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SUMO #42

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Fachmagazin des Bachelor-Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten März 2024<br />

42.<br />

Ausgabe<br />

Mammutaufgabe<br />

Klimajournalismus


Mit jeder Glas-Mehrwegflasche<br />

sparen wir CO 2 ein und werden<br />

NACH & NACH<br />

nachhaltig #jungbleiben<br />

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Fachliche Leitung: Mag. Martin Wurnitsch und<br />

FH-Prof. Mag. (FH) Dr. Johanna Grüblbauer<br />

E-Mail: johanna.grueblbauer@fhstp.ac.at<br />

© Titelbild: KI-generiert mit Adobe Firefly<br />

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Leitstern für Kommunikation und Wandel<br />

Auf der Schön 2<br />

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INHALTSVERZEICHNIS<br />

Das Klimajournalismus-Netzwerk und sein Kodex: Fünf Gebote ohne Wert 6<br />

von Nikolai Dangl mit Katharina Kropshofer und Daniel Lohninger<br />

Ein Plädoyer für Klimajournalismus mit Biss 10<br />

von Lena Haslinger mit Reinhard Steurer und Gunter Sperka<br />

Klimawandel, Kritik, Kontroversen: Manuel Kelemen über TV-Meteorologie 14<br />

in Zeiten des Gegenwinds<br />

von Christina Jauschnegg mit Manuel Kelemen<br />

ORF setzt auf internes Klimanetzwerk 16<br />

von Fatma Cayirci mit Gerhard Maier und Hannah Schilcher<br />

Klimajournalismus - die Kunst der Kommunikation 18<br />

von Victoria Kneil mit Matthias Karmasin und Torsten Schäfer<br />

Zwischen Fakten und Emotionen 20<br />

von Nico Brandstetter mit Anika Heck und Michael Lohmeyer<br />

Fake News unleashed: Die Gefahr des Klima-Narrativs 22<br />

von Julian Dürnberger mit Andre Wolf, Resa und Christian<br />

Klimakleber, Klima-Chaoten, Klimaterroristen - so werden sie dargestellt 26<br />

von Christian Krobitzsch mit Luis Paulitsch und Christian Nusser<br />

„Meine Mission für das Klima“ 28<br />

von Aurelia Aeychouh mit Maximilian Schoissengeyer<br />

Der „gute“ Klimajournalismus und die Jugend 30<br />

von Sabir Ansari mit Lisa Ladstätter<br />

Klima im Wandel: Macht und Machtlosigkeit der sozialen Medien 32<br />

von Nicole Bokuvka mit Mathias Neumayr und Fabian Bergner<br />

Alles sauber, alles grün? 34<br />

von Sophia Koller und Hannah Konrad mit Barbara Bauer, Raphael Fink<br />

und Gabriele Faber-Wiener<br />

Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im Kampf gegen die Klimakrise 36<br />

von Luce Fiduccia mit Lukas Bayer und Sara Schurmann<br />

Schnee von gestern? Wie der Klimawandel den Wintersport und die 38<br />

Medienberichterstattung ins Schwitzen bringt<br />

von Anna-Maria Gfrerer mit Georg Kaser und Michael Kögler<br />

Zukunft Pink: Zwischen medialen Rollenbildern und der Realität 40<br />

von Alice Apolloner mit Marianne Dobner,<br />

Nicole Katsioulis und Barbara Huemer<br />

Stadt versus Land: Wird Klimajournalismus in den Regionen 42<br />

anders wahrgenommen?<br />

von Julian Hofer mit Maria Jelenko-Benedikt und Ralf Hillebrand<br />

Alles nur negativ? Wie Medien und Menschen mit der Klimakrise umgehen 44<br />

von Nicole Bogacz mit Lisa Wohlgenannt und Carina Jagersberger<br />

Klimajournalismus auf dem Prüfstand: Zwischen Neutralität 46<br />

und Dringlichkeit<br />

von Marlene Döller mit Dominic Eggizi und Susan Jörges<br />

„Ein historischer Beschluss“: Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28 48<br />

von Maximilian Handl und Raphael Hutfless mit Bernhard Gaul<br />

4<br />

Inhaltsverzeichnis


Liebe Leser:innen!<br />

Sie halten die 42. Ausgabe von <strong>SUMO</strong> in Händen,<br />

dem Fachmagazin des Bachelor-Studiengangs<br />

Medienmanagement der FH St. Pölten, das sich<br />

diesmal einem hoch polarisierenden Thema widmet.<br />

Die Klimakatastrophe und wie der Journalismus<br />

damit umgeht, das spaltet Politik, Medien und<br />

Konsument:innen. Allein der Begriff „Katastrophe“<br />

steht bereits zur Disposition. Wäre die aktuelle<br />

Situation mit den Worten „Krise“ oder „Wandel“<br />

nicht vielleicht besser beschrieben?<br />

Die Auseinandersetzung mit der Klimakrise, sie ist<br />

auch eine ideologische. Umso mehr stellt sich die<br />

Frage, wie sich der Journalismus auf diesem Feld<br />

bewegt. Darf er aktivistisch agieren oder darf man<br />

ihm absolute Neutralität und Objektivität abverlangen?<br />

So Zweiteres gilt: Tappt der/die Berichterstatter:in<br />

dann nicht in die Bothsideism-Falle?<br />

Weitere Fragen, die sich<br />

stellen: Braucht es überhaupt<br />

dieses eigene Genre<br />

des Klimajournalismus –<br />

oder ist er nur kurzfristige<br />

Modeerscheinung? Wie<br />

halten die großen Medienhäuser<br />

im Land es mit der<br />

Klimafrage? Und: Welche<br />

psychologischen Aspekte,<br />

konkret Verdrängungsmechanismen<br />

wirken, die<br />

die eingehenden Schilderungen<br />

der Klimafolgen an<br />

den Menschen abprallen<br />

lassen? Muss der Klimajournalismus<br />

also anders,<br />

nicht nur negativ, sondern<br />

konstruktiv gestaltet<br />

sein? Und: Wie sehen die<br />

Klimajournalisten selbst<br />

sich und ihre Aufgabe?<br />

nalismus, deren Bedeutung aber wohl unstrittig<br />

wachsen wird. Oder wie es Reinhard Steurer, Professor<br />

für Klimapolitik an der BOKU Wien, in einem<br />

der Artikel drastisch formuliert: „Der Journalismus<br />

hat die Klimakrise noch nicht als existenzielle Bedrohung<br />

verstanden. Um Bereitschaft und Akzeptanz<br />

für unangenehme Maßnahmen wie Tempo<br />

80-100, weniger Fleischkonsum und weniger<br />

Flugverkehr zu bekommen, muss der Klimajournalismus<br />

wachrütteln und den Leuten bewusst<br />

machen, dass wir ein Riesenproblem haben. Ohne<br />

diese harte, bittere Wahrheit wird es nicht gehen.“<br />

Dass Sie diesen harten, bitteren Wahrheiten auch<br />

einiges an Erkenntnis und – trotz allem - Lesevergnügen<br />

abgewinnen können, darauf hoffen wir.<br />

Martin Wurnitsch &<br />

Johanna Grüblbauer<br />

Alle diese Fragen haben<br />

Studierende des Bachelor-<br />

Studiengangs Medienmanagement<br />

im vorliegenden<br />

Magazin behandelt,<br />

Expert:innen befragt, Positionen<br />

abgesteckt – und<br />

tief in die journalistische<br />

Praxis geblickt. Was dabei<br />

entstanden ist, soll Einblick<br />

geben in eine noch<br />

junge Disziplin des Jour-<br />

© Julius Nagel<br />

Editorial<br />

5


Das Klimajournalismus-Netzwerk und<br />

sein Kodex: Fünf Gebote ohne Wert?<br />

Die Corona-Pandemie brachte das „Netzwerk Klimajournalismus Österreich“ hervor, einen Zusammenschluss<br />

heimischer Klimajournalistinnen und -journalisten. Im Frühling 2023 präsentierte<br />

das Netzwerk den „Klima-Kodex“ – doch wie sieht der aus? Wie bindend ist er für seine Unterzeichner?<br />

Und am wichtigsten: Bringt er überhaupt etwas? Dazu analysierte das <strong>SUMO</strong>-Magazin<br />

die Berichterstattung einzelner Medien, die sich dem Kodex verpflichtet haben, und sprach mit der<br />

Netzwerk-Mitgründerin Katharina Kropshofer. Plus: Wie sieht Daniel Lohninger, Chefredakteur der<br />

Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN), den Kodex, den die NÖN als größtes Medienhaus Niederösterreichs<br />

vorerst nicht unterzeichnet hat?<br />

von NIKOLAI DANGL<br />

Katharina Kropshofer / © Thomas Gobauer<br />

Daniel Lohninger / © Franz Gleiss<br />

Wir schreiben den 16. März<br />

2020: Österreichs Bundesregierung<br />

verhängt den ersten Lockdown,<br />

die Corona-Pandemie<br />

hat die Alpenrepublik erreicht.<br />

Ein Tag für die Geschichtsbücher<br />

– auch für jene des heimischen<br />

Klimajournalismus. Warum?<br />

Nun, die beispiellose Ausnahmesituation,<br />

die der Lockdown<br />

nach sich zieht, ist der Startschuss<br />

zur Gründung des<br />

„Netzwerk Klimajournalismus<br />

Österreich“.<br />

„Corona-Baby“ – so treffend<br />

bezeichnete auch<br />

Katharina Kropshofer, Journalistin<br />

bei der Wiener Wochenzeitung<br />

„Falter“, das „Netzwerk<br />

Klimajournalismus<br />

Österreich“. Zwischen Lockdowns<br />

und Home Office,<br />

Kurz-Affäre und „Querdenker“-Demos<br />

gründete sie<br />

mit Clara Porák und Veronika<br />

Winter den Journalismus-Zusammenschluss.<br />

Porák ist freie<br />

Journalistin und Geschäftsführerin<br />

des von Kropshofer mitgegründeten<br />

Online-Mediums<br />

„andererseits.at“, das sich für<br />

Journalistinnen und Journalisten<br />

mit Behinderungen einsetzt.<br />

Winter komplettiert das Trio als<br />

Klimabildungs-Expertin.<br />

Seither ist viel passiert: Ein<br />

Kernteam hat sich etabliert.<br />

Laut der Netzwerk-Website<br />

„klimajournalismus.at“ zählt<br />

es zehn bis 30 Menschen, laut<br />

Kropshofer aber sind es „nur<br />

zehn bis 15“ Personen – im<br />

nächsten Atemzug klärt sie den<br />

Widerspruch auf: „Das schwankt<br />

sehr. Zehn bis 15 Leute sind im<br />

Kernteam und dann gibt es noch<br />

gut 30, die regelmäßig bei den<br />

Events mitarbeiten.“ Apropos<br />

Events: Von Ende August bis<br />

Anfang Februar veranstaltete<br />

das „Netzwerk Klimajournalismus<br />

Österreich“ gemeinsam<br />

mit dem „Netzwerk Klimajournalismus<br />

Deutschland“ einmal<br />

pro Woche mittwochs online<br />

das „5vor12 Klima-Briefing“.<br />

Sechsmal fand es statt, behandelte<br />

mit je einem Experten ein<br />

spezifisches Thema. Beispielsweise<br />

ging’s um „Lobby-Narrative“,<br />

„polarisierende Debatten“<br />

oder „soziale Kipppunkte“. Die<br />

Zielgruppe: Journalistinnen und<br />

Journalisten. Bei so einem verhältnismäßig<br />

größeren Event<br />

würden dann auch mehr Menschen<br />

als die erwähnten 30<br />

mithelfen. Zusätzlich hält das<br />

Netzwerk unter anderem Workshops<br />

und Pressebriefings ab<br />

– meist mit zwei Experten. Seit<br />

Herbst gibt’s außerdem am jeweils<br />

letzten Dienstag jedes<br />

Monats einen „Stammtisch“ zu<br />

unterschiedlichsten Themen<br />

in kleineren Kreisen. Generell<br />

würden die Angebote laut<br />

Kropshofer zwar angenommen<br />

werden – besonders die Teilnehmerzahl<br />

bei Online-Events<br />

hätte sich seit dem Ende der<br />

Corona-Pandemie aber spürbar<br />

reduziert: „Während der Lockdowns<br />

war es leichter, Leute<br />

für so etwas vor den Bildschirm<br />

zu bekommen.“ Dennoch wird’s<br />

eine zweite Staffel des „5vor12<br />

Klima-Briefings“ geben.<br />

„Wir sind keine Super-<br />

Expertinnen, sondern<br />

eine Selbsthilfegruppe“<br />

Katharina Kropshofer<br />

Mitgründerin des „Netzwerk<br />

Klimajournalismus Österreich“<br />

Aber ist es denn wirklich fünf vor<br />

zwölf? „Ich kann nur wiedergeben,<br />

was die Wissenschaft sagt:<br />

Da schwanken ja die Aussagen<br />

zwischen ‚fünf vor zwölf‘ und<br />

‚fünf nach zwölf‘. Ich persönlich<br />

denke, dass es nie zu spät ist,<br />

etwas tu tun – aber die Begrenzung<br />

der Erderwärmung auf<br />

eineinhalb Grad Celsius ist wohl<br />

mittlerweile unrealistisch“, sagt<br />

Kropshofer, die gerade deswegen,<br />

weil es eben „nie zu spät“<br />

sei, das Netzwerk gründete:<br />

„Das Thema braucht noch mehr<br />

Aufmerksamkeit.“ Tatsächlich<br />

drängte die Corona-Pandemie<br />

Klima-Themen eine Zeit lang<br />

6


massiv in den Hintergrund – und<br />

als die Gesundheitskrise dann<br />

endete, überfiel Wladimir Putin<br />

die Ukraine und war damit Top-<br />

Thema in sämtlichen Medien.<br />

Erneut zum Leid der Klimakrise.<br />

„Wir haben uns regelmäßig gefragt:<br />

‚Wieso schafft es dieses<br />

Thema nie auf die Titelseiten?‘“<br />

Wie kam’s<br />

zum Kodex?<br />

Um das Netzwerk mitten zwischen<br />

Lockdowns und Kontaktbeschränkungen<br />

zu gründen,<br />

trafen sich Kropshofer, Porák<br />

und Winter erst online. Anfangs<br />

wuchs es rasant: „Das war auch<br />

Corona geschuldet. Wir waren<br />

sicher nicht die ersten, die sich<br />

damit beschäftigt haben – aber<br />

eben die ersten, die sich getraut<br />

haben, damit an die Öffentlichkeit<br />

zu gehen.“ Dabei ist<br />

Kropshofer aber wichtig zu unterstreichen:<br />

„Wir sind keine Super-Expertinnen,<br />

sondern mehr<br />

eine Selbsthilfegruppe.“<br />

Medial ist das Netzwerk eher<br />

Randerscheinung, abseits der<br />

Medien-Blase kaum bekannt.<br />

Dabei gab’s 2023 einen Meilenstein<br />

zu verzeichnen: Am Abend<br />

des 23. Mai wurde der „Klima-<br />

Kodex für eine angemessene<br />

Klimaberichterstattung“ präsentiert.<br />

Von Journalistinnen<br />

und Journalisten unterschiedlichster<br />

Redaktionen wurde er<br />

in Zusammenarbeit mit dem<br />

„Climate Change Centre Austria“<br />

erarbeitet. Für die Wissenschaft<br />

griff Daniel Huppmann<br />

vom „International Institute for<br />

Applied Systems Analysis“ unter<br />

die Arme.<br />

Und was steht da drin? Der Kodex<br />

beschreibt die Klimakrise<br />

als die „dringlichste Krise“ gemeinsam<br />

mit dem Artensterben<br />

und hält fest, dass sie „unsere<br />

Lebensgrundlage“ gefährde und<br />

deshalb „höchste Priorität“ genießen<br />

müsse. Weiters sei ein<br />

„stabiles Klima“ „Voraussetzung<br />

für ein sicheres und friedliches<br />

Zusammenleben“. Der Kodex<br />

mahnt von den Medien „angemessenen<br />

Platz und Ressourcen“<br />

und die Anerkennung der<br />

wissenschaftlichen Fakten sowie<br />

die „ressort- und themenübergreifende<br />

Dimension“ ein.<br />

Die Unterzeichner müssten „auf<br />

Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

angemessen“ über<br />

die Krise berichten und „neben<br />

den Folgen der Erderhitzung<br />

auch unterschiedlichste Lösungen<br />

und Handlungsmöglichkeiten“<br />

aufzeigen. Außerdem ist<br />

festgeschrieben, dass Klimajournalismus<br />

„kein Aktivismus“<br />

sei. Im abschließenden Punkt<br />

ruft der Kodex dazu auf, auf<br />

„eine Bebilderung und Wortwahl,<br />

die dem Ausmaß und den<br />

Folgen der Klimakrise gerecht<br />

wird“, zu achten – und untersagt<br />

Verharmlosung. Auf Seite zwei<br />

sind dann vier wissenschaftliche<br />

Werke zur Untermauerung<br />

angeführt.<br />

„Wir haben viele positive Rückmeldungen<br />

bekommen. Die<br />

meisten Redaktionen stehen<br />

dahinter", sagte noch am Präsentationsabend<br />

Netzwerk-<br />

Sprecherin Verena Mischitz. Angelehnt<br />

wurde der Kodex an die<br />

„Klimacharta“, die in deutschösterreichischer<br />

Zusammenarbeit<br />

entstand und sich nicht<br />

an Medienhäuser, sondern Journalistinnen<br />

und Journalisten als<br />

Einzelpersonen richtet – und<br />

länderübergreifend mittlerweile<br />

über 450 Unterschriften zusammengebracht<br />

hat.<br />

Die Abstinenz der<br />

großen Player<br />

Wie der Kodex wirklich ankommt?<br />

Laut der Website des<br />

Netzwerks haben ihn „mehr<br />

als 25 Medienunternehmen“<br />

unterzeichnet. Zählt man nach,<br />

sind es 28 – wobei angemerkt<br />

© Adobe Stock<br />

Das Klimajournalismus-Netzwerk und sein Kodex: Fünf Gebote ohne Wert?<br />

7


sei, dass die RegionalMedien<br />

Austria (RMA) gleich neunmal<br />

unterschrieben haben: Für acht<br />

Bundesländer (interessanterweise<br />

fehlt Vorarlberg) und einmal<br />

für ihre Gesundheits-Sparte.<br />

Auch Kropshofers eingangs<br />

erwähntes Medium andererseits.at<br />

unterschrieb. Wertet<br />

man die RMA-Varianten also<br />

nur als eine Unterschrift und<br />

Kropshofers zweites Baby nicht,<br />

bleiben von 28 noch 19 – auch<br />

kein schlechter Wert, wobei auf<br />

den ersten Blick schon klar wird,<br />

dass die großen Player der heimischen<br />

Medienbranche fehlen.<br />

Die „Promis“ auf der Liste<br />

sind die „Austria Presse Agentur“<br />

(APA), die „Wiener Zeitung“<br />

(die noch zu Print-Zeiten unterzeichnete<br />

und den Kodex auch<br />

nach der „Wiedergeburt“ als<br />

reines Online-Medium im Juli<br />

2023 unterstützt) und das Boulevard-Blatt<br />

„Heute“ sowie das<br />

Magazin „DATUM“ und „Moment.at“<br />

– das Onlineportal des<br />

„Momentum Institut“. Der Rest<br />

bewegt sich in Nischen.<br />

Auch Medienhäuser, die nicht<br />

unterzeichnet haben, bekannten<br />

sich zum Kodex-Inhalt: Etwa der<br />

„ORF“ oder die „Kleine Zeitung“.<br />

Letztere will einen eigenen<br />

„Code of Conduct“ verfassen.<br />

Ebenfalls nicht unterzeichnet<br />

wurde der Kodex vom größten<br />

Medienunternehmen Niederösterreichs,<br />

den „Niederösterreichischen<br />

Nachrichten" – obwohl<br />

Chefredakteur Daniel Lohninger<br />

bei den anfänglichen Kickoff-<br />

Events mit von der Partie war.<br />

Anschließend seien keine weiteren<br />

Einladungen mehr gefolgt,<br />

erzählt er, betont aber: „Das<br />

Netzwerk ist auf jeden Fall eine<br />

gute Idee, weil bei diesem Thema<br />

ein fachlicher und journalistischer<br />

Austausch passieren<br />

soll. Inwiefern es dafür einen eigenen<br />

Kodex braucht, kann man<br />

diskutieren. Es gibt ja auch den<br />

Ehrenkodex des Journalismus,<br />

möglicherweise könnte man die<br />

Klimathematik auch dort einbauen.“<br />

Ein Wunschtraum für<br />

Kropshofer: „Das wäre schön.<br />

Der österreichische Presserat<br />

unterstützt uns und war von<br />

Anfang an dabei. Manche Aspekte<br />

decken sich aber eh, wie<br />

zum Beispiel, dass faktenbasierte<br />

Berichterstattung passieren<br />

soll. Wir sind im regen Austausch,<br />

also warum nicht?“<br />

Die Ehrenamtlichkeit<br />

als Klotz am Bein<br />

Während des Gesprächs mit<br />

Lohninger offenbart sich der<br />

Klotz am Bein des Netzwerks:<br />

die Ehrenamtlichkeit. Das Netzwerk<br />

ist für alle im Kernteam nur<br />

„Beiwagerl“ neben dem Brotberuf,<br />

auf Kosten der Außenkommunikation.<br />

Das räumt auch<br />

Kropshofer ein.<br />

Lohninger erfährt erst im Gespräch<br />

mit <strong>SUMO</strong> vom fertigen<br />

KLIMA-KODEX<br />

1. Die Klimakrise ist gemeinsam mit dem Artensterben die dringlichste Krise in diesem Jahrhundert. Sie gefährdet<br />

unsere Lebensgrundlagen und hat deshalb höchste Priorität. Ein stabiles Klima ist Voraussetzung für<br />

ein sicheres und friedliches Zusammenleben.<br />

2. [Das Medium] erkennt die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel an und denkt diese als Dimension<br />

ressort- und themenübergreifend mit. Klimaberichterstattung braucht angemessenen Platz und Ressourcen.<br />

3. [Das Medium] stellt sich der Herausforderung, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse angemessen<br />

über die Klima- und Biodiversitätskrise zu berichten. Es zeigt neben den Folgen der Erderhitzung auch unterschiedliche<br />

Lösungen und Handlungsmöglichkeiten auf.<br />

4. Klimajournalismus ist kein Aktivismus.<br />

5. [Das Medium] achtet auf eine Bebilderung und Wortwahl, die dem Ausmaß und den Folgen der Klimakrise<br />

gerecht wird. Auf die menschengemachte Erderhitzung rückführbare Ereignisse werden nicht verharmlost.<br />

Viele große Namen fehlen: Der Klimajournalismus-Kodex und seine Unterstützer.<br />

© Netzwerk Klimajournalismus Österreich/Montage <strong>SUMO</strong><br />

Kodex – genauso wie der Geschäftsführer<br />

der NÖN/BVZ-<br />

Gruppe, Michael Ausserer, der<br />

sich aufgeschlossen gab: „Auch<br />

ganz unabhängig vom ‚Klima-<br />

Kodex‘ stehen bei ‚NÖN‘ und<br />

‚BVZ‘ (Burgenländische Volkszeitung,<br />

Schwesternblatt der<br />

NÖN, Anm.) die Themen christliche<br />

Schöpfungsverantwortung,<br />

Nachhaltigkeit und bedachter<br />

Umgang mit menschlichen<br />

und natürlichen Ressourcen<br />

ganz zentral im Mittelpunkt.“<br />

Eine Unterzeichnung kann sich<br />

Lohninger vorstellen: „Vorher<br />

müsste man die Inhalte kennen<br />

und noch intern diskutieren, ob<br />

sie auch mit der Blattlinie und<br />

dem Redaktionsstatut vereinbar<br />

sind.“ Kropshofer kündigt an,<br />

sich bei der „NÖN“ zu melden.<br />

Aber warum braucht Klimajournalismus<br />

überhaupt einen<br />

Kodex? Sie führt aus: „Ich trau‘<br />

mich das sagen, es ist die größte<br />

Krise im Jahrhundert. Wir<br />

8


wollten keine Meinung, sondern<br />

allgemeingültige Grundsätze<br />

festlegen. Weil es oft genau<br />

Geschichten zu diesem Thema<br />

sind, die am ehesten auf nächste<br />

Woche verschoben werden<br />

– vor allem, wenn man kein<br />

Ressort oder Format hat, wo<br />

das regelmäßig vorkommt.“ Sie<br />

ergänzt bestimmt: „Es geht aber<br />

nicht darum, in redaktionelle Linien<br />

einzugreifen.“ Konsequenzen<br />

hat ein Verstoß gegen die<br />

Richtlinien nämlich keine: „Bis<br />

jetzt halten sich alle daran.“<br />

Auf die Finger<br />

geschaut<br />

Halten sich tatsächlich alle daran?<br />

<strong>SUMO</strong> nahm das unter die<br />

Lupe. Das Ergebnis: tatsächlich.<br />

Selbst das Boulevard-Blatt<br />

„Heute“, eher bekannt durch reißerische<br />

Schlagzeilen und Artikel,<br />

steigt beim Thema Klima auf<br />

die Bremse, gibt sich sachlich.<br />

Die Zeitung von Eva Dichand –<br />

immerhin jene mit der drittgrößten<br />

Leserschaft im Land – hat<br />

sogar die Initiative „Heute For<br />

Future“ gegründet, angelehnt an<br />

„Fridays For Future“.<br />

Auch die „APA“ setzt auf fundierte<br />

und faktenbasierte Berichterstattung<br />

– ebenso wie<br />

das Traditionsmedium „Wiener<br />

Zeitung“. Je regionaler und nischiger<br />

die Unterzeichner werden,<br />

desto weniger berührt<br />

einige im Tagesgeschäft die<br />

Thematik klarerweise. Abgesehen<br />

von Ausnahmesituationen,<br />

wie jenen im Spätsommer des<br />

vergangenen Jahres in Kärnten.<br />

Ist das Thema für den Lokaljournalismus<br />

in Österreich derzeit<br />

noch etwas unnahbar? Lohninger,<br />

selbst Waldviertler und damit<br />

unweigerlich durch das Jahrhunderthochwasser<br />

in seiner<br />

Heimat 2002 geprägt, verneint:<br />

„Der Klimawandel ist für alle<br />

Medien von Bedeutung, gerade<br />

für uns als Lokalmedium.“<br />

Fakt ist, dass der Klimawandel<br />

und die ihn flankierende Klimakrise<br />

spätestens mit den Hochwassern<br />

in Kärnten auch Österreich<br />

endgültig aufgezeigt hat,<br />

wo’s hingehen könnte – wenn<br />

nicht schleunigst Maßnahmen<br />

zur Eindämmung der Erderhitzung<br />

getroffen werden. Die<br />

Medienwelt trägt eine Verantwortung,<br />

der Journalismus besonders:<br />

Er soll informieren,<br />

darf aber nicht Partei ergreifen.<br />

„Wir müssen aufpassen, dass<br />

wir unserem Objektivitätsgebot<br />

nicht widersprechen und<br />

schon die komplette Bandbreite<br />

der Meinungen zu diesem<br />

Thema abdecken – und zum<br />

Beispiel nicht nach einer möglichen<br />

Unterzeichnung des Kodex<br />

nur mehr Stimmen in eine<br />

Richtung publizieren“, meint<br />

Lohninger. Kropshofer verweist<br />

auf die Schwierigkeit, objektiv<br />

zu bleiben: „Die Linie zwischen<br />

Parteilichkeit und einer auf den<br />

wissenschaftlichen Fakten basierten<br />

Berichterstattung ist bei<br />

diesem Thema halt sehr knapp.<br />

Uns wird auch immer Aktivismus<br />

vorgeworfen. Wir wollen<br />

uns mit einer faktenbasierten<br />

Berichterstattung der Wahrheit<br />

annähern.“<br />

Mittel<br />

ohne Wert?<br />

Bringt das „Netzwerk Klimajournalismus<br />

Österreich“ und dessen<br />

Kodex also nun etwas oder<br />

nicht? „Hilft’s nichts, schadet’s<br />

nichts“ lautet ein heimisches<br />

Sprichwort, das es wohl gut auf<br />

den Punkt bringt. Beide Dinge<br />

sind Schritte in die richtige Richtung<br />

– der Weg aber weit. Die<br />

österreichische Medienwelt ist<br />

eben mehr, die Unterzeichner –<br />

mit Ausnahme einzelner – aber<br />

wohl zu klein. Zu wenige Medien<br />

haben ein Ressort für diese<br />

historische Krise installiert,<br />

teils gibt’s gerade eine zuständige<br />

Person – oder niemanden.<br />

Ressortübergreifend behandelt<br />

wird das Thema dann auch zu<br />

selten. „Information über die Klimakrise<br />

ist die zentrale Aufgabe<br />

im Jahrzehnt, das über die Zukunft<br />

der Menschheit entscheidet.<br />

Das muss zu einem Leitsatz<br />

der Medienwelt werden“,<br />

schrieb Aktivist Manuel Grebenjak<br />

schon Anfang Februar<br />

2021 im „Standard“. Leitsatz der<br />

Medienwelt ist diese Forderung<br />

bis heute keiner geworden. Das<br />

Netzwerk und sein Kodex – beides<br />

Bausteine in diese Richtung.<br />

Für deren Erreichung aber die<br />

ganze Branche an einem Strang<br />

ziehen müsste, um die Bevölkerung<br />

in breiten Teilen besser<br />

aufzuklären und auch jene wieder<br />

mit ins Boot zu holen, die<br />

schon vor Jahren abgesprungen<br />

sind. Jüngste antisemitische Eskapaden<br />

Greta Thunbergs im<br />

Konflikt Israels mit den radikalislamischen<br />

„Hamas“ halfen der<br />

gesamten Bewegung nicht. Und<br />

Österreichs Medienwelt – sie<br />

zieht für die Klimakrise eben<br />

nicht an einem Strang.<br />

ZUR SACHE<br />

Das „Netzwerk Klimajournalismus<br />

Österreich“ ist eine medienübergreifende<br />

Initiative und<br />

wurde während der Corona-Pandemie<br />

von Katharina Kropshofer,<br />

Clara Porák und Veronika Winter<br />

gegründet. In Deutschland sowie<br />

der Schweiz bestehen Partner-<br />

Organisationen. Das Kernteam<br />

setzt sich wie folgt zusammen:<br />

Katharina Kropshofer (Falter),<br />

Lukas Bayer (freier Journalist),<br />

Verena Mischitz (frei), Clara Porák<br />

(frei), Naz Kücüktekin (frei), Mona<br />

Saidi (ORF Sound), Alicia Prager<br />

(Standard). Außerdem aktiv sind<br />

Laura Anninger (frei) und Lisa<br />

Wohlgenannt (Moment Magazin)<br />

Klimabildungs-Expertin Veronika<br />

Winter ist mittlerweile aus<br />

dem Kernteam ausgeschieden.<br />

Das Klimajournalismus-Netzwerk und sein Kodex: fünf Gebote ohne Wert?<br />

9


Reinhard Steurer / © Jakob Vegh/BOKU<br />

Ein Plädoyer für<br />

Klimajournalismus mit Biss<br />

von LENA HASLINGER<br />

Ernteausfälle, Hitzewellen,<br />

Überschwemmungen. Die Auswirkungen<br />

der Klimakrise bekommen<br />

wir auch in Österreich<br />

immer drastischer zu spüren.<br />

Wenn wir nicht endlich vernünftig<br />

handeln, werden wir in eine<br />

Klimakatastrophe schlittern.<br />

(Und nein, das ist jetzt nicht<br />

übertrieben.) Viele von uns sind<br />

sich der Dramatik dieser Krise<br />

nicht bewusst, aber die Zeit läuft<br />

uns buchstäblich davon. Diese<br />

Krise wird das Leben, wie wir es<br />

jetzt kennen, grundlegend verändern.<br />

Und was macht die österreichische<br />

Politik? Sie drückt<br />

einfach den Snooze-Button und<br />

verschläft es, endlich proaktiv<br />

vernünftige Maßnahmen zu<br />

setzen.<br />

Reinhard Steurer, assoziierter<br />

Professor für Klimapolitik an der<br />

BOKU Wien, findet klare Worte:<br />

„Mit der derzeitigen Klimapolitik<br />

werden wir die Klimaneutralität<br />

nicht einmal bis 2050, ja vermutlich<br />

nicht einmal bis 2060<br />

erreichen. Die Politik agiert hier<br />

zu wenig und zu langsam. Es<br />

läuft somit auf Scheinklimaschutz<br />

hinaus. Scheinklimaschutz<br />

bedeutet, dass man<br />

offiziell ein ambitioniertes Ziel<br />

hat, aber nicht die nötigen Maßnahmen<br />

setzt, um dieses auch<br />

tatsächlich erreichen zu können.<br />

Die österreichische Klimapolitik<br />

ist somit oftmals mehr Schein<br />

als Sein.“<br />

Politische Versäumnisse<br />

Das Gerücht, dass Österreich<br />

viel zu klein sei, um nachhaltig<br />

etwas bewirken zu können, hält<br />

sich hartnäckig. Politische Entscheidungsträger:innen<br />

brüsten<br />

sich mit ambitionierten Gesetzen<br />

und Reformen, die in der<br />

Realität allerdings kaum oder<br />

zu wenig Auswirkungen haben.<br />

Laut Reinhard Steurer müsse<br />

die Politik endlich ehrlich sein<br />

mit der Bevölkerung und anerkennen,<br />

dass wir geradewegs<br />

auf eine bedrohliche Krise zusteuern.<br />

„Das muss man gegenüber<br />

der Bevölkerung auch<br />

genauso kommunizieren, der<br />

derzeitige Bundeskanzler macht<br />

das Gegenteil. Er spricht von<br />

Untergangsirrsinn und hält mit<br />

Märchenerzählungen dagegen,“<br />

sagt Steurer.<br />

Es gehe also darum, endlich<br />

unsere Verantwortung wahrzunehmen.<br />

Österreich muss die<br />

Emissionen pro Kopf deutlich<br />

senken – aktuell liegen diese<br />

über dem globalen Schnitt. Doch<br />

auch hier fehlt laut Steurer eine<br />

entsprechende Reaktion des<br />

Bundeskanzlers: „Der gegenwärtige<br />

Bundeskanzler tut auch<br />

da das Gegenteil, er redet unsere<br />

Verantwortung klein und redet<br />

von den berühmten 0,2 Prozent.<br />

Er tut so als ob das, was<br />

wir tun, egal ist. Es ist aber nicht<br />

egal.“<br />

Fakt ist, es braucht konkrete<br />

Maßnahmen. Die nötigen Maßnahmen<br />

sind unpopulär, vielfach<br />

wird beispielsweise das Tempo<br />

30 – 80 – 100 diskutiert. Laut<br />

Umweltbundesamt waren die<br />

wesentlichen Verursacher der<br />

österreichischen Treibhausgas-<br />

Emissionen im Jahr 2022 die<br />

Sektoren Energie und Industrie,<br />

Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft.<br />

Der Verkehrssektor ist<br />

für 28 Prozent der Treibhausgase<br />

in Österreich verantwortlich.<br />

Beim Tempo 30 – 80 – 100 geht<br />

es darum, die Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />

im Ortsgebiet<br />

auf 30 km/h, auf Freilandstraßen<br />

auf 80 km/h und<br />

auf Autobahnen auf 100 km/h<br />

zu senken. Der Verbrauch und<br />

damit der CO2-Ausstoß so wie<br />

auch die Emissionen der Schadstoffe<br />

würden mit abnehmender<br />

Geschwindigkeit laut der<br />

wissenschaftsbasierten Initiative<br />

„Tempolimit-Jetzt.at“ deutlich<br />

sinken. Obwohl die Daten vielversprechend<br />

sind, macht man<br />

sich mit derartigen Gesetzen bei<br />

einem Großteil der Bevölkerung<br />

unbeliebt.<br />

Die Uhr tickt und wir können<br />

es uns nicht länger leisten, die<br />

Schlummertaste zu drücken.<br />

Noch ist es möglich, die Klimakrise<br />

zu entschärfen.<br />

Die Medien in<br />

der Klimakrise<br />

Die Medien üben als „Vierte Gewalt“<br />

eine wichtige demokratische<br />

Funktion aus: Es ist ihre<br />

Aufgabe, die Menschen wissenschaftsbasiert<br />

zu informieren<br />

und Missstände aufzuklären.<br />

Zurzeit ist die Berichterstattung<br />

zur Klimakrise zu sporadisch<br />

und verharmlosend. Genau hier<br />

Gunter Sperka / © Ratzer/Salzburger Nachrichten<br />

10


kommt der Klimajournalismus<br />

ins Spiel: Wir brauchen Journalist:innen,<br />

die kritische Fragen<br />

stellen und die eigene Verantwortung<br />

betonen. Laut Reinhard<br />

Steurer sei es auch ihre Aufgabe,<br />

notwendige und sinnvolle Maßnahmen<br />

zu diskutieren. „Der Klimajournalismus<br />

weist zu selten<br />

auf die politischen Versäumnisse<br />

hin. Das heißt die Tatsache,<br />

dass wir nicht auf Zielkurs<br />

sind, dass wir die Ziele für 2030<br />

und 2040 sehr wahrscheinlich<br />

verfehlen werden, wird viel zu<br />

selten thematisiert. Die Politiker:innen<br />

werden wenig zur Rechenschaft<br />

gezogen.“<br />

Gunter Sperka war Klimakoordinator<br />

des Landes Salzburg und<br />

hat die Stabstelle Klimaschutz<br />

und Nachhaltigkeit des Landes<br />

Salzburg geleitet. Als Klimakoordinator<br />

hat er gute Erfahrungen<br />

im Umgang mit den Medien<br />

gehabt. Er hat aber ein Gefälle<br />

zwischen Qualitäts- und Boulevardmedien<br />

bemerkt: Während<br />

Qualitätsmedien umfassend<br />

und professionell recherchierte<br />

Geschichten publizieren, fehle<br />

es bei Boulevardmedien oft an<br />

Expertise und Tiefgrund. Hier<br />

seien viele auf schnelle Schlagzeilen<br />

aus. Generell bleibe die<br />

Berichterstattung oft an der<br />

Oberfläche und die Medien seien<br />

nicht kohärent in ihrer Haltung:<br />

„Man liest auf der einen<br />

Seite, wie furchtbar der Klimawandel<br />

ist und auf der nächsten<br />

Seite wird der neue BMW getestet<br />

und hochgelobt. Also das<br />

passt nicht zusammen.“<br />

Die Medien spielen in dieser<br />

Krise also eine ganz entscheidende<br />

Rolle. Denn es braucht<br />

im Endeffekt eine Mehrheit für<br />

Klimaschutz. Und diese Mehrheit<br />

kommt nur dann zustande,<br />

wenn es eine entsprechende<br />

Berichterstattung gibt. Hier geht<br />

es auf der einen Seite um die<br />

Ernsthaftigkeit dieser Krise und<br />

Waren im vergangenen Sommer Dauerbegleiter in Österreich: Überschwemmungen.<br />

© Adobe Stock<br />

auf der anderen Seite um die<br />

Zielverfehlung. Es ist die Aufgabe<br />

der Medien all das richtig<br />

einzuordnen.<br />

Für Reinhard Steurer haben die<br />

Medien das ganze Ausmaß der<br />

Krise noch immer nicht verstanden.<br />

Er sagt: „Die Realität<br />

sieht natürlich so aus, dass<br />

Medien ihre Verantwortung<br />

nicht wahrnehmen und dass<br />

sie glauben, sich neutral verhalten<br />

zu müssen. Wobei dann<br />

eben die Frage aufkommt, neutral<br />

zu was eigentlich? Neutral<br />

zum Untergang der Zivilisation?<br />

Das ist meiner Meinung nach<br />

eine komische Neutralität. Das<br />

ist ungefähr so, als ob man sagen<br />

würde, ich verhalte mich<br />

neutral zur Demokratie oder<br />

Diktatur. Die Tatsache, dass<br />

sich Journalist:innen nicht neutral<br />

gegenüber demokratischen<br />

Grundrechten, sehr wohl aber<br />

gegenüber der Klimakrise verhalten,<br />

zeigt eines ganz deutlich.<br />

Sie haben letztere noch nicht als<br />

existenzielle Bedrohung verstanden.“<br />

Klimaschutzstrukturen<br />

in Österreich<br />

Es liegt auf der Hand – es muss<br />

sich etwas verändern. Aber wie<br />

funktioniert Klimaschutz in Österreich<br />

auf politischer Ebene?<br />

Und wie sieht es mit einem Klimaschutzgesetz<br />

aus? Gunter<br />

Sperka dazu: „Wir haben in Österreich<br />

das System der mittelbaren<br />

Bundesverwaltung. Das<br />

heißt, Österreich besteht aus<br />

Ein Plädoyer für Klimajournalismus mit Biss<br />

11


dem Bund und den Bundesländern,<br />

mit jeweils unterschiedlichen<br />

Kompetenzen. Im Klimaschutz<br />

liegen etwa 80 Prozent<br />

der tatsächlichen Reduktionsmöglichkeiten<br />

beim Bund bzw.<br />

der EU und 20 Prozent bei den<br />

Bundesländern.“<br />

Das österreichische Klimaschutzministerium<br />

wird derzeit<br />

von Leonore Gewessler geleitet.<br />

Sie ist unter anderem für Klimaschutz,<br />

Verkehr und Infrastruktur<br />

zuständig. Dort, wo die Kompetenzen<br />

eindeutig sind, ist es<br />

einfach, bei den meisten Maßnahmen<br />

hängen die Kompetenzen<br />

von Bund und Ländern allerdings<br />

zusammen. Hier ist die<br />

Zusammenarbeit von Bund und<br />

Ländern gefragt, das passiert<br />

theoretisch in der Landesumweltreferent:innen-Konferenz,<br />

hier setzen sich die zuständige<br />

Bundesministerin und die Länderreferent:innen<br />

zusammen<br />

und versuchen, die Politiken abzustimmen.<br />

Vor allem in der Verkehrs- und<br />

Raumplanung und in der Bautechnik<br />

können die Bundesländer<br />

etwas bewirken. Die Umsetzung<br />

der Bundesgesetze erfolgt<br />

vielfach durch das jeweilige<br />

Bundesland, die Landesregierung<br />

agiert hier als Organ des<br />

Bundes. Es ist in Österreich oft<br />

schwer zu transportieren, wer<br />

wirklich wofür zuständig ist.<br />

Maßnahmen gegen die Klimakrise<br />

sollten immer auch in EU-<br />

Aktivitäten eingebunden sein.<br />

Laut Sperka kann man aber<br />

auch auf nationaler Ebene viel<br />

tun. Den Verkehr sieht er als das<br />

größte Sorgenkind: „Hier haben<br />

wir national einen relativ großen<br />

Spielraum, um nachhaltig etwas<br />

zu verändern.“<br />

Österreich verfügt über ein Klimaschutzgesetz<br />

(KSG). Dieses<br />

wurde 2011 beschlossen und im<br />

Jahr 2017 abgeändert. Im Wesentlichen<br />

legt es für die Sektoren<br />

Energie und Industrie, Verkehr,<br />

Gebäude, Landwirtschaft,<br />

Abfallwirtschaft und fluorierte<br />

Gase Emissionshöchstmengen<br />

bis zum Jahr 2020 fest. Außerdem<br />

soll es die Erarbeitung und<br />

Umsetzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen<br />

regeln.<br />

Das brisante an der Sache: Das<br />

KSG beinhaltet nur Sektorziele<br />

bis zum Jahr 2020, ab 2020 hätten<br />

wir also ein neues KSG gebraucht.<br />

Formal gesehen ist es<br />

aber nicht ausgelaufen, das Gesetz<br />

gilt weiterhin. Gunter Sperka<br />

findet in Bezug auf das österreichische<br />

Klimaschutzgesetz<br />

klare Worte: „Ich habe in meiner<br />

Laufbahn immer eine Hitliste<br />

der schlechtesten Gesetze gehabt<br />

- das Klimaschutzgesetz<br />

war hier lange an erster Stelle.<br />

Denn wenn man einen Blick<br />

in das alte Klimaschutzgesetz<br />

reinwirft, bemerkt man, dass da<br />

im Wesentlichen nichts drinnen<br />

steht, außer wann Bund und<br />

Länder auf welcher Ebene zusammenkommen.<br />

Aber es steht<br />

nicht drinnen, was konkret rauskommen<br />

soll.“<br />

Die aktuelle Klimaschutzministerin<br />

scheint prinzipiell engagiert,<br />

aber der Koalitionspartner<br />

ÖVP bremst bei wesentlichen<br />

Fragestellungen wie generellen<br />

Tempolimits massiv. Wir brauchen<br />

in Österreich einen neuen<br />

rechtlichen Rahmen für Klimaschutz,<br />

denn dieser fehlt zurzeit.<br />

„Das bedauere ich zutiefst, der<br />

Klimawandel ist da. Wir haben<br />

aber wenig rechtliche Handhabe<br />

um dagegen vorzugehen. Seit<br />

mittlerweile mehr als 1.000 Tagen<br />

ist ein neues Klimaschutzgesetz<br />

ausständig. Ein aktuelles<br />

Klimaschutzgesetz, das auch<br />

seinen Namen verdient. Denn es<br />

wäre notwendig alle Akteure in<br />

die Pflicht zu nehmen und klare<br />

Verantwortungen zuzuweisen.<br />

Am besten geschieht das<br />

auch durch klar definierte Sanktionsmöglichkeiten<br />

bei Zielverfehlung<br />

- von wem auch immer“,<br />

so Gunter Sperka.<br />

Mut zur Veränderung<br />

Laut Sperka ist Klimakommunikation<br />

nicht leicht. Bei einem<br />

K3-Kongress zur Klimakommunikation<br />

machten Kommunikationsexpert:innen<br />

darauf<br />

aufmerksam, dass man langsam<br />

und positiv kommunizieren<br />

müsse, Klimaexpert:innen<br />

entgegneten, dass keine Zeit<br />

mehr für positive und langsame<br />

Kommunikation zur Verfügung<br />

stünde.<br />

Man hätte viel früher ein positives<br />

Narrativ erfinden müssen<br />

und zeigen sollen, wie man gut<br />

und klimagerecht leben kann.<br />

Mittlerweile müssen wir in einer<br />

unglaublichen Geschwindigkeit<br />

Emissionen senken. Das erfordert<br />

massive Änderungen im<br />

Lebensstil der meisten Menschen<br />

– viele empfinden das als<br />

gefährliche Drohung und weigern<br />

sich. Der klassische SUV-<br />

Fahrer, der gerne Schnitzel isst,<br />

findet keinen Gefallen an niedrigeren<br />

Tempolimits oder einer<br />

fleischlosen Ernährung. Resignation<br />

und Bequemlichkeit<br />

bringen uns in dieser Krise aber<br />

nicht weiter.<br />

Genau hier muss der Klimajournalismus<br />

ansetzen: Es ist<br />

seine Aufgabe den Menschen<br />

bewusst zu machen, dass wir<br />

JETZT etwas ändern MÜSSEN.<br />

Zurzeit haben wir es sehr wahrscheinlich<br />

noch in der Hand –<br />

durch konsequente und wohlüberlegte<br />

Maßnahmen können<br />

wir unsere Zukunft noch lebenswert<br />

gestalten. Das erfordert jedoch<br />

unangenehme Einschnitte<br />

in unser Leben. Doch viel unangenehmer<br />

sind die Auswirkungen,<br />

wenn wir nichts tun.<br />

12<br />

Ein Plädoyer für Klimajournalismus mit Biss


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13


Klimawandel, Kritik, Kontroversen:<br />

Manuel Kelemen über TV-Meteorologie<br />

in Zeiten des Gegenwinds<br />

Manuel Kelemen ist leidenschaftlicher Meteorologe und Wettermoderator bei ATV. Beruflich wie<br />

auch privat hat das Wetter für ihn höchste Priorität, so konnte er sich bereits in jungen Jahren<br />

für die Meteorologie begeistern. Neben seinen täglichen Aufgaben und Herausforderungen als<br />

TV-Meteorologe in Zeiten des Klimawandels wird Kelemen auch immer wieder mit persönlichen<br />

Angriffen und Beleidigungen konfrontiert. Über seine Rolle im Kontext der Klimaberichterstattung<br />

sprach Kelemen im Interview mit <strong>SUMO</strong>.<br />

von CHRISTINA JAUSCHNEGG<br />

<strong>SUMO</strong>: Wie sehen Sie die Rolle<br />

von TV-Meteorolog:innen im<br />

Kontext des Klimajournalismus?<br />

Manuel Kelemen: TV-Meteorologen<br />

sind längst nicht mehr nur<br />

da, um zu sagen, wie das Wetter<br />

wird. Unterm Strich zeigt das<br />

einem mittlerweile jedes Smartphone.<br />

De facto ist also der<br />

Wetterbericht beziehungsweise<br />

der Meteorologe an sich zu einem<br />

gewissen Grad obsolet geworden.<br />

Was einem das Handy<br />

jedoch nicht liefert, ist eine Einordnung.<br />

Unser Job ist es, darauf<br />

aufmerksam zu machen, wenn<br />

eine Sache ins Absurde rutscht.<br />

Als Beispiel die Wärme im Oktober:<br />

Das Smartphone sagt<br />

25 Grad Sonnenschein an und<br />

Gott und die Welt freut sich darüber.<br />

Natürlich sind 25 Grad im<br />

Herbst fein, aber nicht auf Dauer<br />

und genau für diese Einordnung<br />

ist der Meteorloge im Fernsehen<br />

da. Auch ist es zum Teil unsere<br />

Aufgabe, komplexe naturwissenschaftliche<br />

Zusammenhänge<br />

für das Fernsehpublikum auf<br />

ein allgemein verständliches<br />

Niveau herunterzubrechen.<br />

Es kursieren viele Fehlinformationen<br />

über den Klimawandel.<br />

Tragen TV-Meteorolog:innen<br />

auch eine gewisse Verantwortung,<br />

diese zu korrigieren?<br />

Kelemen: Ja und nein. Meine<br />

Aufgabe ist es nicht, Fehlinformationen<br />

aufzuzeigen und diese<br />

zu korrigieren. Jedoch achte<br />

ich selbst darauf, dass meine<br />

Informationen Hand und Fuß<br />

haben: Was ich kommuniziere,<br />

lasse ich auch verifizieren und<br />

versuche so, die Fehlerquelle<br />

zu minimieren. Man kann Menschen<br />

zutrauen, dass sie selbst<br />

entscheiden, wem sie vertrauen<br />

wollen und woher sie ihre Informationen<br />

beziehen. Bei den<br />

„hardcore“-Leugnern ist sowieso<br />

Hopfen und Malz verloren.<br />

Ich habe mittlerweile Abstand<br />

genommen von Klimaleugnern,<br />

mit denen ich aufgrund meines<br />

Jobs oft konfrontiert bin. Da<br />

führt eine Richtigstellung der<br />

Informationen häufig zu nichts,<br />

außer dazu, dass man am Ende<br />

persönliche Beleidigungen abbekommt.<br />

Solche Menschen<br />

sind leider oft auf Konfrontation<br />

aus.<br />

Inwiefern können TV-Meteorolog:innen<br />

dazu beitragen, das<br />

Bewusstsein für den Klimawandel<br />

in der Öffentlichkeit zu<br />

schärfen?<br />

Kelemen: Man muss in der Sache<br />

glaubwürdig sein und in vielerlei<br />

Hinsicht auch als Positivbeispiel<br />

vorangehen. Ich sage immer, ich<br />

selbst bin kein Heiliger. Auch ich<br />

habe ein Auto und ich weiß, dass<br />

ich hin und wieder auch darauf<br />

angewiesen bin. Aber es macht<br />

einen Unterschied, ob ich jeden<br />

Tag ins Auto steige, weil ich faul<br />

bin oder es aber nur gelegentlich<br />

nutze, wenn ich zum Beispiel<br />

etwas transportieren muss. Die<br />

größte Sache, die wir im Kampf<br />

gegen den Klimawandel machen<br />

können, ist darüber zu reden<br />

und zu sensibilisieren. Denn<br />

darum geht es am Ende: Den<br />

Leuten bewusst zu machen,<br />

dass, wenn wir alle mit unserem<br />

Lebensstil so weitermachen wie<br />

bisher, wir ein ernstes Problem<br />

haben.<br />

Welche Maßnahmen ergreifen<br />

Sie selbst? Und finden Sie es<br />

wichtig, dass die beruflichen<br />

Agenden in Bezug auf den Klimawandel<br />

mit Ihren privaten<br />

übereinstimmen?<br />

Kelemen: Ich bin schwer davon<br />

überzeugt, dass das übereinstimmen<br />

muss! Um glaubwürdig<br />

zu bleiben, sollte man sich on<br />

air nicht anders geben als privat.<br />

Ich kann nicht auf Sendung meine<br />

Kritik zu Kurztrips mit Flug<br />

äußern und gleichzeitig privat<br />

14-mal im Jahr in den Flieger<br />

steigen – einfach weil‘s Spaß<br />

macht. Das ist für mich nicht<br />

zu vereinbaren – gleichwohl<br />

sich niemand dafür zu schämen<br />

braucht, auch mal in den Urlaub<br />

zu fliegen. Bezüglich den von mir<br />

ergriffenen Maßnahmen, steht<br />

ganz klar an erster Stelle, dass<br />

ich versuche zu sensibilisieren,<br />

wo es nur geht. Daran arbeite<br />

ich privat wie auch auf Sendung.<br />

Ich habe eben aufgrund<br />

dessen, dass ich im Fernsehen<br />

14


in, ein breiteres Spektrum zur<br />

Verfügung und erreiche dadurch<br />

mit meiner Botschaft sehr viele<br />

Menschen. Zweitens bin ich -<br />

wie ich es gerne nenne - „Klimatarier“.<br />

Ich verzichte aus Klimaund<br />

Umweltschutzgründen auf<br />

eine Sache, die mir schmeckt –<br />

nämlich Fleisch. Und das schon<br />

seit über einem Jahrzehnt. Und<br />

drittens bin ich während der Coronazeit<br />

aufs Rad umgestiegen.<br />

Warum ich das nicht schon früher<br />

gemacht habe, ist mir selbst<br />

ein Rätsel.<br />

In Ihrer Klimasendung „Gradwanderung“<br />

erklären Sie den<br />

Sat.1 Österreich-Zuseher:innen<br />

die Ursachen und Umstände<br />

der Klimakrise. Welches<br />

Feedback erhalten Sie dazu?<br />

Kelemen: Das Feedback auf<br />

„Gradwanderung“ hat mich echt<br />

überrascht. Üblicherweise ist es<br />

so: Wenn ich den Klimawandel<br />

in meinen Sendungen anspreche,<br />

prasseln relativ viele Beleidigungen<br />

auf mich ein - sei<br />

es per E-Mail, Kontaktformular<br />

oder per Anruf. Daher hatte ich,<br />

als wir die Klimasendung „Gradwanderung“<br />

gestartet haben,<br />

im Vorhinein wirklich Bedenken.<br />

Aber ich habe bis heute noch kein<br />

einziges negatives Feedback erhalten.<br />

Es kommen nur positive<br />

Rückmeldungen rein und damit<br />

meine ich nicht nur, dass die Zuseher:innen<br />

ihr Gefallen an der<br />

Sendung ausdrücken, sondern,<br />

dass Leute auch Fragen haben,<br />

die in den Sendungen nicht ausreichend<br />

beantwortet wurden.<br />

Daran erkennt man, dass der<br />

Bedarf nach solchen Sendungen<br />

sehr wohl gegeben und sogar<br />

sehr hoch ist.<br />

Welche Reaktionen von Zuseher:innen<br />

sind Ihnen besonders<br />

in Erinnerung geblieben?<br />

Kelemen: Ein Verein von älteren<br />

Menschen, „Grandparents for<br />

Future“, hat mich angeschrieben,<br />

was mir persönlich sehr<br />

imponiert hat, weil der Klimawandel<br />

älteren Menschen an<br />

sich völlig egal sein kann. Die<br />

Fragen waren: Was sollen und<br />

können ältere Menschen tun?<br />

Sollen sie noch dagegen vorgehen?<br />

Sie haben sich entsetzt<br />

gezeigt über das, was vor sich<br />

geht und wollen aktiv etwas dagegen<br />

unternehmen. Diese Eindringlichkeit,<br />

dass auch bei älteren<br />

Menschen das Bedürfnis<br />

vorhanden ist, diesen Planeten<br />

möglichst lebensfreundlich zu<br />

hinterlassen, hat mich schwer<br />

beeindruckt. Auch in Erinnerung<br />

geblieben ist mir die Nachricht<br />

eines kleinen Buben, der so begeistert<br />

davon war, dass er das,<br />

was er in meiner Sendung über<br />

den Klimawandel gesehen hat,<br />

schon in der Schule gelernt hat.<br />

Wie müsste die TV-Klimaberichterstattung<br />

aufgebaut<br />

sein, um bei den Menschen<br />

mehr Aufmerksamkeit zu wecken?<br />

Kelemen: Prinzipiell gehört Klimainformation<br />

genauso in den<br />

täglichen Wetterbericht eingebaut,<br />

wie die Temperaturen<br />

für morgen oder eine Wettervorschau.<br />

Allerdings neigen die<br />

Nachrichten dazu, viele Menschen<br />

damit zu überfordern und<br />

sie ganz einfach mit Meldungen<br />

zum Thema Klimawandel<br />

zu bombardieren. Ich bin nicht<br />

jemand, der den Klimawandel<br />

kleinredet, aber wir dürfen<br />

nicht den Fehler machen, dass<br />

alles, was auf dieser Welt passiert,<br />

immer sofort dem Klimawandel<br />

zuzuschreiben ist.<br />

Psychologisch führt das dazu,<br />

dass Menschen automatisch<br />

die Scheuklappen aufsetzen.<br />

An dieser Stelle möchte ich den<br />

„Klimaspiegel“ erwähnen. Der<br />

ist im ATV-Wetterbericht ein<br />

Fixelement, welcher das Wetter<br />

einordnet und darüber informiert,<br />

wie der jeweilige Tag<br />

zum für die Jahreszeit üblichen<br />

Wetter passt. Genau so muss<br />

Manuel Kelemen hat an der Universität Wien Meteorologie<br />

studiert und ist Wettermoderator bei ATV sowie Chefredakteur<br />

im Bereich Wetter und Klima der ProSiebenSat.1 PULS<br />

4-Gruppe. Neben seiner Wettersendung moderiert er auch<br />

die beiden Klimasendungen „Gradwanderung“ und „Wetterleben“<br />

auf ATV. © ProSiebenSat1 PULS 4/Chris Glanzl<br />

Klimainformation kommuniziert<br />

werden. Es darf nicht mit dem<br />

Holzhammer daherkommen,<br />

sondern muss etwas unterschwelliger<br />

erfolgen. Die Bereitschaft<br />

Fakten aufzunehmen, ist<br />

dann höher.<br />

Und wie wird der Wetterbericht<br />

in fünf bis zehn Jahren<br />

aussehen?<br />

Kelemen: Ich glaube, dass generell<br />

Meteorologie immer wichtiger<br />

wird. Die Aufgabe von<br />

Wetterberichten wird zukünftig<br />

noch vielmehr darin liegen, vor<br />

eventuellen Naturgefahren, Hitze-<br />

oder Kältewellen, zu warnen.<br />

Es wird etwa spezielle Karten<br />

geben, die zeigen, wo man<br />

im Hochsommer nicht rausgehen<br />

sollte wegen zu hoher<br />

Temperaturen oder zu hohem<br />

UV-Index. Auch im Bereich der<br />

Unwetterwarnungen – allen voran<br />

Gewittern – wird sich noch<br />

viel entwickeln.<br />

Klimawandel, Kritik, Kontroversen: Martin Kelemen über TV-Meteorologie in Zeiten des Gegenwinds<br />

15


ORF setzt auf internes<br />

Klimanetzwerk<br />

Welche Rolle spielt die Klimaberichterstattung im größten Medienhaus des Landes und wie hat<br />

der ORF diese über seine diversen Ausspielkanäle organisiert? <strong>SUMO</strong> hat mit ORF-Journalist Gerhard<br />

Maier, Initiator des „ZiB Magazin Klima“, und Redakteurin Hannah Schilcher aus dem Landesstudio<br />

Salzburg gesprochen.<br />

von FATMA CAYIRCI<br />

Der ORF spielt in der österreichischen<br />

Medienlandschaft eine<br />

wichtige Rolle. Vor allem, wenn<br />

es darum geht, der Bevölkerung<br />

Zugang zu Information zu gewährleisten.<br />

Die ORF-Sendergruppe<br />

erreichte im Jahr 2023<br />

eine Tagesreichweite von 3,589<br />

Millionen Zuschauer:innen – das<br />

entspricht 47,6 Prozent der TV-<br />

Bevölkerung. Zudem verfolgen<br />

rund 1,5 Millionen Menschen<br />

regelmäßig die Nachrichtensendungen<br />

der „Zeit im Bild“ und<br />

rund 1,3 Millionen die Regionalnachrichten<br />

von „Bundesland<br />

heute“. Kurzum: Geht es darum,<br />

der Bevölkerung die Ernsthaftigkeit<br />

der aktuellen Klimakrise<br />

näherzubringen, kommt dem<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />

nicht nur wegen seines<br />

gesetzlichen Auftrages eine besondere<br />

Verantwortung zu. Die<br />

zentrale Frage lautet daher: Wie<br />

handhabt der ORF diese beziehungsweise<br />

wie ist die Klimaberichterstattung<br />

im größten Medienunternehmen<br />

des Landes<br />

organisiert?<br />

„Graswurzelbewegung“<br />

Neben der klassischen TV-Berichterstattung<br />

in den diversen<br />

Nachrichtensendungen des aktuellen<br />

Dienstes, im „ZiB Magazin<br />

Klima“, der Rubrik „Umwelt<br />

und Klima“ auf „orf.at“ oder in<br />

den „FM4-Klimanews“ setzt der<br />

ORF auf interne Vernetzung. Vor<br />

rund zwei Jahren wurde am Küniglberg<br />

ein Netzwerk ins Leben<br />

gerufen, an dem verschiedene<br />

Ressorts wie Wetter, Wissenschaft,<br />

Wirtschaft oder auch<br />

die Außenpolitik beteiligt sind.<br />

Dieses Netzwerk soll unter anderem<br />

dazu dienen, die verschiedenen<br />

Ressorts besser<br />

aufeinander abzustimmen. Laut<br />

Umweltjournalist Gerhard Maier<br />

– seit April 2022 gestaltet und<br />

moderiert er immer samstags<br />

das von ihm konzipierte „ZiB<br />

Magazin Klima“, eine Schwerpunktausgabe<br />

des „ZiB Magazin“<br />

- will man sich aber nicht<br />

nur über Klimazusammenhänge<br />

austauschen, sondern auch die<br />

interne Bewusstseinsbildung<br />

vorantreiben, dem Thema Klima<br />

im ORF-Programm insgesamt<br />

einen größeren Stellenwert<br />

geben. „Das war im Haus ein<br />

bisschen eine Graswurzelbewegung,<br />

wo man sich zusammengeschlossen<br />

hat und dieses<br />

Thema nun im Haus viel stärker<br />

beleuchtet. Wir haben einmal<br />

die Woche ein Meeting und versuchen<br />

die Themen dann auch<br />

über dieses Netzwerk in andere<br />

Programmgefäße hineinzubekommen“,<br />

erzählt er. Die diverwww.sauer.at<br />

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sen Zugänge seien wichtig, da<br />

das Thema Klima mittlerweile<br />

allgegenwärtig sei. Das „ZIB<br />

Magazin Klima“ soll laut Maier<br />

auch „als Trägerrakete oder als<br />

Schaukasten“ gesehen werden.<br />

Andere Redakteur:innen des<br />

ORFs sollen sich Aspekte abschauen<br />

können, die Sendung<br />

solle als Fingerzeig dienen.<br />

Lokale Klimaberichterstattung<br />

im Fokus<br />

Dass die Berichterstattung<br />

übers Klima nicht nur national,<br />

sondern auch lokal ein wichtiges<br />

Thema ist, zeigte zum Beispiel<br />

das ORF-Landesstudio Salzburg<br />

vor. Sieben Wochen lang<br />

hat man dort via TV, Radio und<br />

Instagram die Rubrik „Nachhaltig<br />

gefragt“ ausgespielt. Jeden<br />

Mittwoch wurden verschiedene<br />

klimarelevante Fragen unter die<br />

Lupe genommen, die die Region<br />

betreffen. Beispiele dafür: „Wie<br />

kann eine Eishalle Energie sparen?“<br />

oder „Wie geht die Landwirtschaft<br />

mit den Wetterextremen<br />

um?“<br />

Für Redakteurin Hannah Schilcher<br />

war die zentrale Frage:<br />

„Wo passiert der Klimawandel in<br />

Salzburg? Und wo gibt es Themen,<br />

die für unsere Seher:innen<br />

besonders relevant sind?<br />

Man sollte sich nämlich nicht<br />

nur Gedanken um die großen<br />

Fragen machen, sondern auch<br />

um die kleinen. Zum Beispiel,<br />

wie man sich in Zukunft fortbewegt.“<br />

Plus: Wie in der Zentrale<br />

am Küniglberg, versucht das<br />

Landesstudio auf seiner Onlineseite<br />

„salzburg.orf.at“, einen<br />

steten Konnex zum Klimawandel<br />

zu schaffen, indem man in<br />

verschiedenen Artikeln den Vermerk<br />

„Wetterereignisse häufen<br />

sich mit dem Klimawandel“<br />

verlinkt. Damit soll klargestellt<br />

werden, dass beispielsweise<br />

Überschwemmungen nicht einfach<br />

so passieren, sondern diese<br />

im Zusammenhang mit der<br />

Klimakrise stehen.<br />

Eigenes Ressort oder<br />

Klimabildung für alle?<br />

Während Österreichs Redaktionen<br />

und auch jene des ORF in<br />

der Regel klassisch organisiert<br />

sind - von Politik über Wirtschaft<br />

bis Chronik, Sport und<br />

Wissenschaft - scheiden sich<br />

mittlerweile die Geister an der<br />

Frage, ob in den Redaktionen<br />

nicht eigene Klimaressorts geschaffen<br />

werden sollten. Zuletzt<br />

- während der Pandemie<br />

- hatten die Medien schließlich<br />

bewiesen, dass man auch über<br />

komplexe Themen ressortübergreifend<br />

berichten kann.<br />

ORF-Klimajournalist<br />

Gerhard Maier ist<br />

hier der Meinung,<br />

dass es kein dezidiertes<br />

Klimaressort<br />

brauche,<br />

sondern eher<br />

stärkere Klimabildung<br />

für Journalist:innen<br />

aus allen Ressorts.<br />

„Es müsste<br />

professionalisiert<br />

viel mehr Klimajournalist:Innen<br />

in den Ressorts<br />

geben - die zwar<br />

einem Ressort zugeordnet<br />

sind, aber<br />

viel stärker fokussiert auf das<br />

Thema Klima,“ betont er. Journalist:innen,<br />

die sich intensiv<br />

mit politischen Aspekten beschäftigten,<br />

hätten nicht die Kapazität,<br />

sich auch noch mit den<br />

klimatischen Blickwinkeln auseinanderzusetzen.<br />

Ganz ähnlich<br />

ist auch ORF-Salzburg-Redakteurin<br />

Hannah Schilcher der<br />

Überzeugung, dass das Thema<br />

Klima eine die Fachbereiche<br />

übergreifende Angelegenheit<br />

sein sollte. „Man muss das Klima<br />

viel öfter in den verschiedenen<br />

Ressorts unterbringen.<br />

In vielen Beiträgen würde sich<br />

so zeigen, was alles auf unser<br />

Weltklima Einfluss nimmt.“<br />

Gerhard Maier / © ORF/Roman Zach-Kiesling<br />

Hannah Schilcher / © ORF/wildbild<br />

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17


Klimajournalismus –<br />

die Kunst der Kommunikation<br />

Die Welt, vernetzt und überflutet von Nachrichten, ist im Begriff zu ersticken. Nicht an einem<br />

Mangel, sondern an einem Überfluss an Informationen. Hier, wo jeder Klick eine neue Schleuse<br />

öffnet und einen Tsunami an Daten entfacht, steht der Klimajournalismus vor einer komplexen<br />

Herausforderung, vergleichbar mit dem Klimawandel selbst. Es ist eine Gratwanderung zwischen<br />

dem Erwecken von Umweltbewusstsein und der Gefahr, im Strom vielfältiger Schlagzeilen unterzugehen.<br />

von VICTORIA KNEIL<br />

In der heutigen Medienlandschaft<br />

wird intensiv über den<br />

Klimawandel und seine Auswirkungen<br />

berichtet. Diese Informationsflut<br />

führt zu einer<br />

Überlastung, die die öffentliche<br />

Wahrnehmung negativ beeinflusst.<br />

Klimajournalismus muss<br />

sich daher der Aufgabe stellen,<br />

Informationen und Botschaften<br />

effektiv, effizient und in angemessenem<br />

Maß zu vermitteln.<br />

Soll Journalismus<br />

mobilisieren?<br />

„Es ist fraglich, ob Journalismus<br />

mobilisieren oder lediglich<br />

berichten soll. Es gibt Unterschiede<br />

zwischen Aktivismus,<br />

Mobilisierung und Journalismus.<br />

Journalismus soll den wissenschaftlichen<br />

Konsens, den die<br />

Klimaforschung sehr eindeutig<br />

herstellt,<br />

angemessen<br />

vermitteln“,<br />

meint<br />

Matthias<br />

Karmasin.<br />

Er ist österreichischer<br />

Medien- und<br />

Kommunikationswissenschaftler,<br />

forscht und<br />

lehrt als Professor<br />

für<br />

diese Fachgebiete<br />

an<br />

der Universität<br />

Klagenfurt und ist Direktor<br />

am Institut für vergleichende<br />

Medien- und Kommunikationsforschung<br />

(CMC) der Österreichischen<br />

Akademie der Wissenschaften.<br />

Klimajournalismus steht vor<br />

der Herausforderung, inmitten<br />

der Informationsüberflutung<br />

die richtige Balance zu finden.<br />

Effektive Kommunikation<br />

spielt eine Schlüsselrolle, um<br />

die Gesellschaft zu mobilisieren.<br />

Karmasin betont die Notwendigkeit,<br />

den Konsens der<br />

Klimaforschung zu vermitteln<br />

und kritisiert die klare Trennung<br />

von Journalismus, Aktivismus<br />

und Mobilisierung aus ethischer<br />

Sicht. Die Vermittlung wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse erfordert<br />

zwei Prinzipien: Verzicht<br />

auf „False Balance“ zur angemessenen<br />

Darstellung des wissenschaftlichen<br />

Konsenses und<br />

Betonung, dass wissenschaftliches<br />

Wissen zwar bestgesichert<br />

ist, aber nicht absoluten Prinzipien<br />

unterliegt. In Österreich<br />

besteht ein Bedarf, klar zu kommunizieren,<br />

warum bestimmte<br />

Erkenntnisse als bestgesichert<br />

gelten und wie die Qualitätssicherung<br />

durch Verfahren wie<br />

Peer-Reviews funktioniert.<br />

Ein weiterer Fokus liegt auf der<br />

Aufklärung über Lobby-Strategien<br />

und interessengeleitete<br />

Kommunikation, die systematisch<br />

Zweifel an wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen wecken.<br />

Der als „Science Populism“ bekannte<br />

Ansatz versucht, Wissenschaft<br />

als abgehobene<br />

Elite zu präsentieren und als irrelevant<br />

für die Bedürfnisse der<br />

Menschen darzustellen. Eine<br />

kritische Reflexion dieser Darstellungen<br />

ist notwendig, um<br />

das Vertrauen in die Wissenschaft<br />

zu stärken und Missverständnisse<br />

zu vermeiden.<br />

Notwendigkeit für investigativen<br />

Journalismus<br />

Torsten Schäfer, Forscher an<br />

der Hochschule Darmstadt,<br />

Umweltjournalist und seit den<br />

1990er-Jahren im Naturschutz<br />

engagiert, hebt die zentrale Bedeutung<br />

des Klimajournalismus<br />

für die Mobilisierung der Gesellschaft<br />

hervor. Massenmedien<br />

und Journalismus seien entscheidende<br />

Instrumente. Insbe-<br />

18<br />

© Adobe Stock


sondere betont er die Rolle des<br />

Journalismus im Bereich sozialer<br />

Medien: „Medien vermitteln seit<br />

jeher Wissen zu Klima, Umwelt<br />

und Ökologie und bleiben ein<br />

entscheidender Faktor für die<br />

Information der Bevölkerung.<br />

Wenig hat sich daran geändert.<br />

Allerdings hat sich in den vergangenen<br />

Jahren die Art der<br />

Medien und ihre Informationsvermittlung<br />

verändert. Plattformen<br />

wie YouTube, TikTok,<br />

Podcasts und Co. spielen heute<br />

eine wesentlich entscheidende<br />

Rolle, wenn es darum geht, die<br />

jüngere Bevölkerungsschicht zu<br />

erreichen.“<br />

Übergang von<br />

„Living from nature“<br />

zu „Living as nature“<br />

Die Veränderung der Medienlandschaft<br />

beeinflusst nicht nur<br />

das „Ob“ der Mobilisierung, sondern<br />

auch das „Wie“. Die Vielfalt<br />

der heutigen Medien und die<br />

ständige Informationsflut stellen<br />

Klimajournalisten vor einzigartige<br />

Herausforderungen.<br />

Neue Medienformate verändern<br />

die Art und Weise, wie Informationen<br />

über den Klimawandel<br />

verbreitet werden. Obwohl diese<br />

Entwicklungen das Feld unübersichtlich<br />

gemacht haben,<br />

bieten sie auch neue Möglichkeiten<br />

für breites Engagement.<br />

„Es braucht mehr investigativen<br />

Journalismus, der auch politisch<br />

ist, harte Fragen stellt“, meint<br />

Schäfer. Seine Erkenntnisse verdeutlichen<br />

den Bedarf an spezialisierten<br />

Klimajournalist:innen<br />

und weisen auf die Herausforderungen<br />

hin, denen der Klimajournalismus<br />

auch im Hinblick<br />

auf Finanzierung und Vielfalt der<br />

Themen ausgeliefert ist.<br />

Schäfer betont aber auch die<br />

Notwendigkeit eines neuen<br />

Naturverhältnisses. Klimajournalismus<br />

solle den Dualismus<br />

Mensch - Natur überwinden. Er<br />

hebt hervor, dass dieser fortlaufende<br />

Prozess – der sich<br />

über mehrere Generationen erstrecken<br />

werde – eine Öffnung<br />

und neue Haltung zur Natur verlangt.<br />

Dies schließe die Idee ein,<br />

sich in den Schreib- und Lernprozessen<br />

mit der Natur auseinanderzusetzen,<br />

um eine tiefere<br />

Verbundenheit zu entwickeln.<br />

Die Kunst der Klimakommunikation<br />

sei hier zentrales Thema.<br />

Die Sprache des Klimajournalismus,<br />

die bisher stark kapitalistisch<br />

geprägt gewesen sei und<br />

voller Metaphern und Botschaften<br />

stecke, müsse sich weiterentwickeln.<br />

Dafür schlägt der<br />

Forscher und Umweltjournalist<br />

vor, naturbezogene Metaphern<br />

zu verwenden und Erlebnisse<br />

in der Natur zu integrieren, um<br />

den Dialog zu verändern und ein<br />

tieferes Verständnis für die Klimakrise<br />

zu fördern. Er will den<br />

Übergang von „Living from nature“<br />

zu „Living as nature“.<br />

Schäfer beschreibt das bestehende<br />

System „als ein Gefäß,<br />

das durch die Vielfalt der existierenden<br />

Elemente kaum mehr<br />

überschaubar“ sei. „Die Veränderung<br />

des Systems ist zwar<br />

positiv, aber eine zu starke Veränderung<br />

könnte dazu führen,<br />

dass dieses Gefäß überläuft.“ Er<br />

sieht die Transformation als wilden,<br />

ungestalteten Prozess, der<br />

multipolar von verschiedenen<br />

Akteuren beeinflusst werde –<br />

von Menschen über Aktivist:innen<br />

bis hin zu Journalist:innen,<br />

die neue Medien und Netzwerke<br />

schaffen. „Die Zusammenarbeit<br />

in diesem Prozess ist herausfordernd,<br />

da nicht alle dasselbe<br />

vernünftige Maß finden können,<br />

aber dennoch ist es wichtig,<br />

sich darauf zu konzentrieren,<br />

gemeinsam zu arbeiten,“ wie<br />

Schäfer unterstreicht.<br />

Schwer vermittelbare<br />

Dauerkrise<br />

Matthias Karmasin wiederum<br />

bemüht das Bild einer „Dauerkrise“,<br />

die schwer vermittelbar<br />

sei. „Journalismus lebt von den<br />

Sensationen des Alltags, das<br />

heißt von der Diskontinuität,<br />

von dem Auffälligen - Stichwort<br />

Nachrichtenwert. Eine Dauerentwicklung<br />

ist etwas, was sich<br />

journalistisch schwerer bearbeiten<br />

lässt als Dinge, die disruptiv<br />

und sehr schnell passieren.“<br />

Karmasin hebt in diesem Zusammenhang<br />

strukturelle Herausforderung<br />

hervor: „In diesem<br />

Bereich ist der Klimajournalismus<br />

deshalb herausfordernd,<br />

weil er mehr als nur Wissenschaftsberichterstattung<br />

ist.<br />

Es betrifft nicht nur das Wetterressort,<br />

sondern alle Ressorts,<br />

wie auch die Klimakrise<br />

alle Bereiche betrifft – bis hin<br />

zum Sport. Stichwort Skifahren<br />

und Skigebiete oder<br />

Formel 1-Rennen,<br />

bei denen die Leute<br />

schon ohnmächtig<br />

werden, weil es zu<br />

heiß ist. Es ist eine<br />

Querschnittsmaterie<br />

und die Kompetenz, über<br />

jene komplexe Thematik<br />

zu berichten, ist nicht<br />

in allen Redaktionen<br />

gleichermaßen vorhanden.“<br />

Insgesamt wird deutlich,<br />

dass der Klimajournalismus<br />

in Zeiten der Informationsüberflutung<br />

vor besonderen<br />

Herausforderungen steht. Die<br />

Balance zwischen Information<br />

und Mobilisierung erfordert<br />

nicht nur eine klare ethische<br />

Grundlage, sondern auch innovative<br />

Kommunikationsansätze.<br />

Der Klimajournalismus muss<br />

nicht nur die gegenwärtigen<br />

Herausforderungen reflektieren,<br />

sondern auch den Weg für<br />

kommende Generationen ebnen.<br />

Das Ziel ist klar formuliert:<br />

Schutz unseres Klimas durch<br />

eine verantwortungsbewusste<br />

Gesellschaft, bereit, nachhaltige<br />

Prinzipien einzuhalten.<br />

Torsten Schäfer / © Sandor Rapolder<br />

Matthias Karmasin / © Scheriau<br />

Klimajournalismus – die Kunst der Kommunikation<br />

19


Zwischen Fakten und Emotionen<br />

Die Klimakrise bringt so manche Individuen an ihre psychischen Belastungsgrenzen. Aber wie viel<br />

Krise verträgt der Mensch? Die Psychologin Anika Heck klärt über versteckte Wirkungen und Folgen<br />

des menschengemachten Klimawandels auf. Und Michael Lohmeyer von der „Presse“ gewährt<br />

Einblicke in die Denk- und Arbeitsweise eines Journalisten im Tagesgeschäft. Die zentrale Frage:<br />

Hat die Klimakrise in unser aller Köpfe noch Platz - und sind sich Psycholog:innen und Journalist:innen<br />

in ihrer Antwort einig?<br />

von NICO BRANDSTETTER<br />

15. September 2023, 17:30<br />

Uhr im sechsten Wiener Gemeindebezirk.<br />

Ein spätsommerlicher<br />

Tag auf der<br />

Mariahilfer Straße.<br />

Am Westbahnhof<br />

startend tragen<br />

einen die Beine in<br />

nur 25 Minuten bis<br />

ans Ende der bekannten<br />

Shoppingmeile.<br />

Dort angekommen<br />

bestaunt man<br />

das bunte Treiben<br />

der gerade stattfindenden<br />

Vienna<br />

Fashion Week.<br />

Doch der Trubel wird<br />

schnell übertönt. Zig<br />

Menschen kleben, stehen<br />

und schreien lauthals an der<br />

Kreuzung zum Museumsplatz.<br />

Es sind friedlich demonstrierende<br />

Klimaaktivist:innen. Wer<br />

nicht in einem Fahrzeug gefangen<br />

sitzt, reagiert schnell:<br />

Die Gäste der Fashion Week<br />

verschwinden in den Gemäuern<br />

des Museumsquartiers und<br />

die Einkaufsbummler bringen<br />

ihre Einkäufe in Sicherheit. Was<br />

bleibt, ist die Schlagzeile in der<br />

Zeitung des folgenden Tages ...<br />

Michael Lohmeyer / ©privat<br />

Anika Heck<br />

/ ©privat<br />

Ich will das nicht sehen …<br />

Die „Flucht“ der Menschen am<br />

Museumsplatz kann gleichgesetzt<br />

werden mit dem Flüchten<br />

der Rezipient:innen vor der Berichterstattung.<br />

Es ist ein Bewältigungsmodus,<br />

welcher dem<br />

einzelnen dienlich ist, um die<br />

vorherrschende Krise zu verarbeiten.<br />

Die deutsche Psychologin<br />

Anika Heck beobachtet<br />

diesen Zustand immer öfter.<br />

Seit 2021 ist sie Teil der Psychologists<br />

& Psychotherapists<br />

For Future im Nachbarland. In<br />

dieser Zeit hat sie ihren Praxisbetrieb<br />

eingeschränkt, um sich<br />

stärker in der Klimaschutzbewegung<br />

engagieren zu können.<br />

Sie beschreibt, dass der Mensch<br />

eigentlich nicht für solch komplexe<br />

Bedrohungen wie den<br />

Klimawandel gemacht sei und<br />

dass viele aufgrund der Überforderung<br />

scheinbar in Lähmung<br />

verfallen. Irgendwann reagieren<br />

die Menschen mit dem Gefühl<br />

von Hilflosigkeit und Machtlosigkeit,<br />

sie schalten die Nachrichten<br />

einfach nicht mehr ein.<br />

In anderen Fällen wenden sie<br />

sich alternativen medialen Kanälen<br />

zu, die ihrem Weltbild eher<br />

entgegenkommen, so Heck. Die<br />

Leugnung des Klimawandels<br />

oder die Relativierung wissenschaftlicher<br />

Fakten sind dann<br />

nicht mehr weit entfernt. Genau<br />

hier liegt das Problem: Wenn<br />

sich weite Teile der Gesellschaft<br />

vor der Realität verschließen,<br />

kostet das mit Blick auf den notwendigen<br />

Umbau der Wirtschaft<br />

in Richtung Klimaneutralität unheimlich<br />

viel Zeit. „Wenn irgendwann<br />

die Erkenntnis kommt,<br />

werden sich viele mit Schuld<br />

und Reue konfrontiert sehen<br />

und sich im Zweifelsfall noch<br />

hilfloser fühlen, als sie es jetzt<br />

schon tun,“ schildert die Psychologin<br />

die absehbaren Folgen des<br />

Phänomens. Michael Lohmeyer<br />

- seit 1989 Redakteur der<br />

Tageszeitung „Die Presse“ und<br />

einer der profiliertesten Umweltjournalisten<br />

im Land - bestätigt<br />

die Sichtweise der Psychologin.<br />

Er erklärt die Ignoranz<br />

gegenüber dem Klimawandel<br />

mit dem Umstand, dass speziell<br />

im Bereich Klima Ursachen und<br />

Wirkung oft sehr weit auseinanderlägen:<br />

„Das, was wir heute<br />

tun, wird sich erst in den nächsten<br />

Jahrzehnten niederschlagen<br />

und dieser Zeithorizont überfordert<br />

die Menschen.“ Diese ungemütliche<br />

Wahrheit dennoch<br />

zu übermitteln, gestalte sich<br />

für den Journalismus wiederum<br />

außerordentlich schwierig.<br />

Krisenhafte Harmlosigkeit<br />

Die meisten Krisen stoßen bei<br />

Medienkonsumenten auf eine<br />

gewisse innere Abwehrhaltung.<br />

Harte Tatsachen so zu verpacken,<br />

dass sie der Empfänger<br />

nicht unmittelbar zurückweist,<br />

erfordert also Geschick. Eine Fähigkeit,<br />

die Michael Lohmeyer in<br />

den vergangenen 40 Jahren als<br />

Journalist immer wieder unter<br />

Beweis stellen musste. Er sagt,<br />

dass das Thema Klima durchaus<br />

wichtig sei, es sei aber auch<br />

ein Thema unter vielen anderen<br />

und unterliege demnach einer<br />

gewissen Gesetzmäßigkeit. Für<br />

die Abbildung des Klimawandels<br />

findet Lohmeyer eine klare Beschreibung.<br />

„Natürlich schafft<br />

es das Ungewöhnliche eher<br />

auf das Titelblatt als die Norm“,<br />

konstatiert der Journalist. Also<br />

20


komme man um Katastrophen<br />

in den Schlagzeilen oder allgemein<br />

negativ anmutender<br />

Berichterstattung nur schwer<br />

herum. Der Umweltjournalist<br />

hat seit den 1980er Jahren die<br />

Klimaberichterstattung erlebt<br />

und mitgestaltet. Seiner Wahrnehmung<br />

nach war der erste<br />

große Hype dem Waldsterben<br />

zuzuschreiben. Danach sei in<br />

einer gewissen Regelmäßigkeit<br />

immer wieder berichtet worden,<br />

aber in geringerem Ausmaß als<br />

heute. Diesen Wandel des Klimajournalismus<br />

sieht Lohmeyer<br />

positiv. Verglichen mit den vergangenen<br />

zehn Jahren sei die<br />

Fülle und vor allem die Breite<br />

der Berichterstattung über den<br />

Klimawandel enorm gestiegen.<br />

Ein Punkt, bei dem die deutsche<br />

Psychologin Heck allerdings nur<br />

bedingt mitzieht. Trotz eines<br />

höheren Ausmaßes an Berichterstattung<br />

würden empirische<br />

Untersuchungen zeigen, dass<br />

insgesamt noch zu wenig über<br />

den Klimawandel und dessen<br />

Zusammenhänge berichtet<br />

werde. Laut Heck war das Credo<br />

der Medien für lange Zeit,<br />

„bloß keine Panik zu verbreiten.<br />

Aufgrund dessen wurden viele<br />

Dinge auch eher abgemildert<br />

beschrieben.“ Ihrem Gefühl nach<br />

seien viele Medienhäuser mit<br />

der Darstellung des Klimawandels<br />

ein Stück weit überfordert.<br />

Problematisch sei auch, dass die<br />

aktuellen Krisen in Form einer<br />

Auflistung präsentiert werden:<br />

Preisanstiege, Klimawandel,<br />

Konflikt im Nahen Osten, Ukraine-Krieg.<br />

In dieser Aufzählung<br />

wirke der Klimawandel wie eine<br />

von vielen kleinen Krisen. „Dabei<br />

kommt zu kurz, dass faktisch<br />

unsere gesamte Lebensgrundlage<br />

bedroht ist und nicht nur<br />

einzelne Bereiche“, so Heck.<br />

Nicht in diesem Ton<br />

Hat man in den vergangenen<br />

Jahren regelmäßig Medien rezipiert,<br />

fällt<br />

einem auf,<br />

dass sich<br />

das Vokabular<br />

des<br />

Klimajournalismus<br />

verändert<br />

hat. Anfangs<br />

war<br />

es der bloße<br />

Klimawandel,<br />

der heute<br />

schnell<br />

zur Klimakrise<br />

umformuliert<br />

wird. In vielen Fällen sind die<br />

Beschreibungen der Sachlage<br />

deutlicher und ernster geworden.<br />

Michael Lohmeyer führt<br />

das übrigens auch auf eine Vielzahl<br />

von Kampagnen zurück, die<br />

in den vergangenen Jahrzehnten<br />

mit sehr hohen Etats ausgestattet<br />

gewesen wären. So<br />

seien bestimmte Begriffe in die<br />

breite Öffentlichkeit gebracht<br />

und salonfähig gemacht worden.<br />

Er ergänzt, dass das Wort<br />

Klimawandel erstmal harmlos<br />

und sehr natürlich klinge. Dabei<br />

lässt sich hinterfragen, ob<br />

in Anbetracht der drastischen<br />

Lage nicht doch deutlichere<br />

Worte gefunden werden sollten.<br />

Anika Heck behauptet hier: Ja!<br />

Forschung und Medien hätten<br />

den Menschen in vergangenen<br />

Jahren womöglich zu wenig zugemutet.<br />

Es sei an der Zeit, härtere<br />

Fakten und härtere Begrifflichkeiten<br />

zuzulassen und damit<br />

vielleicht auch ein wenig mehr<br />

berechtigte Angst. Heck: „Wenn<br />

ein Arzt eine schreckliche Diagnose<br />

überbringen muss, dann<br />

würden die meisten doch lieber<br />

die unverblümte Wahrheit wissen,<br />

wenn sie die Wahl hätten.“<br />

Wer beginnt?<br />

Viele Menschen fühlen sich nicht<br />

in der Pflicht, etwas in ihrem Leben<br />

zu ändern. Ein Argument,<br />

das oft als rhetorisches Schutzschild<br />

verwendet wird, lautet<br />

dann: „Die da Oben müssen es<br />

richten!“ Beide Experten – Heck<br />

wie Lohmeyer - sind sich einig,<br />

dass sich die wirksamen Hebel<br />

tatsächlich aufseiten der Politik<br />

befinden. Doch gleichzeitig könne<br />

man es sich nicht leisten zuzuwarten.<br />

Ein jeder müsse den<br />

Anfang bei sich selbst machen<br />

und seine täglichen Gewohnheiten<br />

in Frage stellen beziehungsweise<br />

diese teils auch aufgeben.<br />

Und: Wenn sich der einzelne zu<br />

unwichtig fühle, dann helfe es,<br />

sich bewusst zu machen, dass<br />

wir in einer stabilen Demokratie<br />

von rund neun Millionen Individuen<br />

leben. Schließen sich alle<br />

zusammen und verfolgen das<br />

gleiche Ziel, dann entstünden<br />

sogar riesige Effekte. Oder wie<br />

Anika Heck es formuliert: „Diese<br />

Verantwortung darf keinen<br />

Bereich der Gesellschaft ausschließen.<br />

Die Politiker:innen<br />

müssen auf politischer Ebene<br />

aktiv werden, die Unternehmen<br />

auf der Wirtschaftsebene und<br />

die Individuen sollten es auf der<br />

individuellen Ebene tun. Jeder<br />

Einzelne darf und muss sich mit<br />

den Folgen des Klimawandels<br />

auseinandersetzen. Dabei zu<br />

unterstützen, wird weiterhin die<br />

Aufgabe der Medien sein.“<br />

© Adobe Stock<br />

Zwischen Fakten und Emotionen<br />

21


Fake News unleashed:<br />

Die Gefahr des Klima-Narrativs<br />

Jeder kennt die Situation: Während der Zugfahrt zückt man das Handy aus der Hosentasche und<br />

klickt sich durch soziale Netzwerke und Webseiten. Auf der Suche nach unterhaltsamen Beiträgen<br />

poppt ein Deepfake-Video von Greta Thunberg auf, die „vegane Granaten“ und „nachhaltige Panzer“<br />

empfiehlt. Menschen teilen das Video, manche bearbeiten es, und was anfangs als Satire galt<br />

wird dann als ernstgenommene Nachricht verwendet. Selbst für Medien und Politiker:innen ist es<br />

schwer geworden, Fakt von Fiktion zu unterscheiden. Dieses Beispiel wird als Teil des „radikalen<br />

Klimakleber“- Narrativs verwendet, um Klimaaktivist:innen zu diskreditieren. Das führt zur Dämonisierung<br />

oder gar Kriminalisierung von Menschen. Woher kommt das „Klimakleber“-Narrativ und<br />

welche Auswirkungen hat es für Betroffene?<br />

von JULIAN DÜRNBERGER<br />

Resa / ©privat<br />

Seit mehr als acht Jahren arbeitet<br />

Andre Wolf im Bereich Bildungsarbeit<br />

sowie Pressearbeit<br />

für „Mimikama“, ein österreichischer<br />

Verein, der seit 2011 über<br />

Internetmissbrauch aufklärt.<br />

Das 20- bis 25-köpfige Journalist:innen-Team<br />

überprüft Artikel,<br />

die als vermeintliche Fake<br />

News gemeldet werden und<br />

sind auch als Faktenchecker:innen<br />

für Medienhäuser wie die<br />

„ProSiebenSat1 PULS4“-Group<br />

tätig.<br />

„2019 kam etwas ganz Punktuelles.<br />

Nämlich das war die<br />

Zeit, als die Klimademonstrationen<br />

ganz groß wurden“<br />

Andre Wolf<br />

Pressesprecher von „Mimikama“<br />

Andre Wolf / ©Barbara Wirl<br />

Durch seine langjährige Beobachtung<br />

erkennt Wolf ein Muster<br />

bei Desinformationen: Sie<br />

kommen in Wellen und hängen<br />

direkt mit der medialen Berichterstattung<br />

zusammen. Je<br />

dominanter ein Thema von Medien<br />

behandelt wird, desto mehr<br />

Fake News tauchen darüber auf.<br />

2019 war ein besonderes Jahr<br />

für Klimademos – nämlich das<br />

Geburtsjahr der „Fridays for Future“-Bewegung.<br />

2018 blieb Greta Thunberg dem<br />

Unterricht fern und begann einen<br />

Sitzstreik vor dem Reichstagsgebäude<br />

in Stockholm und<br />

verbreitete in den sozialen Medien<br />

Beiträge darüber, mit dem<br />

Hashtag „Fridays for Future“<br />

(kurz: FFF). Das ist der Ursprung<br />

der „FFF“-Bewegung, die sich<br />

durch Schüler:innen weltweit<br />

organisierte. Ab 2019 auch in<br />

Deutschland und Österreich.<br />

Die Klimaaktivist:Innen waren in<br />

deutschsprachigen Medien omnipräsent.<br />

In sozialen Netzwerken<br />

werden nicht nur „#Fridays<br />

for Future“- Beiträge über Klima-Demos<br />

verbreitet, sondern<br />

auch Fake News.<br />

Fake News & Framing –<br />

Instrumente der<br />

Desinformation<br />

DDesinformation und Fake<br />

News sind nicht dasselbe. Wolf<br />

beschreibt Desinformation als<br />

einen Überbegriff und Fake<br />

News sind kleine nadelstichartige<br />

Falschmeldungen, die in den<br />

Medien auftauchen. Sie sind<br />

den Desinformationen dienlich,<br />

um eine Geschichte zu erzählen<br />

- das sogenannte Narrativ.<br />

Wolf meint, dass bestimmte<br />

Narrative immer wieder auftauchen.<br />

Damals wurden Klimaaktivist:innen<br />

von Boulevardmedien<br />

wie der „Bild“, der „Heute“<br />

und „oe24“ als Heuchler hingestellt.<br />

Zum Beispiel wird in<br />

einem oe24-Bericht behauptet,<br />

dass KlimaktivistInnen in<br />

Deutschland für das Demonstrieren<br />

bezahlt werden. Auf der<br />

österreichischen Website der<br />

„Letzten Generation“ wird offen<br />

erklärt, dass das Geld von freiwilligen<br />

Spenden stammt, die<br />

für die Organisation für Demos<br />

und die Verpflegung für Demonstrant:innen<br />

verwendet wird.<br />

Keiner der „Klimakleber“ in Österreich<br />

bekommt für das Demonstrieren<br />

ein Vollzeit-Gehalt,<br />

trotzdem werfen in unserem<br />

Land die Gegner der Klimademos<br />

der „Letzte Generation“ genau<br />

das vor. Es wird ein Narrativ<br />

geschaffen, das darauf abzielt,<br />

Klimademos kleinzureden und<br />

Jugendliche, die daran teilnehmen,<br />

unglaubwürdig erscheinen<br />

zu lassen. Somit lenkt man vom<br />

Klimawandel ab und konzentriert<br />

sich auf die „Heuchler“, die<br />

Klimaaktivist:innen.<br />

Ab 2020 überschatteten Coro-<br />

22


na-Pandemie und der Ukrainekrieg<br />

das Klima-Thema, was<br />

zur Folge hatte, dass die Fake-<br />

News-Welle über Klimademonstrationen<br />

abflachte. Doch<br />

über die Jahre wurde das Narrativ<br />

radikaler, die Aktivist:innen<br />

der „Letzten Generation“ werden<br />

nun von Medien und Politik<br />

als „Klimakleber“ abgestempelt.<br />

Wieder ein Begriff, der vor allem<br />

diskreditieren soll.<br />

In der Sozialwissenschaft wird<br />

Framing als bewusst gesteuerter<br />

Prozess bezeichnet, der uns<br />

im Alltag häufig begegnet. Per se<br />

ist es ein legitimes, stilistisches<br />

Instrument für Journalist:innen<br />

- doch manchmal wird es für<br />

negative Zwecke missbraucht.<br />

Laut dem Glossar der Mimikama-Webseite<br />

bezeichnet man<br />

mit dem Begriff „den gezielten<br />

Einsatz von Sprache, Bildern<br />

und Symbolen“ und beeinflusst<br />

die Denkweise über ein Thema<br />

oder eine Person. Mit dem Begriff<br />

„Klimakleber“ untergräbt<br />

man die Autorität der Aktivist:innen.<br />

Man erhält ein Bild im Kopf,<br />

das einem suggeriert: Nimm<br />

diese Person nicht ernst! Nicht<br />

nur die Medien übernehmen das<br />

Wort in ihren Artikeln, sondern<br />

auch die Politiker:innen. Die FPÖ<br />

nimmt die Aktionen der „Letzten<br />

Generation“ in Deutschland<br />

und Österreich als Anlass, um<br />

das Narrativ des „Klimaklebers“<br />

weiterzuspinnen. Im Juli 2023<br />

reden Hafenecker, Waldhäusl<br />

und Nepp von „Klimaterroristen“.<br />

Ein Narrativ, das seine Wirkung<br />

zeigt.<br />

Wenn verbale Waffen<br />

wehtun<br />

Die „Letzte Generation“ wird in<br />

ihren Aktionen radikaler, indem<br />

sie häufiger Straßen blockieren<br />

und Gemälde verunstalten. Das<br />

schürt den Hass der Gegner<br />

von Klimademos und manche<br />

von ihnen beginnen, Klimaaktivist:innen<br />

zu belästigen, sowohl<br />

persönlich als auch in sozialen<br />

Netzwerken. Die Auswirkungen<br />

sind verheerend.<br />

„Prinzipiell habe ich das Gefühl,<br />

dass sie (die Medien,<br />

Anm.) tendenziell eher negativ<br />

und unreflektiert berichten“<br />

Resa<br />

Klimaaktivistin der „Letzten Generation“<br />

Resa ist 28, von Beruf Physiotherapeutin<br />

und setzt sich in<br />

ihrer Freizeit für Menschen und<br />

das Klima ein. 2023 koordinierte<br />

sie für ein paar Monate ein<br />

Flüchtlingsprojekt in Griechenland,<br />

wo sie realisierte, dass<br />

der Klimawandel ein massiver<br />

Faktor für Fluchtursachen und<br />

Fluchtbewegungen ist. Aus diesem<br />

Grund trat sie 2023 der<br />

„Letzten Generation“ bei.<br />

„Es ist nicht angenehm für uns,<br />

da irgendwo zu sitzen und zu<br />

kleben.“, sagt Resa. Die Welt<br />

durch Protest zu verbessern,<br />

klingt schön, ist es aber nicht.<br />

Wenn man Menschen durch<br />

Straßenblockaden in ihrem Alltag<br />

stört, auch wenn es für<br />

einen guten Zweck ist, dann<br />

entgegnen die wenigsten mit<br />

Verständnis. Besonders in sozialen<br />

Netzwerken bekommt<br />

man den Hass der Gegner der<br />

Klimademos zu spüren. Auf Social<br />

Media müssen Klimaaktivist:innen<br />

Kommentare wie „Ihr<br />

gehört alle vergast“, „Ihr gehört<br />

aufgehängt“, oder „Ihr gehört ins<br />

Arbeitslager gesperrt“, über sich<br />

ergehen lassen.<br />

Gegen verbale Attacken bei<br />

Klimademos wehrt sich Resa<br />

nicht mit Gewalt, sondern mit<br />

Verständnis. „Oft sind sich Zukunftsangst,<br />

Existenzängste,<br />

politische Ängste eigentlich<br />

ähnlich.“ Sie konfrontiert auch<br />

die aggressiven Personen mit<br />

Fragen über ihr Handeln, was<br />

meistens zur Deeskalation führt<br />

- gewaltfrei und friedlich.<br />

Solche Aussagen können an<br />

einem nagen, vielleicht sogar<br />

Mit jedem Projekt<br />

mehr Umweltschutz.<br />

Für die Umwelt gehen wir voran! Deswegen sind wir jetzt<br />

stolze Teilnehmer an einem Pilotprojekt für Wasseraufbereitung<br />

und verwenden gesammeltes sowie aufbereitetes Brauch- und<br />

Regenwasser für Toiletten und Außenbereiche. So wollen wir<br />

unseren Wasserverbrauch um bis zu 50% reduzieren!<br />

Mäcci St. Valentin macht’s!<br />

23


tagelang. Solche Aktionen sind<br />

energiezehrend, aber damit umzugehen<br />

müsse jeder selbst lernen,<br />

meint Resa. Als Klimaterrorist:in<br />

bezeichnet zu werden,<br />

findet sie falsch und zynisch.<br />

Menschen schmeißen mit solchen<br />

Begriffen achtlos herum,<br />

ohne sich darüber im Klaren zu<br />

sein, was es bei den Leidtragenden<br />

auslöst. Die Schuld an der<br />

emotional aufgeheizten Klima-<br />

Debatte sieht sie nicht nur bei<br />

Politiker:innen, sondern auch bei<br />

den Medien. Die Hemmschwelle,<br />

zu attackieren, ist aufgrund<br />

unreflektierter Berichterstattung<br />

niedriger geworden. Wenn<br />

sich Medien des Narrativs des<br />

„Klimaklebers“ bedienen, dann<br />

sprechen sie indirekt eine Legitimation<br />

aus, den Klimaaktivist:innen<br />

gewaltvoll zu begegnen.<br />

Der 65-jährige Baumpfleger<br />

Christian (Name von der Redaktion<br />

geändert) ist schon seit den<br />

1970ern aktiv. Er war bei der<br />

Anti-Atomkraft-Bewegung dabei,<br />

doch danach haben sich seine<br />

Prioritäten durch die Familie<br />

geändert. Die Klima-Demonstrationen<br />

hatte er zunächst nur<br />

über die Medien verfolgt. Und<br />

den Klimawandel ignorierte er<br />

trotz besseren Wissens, wie er<br />

sagt. Es ließ ihm keine Ruhe, bis<br />

er entschied, sich der „Letzten<br />

Generation“ anzuschließen.<br />

„Es ist eine blöde Art des<br />

Protests, den sollte es nicht<br />

geben, aber es ist die logische<br />

Entwicklung aus der jahrelangen<br />

Ignoranz der Politik“<br />

Christian<br />

Klimaaktivist der „Letzten Generation“<br />

Die Angst vor den verheerenden<br />

Folgen des Klimawandels war<br />

zu groß und brachte ihn dazu,<br />

etwas zu unternehmen. Seine<br />

Familie macht sich Sorgen,<br />

steht aber trotzdem hinter ihm.<br />

Schließlich demonstriert er nicht<br />

nur für seine Zukunft, sondern<br />

auch für die Zukunft seiner Kinder<br />

und Enkelkinder. Während<br />

der Straßenblockaden wurde<br />

er schon verbal attackiert, doch<br />

das hält er aus. Einmal wollte<br />

ein Klimademo-Gegner Christian<br />

sogar über den Haufen rennen,<br />

aber er blieb standhaft und<br />

hielt ihn auf Distanz. Trotz allem<br />

hat er Verständnis für jene, die<br />

ihm mit Hass begegnen. Genauso<br />

weiß er auch, dass die Aktionen<br />

der „Letzten Generation“<br />

sein müssen, um Aufmerksamkeit<br />

auf die Klimadebatte zu lenken.<br />

Für Christian ist klar, dass<br />

österreichische Politiker:innen<br />

die „Letzte Generation“ bewusst<br />

ignorieren wollen. Der Versuch,<br />

Klimaaktivist:innen zu kriminalisieren<br />

soll – so sagt Christian<br />

- deren Versäumnisse in Sachen<br />

Klimawandel kaschieren. An-<br />

24


statt klimapolitische Lösungen<br />

zu finden, werde Hass in der Gesellschaft<br />

geschürt.<br />

„Einer der schlimmsten Begriffe,<br />

die aufgetaucht sind, ist<br />

ja der Begriff Klimakleber. Wir<br />

haben eine Alliteration, die<br />

man sich leicht merken kann,<br />

plus etwas, das völlig absurd<br />

klingt“<br />

Andre Wolf<br />

Pressesprecher von „Mimikama“<br />

Christian fühlt sich von der Politik<br />

im Stich gelassen und Resa<br />

ist enttäuscht, wie unreflektiert<br />

Medien über Klimaaktivist:innen<br />

berichten. Die Wirkung von Fake<br />

News und Framing liegt auf der<br />

Hand, aber wer ist tatsächlich<br />

Schuld an der emotional aufgeheizten<br />

Klima-Debatte? Politik<br />

und/oder die Medien? Geht es<br />

nach Mimikama-Pressesprecher<br />

Andre Wolf, ist das eine<br />

Henne-Ei-Frage. Teils erfinden<br />

Boulevardmedien neue Narrative,<br />

aber teils tun das auch Politiker.<br />

Auf die Frage, wie gegen<br />

Desinformation vorgegangen<br />

werden kann, gibt es aber Antworten.<br />

Die Journalistin und<br />

Digitalmedien-Expertin Ingrid<br />

Brodnig bietet etwa eine mögliche<br />

Vorbeugung gegen Fake<br />

News an. Sie ist der Meinung,<br />

dass heterogene Netzwerke<br />

wichtig seien, um Verständnis<br />

für den Standpunkt Andersdenkender<br />

zu bekommen, und<br />

verweist auf zwei Studien der<br />

Universität Wisconsin. Konkret:<br />

Ist man sich unsicher über seine<br />

Position zu einem bestimmten<br />

Thema, sollte man raus aus<br />

seiner sozialen Bubble und mit<br />

Andersdenkenden in Kontakt<br />

treten. Schon ein Plausch - sei<br />

es online oder persönlich - mit<br />

andersdenkenden Studienoder<br />

Arbeitskolleg:innen reicht,<br />

um sich zu vergewissern, wie<br />

man selbst zu einer Sache steht.<br />

Ihr Nahversorger fürs Gehirn.<br />

Thalia St. Pölten<br />

Kremser Gasse 12<br />

3100 St. Pölten<br />

Mo–Fr: 9–18 Uhr<br />

Sa: 9–17 Uhr<br />

© Adobe Stock<br />

25


Klimakleber, Klima-Chaoten, Klimaterroristen<br />

– so werden sie dargestellt<br />

Fast zwei Jahre begleiten uns Bilder von Klimaaktivist:innen, die sich auf Straßen festkleben und<br />

auf den Klimawandel aufmerksam machen. Österreichische Printmedien berichten regelmäßig<br />

über die Aktivist:innen. Doch wie sieht die Berichterstattung aus? Gibt es Unterschiede zwischen<br />

verschiedenen Printmedien? Und wie sehen Experten die Darstellung der „Klimakleber“?<br />

von CHRISTIAN KROBITZSCH<br />

„An sich muss man unterscheiden<br />

zwischen Qualitäts- und<br />

Boulevardmedien,“ meint Luis<br />

Paulitsch, Referent beim Österreichischen<br />

Presserat. Seine<br />

Aufgabe ist es, Medien genauestens<br />

zu beobachten und auch<br />

Ethikverstöße publik zu machen.<br />

In den Boulevardmedien werde,<br />

so sagt er, oft auf Zuspitzung<br />

gesetzt. Dabei stünden mehr die<br />

Personen der Aktion im Vordergrund.<br />

Das eigentliche Anliegen,<br />

nämlich Forderungen wie etwa<br />

das Hören auf den Klimarat,<br />

werde oft vernachlässigt.<br />

Diese Form der Zuspitzung bestätigt<br />

auch Christian Nusser,<br />

bis Oktober 2023 Chefredakteur<br />

der Tageszeitung „Heute“.<br />

Nusser meint, dass die Form<br />

des Protests auch von der Emotionalisierung<br />

lebe und man<br />

aus der Sicht der Aktivist:innen<br />

„auch einen Leserbrief schreiben“<br />

könne, wenn man mit den<br />

Protestaktionen keine Emotionen<br />

bei den Menschen auslösen<br />

wollen würde.<br />

Im Vergleich zum Boulevard in<br />

Deutschland ist man hierzulande<br />

allerdings harmlos unterwegs.<br />

In der Tageszeitung „Bild“<br />

wird oft auch der Begriff „Klimaterrorist“<br />

in den Mund genommen.<br />

Das gibt es so in Österreich<br />

nicht, es wird eher von<br />

„Klimaklebern“ oder manchmal<br />

auch „Klima-Chaoten“ gesprochen.<br />

Qualitätsmedien vs.<br />

Boulevardmedien<br />

Durchaus differenziert sieht die<br />

Darstellung in den Qualitätsmedien<br />

aus. In den konservativen<br />

Tageszeitungen gibt es sehr<br />

wohl eine kritische Auseinandersetzung<br />

mit den Protesten<br />

- aber auch eine differenzierte<br />

Sichtweise. Ein Bewusstsein<br />

für die Form des Protestes und<br />

der Klimakrise im Hintergrund<br />

ist vorhanden. „Dennoch ist es<br />

schwer abzusehen, wie sich die<br />

Berichterstattung in den Qualitätsmedien<br />

verändert, wenn<br />

die Proteste wieder zunehmen“,<br />

sagt Paulitsch. Das spiegelt sich<br />

auch in der Analyse von vier Tageszeitungen<br />

in Österreich wider.<br />

In der „Kronen Zeitung“ sieht die<br />

Darstellung so aus: In nahezu<br />

jedem Artikel, in dem über die<br />

Klebeaktionen der Klimaaktivist:innen<br />

berichtet wird, wird<br />

auch das Wort „Klimakleber“ in<br />

der Überschrift verwendet. Interessant<br />

ist allerdings, dass im<br />

eigentlichen Artikel nur mehr<br />

von „Klimaaktivisten“ oder<br />

„Demonstranten“ die Rede ist.<br />

Die Schlagzeile der „Kronen Zeitung“<br />

zu den Straßenblockaden<br />

in St. Pölten und Attnang-Puchheim<br />

am 30. Oktober 2023 lautet<br />

dazu: „Klimakleber blockierten<br />

Straßen in OÖ und NÖ“ .<br />

Im „Standard“ sieht die Darstellung<br />

schon anders aus. Hier<br />

lautet die Überschrift: „Klimaaktivisten<br />

blockierten zum Wochenauftakt<br />

Verkehr in Nieder-<br />

und Oberösterreich“. Im<br />

Gegensatz zur „Krone“ verzichtet<br />

„Der Standard“ bewusst auf<br />

den Begriff „Klimakleber“.<br />

Das Gratisblatt „Heute“ schreibt<br />

hingegen: „Klima-Kleber blockieren<br />

am Montag gleich zwei<br />

Städte“. Auffällig hierbei ist, dass<br />

in „Heute“ auch im Artikel der<br />

Begriff „Klima-Kleber“ verwendet<br />

wird. Dieser Begriff zieht<br />

sich auch durch den Artikel, kein<br />

einziges Mal wird von „Klimaaktivisten“<br />

gesprochen, wie es in<br />

der „Kronen Zeitung“ und dem<br />

„Standard“ praktiziert wird.<br />

Im „Kurier“ lautet die Headline:<br />

„Klimaaktivisten blockierten St.<br />

26<br />

© Adobe Stock


Pöltner Landhaus und den Verkehr“.<br />

Abgesehen davon, dass<br />

im „Kurier“ Attnang-Puchheim<br />

nicht erwähnt wurde, obwohl<br />

dort auch eine Protestaktion<br />

stattfand, ähnelt diese Schlagzeile<br />

jener im „Standard“. Auch<br />

im folgenden Fließtext wird<br />

stets von „Aktivisten“ oder „Klimaaktivisten“<br />

gesprochen.<br />

Klimakleber als „liebevolle,<br />

österreichische<br />

Bezeichnung“<br />

Wie ist der Begriff „Klimakleber“<br />

insgesamt zu bewerten? Luis<br />

Paulitsch sieht diese Bezeichnung<br />

im Grunde nicht kritisch. Er<br />

selbst habe mit einem Aktivisten<br />

gesprochen und dieser meinte,<br />

dass ihn der Begriff „Klimakleber“<br />

gar nicht störe. Das Kleben<br />

als Begriff würde deutlich machen,<br />

dass sich die Aktivist:innen<br />

festkleben und auch nicht<br />

wegbringen lassen würden.<br />

Auch Christian Nusser findet<br />

die Bezeichnung „Klimakleber“,<br />

die auch oft in seinem Medium<br />

„Heute“ verwendet wird, vollkommen<br />

in Ordnung. „Der Begriff<br />

Klimakleber hat ja fast<br />

was Liebevolles, also es ist ein<br />

sehr österreichischer Zugang,<br />

sprachlich etwas zu bezeichnen,<br />

was da ist,“ meint Nusser. Die<br />

Bezeichnung sei auch nicht wertend<br />

und man eskaliere dabei<br />

nicht, sondern weise nur darauf<br />

hin, dass sich eben Leute festgeklebt<br />

hätten. Somit sei auch<br />

dem Publikum sofort klar, um<br />

wen es in dem Bericht gehe. Luis<br />

Paulitsch glaubt freilich, dass es<br />

zielführender wäre, die Protestierenden<br />

allgemein als Aktivist:innen<br />

zu bezeichnen. Damit<br />

wandert der Fokus weg von der<br />

eigentlichen Protestaktion hin<br />

zu dem Problem dahinter, nämlich<br />

der Klimakrise.<br />

In der Darstellung der Protestaktionen<br />

lässt sich eine deutliche<br />

Veränderung feststellen.<br />

Wurde in den Medien zu den Fridays-for-Future-Demos<br />

noch<br />

wohlwollend oder neutral berichtet,<br />

so ist der Ton seit Beginn<br />

der Aktionen der „Letzten<br />

Generation“ immer schärfer<br />

geworden. Das lässt sich aber<br />

auch damit erklären, dass die<br />

Ablehnung in der Bevölkerung<br />

immer mehr gestiegen ist und<br />

sich Medien auch oft nach<br />

Meinungen in der Bevölkerung<br />

richten. Luis Paulitsch meint<br />

dazu: „Rund 80 Prozent der<br />

Bevölkerung sind gegen diese<br />

Form des Protests, aber Medien<br />

müssen nicht immer nach<br />

dem Volksmund schreiben.“<br />

Vielmehr sollten sie als Vermittler<br />

dienen und die Gründe<br />

beleuchten, warum es so weit<br />

gekommen ist.<br />

Nusser meint, dass in der Bevölkerung<br />

auch eine gewisse<br />

Radikalisierung stattfinde. Einige<br />

Autofahrer:innen, die durch<br />

die Störungen des Straßenverkehrs<br />

verärgert wurden, griffen<br />

zu drastischeren Mitteln und<br />

wurden handgreiflich. Nusser:<br />

„Das kann man in keiner Weise<br />

für gut befinden.“ Die zunehmende<br />

Ablehnung in der<br />

Bevölkerung lässt sich damit<br />

begründen, dass man bei den<br />

Protesten oft direkt betroffen<br />

ist. Deshalb berichten auch die<br />

Medien immer schärfer darüber,<br />

weil sie wissen, dass<br />

ihr Publikum genau das lesen<br />

möchte.<br />

Und in Zukunft?<br />

Und wie wird sich die Darstellung<br />

der Klimaaktivist:innen<br />

in Zukunft verändern? Nusser<br />

sagt dazu: „Der Klimaaktivismus<br />

und die Berichterstattung<br />

dazu sind ein sich selbst entwickelndes<br />

Ding, das nie steht.“<br />

Wichtig sei, das Wording an<br />

die Zielgruppe anzupassen. So<br />

wird in Medien, die eher von<br />

Menschen rezipiert werden,<br />

die der Klimaprotestbewegung<br />

ablehnend gegenüberstehen,<br />

Christian Nusser / © Sabine Hertel<br />

Luis Paulitsch / ©Thomas Dalby<br />

eher schärfer berichtet werden.<br />

Auch der Unterschied zwischen<br />

Boulevard- und Qualitätsmedien<br />

wird bestehen bleiben, da der<br />

Boulevard von Emotionen und<br />

Zuspitzung lebt. Auch die Form<br />

des Klimaprotests könnte sich in<br />

Zukunft ändern, weil man sieht,<br />

dass die jetzige Form nicht unbedingt<br />

zielführend ist und die<br />

Politik nicht auf die Forderungen<br />

eingeht. Für die Medien wird es<br />

wichtig sein, zu vermitteln und<br />

auch die Hintergründe der Proteste<br />

zu beleuchten.<br />

Luis Paulitsch meint, dass der<br />

Fokus der Medien vor allem auf<br />

der Beleuchtung der Protestaktion<br />

und den einzelnen Aktivist:innen<br />

liege, die auch oft in<br />

Talkshows eingeladen werden.<br />

Daher sein Appell an die Medien:<br />

„Nehmt den Protest im Anliegen<br />

ernst! Überlegt euch, was hinter<br />

den Protesten steht.“ Konkret<br />

sind das relativ einfache Forderungen<br />

wie Tempo 100 auf den<br />

Autobahnen. Die eigentliche<br />

Frage wäre, so Paulitsch, warum<br />

sich solche Forderungen in<br />

unserem Land so schwer umsetzen<br />

lassen.<br />

Die Medien sollten zudem viel<br />

stärker in die Rolle des Vermittlers<br />

schlüpfen und die Gegner<br />

der Forderungen und deren<br />

Gründe beleuchten. Im Moment<br />

werde eher die Frage aufgegriffen,<br />

ob und wie man Aktivist:innen<br />

härter bestrafen könne. Nur<br />

mithilfe der Medien ist es letztlich<br />

möglich, in Zukunft einen<br />

sachlicheren Diskurs zu führen.<br />

Klimakleber, Klima-Chaoten, Klimaterroristen – so werden sie dargestellt<br />

27


„Meine Mission für das Klima“<br />

Aktivist Maximilian Schoissengeyer im Portrait - und darüber, warum er an Protesten der<br />

„Letzte Generation“ nicht mehr aktiv teilnimmt.<br />

von AURELIA AEYCHOUH<br />

„Ich würde mir wünschen, dass<br />

das Problem endlich wie ein<br />

Problem behandelt wird,“ betont<br />

Max Schoissengeyer, ein<br />

26-jähriger Mathematikstudent<br />

aus dem Bezirk Vöcklabruck,<br />

Oberösterreich. Der Aktivist<br />

klebt sich nicht nur auf Straßen<br />

fest, sondern setzt sich aktiv für<br />

Bewusstseinsbildung und politischen<br />

Druck ein und stellt sich<br />

damit der Klimakrise entgegen.<br />

Schon lange bevor sich Max der<br />

Letzten Generation anschloss,<br />

interessierte er sich für den Klimaschutz<br />

und überlegte, wie<br />

er etwas dazu beitragen könnte.<br />

Seine Überlegungen darüber,<br />

wie sein Leben in 50 Jahren<br />

aussehen könnte, wenn keine<br />

Maßnahmen ergriffen werden,<br />

trieben ihn dazu, Vorlesungen<br />

an der Universität Wien und<br />

an der Universität für Bodenkultur<br />

zu besuchen. Dort hat er<br />

mitgenommen, dass man die<br />

Prognosen genau kennt, sowie<br />

die Maßnahmen, die getroffen<br />

werden müssten, um diese in<br />

eine andere Richtung zu lenken.<br />

Er sieht die Klimakatastrophe<br />

als eine bedrohliche Realität, die<br />

nicht ignoriert werden kann. Allerdings<br />

wird laut Max das Thema<br />

sehr schnell weggeschoben,<br />

da die Bevölkerung und die<br />

Politik sich nicht damit befassen<br />

müssen, wenn sie es nicht<br />

wollen. „Dann habe ich für mich<br />

beschlossen, dass man immer<br />

wieder an die Thematik erinnern<br />

muss, auch wenn die Leute nicht<br />

daran erinnert werden wollen,“<br />

so der Student.<br />

Ein Informationsabend der<br />

Letzten Generation und die<br />

Schüttaktion bei dem Klimt-Gemälde<br />

„Tod und Leben“ im Leopold<br />

Museum gaben ihm den<br />

entscheidenden Push, sich der<br />

Protestbewegung anzuschließen.<br />

Vor allem die polarisierenden<br />

Aktionen faszinierten ihn,<br />

da sie endlich eine Diskussion in<br />

Österreich starteten. Seit Februar<br />

2023 war Max dann aktives<br />

Mitglied der Letzten Generation,<br />

einer Gruppe von Klimaaktivist:innen,<br />

die unter anderem<br />

in Wien auf unkonventionelle<br />

Weise auf die Dringlichkeit des<br />

Klimaschutzes aufmerksam<br />

macht und um eine bessere Klimapolitik<br />

kämpft.<br />

„Die Sprache<br />

verschlagen …“<br />

Nach einem Protesttraining begann<br />

sein Aktivismus mit dem<br />

Festkleben auf Straßen. Die<br />

Nervosität ließ auch nach mehr<br />

als 25 Protesten nicht nach.<br />

Seine erste Klebeaktion fand<br />

vor der Wiener Secession statt,<br />

wo die Polizist:innen bereits<br />

auf die Aktivist:innen warteten.<br />

Max spricht darüber, dass er<br />

die Nacht davor nur sehr wenig<br />

schlief und es ihm kurz vor der<br />

Aktion die Sprache verschlug.<br />

Relativ schnell begann Max damit,<br />

Gesprächsabende, vor allem<br />

in Oberösterreich, zu leiten<br />

und damit die Forderungen und<br />

Hintergründe der „Letzten Generation“<br />

weiter zu verbreiten.<br />

Dem Aktivisten bereiten vor allem<br />

die kritischen Diskussionsrunden<br />

eine große Freude: „Das<br />

Bild, das vor allem in Boulevardmedien<br />

über uns verbreitet<br />

wird, ist ein eindeutiges. Dem<br />

möchten wir durch diese Gespräche<br />

entgegenwirken und<br />

den Menschen erklären, wieso<br />

wir das überhaupt tun und was<br />

wir uns dabei denken.“<br />

Max' Motivation ist klar: Er<br />

möchte die Dringlichkeit der<br />

Klimakrise ins Bewusstsein der<br />

Menschen rücken. Seine Forderungen<br />

an die Regierung, darunter<br />

eine Tempobegrenzung<br />

auf Autobahnen auf 100 km/h<br />

und ein Stopp neuer Öl- und<br />

Gasbohrungen in Österreich,<br />

sind klare Schritte in Richtung<br />

Klimaschutz. Diese „Minimalforderungen“<br />

sollen Druck auf<br />

die Regierung ausüben, ohne<br />

deren Umsetzung möchte die<br />

„Letzte Generation“ ihre Proteste<br />

nicht beenden. Unübersehbare<br />

Proteste zu wählen, damit<br />

ein Diskurs stattfindet, ist eine<br />

wichtige Strategie der „Letzten<br />

Generation“. Tabuthemen,<br />

wie Schüttaktionen auf Gemälde,<br />

sollen das erzeugen, was<br />

jede Protestbewegung nötig<br />

hat: Aufmerksamkeit. Denn der<br />

Kampf um das Kima ist mittlerweile<br />

längst auch ein Kampf um<br />

Aufmerksamkeit.<br />

„Arbeitslose Faulenzer“<br />

Grundsätzlich wünscht sich Max<br />

eine qualitative Berichterstattung<br />

über die Klimakrise. Die<br />

Leser:innen sollen weitgehend<br />

über die Wichtigkeit des Themas<br />

aufgeklärt und darüber informiert<br />

werden, wie sie sich engagieren<br />

können und welche Forderungen<br />

an die Politik gestellt<br />

werden. Max ist kritisch gegenüber<br />

der Art und Weise, wie die<br />

„Letzte Generation“ in manchen<br />

28


Medien dargestellt wird. Er hebt<br />

jedoch hervor, dass Qualitätsmedien<br />

wie ORF, „Die Presse“<br />

und „Der Standard“ eine reflektierte<br />

Berichterstattung bieten,<br />

während Boulevardmedien oft<br />

ein verzerrtes Bild zeichnen. Vor<br />

allem Leserbriefe über die Aktivist:innen<br />

seien oft sehr negativ<br />

und schüren das Bild von „arbeitslosen<br />

Faulenzern“, die die<br />

eigene Bevölkerung attackieren.<br />

Der 26-Jährige erklärt, er habe<br />

mittlerweile eine dicke Haut bekommen<br />

und könnte Beschimpfungen<br />

größtenteils ignorieren.<br />

„Wir machen alles, um niemanden<br />

zu gefährden, wir sind keine<br />

Terroristen“, erklärt er und betont,<br />

dass ihm negative Berichterstattung<br />

nichts ausmacht, solange<br />

es auch positive gibt.<br />

Sich mitten auf der Kreuzung<br />

hinsetzen und sich festkleben.<br />

Warten, bis die Polizei kommt.<br />

Die Wut der Autofahrer:innen<br />

zu spüren bekommen. Sich ablösen<br />

und wegtragen lassen.<br />

Doch auch danach ist der Weg<br />

des Aktivisten noch nicht zu<br />

Ende. Wenn die Autohupen verstummt<br />

sind und die Handys<br />

aus sind, geht es im Gerichtssaal<br />

um die eigene Freiheit und<br />

Zukunft. Mit dem Vorhaben, das<br />

österreichische Rechtssystem<br />

herauszufordern, ist sich auch<br />

Max der rechtlichen und persönlichen<br />

Risiken bewusst, die sein<br />

Engagement mit sich bringt. Bereits<br />

mehrere Gerichtsverhandlungen<br />

musste er durchlaufen<br />

und betont die zeitliche und finanzielle<br />

Belastung. Dennoch<br />

sieht er die Notwendigkeit, persönliche<br />

Konsequenzen in Kauf<br />

zu nehmen.<br />

Persönlicher Druck<br />

Max betont, dass konstruktive<br />

Kritik stets willkommen sei,<br />

jedoch stelle der Umgang mit<br />

Vorurteilen und der Stigmati<br />

sierung von Klimaaktivist:innen<br />

eine besondere Herausforderung<br />

dar. Auf der<br />

Straße bei den Protesten<br />

bekommt<br />

man als Aktivist:in<br />

viel Kritik zu spüren.<br />

Besonders belastend<br />

sind jedoch<br />

Ablehnungen im<br />

persönlichen Umfeld.<br />

Stolz erzählt<br />

der junge Mann allerdings,<br />

dass bereits<br />

einige seiner<br />

Freunde und sogar<br />

seine Familienmitglieder<br />

bei solchen<br />

Protesten dabei<br />

waren und sich<br />

für das Klima auf<br />

die Straße klebten.<br />

Trotz all seines Engagements,<br />

fühlt sich der Aktivist,<br />

als würde er nicht genug für<br />

das Klima tun: „Warum studiere<br />

ich überhaupt? Wie kann ich<br />

mein Leben normal weiterleben,<br />

wenn ich weiß, was mit unserem<br />

Planeten geschehen wird?<br />

Eigentlich sollte ich 40 Stunden<br />

jede Woche dafür arbeiten“, betont<br />

er. Er macht darauf aufmerksam,<br />

wie der Aktivismus<br />

sein ganzes Leben einnimmt. Er<br />

könne es einfach nicht mit seinem<br />

Gewissen vereinbaren und<br />

möchte die Warnung vor der Klimakatastrophe<br />

so laut es geht<br />

an die Bevölkerung bringen. Und<br />

genau diese Verantwortung, alles<br />

in seiner Macht Stehende zu<br />

tun, um die Katastrophe zu verhindern,<br />

führen zu persönlichem<br />

Druck.<br />

Besonders frustrierend ist für<br />

den 26-Jährigen die politische<br />

Lage. „Wir haben seit über 1.000<br />

Tagen kein Klimaschutzgesetz<br />

und das liegt an unserer Politik.“<br />

Mittlerweile ist auch klar, dass<br />

die Minimalforderungen nicht<br />

umgesetzt werden. Max macht<br />

darauf aufmerksam, dass die<br />

100 km/h-Grenze auf Autobahnen<br />

für viel mehr gestanden<br />

wäre als nur das halbe Prozent<br />

an CO2-Einsparung.<br />

Ließ zu Gunsten seines Studiums den Aktivismus hinter sich: Maximilian<br />

Schoissengeyer © Letzte Generation<br />

Aktionen sind verpufft<br />

Heute ist Max nicht mehr Teil<br />

des aktiven Protests der „Letzten<br />

Generation“. Hauptgrund<br />

dafür ist, dass er seinen Fokus<br />

wieder voll und ganz auf sein<br />

Studium legen möchte. Seinen<br />

Rückzug begründet er auch damit,<br />

dass sich das Potenzial, das<br />

er in der Protestbewegung anfangs<br />

sah, leider nicht erfüllt hat.<br />

Die Aktionen führen zu immer<br />

weniger Debatten und bewegen<br />

nicht genügend Menschen zu<br />

einem Umdenken. „Radfahren,<br />

vegetarisch sein und nicht mehr<br />

fliegen – das ist heutzutage einfach<br />

nicht mehr genug, um der<br />

Krise zu entkommen“, so Max.<br />

Die Zukunftswünsche des Studenten<br />

sind geprägt von der<br />

Hoffnung auf gesellschaftlichen<br />

Wandel und einen verantwortungsbewussten<br />

Umgang mit<br />

der Klimakrise. Auch erhofft<br />

er sich eine neue Protestbewegung,<br />

die noch schwerer zu<br />

ignorieren ist und die große<br />

Bürgerbeteiligung erreicht. Da<br />

würde er wieder mitmachen,<br />

um weiter einen wichtigen Beitrag<br />

zu einer lebenswerten Zukunft<br />

zu leisten.<br />

„Meine Mission für das Klima“<br />

29


Der „gute“ Klimajournalismus<br />

und die Jugend<br />

Junge Menschen sind mit schlechten Klima-Nachrichten überfordert, sagt Lisa Ladstätter vom<br />

Projekt „klimareporter.in“. Der Journalismus sei in der Verantwortung, Themen besser und konstruktiver<br />

aufzubereiten.<br />

von SABIR ANSARI<br />

Die Bandbreite des Klimajournalismus<br />

ist groß. Bei dem Projekt<br />

„klimareporter.in“ arbeiten junge<br />

Menschen für ein Informationsangebot,<br />

das vor allem auf ihre<br />

Altersgruppe zugeschnitten ist.<br />

Welche Hürden in ihrer Arbeit<br />

bestehen und welche Aspekte<br />

beachtet werden müssen, damit<br />

nachhaltig guter Klimajournalismus<br />

produziert werden kann,<br />

erzählt Lisa Ladstätter, Co-Leiterin<br />

von „klimareporter.in“.<br />

<strong>SUMO</strong>: Warum ist denn die Berichterstattung<br />

über das Thema<br />

Klima so polarisierend?<br />

Lisa Ladstätter: Das liegt ein<br />

bisschen in der Natur der Klimakrise<br />

an sich. Auf der einen Seite<br />

ist sie wahnsinnig präsent. Aber<br />

es ist kein Thema, das sich medienmäßig<br />

gut für Aufmacher<br />

eignet. Außer wenn es dann<br />

einmal ein Extremereignis gibt,<br />

zum Beispiel ein Hochwasser,<br />

dann hat man die Katastrophe<br />

als das Bild der Klimakrise. Aber<br />

an sich ist es schwer, denn die<br />

Krise hat keinen Neuheitswert.<br />

Daraus entstehen dann auch<br />

diese unterschiedlichen Erfassungen<br />

der Klimakrise, weil verschiedene<br />

Player etwas anderes<br />

daraus machen und dann für<br />

ihre Zwecke und Diskussionen<br />

instrumentalisieren.<br />

Welche Player sind das denn<br />

zum Beispiel?<br />

Ladstätter: Ich sehe hier die Medien<br />

immens in der Verantwortung,<br />

das Thema nicht zu überemotionalisieren.<br />

Wenn es zum<br />

Beispiel um die verschiedenen<br />

Protestformen geht, bei denen<br />

sich dann bestimmte Journalist:innen<br />

bemüßigt fühlen seitenweise<br />

darüber zu schreiben.<br />

Das ist alles Platz, wo es vermeintlich<br />

um die Klimakrise<br />

geht, sie dann aber eigentlich<br />

letzten Endes doch gar keinen<br />

Platz hat.<br />

Gibt es einen Grund, warum<br />

Medien dieses Thema so überemotionalisieren?<br />

Ladstätter: Ein Aspekt ist sicher<br />

der, dass sich viele darauf eingeschossen<br />

haben. Es ist ein<br />

Thema, das sich auch deswegen<br />

selbst verstärkt, weil eben schon<br />

so viel so emotional berichtet<br />

worden ist. Dabei bräuchte es<br />

diese Emotionalität gar nicht,<br />

um das Thema wichtig und groß<br />

zu machen. Aber polarisierende<br />

Überschriften verkaufen sich<br />

besser. Es ist eine sehr einfache<br />

Maßnahme, um eben Aufmerksamkeit<br />

für das eigene Medium<br />

zu erzeugen.<br />

Welche Rolle haben junge<br />

Menschen beim Thema Klimakrise<br />

und Klimaberichterstattung?<br />

Ladstätter: Ich würde sagen eine<br />

ganz wichtige, weil es die junge<br />

Generation ist, die die Krise<br />

am meisten betrifft und betreffen<br />

wird. Und deswegen ist die<br />

Klimaberichterstattung unter<br />

Jugendlichen eben ein ganz<br />

großes Thema und wird dementsprechend<br />

auch sicher zunehmen.<br />

Sorgen junge Menschen grundsätzlich<br />

dafür, dass das Thema<br />

Klima präsenter wird?<br />

Ladstätter: Auf alle Fälle ja.<br />

Schon alleine wegen den jahrelangen<br />

Freitagsprotesten. Diese<br />

gehen zum überwiegenden Teil<br />

auf die jungen Leute zurück, die<br />

sagen: „Hey, das ist wichtig.“ Das<br />

macht auf jeden Fall Hoffnung.<br />

Denn schlechte Klimanachrichten<br />

lassen einen selbst mit<br />

einem immensen Ohnmachtsgefühl<br />

zurück. Speziell für junge<br />

Leute auf Social Media, wo<br />

man ja dauernd mit schlechten<br />

Nachrichten konfrontiert wird.<br />

Deswegen sagen auch viele,<br />

sie rezipieren bewusst weniger<br />

Nachrichten, um sich dem nicht<br />

ständig auszusetzen.<br />

Was lässt sich Ihrer Meinung<br />

nach dagegen machen?<br />

Ladstätter: Ich sehe jene, die im<br />

Journalismus und speziell im<br />

Klimajournalismus tätig sind,<br />

in der Verantwortung, die Themen<br />

besser und konstruktiver<br />

aufzubereiten. Dass ich nach<br />

einem Artikel, in dem zwar faktisch<br />

alles stimmt, mir dann<br />

nicht denken muss: „Boah, also<br />

es schaut ziemlich schlecht aus<br />

und irgendwie kann ich nichts<br />

machen.“<br />

Wie sieht denn guter, konstruktiver<br />

Klimajournalismus<br />

aus?<br />

Ladstätter: Das ist unsere Bemühung<br />

bei „klimareporter.in“, dass<br />

wir konstruktiven Journalismus<br />

betreiben. Und da finde ich es<br />

ganz wichtig, immer Lösungswege<br />

aufzeigen und nie mit der<br />

Horrornachricht aufhören. Natürlich<br />

bringe ich zwar die unangenehmen<br />

Fakten, aber gleich-<br />

30


zeitig zeige ich auf, wo etwas<br />

verändert werden kann. Ganz<br />

wichtig ist, dass es im lokalen<br />

Bereich oft eigentlich schon Lösungen<br />

gibt, diese müssen dann<br />

eben aufgezeig werden.<br />

Gibt es noch andere Punkte,<br />

die beachtet werden müssen?<br />

Ladstätter: Ich finde es auch<br />

wichtig, die Klimakrise in jedem<br />

Artikel übergreifend mitzudenken.<br />

Die Klimakrise soll nicht<br />

immer das Hauptthema sein,<br />

sondern ein Aspekt in anderen<br />

Themenbereichen. Guter Journalismus<br />

hat eine Klimadimension.<br />

Social Media bringt im Vergleich<br />

zu traditionelleren Medien<br />

noch den Faktor von Algorithmen<br />

ins Spiel. Welchen<br />

Einfluss hat das beim Klimajournalismus?<br />

Ladstätter: Social Media ist für<br />

uns bei „klimareporter.in“ ein<br />

schwieriges Thema. Wir sind<br />

nämlich eine Online-Plattform<br />

und arbeiten deswegen viel auf<br />

Social Media, zum Beispiel auf<br />

Instagram. Dort haben wir damit<br />

zu kämpfen, dass wir keine<br />

konstante Reichweite besitzen.<br />

Auch Meldungen, dass uns die<br />

Schaltung von Werbung untersagt<br />

wird, sind uns nicht fremd.<br />

Leider ist uns unklar, was genau<br />

das Problem ist. Der große Vorteil<br />

ist dafür die Niederschwelligkeit.<br />

Soziale Netzwerke stehen im<br />

Moment aber vor allem wegen<br />

der einfachen Verbreitung von<br />

Fake News unter Kritik.<br />

Ladstätter: In Bezug auf Fake<br />

News passiert ja schon viel.<br />

Die fiesen Posts sind jene, die<br />

wahrheitsverzerrend sind, nicht<br />

die einfachen Lügen. Jene, die<br />

subtiler sind, verharmlosen<br />

und auf den ersten Blick nicht<br />

direkt erkennbar sind. Twitter<br />

(Anm.: mittlerweile „X“) ist ein<br />

Beispiel dafür, dass leider auch<br />

Rückschritte gemacht werden.<br />

Grundsätzlich besteht ein Bewusstsein,<br />

die Plattformen in<br />

die Verantwortung zu nehmen.<br />

Ich wünsche mir, dass das auch<br />

stärker in die Tat umgesetzt<br />

wird.<br />

Bei wem liegt denn die Verantwortung,<br />

wenn es um Klimajournalismus<br />

geht?<br />

Ladstätter: Die Verantwortung<br />

liegt natürlich schon bei den<br />

Journalist:innen, aber auf alle<br />

Fälle nicht nur bei ihnen. Viel<br />

Verantwortung tragen meiner<br />

Meinung nach die Ausbildungsinstitutionen,<br />

in denen Journalist:innen<br />

ausgebildet werden.<br />

Dort muss das Thema Klima<br />

bzw. der Klimajournalismus einfließen.<br />

Wenn es um die Unterbringung<br />

der Artikel geht, sind<br />

aber nicht nur Journalist:innen<br />

verantwortlich, sondern auch<br />

Medienunternehmen, damit<br />

jene Artikel Platz finden und veröffentlicht<br />

werden. Ein bisschen<br />

sehe ich die Verantwortung<br />

auch bei den Konsument:innen.<br />

Die Verantwortung kann aber<br />

nicht auf eine einzelne Gruppe<br />

abgewälzt werden. Freilich spielen<br />

alle eine Rolle und sind daran<br />

beteiligt.<br />

Wie muss sich die Berichterstattung<br />

im Klimajournalismus<br />

verbessern?<br />

Ladstätter: Wir leben in einer<br />

Zeit der multiplen Krisen. Es gibt<br />

ganz viele wichtige Themen und<br />

die Klimakrise ist eine davon.<br />

Andere Krisen werden in den<br />

Vordergrund kommen, und das<br />

ist auch ganz normal so. Wichtig<br />

ist nur, sich dann nicht einfach<br />

voll auf ein Thema zu stürzen,<br />

sondern die anderen Krisen,<br />

unter anderem auch die Klimakrise,<br />

nicht aus den Augen zu<br />

verlieren.<br />

Die Klimakrise soll sich also die<br />

Berichterstattung mit anderen<br />

Krisenthemen teilen?<br />

Lisa Ladstätter ist Co-Leiterin des Projektes klimareporter.<br />

in. Sie studiert internationale Rechtswissenschaften und engagiert<br />

sich ehrenamtlich als Journalistin. © privat<br />

Ladstätter: Die Klimakrise soll<br />

neben den anderen Krisen mitgedacht<br />

werden. Zum Beispiel<br />

wurde während der Corona-<br />

Pandemie berichtet, wie sich der<br />

fehlende Verkehr auf Städte, die<br />

Umwelt und das Klima ausgewirkt<br />

hat. Dann ist es nicht nur<br />

einfacher zu verdauen, sondern<br />

auch einfacher zu begreifen. Die<br />

Klimakrise ist nämlich sehr abstrakt.<br />

Durch das Verknüpfen mit<br />

anderen Themen wird sie greifbarer<br />

und leichter vorstellbarer.<br />

Und damit können wir ihren Einfluss<br />

in allen anderen Themengebieten<br />

aufzeigen.<br />

ZUR SACHE<br />

klimareporter.in ist ein<br />

Projekt, welches 2018 vom<br />

Verein CliMates Austria initiiert<br />

wurde und hat sich zum<br />

Ziel gesetzt, Klimajournalismus<br />

von jungen Menschen<br />

für junge Menschen zu produzieren.<br />

Diese Zielgruppe<br />

wird online (mehrheitlich über<br />

Social Media) erreicht. klimareporter.in<br />

ermöglicht es ,jungen<br />

Menschen mit journalistischem<br />

Interesse, sich im<br />

Klimajournalismus zu betätigen.<br />

Der „gute“ Klimajournalismus und die Jugend<br />

31


Klima im Wandel: Macht und<br />

Machtlosigkeit der sozialen Medien<br />

Social Media als „Schlachtfeld“ für die Verbreitung von Nachrichten über den Klimawandel: Doch<br />

welchen Einfluss üben Plattformen wie Facebook, X (vormals Twitter) und Co. auf unsere Wahrnehmung<br />

der Klimakrise aus? <strong>SUMO</strong> hat mit Mathias Neumayr, Digital Campaigner bei Greenpeace,<br />

sowie Fabian Bergner, Social Media-Experte und Gründer der Digital-Marketingfirma „Lux<br />

Fux“ über die Chancen und Risiken von sozialen Medien gesprochen.<br />

von NICOLE BOKUVKA<br />

Ein Leben ohne Smartphone<br />

und ohne Plattformen wie Instagram,<br />

Facebook oder TikTok?<br />

Für viele Menschen heutzutage<br />

unvorstellbar. Im Jahr 2023<br />

lag der Anteil der Menschen,<br />

die Nachrichten über Facebook<br />

rezipieren, weltweit bei rund<br />

28 Prozent - was die Plattform<br />

zum führenden Kanal für die<br />

Nachrichtenrezeption macht.<br />

Allerdings gewinnen neuere soziale<br />

Medien wie Instagram und<br />

TikTok rapide an Bedeutung. Der<br />

Reuters Institute Digital News<br />

Report 2023 ergab, dass bereits<br />

14 Prozent der Befragten wöchentlich<br />

Nachrichten über Instagram<br />

rezipieren, das ebenfalls<br />

zum Meta-Konzern von Mark<br />

Zuckerberg gehört. Und TikTok<br />

holt gerade in der jungen Zielgruppe<br />

massiv auf.<br />

„Social Media hat viele andere<br />

Medien ersetzt, die früher<br />

eine One-Way Kommunikation<br />

betrieben haben. Mit sozialen<br />

Plattformen kann man direkt<br />

mit Medienmacher:innen in Interaktion<br />

treten. Das war früher<br />

– etwa in einer Zeitung – nicht<br />

möglich, da hat man vielleicht<br />

einen Leserbrief schreiben können,<br />

aber das war‘s“, erzählt<br />

Fabian Bergner, Gründer des<br />

österreichischen Digitalmarketing-Unternehmens<br />

„Lux Fux“.<br />

Auch für den Klimajournalismus<br />

bietet dies neue Möglichkeiten.<br />

Durch Social Media ist<br />

es möglich, ein deutlich größeres<br />

Publikum zu erreichen und<br />

dieses über das Thema Klimawandel<br />

zu informieren und zu<br />

sensibilisieren. „Gerade ein aufgeladenes<br />

Thema wie Klimajournalismus<br />

sorgt auch für Diskussion.<br />

Ich finde es gut, dass<br />

dieser Austausch zwischen Social<br />

Media-Nutzer:innen ermöglicht<br />

wird - Für und Wider, man<br />

sieht unterschiedliche Seiten.<br />

Das macht das Thema präsent,“<br />

schätzt Bergner die Social Media-Kommunikation<br />

hier klar<br />

als Vorteil ein. Die sozialen Medien<br />

könnten auch dabei helfen,<br />

komplexe Themen verständlicher<br />

darzustellen. Es würden<br />

neue, kreative Ansätze geschaf-<br />

fen, wie beispielsweise<br />

Videos, Reels<br />

oder Infografiken,<br />

welche<br />

den Klimajournalist:innen<br />

gute<br />

Möglichkeiten bieten,<br />

das Thema<br />

anschaulich<br />

und nachvollziehbar<br />

darzustellen.<br />

Erfolgreiche<br />

Klima-<br />

Kampagnen<br />

Fabian Bergner / ©LUX FUX Media<br />

Mathias Neumayr / © Greenpeace<br />

Einer, der das aus der täglichen<br />

Praxis kennt, ist Mathias Neumayr,<br />

bei Greenpeace Österreich<br />

für die digitalen Inhalte zuständig.<br />

Er sagt: „Wir haben verschiedene<br />

Methoden, beispielsweise<br />

versuchen wir durch Infografiken,<br />

Informationen besser zu visualisieren.<br />

Ein anderes Beispiel<br />

sind Memes, die den Zynismus<br />

oder die Widersprüchlichkeit in<br />

einem Thema darstellen.“ So sei<br />

es möglich,<br />

eine jüngere<br />

Zielgruppe<br />

anzusprechen<br />

und deren<br />

Bewusstsein<br />

für das<br />

Thema Klimawandel<br />

zu schärfen.<br />

Für Organi-<br />

32<br />

© Adobe Stock


sationen wie Greenpeace bieten<br />

die sozialen Medien also neue<br />

Möglichkeiten, das Bewusstsein<br />

der Menschen für den Klimawandel<br />

zu schärfen und diese<br />

zu eigenem Engagement zu<br />

motivieren. Durch Beiträge und<br />

Appelle in den sozialen Medien<br />

schaffen es NGOs, eine deutlich<br />

größere Menge an Personen zu<br />

erreichen, als es noch vor ein paar<br />

Jahren der Fall war. Speziell in der<br />

jungen Zielgruppe hat sich durch<br />

Bewegungen wie „Fridays for<br />

Future“ eine Klima-Community<br />

gebildet, welche stark auf Social<br />

Media vertreten ist und gegen<br />

den Klimawandel ankämpfen<br />

möchte. Neumayr gibt ein Beispiel<br />

dafür: „Greenpeace hat als<br />

erste Organisation in Österreich<br />

im Jahr 2019 eine Verfassungsbeschwerde<br />

beim Verfassungsgerichthof<br />

eingereicht, wo es<br />

um die Ungleichbehandlung der<br />

Kerosinbesteuerung gegangen<br />

ist.“ Bei dieser Sammelklage hätten<br />

sich Greenpeace über 8.000<br />

Menschen angeschlossen. Aus<br />

seiner Sicht war die begleitende<br />

Social-Media-Kampagne - trotz<br />

letztlicher Ablehnung der Klage<br />

aus formalen Gründen - ein Erfolg.<br />

Die Kehrseite der Medaille<br />

Klingt doch alles ziemlich positiv.<br />

Doch auch soziale Medien haben<br />

ihre Schattenseite. Davor warnt<br />

Mathias Neumayr: „Dass es keinen<br />

Gatekeeper gibt, ist genauso<br />

Nachteil wie Vorteil. Es gab noch<br />

nie so viele Informationen wie<br />

jetzt. Es war noch nie so leicht,<br />

Falschinformationen zu verbreiten<br />

und sie wirken zu lassen, als<br />

wären sie echte Fakten. Und es<br />

bilden sich extreme Blasen und<br />

Echokammern, die sich gegenseitig<br />

aufbauschen.“ Das alles<br />

wird durch Algorithmen verstärkt,<br />

die es ermöglichen, die bevorzugten<br />

Themen und Beiträge der<br />

Nutzer:innen auf Social Media zu<br />

erkennen und dementsprechend<br />

die weiteren Inhalte, die der<br />

Person angezeigt werden, daran<br />

anzupassen. „Wir alle wissen,<br />

dass unser Gehirn auf negative<br />

und schockierende Nachrichten<br />

stärker reagiert als auf positive<br />

Nachrichten. Insofern ist es ein<br />

Risiko, dass Algorithmen eine<br />

bestimmte Richtung oder Tendenz<br />

verstärken,“ betont Marketingexperte<br />

Bergner.<br />

Ist man durch Algorithmen erst<br />

einmal in einer Blase gefangen,<br />

ist es oftmals schwer, die<br />

Realität von Falschnachrichten<br />

zu unterscheiden. In den Echokammern<br />

gibt es meist nur eine<br />

Meinung, und durch Algorithmen<br />

wird man mehr und mehr<br />

in dieser bestärkt. Dadurch bilden<br />

sich oft Verschwörungstheorien<br />

oder – im konkreten<br />

Fall – Gruppen von Klimaleugner:innen.<br />

Diese sind dann meist<br />

nur mehr schwer von den wissenschaftlich<br />

belegten Fakten<br />

zu überzeugen: Was in der Blase<br />

verbreitet wird, wird als „Wahrheit“<br />

angesehen.<br />

Der richtige Umgang mit<br />

Social Media<br />

In einer Welt der digitalen Nachrichtenüberflutung<br />

wird es entsprechend<br />

immer wichtiger,<br />

einen bewussten und wachsamen<br />

Umgang mit Meldungen<br />

auf Social Media zu schaffen.<br />

„Man sollte sich selbst im kritischen<br />

Denken und Reflektieren<br />

üben. Man muss sich klar darüber<br />

sein, dass man alles, auch<br />

wenn es noch so sehr die eigenen<br />

Werte und Vorstellungen<br />

bestätigt, hinterfragen sollte,“<br />

so Bergner. Von Bedeutung sei<br />

demnach auch, dass man nichts<br />

weiterverbreite, was man nicht<br />

selbst überprüft habe. Wenn<br />

man etwa nur eine Quelle zu<br />

einem Thema finde, sei die Gefahr<br />

groß, dass diese nicht stimme.<br />

Matthias Neumayr hat dafür<br />

einen Tipp parat: Man sollte<br />

bewusst auch nach dem Gegenteil<br />

einer These googeln, um zu<br />

wissenschaftlich belegten Fakten<br />

zu gelangen. Und: Auch der<br />

Journalismus sollte die Transparenz<br />

seiner Arbeitsweise erhöhen.<br />

Fabian Bergner dazu: „Was<br />

man als Journalist tun kann, um<br />

eine bessere Transparenz zu<br />

schaffen, ist, die Quellen offenzulegen:<br />

Wie ist man zu der Info<br />

gekommen und wie wurde sie<br />

verarbeitet? Auch sollte man<br />

mit einer gewissen Kritik an<br />

der eigenen Meldung arbeiten,<br />

bedeutet also, dass man nicht<br />

alles unreflektiert veröffentlichen<br />

sollte.“ Für beide Seiten gilt<br />

es also, mehr Verantwortung<br />

zu übernehmen. Sowohl Rezipient:innen<br />

als auch Medienmachende<br />

müssen sich an der<br />

Nase nehmen und auf Qualitätskriterien<br />

achten.<br />

Noch machtvollere<br />

Plattformen?<br />

Neue Technologien wie die<br />

Künstliche Intelligenz haben<br />

sich in enormer Geschwindigkeit<br />

entwickelt und werden sicherlich<br />

auch in Zukunft die Art, wie<br />

wir Social Media verwenden,<br />

verändern. „Ich glaube, dass in<br />

Zukunft noch schwieriger zu<br />

erkennen sein wird, was echt<br />

ist und was nicht. Gerade diese<br />

Entwicklungen im Machine<br />

Learning werden uns generell<br />

weiterbringen, aber man muss<br />

natürlich wie bei jeder Technologie<br />

schauen, dass es sich in<br />

die richtige Richtung entwickelt,“<br />

meint Mathias Neumayr. Auch<br />

Fabian Bergner blickt sowohl<br />

mit einem optimistischen als<br />

auch einem kritischen Auge in<br />

die Zukunft: „Die Nachrichtenflut<br />

wird sicher stärker werden.<br />

Ich glaube, dass die Plattformen-<br />

und Algorithmen-Macht<br />

zunehmen wird, weil aufgrund<br />

eben dieser Nachrichtenflut<br />

mehr gefiltert werden muss. Wir<br />

selbst haben ja nur eine geringe<br />

Aufmerksamkeitsspanne.“<br />

Klima im Wandel: Macht und Machtlosigkeit der sozialen Medien<br />

33


Alles sauber, alles grün?<br />

Nachhaltigkeit wird für Konsument:innen immer wichtiger. Viele Unternehmen stellen sich deswegen<br />

nachhaltiger dar, als sie eigentlich sind. So auch die Austrian Airlines in einem Fall, der<br />

gerichtsanhängig wurde. Von Greenwashing war die Rede. Aber was steckt eigentlich hinter dem<br />

Begriff?<br />

von HANNAH KONRAD & SOPHIA KOLLER<br />

Verurteilt wegen Greenwashings: Österreichs größte Fluglinie, die Austrian Airlines.<br />

© Heiner Rambold/Pixabay<br />

Der VKI (Verein für Konsumenteninformation)<br />

untersucht im<br />

Rahmen seines Greenwashing<br />

Checks seit 2021 regelmäßig<br />

grüne Versprechen von Unternehmen,<br />

Marken und Produkten.<br />

2022 verklagte er die<br />

Austrian Airlines wegen irreführender<br />

Werbung und gewann<br />

den Prozess. Die Fluglinie erhielt<br />

einen Unterlassungstitel und<br />

muss bei jedem weiteren Verstoß<br />

gegen das Urteil eine Geldbuße<br />

von bis zu 100.000 Euro<br />

pro Verstoß bezahlen. Der VKI<br />

ist zufrieden mit dem Ergebnis,<br />

die AUA akzeptierte das Urteil.<br />

Der Fall war im Herbst 2023<br />

medial überaus präsent. Worum<br />

ging es aber genau? Die AUA<br />

warb im Jahr davor mit einem<br />

Plakat, auf dem stand, dass man<br />

CO2-neutral von Wien nach Venedig<br />

fliegen könne. Mit dem<br />

Einsatz von 100 Prozent Sustainable<br />

Aviation Fuel (SAF) sei das<br />

möglich. SAF ist ein nachhaltiger<br />

Flugkraftstoff. Die AUA bot ihren<br />

Kund:innen an, über 50 Prozent<br />

vom Ticketpreis aufzuzahlen,<br />

damit man quasi CO2-neutral<br />

fliegen könne. Über den Aufpreis<br />

wurden Konsument:innen<br />

auf dem Werbeplakat aber nicht<br />

informiert. Aber nicht nur in diesem<br />

Punkt wurde nicht ausreichend<br />

informiert.<br />

Tatsächlich sind momentan keine<br />

Flüge technisch möglich, die<br />

nur mit SAF, also nachhaltigem<br />

Flugkraftstoff, betrieben sind.<br />

Kein Flugunternehmen kann<br />

zurzeit 100 Prozent SAF tanken,<br />

sondern nur einen kleinen<br />

Prozentsatz davon mit Kerosin<br />

mischen. Das tat auch die<br />

AUA. Aber nicht bei besagtem<br />

Flug. Wenn man den Aufschlag<br />

auf das Ticket bezahlte, wurde<br />

nicht der eigene Flug nachhaltig<br />

betankt, sondern ein späterer<br />

innerhalb der nächsten sechs<br />

Monate. Man konnte mit dem<br />

Aufpreis also nicht den eigenen<br />

CO2-Verbrauch kompensieren<br />

und wurde auch nicht darüber<br />

informiert, wie Barbara Bauer,<br />

Anwältin beim VKI, gegenüber<br />

<strong>SUMO</strong> erklärt. Ob die Austrian<br />

Airlines bewusst falsch informiert<br />

haben, sei aber nicht klar,<br />

bei einem Verstoß gegen das<br />

Gesetz des unlauteren Wettbewerbs<br />

(kurz UWG-Verfahren)<br />

gehe es auch nicht um den Vorsatz.<br />

Wettbewerbsrecht gegen<br />

Greenwashing-Methoden<br />

Rechtlich gibt es nämlich keine<br />

Definition von Greenwashing.<br />

Wenn ein Unternehmen Greenwashing<br />

betreibt, dann ist die<br />

einzige „rechtliche Waffe“ das<br />

34


Wettbewerbsrecht – die Klage<br />

wegen „irreführender Werbung“,<br />

so Bauer. „Greenwashing bezeichnet<br />

eine Sammlung aus<br />

verschiedenen PR- und Marketing-Methoden,<br />

mit denen<br />

Unternehmen sich selbst oder<br />

die Produkte, die sie vertreiben,<br />

umweltfreundlicher darstellen,<br />

als sie eigentlich sind“, ergänzt<br />

Raphael Fink, Umweltexperte<br />

beim VKI. Und: „Es gibt keine<br />

Belege, dass Greenwashing nur<br />

in bestimmten Branchen vorkommt,<br />

es ist tendenziell gleich<br />

verteilt. Wenn man es einschränken<br />

muss, dann kommt<br />

es eher in Branchen vor, wo<br />

den Konsument:innen Nachhaltigkeit<br />

besonders wichtig ist,<br />

zum Beispiel bei Lebensmitteln.<br />

Auch Branchen, die allgemein<br />

als „schmutzig“ gelten, wie beispielsweise<br />

die Brennstoffbranche“,<br />

so Fink auf die Frage, ob es<br />

in manchen Wirtschaftszweigen<br />

besonders häufig zu Greenwashing<br />

kommen würde.<br />

Unternehmensinternes<br />

Missverständnis?<br />

Doch warum kommt es ganz<br />

generell zu Greenwashing-Vorfällen?<br />

„Es ist immer wieder die<br />

Frage, ob ein Unternehmen sein<br />

Kerngeschäft prinzipiell schöner<br />

darstellen will, als es tatsächlich<br />

ist, oder ob es ein Fehler in der<br />

Kommunikations- und PR-Abteilung<br />

ist“, so Gabriele Faber-<br />

Wiener, renommierte CSR- und<br />

Kommunikationsexpertin bzw.<br />

Beraterin im <strong>SUMO</strong>-Gespräch.<br />

Ein Hauptgrund für derlei Fehler<br />

in der Marketingabteilung<br />

sei, wenn das Unternehmen<br />

eine extrem hohe Innensicht,<br />

eine „Ingroup-Bias“-Perspektive<br />

entwickelt habe. Dabei<br />

wird die Außenperspektive,<br />

vor allem bei großen Unternehmen,<br />

vernachlässigt. Es<br />

sei daher wichtig, dass Unternehmen<br />

Wesentlichkeitsanalysen<br />

machten, wodurch sie eine<br />

Außenperspektive und einen<br />

Realitätscheck bekommen. Die<br />

erste große Baustelle ist dabei<br />

meist die Kommunikation. Vor<br />

allem die interne Kommunikation<br />

ist einer der wichtigsten<br />

und zugleich komplexesten Abläufe<br />

in einem Unternehmen.<br />

Ein zentraler Ansatzpunkt, um<br />

Greenwashing zu verhindern,<br />

wäre daher meistens auch einfach<br />

nur mehr Zusammenarbeit<br />

zwischen den einzelnen<br />

Abteilungen, so die Expertise<br />

von Faber-Wiener. Ein weiterer<br />

Punkt betrifft die fehlenden<br />

strukturierten Reflexionsprozesse<br />

in Unternehmen. Es gebe<br />

zwar immer wieder Evaluierung<br />

von verschiedensten Abläufen,<br />

aber nicht unbedingt strukturiert<br />

während der Produktion,<br />

etwa eines Werbespots. Faber-<br />

Wiener sagt, dass zwar überlegt<br />

wird, wie die Zielgruppe erreicht<br />

werden könnte, allerdings<br />

mangle es oft an Überlegungen<br />

der Auswirkungen. Nicht nur die<br />

positiven, sondern auch negativen<br />

Konsequenzen eines Werbeprodukts<br />

sollten analysiert<br />

und dadurch verbessert werden.<br />

Raphael Fink / © VKI<br />

Neue Gesetze sollen<br />

Konsumenten schützen<br />

Gabriele Faber-Wiener / © privat<br />

Die aktuelle politische Debatte<br />

über Klimaschutz und Nachhaltigkeit<br />

zeigt, dass die Regierung<br />

große Schwierigkeiten hat,<br />

einen gemeinsamen Konsens<br />

(auch mit Unternehmen) zu<br />

finden. Freiwillige Verpflichtungen<br />

reichen nicht aus, da sie oft<br />

nicht eingehalten werden.<br />

Eine klare gesetzliche Regelung<br />

wird es freilich in Bälde geben.<br />

Eben wurde vom EU-Parlament<br />

eine Richtlinie beschlossen,<br />

die Konsumierende vor Greenwashing<br />

schützen soll. Die Umsetzung<br />

dieser EU-Richtlinie<br />

in nationale Gesetze ist innerhalb<br />

von zwei Jahren vorgesehen.<br />

Spätestens dann sollten<br />

sich Konsument:innen auch<br />

auf „Green Claims“ verlassen<br />

können. Expertin und Beraterin<br />

Gabriele Faber-Wiener bemerkt<br />

jetzt schon Veränderung - auch<br />

wenn das Gesetz wohl erst<br />

2026 in Kraft treten wird.<br />

Barbara Bauer / © privat<br />

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35


Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im<br />

Kampf gegen die Klimakrise<br />

Die Klimakrise ist nicht nur ein ökologisches Notstandsszenario, sondern auch eine gigantische<br />

Bildungsherausforderung. Während die Weltgemeinschaft ringt, die ehrgeizigen Ziele des Pariser<br />

Abkommens zu erreichen, wird klar: Die Transformation zu einer klimaneutralen EU bis 2050 ist<br />

ein Rennen gegen die Zeit. Wissenschaft und Sozioökonomie verflechten sich in dieser globalen<br />

Herausforderung, die nach sofortiger und nachhaltiger medialer Auseinandersetzung schreit.<br />

von LUCE FIDUCCIA<br />

Seit Anfang 2023 gibt es an<br />

der FH Joanneum in Graz einen<br />

Hochschullehrgang, der sich<br />

mit Nachhaltigkeitskommunikation<br />

und Klimajournalismus<br />

beschäftigt. Der Lehrgang zielt<br />

darauf ab, Journalist:innen und<br />

Kommunikator:innen auf einem<br />

akademischen Niveau Klimaund<br />

Nachhaltigkeitskompetenzen<br />

nahezubringen. Die Ausbildung<br />

dauert insgesamt zwei<br />

Studiensemester und beinhaltet<br />

bereits im ersten Abschnitt<br />

Seminare und Vorlesungen, die<br />

sich unter anderem mit naturwissenschaftlichen<br />

Grundlagen<br />

des Klimawandels, Ökologie und<br />

Artenvielfalt und weiteren Umweltwissenschaften<br />

befassen.<br />

Integrative Klimabildung:<br />

Ein Muss im Journalismus<br />

Der freischaffende Klimajournalist<br />

Lukas Bayer erläutert:<br />

„Es muss als Dimension in den<br />

Journalismus, genauso wie in<br />

die Ausbildung rein, die Klimakrise<br />

muss überall eine Rolle<br />

spielen und mitgedacht werden.“<br />

Die Klimakrise soll also als<br />

wesentlicher Bestandteil in der<br />

Ausbildung von Journalist:innen<br />

berücksichtigt werden. Laut<br />

ihm liege das größte Problem<br />

aber noch darin, dass solche<br />

Studiengänge zum größten Teil<br />

selbst finanziert werden müssen<br />

und nicht für alle zugänglich<br />

sind. Auch die Journalistin und<br />

Mitbegründerin des Netzwerks<br />

Klimajournalismus Deutschland,<br />

Lukas Bayer / © Marie Blank<br />

Sara Schurmann / © Julia Steinigewg/Brandstaetter-Verlag<br />

Sara Schurmann, vertritt eine<br />

ähnliche Meinung wie Bayer: „Es<br />

ist großartig im Vergleich zu allem,<br />

was wir bisher hatten. Viel<br />

besser wäre es, wenn es das gar<br />

nicht bräuchte. Und es bräuchte<br />

keinen Klimajournalismus-Master,<br />

wenn ich in meinem Grundstudium<br />

Politik und Soziologie<br />

gelernt hätte, was alles in unserer<br />

Gesellschaft mit der Klimakrise<br />

zu tun hat.“ Schurmann<br />

geht hier sogar noch einen<br />

Schritt weiter und sagt, dass es<br />

notwendig wäre, angesichts der<br />

Dringlichkeit der Krise die Thematik<br />

des Klimawandels in jedes<br />

Studium, in dem es relevant ist,<br />

inhaltlich einzubetten. So sollen<br />

vor allem auch Journalist:innen,<br />

die ein solches Studium absolviert<br />

haben, später davon profitieren<br />

und zu einer guten Berichterstattung<br />

beitragen.<br />

Sara Schurmann arbeitet mittlerweile<br />

schon seit 14 Jahren<br />

als Journalistin und sagt von<br />

sich selbst, sie hätte die ersten<br />

zehn Jahre ihres Werdegangs<br />

„thematisch nichts mit Klima<br />

am Hut gehabt.“ Heute ist sie<br />

maßgeblich an Schulungen und<br />

Workshops, unter anderem in<br />

Zusammenarbeit mit dem Netzwerk,<br />

beteiligt. Laut Schurmann<br />

sind solche akademischen Lehrgänge<br />

wie in Graz durchaus ein<br />

Fortschritt, aber in Anbetracht<br />

der aktuellen Situation müssten<br />

zusätzlich noch weitere Maßnahmen<br />

ergriffen werden, um<br />

insbesondere aktive Journalist:innen<br />

weiterzubilden. Im Interview<br />

meint sie: „Aber jetzt auf<br />

die Ausbildung von angehenden<br />

Journalist:innen zu setzen, wird<br />

diese Krise nicht schnell genug<br />

lösen.“ Was wir brauchen, ist<br />

eine flächendeckende Fortbildung<br />

von jetzt aktiven Redakteur:innen.<br />

Netzwerke gegen die Klimakrise:<br />

Wie Schulungen die<br />

Berichterstattung<br />

revolutionieren<br />

Das Netzwerk Klimajournalismus,<br />

in dem sowohl Schurmann<br />

in Deutschland als auch<br />

Bayer in Österreich tätig sind,<br />

fördert den Austausch unter<br />

Journalist:innen zu Themen<br />

der Klimakrise. In Deutschland<br />

wird aktuell an sogenannten<br />

„In-House-Trainings“ gearbeitet.<br />

Schulungen im Rahmen<br />

von Redaktionsbesuchen, die<br />

„5 vor 12“-Workshops und Onboarding-Newsletter<br />

sollen eine<br />

gute Klimaberichterstattung<br />

36


fördern. Bei der österreichischen<br />

Partnerorganisation wurde<br />

2023 zusätzlich ein Kodex<br />

erarbeitet, welcher eine Leitlinie<br />

für gute Klimaberichterstattung<br />

in Redaktionen vorgeben soll.<br />

Beide Medienschaffende sind<br />

der Meinung, dass es noch viel<br />

intensiverer Weiterbildung bedarf.<br />

„Klima klingt erst mal vielleicht<br />

nur nach einem Thema,<br />

aber bei jedem Beispiel gibt es<br />

so viele Nuancen und es ist einfach<br />

ein komplexes System, das<br />

größer ist als seine Einzelteile<br />

und deswegen braucht man<br />

sehr viel übergreifendes Wissen,“<br />

so Bayer.<br />

Laut Schurmann vernachlässigen<br />

die großen Medienhäuser<br />

die Gefahren des Klimawandels,<br />

besonders in der Berichtserstattung,<br />

etwa über Subventionsprogramme<br />

in der Coronakrise.<br />

In ihren Workshops legt sie den<br />

Finger in die Wunde: „Viele Journalist:innen<br />

sind sich der aktuellen<br />

Lage nicht vollends klar.<br />

Zuerst soll verstanden werden,<br />

wo wir gerade in der Klimakrise<br />

stehen und anschließend, warum<br />

das nicht immer vollkommen<br />

im Bewusstsein der Journalist:innen<br />

ist. Die allgemeine<br />

Aufklärung über die akute Lage<br />

stellt eine Art Barriere dar.“ Und:<br />

„Wenn ich ihnen praktisch nur<br />

erkläre, so akut ist diese Krise,<br />

dann hast du als Journalistin<br />

erstmal so eine gewisse Hürde,<br />

weil als Journalist:in nimmst<br />

du an, dass du halbwegs weißt,<br />

wie akut die Krisen dieser Welt<br />

sind. Schließlich ist es dein Job,<br />

das anderen Leuten zu erklären.“<br />

Der Grund für den Mangel an<br />

Wissen bezüglich der Klimakrise<br />

liege, so Schurmann, darin, dass<br />

Wissen und Dringlichkeit der Situation<br />

in der Ausbildung nicht<br />

ausreichend vermittelt würden.<br />

Aus diesem Grund sei es auch<br />

wichtig, die Angebote der Netzwerke<br />

zu nutzen.<br />

Die Workshops sind teils aus<br />

Stiftungsgeldern finanziert, was<br />

sie noch zugänglicher<br />

für die Medienhäuser<br />

macht.<br />

Das Engagement<br />

des Netzwerks<br />

soll darauf abzielen,<br />

dass Klima<br />

als Querschnittsthema<br />

in der Berichterstattung<br />

überall dort integriert wird, wo<br />

es relevant ist. Es soll nicht nur<br />

in speziellen Klimabeiträgen,<br />

sondern als Teil der demokratischen<br />

Öffentlichkeit in allen medialen<br />

Berichten von der Lokalzeitung<br />

bis zu Qualitätsmedien<br />

berücksichtigt werden, ähnlich<br />

der Berichterstattung während<br />

der Anfangsphase der Corona-<br />

Krise. Dabei geht es aber nicht<br />

darum, jeden Beitrag zu einem<br />

Klimabeitrag zu machen, sondern<br />

darum, die klimabezogenen<br />

Auswirkungen und Zusammenhänge<br />

angemessen und<br />

kontextbezogen zu erwähnen.<br />

Ein ewig negativer Kreislauf<br />

und trotzdem Hoffnung<br />

Wenn Bildungseinrichtungen<br />

wie Universitäten die Klimakrise<br />

nicht in ihre Lehrpläne integrieren,<br />

fehlt Journalist:innen freilich<br />

oft das nötige Wissen über<br />

das Thema. Da eben diese aber<br />

wichtige Informationsquellen<br />

für die Gesellschaft sind, bleibt<br />

auch die breite Öffentlichkeit<br />

unzureichend informiert. Ohne<br />

ausreichendes Wissen über die<br />

Dringlichkeit des Klimawandels<br />

werden nicht genügend Maßnahmen<br />

ergriffen, um ihn zu<br />

bekämpfen, was negative Auswirkungen<br />

auf unseren Planeten<br />

hat. So befinden wir uns in<br />

einem ewig negativen Kreislauf.<br />

Trotz vieler Schwierigkeiten<br />

sehen sowohl Bayer als auch<br />

Schurmann positive Entwicklungen<br />

in der Berichterstattung<br />

über die Klimakrise. Diese wurde<br />

vermutlich auch dank der Bemühungen<br />

der Netzwerke angestoßen.<br />

Bayer, der in Österreich bei<br />

der Organisation vor allem für<br />

Koordination und Außenkommunikation<br />

verantwortlich ist,<br />

äußert sich so dazu: „Es fällt auf,<br />

dass in den meisten Medien mit<br />

Qualitätsanspruch zum Beispiel<br />

Hitzewellen kaum mehr mit Badebildern<br />

oder Frauen in Bikinis<br />

bebildert werden. Das war vor<br />

zwei Jahren noch sehr oft der<br />

Fall. „Dass die Klimakrise wichtig<br />

und eben eine menschengemachte<br />

Krise ist, das werde<br />

wahrgenommen und dem werde<br />

auch mit entsprechenden<br />

Ressorts und neuen Klimaformaten<br />

Rechnung getragen.<br />

Bayer: „Wir sehen auch, dass bei<br />

Extremwettern immer öfter die<br />

Verbindung zum Klimawandel<br />

gezogen wird.“ Auch Schurmann<br />

erkennt einen Wandel zum Positiven.<br />

Gespräche über die Krise<br />

könne man heutzutage viel tiefer<br />

und informierter führen als<br />

noch vor wenigen Jahren. Auch<br />

die Zunahme an fundierten Berichten<br />

sei auffällig.<br />

In einer Welt, die am Rande klimatischer<br />

und sozialer Kipppunkte<br />

steht, zeichnet sich in<br />

den Redaktionen zumindest<br />

Veränderung ab. Die Hoffnung<br />

wächst, dass das Bewusstsein<br />

für die Klimakrise und die Notwendigkeit<br />

von Schulungen für<br />

Medienschaffende zur Norm<br />

werden. Journalismus ist ein<br />

wirksamer Hebel für Veränderung.<br />

Es geht nicht nur um eine<br />

Anpassung, sondern um eine<br />

grundlegende Neuausrichtung<br />

- weg von Schnelligkeit, hin zu<br />

Qualität und gründlicher Recherche.<br />

© Adobe Firefly<br />

Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im Kampf gegen die Klimakrise<br />

37


Schnee von gestern? Wie der Klimawandel den<br />

Wintersport und die Medienberichterstattung<br />

ins Schwitzen bringt<br />

Über die mediale Präsenz von Sportarten, die in Anbetracht der Klimakrise immer unverantwortbarer<br />

werden. Ein Gespräch mit Gletscher- und Klimaforscher Georg Kaser und ORF Sport-<br />

Chefregisseur Michael Kögler.<br />

von ANNA-MARIA GFRERER<br />

Jänner 2023, Bad Leonfelden in<br />

der Nähe von Linz. Das Familienskigebiet<br />

Sternstein stellt<br />

seinen Betrieb für diese Saison<br />

ein. Grund dafür sind die warmen<br />

Temperaturen und der damit<br />

ausbleibende Schnee. Ein<br />

Problem, mit dem zu dieser Zeit<br />

fast ganz Österreich kämpft.<br />

Nicht nur alle namhaften Tageszeitungen<br />

in Österreich thematisieren<br />

dieses Problem, auch<br />

die großen Printmedien "Republica"<br />

in Italien und "LeMonde"<br />

in Frankreich berichten von ähnlichen<br />

Zuständen in ihren Ländern.<br />

Der Klimawandel scheint<br />

nun doch vermehrt den Wintersport<br />

in die Bredouille zu bringen.<br />

Diese Umstände scheinen<br />

dem Skizirkus jedoch keinen Abbruch<br />

zu tun. Dort werden unter<br />

enormen Wasser- und Energieaufwand<br />

weiße Schneebänder<br />

in die grüne Landschaft gelegt.<br />

Der Wettstreit um die Kristallkugeln<br />

wird mit Euphorie in alle<br />

Wohnzimmer Österreichs übertragen<br />

und die Einschaltquoten<br />

explodieren (wie immer).<br />

Es erweckt den Anschein, als<br />

würde man einen Sport, der in<br />

Anbetracht der Klimakrise nicht<br />

mehr rechtfertigbar ist, künstlich<br />

am Leben erhalten. Wie<br />

steht es also um die Zukunft des<br />

Skisports? Und ist es noch vertretbar,<br />

dass Medien aktiv zu<br />

diesem immer ressourcenintensiveren<br />

Spektakel beitragen und<br />

sogar davon profitieren?<br />

Die DNA der österreichischen<br />

Bevölkerung<br />

Der Klimawandel stellt den Skizirkus,<br />

wie wir ihn bisher kennen,<br />

vor eine prekäre Situation.<br />

Der Wintersport gehört in einer<br />

gewissen Weise zur DNA der<br />

Österreicher:innen. Sportarten<br />

wie Skifahren, Skispringen,<br />

Biathlon und viele mehr sind<br />

gemessen am Publikumsinteresse<br />

die stärksten Sportübertragungen<br />

im Programm des<br />

ORF. Dabei dominieren Skiveranstaltungen<br />

das Ranking der<br />

quotenstärksten Sendungen im<br />

Jahr. Das Night Race in Schladming<br />

begeistert beispielsweise<br />

jährlich zwischen 1,7 und 1,9<br />

Millionen Zuschauer, berichtet<br />

Sport-Chefregisseur Michael<br />

Kögler. Verglichen mit anderen<br />

Ländern sei das Interesse der<br />

österreichischen Bevölkerung<br />

in diesem Bereich immens. Der<br />

alpine Wintersport stellt neben<br />

Fußball und Formel 1 eines der<br />

Kernprodukte der Sportredaktion<br />

dar.<br />

Kein Skisport ohne Schnee<br />

„In meiner Jugend hat es den Klimawandel<br />

noch nicht gegeben.<br />

Nicht weil niemand darüber geredet<br />

hat, sondern weil er in den<br />

60er Jahren noch nicht stattgefunden<br />

hatte. Es gab zwar<br />

so kurzzeitige Schwankungen<br />

im Klima, aber nicht den Wandel,<br />

den wir Menschen verursachen,“<br />

erzählt Georg Kaser,<br />

der seit Jahrzehnten in der Gletscher-<br />

und Klimaforschung tätig<br />

ist. Erst Ende der 80er Jahre<br />

seien messtechnisch die ersten<br />

Anzeichen sichtbar geworden.<br />

Mittlerweile sei der Klimawandel<br />

omnipräsent und zwar nicht<br />

als neuer Zustand, sondern als<br />

bedenklicher Anstieg in Richtung<br />

äußerst problematischer<br />

Erderwärmungswerte. „Fast<br />

täglich kann man von neuen<br />

38<br />

© Adobe Stock


Naturkatastrophen rund um die<br />

Welt lesen, über manche schreiben<br />

die Medien schon gar nicht<br />

mehr. Waldbrände, Dürreperioden,<br />

schwere Niederschläge,<br />

Stürme und im Hintergrund vor<br />

allem der Meeresspiegelanstieg.<br />

Wir sind nicht nur mitten in diesem<br />

Wandel, sondern dieser<br />

Wandel hat mittlerweile einen<br />

Krisenstatus erreicht,“ so Kaser.<br />

Durch die tendenziell konstant<br />

ansteigenden Temperaturwerte<br />

werde die Nullgrad-Grenze<br />

im Herbst später erreicht und<br />

im Frühling früher überschritten.<br />

Daraus resultiere, dass der<br />

Schnee in niedrigen Lagen und<br />

zum Winter hin immer später<br />

kommt und zum Frühling hinaus<br />

immer früher zurückgeht.<br />

Die schwarze Seite des<br />

weißen Geschäfts<br />

Auch heuer startete der Skiweltcup<br />

Ende Oktober in Sölden.<br />

Kögler zufolge begann der Skizirkus<br />

ursprünglich erst Anfang<br />

Dezember im französischen<br />

Val-d’Isère. Dieses Wettkampfwochenende<br />

blieb bis heute<br />

terminlich unverändert, jedoch<br />

wurden in der Zwischenzeit<br />

zahlreiche Stationen, wie Levi,<br />

Sölden oder Beaver Creek davor<br />

in den Kalender aufgenommen.<br />

Kaser führt dies auf die Kommerzialisierung<br />

des Skisports<br />

zurück, denn aus marktwirtschaftlicher<br />

Perspektive sei es<br />

von Interesse, auf die neuesten<br />

Sportartikel noch vor Weihnachten<br />

aufmerksam zu machen.<br />

Laut Kögler wiederum konkurriert<br />

der Wintersport in der Medienpräsenz<br />

mit anderen populär<br />

Sportarten wie Formel 1 und<br />

Fußball. Deren Wettkampfkalender<br />

dehnen sich kontinuierlich<br />

immer weiter über das Jahr<br />

aus, wodurch die Bühne des<br />

Wintersports gefährdet werde.<br />

Seiner Meinung nach ist die laute<br />

öffentliche Kritik am frühen<br />

Start des Skiweltcups, wie er<br />

auch heuer wieder Schlagzeilen<br />

machte, nicht ganz gerechtfertigt.<br />

Geht es nach Georg Kaser,<br />

ist die Diskussion rund um<br />

die Klimafolgen des Skisports<br />

sehr emotional aufgeladen. Es<br />

werde nicht rational, sondern<br />

emotional diskutiert und dabei<br />

auf die eigentlichen Probleme<br />

vergessen. So ziehen vor allem<br />

die oft kritisierten künstlichen<br />

Beschneiungstechniken einen<br />

hohen Energie- als auch Wasserverbrauch<br />

nach sich. Auch<br />

der Betrieb von Liftanlagen trägt<br />

einen erheblichen Teil zum CO2-<br />

Fußabdruck bei. Viel ausschlaggebender<br />

ist jedoch der mit dem<br />

Wintersport einhergehende Individualverkehr,<br />

wo Unmengen<br />

an CO2 ausgestoßen werden.<br />

Wintersport 2.0<br />

Laut Kaser werde es in Zukunft<br />

durchaus einzelne schöne Winter<br />

geben, aber im Großen und<br />

Ganzen werde sich der Winter<br />

auf eine Kernzeit - von Ende<br />

Dezember bis Ende Februar<br />

beziehungsweise Anfang März<br />

- und auf immer höhere Lagen<br />

beschränken. Bemühungen,<br />

den Wintersport nachhaltig zu<br />

transformieren, werden deshalb<br />

bereits unternommen. Viele Skigebietsbetreiber<br />

haben ihr eigenes<br />

Kleinkraftwerk und gewinnen<br />

daraus den Strom für die<br />

lokale Beschneiung. Auch beim<br />

Betrieb von Pistengeräten wird<br />

bereits vermehrt auf alternative<br />

Antriebe wie Wasserstoff oder<br />

Biodiesel gesetzt. Um jedoch<br />

eine maßgebende Trendwende<br />

zu erreichen, ist die weitere<br />

Implementierung nachhaltiger<br />

Innovationen notwendig. Weitere<br />

Möglichkeiten: Der Start der<br />

Skisaison soll zumindest einen<br />

Monat später angesetzt werden<br />

und auch eine Reduktion der<br />

Skirennen wäre überlegenswert.<br />

Michael Kögler zufolge macht es<br />

relativ wenig Sinn, dass der Skizirkus<br />

zweimal in der Saison von<br />

Georg Kaser / © Daniela Brugger DSC<br />

Europa nach Amerika wechselt.<br />

Der Skiweltcup selbst bemüht<br />

sich bereits, nachhaltiger zu<br />

arbeiten. So sei die Nachhaltigkeit<br />

bei den Produktionen in<br />

den vergangenen Jahren stark<br />

gestiegen. Die Anreise erfolgt<br />

größtenteils mit Elektroautos,<br />

der Bahn oder auch in Gruppen.<br />

Auch der ORF habe schon seine<br />

gesamte Autoflotte auf Elektro<br />

umgestellt und es werde<br />

bei jeder Produktion auf „Green<br />

Producing“ geachtet. „Es gibt<br />

überall Vorbilder, die versuchen,<br />

die Prozesse nachhaltiger zu<br />

gestalten und zu verbessern.<br />

Das muss auch unser aller gemeinsames<br />

Ziel sein, um den<br />

Planeten zu schützen und diesen<br />

weiterhin lebenswert zu<br />

erhalten,“ so Kögler. „Dass da<br />

ein CO2-Fußabdruck anfällt,<br />

steht außer Zweifel, denn der ist<br />

einfach da, das bringen solche<br />

Events mit sich. Aber da wird<br />

schon sehr viel reduziert im Vergleich<br />

zu vor zehn Jahren,“ stellt<br />

der ORF-Chefregisseur fest.<br />

Klima- und Gletscherforscher<br />

Georg Kaser ist dennoch überzeugt:<br />

„Die eskalierende Klimakrise<br />

wird höchstwahrscheinlich<br />

das Ende des Skisports in<br />

seiner derzeitigen Form bedeuten.<br />

Aber jeder kann und muss<br />

etwas tun. Pessimismus ist<br />

kontraproduktiv, unreflektierter<br />

Optimismus genauso.“ Die<br />

ganze Erde sei unser Lebensraum<br />

und wir müssten darauf<br />

achten, was uns dieser vorgibt.<br />

„Natürlich werden wir dann als<br />

Gesellschaft auf vieles verzichten<br />

müssen, aber es sollte unser<br />

gemeinsames Ziel sein, unseren<br />

Planeten zu schützen.“<br />

Michael Kögler / © Thomas<br />

Ramstorfer ORF<br />

Schnee von gestern? Wie der Klimawandel den Wintersport und die Medienberichterstattung ins Schwitzen bringt<br />

39


Zukunft Pink: Zwischen medialen<br />

Rollenbildern und der Realität<br />

Was Diversität und Gender mit der Klimakrise zu tun haben.<br />

von ALICE APOLLONER<br />

Auf der Titelseite: Greta Thunberg.<br />

Mit ernster Mimik hält sie<br />

eine Ansprache auf einer Klima-<br />

Demonstration. Zwei, drei Seiten<br />

später: Eine Klimaaktivistin<br />

mit neon-oranger Warnweste<br />

und knallig gefärbten Haaren<br />

ist gerade dabei, sich mit Sekundenkleber<br />

auf eine stark befahrene<br />

Straße zu kleben. Noch<br />

ein paar Seiten weiter: Zwei junge,<br />

weiße Frauen, die aus Protest<br />

eine Dose Tomatensuppe<br />

über ein bekanntes Kunstwerk<br />

schütten. Diese Bilder haben<br />

eine Gemeinsamkeit: Sie alle<br />

verkörpern die stereotypische<br />

Darstellung von Klimaaktivismus<br />

in den Medien.<br />

Rollenbilder haben die Macht,<br />

positive Vorbilder zu schaffen,<br />

Menschen mit inspirierenden<br />

Geschichten zu motivieren und<br />

ganze Generationen dazu ermutigen,<br />

selbst aktiv im Umweltschutz<br />

zu werden. Doch<br />

hat die stereotype Darstellung<br />

im Klimajournalismus auch eine<br />

Schattenseite: Klimaaktivist:innen<br />

sind nicht immer weiß,<br />

jung und weiblich. Die Unterrepräsentation<br />

von Diversität<br />

und Gender in den Medien läuft<br />

Gefahr, nur einen Bruchteil der<br />

Realität abzubilden und soziale<br />

Ungleichheiten zu verstärken.<br />

Von indigenen Völkern, Menschen<br />

aus dem globalen Süden<br />

bis hin zu „Klimaseniorinnen“<br />

in der Schweiz – die Vielfalt<br />

der Hautfarbe, des Alters, des<br />

Geschlechts und des Einkommens<br />

von Klimaaktivist:innen<br />

auf unserem Planeten könnte<br />

unterschiedlicher nicht sein.<br />

Ein bewusstes Augenmerk auf<br />

eine diverse Darstellung von<br />

Minderheiten statt Stereotypen<br />

im Klimajournalismus zu legen,<br />

könnte dazu beitragen, ein inklusiveres<br />

Bild zu schaffen, das<br />

Vorurteile widerlegt und eine<br />

Grundlage dafür schafft, dass<br />

sich alle Leser:innen angesprochen<br />

fühlen.<br />

Zusammenspiel von Klimaund<br />

Gendergerechtigkeit<br />

Doch woher kommt das Rollenbild<br />

der Frau im Zusammenhang<br />

mit Klimaangelegenheiten?<br />

Die Klimaexpertinnen<br />

Marianne Dobner und Nicole<br />

Katsioulis des Wiener Vereins<br />

„Hallo Klima!“ sprechen in<br />

ihrem Workshop „Klimakrise<br />

und Geschlechtergerechtigkeit:<br />

Retten Frauen die Welt?“ über<br />

ein enges Zusammenspiel von<br />

Klima- und Gendergerechtigkeit,<br />

welches nicht außer Acht<br />

gelassen werden darf, wenn<br />

Rollenbilder im Klimaaktivismus<br />

zur Sprache kommen. Laut Dobner<br />

und Katsioulis hängt die erhöhte<br />

weibliche Beteiligung am<br />

Kampf für unsere Umwelt damit<br />

zusammen, dass Frauen unter<br />

dem Strich mehr unter den Auswirkungen<br />

der Klimakrise leiden<br />

als ihre männlichen Pendants.<br />

Frauen auf der ganzen Welt leiden<br />

nämlich unter dem sogenannten<br />

„Eco Gender Gap“ – ein<br />

Strukturfehler in einem kapitalistischen<br />

System. Dass Frauen<br />

den Großteil der unbezahlten<br />

Care-Arbeit in Form von Altenpflege,<br />

Erziehung der Kinder<br />

oder Hausarbeit erledigen, wird<br />

laut den Klimaexpertinnen von<br />

Hallo Klima! in unserem System<br />

der Vollzeitarbeit nicht berücksichtigt.<br />

Auch unter den Auswirkungen<br />

des Klimawandels in Form von<br />

katastrophalen Überschwemmungen<br />

oder extremer Hitze,<br />

leiden Frauen – insbesondere<br />

im globalen Süden – stärker.<br />

Aufgrund von traditionellen<br />

Rollenbildern und fehlenden<br />

Schwimmkenntnissen retten sie<br />

bei Überflutungen zuerst ihre<br />

Kinder und die hilfsbedürftigen<br />

Ältesten der Familie, bevor sie<br />

an sich denken. Auch die pralle<br />

40<br />

© Adobe Firefly


Hitze wird den Frauen, die um<br />

Lohn auf Baumwollplantagen<br />

arbeiten – kaum ausreichend,<br />

um die Familie zu ernähren – bei<br />

der körperlichen Feldarbeit zum<br />

Verhängnis.<br />

Im Workshop von Hallo Klima!<br />

fällt auch der Begriff „Petro Masculinity“.<br />

Dieser leitet sich von<br />

„petrochemischer Industrie“ ab<br />

und beschreibt den Zusammenhang<br />

von Männlichkeit und der<br />

globalen, wirtschaftlichen Abhängigkeit<br />

von fossilen Brennstoffen.<br />

„Petro Masculinity bedeutet,<br />

dass fossile Brennstoffe für<br />

manche Männer mehr sind als<br />

nur Profit, sondern dass über<br />

dieses Thema auch ihre Identitäten<br />

gebildet werden“<br />

Marianne Dobner<br />

Verein Hallo Klima!<br />

So sei es für die Identität von<br />

„richtig männlichen“ Männern<br />

selbstverständlich, dass sie gerne<br />

ein schnelles Auto fahren, das<br />

viel CO2 ausstößt, sie in männlich<br />

dominierten Bereichen arbeiten,<br />

die oftmals in der petrochemischen<br />

Industrie sind und<br />

daher mit viel Risiko verbunden,<br />

oder, dass nur Fleisch auf den<br />

Griller komme. Ein vegetarischer<br />

oder gar veganer Ernährungsstil<br />

würde in diese Selbstwahrnehmung<br />

nicht hineinpassen. Das<br />

Thema Gender und Klima ist laut<br />

Dobner und Katsioulis – insbesondere<br />

in der tagesaktuellen<br />

Medienberichterstattung – eine<br />

Herausforderung, da in der Berichterstattung<br />

meist nur tagesaktuell<br />

auf das Jetzt und vor<br />

Ort reagiert wird und das seien<br />

meist Extremwetterereignisse.<br />

Es gäbe nur wenige Reportagen<br />

über die Zusammenhänge,<br />

grundlegenden Verbindungen<br />

oder Porträts von betroffenen<br />

Minderheiten. „Es gibt ganz klar<br />

Geschlechterzuschreibungen<br />

in der Klimaberichterstattung:<br />

Frauen im Zusammenhang mit<br />

Natur, Hysterie und Klimakrise<br />

– während Männer beim Thema<br />

Klimakrise erhaben und mit<br />

technologischen Lösungen, um<br />

es stereotypisch zu sagen, dargestellt<br />

werden,“ so Marianne<br />

Dobner.<br />

Medien bevorzugen oft<br />

weibliche „Role Models“<br />

Barbara Huemer, Landtagsabgeordnete,<br />

Sprecherin für<br />

Gesundheit und Pflege der Grünen<br />

und ehemalige Frauensprecherin<br />

der Grünen Frauen Wien,<br />

beleuchtet in einem Interview<br />

auch die Folgen der Klimakrise<br />

für Frauen in Städten wie Wien<br />

und warum sich diese daher<br />

verstärkt im Klimaaktivismus<br />

einsetzen. Huemer zufolge trifft<br />

Frauen im Stadtklima die extreme<br />

Hitze der Klimaerwärmung<br />

stärker, da Frauen aufgrund<br />

der ökonomischen Verhältnisse<br />

nachweislich einkommensschwächer<br />

sind als Männer und<br />

daher in schlechteren Wohngegenden<br />

leben, die ohne viel Grün<br />

einer Hitze-Insel gleichen.<br />

„Ich glaube, dass das wirklich<br />

nicht nur eine Darstellung in<br />

den Medien ist, sondern eine<br />

Realität – dass Klimaaktivistinnen<br />

häufig Frauen sind und<br />

dass eine junge Generation<br />

da keine Scheu hat die erste<br />

Reihe zu besetzen, dort aufzustehen<br />

und zu sprechen.<br />

Dass sich Frauen nicht hinten<br />

anstellen, sondern ganz im<br />

Gegenteil, hier eine junge,<br />

selbstbewusste Frauengeneration<br />

für ihre Rechte und<br />

Zukunft eintritt“<br />

Barbara Huemer<br />

Grüne<br />

Rollenbilder in der Klimakrise, so<br />

betont Huemer, seien weiterhin<br />

ein Hindernis für eine verstärkte<br />

Beteiligung von Männern am<br />

Klimaaktivismus. Dies könnte an<br />

Nicole Katsioulis / © privat<br />

Marianne Dobner / © privat<br />

Babara Huemer / © privat<br />

historischen Vorbildern wie der<br />

Öko-Feminismus-Bewegung<br />

der 1970er-Jahre liegen, wo<br />

Frauen bereits eine Verbindung<br />

zwischen Umweltausbeutung<br />

und Frauenrechten herstellten.<br />

Obwohl bei Demonstrationen<br />

auch Männer sprechen, werden<br />

in den Medien oft weibliche<br />

„Role Models“ bevorzugt dargestellt.<br />

Medienberichterstattung<br />

müsse sensibler vorgehen<br />

und auch Männer – egal ob jung<br />

oder alt – vor die Kamera holen,<br />

da es unsere gemeinsame Zukunft<br />

und unsere gemeinsame<br />

Natur sei. Ein diverseres Bild<br />

in der Klimaberichterstattung<br />

würde zweifellos dazu beitragen,<br />

dass sich auch Männer bei<br />

dem Thema angesprochen und<br />

inkludiert fühlen, so Huemer.<br />

Die Darstellung von Klimaaktivist:innen<br />

in den Medien ist oft<br />

stereotyp und begrenzt. Frauen<br />

sind nicht nur häufiger ein<br />

Opfer des Klimawandels, sondern<br />

spielen auch eine wichtige<br />

Schlüsselrolle als aktive Umweltschützerinnen.<br />

Rollenbilder,<br />

Gender- und Klimagerechtigkeit<br />

gehen Hand in Hand und sollten<br />

in der Berichterstattung des Klimajournalismus<br />

mit Diversität<br />

behandelt werden.<br />

Zukunft Pink: Zwischen medialen Rollenbildern und der Realität<br />

41


Stadt versus Land: Wird Klimajournalismus<br />

in den Regionen anders wahrgenommen?<br />

Regionale Medien erreichen in Summe weit mehr Menschen als einzelne überregionale Tageszeitungen.<br />

Ihr Einfluss aufs Meinungsbild der Österreicher:innen scheint also unbestritten. Wie aber geht<br />

man in den Regionen mit dem Thema Klimajournalismus um? Zwei Expert:innen geben Auskunft.<br />

von JULIAN HOFER<br />

Mit Sicherheit ist jedem von<br />

uns schon einmal eine Ausgabe<br />

von einer meist wöchentlich<br />

erscheinenden Gratiszeitung<br />

in den Briefkasten gekommen.<br />

Und das ist kein Wunder. Die<br />

„RegionalMedien Austria“ (RMA)<br />

– größter entsprechender Verlag<br />

im Land – geben 128 verschiedene<br />

lokale Zeitungstitel<br />

heraus, mit denen sie laut der<br />

Media-Analyse durchschnittlich<br />

fast 2,9 Millionen Leser:innen<br />

pro Ausgabe erreichen. Maria<br />

Jelenko-Benedikt ist die zentrale<br />

Chefredakteurin des Unternehmens,<br />

hinter dem der Grazer<br />

Styria Verlag und die Tiroler Moser<br />

Holding stehen. Sie steuert<br />

quasi die Berichterstattung aller<br />

lokalen Titel über Schwerpunktsetzungen<br />

und Sonderthemen.<br />

Wie geht sie mit Klimathemen<br />

um?<br />

„Umwelt“ statt „Klima“<br />

Ein klarer Unterschied zwischen<br />

nationaler und regionaler Berichterstattung<br />

über Klimafragen<br />

liegt für Jelenko-Benedikt<br />

etwa darin, dass regional oft viel<br />

„persönlicher“ berichtet wird:<br />

„Überregional berichte ich in den<br />

Zeitungen zum Beispiel über<br />

neue Gesetze, und das eher auf<br />

theoretischer Ebene, während<br />

es in der regionalen und lokalen<br />

Berichterstattung mehr um die<br />

Umsetzung geht. Es wird einfach<br />

persönlicher und weniger<br />

theoretisch.“ Zudem gebe es<br />

auch Unterschiede in der Terminologie.<br />

Jelenko-Benedikt dazu:<br />

„Klima bedeutet globale meteorologische<br />

Zusammenhänge.<br />

Sicher kann das jeder oder jede<br />

Einzelne im Kleinen mit beeinflussen,<br />

auch wenn der Effekt<br />

nur ein geringer ist. Im regionalen<br />

Bereich, also wenn es um<br />

Österreich geht, würde ich eher<br />

den Begriff „Umwelt“ verwenden,<br />

da kann sich jeder etwas<br />

darunter vorstellen.“<br />

Im Kontext eines in den „RMA“<br />

erschienenen Kommentars über<br />

Windräder erzählt sie: „Die Reaktionen<br />

waren im Prinzip sehr<br />

Maria Jelenko-Benedikt<br />

/ © MeinBezirk.at<br />

positiv. Dort, wo etwas stark in<br />

den eigenen Lebensbereich hineinreicht,<br />

kommen allerdings<br />

schon sehr viele Reaktionen in<br />

Richtung: Stellen sie sich einmal<br />

ein Windrad vors Fenster,<br />

dann werden wir schauen.“ Aber<br />

es gebe bei manchen Themen<br />

auch klar positive Reaktionen:<br />

Die Berichterstattung über örtliche<br />

Müllsammelaktionen könne<br />

beispielsweise dazu führen,<br />

dass Leser:innen selbst die Initiative<br />

ergreifen und mithelfen.<br />

„Per se gilt im Journalismus:<br />

Je mehr Bezug du durch eine<br />

Geschichte schaffen kannst,<br />

desto stärker wirst du Interesse<br />

bei den Leser:innen<br />

wecken“<br />

Ralf Hillebrand<br />

„Salzburger Nachrichten“<br />

Ralf Hillebrand<br />

Relevanz und persönlicher<br />

Bezug<br />

/ © privat<br />

Regionale Medien haben also<br />

Relevanz für die Bevölkerung<br />

und schaffen es, Feedback zu<br />

erzeugen und durch persönliches<br />

Engagement Leser:innen<br />

42<br />

© Adobe Stock


zu aktivieren. Woran das liegt?<br />

Ralf Hillebrand - er ist Ressortleiter<br />

Wissenschaft, Gesundheit,<br />

Medien und Technologie<br />

bei den „Salzburger Nachrichten“<br />

- meint dazu: „Per se gilt im<br />

Journalismus: Je mehr Bezug du<br />

durch eine Geschichte schaffen<br />

kannst, desto stärker wirst du<br />

Interesse bei den Leser:innen<br />

wecken. Und mit einem Plus an<br />

Reichweite gibt es dann auch ein<br />

Mehr an Rückmeldungen.“ Gilt<br />

das für Hillebrand auch in Sachen<br />

Klimajournalismus? „In der<br />

Lokalberichterstattung muss<br />

auf den regionalen Bezug Rücksicht<br />

genommen werden und<br />

darin liegt dann schlussendlich<br />

auch der Unterschied. Bei uns<br />

in der überregionalen Berichterstattung<br />

ist es ein Kann, in der<br />

Lokalredaktion ist es ein Muss“,<br />

so der „SN“-Journalist zu <strong>SUMO</strong>.<br />

Hillebrand schildert grundsätzlich<br />

zwei Zugänge in der Branche:<br />

„Es gibt zwei Trends. Zum<br />

einen gibt es Medienhäuser, die<br />

eigene Klimaressorts aufgezogen<br />

haben. Zum anderen gibt<br />

es Häuser, in denen das Thema<br />

über die verschiedenen Ressorts<br />

verteilt wird. Wir bei den<br />

‚SN‘ haben eigene, stark auf das<br />

Thema spezialisierte Kolleg:innen.<br />

Ausgespielt werden die<br />

Themen über alle Ressorts.“<br />

„Lokalaugenschein“<br />

Und wie stellt sich „Klimaberichterstattung“<br />

in den regionalen<br />

Medien ganz konkret dar?<br />

Ein „Lokalaugenschein“ zeigt<br />

folgendes: Plakativ große Überschriften<br />

oder Reiter auf der<br />

Website zum Themenbereich<br />

sucht man oft vergeblich, dennoch<br />

sind einzelne Texte zu<br />

finden. Meist leicht versteckt,<br />

findet man online in Unterkategorien<br />

wie „Klimawandel“<br />

oder „Klimaschutz“ Beispiele<br />

dafür. Und bei den „RMA“ auch<br />

die eingangs erwähnten Sonderthemen<br />

und Schwerpunktsetzungen,<br />

die in den einzelnen<br />

Bezirken auch individuell<br />

umgesetzt werden. Maria Jelenko-Benedikt<br />

nennt hier als<br />

Beispiel das Thema „Nachhaltiges<br />

Feiern“, welches 2020 im<br />

Zuge einer Klimathemen-Reihe<br />

„Unsere Erde“ aufgriffen wurde.<br />

In vielen Medienhäusern ist<br />

die von Hillebrand für die „SN“<br />

beschriebene Vorgehensweise<br />

an der Tagesordnung. Auch<br />

in regionalen Printausgaben<br />

wird dieser Zugang bevorzugt,<br />

welcher das Auffinden von Klimathemen<br />

jedoch insgesamt<br />

schwieriger gestaltet. Klimathemen<br />

scheinen insgesamt eher<br />

versteckt, weil sie mit anderen<br />

Themen „Symbiosen“ eingehen<br />

und einem nicht direkt ins Auge<br />

springen. Fazit: Das Klimathema<br />

spielt überall mit, explizit ausgewiesen<br />

wird es in regionalen<br />

Titeln aber selten.<br />

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43


Alles nur negativ?<br />

Wie Medien und Menschen mit der<br />

Klimakrise umgehen<br />

Klimajournalismus spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung über die Klimakrise. Doch<br />

oft dominieren düstere Schlagzeilen und negative Berichte in der Medienlandschaft. Das stellt<br />

Journalist:innen vor die Herausforderung, die Balance zu finden zwischen der Darstellung der<br />

Wahrheit über die Klimakrise, die oftmals negativ wirken kann, und einer positiven, handlungsorientierten<br />

Berichterstattung. <strong>SUMO</strong> fragte bei den Journalistinnen Lisa Wohlgenannt und<br />

Carina Jagersberger nach, wie dieser Zwiespalt zu lösen ist.<br />

von NICOLE BOGACZ<br />

Carina Jagersberger<br />

/ © privat<br />

Lisa Wohlgenannt<br />

/ © Jessica Zekar<br />

„Erstens, es ist nicht einfach zu<br />

verstehen, es ist nicht so<br />

einfach wahrzunehmen.<br />

Was dazukommt, die<br />

Entscheidungen, die wir<br />

heute treffen, das kommt<br />

ja alles zeitverzögert. Sowohl<br />

Entscheidungen, die<br />

die Klimakrise eindämmen,<br />

als auch Entscheidungen,<br />

die die Klimakrise befeuern,“<br />

sagt Klimajournalistin<br />

Lisa Wohlgenannt,<br />

Mitglied des „Netzwerks<br />

Klimajournalismus Österreich“<br />

und beim Momentum-<br />

Institut aktiv. Das Gefühl der<br />

Ohnmacht entstehe, weil viele<br />

Menschen demotiviert werden,<br />

wenn sie sich für Maßnahmen<br />

gegen die Klimakrise einsetzen,<br />

aber nicht sofort oder aktiv Ergebnisse<br />

sehen können. Das<br />

könne einem das Gefühl geben,<br />

dass die Bemühungen nicht<br />

ausreichend sind, weil sie keine<br />

unmittelbare Wirkung zeigen.<br />

Wenn man sich als einzelne<br />

Person für ein wichtiges Thema<br />

einsetzt, kann man nur begrenzt<br />

viel bewirken, besonders, wenn<br />

andere Menschen dem Thema<br />

und seinen Konsequenzen komplett<br />

ausweichen.<br />

Das Bestreben, einen nachhaltigen<br />

Lebensstil zu führen, birgt<br />

zahlreiche Herausforderungen,<br />

die oft unterschätzt werden. Die<br />

Realität ist, dass es unglaublich<br />

anstrengend sein kann, die<br />

nachhaltigere Option zu wählen.<br />

Es erfordert Zeit, sich über<br />

die ökologischen Auswirkungen<br />

verschiedener Entscheidungen<br />

zu informieren, und es beansprucht<br />

emotionale Kapazitäten,<br />

diese Entscheidungen zu<br />

treffen. Allzu oft führt der Weg<br />

einer nachhaltigeren Wahl zu<br />

einem Kompromiss, da diese<br />

Optionen oft auch die kostspieligeren<br />

sind. „Das ist eine globale<br />

Krise und die lösen keine Individuen.<br />

Die muss man einfach auf<br />

gesamtgesellschaftlicher Ebene<br />

und struktureller Ebene angehen<br />

und lösen,“ meint Wohlgenannt.<br />

Es sei wichtig, dass<br />

Rahmenbedingungen geschaffen<br />

werden, damit nachhaltigere<br />

Entscheidungen zugänglicher<br />

werden. Es sollte nicht davon<br />

ausgegangen werden, dass jedes<br />

Individuum in der Lage sein<br />

muss, konsequent teurere und<br />

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44


nachhaltige Alternativen zu<br />

wählen. Viele Menschen können<br />

sich nicht leisten, immer die<br />

umweltfreundlichere, aber kostspieligere<br />

Option zu wählen.<br />

„… dieser Negativity Bias“<br />

„Es ist ein Fakt, dass wir den<br />

Trend zur Negativität haben …<br />

diesen Negativity Bias“, stellt<br />

Wohlgenannt fest. Medien tendieren<br />

dazu, über die Klimakrise<br />

überwiegend negativ zu berichten.<br />

Die negative Berichterstattung<br />

kann ein breites Spektrum<br />

an Emotionen hervorrufen, die<br />

von Angst, Frustration bishin<br />

zu Hilflosigkeit reichen können.<br />

Das Gefühl, dass die Probleme<br />

zu groß und zu komplex sind,<br />

um von Einzelpersonen gelöst<br />

zu werden, kann zu Resignation<br />

oder Handlungsunfähigkeit<br />

führen. Bei einigen Menschen<br />

kann eine konstante Flut von<br />

negativen Nachrichten sogar<br />

zu Gefühlen der Überforderung<br />

und Überwältigung führen. Dies<br />

kann weiter dazu führen, dass<br />

sie sich von der Berichterstattung<br />

zurückziehen, um ihre<br />

mentale Gesundheit zu schützen.<br />

GUIDELINE FÜR EINE<br />

KONSTRUKTIVE<br />

BERICHTERSTATTUNG<br />

Eine gute Klima-Geschichte umfasst drei<br />

wesentliche Komponenten.<br />

1.) Ist-Zustand und Zusammenhänge: Es soll der Ist-Zustand beschrieben<br />

werden. Statt über einzelne Ereignisse zu berichten, ist es<br />

wichtig den Zustand in einen Zusammenhangen zu bringen. Das bedeutet,<br />

Ereignisse wie Hochwasser oder Hitzewellen in einen Zusammenhang<br />

zu setzen, um das Gesamtbild zu verdeutlichen.<br />

2.) Blick in die Zukunft: Wichtig ist die Frage „Worauf steuern wir hinzu?“<br />

Dieser Zustand sollte ehrlich sein und nicht beschönigt werden.<br />

3.) Lösungsansätze: Neben der Darstellung der Probleme ist es<br />

wichtig, Lösungsansätze anzubieten. Hierbei sollten klare Handlungsschritte<br />

präsentiert werden, die verdeutlichen, dass es noch viele<br />

Möglichkeiten gibt, Dinge zum Besseren zu verändern, wenn wir entsprechend<br />

handeln.<br />

Die ständige negative Berichterstattung<br />

zur Klimakrise kann<br />

die Handlungsbereitschaft der<br />

Menschen beeinträchtigen. Die<br />

Journalistin meint, es sei wichtig<br />

beim Berichten über die Klimakrise<br />

den Leuten nicht das Gefühl<br />

zu geben „es ist eh schon<br />

egal, ist eh verloren“. Wenn den<br />

Menschen ein Weg gezeigt werde<br />

mit Lösungsvorschlägen, wie<br />

gehandelt werden kann, fördere<br />

das auch die Handlungsbereitschaft.<br />

Dieser Aussage<br />

stimmt die Klimajournalistin<br />

Carina Jagersberger, sie leitet<br />

auch das Projekt „Klimareporter.<br />

in“, „nicht unbedingt“ zu. „Was<br />

vor der Handlungsbereitschaft<br />

kommt, ist das Wissen und das<br />

Bewusstsein“, meint sie. Die Leser:innen<br />

wenden sich bei überwiegend<br />

negativer Berichterstattung<br />

ab und so kann es nicht<br />

einmal zu einer Handlungsbereitschaft<br />

kommen.<br />

Die Medien sollten ihre Rolle<br />

als Aufklärer und Vermittler<br />

übernehmen, um das Bewusstsein<br />

für die Komplexität und die<br />

weitreichenden Auswirkungen<br />

des Klimawandels zu schärfen.<br />

„Und da ist es eben nicht die<br />

Verantwortung jedes Einzelnen<br />

oder jeder Einzelnen, sich die<br />

Informationen zu beschaffen,<br />

sondern eben sowohl Medien,<br />

aber natürlich auch Politik und<br />

Industrie sind da in der Verantwortung,<br />

das so zu kommunizieren,<br />

wie es eben ist,“ sagt Lisa<br />

Wohlgenannt. Es soll so objektiv<br />

wie möglich berichtet werden,<br />

damit die Rezipient:innen sich<br />

eine Meinung anhand von Fakten<br />

und wissenschaftlich bestätigten<br />

Informationen bilden<br />

können. „Der Negativity Bias ist<br />

zwar ein Fakt. Aber ich glaube,<br />

dass sowohl in der Forschung<br />

als auch in der Medienlandschaft<br />

der Ansatz der „Constructive<br />

News“ sehr populär geworden<br />

ist.“<br />

„Constructive News“ oder konstruktive<br />

Nachrichten sind ein Ansatz<br />

im Journalismus, der darauf<br />

abzielt, nicht nur Probleme aufzuzeigen,<br />

sondern auch Lösungen<br />

und positive Entwicklungen<br />

zu präsentieren. Insbesondere<br />

im Kontext der Klimakrise kann<br />

dieser Ansatz eine Alternative<br />

zur überwiegend negativen Berichterstattung<br />

bieten und die<br />

Auswirkungen von Nachrichtenmedien<br />

positiv beeinflussen.<br />

Diese Art des Journalismus<br />

konzentriert sich nicht nur auf<br />

die Darstellung von Problemen,<br />

sondern hebt auch Lösungen<br />

und Handlungsmöglichkeiten<br />

hervor.<br />

Alles nur negativ? Wie Medien und Menschen mit der Klimakrise umgehen<br />

45


Klimajournalismus auf dem Prüfstand:<br />

Zwischen Neutralität und Dringlichkeit<br />

Die globale Klimakrise stellt die klassische Vorstellung des Journalismus als neutralen Berichterstatter<br />

auf den Prüfstand. Es entsteht eine Spannung zwischen Neutralitätsideal und der Notwendigkeit,<br />

die Dringlichkeit der Klimakrise aufzuzeigen. Sind journalistische Ideale und Leitbilder<br />

im Klimajournalismus überholt?<br />

von MARLENE DÖLLER<br />

„Die Hauptverantwortung der<br />

Journalist:innen ist, vernünftigen<br />

Journalismus zu machen“,<br />

erklärt Dominic Egizzi. Er ist Autor,<br />

Regisseur und Producer von<br />

Reportagen und Dokumentationen.<br />

Außerdem arbeitet er als<br />

Dozent im Forum Journalismus<br />

und Medien in Wien. Unter vernünftigem<br />

Journalismus in der<br />

Klimaberichterstattung sei zu<br />

verstehen, dass weder Alarmismus<br />

noch Aktivismus betrieben<br />

wird. Bei Ersterem bestehe<br />

die Gefahr, den Klimawandel<br />

zu drastisch darzustellen, was<br />

zur Abstumpfung bei den Rezipient:innen<br />

führen kann. Ein<br />

permanenter Alarmismus könne<br />

auf Dauer zu Skepsis, also zu<br />

einer Abwehrhaltung gegenüber<br />

dem Thema führen. Wenn Journalismus<br />

jedoch eine aktivistische<br />

Rolle einnimmt, verliere<br />

dieser seine Glaubwürdigkeit. Es<br />

bestehe die Gefahr zu belehren,<br />

anstatt aufzuklären. Journalist:innen<br />

sind Berichterstatter<br />

:innen und keine Aktivist:innen.<br />

Für ihn ist es wichtig, die Klimaberichterstattung<br />

vielschichtiger<br />

zu betrachten: „Mit dem Begriff<br />

Klimajournalismus tue ich<br />

mir ohnehin etwas schwer, weil<br />

ich glaube, eine gute Art sich mit<br />

dem Klimawandel auseinanderzusetzen,<br />

ist das journalistisch<br />

so vielfältig wie möglich zu<br />

tun.“ Es sollte eine Vielfalt in der<br />

Kommunikation bestehen. Die<br />

Klimaberichterstattung sollte<br />

auch ressortübergreifend passieren.<br />

Dies ermögliche es, aus<br />

der Nische „Klima“ auszubrechen<br />

und breiter wahrgenommen<br />

zu werden. Susan Jörges<br />

wiederum sieht im Klimajournalismus<br />

ein Bindeglied zwischen<br />

Politik und Gesellschaft. Sie hat<br />

bereits ihre Masterarbeit im Bereich<br />

der Klimakommunikation<br />

verfasst. Als freie Journalistin<br />

sind für sie Themen wie Umwelt,<br />

Naturschutz, Klima- und<br />

Bildungspolitik und Gesundheit<br />

von besonderem Interesse.<br />

Politik könne nur funktionieren,<br />

wenn die Gesellschaft die Maßnahmen<br />

mitträgt. „Damit wir<br />

Klimaziele erreichen, muss jeder<br />

gesellschaftliche Teilbereich<br />

seinen Beitrag leisten.“ Der Beitrag<br />

der Journalist:innen sei es,<br />

konstruktiv Bericht zu erstatten.<br />

Das passiere unter dem Wissen,<br />

damit öffentliches Bewusstsein<br />

zu prägen. Da durch Berichterstattung<br />

die Meinung der Leser:innen<br />

geprägt wird, müsse<br />

darauf geachtet werden, was<br />

geschrieben und wie berichtet<br />

wird. Was Journalismus also tun<br />

kann, sei berichterstatten und<br />

aufzuklären. Wahr und aus verschiedenen<br />

Sichtweisen. Gut recherchiert<br />

und faktentreu. Aber<br />

funktioniert das auch neutral<br />

und objektiv?<br />

Ende des Neutralitätsideals<br />

Genau diese Frage steht immer<br />

öfter zur Diskussion. „Neutralität<br />

ist ein Idealbild. In der journalistischen<br />

Praxis ist Neutralität<br />

nicht möglich,“ sagt Jörges.<br />

Wir alle seien sozialisiert, hätten<br />

facettenreiche Ansichten, eigene<br />

Meinungen und würden über<br />

verschiedene Wissensstände<br />

verfügen. All diese Faktoren machen<br />

laut der freien Journalistin<br />

neutrale Berichterstattung bei<br />

der journalistischen Arbeitsweise<br />

nahezu unmöglich und mit<br />

dieser Ansicht ist sie nicht allein.<br />

So spricht auch Medienwissenschaftler<br />

Bernhard Pörksen in<br />

einem Interview mit der „FAZ“<br />

über „ein dümmliches Neutralitätsideal,<br />

das noch nie besonders<br />

sinnvoll war, aber das in<br />

Zeiten einer solchen Krise ganz<br />

und gar falsch wäre“.<br />

Dominic Egizzi fordert statt des<br />

Begriffs Neutralität eher Faktentreue<br />

und Wahrhaftigkeit ein:<br />

„Die Dinge müssen stimmen.<br />

Man muss einen journalistischen<br />

Zugang haben. Das muss<br />

nicht immer ausgewogen sein,<br />

da die Gefahr der False Balance<br />

besteht.“ Dabei sollte jedoch klar<br />

kommuniziert werden aus welcher<br />

Perspektive die Geschichte<br />

erzählt wird. „Man sollte“,<br />

so Egizzi, „keinem falsch verstandenen<br />

Neutralitätsfetisch<br />

anhängen“ und trotzdem das<br />

journalistische Handwerk ernst<br />

nehmen. Es dürfe nichts verzerrt<br />

dargestellt werden. „Diese<br />

Vielschichtigkeit der Klimakommunikation<br />

basierend auf einem<br />

soliden Journalismus finde ich<br />

ganz wichtig.“<br />

Die Begriffe Neutralität und Objektivität<br />

werden in der Praxis oft<br />

miteinander vermischt. Neutralität<br />

besagt, die eigene Haltung<br />

komplett außen vor zu lassen.<br />

Bei objektiver Berichterstattung<br />

geht es hingegen darum, unabhängig<br />

und verständlich Informationen<br />

aufzubereiten sowie<br />

46


eine verantwortungsvolle und<br />

umsichtige Auswahl verschiedener<br />

Blickwinkel zu schaffen.<br />

Es geht darum, Gleiches gleich<br />

zu behandeln, trotz einer gewissen<br />

Haltung zu verschiedenen<br />

Themen. Wir können laut Jörges<br />

zwar nicht neutral berichten, jedoch<br />

objektiv: „Objektivität bedeutet,<br />

dass man verschiedene<br />

Stimmen zu Wort kommen<br />

lässt, dass man sich möglichst<br />

seiner Rolle bewusst ist, seine<br />

eigenen Ansichten hinterfragt<br />

und wenn nötig ablegt und dass<br />

man sich auf die aktuellsten Erkenntnisse<br />

der Wissenschaft<br />

bezieht.“<br />

Objektivität und keine False<br />

Balance<br />

Meinungen von Klimaleugnern<br />

werden wissenschaftlichen Fakten<br />

als gleichwertig gegenübergestellt.<br />

Diese Vorgehensweise<br />

wird unter dem Begriff False<br />

Balance zusammengefasst. Ein<br />

Phänomen, welches vor allem<br />

aus dem Wissenschaftsjournalismus<br />

bekannt ist. Dies sorgt<br />

für mediale Verzerrung und eine<br />

falsche Gewichtung der Positionen.<br />

„Der Klimawandel ist hier.<br />

Der Klimawandel ist menschengemacht.“<br />

Obwohl hier keine<br />

andere Meinung entgegengestellt<br />

wird, sind diese Aussagen<br />

legitim. Sie sind legitim, weil<br />

sie stimmen. Das ist wissenschaftlich<br />

belegt. In der Klimaberichterstattung,<br />

vor allem in<br />

den USA, wurden derlei Gegenüberstellungen<br />

aber lange praktiziert.<br />

„Objektivität bedeutet nicht,<br />

dass wir deswegen False Balance<br />

eingehen müssen,“ betont<br />

Jörges. Natürlich dürfe<br />

darüber diskutiert werden, ob<br />

man ein Tempolimit brauche,<br />

um den CO2-Austoß zu reduzieren.<br />

Auch könne man Überlegungen<br />

anstellen, welche Klimaziele<br />

realistisch sind<br />

oder ob und wie lange<br />

man Atomkraft noch<br />

brauche. Hier müsse<br />

man das Für und Wider<br />

abwägen, aber es komme<br />

nicht zu False Balance.<br />

Laut Jörges fehle es in<br />

der Klimaberichterstattung<br />

momentan noch<br />

an Lösungsvorschlägen:<br />

„Lösungen müssen<br />

nicht immer einen langen<br />

Absatz im Artikel einnehmen,<br />

schon ein kurzer Hinweis<br />

auf Maßnahmen, Gesetze oder<br />

Veränderungsmöglichkeiten ist<br />

sinnvoll.“ Auch deutlich zu machen,<br />

was man selbst im Sinne<br />

des Klimaschutzes verändern<br />

kann, sei wichtig und motiviere.<br />

„Wo kann ich mich in diesem<br />

Gefüge verorten und wo kann<br />

ich den Unterschied machen für<br />

den Klimawandel? – das sind<br />

Fragen, die sich Leser:innen<br />

stellen.“<br />

Dominic Egizzi<br />

/ © privat<br />

Susan Jörges<br />

/ © privat<br />

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47


„Ein historischer Beschluss“:<br />

Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28<br />

In der sich zuspitzenden Klimakrise gewinnt der Klimajournalismus zunehmend an Bedeutung.<br />

Bernhard Gaul vom „Kurier“, Journalist mit langer Erfahrung in diesem Bereich, bietet Einblicke<br />

in die Herausforderungen und Chancen des Fachgebiets Klima. Im Fokus dabei: die jüngste Klimakonferenz<br />

in Dubai, die trotz vieler kritischer Stimmen neue Maßstäbe in der internationalen<br />

Klimapolitik setzte.<br />

von MAXIMILIAN HANDL & RAPHAEL HUTFLESS<br />

Bernhard Gaul<br />

<strong>SUMO</strong>: Wie vermittelt man<br />

die Themen Klimawandel und<br />

Klimakrise in einer Zeit, in der<br />

Diskussionen darüber sehr polarisiert<br />

ablaufen? Und: Gibt’s<br />

hier Unterschiede in verschiedenen<br />

Generationen?<br />

Bernhard Gaul: Also ich will<br />

/ ©Kurier<br />

zuerst einmal aufräumen<br />

mit der Idee, dass ich einen<br />

tatsächlichen Einfluss habe<br />

und etwas ändern kann. Ich<br />

bin Berichterstatter, ich bin<br />

Journalist, ich bin Reporter. Man<br />

kann natürlich nicht entscheiden,<br />

wer das liest und wer das<br />

nicht liest. Mir ist auch klar, dass<br />

die gesamte Berichterstattung<br />

sehr kritisch gesehen wird. Es<br />

geht darum, die älteren Generationen<br />

auf die richtige Seite<br />

zu holen, auf die Seite des Bewusstseins<br />

vom Klimawandel.<br />

Das ist aber nicht meine Aufgabe<br />

als Journalist. Das ist vielleicht<br />

Aufgabe der Politik oder<br />

der politischen Parteien. Ich<br />

merke, dass sich nicht nur die<br />

ältere Generation, sondern auch<br />

meine Generation sehr gerne<br />

alle möglichen Ausflüchte sucht,<br />

wie: „Das ist ja gar nicht so wild.<br />

Das ist doch nur die Sonne“. Vom<br />

IPCC, dem Weltklimarat, gibt<br />

es mittlerweile den sechsten<br />

Sachbestandsbericht, welcher<br />

sich nur mit der Physik des Klimawandels<br />

beschäftigt. Ich bin<br />

nicht bereit zu diskutieren, ob es<br />

einen Klimawandel gibt und ob<br />

der menschengemacht ist. Das<br />

steht für mich felsenfest.<br />

Sogenannte Mainstream-Medien<br />

gelten für viele Menschen<br />

mittlerweile als Panikmacher<br />

in Sachen Klima. Wie stehen<br />

Sie zu dieser Kritik?<br />

Gaul: In dem Schlussdokument,<br />

welches bei der Klimakonferenz<br />

in Dubai beschlossen wurde,<br />

steht relativ klar drin, dass wir<br />

uns auf eine 2,9-Grad-Erwärmung<br />

zubewegen und das auch<br />

nur, wenn die sogenannten<br />

NDCs (Anm.: National Determined<br />

Contributions) also das, was<br />

die Staaten versprochen haben,<br />

umgesetzt wird. Gehen wir bis<br />

Ende des Jahrhunderts auf eine<br />

Drei-Grad-Welt zu, sieht das die<br />

Wissenschaft sehr klar: eine Katastrophe.<br />

Man kann natürlich<br />

sagen, das sei künstliche Hysterie,<br />

es sind aber wissenschaftliche<br />

Fakten.<br />

Wie hat sich Ihrer Meinung<br />

nach der Klimajournalismus im<br />

Laufe der Zeit verändert? Und:<br />

Hat die Klimakonferenz etwas<br />

daran geändert, wie berichtet<br />

wird?<br />

Gaul: Puh, da tue ich mir etwas<br />

schwer, das zu bewerten.<br />

Ich glaube aber schon, dass es<br />

ernster genommen wird. Ich<br />

denke, was in Paris 2015 beschlossen<br />

wurde, ist gesickert.<br />

Die Journalist:innen haben verstanden,<br />

dass die Staaten alles<br />

tun sollen, um die Erderwärmung<br />

deutlich unter zwei Grad<br />

zu begrenzen. Das ist zumindest<br />

angekommen. Außerdem ist es<br />

einfach ein Thema, oder? An<br />

dieser Stelle ein Shoutout an die<br />

Fridays for Future, denn wären<br />

2018 und 2019 die Klimaproteste<br />

der Jugend in Europa nicht<br />

so groß gewesen, dann hätte<br />

sich das nie so entwickelt.<br />

Klimajournalist:innen wird<br />

häufig vorgeworfen, alarmistisch<br />

zu berichten oder Panikmache<br />

zu betreiben. Wie gehen<br />

Sie persönlich mit solchen<br />

Vorwürfen um?<br />

Gaul: Ich mische mich immer<br />

wieder in die Kommentare unter<br />

den Onlineartikeln ein und versuche<br />

da ein bisschen was richtig<br />

zu stellen oder auch ein bisschen<br />

aufzuklären. Wenn jemand<br />

etwas partout nicht wahrhaben<br />

will, dann ist es jedoch nicht<br />

meine Aufgabe, den umzudrehen.<br />

Ich bin Berichterstatter. Ich<br />

zeige das, was passiert, aber<br />

ich bin kein Politiker und ich bin<br />

auch kein Aktivist. Und es ist<br />

ganz wichtig, dass ich das nicht<br />

bin. Es sind jedoch sehr wenige<br />

Menschen, die die Diskussion<br />

gekapert haben und laut schreien.<br />

Denken Sie, dass die Debatte<br />

um den Klimawandel versachlicht<br />

werden sollte oder sehen<br />

Sie die Emotionalisierung als<br />

etwas Positives?<br />

Gaul: Was polarisiert nicht mehr<br />

heutzutage? Das ist irgendwie<br />

Teil einer gesellschaftlichen<br />

Entwicklung, die wirklich fürch-<br />

48


terlich ist. Die Polarisierung<br />

beim Klimathema hat natürlich<br />

auch damit zu tun, dass für die<br />

Menschen Veränderung einfach<br />

mühsam ist.<br />

Wieso ist die Klima-Berichterstattung<br />

so schwierig?<br />

Gaul: Ein Grad, 1,5 Grad, zwei<br />

Grad, drei Grad, Vier-Grad-Welt.<br />

Keinem Menschen sagt das was.<br />

Das halte ich für ein Riesenproblem<br />

für uns Journalist:innen in<br />

der Kommunikation. Da hätte<br />

ich schon gesagt, dass die Klimajournalist:innen<br />

einen großen<br />

Auftrag haben. Wir brauchen ein<br />

besseres Narrativ für die Geschichte.<br />

Eine Zwei-Grad-Welt,<br />

das juckt niemanden, aber eine<br />

Welt, die wirklich nicht schön<br />

ausschaut, das vielleicht schon<br />

mehr.<br />

Kommen wir nun zur Weltklimakonferenz,<br />

welche Sie journalistisch<br />

begleiten konnten.<br />

Wie bewerten Sie die Ergebnisse<br />

der Klimakonferenz in<br />

Dubai 2023?<br />

Gaul: Historisch. Man muss hier<br />

grundsätzlich verstehen, dass<br />

die Europäische Union bereits<br />

für sich beschlossen hat,<br />

bis 2050 aus den fossilen<br />

Energieträgern auszusteigen.<br />

Jetzt hat es die ganze<br />

Welt beschlossen. Wir müssen<br />

eine Industrie, die 130<br />

Jahre lang aufgebaut wurde,<br />

in wenigen Jahrzehnten<br />

komplett umrüsten. Und das<br />

geht nicht, indem ich ein fossiles<br />

Kraftwerk abdrehe und<br />

einen Windturm hinstelle,<br />

wir müssen ganze Systeme<br />

umbauen.<br />

Wieso kam dieser bedeutungsvolle<br />

Beschluss gerade<br />

jetzt und haben Sie mit<br />

diesem Ergebnis gerechnet?<br />

Gaul: Nein. Das Grundproblem<br />

bei dieser Klimakonferenz<br />

in Dubai war, dass der<br />

Vorsitzende Sultan Al-Jaber CEO<br />

einer der größten Ölfirmen der<br />

Welt ist, der Abu Dhabi National<br />

Oil Corporation. Al-Jaber hat<br />

aber auch eine zweite Firma, in<br />

der er Vorstandsvorsitzender<br />

ist, die alternative Energien produziert,<br />

also Photovoltaik vor<br />

allem. In so einem Wüstenstaat<br />

ist ja relativ viel Sonnenenergie<br />

verfügbar. Und hier stellte sich<br />

immer die Frage, wie janusköpfig<br />

ist der Mann? Wenn er<br />

scheitert, dann geht er weinen<br />

auf seiner Motorjacht. Also ihm<br />

passiert nichts. Al-Jaber hat sich<br />

zwei Jahre auf diese Konferenz<br />

vorbereitet und auch im Vorfeld<br />

schon davon gesprochen,<br />

dass er ein historisches Ergebnis<br />

haben will. Er ist gut vernetzt,<br />

hat einen wissenschaftlichen-technischen<br />

Hintergrund<br />

und hat sich viele professionelle<br />

Verhandler aus der ganzen Welt<br />

geholt. Wie Al-Jaber letztlich<br />

alle Staaten an Bord geholt hat,<br />

weiß ich nicht. Das konnte mir<br />

nicht einmal die österreichische<br />

Delegation wirklich befriedigend<br />

beantworten. Was wir sagen<br />

können, ist, dass die Amerikaner:innen<br />

offenbar sehr gut mit<br />

den Chines:innen reden konnten<br />

und so auf einen gemeinsamen<br />

Nenner kamen.<br />

Kleinere Inselstaaten sind<br />

durch den steigenden Meeresspiegel<br />

viel stärker von der<br />

Klimaerwärmung betroffen.<br />

Weshalb haben diese nicht<br />

gegen den Kompromiss auf der<br />

Konferenz gestimmt?<br />

Gaul: Jetzt erzähle ich ein Gerücht,<br />

aber das ist meine einzige<br />

logische Erklärung für diese<br />

Geschichte. Warum haben<br />

die Inselstaaten mitgestimmt?<br />

Für die Inselstaaten ist der Beschluss<br />

in Dubai, so gut er auch<br />

war, natürlich noch immer nicht<br />

genug. Das geht sich nicht aus.<br />

1,5 Grad ist für diese Inselgruppen<br />

einfach das kritische Maß.<br />

Sie wussten aber ganz genau,<br />

einen härteren Text als den, der<br />

vorliegt, den kriegen sie nicht<br />

– und deshalb sind sie einfach<br />

zu spät in den Sitzungssaal gekommen.<br />

Wenn sie dagegen<br />

gestimmt hätten, wäre es zu<br />

gar keinem gemeinsamen Beschluss<br />

gekommen – und das<br />

wäre eine noch größere Katastrophe.<br />

© Adobe Stock<br />

,Ein historischer Beschluss‘: Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28<br />

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© Julius Nagel (24), Maximilian Handl (1)<br />

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