<br />

„Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow?<br />

7


gaben oder ein Skript halten zu müssen.<br />

Isabella Kirkitadse, die von 2006 bis<br />

2012 ebenfalls in der Verteidigerrolle<br />

zu sehen war, meint, dass es vom<br />

Sender bewusst so gewollt war, dass<br />

RichterInnen sowie Anwälte/innen<br />

nicht nur strikt Drehbücher auswendig<br />

lernen, sondern auch juristische Eigenleistung<br />

einbringen. Die Fälle wurden<br />

schließlich vor Drehbeginn nochmals<br />

besprochen, jede/r Jurist/in hat ein<br />

individuelles Resümee gezogen und<br />

dieses dann im Plädoyer verarbeitet.<br />

Hinter den Kulissen des Quotenbooms<br />

Insgesamt 2.038 Episoden mit einer<br />

Sendungslänge von 60 Minuten in 12<br />

Staffeln wurden produziert. Laut dem<br />

Check auf www.quotenmeter.de beliefen<br />

sich die Einschaltquoten dabei<br />

durchschnittlich auf 19,1% und lagen<br />

damit deutlich über dem Sat.1-Sendeschnitt<br />

von 10,2%. Warum die<br />

Quoten nach wie vor stark seien, liege<br />

laut Stevens an drei verschiedenen<br />

Gründen: Zum ersten daran, dass<br />

Gerichtsverhandlungen in Deutschland<br />

und Österreich für das Fernsehen nicht<br />

öffentlich zugänglich sind – deshalb<br />

auch das stete Bedürfnis. Zweitens,<br />

das Interesse an juristischen Alltagsthemen,<br />

was wie juristisch gehandhabt<br />

und bestraft wird. Und letztlich erwähnt<br />

Stevens den Emotionalisierungsfaktor,<br />

auf welchen oftmals im TV und<br />

in Boulevardmedien zurückgegriffen<br />

wird, indem sich viele ZuseherInnen<br />

gerne am Leid anderer ergötzen.<br />

Kirkitadse meint, dass der Hype auch<br />

daran lag, dass die Sendung einen<br />

besonderen Charakter habe, relativ<br />

authentisch und kaum „fake“ sei,<br />

was den Strafprozess betreffe. Aus<br />

diesem Grund wurden die Rollen auch<br />

an echte JuristInnen vergeben und<br />

nicht an SchauspielerInnen. „Die Leute<br />

finden die Geschichten spannend, die<br />

Auflösung kommt ja eher erst zum<br />

Schluss. Interessant wird es wahrscheinlich<br />

auch für die ZuschauerInnen<br />

sein, Strafverhandlungen zu sehen,<br />

ohne selbst direkt im Gerichtssaal anwesend<br />

zu sein. Man fragt sich als Zuseher/in,<br />

was das Urteil sein wird, wie<br />

die TäterInnen überführt werden und<br />

was die Begründung für jenes Urteil, die<br />

Haft- oder Geldstrafe ist.“ Um die Serie<br />

noch realistischer zu gestalten, wurde<br />

im Laufe der Dreharbeiten auch das<br />

Format noch näher an die Realität angepasst.<br />

Zu Beginn war schlichtweg der<br />

reine Gerichtssaal zu sehen, wo täglich<br />

Delikte und Straftaten verhandelt wurden.<br />

Nach einiger Zeit wurde die Show<br />

so adaptiert, dass auch die Welt außerhalb<br />

des Gerichts Teil der Sendung war.<br />

So fügte der Sender Außendrehs hinzu,<br />

in denen vor Ort Besichtigungen und<br />

Ermittlungen durchgeführt wurden.<br />

Dabei wurde auch Wert daraufgelegt,<br />

die Ermittlertätigkeit des Staatsanwalts<br />

bzw. der Staatsanwältin und<br />

der Polizei näher ins Licht zu rücken.<br />

„Wichtig für den andauernden Erfolg ist<br />

es natürlich, jeden Tag eine spannende<br />

Geschichte zu erzählen. Das Besondere<br />

aber am Format der Serie ist, anders als<br />

bei einem Krimi, dass es nicht nur um<br />

die Frage geht, wer Täter/in ist, sondern<br />

vielmehr um die spannende Frage, was<br />

die gerechte Folge dieser Wahrheit<br />

ist“, konstatiert Hold. Selbstverständlich<br />

wollen ZuschauerInnen zuallererst<br />

gut unterhalten werden. Aber darin<br />

erschöpft sich deren Motivation nicht,<br />

wie zahlreiche Analysen zeigen. Eine<br />

Gerichtsverhandlung bietet ZuseherInnen<br />

die Möglichkeit, das eigene<br />

Wertesystem zu hinterfragen, mit dem<br />

anderer Menschen zu vergleichen und<br />

am Ende neu zu justieren. Alexander<br />

Hold dazu: „Wir wissen, dass die Sendung<br />

in vielen Haushalten zu intensiven<br />

Diskussionen führt und zu Fragen wie<br />

zum Beispiel: Was ist eigentlich gerecht?<br />

Wie kann die Gesellschaft einer<br />

persönlichen Schuld begegnen? Wie<br />

kann man dem Opfer gerecht werden?<br />

Wer hat wann noch eine Chance<br />

verdient? Und das Beste: Es gibt da<br />

einen Richter, der am Ende mit seiner<br />

Entscheidung all diese Fragen verbindlich<br />

beantwortet und damit eben das<br />

Wertesystem justiert. Dass das den ZuschauerInnen<br />

sehr wichtig ist, wissen<br />

wir auch deshalb, weil anders als bei<br />

Krimis die Einschaltquoten gegen Ende<br />

der Sendung auch dann noch stabil<br />

Copyright: adobe stock/rupbilder<br />

8<br />

Thema „Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow?


Copyright: adobe stock/Gerhard Seybert<br />

bleiben, wenn der Täter gefunden ist.<br />

Die ZuschauerInnen bleiben trotzdem<br />

bis zum Ende der Urteilsbegründung.“<br />

Überspitztheit oder Realität?<br />

Das in der Reality Show häufig vorkommende<br />

Geplänkel zwischen Justiz<br />

und Angeklagten spricht für sich und<br />

zeichnet die Gerichtsserie auch in gewissen<br />

Maßen aus. Für RezipientInnen<br />

kommen hier häufig Zweifel auf, ob<br />

jene Streitereien nicht zu überspitzt<br />

und realitätsfern dargestellt sind.<br />

Isabella Kirkitadse entgegnet darauf,<br />

dass die Palette, was an Straftaten<br />

begangen wird, so bunt sei, und die<br />

Beweggründe für die Begehung von<br />

Straftaten so vielfältig, sodass in der<br />

Serie hier nichts verzogen sei, sondern<br />

ganz im Gegenteil realistisch. „Von zehn<br />

Strafverhandlungen am Tag haben Sie<br />

mindestens eine, die in ähnlicher Qualität<br />

verläuft.“ Alexander Hold hingegen<br />

differenziert, dass in dem Format<br />

tendenziell häufiger Zuspitzungen vorkommen<br />

als im tatsächlichen Justizalltag,<br />

auch wenn er bereits die skurrilsten<br />

Dinge erlebt habe. Er fügt hinzu, dass<br />

die Sendung aufgrund der räumlichen<br />

Grenzen des Gerichtssaals und des<br />

engen Korsetts der Strafprozessordnung<br />

nur begrenzte Möglichkeiten<br />

der Spannung und Abwechslung zur<br />

Verfügung habe und deshalb fast als<br />

echtes Kammerspiel dargestellt werde.<br />

„Allerdings sind nur die Fälle erdacht.<br />

Der Ablauf und die Entscheidung entsprechen<br />

ja 1:1 der Realität. Dadurch ist<br />

das Format näher am Leben dran als so<br />

mancher Krimi und beispielsweise jede<br />

Arzt- oder Krankenhausserie.“<br />

von Marlene Lampl<br />

Alexander Hold<br />

Copyright: Mathias Sienz<br />

Isabella Kirkitadse<br />

Copyright: Isabella Kirkitadse<br />

Alexander Stevens<br />

Copyright: Julian Hartwig<br />

„Richter Alexander Hold“ – Was steckt hinter den Kulissen der Gerichtsshow?<br />

9


Polizei auf „Facebook“ und<br />

„Twitter“<br />

Durch die stetig steigende Beliebtheit von Social Media entstehen vor<br />

allem Chancen, aber auch zahlreiche Herausforderungen für die Polizei.<br />

Darüber sprach <strong>SUMO</strong> mit Bernadette Neumeyr und Barbara Zöchbauer,<br />

Social Media-Verantwortliche der Landespolizeidirektion (LPD) Niederösterreich,<br />

sowie Rudolf Haas und Maria Pichler von der LPD Wien.<br />

Das Betreiben eigener Profile auf<br />

„Facebook“ und „Twitter“ stellt heute<br />

zwar noch Herausforderungen für die<br />

Polizei dar, jedoch wird daraus eine<br />

Vielzahl von Vorteilen generiert. Das<br />

europäische Forschungsprojekt COM-<br />

PISTE (Comparative Police Studies<br />

in the European Union) zeigt einige<br />

Möglichkeiten auf, wie man von einer<br />

Online-Präsenz profitiert. Dafür wurden<br />

im Zeitraum von 2010 bis 2014 Workshops<br />

mit zahlreichen VertreterInnen<br />

der Polizei in verschiedenen Ländern<br />

der EU durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt<br />

nutzte die Exekutive in einigen<br />

Ländern bereits Plattformen wie „Facebook“<br />

und „Twitter“, während andere<br />

erst darüber nachdachten, wie sie diese<br />

Herausforderung umsetzen könnten.<br />

Seit Oktober 2016 ist auch die Landespolizeidirektion<br />

Niederösterreich auf<br />

„Facebook“ vertreten, erzählt Bernadette<br />

Neumeyr im <strong>SUMO</strong>-Interview.<br />

Ansprache der RezipientInnen<br />

COMPOSITE hat ebenfalls herausgefunden,<br />

dass die Polizei über traditionelle<br />

Medien nicht mehr dieselbe Anzahl<br />

an RezipientInnen erreicht, wie es<br />

früher der Fall war. Heute bietet Social<br />

Media mit der stetig steigenden Anzahl<br />

an NutzerInnen die Möglichkeit, eine<br />

sehr große Zielgruppe zu erreichen.<br />

Auch wenn sich freilich nicht alle ÖsterreicherInnen<br />

auf „Facebook“ oder „Twitter“<br />

immer darüber informieren, was<br />

die Polizei veröffentlicht, landen ihre<br />

Posts oftmals trotzdem im Newsfeed,<br />

da es andere Menschen teilen oder<br />

den „Gefällt mir“-Button drücken. Die<br />

LPD Niederösterreich versuche sogar<br />

jene Menschen zu erreichen, die selbst<br />

gar nicht auf Social Media-Plattformen<br />

aktiv sind, indem Menschen dazu animiert<br />

werden, sich mit anderen über<br />

bestimmte Themen auszutauschen.<br />

Dafür gibt Neumeyr den sogenannten<br />

„Neffen- oder Enkeltrick“ als Beispiel<br />

an, wo Familienmitglieder über Soziale<br />

Medien über diese Form des Betruges<br />

aufgeklärt und animiert werden, andere<br />

Familienmitglieder zu warnen, die<br />

selbst nicht auf den Plattformen sind.<br />

Neue Arten der Kommunikation<br />

Auch wenn das Betreiben eigener Profile<br />

auf Sozialen Medien keine fundamentalen<br />

Veränderungen in der Organisation<br />

der Exekutive mit sich bringe,<br />

bedeute es trotzdem eine Erweiterung<br />

der Polizei-Arbeit auf ein bisher neues<br />

Feld. Auch Rudolf Haas bestätigt,<br />

dass diese eine neue Möglichkeit<br />

bieten, direkt mit der Bevölkerung zu<br />

Copyright adobe stock/sgonin<br />

10<br />

Thema Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“


kommunizieren. „Facebook“, „Twitter“<br />

und Co. eröffnen der Polizei Chancen<br />

auch ohne den Zwischenschritt „Medium“<br />

nach außen hin präsent zu sein<br />

und mit den Menschen in Kontakt zu<br />

treten, diesen Vorteil betont auch Neumeyr.<br />

Diese direkte Art der Kommunikation<br />

zwischen Polizei und Bevölkerung<br />

hat auch das Forschungsprojekt COM-<br />

POSITE als wichtig für die Exekutive<br />

befunden und leitet daraus zahlreiche<br />

Vorteile ab. Denn durch Soziale Medien<br />

verändert sich eine Konversation von<br />

privatem E-Mail-Verkehr hin zu öffentlichen<br />

Konversationen auf „Facebook“<br />

und „Twitter“, die von allen anderen<br />

UserInnen einsehbar und ebenfalls mitgestaltbar<br />

sind. Dieser direkte Kontakt<br />

bietet der Bevölkerung die Möglichkeit<br />

mit der Exekutive zu interagieren,<br />

ihren Arbeitsalltag näher kennenzulernen<br />

und ihre Handlungen besser<br />

zu verstehen. Wie auch COMPOSITE<br />

hält Barbara Zöchbauer es für große<br />

Vorteile, dass direkter Kontakt mit der<br />

Bevölkerung aufgenommen werden<br />

kann, Fragen beantwortet werden<br />

können und direkt miteinander interagiert<br />

werden kann. Das Forschungsprojekt<br />

COMPOSITE hat ebenfalls<br />

ergeben, dass die Menschen großes<br />

Interesse dafür zeigen, mit der Polizei<br />

direkt zu interagieren und diese auch<br />

über Soziale Medien zu unterstützen.<br />

Eine andere Chance für die Kommunikation<br />

mit der Bevölkerung bieten<br />

sie, indem sie es der Polizei ermöglichen,<br />

einen direkten Standpunkt zu<br />

diskutierten Themen einzunehmen.<br />

Denn auch wenn die Exekutive selbst<br />

nicht aktiv auf Social Media ist, werden<br />

Themen rund um Polizei, Verbrechen<br />

und Kriminalität dort besprochen.<br />

So wird es für NutzerInnen immer<br />

schwieriger, zwischen nicht- und vertrauenswürdigen<br />

Quellen zu unterscheiden.<br />

Auch das bestätigen die<br />

Ergebnisse des Forschungsprojekts<br />

COMPOSITE. Maria Pichler konstatiert,<br />

dass andere Medien Geschehnisse<br />

teilweise übertreiben, wohingegen<br />

Informationen durch die Landespolizeidirektion<br />

Wien immer neutral herausgegeben<br />

würden, ohne etwas zu verschönern<br />

oder zu verschlimmern. Auch<br />

Zöchbauer beteuert, dass sie in ihrer<br />

Arbeit nicht auf Sensationen aus sei.<br />

Schnellere Ergebnisse<br />

Ein weiterer Vorteil für die Polizei durch<br />

die Nutzung von „Facebook“, „Twitter“<br />

und Co. wird dadurch generiert, dass sie<br />

die Bevölkerung direkt um Mithilfe bitten<br />

kann. Die Polizei Hannover berichtete,<br />

dass während des Untersuchungszeitraums<br />

von COMPOSITE acht nützliche<br />

Informationen zu Fällen über Social<br />

Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“<br />

11


Media gesammelt werden konnten, in<br />

welchem durch traditionelle Presseaussendungen<br />

keine wichtigen Informationen<br />

generiert werden konnten.<br />

Das große Interesse und die Motivation<br />

zur Unterstützung der Polizei, welches<br />

durch COMPOSITE herausgefunden<br />

wurde, trifft laut Neumeyr ganz<br />

besonders im Bereich der Fahndung zu.<br />

Der Fokus<br />

Die Landespolizeidirektion Niederösterreich,<br />

erzählt Neumeyr, legt in<br />

ihren Beiträgen sehr großen Wert<br />

auf Aktualität, weil genau das die<br />

Bevölkerung auch wirklich erwartet.<br />

Auch Zöchbauer betont die Relevanz<br />

der Inhalte für die NutzerInnen. Beide<br />

halten deshalb auch eine bestimmte<br />

Post-Anzahl in einem konkreten Zeitraum<br />

nicht für sinnvoll, sie produzierten<br />

nur Content mit polizeilichem Bezug,<br />

und freuten sich auch über ruhige Tage,<br />

wo nichts gepostet werde. Denn das<br />

wiederum zeige nur, wie gut ihre KollegInnen<br />

in den Dienststellen ihre Arbeit<br />

erledigen. Oder auch, dass die Bevölkerung<br />

bereits so gut informiert ist,<br />

dass es nicht mehr so häufig zu Delikten<br />

kommen könne, denn das oberste Ziel<br />

der Social Media-Präsenz der Polizei<br />

liege immer in der Prävention. Darum<br />

orientieren sie sich in ihrer Arbeit auch<br />

nicht nach einer bestimmten Menge an<br />

Followern, sondern die Interaktion der<br />

NutzerInnen stelle das Hauptaugenmerk<br />

in ihrer Arbeit dar. Den beiden Social<br />

Media-Verantwortlichen Neumeyr<br />

und Zöchbauer ist bewusst, dass ihre<br />

LPD auf Social Media noch eher unbekannt<br />

ist, jedoch arbeiten sie daran,<br />

ihre Bekanntheit zu steigern. Statt Geld<br />

dafür aufzuwenden, die Reichweite zu<br />

steigern, nutzen sie andere<br />

Mittel und Wege um mehr<br />

Menschen zu erreichen, wie<br />

zum Beispiel ein bestimmtes<br />

Wording, die Länge eines<br />

Beitrags etwa. „Die Länge<br />

von Fotos ist uns eigentlich<br />

egal, die am besten bei<br />

der Community ankommen<br />

zählen. Einfach gesagt: an<br />

die Zielgruppe angepasstes<br />

Wording. Dann ersparst du dir<br />

den komplizierten Satz. Bilder<br />

sowie Informationen zu Beiträgen<br />

lassen teilweise andere<br />

Kollegen uns zukommen,<br />

was aber leider noch nicht<br />

sehr oft vorkommt. Meistens<br />

erarbeiten wir uns unseren<br />

Content selbst.“ Die größte<br />

Herausforderung dabei sei<br />

es, dass es für viele PolizistInnen<br />

noch neu sei, in Sozialen<br />

Medien als Polizei vertreten<br />

zu sein. Daher geben<br />

Neumeyr und Zöchbauer<br />

Schulungen als Teil der<br />

Grundausbildung in der<br />

Polizeischule. Dadurch können<br />

sie den kommenden<br />

Generationen die große Relevanz von<br />

Social Media für die Polizei erklären und<br />

sie mit diesem Thema vertraut machen.<br />

Auch die Landespolizeidirektion Wien,<br />

so Haas und Pichler, lege großen Wert<br />

darauf, dass jeder veröffentlichte Beitrag<br />

einen Mehrwert für den Nutzer<br />

oder die Nutzerin hat. Zwar sei auch die<br />

Vielfalt in Bezug auf den geposteten<br />

Content ein großes Thema, trotzdem<br />

liege auch bei ihnen das Hauptaugenmerk<br />

auf Präventionsbeiträgen. Informationen<br />

sollen über Social Media aus<br />

Rudolf Haas und Maria Picher<br />

Copyright: Katja Müller<br />

Barbara Zöchbauer und Bernadette Neumayr<br />

Copyright: Katja Müller<br />

erster Hand an die Bevölkerung weitergegeben<br />

werden. Darüber hinaus nutzen<br />

sie diese auch vermehrt dafür, den<br />

Recruiting-Prozess zu bewerben. Auch<br />

für sie steht nicht die Anzahl der Klicks<br />

im Vordergrund ihrer Arbeit, sondern der<br />

Mehrwert für den User bzw. die Userin.<br />

von Katja Müller<br />

Copyright: adobe stock/LIGHTFIELD STUDIOS<br />

12<br />

Polizei auf „Facebook“ und „Twitter“


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13


Operation „Parnass“ – Die Suche<br />

nach dem verlorenen Schatz<br />

Jahr für Jahr sorgen Fälle von Kunstdiebstahl oder -raub für Schlagzeilen,<br />

umso mehr, je kostbarer der „Schatz“ ist. <strong>SUMO</strong> diskutierte mit Otto<br />

Hans Ressler, Kunstexperte und Auktionator, und Petra Eibel, Leiterin der<br />

Kunstversicherungs-Abteilung ArtUniqa, über das Thema Kunstdiebstahl<br />

und welche Rolle die Medien bei der Berichterstattung und Aufklärung<br />

einnehmen.<br />

Kunstraub hat Konjunktur, sogar Hochkonjunktur,<br />

glaubt man den Statistiken,<br />

welche die internationalen Polizeibehörden<br />

und die Versicherungen zu<br />

diesem Thema regelmäßig veröffentlichen.<br />

Laut Verbrechensstatistik gilt<br />

Kunstdiebstahl in ihrer Schwere heute<br />

neben Rauschgift- und Waffenhandel<br />

als das lukrativste kriminelle Geschäft –<br />

mit nach wie vor steigender Zuwachsrate.<br />

Von der Antike bis zur Gegenwart<br />

wurden Kunstwerke gestohlen, um<br />

die eigene Habgier zu befriedigen, sei<br />

es, um finanzielle Gewinne zu machen<br />

oder einen Kriegsgegner zu demütigen.<br />

Die Mutter aller Kunstdiebstähle<br />

Es war ein spätsommerlicher Tag in<br />

Paris, an dem die TouristInnen durch<br />

die Stadt entlang der Seine flanierten<br />

oder im Park Bücher genossen. Die<br />

Menschen hielten sich lieber im Freien<br />

auf, als eines der zahlreichen Museen<br />

aufzusuchen – nichts deutete darauf<br />

hin, dass der 21. August 1911 in Kürze<br />

weltweit für Schlagzeilen sorgen sollte.<br />

Am helllichten Tag wurde aus dem<br />

größten Museum der Welt das wohl<br />

bekannteste Kunstwerk aller Zeiten<br />

entwendet. Unbekannte Täter hatten<br />

Otto Ressler<br />

Copyright: Klaus - Dieter Weber<br />

das Bild aller Bilder, Leonardo da Vincis<br />

„Mona Lisa“, aus dem Pariser Louvre<br />

gestohlen. Es war ein Montag, also<br />

Putztag, auch Handwerker gingen ein<br />

und aus, und mehr als 24 Stunden lang<br />

wunderte sich niemand über die leere<br />

Stelle an der Wand. Gelegenheitsdieb<br />

Vincenzo Peruggia versteckte sich über<br />

Nacht in einem Schrank, nutzte das<br />

Durcheinander um die morgendlichen<br />

Reinigungsarbeiten, nahm die Ikone<br />

und verschwand. Jahrelang wurde<br />

fieberhaft nach ihm gesucht und wild<br />

spekuliert bis zu dem Tag, an dem ein<br />

Kunsthändler in Florenz einen Brief<br />

von Peruggia bekam. In dem Schreiben<br />

behauptete dieser, die „Mona Lisa“<br />

aus Rache für den Raub Napoleons an<br />

der italienischen Kunst gestohlen zu<br />

haben. Als Gegenleistung forderte er<br />

500.000 Lire, jedoch kam es nie zur<br />

Geldübergabe und der Meisterdieb<br />

wurde kurze Zeit später verhaftet.<br />

„Sara, bitte komm zurück“<br />

Für ähnliche Rätsel sorgte am 11. Mai<br />

2003 kurz vor vier Uhr morgens der<br />

Diebstahl der „Saliera“ aus dem Kunsthistorischen<br />

Museum in Wien. Die nur<br />

26 Zentimeter große und auf einen<br />

Wert von mehr als 50 Millionen Euro<br />

geschätzte „Saliera“ von Benvenuto<br />

Cellini wurde mit Leichtigkeit aus dem<br />

Museum entwendet. Der Täter drang<br />

über ein Baugerüst in das Museum ein<br />

und zerschlug die Vitrine der Skulptur,<br />

der ausgelöste Alarm wurde von den<br />

Wächtern vorschriftswidrig ignoriert.<br />

Der Eindringling verschwand mit der<br />

vielleicht wertvollsten Goldschmiedearbeit<br />

der Renaissance. Mit diversen<br />

Erpressungsversuchen versuchte der<br />

Dieb an Geld zu kommen – zum allgemeinen<br />

Entsetzen drohte er, Cellinis<br />

Goldgefäß einzuschmelzen, sollte<br />

man ihm nicht 10 Millionen Euro zukommen<br />

lassen. Schließlich kamen<br />

ihm die Behörden auf die Schliche und<br />

konnten nach der Festnahme auch die<br />

vergrabene „Saliera“ in einem Waldstück<br />

nahe Zwettl sicherstellen. „Der<br />

Raub der ‚Saliera war das Ereignis,<br />

das in allen Museen dazu geführt hat,<br />

die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen“,<br />

so Kunstexperte und Auktio-<br />

Petra Eibel<br />

Copyright: Sabine Klimpt<br />

14<br />

Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz


Copyright: adobe stock/Photographee.eu<br />

nator Otto Ressler, Gesellschafter der<br />

Ressler Kunst Auktionen. Unüberwindbar<br />

sind sie seitdem jedoch noch nicht,<br />

da das Problem ist, dass es lange dauern<br />

kann, bis der Diebstahl überhaupt<br />

entdeckt wird. (Das Wien Museum etwa<br />

zählt mehr als 1 Millionen Objekte.)<br />

Heutzutage verwerfen SkeptikerInnen<br />

die Theorie vom besessenen Sammler,<br />

dem verrückten Milliardär, der einen<br />

Auftrag erteilt und danach glücklich<br />

ist, wenn er seinen illegal erworbenen<br />

Picasso im Keller verstauen und ganz<br />

für sich anhimmeln kann. Der verrückte<br />

Milliardär ist eine Fantasiefigur,<br />

ein Mythos, der nur auf der Kinoleinwand<br />

präsentiert wird. In keinem der<br />

spektakulärsten Kunstdiebstähle der<br />

letzten sechs Jahrzehnte wurde ein/e<br />

Auftraggeber/in gefunden, der oder die<br />

einen Kunstraub um der Kunst willen<br />

bestellte. Diesen Typus, der sich vor der<br />

Welt versteckt, gibt es nahezu nicht,<br />

da es SammlerInnen geradezu danach<br />

drängt, ihre Bilder in aller Öffentlichkeit<br />

zu präsentieren. „Die geheime<br />

Sammlung gestohlener Kunstwerke<br />

ist eher ein Phänomen der Literatur“,<br />

so Petra Eibel. Kunst werde nicht<br />

aus Leidenschaft gestohlen, sondern<br />

wegen Erpressung, Geldgier, Betrug<br />

oder Dummheit. Allerdings sieht Otto<br />

Ressler bei den Dieben, die ein weltweit<br />

bekanntes Objekt stehlen, eigentlich<br />

nur eine Art, um an Geld zu gelangen –<br />

dem „Artnapping“, also die Versicherung<br />

so lange zu erpressen, bis diese das<br />

Lösegeld bezahlt. Hierbei sei der heikle<br />

Punkt das Szenario der Geldübergabe,<br />

woran letztlich auch der Dieb der<br />

„Saliera“ gescheitert ist. Heutzutage<br />

komme es vor, dass viele Museen ihre<br />

Werke nicht mehr versichern, was Eibel<br />

nicht gutheißen kann, denn nur eine<br />

spezielle Kunstversicherung könne eine<br />

Lösung für gestohlene Kunstwerke anbieten,<br />

da kaum ein Objekt einen Diebstahl<br />

ohne Beschädigung überstehe.<br />

Aufklärung von Kunstdiebstählen<br />

„Die Medien sind von Kunstdiebstählen<br />

fasziniert und wenn ein Gemälde für<br />

ein paar tausend Euro gestohlen wird,<br />

ist das eine Meldung wert“, so Ressler.<br />

Jedoch wären bei der Aufklärung von<br />

Kunstdiebstählen in der Vergangenheit<br />

die Medien laut Eibel nicht maßgeblich<br />

beteiligt gewesen. Wegen der<br />

Datenschutzgrundverordnung dürfen<br />

allerdings auch keine Informationen<br />

nach außen gegeben werden. Versicherungen<br />

seien nämlich durchaus<br />

Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz<br />

15


Copyright: adobe stock/Photographee.eu<br />

bereit, Hinweise, die zur Aufklärung des<br />

Verbrechens beitragen zu honorieren.<br />

Gerade mal zwei Kunstdiebstähle sind<br />

Ressler in Erinnerung, die „Saliera“ und<br />

der kleine Renoir im Dorotheum. In beiden<br />

Fällen wurde in den Medien massiv<br />

berichtet, allerdings wurde seitens<br />

dieser auch hier kaum zur Aufklärung<br />

der Fälle beigetragen. Dass kein/e Betroffene/r<br />

– FahnderInnen, TäterInnen,<br />

Geschädigte, Versicherer – gerne über<br />

Kunstdiebstahl spreche, habe unterschiedliche<br />

Gründe. Ein Diebstahl sei für<br />

Museen und eine/n Museumsdirektor/<br />

in eine der schlimmsten Nachrichten<br />

überhaupt, wovon auch der ehemalige<br />

Generaldirektor des Kunsthistorischen<br />

Museums, Wilfried Seipel, ein Lied<br />

singen könnte, da der Diebstahl der<br />

„Saliera“ ihm letztlich den Kopf gekostet<br />

hat. „Die Geschädigten in den<br />

Museen – oder im Dorotheum – waren<br />

gegenüber den Medien überhaupt nicht<br />

kooperativ“, behauptet Ressler. Das Dorotheum<br />

habe gegenüber den Medien<br />

völlig zugemacht, was laut Ressler ein<br />

großer Fehler war, denn je weniger die<br />

Medien wirklich wüssten, umso mehr<br />

spekulierten sie. Es liegt am Fernsehen,<br />

warum unbekannte Kunstdiebe von der<br />

Topmeldung in der Nachrichtensendung<br />

über das Kleinformat bis an diese Stelle<br />

so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit<br />

stehen, denn einmal mehr hat<br />

die Macht des Bildes gewonnen. Die<br />

FahnderInnen wissen, dass rund 80<br />

Prozent der Kunstraub-Fälle nicht geklärt<br />

werden, da die Werke entweder<br />

verschwunden bleiben oder sie kehren<br />

hinter dem Rücken der Polizei zu den<br />

BesitzerInnen zurück. Die Täter schließlich<br />

meiden das Licht der Öffentlichkeit,<br />

und nur selten bringt es einer von ihnen<br />

zu trauriger Berühmtheit, wie etwa der<br />

Franzose Stéphane Breitwieser, der<br />

über seine jahrzehntelangen Diebstähle<br />

2006 eine Autobiografie publizierte.<br />

Dank Internet unverkäuflich?<br />

Wem könnte man ein weltbekanntes<br />

Gemälde von van Gogh oder Rembrandt<br />

ohne weiteres verkaufen? Solche Transaktionen<br />

werden in der Internet-Ära<br />

immer heikler. Durch Datenbanken wie<br />

etwa dem Art-Loss-Register (ALR), der<br />

weltweit größten Datenbank verlorener<br />

und gestohlener Kunstwerke, und die<br />

Polizei trägt spektakuläre Raubkunst<br />

rasch allerorts das Kainsmal der „heißen<br />

Ware“. Angesichts des von Interpol<br />

auf jährlich mehreren Milliarden Euro<br />

geschätzten illegalen Kunstgeschäfts<br />

wird mit Hilfe des Internet den DiebInnen<br />

und HehlerInnen auf diese Weise<br />

das Handwerk erschwert. Nichtsdestotrotz<br />

musste sich die Polizei in<br />

gewissen Fällen nur mit Teilerfolgen<br />

begnügen, da oftmals nur die Täter<br />

ausgeforscht wurden, die gestohlenen<br />

Werke aber nicht. Und investigativer<br />

Journalismus ist auf diesem Sektor rar.<br />

von Klaus Ofner<br />

16<br />

Fokus statt High? Microdosing


Fokus statt High? Microdosing<br />

Im Jahr 1969 pilgerten Hunderttausende Menschen zum Woodstock Festival. Neben der Musik stand vor allem der<br />

Substanzkonsum zur Veränderung der Wahrnehmung im Fokus. Menschen, die LSD konsumierten, berichteten<br />

davon, Farben und Musik zu riechen oder Formen zu schmecken. Mit dem Abflauen der Hippiebewegung infolge Illegalisierung<br />

der meisten psychoaktiven Substanzen trat LSD in den Hintergrund, erst durch das Aufkommen von<br />

Techno-Veranstaltungen nahm der Konsum in der westlichen Welt erneut zu. Eine überraschende Wendung bringt<br />

jedoch das in den letzten Jahren aufgekommene „Microdosing“. <strong>SUMO</strong> sprach mit Larissa Maier, Psychologin und<br />

Suchtforscherin an der University of California San Francisco (UCSF), um herauszufinden was es damit auf sich hat.<br />

Eine Zahl junger Fachleute im Silicon<br />

Valley ist überzeugt, dass die Einnahme<br />

von kleinen Dosen psychedelischer<br />

Drogen sie dazu bringt, ihre Leistung<br />

bei der Arbeit zu verbessern indem sie<br />

kreativer und konzentrierter werden.<br />

Andere Leute sagen, dass es den Nebel<br />

der Depression heben soll. Es geht<br />

hierbei also nicht darum, ein psychedelisches<br />

High zu erreichen, sondern die<br />

Aufmerksamkeit zu steigern. Wie der<br />

Kaffee in der Früh, so ist für einige das<br />

Einnehmen von winzigen Mengen von<br />

psychedelischen Substanzen an einem<br />

oder mehreren Tagen pro Woche ein<br />

Teil der Morgenroutine. Trotz des internationalen<br />

Verbots von psychoaktiven<br />

Substanzen bleibt die Nachfrage stabil.<br />

Denver hat als erste Stadt in den USA<br />

den Konsum und Besitz von Psilocybin<br />

(Magic Mushrooms) entkriminalisiert.<br />

Der Verkauf der Substanz bleibt illegal,<br />

Besitz und Konsum sollen aber nicht<br />

mehr strafrechtlich verfolgt werden.<br />

Oakland ging noch einen Schritt weiter<br />

und hat kürzlich den Konsum und Besitz<br />

von allen entheogenen Pflanzen<br />

inklusive Psilocybin, Ayahuasca, Peyote<br />

und Ayahuasca dekriminalisiert. Die<br />

klinische Psychologin und Suchtforscherin<br />

Larissa Maier erklärt im<br />

<strong>SUMO</strong>-Interview, dass legale Derivate<br />

selten für Microdosing verwendet<br />

würden. Die Personen, die 1P-LSD<br />

oder andere Analoge konsumieren,<br />

täten dies hauptsächlich aufgrund des<br />

LSD-ähnlichen psychedelischen Effekts.<br />

Ob Kleinstmengen von LSD und<br />

Larissa Maier<br />

Copyright: UCSF<br />

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Fokus statt High? Microdosing<br />

17


Psilocybin tatsächlich wirksam sind, um<br />

die kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern,<br />

wurde wissenschaftlich noch<br />

nicht belegt. Das Auswahlverfahren<br />

geschehe lediglich nach der Präferenz<br />

der Personen, dem Freundeskreis<br />

und dem Zugang zur beziehungsweise<br />

Verfügbarkeit der Substanz.<br />

Was ist Microdosing?<br />

Darunter versteht man das Einnehmen<br />

von winzigen Mengen an<br />

psychedelischen Drogen wie zum<br />

Beispiel Lysergsäurediethylamid, kurz<br />

LSD oder Psilocybin, dem Wirkstoff in<br />

Magic Mushrooms, zu verwenden. Bei<br />

LSD definiert man eine Microdosis als<br />


weitgehend ungeklärt. Doch bevor man<br />

sich auf den Weg macht, in der Hoffnung<br />

die Kreativität am Arbeitsplatz zu<br />

fördern, sollte man sich daran erinnern,<br />

dass das Microdosing mit einer illegalen,<br />

unregulierten Substanz natürlich mit<br />

Risiken verbunden ist. Der Besitz kann<br />

zu Einträgen im Strafregister führen.<br />

Außerdem unterliegen die Herstellung<br />

sowie die Lieferung illegaler Drogen<br />

keinen strengen regulatorischen Kontrollen.<br />

Das bedeutet, dass die KonsumentInnen<br />

sich nie sicher sein können,<br />

was sie bekommen. Trotz der allgemeinen<br />

Betonung subtiler gutartiger<br />

Effekte haben Befragte einer Studie der<br />

„University of Bergen, Norway“ auch<br />

auf eine Reihe von Herausforderungen<br />

hingewiesen. Das versehentliche<br />

Überdosieren führt zu Bewusstseinszuständen,<br />

die nicht als kompatibel<br />

mit alltäglichen sozialen Aktivitäten<br />

angesehen werden. Manche Personen<br />

hören auch wieder mit Microdosing auf,<br />

da sie keine Effekte auf die Leistung<br />

gespürt haben. Bis jetzt konnten keine<br />

allgemeingültigen Nebenwirkungen<br />

festgestellt werden, das schließt jedoch<br />

nicht aus, dass es welche gibt.<br />

Mediale Aufbereitung<br />

Microdosing ist ein gefundenes Fressen<br />

für die Medien. Jede Menge Magazine<br />

wie „Rolling Stones“, „Vice“, aber<br />

auch Zeitungen wie „Der Standard“<br />

berichteten darüber. Von negativer<br />

Publicity ist jedoch keine Rede. Auch<br />

einflussreiche Persönlichkeiten äußerten<br />

sich dazu. Jason Silva, venezuelisch-amerikanischer<br />

Filmemacher,<br />

Philosoph und Redner, der vor allem<br />

für seine Dokumentarfilme bekannt<br />

ist, greift dieses Thema gerne auf. In<br />

diversen Interviews erläutert er seine<br />

positive Einstellung LSD gegenüber.<br />

Insbesondere die Bekämpfung von<br />

Depressionen mit Microdosing ist für<br />

ihn der Grund, wieso er den Trend als<br />

sehr positiv empfindet. Nehme man<br />

eine Mikrodosis von LSD, so würden<br />

Menschen nichts davon merken. Dies<br />

ist auch der Grund, wieso medial eher<br />

positiv berichtet wird. Auch Steve<br />

Jobs äußerte sich oft und gerne zu<br />

seinem LSD-Konsum. Es gibt keine<br />

Langzeitstudien und keine belegbaren<br />

negativen Auswirkungen. Bis auf<br />

den angeblich verbesserten Workflow<br />

gibt es also keine bemerkbaren<br />

Veränderungen durch Microdosing.<br />

Würde man bei den „Microdosern“ eine<br />

Verhaltensveränderung bemerken,<br />

würde die mediale Aufbereitung<br />

vermutlich ganz anders aussehen.<br />

Conclusio<br />

Die leistungssteigernden Effekte des<br />

Microdosing bleiben anekdotisch, und<br />

da es keine quantifizierbare Forschung<br />

zum Microdosing mit psychedelischen<br />

Substanzen gibt, ist es unmöglich,<br />

endgültige Schlussfolgerungen in<br />

dieser Angelegenheit zu ziehen. Es ist<br />

daher wichtig, dass mehr Forschung<br />

über die Sicherheit und Wirksamkeit<br />

des Microdosing betrieben wird. In der<br />

Zwischenzeit können körperliche Betätigung,<br />

Bildung, soziale Interaktionen,<br />

Achtsamkeit und genügend Schlaf<br />

ganz natürlich dabei helfen, die kognitive<br />

Leistungsfähigkeit und das allgemeine<br />

Wohlbefinden zu verbessern.<br />

von Elena Weissengruber<br />

Copyright: adobe stock/fantastic<br />

Fokus statt High? Microdosing Thema<br />

19


Gedruckt, geladen und<br />

entsichert<br />

Das Gefahrenpotential des 3D-Drucks ist enorm, wie der Amerikaner Cody<br />

Wilson mit seinem im Netz veröffentlichten Plan für eine funktionierende<br />

Schusswaffe bewiesen hat. Diese Pläne sind in Österreich verboten, aber<br />

wie leicht kommt man an sie heran und wie gefährlich ist sie wirklich, die<br />

selbstgedruckte Waffe? <strong>SUMO</strong> sprach mit Daniel Handle-Pfeiffer, dem<br />

Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für 3DDruck (OEG3D),<br />

über die Bedrohungslage, sowie mit Robert Gartner, Spezialist auf dem<br />

Gebiet der Waffenrechtskunde aus dem Innenministerium.<br />

Der 3D-Druck ist ein Verfahren, dessen<br />

Prinzip schon vor tausenden Jahren von<br />

den Ägyptern angewandt wurde. Die<br />

Pyramiden wurden vom Fundament<br />

bis zur Spitze gebaut, Stein für Stein,<br />

und genau nach diesem Prinzip funktionieren<br />

moderne 3D-Druckgeräte.<br />

Ein Objekt wird durch ein Programm in<br />

Layer aufgeteilt, diese Layer stehen für<br />

eine Schicht Kunststoff und der Drucker<br />

setzt eine Schicht nach der anderen<br />

aufeinander, bis das Objekt fertig ist.<br />

Abhängig von Größe und Qualität dauert<br />

dies mehrere Stunden. Die Technologie<br />

wird kontinuierlich verbessert,<br />

damit komplexere Formen erzeugt<br />

werden können und 3D-Druck auch im<br />

Privathaushalt möglich bis normal wird.<br />

Eine Studie zeigt das Interesse innerhalb<br />

Deutschlands: Im Jahr 2016 sag-<br />

ten 1.000 Befragte aus, dass 3% selbst<br />

einen Drucker besitzen und 17% schon<br />

einmal etwas gedruckt haben, aber<br />

61% würden diese Technologie gerne<br />

nutzen. Vor allem Ersatzteile, Spielfiguren<br />

und individuelle Objekte werden<br />

bevorzugt von Privatpersonen gedruckt<br />

Codie Wilson – der Mann, der eine<br />

neue Waffenära eingeleitet hat<br />

Bereits 2013 trat der damals 25-jährige<br />

Texaner mit seinem ersten Bauplan für<br />

eine funktionierende Schusswaffe, dem<br />

„Liberator“, in den USA an die Öffentlichkeit.<br />

Gleichzeitig gründete er seine<br />

Organisation „Defense Distributed“, die<br />

sich das Ziel setzte, allen Menschen mit<br />

3D-Drucker oder CNC-Fräse die Herstellung<br />

von Waffen zu ermöglichen.<br />

Die damalige Regierung von Barack<br />

Obama hat die Plan-Veröffentlichung<br />

verboten, da sie die Innovation als illegalen<br />

Export von Waffen einstufte.<br />

Jeder Mensch hätte die Möglichkeit,<br />

eine lebensbedrohliche Waffe ohne<br />

Seriennummer herzustellen, die durch<br />

einen Metalldetektor nur schwerlich<br />

entdeckt werden könnte. Diese werden<br />

auch „Geisterwaffen“ genannt, da<br />

sie sehr viele Eigenschaften besitzen,<br />

welche heutige Sicherheitssysteme<br />

umgehen können. Mithilfe der Waffenlobby<br />

hatte Wilson mehrere Male<br />

geklagt, jedoch jedes Mal verloren, da<br />

es viel zu gefährlich für die Allgemeinheit<br />

wäre. Eine Wendung kam in den<br />

Prozess, als Donald Trump Präsident<br />

wurde und Wilson ein außergerichtlicher<br />

Vergleich zugesprochen wurde.<br />

Abgesehen von 40.000 US-Dollar als<br />

20<br />

Gedruckt, geladen und entsichert


Entschädigung, erhielt er die Erlaubnis,<br />

seine Pläne zu veröffentlichen und<br />

somit den (buchstäblichen) Startschuss<br />

für eine neue Waffenära. Die Bundesstaaten<br />

jedoch nahmen dies nicht<br />

einfach so hin und klagen Codie Wilson<br />

genauso wie Trumps Politik, welche<br />

dies ermöglicht hat. Bis heute wurde<br />

kein Verbot gegen die Pläne erwirkt.<br />

Die Community der 3D-Druck-Waffen<br />

nimmt stetig zu, genauso<br />

wie die unterschiedlichen Pläne.<br />

Wie gefährlich ist die selbstgedruckte<br />

Waffe?<br />

Heutzutage gibt es schon mehr als<br />

hundert verschiedene Waffenpläne<br />

zum Ausdrucken: für kleine Handfeuerwaffen<br />

wie einen Revolver, aber auch<br />

große Vollautomatische wie eine AR-<br />

15. Die meisten benötigen Metallteile,<br />

um reibungslos zu funktionieren und<br />

mehrere Schüsse abgeben zu können,<br />

ohne auseinander zu brechen. Sie sind<br />

aufwendig in der Herstellung, aber von<br />

diesen Waffen geht weniger Gefahr<br />

aus als von jenen, die fast ausschließlich<br />

aus Kunststoff bestehen. Die erste<br />

Waffe, die von Wilson veröffentlicht<br />

wurde und als Musterbeispiel dient,<br />

ist der „Liberator“. Das Gehäuse lässt<br />

sich in wenigen Stunden drucken, die<br />

Teile sind nicht komplex und als einzige<br />

Ergänzung benötigt man einen<br />

Nagel. In Online-Berichten lässt sich<br />

nachlesen, wie einfach die Produktion<br />

ist, unzählige Videos verifizieren, dass<br />

sie tatsächlich funktioniert. Obwohl die<br />

Waffe immer nur mit einer Schnur aus<br />

sicherer Distanz abgefeuert wird, da<br />

Copyright: adobe stock/fotomek<br />

jeder Schuss zum Zerbersten der Waffe<br />

führen kann, sind die Schüsse tödlich.<br />

Die Fakten klingen bedrohlich, 3D<br />

Druck-Experte Daniel Handle-Pfeiffer<br />

entschärft diese im <strong>SUMO</strong>-Interview<br />

– angefangen bei den verwendeten<br />

Materialien. Im Hobbybereich sei vor<br />

allem Polylactide (PLA) verbreitet, da<br />

es sehr einfach zu drucken sei und<br />

für herkömmliche Objekte ausreiche.<br />

Aus diesem Material sei es unmöglich,<br />

einen Schuss abzugeben, da es sich<br />

schon ab 60°C zu verformen beginne.<br />

Laut Handle-Pfeiffer würde die Waffe<br />

niemand verletzten – außer den Schützen<br />

bzw. die Schützin selbst. Ein anderes<br />

verbreitetes Material im 3D-Druck<br />

ist ABS, das derselbe Kunststoff ist,<br />

aus dem auch Legosteine produziert<br />

Gedruckt, geladen und entsichert Thema<br />

21


Daniel Pfeiffer<br />

Copyright: Der Knopfdrücker<br />

werden. Er sei robuster und hitzebeständiger,<br />

jedoch auch schwieriger zu<br />

handhaben und deswegen nicht einfach<br />

für AnfängerInnen. Nicht nur Erfahrung<br />

im 3D-Druck ist Voraussetzung, sondern<br />

auch ein Drucker, der sich auf ähnliche<br />

Kosten beläuft wie eine Glock-Pistole.<br />

Der Experte resümiert, dass der Druck<br />

einer schussfähigen Waffe möglich<br />

sei, jedoch benötige man Wissen, Geduld<br />

und Geld. Es wäre wahrscheinlich<br />

einfacher und billiger, eine illegale<br />

Schusswaffe auf den Schwarzmarkt<br />

zu besorgen, besonders in den USA.<br />

Er selbst und seine KollegInnen haben<br />

noch nie und werden nie eine Waffe<br />

3D drucken, da dies den Ethik-Guidelines<br />

der OEG3D widerspricht. Ziel<br />

der Organisation ist es, Menschen<br />

zu zeigen, welche positiven Effekte<br />

der 3D-Druck für Menschen schafft.<br />

Das Internet vergisst nicht<br />

Die Pläne des „Liberator“ waren nur wenige<br />

Tage online und wurden hundertfach<br />

heruntergeladen. Dass sie der<br />

Erzeuger zu Beginn wieder entfernen<br />

musste, macht kaum Unterschied, da<br />

diese trotzdem im Netz existieren und<br />

geteilt werden können. Durch die Legalisierung<br />

in den USA lässt sich nun auch<br />

auf legalen Wegen viel Informationsmaterial<br />

über verschiedene Waffen<br />

finden, genauso aber auch auf illegalen<br />

zu den detaillierten Druckplänen: etwa<br />

über Videos, die erschreckend genaue<br />

Beschreibungen von Einzelteilen bzw.<br />

Anleitungen zum Druck und Benutzung<br />

der Waffe liefern. Weiters gibt es im<br />

Internet unzählige Foren, in denen über<br />

dieses Thema geschrieben und diskutiert<br />

wird und Links zu dubiosen Websites<br />

geteilt werden, wo die Pläne zum<br />

Downloaden sind. In den meisten Fällen<br />

sind es Virusfallen, aber nicht immer.<br />

Nach verblüffend kurzer Zeit fand der<br />

Autor einige Dateien, die angeblich alle<br />

Einzelteile eines „Liberator“ enthalten.<br />

Da ein Selbstversuch illegal ist, lässt es<br />

sich nicht mit Sicherheit konstatieren,<br />

ob es sich um Fake handelt oder nicht.<br />

Jedoch gibt es als Alternative das Darknet,<br />

in dem man alles findet, was das<br />

Verbrecherherz begehrt. Mithilfe einer<br />

Online-Anleitung ist der Weg in die<br />

dunkle Ecke des Internet schnell hinter<br />

sich gebracht und spätestens dort<br />

lassen sich massenhaft Anleitungen<br />

und Baupläne finden und erwerben.<br />

Somit ist jeder Mensch mit Zugang zum<br />

Internet und ein bisschen Recherche<br />

fähig, die Pläne für die schussfähige<br />

Waffe runterzuladen. Aber STOPP:<br />

neben moralisch-ethischer Verwerflichkeit<br />

reden wir hier von Illegalität.<br />

Gesetzliche Lage<br />

Robert Gartner erklärt, dass im österreichischen<br />

Waffengesetz die selbstgedruckte<br />

Waffe an sich nicht explizit<br />

geregelt sei. Jedoch falle diese unter<br />

das Waffengesetz 1996, wie normale<br />

Schusswaffen, in dem Vorrausetzungen<br />

für den legalen Besitz niedergeschrieben<br />

sind. Waffen werden nach<br />

Kategorien von A bis D eingestuft,<br />

abhängig von verschiedenen Faktoren<br />

wie, ob sie nach jedem Schuss<br />

nachgeladen werden müssen, ob sie<br />

einen glatten oder gezogenen Lauf<br />

besitzen und einige weitere. Falls die<br />

selbstgedruckte Waffe in die Kategorie<br />

A oder B eingestuft wird, benötigt<br />

man eine Waffenbesitzkarte<br />

oder einen Waffenpass. Falls es sich<br />

um Kriegsmaterial handelt, muss eine<br />

Bewilligung gemäß §18 des Waffengesetzes<br />

vorhanden sein. Werden<br />

diese Vorrausetzungen nicht erfüllt,<br />

ist der Besitz der Waffe illegal und gerichtlich<br />

strafbar. Falls die Waffe in die<br />

Kategorien C oder D fällt, dann gelten<br />

andere Bestimmungen: Man muss 18<br />

Jahre alt sein, darf kein Waffenverbot<br />

auferlegt haben und die Waffe muss<br />

im Zentralen Waffenregister registriert<br />

werden. Bei Verstoßen gegen<br />

diese Vorrausetzungen handelt es<br />

sich um eine Verwaltungsübertretung,<br />

Zusammengefasst, gelten für selbstgedruckte<br />

Waffen genau dieselben<br />

Gesetze wie für übliche Schusswaffen,<br />

da das Waffengesetz so formuliert<br />

ist, dass es auch diese neue Art der<br />

Waffe abdeckt. Disruptive (medien-)<br />

technologische Innovationen können,<br />

müssen aber nicht per se positive<br />

Auswirkungen zeitigen – hierbei<br />

überwiegen eindeutig die negativen.<br />

von Thomas Picher<br />

22<br />

Thema


Copyright: adobe stock/mokee81<br />

Wie soziale Medien die<br />

Kommunikation über sexuelle<br />

und andere Gewalt verändern<br />

Soziale Netzwerke revolutionierten die Debatten über sexuelle Belästigung und Gewalt. Jedoch ist die offene<br />

Kommunikation nicht zwingend positiver Natur – oft treiben sogenannte „Trolls“ ihr Unwesen, die sich gegen<br />

die Opfer von Missbräuchen verbünden und diese gezielt provozieren oder beleidigen. <strong>SUMO</strong> sprach darüber mit<br />

Alexandra Wachter, Journalistin, Moderatorin und Reporterin bei „ProSiebenSat.1 PULS4“, und Simon Bertsch,<br />

Gründer der SEO- und Online Marketing-Agentur SIBERCON.<br />

Die Einführung sozialer Medien erlaubte<br />

es seinen NutzerInnen, offen, publik,<br />

meist unwiderruflich die eigene Meinung<br />

kundzutun und diese mit anderen<br />

zu teilen. Denn, wie die zeitgenössische<br />

Floskel bestätigt: Was einmal im Netz<br />

ist, das bleibt auch dort. Zwar konnte<br />

man früher in Foren miteinander diskutieren,<br />

dies aber meist anonym<br />

und mit geringerem Verbreitungsausmaß.<br />

Die Dimensionen, die Aussagen<br />

in sozialen Medien einnehmen,<br />

können maßlos sein und tausendfach<br />

geteilt, retweeted etc. werden.<br />

Alexandra Wachter meint, dass wir<br />

durch den Verbreitungseffekt viel mehr<br />

Informationen verarbeiten müssen als<br />

früher. Für sie ergeben sich dadurch<br />

zwei Ausformungen: Einerseits können<br />

durch die unterschiedlichen Erzählungen,<br />

Kommentare und Postings<br />

Eindrücke entstehen, die sich dann mit<br />

Zahlen und Fakten kaum belegen ließen.<br />

Andererseits biete diese schnelle<br />

und offene Kommunikation die Chance,<br />

dass gesellschaftliche Probleme an die<br />

Oberfläche kommen, die vorher keinen<br />

Raum gefunden haben und nicht laut<br />

genug gehört wurden. „Ganz grundsätzlich<br />

muss man meiner Meinung<br />

nach aber sehr wachsam bleiben und<br />

sich selbst kontrollieren. Sprich, nicht<br />

nur auf Twitter und Facebook Meinungen<br />

und Erfahrungen nachlesen,<br />

sondern auch gezielt Online-Plattformen<br />

etablierter Medien konsumieren,<br />

um ein vollständiges Gesamtbild<br />

zu einem Thema zu erhalten.“<br />

Ermöglichen Facebook, Twitter und<br />

Co. mehr Offenheit?<br />

Soziale Netzwerke können den<br />

Kommunikationshorizont der Nutzer-<br />

Innen erweitern. Dies zeigt etwa die<br />

#MeToo-Kampagne, die für viele Posts<br />

über sexuelle Belästigung gesorgt hat.<br />

Die Plattformen ermöglichen dem<br />

einzelnen User/der einzelnen Userin<br />

ein breiteres Spektrum an Offenheit,<br />

um über Tabuthemen wie Gewalt, Belästigung<br />

oder Missbrauch zu sprechen.<br />

Alexandra Wachter stimmt zu, dass<br />

Social Media diesbezüglich für mehr<br />

Offenheit sorgen, denn die Betroffenen<br />

können ohne jegliche Barriere und zu<br />

jedem Zeitpunkt darüber sprechen und<br />

werden auch gehört. Dies sei einerseits<br />

gut, da die Menschen dadurch offener<br />

werden, andererseits könne es auch ein<br />

gewisses Risiko für RezipientInnen bewirken,<br />

da das Geschriebene nicht den<br />

„Check, Re-Check, Double-Check“-Filter<br />

von JournalistInnen durchlaufe.<br />

Damit es für Betroffene überhaupt so<br />

weit kommt, öffentlich solch persönliche<br />

Erfahrungen kundzutun, benötigt<br />

es jedoch sowohl Mut und Stärke, als<br />

auch Bewusstsein für das Ausmaß, das<br />

ein Post, ein Kommentar oder ein Share<br />

einnehmen kann. Simon Bertsch nach<br />

sorgen soziale Medien zwar für mehr<br />

Bewusstsein, er ist jedoch der Meinung,<br />

dass solch sensible Themen aber<br />

eher im privaten Kreise besprochen<br />

werden, denn wenn Betroffene darüber<br />

nicht anonym kommunizieren können,<br />

dann werden sie dies wahrscheinlich<br />

auch nicht in sozialen Medien tun.<br />

Bewegungen wie #MeToo, die sich viral<br />

so rasant verbreiten, ziehen auch an<br />

Regierungen nicht spurlos vorüber. Je<br />

nach Thema handle die Politik natür-<br />

Wie soziale Medien die Kommunikation über sexuelle und andere Gewalt verändern<br />

23


Alexandra Wachter<br />

Copyright: Puls4<br />

lich unterschiedlich, was schließlich<br />

auch von den jeweiligen politischen<br />

AkteurInnen, die darauf eingehen, abhängig<br />

sei. „Grundsätzlich kann man<br />

sagen, dass durch soziale Netzwerke<br />

eine zusätzliche Plattform für gesellschaftspolitische<br />

Debatten entstanden<br />

ist“, sagt PULS4-Journalistin Wachter.<br />

Simon Bertsch ergänzt, dass auch ein<br />

„Shitstorm“ ein gutes Mittel sei, um<br />

mediale wie politische Aufmerksamkeit<br />

zu erlangen: Kommentieren, teilen und<br />

kommunizieren viele Personen über ein<br />

Thema, werden diese meist auch gehört.<br />

Nichtsdestotrotz findet die Kommunikation<br />

über Gewalt, sexuelle Belästigung<br />

und Missbrauch in sozialen<br />

Medien immer wieder auch negativen<br />

Anklang. „Trolls“, also (meist anonyme)<br />

UserInnen, die andere im Netz provozieren<br />

oder beleidigen, attackieren<br />

Simon Bertsch<br />

Copyright: Sebastian Gratzer<br />

Frauen und Männer, die von ihren Erfahrungen<br />

mit sexueller Belästigung<br />

berichten. Wachter stellt fest, dass<br />

dies vor allem gegenüber Frauen der<br />

gezielte Versuch sei, patriarchale<br />

Strukturen um jeden Preis zu erhalten<br />

und diesen das Recht abzusprechen,<br />

in der Öffentlichkeit über einen offensichtlichen<br />

Missstand zu sprechen.<br />

Wer bin ich, darüber zu urteilen?<br />

Zwar mögen Social Media als Sprachrohr<br />

fungieren, jedoch sei es laut<br />

Wachter wesentlich, zwischen einem<br />

richterlichen Urteil und jenem einer<br />

Social Media Community zu unterscheiden.<br />

Es gilt grundsätzlich für jeden<br />

Menschen die Unschuldsvermutung.<br />

Fakt ist, dass die Dunkelziffer von Gewalt<br />

und sexueller Belästigung weitaus<br />

höher ist und viele Fälle niemals angezeigt<br />

werden. Frauen und Männer, die<br />

Opfer von Gewalt oder Missbrauch sind,<br />

müssen folglich dringend dazu ermutigt<br />

werden, diese Fälle auch anzuzeigen.<br />

Sonja Aziz, im Bereich Opferschutz spezialisierte<br />

Rechtsanwaltsanwärterin,<br />

konstatierte dazu in einem Interview<br />

mit dem Nachrichtenmagazin „profil“ im<br />

Dezember 2018: „Schätzungen zufolge<br />

wird nur jede zehnte Vergewaltigung<br />

angezeigt, in nur zehn Prozent der Verfahren<br />

kommt es zu einer Verurteilung.<br />

Es gibt also nur sehr wenige Täter,<br />

die wirklich Konsequenzen spüren.“<br />

Bis dato gibt es in den meisten sozialen<br />

Medien geringe bis gar keine Einschränkungen.<br />

Die Betreiber benutzen<br />

lediglich Filter, die es NutzerInnen<br />

nicht erlauben, bestimmte Inhalte zu<br />

veröffentlichen. Alexandra Wachter<br />

hinterfragt beispielsweise auch die<br />

Reaktionszeit von Twitter: „Jemand hat<br />

vor ein paar Monaten mein Konterfei<br />

als sein Profilbild verwendet. Ich habe<br />

es dann gemeldet und Twitter hat mir<br />

geschrieben, dass hier kein Verstoß<br />

gegen die „Twitter-Regeln“ vorliege.<br />

Twitter würde ‚bei Auseinandersetzungen<br />

nicht vermitteln. Das<br />

Unternehmen entzieht sich also seiner<br />

Verantwortung. Nachdem ich mich an<br />

den Internet-Ombudsmann gewendet<br />

habe und viele UserInnen das Profil<br />

gemeldet haben, hat Twitter dann doch<br />

reagiert und das Profil gesperrt. Die Reaktion<br />

des Konzerns zeigt dennoch, wie<br />

Verantwortungen einfach abgeschoben<br />

werden und zwar auf vielerlei Ebenen.“<br />

von Marlene Lampl<br />

Copyright: adobe stock/fantastic<br />

24<br />

Wie soziale Medien die Kommunikation über sexuelle und andere Gewalt verändern


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Thema<br />

25


„Last Goodbye“ – Publicity<br />

angesichts des Freitodes<br />

Wer die Worte „Suizid“ und „Webcam“ gemeinsam in eine Suchmaschine<br />

eingibt, erhält eine große Auswahl an Home-Suicide-Streams. Doch warum<br />

entschließen sich Menschen, vor der Kamera ihr Leben zu beenden? Ist<br />

der finale Wunsch ein letzter Ruf nach Aufmerksamkeit? <strong>SUMO</strong> ist diesen<br />

Fragen auf den Grund gegangen und interviewte dazu Silvia Breitwieser,<br />

Bereichsleiterin der Diözese Linz, und Logotherapeutin Sandra Ebner.<br />

Die Suizidrate in Österreich sei ab 1986<br />

rückläufig, erläutert Silvia Breitwieser,<br />

auch Leiterin der Telefonseelsorge in<br />

Oberösterreich. Damals lag der Höchstwert<br />

bei über 2.000 Suiziden pro Jahr,<br />

nun bei knapp über 1.000. Seit der Wirtschaftskrise<br />

2009 habe sich ein Plateau<br />

gebildet. Die Suizidrate bei Männern sei<br />

höher als bei Frauen, wobei es bei den<br />

Suizidversuchen genau umgekehrt sei.<br />

Breitwieser beschreibt, dass sich Menschen<br />

die an Suizid denken oft in einer<br />

verzweifelten Situation befinden und so<br />

wie sich ihr Leben derzeit gestaltet nicht<br />

mehr leben wollen. Doch wie kommt es<br />

überhaupt soweit, dass man sich das<br />

Leben nehmen will? Ausschlaggebend<br />

seien Krisen im Leben. „Wie der eine<br />

oder die andere mit diesen schwierigen<br />

Lebenssituation klarkommt, hängt oft<br />

von den persönlichen Ressourcen ab.“ Die<br />

Persönlichkeit, wie man aufgewachsen<br />

ist, innere und äußere Einflüsse, auch<br />

soziale Ressourcen oder einfach welche<br />

Bedeutung die Krise hat, seien entscheidend<br />

für die Bewältigung dieser<br />

schweren Phasen, meint Breitwieser.<br />

Betrachtet man den Suizid nach logotherapeutischem<br />

Ansatz, so wird er als<br />

„Nein auf die Sinnfrage“ beschrieben.<br />

Ein suizidaler Mensch sei nach dieser<br />

Auffassung unfähig, in seinem aktuellen<br />

Leben einen Sinn zu finden und sich<br />

vorzustellen, zukünftig einen Sinn zu<br />

finden, erklärt Sandra Ebner. Grundsätz-<br />

Copyright: adobe stock/Ermolaev Alexander<br />

26<br />

„Last Thema Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes


Copyright: adobe stock/Kwest<br />

lich zählen zu den Risikogruppen Menschen,<br />

die schon einen Suizidversuch<br />

hinter sich haben, suchtbetroffen sind<br />

oder einen Suizid von einer/einem Angehörigen<br />

miterlebt haben. Der häufigste<br />

Grund sei jedoch eine psychische Erkrankung,<br />

Menschen mit Depressionen<br />

hätten das höchste Suizidrisiko.<br />

Bei Kindern bis zu 14 Jahren sind es in<br />

Österreich pro Jahr „nur“ ein paar Suizide.<br />

Bei 15- bis 19-Jährigen liegt die Zahl weit<br />

unter hundert. Jugendsuizide erreichen<br />

eine höhere mediale Aufmerksamkeit<br />

und auch eine größere Betroffenheit<br />

bei der Bevölkerung. Es steigen also<br />

nicht die Jugendsuizide an, sondern die<br />

Medienberichte. Das Internet bietet<br />

vor allem für junge Menschen eine<br />

große Fläche an Austauschmöglichkeit.<br />

Sogenannte Suizidforen dienen<br />

als Anlaufstelle für die Informationssuche<br />

rund um den Suizid. Andererseits<br />

bilden diese auch eine Plattform, die es<br />

Betroffenen ermöglicht, sich über das<br />

tabuisierte Thema „Selbsttötung“ auszutauschen.<br />

Auch wenn es professionell<br />

geleitete Foren gibt, die zur Suizidprävention<br />

dienen, darf man die negative<br />

Seite nicht aus den Augen verlieren.<br />

Suizidhandlungen werden glorifiziert,<br />

die natürliche Hemmschwelle zur<br />

Selbsttötung wird herabgesetzt und<br />

man feuert sich gegenseitig zur Tat an.<br />

„Wer sich selbst tötet, ist egoistisch.“<br />

Menschen, die den Freitod wählen wird<br />

öfters das Urteil an den Kopf geworden,<br />

egoistisch zu sein und nicht an ihre Angehörigen<br />

zu denken. Bis es überhaupt<br />

zum Suizid kommt, durchleben die<br />

Betroffenen verschiedene Phasen, die<br />

Außenstehenden nicht ersichtlich sind,<br />

daher ist es leicht zu urteilen. Tatsächlich<br />

ist es aber oft genau anders, als es<br />

aussieht. Erwägen – Abwägen – Entschließen,<br />

sind grob gesagt die drei<br />

Hauptphasen. Im ersten Stadium wird<br />

die Suizidhandlung in Erwägung gezogen,<br />

um Probleme, die unlösbar wirken<br />

zu lösen. Das 2. Stadium ist durch die<br />

Ambivalenz zwischen Leben wollen und<br />

„Last Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes Thema<br />

27


Silvia Breitwieser<br />

Copyright: Diözese Linz<br />

Sandra Ebner<br />

Copyright: Privat<br />

Sterben wollen geprägt. Im letzten Abschnitt<br />

wird die endgültige Entscheidung<br />

gefällt, werden die Vorbereitungen getroffen<br />

und der passende Augenblick abgewartet.<br />

In Bezug auf Suizidprävention<br />

ist es besonders wichtig, während der<br />

ersten zwei Phasen mit der persönlichen<br />

Beratung anzufangen. Sobald das letzte<br />

Stadium erreicht wird, ist der innere<br />

Kampf vorüber und der Entschluss zum<br />

Suizid gefasst. Erst hier einzugreifen erschwert<br />

die Suizidprävention enorm. Ziel<br />

ist es, den langen Weg zu begleiten und<br />

das Ende zu verhindern. Oft fühlen sie<br />

sich, als ob es den Angehörigen erst besser<br />

gehen würde, wenn sie nicht mehr<br />

da sind. Der Suizid ist das Opfer, das sie<br />

bringen, um den Liebsten ein besseres<br />

Leben zu ermöglichen, eigentlich eine<br />

sehr uneigennützige Überlegung. Es gibt<br />

aber verschiedene Gründe, aus welchem<br />

Motiv sich Menschen das Leben nehmen:<br />

Hier unterscheidet man zwischen<br />

dem egoistischen, altruistischen, anomischen<br />

und fatalistischen Selbstmord.<br />

Ebner meint, dass es nicht allgemein<br />

belegbar sei, welche Menschen aus<br />

welchem Motiv Cybersuicide begehen.<br />

Unter Cybersuicide, oder auch „social<br />

suicide“ genannt, versteht man einen<br />

Suizid oder Suizidversuch, der von<br />

Websites beeinflusst wird. Durchaus<br />

gebe es aber den Fall, dass Leute im<br />

medialen Mittelpunkt stehen wollen und<br />

sich daher entschließen, ihren Suizid zu<br />

streamen. Ein anderes Motiv sei Rache.<br />

Bei Mobbingopfern sei die Verbreitung<br />

über das Internet beliebt. So wollen<br />

Betroffene ihren Mobbern als letzten<br />

Abschluss mit Schuldgefühlen und übler<br />

Nachrede schaden. Nicht Aufmerksamkeit<br />

zu erlangen, sondern vielmehr Mut<br />

zu beweisen stehe hier im Vordergrund,<br />

so Silvia Breitwieser, Leiterin der Notseelsorge.<br />

8 von 10 Personen, die ihr<br />

Leben beenden wollen, reden davon. Nur<br />

sehr wenige sprechen darüber, um Aufmerksamkeit<br />

zu bekommen. Es sei daher<br />

sehr wichtig, jede Anspielung auf Suizid<br />

ernst zu nehmen. Denn selbst wenn<br />

Menschen Aufmerksamkeit erhaschen<br />

wollen, sei das ein Zeichen, dass sie Hilfe<br />

brauchen und sich nicht anders zu helfen<br />

wissen. Wenn mental labile Personen<br />

von anderen auch anfälligen Personen<br />

zur Selbsttötung angestachelt werden,<br />

sei es naheliegend, dies auch gleich vor<br />

laufender Kamera in einem Chatroom<br />

zu machen. Es gehe daher oft weniger<br />

um die mediale Verbreitung, sondern<br />

um die Anerkennung und Erfüllung<br />

der Wünsche der im Chatroom Anwesenden.<br />

Trotzdem hat jeder Mensch<br />

eigene Motive und Gründe zur Selbsttötung,<br />

weshalb es unmöglich sei, eine<br />

allgemein geltende Antwort zu geben.<br />

Maßnahmen<br />

2017 starben in Österreich dreimal<br />

so viele Menschen an Suizid als bei<br />

Verkehrsunfällen, so der Bericht von<br />

„Suizidprävention Austria“ (SUPRA).<br />

Grund dafür ist vor allem die weitaus<br />

schwierigere „Regulierung“ von Suiziden<br />

im Vergleich zu Maßnahmen für<br />

den Straßenverkehr. In Österreich gibt<br />

es auf institutionalisierter Ebene zwei<br />

nationale und einige lokale Projekte zur<br />

Suizidprävention. Diese sind laut dem<br />

Bundesministerium für Gesundheit<br />

einerseits ein koordinierter und standardisierter<br />

medialer Umgang für die Berichterstattung<br />

von Suiziden sowie eine<br />

Einflussnahme auf die Waffengesetzgebung<br />

im Sinne einer Suizidprävention.<br />

Seit einigen Jahren werden unter medialen<br />

Suizidberichten Notrufstellen genannt.<br />

Neben den nationalen Richtlinien,<br />

die zur Reduzierung der Selbsttötungsrate<br />

verhelfen sollen, gibt es auch andere<br />

Maßnahmen, die zur Reduktion führen.<br />

Der Social Media-Gigant „Facebook“<br />

sucht aktiv nach bestimmten Keywords<br />

und reagiert auf diverse Postings. Hilfseinrichtungen<br />

vermitteln in Deutschland<br />

und Österreich an „Facebook“, wenn<br />

Suizide angekündigt werden. Medial<br />

präsente Selbsttötungen führen zu unzähligen<br />

Nachahmungen – insbesondere<br />

unter Jugendlichen, wie erst kürzlich eine<br />

südkoreanische Studie (Lee 2019) ergab.<br />

Vor allem bei berühmten Persönlichkeiten,<br />

die ihr Leben beenden, wird eine<br />

Ausnahme bei der Berichterstattung<br />

gemacht, was tödliche Folgen hat.<br />

von Elena Weissengruber<br />

Copyright: adobe stock/ryanking999<br />

28<br />

Thema „Last Goodbye“ – Publicity angesichts des Freitodes


Framing in der (Gewalt-)Berichterstattung<br />

<strong>SUMO</strong> sprach mit Martin Gebhart, Chronikressortleiter der Tageszeitung „Kurier“, und „derStandard“-Redakteurin<br />

Gabriele Scherndl über den Einsatz von Frames, um die Interpretation bestimmter Informationen bei RezipientInnen<br />

zu beeinflussen.<br />

Gabriele Scherndl<br />

Copyright: Katja Müller<br />

Bertram Scheufele und Ines Engelmann<br />

beschreiben im „Handbuch<br />

Journalismustheorien“ Frames als bestimmte<br />

Bezugs- oder Interpretationsrahmen,<br />

die Menschen heranziehen,<br />

um Geschehnisse, AkteurInnen oder<br />

Umstände einzuordnen, zu interpretieren<br />

oder zu beurteilen. Zu dieser<br />

Theorie gibt es zahlreiche FürsprecherInnen,<br />

wie zum Beispiel Sprachwissenschaftlerin<br />

Elisabeth Wehling,<br />

die meint, dass es kein Wort gebe,<br />

welches keinen Frame im Kopf der RezipientInnen<br />

hervorrufe. Gegnerinnen<br />

dieser Theorie berufen sich darauf,<br />

dass Menschen rational denken und<br />

die Fakten selbst beurteilen können,<br />

sodass sie also den Framing-Effekten<br />

nicht schutzlos ausgeliefert seien.<br />

Framing auf drei Ebenen<br />

Das Einsetzen von Bezugs- und Interpretationsrahmen<br />

zur Steuerung der<br />

Aufnahme von Information, derer<br />

Interpretation und Beurteilung, diese<br />

Deutungsrahmen also können in der<br />

Praxis auf mehreren verschiedenen<br />

Ebenen entstehen. Zum Ersten, bei<br />

der Selektion der Inhalte durch eine/n<br />

Journalistin/en. Scherndl meint dazu,<br />

dass die thematische Auswahl dessen,<br />

worüber sie schreibe, bis zu einem<br />

gewissen Grad von ihrem Interesse<br />

geleitet sei. Wird in Medien häufiger<br />

die Kriminalität von AusländerInnen<br />

beleuchtet, erzeugt das ein bestimmtes<br />

Bild bei RezipientInnen. Auch wenn<br />

laut der Polizeistatistik die Gesamtkriminalitätsrate<br />

sowohl von Menschen<br />

mit anderer Herkunft als Österreich als<br />

auch von ÖsterreicherInnen gesunken<br />

ist, wird die Gefahr durch erstere als<br />

größer werdend empfunden. Oftmals<br />

geben JournalistInnen ein Bild wider,<br />

wie es sich bereits in ihren Köpfen<br />

befindet. Sie bevorzugen all jene Themen,<br />

die zu ihrer eigenen Denkweise<br />

passen. Ihre Sichtweise geben sie<br />

dann auf diese Art und Weise auch an<br />

die RezipientInnen weiter. Dazu sagt<br />

die Redakteurin von „derStandard“:<br />

„Natürlich zitiere ich Menschen in<br />

meinen Texten, mit denen ich vielleicht<br />

nicht einer Meinung bin. Das nicht zu<br />

machen, würde ich auch als falsch<br />

ansehen, das würde nicht meinem Anspruch<br />

an Qualitätsjournalismus entsprechen.“<br />

Ihr persönlicher Standpunkt<br />

zu einem Thema dürfe für einen Text<br />

nicht relevant sein und werde deshalb<br />

außen vor gelassen werden. Ressortleiter<br />

Gebhart vom „Kurier“ hingegen<br />

konstatiert: „Schon alleine wie man die<br />

Wichtigkeit von bestimmten Fakten beurteilt,<br />

ob man mit denen in den Artikel<br />

einsteigt und manche erst am Schluss<br />

schreibt, kann die eigene Denkweise<br />

eines Journalisten widerspiegeln.“<br />

Eine zweite Ebene auf der Framing entstehen<br />

kann und in Folge dessen an die<br />

RezipientInnen weitergegeben wird ist<br />

jene, in der sich Frames bereits in den<br />

Quellen der BeitragsverfasserInnen<br />

befinden. Scherndl behalte dies bei<br />

Gesprächen stets im Hinterkopf, des<br />

Weiteren betont sie, dass man bestimmte<br />

Menschen zu einem Thema<br />

interviewe, um deren Standpunkt und<br />

Sichtweise zu erfahren. Scheufele und<br />

Engelmann beschreiben, dass Frames<br />

besonders von politisch-gesellschaftlichen<br />

AkteurInnen gesetzt werden.<br />

JournalistInnen übernehmen diese<br />

Bezugs- und Interpretationsrahmen in<br />

ihren Texten und geben diese so weiter.<br />

Gebhart bestätigt ebenfalls, dass<br />

Framing eher in den Bereichen Politik<br />

und Polizei-Berichten vorkomme. Die<br />

von diesen politisch-gesellschaftlichen<br />

AkteurInnen angewandte Strategie<br />

der Setzung von Frames wird<br />

„Strategic Framing“ genannt: Hierbei<br />

wird versucht, die eigens gesetzten<br />

Bezugsrahmen erfolgreich in Medien<br />

zu lancieren. Auch Scherndl ist der<br />

Meinung, dass Framing am häufigsten<br />

in politischen Kontexten vorkomme. „Je<br />

nachdem aus welcher Richtung über<br />

Migration gesprochen wird, wird es mit<br />

‚kultureller Vielfalt’ oder mit ‚Terrorismus’<br />

gleichgesetzt.“ Auch Unternehmen<br />

oder Protestgruppen bedienen<br />

Copyright: adobe stock/master1305<br />

Framing in der (Gewalt-)Berichterstattung Thema<br />

29


Copyright: adobe stock/deagreez<br />

sich strategischer Bezugsrahmen.<br />

Durch den Kommunikationserlass des<br />

Bundesministeriums für Inneres, welcher<br />

mit 1. Mai 2019 in Kraft trat, werden<br />

sowohl das BMI als auch die nachgeordneten<br />

Behörden und Dienststellen<br />

zur „[…] Nennung der Staatsbürgerschaft<br />

bzw. Herkunft von Verdächtigen<br />

bzw. Opfern von Straftaten [, denn<br />

diese] soll etwa nur dann unterbleiben,<br />

wenn dadurch eindeutige Rückschlüsse<br />

auf konkrete Personen gezogen werden<br />

können.“ Diese Anführung des<br />

Herkunftslandes von Verdächtigen<br />

oder Opfern von Kriminalität könnte<br />

nun zum einen dazu beitragen, dass<br />

der Frame der „Ausländer-Kriminalität“<br />

immer weiter zunimmt. Andererseits<br />

könnte dieser Kommunikationserlass<br />

auch das genau Gegenteil davon bezwecken,<br />

denn in Folge dessen wird<br />

auch die österreichische Staatsbürgerschaft<br />

eines Täters oder eines Opfers<br />

genannt und somit der Frame der<br />

„Ausländer-Kriminalität“ neutralisiert.<br />

Allerdings steigt auch weiterhin die<br />

Anzahl jener Artikel, welche eine Nähe<br />

zwischen Asylwerbern und Kriminalität<br />

herstellen. Im Jahr 2019 waren<br />

dies sieben Prozent aller Artikel. Fritz<br />

Hausjell, Stellvertretender Institutsvorstand<br />

des Instituts für Publizistikund<br />

Kommunikationswissenschaft<br />

Wien meint dazu: „Ich hoffe, das ist<br />

nicht das Ergebnis der Informationspolitik<br />

des Innenministeriums.“<br />

Die dritte und letzte Ebene, auf der<br />

Frames eingesetzt werden, ist von<br />

JournalistInnen direkt. Neben der nie zu<br />

100 Prozent objektiven Selektion und<br />

Aufbereitung von Informationen und<br />

den Quellen der BeitragsverfasserInnen,<br />

die bereits Frames enthalten können,<br />

setzen hier JournalistInnen selbst,<br />

oftmals ganz bewusst, bestimmte<br />

Interpretations- und Deutungsrahmen<br />

für ihre RezipientInnen. Dies erfolgt<br />

zum Beispiel durch die gezielte Auswahl<br />

bestimmter Worte oder Phrasen,<br />

wie zum Beispiel „Das Glas ist halb voll“<br />

versus „Das Glas ist halb leer“. In beiden<br />

Fällen ist das Glas zu Hälfte gefüllt,<br />

jedoch wird es in einem Fall als positiv<br />

und im anderen Fall als negativ interpretiert.<br />

Gebhart meint dazu, dass ein/e<br />

Journalist/in immer versuche, einen<br />

Bericht so neutral wie möglich zu verfassen,<br />

das jedoch nie ganz sauber gelingen<br />

könne. Scherndl ist ebenfalls der<br />

Auffassung, dass durch JournalistInnen<br />

Frames gesetzt werden, jedoch glaubt<br />

sie, dass dies vor allem unterbewusst<br />

geschehe. Sie hält Frames erst dann für<br />

problematisch, sobald sie zu Schemata<br />

werden. Was alle diese drei Ebenen des<br />

Framing gemeinsam haben? Sie prägen<br />

maßgeblich die öffentliche Meinung.<br />

Die Macht des Framing<br />

Bereits 1981 wurde das kommunikationswissenschaftliche<br />

Phänomen<br />

„Framing“ durch die Psychologen<br />

Daniel Kahneman und Amos Tversky<br />

untersucht. Sie baten ihre Probrand-<br />

Innen um ihre Einschätzung zu einer<br />

Geschichte, die sie ihnen vorlegten.<br />

Folgender Sachverhalt sollte durch die<br />

Versuchspersonen beurteilt werden:<br />

„Stellen Sie sich vor, die USA bereiten<br />

sich auf den Ausbruch einer […] Erkrankung<br />

vor, die unbehandelt 600<br />

Menschen töten wird. Zwei alternative<br />

Programme zur Bekämpfung<br />

der Krankheit wurden vorgeschlagen.<br />

[…] Durch Programm A würden 200<br />

Personen gerettet. Bei Programm B<br />

gäbe es eine 1/3-Wahrscheinlichkeit,<br />

dass alle 600 Menschen gerettet werden,<br />

und eine 2/3-Wahrscheinlichkeit,<br />

dass niemand gerettet wird. Welches<br />

der beiden Programme würden Sie<br />

bevorzugen?“ Hierbei entschieden<br />

sich 72% der ProbandInnen dafür, mit<br />

Hilfe das Programms A 200 Personen<br />

zu retten. Eine weitere Gruppe<br />

von Testpersonen sollte nun erneut<br />

die Geschichte einschätzen, aller-<br />

30<br />

Framing Thema in der (Gewalt-)Berichterstattung


dings aus einem anderen Blickwinkel:<br />

„Durch Programm C würden 400 Menschen<br />

sterben. Bei Programm D gibt es<br />

eine 1/3- Wahrscheinlichkeit, dass niemand<br />

stirbt, und eine 2/3-Wahrscheinlichkeit,<br />

dass 600 Menschen sterben<br />

werden.“ Nun entschieden sich 22%<br />

der Probandinnen dafür, Programm C<br />

umzusetzen und somit 400 Menschen<br />

sterben zu lassen. Vergleicht man nun<br />

beide Geschichten miteinander, so<br />

stellt man fest, dass sowohl bei Programm<br />

A im ersten Versuch als auch<br />

bei Programm C im zweiten Versuch<br />

200 Menschen gerettet und 400 Menschen<br />

sterben würden. In Programm<br />

B und Programm D wiederum leben<br />

mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3<br />

alle Betroffenen weiter, jedoch beträgt<br />

die Wahrscheinlichkeit, dass alle Erkrankten<br />

sterben in beiden Fällen 2/3.<br />

Ein ähnliches Phänomen beobachteten<br />

Adam Simson und Jennifer Jerit im Jahr<br />

2007 in einem Experiment, welches<br />

sie im „Journal of Communications“<br />

veröffentlichen. Sie untersuchten<br />

das Thema „Abtreibungsverbot“ und<br />

die damit verbundene Wortwahl der<br />

JournalistInnen und PolitikerInnen in<br />

den USA. Dadurch fanden die beiden<br />

heraus, dass Abtreibungsbefürworter-<br />

Innen ausschließlich das Wort „Fötus“<br />

und AbtreibungsgegnerInnen im selben<br />

Zusammenhang „Baby“ verwendeten.<br />

Während dieser Begriff das Bild von<br />

einem Kind mit Gesicht und Händen<br />

in den Köpfen der Menschen hervorruft,<br />

denken die Meisten beim Begriff<br />

„Fötus“ an einen Zellhaufen. Aus diesem<br />

Grund passten Menschen, die Berichte<br />

lasen, in denen ausschließlich eines<br />

der beiden Worte vorkam ihre Meinung<br />

auch dieser politischen Position an.<br />

Framing in österreichischen Medien<br />

Gebhart ist davon überzeugt, dass die<br />

meisten Medien darauf bedacht seien,<br />

alle ihre Informationen so neutral wie<br />

möglich weiterzugeben, also wie RedakteurInnen<br />

glauben, dass sich ein<br />

Sachverhalt darstelle. Sie versuchen<br />

also „das Bild so zu zeichnen, wie die<br />

RedakteurInnen eben glauben, dass<br />

es ist.“ Während Qualitätszeitungen<br />

sich in ihrer Art und Weise Fakten zu<br />

präsentieren neutraler verhalten, beobachtet<br />

Gebhart, wie im Boulevard<br />

vermehrt versucht werde, die Inhalte<br />

von Artikeln in eine bestimmte Richtung<br />

zu lenken. Scherndl konstatiert,<br />

dass dies vorrangig aus dem Grund der<br />

Vereinfachung passiere: „Die Welt ist<br />

voller komplexer Sachverhalte, die kein<br />

Medium in ihrer ganzen, umfassenden<br />

Kompliziertheit präsentieren kann“.<br />

Diese Boulevard-Medien kennen laut<br />

Gebhart ihre LeserInnen sehr genau<br />

und versuchen ihre Geschichten auf<br />

deren Denkweise hin zu gestalten. Sie<br />

wollen eine größere Aufmerksamkeit<br />

innerhalb der Zielgruppe generieren,<br />

indem sie deren Denkweise weiter<br />

untermauern. Scherndl sieht diese<br />

Vorgehensweise als ökonomisch sinnvoll,<br />

„denn die Menschen lesen gerne,<br />

was sie in ihrer Meinung bestätigt.“ Sie<br />

betont, dass sie beim „Standard“ versuche,<br />

Inhalte für die LeserInnen aufzubereiten,<br />

ihnen aber das Angebot geben<br />

wolle, über den Tellerrand hinauszublicken.<br />

Deutungsstrategien sind also<br />

auch vom einzelnen Medium abhängig.<br />

von Katja Müller<br />

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Doping und die Rolle der<br />

Medien<br />

Die Berichterstattung über das Thema Doping führte ab März 2019 zu<br />

Aufregung bis Fassungslosigkeit, national wie international. David Müller,<br />

Leiter für Information und Prävention der Nationalen Anti-Doping Agentur<br />

Austria GmbH (NADA Austria)- und Beachvolleyball-Legende Clemens<br />

Doppler setzten sich im Interview mit <strong>SUMO</strong> mit dem polarisierenden<br />

Thema auseinander.<br />

Copyright: adobe stock/Evlakhov Valeriy<br />

Kaum ein Sportthema sorgte für so<br />

viel Entsetzen in den österreichischen<br />

Medien wie die Doping-Skandale bei<br />

der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft<br />

im März 2019 in Sveefeld. Doping ist<br />

nichts Neues, SportlerInnen aus der<br />

ganzen Welt treiben sich mehrmals<br />

täglich zu Höchstleistungen: Es geht<br />

immer schneller, höher oder besser.<br />

Muss man in einer leistungsorientierten<br />

Gesellschaft nicht damit rechnen, dass<br />

einfache Motivation und Wille oft nicht<br />

reichen, um an der Weltspitze dabei<br />

sein zu können? Leistungssport ist<br />

härter denn je. Ist man erfolgreich, ist<br />

man der Star einer Nation und es steht<br />

einer/m jede Türe offen. Hat man aber<br />

einen schlechten Tag und liefert nicht<br />

ab, wie man es gewohnt ist, steht<br />

viel auf dem Spiel. Negative mediale<br />

Berichterstattung, Verträge, die möglicherweise<br />

nicht verlängert werden,<br />

Sponsoren, die einen verlassen bis hin<br />

zur finanziellen Unsicherheit können<br />

die Folgen des „Versagens“ sein. Diesen<br />

Druck hält nicht jede/r SportlerIn<br />

aus und greift dadurch zu Hilfsmitteln,<br />

die mehr Leistung versprechen.<br />

Der einzige Weg, der zu Ruhm führt?<br />

Clemens Doppler spricht offen über<br />

Nieder- und Rückschläge in seiner<br />

Karriere: „Ich hatte schon viele Situationen<br />

in meiner sportlichen Karriere,<br />

wo ich dachte, dass meine Kraft oder<br />

Leistungsfähigkeit nicht ausreicht. Ich<br />

habe drei Kreuzbandrisse und sieben<br />

Knie-Operationen hinter mir, die jeweils<br />

lange Rehabilitationen verlangten. Die<br />

hätte man mit illegalen Substanzen<br />

verkürzen können. Aber ich habe keine<br />

Sekunde daran gedacht, und würde es<br />

auch nie machen.“ Warum einige SportlerInnen<br />

sich dennoch zu Doping verleiten<br />

lassen, kann der österreichische<br />

Beachvolleyball-Vizeweltmeister<br />

nachvollziehen. Der Druck unserer Gesellschaft<br />

sei so hoch, ein normaler Sieg<br />

reiche schon lange nicht mehr aus. Das<br />

Publikum wolle neue Rekorde und Bestzeiten<br />

sehen. Man könne es mit einem<br />

Hamsterrad vergleichen, als SportlerIn<br />

erreiche man so nie Zufriedenheit.<br />

Prävention ist vordergründig<br />

Die NADA Austria setzt den Fokus<br />

der Präventionsarbeit auf den Nachwuchs.<br />

„Kinder assoziieren Sport<br />

nicht mit Tabletten, Infusionen oder<br />

Blutmanipulationen. Die Auseinandersetzung<br />

mit verbotenen Substanzen<br />

oder Methoden beginnt erst später in<br />

der sportlichen Laufbahn“, so David<br />

Müller. Ein klares Ziel der Anti-Doping-Organisation<br />

sei es, dass sich die<br />

kommenden Sportgenerationen selbstbewusst<br />

und aus eigener Überzeugung<br />

gegen Doping und dopingäquivalentes<br />

Verhalten entscheiden. Jährlich werden<br />

über 2.500 junge SportlerInnen mit<br />

dem Anti-Doping-Schulprogramm erreicht,<br />

sowie das gesamte sportliche<br />

Umfeld (SportlerInnen, TrainerInnen,<br />

SportfunktionärInnen, etc.) mittels<br />

Schulungen, Vorträgen und Seminaren<br />

in puncto Doping sensibilisiert.<br />

Doping-Falle<br />

„Man darf sich das nur nicht so vorstellen,<br />

dass man sich ein Pulver<br />

einwirft und auf einmal einen Meter<br />

höher springt oder schneller läuft.<br />

Die Regenerationszeit zwischen den<br />

Trainings minimiert sich stark, dadurch<br />

kann man öfters und härter trainieren,<br />

was somit das Resultat verbessert“,<br />

klärt Doppler auf. Für ihn würde Doping<br />

auch im Beachvolleyball absolut<br />

(negativen) Sinn machen, aber für ein<br />

richtiges Dopingnetzwerk fehle es dieser<br />

Sportart an wirtschaftlichem Reiz.<br />

Für eine durchschnittliche Doping-Kontrolle<br />

gebe es laut Müller seitens der<br />

NADA keine festgelegte Häufigkeit.<br />

Die Auswahlkommission erarbeite<br />

einen Dopingkontrollplan, der Kriterien<br />

wie zum Beispiel Dopingrisiko einer<br />

Sportart, die individuelle Leistungsentwicklung<br />

oder finanzielle Anreize berücksichtige.<br />

Es kann durchaus passieren,<br />

dass auch ungewollt gedopt wird.<br />

Das geschieht zum Beispiel durch Einnahme<br />

von Nahrungsergänzungs- oder<br />

Schmerzmitteln, bestimmte Hustensäfte<br />

oder durch den Verzehr von<br />

Fleisch, das aus Ländern stammt, wo<br />

32<br />

Thema Doping und die Rolle der Medien


die Viehzucht mit verbotenen Substanzen<br />

arbeitet. Jede/r SportlerIn ist selbst<br />

für alle Substanzen verantwortlich, die<br />

sich in seinem bzw. ihrem Körper oder<br />

in Körperflüssigkeiten befinden. Daher<br />

muss er/sie sich auch vergewissern,<br />

dass jedes Arznei-, jedes Nahrungsergänzungsmittel<br />

oder jedes andere<br />

Präparat keine verbotenen Substanzen<br />

enthält. David Müller warnt daher,<br />

dass es sich aus der Verpflichtung der<br />

SportlerInnen ergebe, dass eine positive<br />

Analyse in aller Regel als Verstoß<br />

gegen die Anti-Doping-Bestimmungen<br />

gilt und je nach individueller Sachlage<br />

bzw. Milderungsgründen mit einer<br />

mehrmonatigen, mehrjährigen oder<br />

lebenslangen Sperre geahndet wird.<br />

Die Sportwelt braucht Veränderungen<br />

Der Druck ist hoch, und die Gier nach<br />

Gold groß. Doch wie minimiert man die<br />

Anzahl der TäterInnen, die mit illegalen<br />

Substanzen betrügen? Für Clemens<br />

Doppler, den siebenfachen österreichischen<br />

Meister im Beachvolleyball,<br />

ist es ganz klar, es brauche härtere Strafen:<br />

„Eine zweijährige Sperre schreckt<br />

doch nicht ab.“ Auch David Müller von<br />

der NADA wünscht sich Veränderungen:<br />

Langfristig müsse ein Umdenken in der<br />

Gesellschaft passieren. Es benötige die<br />

Etablierung im kollektiven Bewusstsein,<br />

dass Doping und dopingäquivalentes<br />

Verhalten kein Kavaliersdelikt ist.<br />

Und dafür bedarf es eines kritischen,<br />

durchaus investigativen Journalismus,<br />

der SportlerInnen nicht vorschnell zu<br />

David Müller<br />

Copyright: NADA Austria<br />

Stars stilisiert – um sie nach ersten<br />

Misserfolgen in Grund und Boden zu<br />

schreiben. Denn dies wirkt ein auf die<br />

olympische, heutzutage oft pervertierte<br />

Spirale: Schneller, höher, stärker.<br />

Clemens Doppler<br />

Copyright: BeachMajors<br />

von Katja Müller<br />

Was zählt,<br />

sind die Menschen.<br />

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Doping und die Rolle der Medien Thema<br />

33


Darknet: Anonymität vs.<br />

Kriminalität<br />

Das Darknet ist für die meisten negativ konnotiert. Denn schließlich gibt<br />

es dort keine Kontrolle und somit blühen auch illegale Geschäfte – und<br />

damit assoziieren wir das Darknet dann auch: Prostitution, Kinderpornografie,<br />

Drogenhandel, Medikamentenmissbrauch. Über die Risiken der Anonymität<br />

sprach <strong>SUMO</strong> mit Kriminalhauptkommissar Achim Steiger vom<br />

Bundeskriminalamt Deutschland und Michael Suda, Mitarbeiter der<br />

Österreichischen Datenschutzbehörde.<br />

Dark Net, Deepweb, Dark Web – diese<br />

Begriffe werden oft synonym verwendet<br />

für den verborgenen, „bösen“<br />

Teil des Internet. Achim Steiger jedoch<br />

differenziert im <strong>SUMO</strong>-Interview: Das<br />

Internet unterteilt sich in einen sichtbaren<br />

und einen unsichtbaren Teil. Der<br />

sichtbare Teil ist das sogenannte Clearnet<br />

oder Visible Web. Dieses kann von<br />

jeder/m genutzt werden und diesen Teil<br />

durchsuchen gängige Suchmaschinen,<br />

wie beispielsweise Google, Yahoo oder<br />

Bing. Der unsichtbare Teil, Invisible<br />

oder Deepweb, beschreibt jenen Teil,<br />

der nicht über diese Suchmaschinen<br />

gefunden wird. Das können beispielsweise<br />

Datenbanken, Intranets oder<br />

Fachwebseiten sein, die nicht für jeden<br />

zugänglich sein sollen. Einen Teil des<br />

Deepweb bildet dann das Darknet. Dessen<br />

Inhalte sind lediglich unter Nutzung<br />

bestimmter Software-Anwendungen<br />

möglich. Wer im Darknet surfen will,<br />

der braucht einen eigenen Browser, wie<br />

beispielsweise den Tor Browser. Mit<br />

diesem ist es jedem möglich, anonym im<br />

Internet zu surfen und das völlig legal.<br />

Die illegale Seite des Darknet<br />

Ist dies nicht ein großer Vorteil, wenn<br />

NutzerInnen darauf achten sollten,<br />

ihre persönlichen Daten im Internet<br />

immer mehr zu schützen, da diese<br />

missbräuchlich verwendet werden und<br />

wir überall unsere Spuren hinterlassen,<br />

die rückverfolgbar sind? „Im Zeitalter<br />

der Digitalisierung sind das Internet,<br />

Laptops und Smartphones oder Onlineshops<br />

gar nicht mehr wegzudenken.<br />

Doch aufgrund der steigenden Nutzung<br />

des Internet ist auch eine zunehmende<br />

Nutzung des Darknet als Tatmittel zur<br />

Begehung von Straftaten erkennbar“,<br />

so Kriminalhauptkommissar Steiger.<br />

Daraus ergebe sich ein routinierter<br />

und professionalisierter Umgang mit<br />

dem Darknet, was es einerseits für<br />

den Gesetzgeber erschwere, eine<br />

geeignete Rechtslage zu erstellen,<br />

andererseits aber auch die Gegenmaßnahmen<br />

und die Strafverfolgung<br />

deutlich schwerer gestaltet. Denn bei<br />

einer Recherche im Darknet werden<br />

keine – zumindest öffentlich einsehbaren<br />

– digitalen Fußabdrücke hinterlassen.<br />

Es gelingt der Kriminalpolizei<br />

allerdings immer wieder mit den richtigen<br />

Ermittlungsansätzen Straftaten<br />

aufzuklären und illegale Plattformen<br />

stillzulegen. Allerdings sind hierzu<br />

sehr viel Zeit und Personal notwendig.<br />

Auf den Darknet-Marktplätzen sind<br />

verbotene Betäubungsmittel der<br />

Hauptbestandteil der angebotenen<br />

Waren. Obwohl man diese Angebote<br />

nicht wirklich quantifizieren kann, ist<br />

auf alle Fälle zu sagen, dass es sich bei<br />

den Betäubungsmitteln um Massendelikte<br />

handelt. Achim Steiger zählt<br />

auf, welche weiteren Straftatbestände<br />

in der Regel auf dem Marktplatz zu<br />

finden seien: Der unerlaubte und<br />

gewerbsmäßige Handel mit Waffen,<br />

Kriegswaffen und Explosivstoffen ohne<br />

Erlaubnis. Geldfälschung und Inverkehrbringen<br />

von Falschgeld, weiters<br />

die Verbreitung, der Erwerb oder der<br />

Besitz von kinderpornografischen<br />

Schriften. Urkundenfälschung und<br />

Handel damit oder Computerbetrug<br />

und ebenso Strafvorschriften des<br />

Arzneimittelgesetzes und Ausspähen<br />

von Daten und Datenhehlerei.<br />

Der Tor Browser<br />

Mithilfe des Tor Browser, dessen Installation<br />

nicht illegal ist, können auch<br />

„normale“ Inhalte aus dem Clearnet<br />

aufgerufen werden. Um aber ins Dar-<br />

34<br />

Darknet: Anonymität vs. Kriminalität


knet zu gelangen und dort eine Seite<br />

aufzurufen, ist es notwendig, gewisse<br />

Kenntnisse von der Seite zu haben, da<br />

die Bezeichnungen der Seiten nicht so<br />

einprägsam und intuitiv sind, wie man<br />

es aus dem Clearnet kennt. Bei vielen<br />

Plattformen (Foren und Marktplätzen)<br />

ist es außerdem notwendig, sich auf der<br />

Seite anzumelden, die man besuchen<br />

möchte. Erst wer illegale Transaktionen<br />

hierbei abwickelt, verstößt gegen das<br />

Gesetz. „Das Tor Netzwerk wird auch<br />

als The Onion Router bezeichnet und<br />

man erkennt eine Seite daran, dass sie<br />

mit „.onion“ endet“, erklärt Herr Steiger.<br />

Bedeutung des Datenschutzes<br />

PolitikerInnen oder Whistleblower ist<br />

es oft essenziell, ihre Anonymität bei<br />

Recherchen im Internet zu wahren<br />

und keine sogenannten digitalen Fußabdrücke<br />

zu hinterlassen, um nicht<br />

rückverfolgbar zu sein. Datenschutz<br />

hat hier Priorität. Michael Suda erläutert<br />

dazu: „Die Datenschutzbehörde<br />

ist eine Aufsichts- und Rechtsschutzbehörde.<br />

Wir sehen es als unsere<br />

vorrangige Aufgabe, entsprechende<br />

Verfahren durchzuführen und Bürgerinnen<br />

und Bürger über ihre Rechte zu<br />

informieren. Die Einschätzung technischer<br />

und sozialer Entwicklungen<br />

überlassen wir regelmäßig anderen.“<br />

Seit dem 25. Mai 2018 regelt die Datenschutz-Grundverordnung<br />

der EU vor<br />

allem den Umgang von Unternehmen<br />

mit personenbezogenen Daten. Dabei<br />

geht man davon aus, dass Verantwortliche<br />

es mit mündigen BürgerInnen zu<br />

tun haben, die Risiken abwägen und<br />

bewusst entscheiden. Von den üblichen<br />

Suchmaschinen und Websites werden<br />

Daten gespeichert, beispielsweise via<br />

Cookies, die allerdings auch positiv sein<br />

können, um Suchergebnisse an das<br />

jeweilig individuelle Kaufverhalten anzupassen.<br />

Wie viele und welche Daten<br />

das genau sind, hängt vom jeweiligen<br />

Nutzungsverhalten ab. Durch den<br />

Tor Browser jedoch ist eine anonyme<br />

Suche möglich, ohne ein vergleichsweise<br />

größeres Risiko einzugehen. Die<br />

Entscheidung trifft jede/r selbst – eine<br />

Anonymität ist nie gewährleistet.<br />

von Lisa Müllner<br />

Copyright: adobe stock/adimas<br />

Darknet: Anonymität vs. Kriminalität<br />

35


Cyberwar und Cyberdefense<br />

Hackerangriffe schaffen Schlagzeilen – abseits der Quoten ist ihr Gefahrenpotenzial der Bürgerin und dem Netznutzer<br />

eher peripher. Staaten wie staatswichtige Unternehmen haben diese Gefahr etwa durch Verschlüsselung<br />

und Trojaner erkannt. Mag. Walter J. Unger, Oberst des Generalstabsdienstes, klärt im <strong>SUMO</strong>-Interview über<br />

digitale Kriege und Verteidigung auf.<br />

Copyright: adobe stock/vectorfusionart<br />

In den späten 1990er-Jahren fanden die<br />

ersten größeren Cyber-Kriege statt. Die<br />

NATO störte und manipulierte während<br />

des Kosovokrieges gezielt serbische<br />

Flugabwehrsysteme, schränkte das<br />

Finanzsystem ein und beeinflusste das<br />

Telefonnetz. In diesem Jahrhundert<br />

werden häufig China, Russland und<br />

Israel als über das Netz attackierende<br />

Mächte genannt. So etwa beschuldigte<br />

die NATO Russland, hinter unzähligen<br />

Hackerangriffen zu stecken. In diesem<br />

Krieg gibt es keine definierbaren Soldaten,<br />

Generäle oder Regierungen. Im<br />

Prinzip könnten alle Menschen KriegerInnen<br />

oder Opfer sein, denn jede/r<br />

von uns ist unmittelbar betroffen. Fakt<br />

ist, dass Internetangriffe als ,,Waffen‘‘<br />

reichen könnten, um eine ganze<br />

Nation lahmzulegen. Beispielsweise<br />

die Cyber-Angriffe gegen Estland, wo<br />

im Jahr 2008 ein russischstämmiger<br />

estnischer Staatsbürger angeklagt und<br />

verurteilt wurde, daraufhin hat sich im<br />

März 2009 Konstantin Goloskokow,<br />

ein Funktionär der regierungsnahen<br />

russischen Jugendorganisation Naschi,<br />

als Drahtzieher zu den Angriffen<br />

bekannt. Jedoch wies die russische<br />

Regierung alle Vorwürfe zurück.<br />

Die Absicht eines Cyberwars ist es, Netzwerke<br />

zu zerstören, sodass essenzielle<br />

Funktionen wie die Telekommunikation,<br />

die Energie- und Wasserversorgung<br />

oder das Finanzsystem eines Staates<br />

beeinflusst werden oder sogar nicht<br />

mehr funktionieren. Dadurch wird<br />

einem Staat, einer Gesellschaft, einem<br />

Unternehmen oder einer einzelnen<br />

Privatperson enormer Schaden zugefügt.<br />

Und: Die Kombination macht<br />

es aus, denn Cyberangriffe können<br />

auch begleitend zu diversen kriegerischen<br />

Handlungen genutzt werden,<br />

um strategische Erfolge zu erzielen.<br />

Viren, Würmer, Trojaner<br />

Im Vorfeld eines Cyberwars ist es das<br />

Ausspionieren der Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und von militärischen Vorgehensweisen,<br />

um strategische Erkenntnisse<br />

beziehungsweise Vorteile zu erlangen.<br />

Mit Hilfe von Schadsoftware wie Viren,<br />

Würmern oder Trojanern wird versucht,<br />

die Informationssysteme zu infiltrieren,<br />

wodurch das System manipuliert oder<br />

sogar lahmgelegt werden könnte. Einer<br />

der bekanntesten Programme zur<br />

Lahmlegung des Kommunikationsnetztes<br />

oder einzelnen Daten ist ,,Wannacry‘‘,<br />

ein Schadprogramm für Windows.<br />

Laut ,,Spiegel Online’’ wurden bislang<br />

durch diese Schadsoftware mehr als<br />

300.000 Computer infiziert. Die Opferzahl<br />

liegt derzeit bei weit über 200.000.<br />

Cyber-Angriffe sind auch in Österreich<br />

ein ernstzunehmendes Problem<br />

Laut Walter J. Unger, Leiter der Abteilung<br />

Cyber-Defense und IKT-Sicherheit Verteidigungsministerium,<br />

hätten schon<br />

mehr als die Hälfte der österreichischen<br />

Unternehmen einen Cyber-Angriff erlebt.<br />

Denn Österreich sei ein besonders<br />

beliebtes Ziel, da es ein Innovationsund<br />

Wissenschaftsland ist, wo viel Geld<br />

in die Forschung investiert werde. Also<br />

gelte es Unternehmen darauf präventiv<br />

vorzubereiten – aber auch die Politik<br />

und Wahlbürgerinnen selbst, denn: Seit<br />

dem US Wahlkampf sind viele andere<br />

Länder sensibilisiert und aufmerksamer<br />

und versuchen von vornherein<br />

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36<br />

Cyberwar und Cyberdefense


zu erkennen, was genau passiert.<br />

Daher müsse man versuchen, die<br />

Menschen zu erziehen, damit sie Vieles<br />

hinterfragen und nicht an alles glauben,<br />

was veröffentlicht wird. ,‚Sogar<br />

‚Facebook’ hat Sites gestrichen, die den<br />

Wahlkampf in der EU manipulieren.“<br />

Das Österreichische Bundesheer begann<br />

1990, die Sicherheit digitaler<br />

Systeme und Geräte auszubauen. Alle<br />

Geräte sind verschlüsselt, damit keine<br />

Viren und Trojaner eindringen können.<br />

Man braucht ein Passwort und eine Safe<br />

Card, damit man auf die Geräte Zugriff<br />

hat. Laut Oberst Unger vom Abwehramt<br />

des Bundesheeres gab es bis heute<br />

keine schwereren Auswirkungen durch<br />

ein Schadprogramm beim Bundesheer.<br />

Sicherheitsmaßnahmen für Unternehmen<br />

Der Hauptverbreitungs- bzw. Angriffsweg<br />

für Schadprogramme läuft nach<br />

wie vor über E-Mails. Ein Beispiel dafür<br />

ist die Porr AG, das zweitgrößte Bauunternehmen<br />

Österreichs, die Anfang<br />

Mai zugegeben hat, dass sie Opfer eines<br />

Cyber-Angriffs wurde, da der Mailverkehr<br />

nicht ausreichend gesichert war.<br />

Um Sicherheitslücken zu schließen,<br />

sollten so oft wie möglich Audits durchgeführt<br />

werden, um Datenverlusten<br />

vorzubeugen. Außerdem rät Walter<br />

Unger strengstens davon ab, Mails von<br />

Unbekannten zu öffnen und auch keine<br />

fremden Sticks am Computer anzustecken,<br />

da diese ein Virus oder einen<br />

Trojaner einschleusen könnten. Ebenfalls<br />

ratsam sei die physikalische Trennung<br />

wichtiger Rechner oder Netze.<br />

Verlässliches Personal sei ebenfalls ein<br />

essenzieller Punkt in punkto Sicherheit.<br />

Des Weiteren müsse darauf geachtet<br />

werden, dass Rechner nicht gestohlen<br />

werden. In der Vergangenheit sei es<br />

häufig vorgekommen, dass Diebe in<br />

Büros eingedrungen sind, um Daten und<br />

Geräte zu stehlen. Es werde eindringlich<br />

geraten, in IT-Sicherheit zu investieren.<br />

Das Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetz<br />

(NISG)<br />

Laut Oberst Unger wurde das Gesetz<br />

am 29. Dezember 2018 vom Nationalrat<br />

beschlossen. Das NIS -Gesetz ist<br />

ein Bundesgesetz zur Gewährleistung<br />

eines hohen Sicherheitsniveaus von<br />

Netz- und Informationssystemen. Es<br />

verpflichtet Unternehmen zur Einrichtung<br />

umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen<br />

und zum Nachweis ihrer<br />

Effektivität. Von dem Gesetz sind<br />

100-150 Unternehmen betroffen, die<br />

essenziell für die Versorgung der Bevölkerung<br />

sind. Im Fokus stehen die<br />

sogenannten Betreiber wesentlicher<br />

Dienste. Damit sind Unternehmen<br />

aus den Sektoren Energie, Verkehr,<br />

Bankwesen und vielen weiteren<br />

Branchen, die wichtig für die gesamte<br />

Bevölkerung sind, gemeint. Bei Nichteinhaltung<br />

der Anforderungen drohen<br />

Verwaltungsstrafen bis zu 100.000<br />

€ – den Reputationsverlust nicht eingerechnet.<br />

Die Sicherheit der BürgerInnen<br />

steht über medialem Image.<br />

von Deniz Aslan<br />

Horrorfilme: Lust auf Angst und<br />

Spannung vs. Ekel<br />

Das Filmgenre Horror polarisiert: einerseits gibt es Fans, andererseits auch Menschen, welche<br />

die Faszination an Blutrausch oder Folterungen nicht nachvollziehen können. Warum also beoder<br />

entgeistert Horror? <strong>SUMO</strong> interviewte dazu Medienforscherin Anne Bartsch, sowie Horrorfilmliebhaber<br />

und -gegner.<br />

Die Geschichte des Horrorfilms reicht<br />

so weit zurück, wie die Entwicklung<br />

des Films selbst – bis ins Jahr 1900. In<br />

den 1910er-Jahren wurden durch den<br />

filmischen Expressionismus typische<br />

stilistische Mittel wie Licht und Schatten<br />

dazu verwendet, schaurige Kulissen<br />

zu gestalten, inhaltlich Themen aus der<br />

Literatur der Schauerromantik implementiert.<br />

Mit „Der Golem, wie er in die<br />

Welt kam“ erschien 1920 die Monster-Thematik<br />

auf der Leinwand, kurz<br />

darauf mit „Nosferatu“ und „Graf Dracula“<br />

die ersten Vampire. Zur Legende<br />

gerieten 1931 die vom deutschen Expressionismus<br />

beeinflussten US-Filme<br />

„Frankenstein“ mit Boris Karloff in der<br />

Monsterrolle und „Dracula“, dargestellt<br />

von Bela Lugosi. Über die „Universal<br />

Studios“ wurde das Genre dann durchgehend<br />

gefestigt, etwa durch Werke<br />

wie „Wolfsmensch“, „Mumie“ und „King<br />

Kong“. Am Ende des 20. Jahrhunderts<br />

orientierten sich die Regisseure daran,<br />

dass das Böse vom Menschen selbst<br />

ausgeht und nicht mehr von Monstern<br />

oder anderen irrealen Kreaturen.<br />

Woher stammt die Faszination an<br />

Horrorfilmen?<br />

Horrorfilme haben die Absicht Grauen<br />

und Entsetzen auszulösen. Im Vergleich<br />

zu Thrillern, die Spannung erzeugen<br />

wollen, zeigen Horrorfilme viel Blut,<br />

Morde und grauenhafte, böse Wesen.<br />

Prof. Dr. Anne Bartsch, Professorin<br />

für empirische Kommunikations- und<br />

Medienforschung an der Universität<br />

Leipzig, beforschte unter vielem anderen<br />

auch die Nutzung von Horrorfilmen.<br />

Um zu analysieren, wieso Menschen<br />

bestimmte Medien rezipieren ist es<br />

Anne Bartsch<br />

Copyright: Markus Scholz<br />

Horrorfilme: Lust auf Angst und Spannung vs. Thema Ekel<br />

37


Copyright: adobe stock/adimas<br />

notwendig, ihre Motive und Bedürfnisse<br />

zu verstehen. Einige wichtige<br />

Faktoren, welche beeinflussen, ob<br />

jemand gerne Horrorfilme sieht seien<br />

das persönliche Erregungsspektrum<br />

jeder Person, der Nervenkitzel und die<br />

Spannung während der Filmrezeption.<br />

Verschiedene Theorien können dies<br />

erklären, Prof. Bartsch fokussiert hierzu<br />

das Sensation Seeking. „Der oder<br />

die eine ist bereits aufgeregt, wenn<br />

er oder sie einen fremden Menschen<br />

auf der Straße ansprechen muss –<br />

das genügt der Person bereits an<br />

Adrenalin. Wieder andere brauchen<br />

eine wesentlich stärkere Stimulation,<br />

um eine Aufregung zu spüren und diese<br />

tendieren dann zu solchen Genres.“<br />

Sensation Seeking beschreibt also<br />

das Merkmal eines jeden Menschen,<br />

wieviel Spannung, Adrenalin oder<br />

Nervenerregung er bzw. sie aushält.<br />

Es sei ein allgemeines Persönlichkeitsmuster,<br />

das auf Stimulation<br />

aus ist und auch beispielsweise bei<br />

ExtremsportlerInnen zu finden sei.<br />

Die schaurigen Seiten von Horrorfilmen<br />

„Horrorfilme sind für mich persönlich<br />

viel zu gruselig! Ich kann gar nicht<br />

zusehen, wie Menschen sterben<br />

und hasse es mich zu erschrecken,<br />

außerdem bekomme ich immer Alpträume<br />

von den schrecklichen Szenen“,<br />

antwortet Denise auf die Frage nach<br />

ihrer Ablehnung von Horrorfilmen. Sie<br />

kam gerade aus einer Kinokomödie.<br />

Können Horrorfilme bei den ZuseherInnen<br />

negative Effekte auslösen? Es gebe<br />

durchaus die Gefahr, dass man sich<br />

immer mehr an die schaurigen Szenen<br />

gewöhne und daher ein Gewöhnungseffekt<br />

eintrete. Aus den Studien von<br />

Prof. Bartsch resultierte allerdings<br />

nicht, dass Menschen sich am Anblick<br />

von Grausamkeiten erfreuen. Wenn<br />

es Menschen mit solchen Neigungen<br />

gäbe, seien sie so selten, dass sie in den<br />

Studien nicht auffallen. Den meisten<br />

ZuseherInnen gehe es nicht um Grausamkeiten<br />

an sich, sie suchen eher<br />

den Nervenkitzel oder wollen Gewaltphänomene<br />

verstehen und nehmen<br />

dafür den Anblick von Grausamkeiten in<br />

Kauf. Ein Grund für Jugendliche, sich solche<br />

Filme anzusehen sei das Austesten<br />

von Grenzen und etwas bisweilen Verbotenes<br />

zu tun. Es können auch Mutproben<br />

sein, sich Filme anzusehen, bei<br />

denen das empfohlene Mindestalter<br />

ab 16 oder 18 ist. In einer Studie des<br />

Kriminologischen Forschungsinstituts<br />

Niedersachsen anno 2010 wurden<br />

dazu Neuntklässler (also im Alter von<br />

14 bis 15 Jahren) befragt: 19,3% der<br />

Jungen und 9,4% der Mädchen gaben<br />

an, häufiger Horrorfilme zu sehen.<br />

Die schaurig schönen Seiten von<br />

Horrorfilmen<br />

„Ich liebe die Spannung während<br />

des Films und die Aufregung kurz<br />

bevor man sich erschreckt“, sagt<br />

Michael, der gerade aus einer Vorstellung<br />

des Horrorfilmes „Wir“<br />

von Jordan Peele gekommen ist.<br />

Bei einzelnen Filmen gibt es für RezipientInnen<br />

auch tiefsinnige Motive, sich<br />

mit einem Gewaltphänomen gedanklich<br />

auseinander zu setzen, beispielsweise<br />

wenn bestimmte Horrorfilme einen<br />

Bezug zur Realität bieten oder man sich<br />

verspricht, etwas davon zu lernen, wie<br />

bei „Schweigen der Lämmer“, der einen<br />

Kultstatus genießt, so Prof. Bartsch.<br />

So wie andere Filme auch, bieten Filme<br />

des Horrorgenres den RezipientInnen<br />

Eskapismus, also in eine Welt abtauchen<br />

zu können fernab der Realität<br />

und somit die Sorgen und Probleme für<br />

einen Moment vergessen zu können.<br />

Dies gelingt manchen eben über das<br />

Eintauchen in eine fiktiv-monströse<br />

Geisterwelt – ein Quäntchen Angstlust<br />

motiviert für den Wiedereinstieg in die<br />

bisweilen monströs wirkende Realität.<br />

von Lisa Müllner<br />

38<br />

Horrorfilme: Thema Lust auf Angst und Spannung vs. Ekel


Impressum<br />

Medieninhaber:<br />

Fachhochschule St. Pölten GmbH<br />

c/o <strong>SUMO</strong><br />

Matthias Corvinus-Straße 15<br />

A-3100 St. Pölten<br />

Telefon: +43(2742) 313 228<br />

Fachliche Leitung<br />

FH-Prof. Mag. Roland Steiner<br />

E-Mail: roland.steiner@fhstp.ac.at<br />

Telefon: +43(2742) 313 228 -425<br />

Copyright: Claudia Mann<br />

Das Team der Ausgabe 33 und des Onlinemagazins www.sumomag.at<br />

von links nach rechts: Raffael Hagleitner, Thomas Picher, Marko Brkic, Katrin Nussmüller, Elena Weissengruber,<br />

Katja Müller, Roland Steiner, Deniz Aslan, Theresa Burgstaller, Marlene Lampl, Kathrin Minich, Lisa Müllner,<br />

Klaus Ofner, Alexander Weller<br />

nicht im Bild: Anna Maria Neuherz<br />

PRODUKTION: Aslan, Hagleitner, Minich, Müllner, Picher<br />

BILDREDAKTION: Müller, Ofner, Weissengruber<br />

VERTRIEB: Brkic, Hagleitner<br />

KOMMUNIKATION/RELEASE: Neuherz, Nussmüller, Weller<br />

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