SUMO #42
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Fachmagazin des Bachelor-Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten März 2024<br />
42.<br />
Ausgabe<br />
Mammutaufgabe<br />
Klimajournalismus
Mit jeder Glas-Mehrwegflasche<br />
sparen wir CO 2 ein und werden<br />
NACH & NACH<br />
nachhaltig #jungbleiben<br />
NACHHALTIGER<br />
Jetzt mehr erfahren:<br />
voeslauer.com/agenda2030
© 2024 <strong>SUMO</strong> Medienfachmagazin<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
www.sumomag.at<br />
facebook.com/sumomag<br />
instagram.com/sumo.mag<br />
Medieninhaberin: Fachhochschule St. Pölten GmbH<br />
c/o <strong>SUMO</strong><br />
Campus-Platz 1<br />
A-3100 St. Pölten<br />
Telefon: +43(2743) 313 228 - 200<br />
www.fhstp.ac.at<br />
Fachliche Leitung: Mag. Martin Wurnitsch und<br />
FH-Prof. Mag. (FH) Dr. Johanna Grüblbauer<br />
E-Mail: johanna.grueblbauer@fhstp.ac.at<br />
© Titelbild: KI-generiert mit Adobe Firefly<br />
Druck in Auftrag gegeben bei gugler*<br />
Leitstern für Kommunikation und Wandel<br />
Auf der Schön 2<br />
A-3390 Melk/Donau<br />
www.gugler.at
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Das Klimajournalismus-Netzwerk und sein Kodex: Fünf Gebote ohne Wert 6<br />
von Nikolai Dangl mit Katharina Kropshofer und Daniel Lohninger<br />
Ein Plädoyer für Klimajournalismus mit Biss 10<br />
von Lena Haslinger mit Reinhard Steurer und Gunter Sperka<br />
Klimawandel, Kritik, Kontroversen: Manuel Kelemen über TV-Meteorologie 14<br />
in Zeiten des Gegenwinds<br />
von Christina Jauschnegg mit Manuel Kelemen<br />
ORF setzt auf internes Klimanetzwerk 16<br />
von Fatma Cayirci mit Gerhard Maier und Hannah Schilcher<br />
Klimajournalismus - die Kunst der Kommunikation 18<br />
von Victoria Kneil mit Matthias Karmasin und Torsten Schäfer<br />
Zwischen Fakten und Emotionen 20<br />
von Nico Brandstetter mit Anika Heck und Michael Lohmeyer<br />
Fake News unleashed: Die Gefahr des Klima-Narrativs 22<br />
von Julian Dürnberger mit Andre Wolf, Resa und Christian<br />
Klimakleber, Klima-Chaoten, Klimaterroristen - so werden sie dargestellt 26<br />
von Christian Krobitzsch mit Luis Paulitsch und Christian Nusser<br />
„Meine Mission für das Klima“ 28<br />
von Aurelia Aeychouh mit Maximilian Schoissengeyer<br />
Der „gute“ Klimajournalismus und die Jugend 30<br />
von Sabir Ansari mit Lisa Ladstätter<br />
Klima im Wandel: Macht und Machtlosigkeit der sozialen Medien 32<br />
von Nicole Bokuvka mit Mathias Neumayr und Fabian Bergner<br />
Alles sauber, alles grün? 34<br />
von Sophia Koller und Hannah Konrad mit Barbara Bauer, Raphael Fink<br />
und Gabriele Faber-Wiener<br />
Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im Kampf gegen die Klimakrise 36<br />
von Luce Fiduccia mit Lukas Bayer und Sara Schurmann<br />
Schnee von gestern? Wie der Klimawandel den Wintersport und die 38<br />
Medienberichterstattung ins Schwitzen bringt<br />
von Anna-Maria Gfrerer mit Georg Kaser und Michael Kögler<br />
Zukunft Pink: Zwischen medialen Rollenbildern und der Realität 40<br />
von Alice Apolloner mit Marianne Dobner,<br />
Nicole Katsioulis und Barbara Huemer<br />
Stadt versus Land: Wird Klimajournalismus in den Regionen 42<br />
anders wahrgenommen?<br />
von Julian Hofer mit Maria Jelenko-Benedikt und Ralf Hillebrand<br />
Alles nur negativ? Wie Medien und Menschen mit der Klimakrise umgehen 44<br />
von Nicole Bogacz mit Lisa Wohlgenannt und Carina Jagersberger<br />
Klimajournalismus auf dem Prüfstand: Zwischen Neutralität 46<br />
und Dringlichkeit<br />
von Marlene Döller mit Dominic Eggizi und Susan Jörges<br />
„Ein historischer Beschluss“: Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28 48<br />
von Maximilian Handl und Raphael Hutfless mit Bernhard Gaul<br />
4<br />
Inhaltsverzeichnis
Liebe Leser:innen!<br />
Sie halten die 42. Ausgabe von <strong>SUMO</strong> in Händen,<br />
dem Fachmagazin des Bachelor-Studiengangs<br />
Medienmanagement der FH St. Pölten, das sich<br />
diesmal einem hoch polarisierenden Thema widmet.<br />
Die Klimakatastrophe und wie der Journalismus<br />
damit umgeht, das spaltet Politik, Medien und<br />
Konsument:innen. Allein der Begriff „Katastrophe“<br />
steht bereits zur Disposition. Wäre die aktuelle<br />
Situation mit den Worten „Krise“ oder „Wandel“<br />
nicht vielleicht besser beschrieben?<br />
Die Auseinandersetzung mit der Klimakrise, sie ist<br />
auch eine ideologische. Umso mehr stellt sich die<br />
Frage, wie sich der Journalismus auf diesem Feld<br />
bewegt. Darf er aktivistisch agieren oder darf man<br />
ihm absolute Neutralität und Objektivität abverlangen?<br />
So Zweiteres gilt: Tappt der/die Berichterstatter:in<br />
dann nicht in die Bothsideism-Falle?<br />
Weitere Fragen, die sich<br />
stellen: Braucht es überhaupt<br />
dieses eigene Genre<br />
des Klimajournalismus –<br />
oder ist er nur kurzfristige<br />
Modeerscheinung? Wie<br />
halten die großen Medienhäuser<br />
im Land es mit der<br />
Klimafrage? Und: Welche<br />
psychologischen Aspekte,<br />
konkret Verdrängungsmechanismen<br />
wirken, die<br />
die eingehenden Schilderungen<br />
der Klimafolgen an<br />
den Menschen abprallen<br />
lassen? Muss der Klimajournalismus<br />
also anders,<br />
nicht nur negativ, sondern<br />
konstruktiv gestaltet<br />
sein? Und: Wie sehen die<br />
Klimajournalisten selbst<br />
sich und ihre Aufgabe?<br />
nalismus, deren Bedeutung aber wohl unstrittig<br />
wachsen wird. Oder wie es Reinhard Steurer, Professor<br />
für Klimapolitik an der BOKU Wien, in einem<br />
der Artikel drastisch formuliert: „Der Journalismus<br />
hat die Klimakrise noch nicht als existenzielle Bedrohung<br />
verstanden. Um Bereitschaft und Akzeptanz<br />
für unangenehme Maßnahmen wie Tempo<br />
80-100, weniger Fleischkonsum und weniger<br />
Flugverkehr zu bekommen, muss der Klimajournalismus<br />
wachrütteln und den Leuten bewusst<br />
machen, dass wir ein Riesenproblem haben. Ohne<br />
diese harte, bittere Wahrheit wird es nicht gehen.“<br />
Dass Sie diesen harten, bitteren Wahrheiten auch<br />
einiges an Erkenntnis und – trotz allem - Lesevergnügen<br />
abgewinnen können, darauf hoffen wir.<br />
Martin Wurnitsch &<br />
Johanna Grüblbauer<br />
Alle diese Fragen haben<br />
Studierende des Bachelor-<br />
Studiengangs Medienmanagement<br />
im vorliegenden<br />
Magazin behandelt,<br />
Expert:innen befragt, Positionen<br />
abgesteckt – und<br />
tief in die journalistische<br />
Praxis geblickt. Was dabei<br />
entstanden ist, soll Einblick<br />
geben in eine noch<br />
junge Disziplin des Jour-<br />
© Julius Nagel<br />
Editorial<br />
5
Das Klimajournalismus-Netzwerk und<br />
sein Kodex: Fünf Gebote ohne Wert?<br />
Die Corona-Pandemie brachte das „Netzwerk Klimajournalismus Österreich“ hervor, einen Zusammenschluss<br />
heimischer Klimajournalistinnen und -journalisten. Im Frühling 2023 präsentierte<br />
das Netzwerk den „Klima-Kodex“ – doch wie sieht der aus? Wie bindend ist er für seine Unterzeichner?<br />
Und am wichtigsten: Bringt er überhaupt etwas? Dazu analysierte das <strong>SUMO</strong>-Magazin<br />
die Berichterstattung einzelner Medien, die sich dem Kodex verpflichtet haben, und sprach mit der<br />
Netzwerk-Mitgründerin Katharina Kropshofer. Plus: Wie sieht Daniel Lohninger, Chefredakteur der<br />
Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN), den Kodex, den die NÖN als größtes Medienhaus Niederösterreichs<br />
vorerst nicht unterzeichnet hat?<br />
von NIKOLAI DANGL<br />
Katharina Kropshofer / © Thomas Gobauer<br />
Daniel Lohninger / © Franz Gleiss<br />
Wir schreiben den 16. März<br />
2020: Österreichs Bundesregierung<br />
verhängt den ersten Lockdown,<br />
die Corona-Pandemie<br />
hat die Alpenrepublik erreicht.<br />
Ein Tag für die Geschichtsbücher<br />
– auch für jene des heimischen<br />
Klimajournalismus. Warum?<br />
Nun, die beispiellose Ausnahmesituation,<br />
die der Lockdown<br />
nach sich zieht, ist der Startschuss<br />
zur Gründung des<br />
„Netzwerk Klimajournalismus<br />
Österreich“.<br />
„Corona-Baby“ – so treffend<br />
bezeichnete auch<br />
Katharina Kropshofer, Journalistin<br />
bei der Wiener Wochenzeitung<br />
„Falter“, das „Netzwerk<br />
Klimajournalismus<br />
Österreich“. Zwischen Lockdowns<br />
und Home Office,<br />
Kurz-Affäre und „Querdenker“-Demos<br />
gründete sie<br />
mit Clara Porák und Veronika<br />
Winter den Journalismus-Zusammenschluss.<br />
Porák ist freie<br />
Journalistin und Geschäftsführerin<br />
des von Kropshofer mitgegründeten<br />
Online-Mediums<br />
„andererseits.at“, das sich für<br />
Journalistinnen und Journalisten<br />
mit Behinderungen einsetzt.<br />
Winter komplettiert das Trio als<br />
Klimabildungs-Expertin.<br />
Seither ist viel passiert: Ein<br />
Kernteam hat sich etabliert.<br />
Laut der Netzwerk-Website<br />
„klimajournalismus.at“ zählt<br />
es zehn bis 30 Menschen, laut<br />
Kropshofer aber sind es „nur<br />
zehn bis 15“ Personen – im<br />
nächsten Atemzug klärt sie den<br />
Widerspruch auf: „Das schwankt<br />
sehr. Zehn bis 15 Leute sind im<br />
Kernteam und dann gibt es noch<br />
gut 30, die regelmäßig bei den<br />
Events mitarbeiten.“ Apropos<br />
Events: Von Ende August bis<br />
Anfang Februar veranstaltete<br />
das „Netzwerk Klimajournalismus<br />
Österreich“ gemeinsam<br />
mit dem „Netzwerk Klimajournalismus<br />
Deutschland“ einmal<br />
pro Woche mittwochs online<br />
das „5vor12 Klima-Briefing“.<br />
Sechsmal fand es statt, behandelte<br />
mit je einem Experten ein<br />
spezifisches Thema. Beispielsweise<br />
ging’s um „Lobby-Narrative“,<br />
„polarisierende Debatten“<br />
oder „soziale Kipppunkte“. Die<br />
Zielgruppe: Journalistinnen und<br />
Journalisten. Bei so einem verhältnismäßig<br />
größeren Event<br />
würden dann auch mehr Menschen<br />
als die erwähnten 30<br />
mithelfen. Zusätzlich hält das<br />
Netzwerk unter anderem Workshops<br />
und Pressebriefings ab<br />
– meist mit zwei Experten. Seit<br />
Herbst gibt’s außerdem am jeweils<br />
letzten Dienstag jedes<br />
Monats einen „Stammtisch“ zu<br />
unterschiedlichsten Themen<br />
in kleineren Kreisen. Generell<br />
würden die Angebote laut<br />
Kropshofer zwar angenommen<br />
werden – besonders die Teilnehmerzahl<br />
bei Online-Events<br />
hätte sich seit dem Ende der<br />
Corona-Pandemie aber spürbar<br />
reduziert: „Während der Lockdowns<br />
war es leichter, Leute<br />
für so etwas vor den Bildschirm<br />
zu bekommen.“ Dennoch wird’s<br />
eine zweite Staffel des „5vor12<br />
Klima-Briefings“ geben.<br />
„Wir sind keine Super-<br />
Expertinnen, sondern<br />
eine Selbsthilfegruppe“<br />
Katharina Kropshofer<br />
Mitgründerin des „Netzwerk<br />
Klimajournalismus Österreich“<br />
Aber ist es denn wirklich fünf vor<br />
zwölf? „Ich kann nur wiedergeben,<br />
was die Wissenschaft sagt:<br />
Da schwanken ja die Aussagen<br />
zwischen ‚fünf vor zwölf‘ und<br />
‚fünf nach zwölf‘. Ich persönlich<br />
denke, dass es nie zu spät ist,<br />
etwas tu tun – aber die Begrenzung<br />
der Erderwärmung auf<br />
eineinhalb Grad Celsius ist wohl<br />
mittlerweile unrealistisch“, sagt<br />
Kropshofer, die gerade deswegen,<br />
weil es eben „nie zu spät“<br />
sei, das Netzwerk gründete:<br />
„Das Thema braucht noch mehr<br />
Aufmerksamkeit.“ Tatsächlich<br />
drängte die Corona-Pandemie<br />
Klima-Themen eine Zeit lang<br />
6
massiv in den Hintergrund – und<br />
als die Gesundheitskrise dann<br />
endete, überfiel Wladimir Putin<br />
die Ukraine und war damit Top-<br />
Thema in sämtlichen Medien.<br />
Erneut zum Leid der Klimakrise.<br />
„Wir haben uns regelmäßig gefragt:<br />
‚Wieso schafft es dieses<br />
Thema nie auf die Titelseiten?‘“<br />
Wie kam’s<br />
zum Kodex?<br />
Um das Netzwerk mitten zwischen<br />
Lockdowns und Kontaktbeschränkungen<br />
zu gründen,<br />
trafen sich Kropshofer, Porák<br />
und Winter erst online. Anfangs<br />
wuchs es rasant: „Das war auch<br />
Corona geschuldet. Wir waren<br />
sicher nicht die ersten, die sich<br />
damit beschäftigt haben – aber<br />
eben die ersten, die sich getraut<br />
haben, damit an die Öffentlichkeit<br />
zu gehen.“ Dabei ist<br />
Kropshofer aber wichtig zu unterstreichen:<br />
„Wir sind keine Super-Expertinnen,<br />
sondern mehr<br />
eine Selbsthilfegruppe.“<br />
Medial ist das Netzwerk eher<br />
Randerscheinung, abseits der<br />
Medien-Blase kaum bekannt.<br />
Dabei gab’s 2023 einen Meilenstein<br />
zu verzeichnen: Am Abend<br />
des 23. Mai wurde der „Klima-<br />
Kodex für eine angemessene<br />
Klimaberichterstattung“ präsentiert.<br />
Von Journalistinnen<br />
und Journalisten unterschiedlichster<br />
Redaktionen wurde er<br />
in Zusammenarbeit mit dem<br />
„Climate Change Centre Austria“<br />
erarbeitet. Für die Wissenschaft<br />
griff Daniel Huppmann<br />
vom „International Institute for<br />
Applied Systems Analysis“ unter<br />
die Arme.<br />
Und was steht da drin? Der Kodex<br />
beschreibt die Klimakrise<br />
als die „dringlichste Krise“ gemeinsam<br />
mit dem Artensterben<br />
und hält fest, dass sie „unsere<br />
Lebensgrundlage“ gefährde und<br />
deshalb „höchste Priorität“ genießen<br />
müsse. Weiters sei ein<br />
„stabiles Klima“ „Voraussetzung<br />
für ein sicheres und friedliches<br />
Zusammenleben“. Der Kodex<br />
mahnt von den Medien „angemessenen<br />
Platz und Ressourcen“<br />
und die Anerkennung der<br />
wissenschaftlichen Fakten sowie<br />
die „ressort- und themenübergreifende<br />
Dimension“ ein.<br />
Die Unterzeichner müssten „auf<br />
Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />
angemessen“ über<br />
die Krise berichten und „neben<br />
den Folgen der Erderhitzung<br />
auch unterschiedlichste Lösungen<br />
und Handlungsmöglichkeiten“<br />
aufzeigen. Außerdem ist<br />
festgeschrieben, dass Klimajournalismus<br />
„kein Aktivismus“<br />
sei. Im abschließenden Punkt<br />
ruft der Kodex dazu auf, auf<br />
„eine Bebilderung und Wortwahl,<br />
die dem Ausmaß und den<br />
Folgen der Klimakrise gerecht<br />
wird“, zu achten – und untersagt<br />
Verharmlosung. Auf Seite zwei<br />
sind dann vier wissenschaftliche<br />
Werke zur Untermauerung<br />
angeführt.<br />
„Wir haben viele positive Rückmeldungen<br />
bekommen. Die<br />
meisten Redaktionen stehen<br />
dahinter", sagte noch am Präsentationsabend<br />
Netzwerk-<br />
Sprecherin Verena Mischitz. Angelehnt<br />
wurde der Kodex an die<br />
„Klimacharta“, die in deutschösterreichischer<br />
Zusammenarbeit<br />
entstand und sich nicht<br />
an Medienhäuser, sondern Journalistinnen<br />
und Journalisten als<br />
Einzelpersonen richtet – und<br />
länderübergreifend mittlerweile<br />
über 450 Unterschriften zusammengebracht<br />
hat.<br />
Die Abstinenz der<br />
großen Player<br />
Wie der Kodex wirklich ankommt?<br />
Laut der Website des<br />
Netzwerks haben ihn „mehr<br />
als 25 Medienunternehmen“<br />
unterzeichnet. Zählt man nach,<br />
sind es 28 – wobei angemerkt<br />
© Adobe Stock<br />
Das Klimajournalismus-Netzwerk und sein Kodex: Fünf Gebote ohne Wert?<br />
7
sei, dass die RegionalMedien<br />
Austria (RMA) gleich neunmal<br />
unterschrieben haben: Für acht<br />
Bundesländer (interessanterweise<br />
fehlt Vorarlberg) und einmal<br />
für ihre Gesundheits-Sparte.<br />
Auch Kropshofers eingangs<br />
erwähntes Medium andererseits.at<br />
unterschrieb. Wertet<br />
man die RMA-Varianten also<br />
nur als eine Unterschrift und<br />
Kropshofers zweites Baby nicht,<br />
bleiben von 28 noch 19 – auch<br />
kein schlechter Wert, wobei auf<br />
den ersten Blick schon klar wird,<br />
dass die großen Player der heimischen<br />
Medienbranche fehlen.<br />
Die „Promis“ auf der Liste<br />
sind die „Austria Presse Agentur“<br />
(APA), die „Wiener Zeitung“<br />
(die noch zu Print-Zeiten unterzeichnete<br />
und den Kodex auch<br />
nach der „Wiedergeburt“ als<br />
reines Online-Medium im Juli<br />
2023 unterstützt) und das Boulevard-Blatt<br />
„Heute“ sowie das<br />
Magazin „DATUM“ und „Moment.at“<br />
– das Onlineportal des<br />
„Momentum Institut“. Der Rest<br />
bewegt sich in Nischen.<br />
Auch Medienhäuser, die nicht<br />
unterzeichnet haben, bekannten<br />
sich zum Kodex-Inhalt: Etwa der<br />
„ORF“ oder die „Kleine Zeitung“.<br />
Letztere will einen eigenen<br />
„Code of Conduct“ verfassen.<br />
Ebenfalls nicht unterzeichnet<br />
wurde der Kodex vom größten<br />
Medienunternehmen Niederösterreichs,<br />
den „Niederösterreichischen<br />
Nachrichten" – obwohl<br />
Chefredakteur Daniel Lohninger<br />
bei den anfänglichen Kickoff-<br />
Events mit von der Partie war.<br />
Anschließend seien keine weiteren<br />
Einladungen mehr gefolgt,<br />
erzählt er, betont aber: „Das<br />
Netzwerk ist auf jeden Fall eine<br />
gute Idee, weil bei diesem Thema<br />
ein fachlicher und journalistischer<br />
Austausch passieren<br />
soll. Inwiefern es dafür einen eigenen<br />
Kodex braucht, kann man<br />
diskutieren. Es gibt ja auch den<br />
Ehrenkodex des Journalismus,<br />
möglicherweise könnte man die<br />
Klimathematik auch dort einbauen.“<br />
Ein Wunschtraum für<br />
Kropshofer: „Das wäre schön.<br />
Der österreichische Presserat<br />
unterstützt uns und war von<br />
Anfang an dabei. Manche Aspekte<br />
decken sich aber eh, wie<br />
zum Beispiel, dass faktenbasierte<br />
Berichterstattung passieren<br />
soll. Wir sind im regen Austausch,<br />
also warum nicht?“<br />
Die Ehrenamtlichkeit<br />
als Klotz am Bein<br />
Während des Gesprächs mit<br />
Lohninger offenbart sich der<br />
Klotz am Bein des Netzwerks:<br />
die Ehrenamtlichkeit. Das Netzwerk<br />
ist für alle im Kernteam nur<br />
„Beiwagerl“ neben dem Brotberuf,<br />
auf Kosten der Außenkommunikation.<br />
Das räumt auch<br />
Kropshofer ein.<br />
Lohninger erfährt erst im Gespräch<br />
mit <strong>SUMO</strong> vom fertigen<br />
KLIMA-KODEX<br />
1. Die Klimakrise ist gemeinsam mit dem Artensterben die dringlichste Krise in diesem Jahrhundert. Sie gefährdet<br />
unsere Lebensgrundlagen und hat deshalb höchste Priorität. Ein stabiles Klima ist Voraussetzung für<br />
ein sicheres und friedliches Zusammenleben.<br />
2. [Das Medium] erkennt die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel an und denkt diese als Dimension<br />
ressort- und themenübergreifend mit. Klimaberichterstattung braucht angemessenen Platz und Ressourcen.<br />
3. [Das Medium] stellt sich der Herausforderung, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse angemessen<br />
über die Klima- und Biodiversitätskrise zu berichten. Es zeigt neben den Folgen der Erderhitzung auch unterschiedliche<br />
Lösungen und Handlungsmöglichkeiten auf.<br />
4. Klimajournalismus ist kein Aktivismus.<br />
5. [Das Medium] achtet auf eine Bebilderung und Wortwahl, die dem Ausmaß und den Folgen der Klimakrise<br />
gerecht wird. Auf die menschengemachte Erderhitzung rückführbare Ereignisse werden nicht verharmlost.<br />
Viele große Namen fehlen: Der Klimajournalismus-Kodex und seine Unterstützer.<br />
© Netzwerk Klimajournalismus Österreich/Montage <strong>SUMO</strong><br />
Kodex – genauso wie der Geschäftsführer<br />
der NÖN/BVZ-<br />
Gruppe, Michael Ausserer, der<br />
sich aufgeschlossen gab: „Auch<br />
ganz unabhängig vom ‚Klima-<br />
Kodex‘ stehen bei ‚NÖN‘ und<br />
‚BVZ‘ (Burgenländische Volkszeitung,<br />
Schwesternblatt der<br />
NÖN, Anm.) die Themen christliche<br />
Schöpfungsverantwortung,<br />
Nachhaltigkeit und bedachter<br />
Umgang mit menschlichen<br />
und natürlichen Ressourcen<br />
ganz zentral im Mittelpunkt.“<br />
Eine Unterzeichnung kann sich<br />
Lohninger vorstellen: „Vorher<br />
müsste man die Inhalte kennen<br />
und noch intern diskutieren, ob<br />
sie auch mit der Blattlinie und<br />
dem Redaktionsstatut vereinbar<br />
sind.“ Kropshofer kündigt an,<br />
sich bei der „NÖN“ zu melden.<br />
Aber warum braucht Klimajournalismus<br />
überhaupt einen<br />
Kodex? Sie führt aus: „Ich trau‘<br />
mich das sagen, es ist die größte<br />
Krise im Jahrhundert. Wir<br />
8
wollten keine Meinung, sondern<br />
allgemeingültige Grundsätze<br />
festlegen. Weil es oft genau<br />
Geschichten zu diesem Thema<br />
sind, die am ehesten auf nächste<br />
Woche verschoben werden<br />
– vor allem, wenn man kein<br />
Ressort oder Format hat, wo<br />
das regelmäßig vorkommt.“ Sie<br />
ergänzt bestimmt: „Es geht aber<br />
nicht darum, in redaktionelle Linien<br />
einzugreifen.“ Konsequenzen<br />
hat ein Verstoß gegen die<br />
Richtlinien nämlich keine: „Bis<br />
jetzt halten sich alle daran.“<br />
Auf die Finger<br />
geschaut<br />
Halten sich tatsächlich alle daran?<br />
<strong>SUMO</strong> nahm das unter die<br />
Lupe. Das Ergebnis: tatsächlich.<br />
Selbst das Boulevard-Blatt<br />
„Heute“, eher bekannt durch reißerische<br />
Schlagzeilen und Artikel,<br />
steigt beim Thema Klima auf<br />
die Bremse, gibt sich sachlich.<br />
Die Zeitung von Eva Dichand –<br />
immerhin jene mit der drittgrößten<br />
Leserschaft im Land – hat<br />
sogar die Initiative „Heute For<br />
Future“ gegründet, angelehnt an<br />
„Fridays For Future“.<br />
Auch die „APA“ setzt auf fundierte<br />
und faktenbasierte Berichterstattung<br />
– ebenso wie<br />
das Traditionsmedium „Wiener<br />
Zeitung“. Je regionaler und nischiger<br />
die Unterzeichner werden,<br />
desto weniger berührt<br />
einige im Tagesgeschäft die<br />
Thematik klarerweise. Abgesehen<br />
von Ausnahmesituationen,<br />
wie jenen im Spätsommer des<br />
vergangenen Jahres in Kärnten.<br />
Ist das Thema für den Lokaljournalismus<br />
in Österreich derzeit<br />
noch etwas unnahbar? Lohninger,<br />
selbst Waldviertler und damit<br />
unweigerlich durch das Jahrhunderthochwasser<br />
in seiner<br />
Heimat 2002 geprägt, verneint:<br />
„Der Klimawandel ist für alle<br />
Medien von Bedeutung, gerade<br />
für uns als Lokalmedium.“<br />
Fakt ist, dass der Klimawandel<br />
und die ihn flankierende Klimakrise<br />
spätestens mit den Hochwassern<br />
in Kärnten auch Österreich<br />
endgültig aufgezeigt hat,<br />
wo’s hingehen könnte – wenn<br />
nicht schleunigst Maßnahmen<br />
zur Eindämmung der Erderhitzung<br />
getroffen werden. Die<br />
Medienwelt trägt eine Verantwortung,<br />
der Journalismus besonders:<br />
Er soll informieren,<br />
darf aber nicht Partei ergreifen.<br />
„Wir müssen aufpassen, dass<br />
wir unserem Objektivitätsgebot<br />
nicht widersprechen und<br />
schon die komplette Bandbreite<br />
der Meinungen zu diesem<br />
Thema abdecken – und zum<br />
Beispiel nicht nach einer möglichen<br />
Unterzeichnung des Kodex<br />
nur mehr Stimmen in eine<br />
Richtung publizieren“, meint<br />
Lohninger. Kropshofer verweist<br />
auf die Schwierigkeit, objektiv<br />
zu bleiben: „Die Linie zwischen<br />
Parteilichkeit und einer auf den<br />
wissenschaftlichen Fakten basierten<br />
Berichterstattung ist bei<br />
diesem Thema halt sehr knapp.<br />
Uns wird auch immer Aktivismus<br />
vorgeworfen. Wir wollen<br />
uns mit einer faktenbasierten<br />
Berichterstattung der Wahrheit<br />
annähern.“<br />
Mittel<br />
ohne Wert?<br />
Bringt das „Netzwerk Klimajournalismus<br />
Österreich“ und dessen<br />
Kodex also nun etwas oder<br />
nicht? „Hilft’s nichts, schadet’s<br />
nichts“ lautet ein heimisches<br />
Sprichwort, das es wohl gut auf<br />
den Punkt bringt. Beide Dinge<br />
sind Schritte in die richtige Richtung<br />
– der Weg aber weit. Die<br />
österreichische Medienwelt ist<br />
eben mehr, die Unterzeichner –<br />
mit Ausnahme einzelner – aber<br />
wohl zu klein. Zu wenige Medien<br />
haben ein Ressort für diese<br />
historische Krise installiert,<br />
teils gibt’s gerade eine zuständige<br />
Person – oder niemanden.<br />
Ressortübergreifend behandelt<br />
wird das Thema dann auch zu<br />
selten. „Information über die Klimakrise<br />
ist die zentrale Aufgabe<br />
im Jahrzehnt, das über die Zukunft<br />
der Menschheit entscheidet.<br />
Das muss zu einem Leitsatz<br />
der Medienwelt werden“,<br />
schrieb Aktivist Manuel Grebenjak<br />
schon Anfang Februar<br />
2021 im „Standard“. Leitsatz der<br />
Medienwelt ist diese Forderung<br />
bis heute keiner geworden. Das<br />
Netzwerk und sein Kodex – beides<br />
Bausteine in diese Richtung.<br />
Für deren Erreichung aber die<br />
ganze Branche an einem Strang<br />
ziehen müsste, um die Bevölkerung<br />
in breiten Teilen besser<br />
aufzuklären und auch jene wieder<br />
mit ins Boot zu holen, die<br />
schon vor Jahren abgesprungen<br />
sind. Jüngste antisemitische Eskapaden<br />
Greta Thunbergs im<br />
Konflikt Israels mit den radikalislamischen<br />
„Hamas“ halfen der<br />
gesamten Bewegung nicht. Und<br />
Österreichs Medienwelt – sie<br />
zieht für die Klimakrise eben<br />
nicht an einem Strang.<br />
ZUR SACHE<br />
Das „Netzwerk Klimajournalismus<br />
Österreich“ ist eine medienübergreifende<br />
Initiative und<br />
wurde während der Corona-Pandemie<br />
von Katharina Kropshofer,<br />
Clara Porák und Veronika Winter<br />
gegründet. In Deutschland sowie<br />
der Schweiz bestehen Partner-<br />
Organisationen. Das Kernteam<br />
setzt sich wie folgt zusammen:<br />
Katharina Kropshofer (Falter),<br />
Lukas Bayer (freier Journalist),<br />
Verena Mischitz (frei), Clara Porák<br />
(frei), Naz Kücüktekin (frei), Mona<br />
Saidi (ORF Sound), Alicia Prager<br />
(Standard). Außerdem aktiv sind<br />
Laura Anninger (frei) und Lisa<br />
Wohlgenannt (Moment Magazin)<br />
Klimabildungs-Expertin Veronika<br />
Winter ist mittlerweile aus<br />
dem Kernteam ausgeschieden.<br />
Das Klimajournalismus-Netzwerk und sein Kodex: fünf Gebote ohne Wert?<br />
9
Reinhard Steurer / © Jakob Vegh/BOKU<br />
Ein Plädoyer für<br />
Klimajournalismus mit Biss<br />
von LENA HASLINGER<br />
Ernteausfälle, Hitzewellen,<br />
Überschwemmungen. Die Auswirkungen<br />
der Klimakrise bekommen<br />
wir auch in Österreich<br />
immer drastischer zu spüren.<br />
Wenn wir nicht endlich vernünftig<br />
handeln, werden wir in eine<br />
Klimakatastrophe schlittern.<br />
(Und nein, das ist jetzt nicht<br />
übertrieben.) Viele von uns sind<br />
sich der Dramatik dieser Krise<br />
nicht bewusst, aber die Zeit läuft<br />
uns buchstäblich davon. Diese<br />
Krise wird das Leben, wie wir es<br />
jetzt kennen, grundlegend verändern.<br />
Und was macht die österreichische<br />
Politik? Sie drückt<br />
einfach den Snooze-Button und<br />
verschläft es, endlich proaktiv<br />
vernünftige Maßnahmen zu<br />
setzen.<br />
Reinhard Steurer, assoziierter<br />
Professor für Klimapolitik an der<br />
BOKU Wien, findet klare Worte:<br />
„Mit der derzeitigen Klimapolitik<br />
werden wir die Klimaneutralität<br />
nicht einmal bis 2050, ja vermutlich<br />
nicht einmal bis 2060<br />
erreichen. Die Politik agiert hier<br />
zu wenig und zu langsam. Es<br />
läuft somit auf Scheinklimaschutz<br />
hinaus. Scheinklimaschutz<br />
bedeutet, dass man<br />
offiziell ein ambitioniertes Ziel<br />
hat, aber nicht die nötigen Maßnahmen<br />
setzt, um dieses auch<br />
tatsächlich erreichen zu können.<br />
Die österreichische Klimapolitik<br />
ist somit oftmals mehr Schein<br />
als Sein.“<br />
Politische Versäumnisse<br />
Das Gerücht, dass Österreich<br />
viel zu klein sei, um nachhaltig<br />
etwas bewirken zu können, hält<br />
sich hartnäckig. Politische Entscheidungsträger:innen<br />
brüsten<br />
sich mit ambitionierten Gesetzen<br />
und Reformen, die in der<br />
Realität allerdings kaum oder<br />
zu wenig Auswirkungen haben.<br />
Laut Reinhard Steurer müsse<br />
die Politik endlich ehrlich sein<br />
mit der Bevölkerung und anerkennen,<br />
dass wir geradewegs<br />
auf eine bedrohliche Krise zusteuern.<br />
„Das muss man gegenüber<br />
der Bevölkerung auch<br />
genauso kommunizieren, der<br />
derzeitige Bundeskanzler macht<br />
das Gegenteil. Er spricht von<br />
Untergangsirrsinn und hält mit<br />
Märchenerzählungen dagegen,“<br />
sagt Steurer.<br />
Es gehe also darum, endlich<br />
unsere Verantwortung wahrzunehmen.<br />
Österreich muss die<br />
Emissionen pro Kopf deutlich<br />
senken – aktuell liegen diese<br />
über dem globalen Schnitt. Doch<br />
auch hier fehlt laut Steurer eine<br />
entsprechende Reaktion des<br />
Bundeskanzlers: „Der gegenwärtige<br />
Bundeskanzler tut auch<br />
da das Gegenteil, er redet unsere<br />
Verantwortung klein und redet<br />
von den berühmten 0,2 Prozent.<br />
Er tut so als ob das, was<br />
wir tun, egal ist. Es ist aber nicht<br />
egal.“<br />
Fakt ist, es braucht konkrete<br />
Maßnahmen. Die nötigen Maßnahmen<br />
sind unpopulär, vielfach<br />
wird beispielsweise das Tempo<br />
30 – 80 – 100 diskutiert. Laut<br />
Umweltbundesamt waren die<br />
wesentlichen Verursacher der<br />
österreichischen Treibhausgas-<br />
Emissionen im Jahr 2022 die<br />
Sektoren Energie und Industrie,<br />
Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft.<br />
Der Verkehrssektor ist<br />
für 28 Prozent der Treibhausgase<br />
in Österreich verantwortlich.<br />
Beim Tempo 30 – 80 – 100 geht<br />
es darum, die Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
im Ortsgebiet<br />
auf 30 km/h, auf Freilandstraßen<br />
auf 80 km/h und<br />
auf Autobahnen auf 100 km/h<br />
zu senken. Der Verbrauch und<br />
damit der CO2-Ausstoß so wie<br />
auch die Emissionen der Schadstoffe<br />
würden mit abnehmender<br />
Geschwindigkeit laut der<br />
wissenschaftsbasierten Initiative<br />
„Tempolimit-Jetzt.at“ deutlich<br />
sinken. Obwohl die Daten vielversprechend<br />
sind, macht man<br />
sich mit derartigen Gesetzen bei<br />
einem Großteil der Bevölkerung<br />
unbeliebt.<br />
Die Uhr tickt und wir können<br />
es uns nicht länger leisten, die<br />
Schlummertaste zu drücken.<br />
Noch ist es möglich, die Klimakrise<br />
zu entschärfen.<br />
Die Medien in<br />
der Klimakrise<br />
Die Medien üben als „Vierte Gewalt“<br />
eine wichtige demokratische<br />
Funktion aus: Es ist ihre<br />
Aufgabe, die Menschen wissenschaftsbasiert<br />
zu informieren<br />
und Missstände aufzuklären.<br />
Zurzeit ist die Berichterstattung<br />
zur Klimakrise zu sporadisch<br />
und verharmlosend. Genau hier<br />
Gunter Sperka / © Ratzer/Salzburger Nachrichten<br />
10
kommt der Klimajournalismus<br />
ins Spiel: Wir brauchen Journalist:innen,<br />
die kritische Fragen<br />
stellen und die eigene Verantwortung<br />
betonen. Laut Reinhard<br />
Steurer sei es auch ihre Aufgabe,<br />
notwendige und sinnvolle Maßnahmen<br />
zu diskutieren. „Der Klimajournalismus<br />
weist zu selten<br />
auf die politischen Versäumnisse<br />
hin. Das heißt die Tatsache,<br />
dass wir nicht auf Zielkurs<br />
sind, dass wir die Ziele für 2030<br />
und 2040 sehr wahrscheinlich<br />
verfehlen werden, wird viel zu<br />
selten thematisiert. Die Politiker:innen<br />
werden wenig zur Rechenschaft<br />
gezogen.“<br />
Gunter Sperka war Klimakoordinator<br />
des Landes Salzburg und<br />
hat die Stabstelle Klimaschutz<br />
und Nachhaltigkeit des Landes<br />
Salzburg geleitet. Als Klimakoordinator<br />
hat er gute Erfahrungen<br />
im Umgang mit den Medien<br />
gehabt. Er hat aber ein Gefälle<br />
zwischen Qualitäts- und Boulevardmedien<br />
bemerkt: Während<br />
Qualitätsmedien umfassend<br />
und professionell recherchierte<br />
Geschichten publizieren, fehle<br />
es bei Boulevardmedien oft an<br />
Expertise und Tiefgrund. Hier<br />
seien viele auf schnelle Schlagzeilen<br />
aus. Generell bleibe die<br />
Berichterstattung oft an der<br />
Oberfläche und die Medien seien<br />
nicht kohärent in ihrer Haltung:<br />
„Man liest auf der einen<br />
Seite, wie furchtbar der Klimawandel<br />
ist und auf der nächsten<br />
Seite wird der neue BMW getestet<br />
und hochgelobt. Also das<br />
passt nicht zusammen.“<br />
Die Medien spielen in dieser<br />
Krise also eine ganz entscheidende<br />
Rolle. Denn es braucht<br />
im Endeffekt eine Mehrheit für<br />
Klimaschutz. Und diese Mehrheit<br />
kommt nur dann zustande,<br />
wenn es eine entsprechende<br />
Berichterstattung gibt. Hier geht<br />
es auf der einen Seite um die<br />
Ernsthaftigkeit dieser Krise und<br />
Waren im vergangenen Sommer Dauerbegleiter in Österreich: Überschwemmungen.<br />
© Adobe Stock<br />
auf der anderen Seite um die<br />
Zielverfehlung. Es ist die Aufgabe<br />
der Medien all das richtig<br />
einzuordnen.<br />
Für Reinhard Steurer haben die<br />
Medien das ganze Ausmaß der<br />
Krise noch immer nicht verstanden.<br />
Er sagt: „Die Realität<br />
sieht natürlich so aus, dass<br />
Medien ihre Verantwortung<br />
nicht wahrnehmen und dass<br />
sie glauben, sich neutral verhalten<br />
zu müssen. Wobei dann<br />
eben die Frage aufkommt, neutral<br />
zu was eigentlich? Neutral<br />
zum Untergang der Zivilisation?<br />
Das ist meiner Meinung nach<br />
eine komische Neutralität. Das<br />
ist ungefähr so, als ob man sagen<br />
würde, ich verhalte mich<br />
neutral zur Demokratie oder<br />
Diktatur. Die Tatsache, dass<br />
sich Journalist:innen nicht neutral<br />
gegenüber demokratischen<br />
Grundrechten, sehr wohl aber<br />
gegenüber der Klimakrise verhalten,<br />
zeigt eines ganz deutlich.<br />
Sie haben letztere noch nicht als<br />
existenzielle Bedrohung verstanden.“<br />
Klimaschutzstrukturen<br />
in Österreich<br />
Es liegt auf der Hand – es muss<br />
sich etwas verändern. Aber wie<br />
funktioniert Klimaschutz in Österreich<br />
auf politischer Ebene?<br />
Und wie sieht es mit einem Klimaschutzgesetz<br />
aus? Gunter<br />
Sperka dazu: „Wir haben in Österreich<br />
das System der mittelbaren<br />
Bundesverwaltung. Das<br />
heißt, Österreich besteht aus<br />
Ein Plädoyer für Klimajournalismus mit Biss<br />
11
dem Bund und den Bundesländern,<br />
mit jeweils unterschiedlichen<br />
Kompetenzen. Im Klimaschutz<br />
liegen etwa 80 Prozent<br />
der tatsächlichen Reduktionsmöglichkeiten<br />
beim Bund bzw.<br />
der EU und 20 Prozent bei den<br />
Bundesländern.“<br />
Das österreichische Klimaschutzministerium<br />
wird derzeit<br />
von Leonore Gewessler geleitet.<br />
Sie ist unter anderem für Klimaschutz,<br />
Verkehr und Infrastruktur<br />
zuständig. Dort, wo die Kompetenzen<br />
eindeutig sind, ist es<br />
einfach, bei den meisten Maßnahmen<br />
hängen die Kompetenzen<br />
von Bund und Ländern allerdings<br />
zusammen. Hier ist die<br />
Zusammenarbeit von Bund und<br />
Ländern gefragt, das passiert<br />
theoretisch in der Landesumweltreferent:innen-Konferenz,<br />
hier setzen sich die zuständige<br />
Bundesministerin und die Länderreferent:innen<br />
zusammen<br />
und versuchen, die Politiken abzustimmen.<br />
Vor allem in der Verkehrs- und<br />
Raumplanung und in der Bautechnik<br />
können die Bundesländer<br />
etwas bewirken. Die Umsetzung<br />
der Bundesgesetze erfolgt<br />
vielfach durch das jeweilige<br />
Bundesland, die Landesregierung<br />
agiert hier als Organ des<br />
Bundes. Es ist in Österreich oft<br />
schwer zu transportieren, wer<br />
wirklich wofür zuständig ist.<br />
Maßnahmen gegen die Klimakrise<br />
sollten immer auch in EU-<br />
Aktivitäten eingebunden sein.<br />
Laut Sperka kann man aber<br />
auch auf nationaler Ebene viel<br />
tun. Den Verkehr sieht er als das<br />
größte Sorgenkind: „Hier haben<br />
wir national einen relativ großen<br />
Spielraum, um nachhaltig etwas<br />
zu verändern.“<br />
Österreich verfügt über ein Klimaschutzgesetz<br />
(KSG). Dieses<br />
wurde 2011 beschlossen und im<br />
Jahr 2017 abgeändert. Im Wesentlichen<br />
legt es für die Sektoren<br />
Energie und Industrie, Verkehr,<br />
Gebäude, Landwirtschaft,<br />
Abfallwirtschaft und fluorierte<br />
Gase Emissionshöchstmengen<br />
bis zum Jahr 2020 fest. Außerdem<br />
soll es die Erarbeitung und<br />
Umsetzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen<br />
regeln.<br />
Das brisante an der Sache: Das<br />
KSG beinhaltet nur Sektorziele<br />
bis zum Jahr 2020, ab 2020 hätten<br />
wir also ein neues KSG gebraucht.<br />
Formal gesehen ist es<br />
aber nicht ausgelaufen, das Gesetz<br />
gilt weiterhin. Gunter Sperka<br />
findet in Bezug auf das österreichische<br />
Klimaschutzgesetz<br />
klare Worte: „Ich habe in meiner<br />
Laufbahn immer eine Hitliste<br />
der schlechtesten Gesetze gehabt<br />
- das Klimaschutzgesetz<br />
war hier lange an erster Stelle.<br />
Denn wenn man einen Blick<br />
in das alte Klimaschutzgesetz<br />
reinwirft, bemerkt man, dass da<br />
im Wesentlichen nichts drinnen<br />
steht, außer wann Bund und<br />
Länder auf welcher Ebene zusammenkommen.<br />
Aber es steht<br />
nicht drinnen, was konkret rauskommen<br />
soll.“<br />
Die aktuelle Klimaschutzministerin<br />
scheint prinzipiell engagiert,<br />
aber der Koalitionspartner<br />
ÖVP bremst bei wesentlichen<br />
Fragestellungen wie generellen<br />
Tempolimits massiv. Wir brauchen<br />
in Österreich einen neuen<br />
rechtlichen Rahmen für Klimaschutz,<br />
denn dieser fehlt zurzeit.<br />
„Das bedauere ich zutiefst, der<br />
Klimawandel ist da. Wir haben<br />
aber wenig rechtliche Handhabe<br />
um dagegen vorzugehen. Seit<br />
mittlerweile mehr als 1.000 Tagen<br />
ist ein neues Klimaschutzgesetz<br />
ausständig. Ein aktuelles<br />
Klimaschutzgesetz, das auch<br />
seinen Namen verdient. Denn es<br />
wäre notwendig alle Akteure in<br />
die Pflicht zu nehmen und klare<br />
Verantwortungen zuzuweisen.<br />
Am besten geschieht das<br />
auch durch klar definierte Sanktionsmöglichkeiten<br />
bei Zielverfehlung<br />
- von wem auch immer“,<br />
so Gunter Sperka.<br />
Mut zur Veränderung<br />
Laut Sperka ist Klimakommunikation<br />
nicht leicht. Bei einem<br />
K3-Kongress zur Klimakommunikation<br />
machten Kommunikationsexpert:innen<br />
darauf<br />
aufmerksam, dass man langsam<br />
und positiv kommunizieren<br />
müsse, Klimaexpert:innen<br />
entgegneten, dass keine Zeit<br />
mehr für positive und langsame<br />
Kommunikation zur Verfügung<br />
stünde.<br />
Man hätte viel früher ein positives<br />
Narrativ erfinden müssen<br />
und zeigen sollen, wie man gut<br />
und klimagerecht leben kann.<br />
Mittlerweile müssen wir in einer<br />
unglaublichen Geschwindigkeit<br />
Emissionen senken. Das erfordert<br />
massive Änderungen im<br />
Lebensstil der meisten Menschen<br />
– viele empfinden das als<br />
gefährliche Drohung und weigern<br />
sich. Der klassische SUV-<br />
Fahrer, der gerne Schnitzel isst,<br />
findet keinen Gefallen an niedrigeren<br />
Tempolimits oder einer<br />
fleischlosen Ernährung. Resignation<br />
und Bequemlichkeit<br />
bringen uns in dieser Krise aber<br />
nicht weiter.<br />
Genau hier muss der Klimajournalismus<br />
ansetzen: Es ist<br />
seine Aufgabe den Menschen<br />
bewusst zu machen, dass wir<br />
JETZT etwas ändern MÜSSEN.<br />
Zurzeit haben wir es sehr wahrscheinlich<br />
noch in der Hand –<br />
durch konsequente und wohlüberlegte<br />
Maßnahmen können<br />
wir unsere Zukunft noch lebenswert<br />
gestalten. Das erfordert jedoch<br />
unangenehme Einschnitte<br />
in unser Leben. Doch viel unangenehmer<br />
sind die Auswirkungen,<br />
wenn wir nichts tun.<br />
12<br />
Ein Plädoyer für Klimajournalismus mit Biss
MEHR ALS<br />
IRGENDWAS<br />
MIT MEDIEN.<br />
Als Multi-Screen-Vermarkterin mit langjähriger<br />
Erfahrung sorgen wir dafür, dass Werbebotschaften<br />
zur richtigen Zeit auf den richtigen Screens bei der<br />
richtigen Zielgruppe ankommen.<br />
NEUGIERIG GEWORDEN? ERKUNDIGE DICH JETZT!<br />
www.goldbach.com<br />
13
Klimawandel, Kritik, Kontroversen:<br />
Manuel Kelemen über TV-Meteorologie<br />
in Zeiten des Gegenwinds<br />
Manuel Kelemen ist leidenschaftlicher Meteorologe und Wettermoderator bei ATV. Beruflich wie<br />
auch privat hat das Wetter für ihn höchste Priorität, so konnte er sich bereits in jungen Jahren<br />
für die Meteorologie begeistern. Neben seinen täglichen Aufgaben und Herausforderungen als<br />
TV-Meteorologe in Zeiten des Klimawandels wird Kelemen auch immer wieder mit persönlichen<br />
Angriffen und Beleidigungen konfrontiert. Über seine Rolle im Kontext der Klimaberichterstattung<br />
sprach Kelemen im Interview mit <strong>SUMO</strong>.<br />
von CHRISTINA JAUSCHNEGG<br />
<strong>SUMO</strong>: Wie sehen Sie die Rolle<br />
von TV-Meteorolog:innen im<br />
Kontext des Klimajournalismus?<br />
Manuel Kelemen: TV-Meteorologen<br />
sind längst nicht mehr nur<br />
da, um zu sagen, wie das Wetter<br />
wird. Unterm Strich zeigt das<br />
einem mittlerweile jedes Smartphone.<br />
De facto ist also der<br />
Wetterbericht beziehungsweise<br />
der Meteorologe an sich zu einem<br />
gewissen Grad obsolet geworden.<br />
Was einem das Handy<br />
jedoch nicht liefert, ist eine Einordnung.<br />
Unser Job ist es, darauf<br />
aufmerksam zu machen, wenn<br />
eine Sache ins Absurde rutscht.<br />
Als Beispiel die Wärme im Oktober:<br />
Das Smartphone sagt<br />
25 Grad Sonnenschein an und<br />
Gott und die Welt freut sich darüber.<br />
Natürlich sind 25 Grad im<br />
Herbst fein, aber nicht auf Dauer<br />
und genau für diese Einordnung<br />
ist der Meteorloge im Fernsehen<br />
da. Auch ist es zum Teil unsere<br />
Aufgabe, komplexe naturwissenschaftliche<br />
Zusammenhänge<br />
für das Fernsehpublikum auf<br />
ein allgemein verständliches<br />
Niveau herunterzubrechen.<br />
Es kursieren viele Fehlinformationen<br />
über den Klimawandel.<br />
Tragen TV-Meteorolog:innen<br />
auch eine gewisse Verantwortung,<br />
diese zu korrigieren?<br />
Kelemen: Ja und nein. Meine<br />
Aufgabe ist es nicht, Fehlinformationen<br />
aufzuzeigen und diese<br />
zu korrigieren. Jedoch achte<br />
ich selbst darauf, dass meine<br />
Informationen Hand und Fuß<br />
haben: Was ich kommuniziere,<br />
lasse ich auch verifizieren und<br />
versuche so, die Fehlerquelle<br />
zu minimieren. Man kann Menschen<br />
zutrauen, dass sie selbst<br />
entscheiden, wem sie vertrauen<br />
wollen und woher sie ihre Informationen<br />
beziehen. Bei den<br />
„hardcore“-Leugnern ist sowieso<br />
Hopfen und Malz verloren.<br />
Ich habe mittlerweile Abstand<br />
genommen von Klimaleugnern,<br />
mit denen ich aufgrund meines<br />
Jobs oft konfrontiert bin. Da<br />
führt eine Richtigstellung der<br />
Informationen häufig zu nichts,<br />
außer dazu, dass man am Ende<br />
persönliche Beleidigungen abbekommt.<br />
Solche Menschen<br />
sind leider oft auf Konfrontation<br />
aus.<br />
Inwiefern können TV-Meteorolog:innen<br />
dazu beitragen, das<br />
Bewusstsein für den Klimawandel<br />
in der Öffentlichkeit zu<br />
schärfen?<br />
Kelemen: Man muss in der Sache<br />
glaubwürdig sein und in vielerlei<br />
Hinsicht auch als Positivbeispiel<br />
vorangehen. Ich sage immer, ich<br />
selbst bin kein Heiliger. Auch ich<br />
habe ein Auto und ich weiß, dass<br />
ich hin und wieder auch darauf<br />
angewiesen bin. Aber es macht<br />
einen Unterschied, ob ich jeden<br />
Tag ins Auto steige, weil ich faul<br />
bin oder es aber nur gelegentlich<br />
nutze, wenn ich zum Beispiel<br />
etwas transportieren muss. Die<br />
größte Sache, die wir im Kampf<br />
gegen den Klimawandel machen<br />
können, ist darüber zu reden<br />
und zu sensibilisieren. Denn<br />
darum geht es am Ende: Den<br />
Leuten bewusst zu machen,<br />
dass, wenn wir alle mit unserem<br />
Lebensstil so weitermachen wie<br />
bisher, wir ein ernstes Problem<br />
haben.<br />
Welche Maßnahmen ergreifen<br />
Sie selbst? Und finden Sie es<br />
wichtig, dass die beruflichen<br />
Agenden in Bezug auf den Klimawandel<br />
mit Ihren privaten<br />
übereinstimmen?<br />
Kelemen: Ich bin schwer davon<br />
überzeugt, dass das übereinstimmen<br />
muss! Um glaubwürdig<br />
zu bleiben, sollte man sich on<br />
air nicht anders geben als privat.<br />
Ich kann nicht auf Sendung meine<br />
Kritik zu Kurztrips mit Flug<br />
äußern und gleichzeitig privat<br />
14-mal im Jahr in den Flieger<br />
steigen – einfach weil‘s Spaß<br />
macht. Das ist für mich nicht<br />
zu vereinbaren – gleichwohl<br />
sich niemand dafür zu schämen<br />
braucht, auch mal in den Urlaub<br />
zu fliegen. Bezüglich den von mir<br />
ergriffenen Maßnahmen, steht<br />
ganz klar an erster Stelle, dass<br />
ich versuche zu sensibilisieren,<br />
wo es nur geht. Daran arbeite<br />
ich privat wie auch auf Sendung.<br />
Ich habe eben aufgrund<br />
dessen, dass ich im Fernsehen<br />
14
in, ein breiteres Spektrum zur<br />
Verfügung und erreiche dadurch<br />
mit meiner Botschaft sehr viele<br />
Menschen. Zweitens bin ich -<br />
wie ich es gerne nenne - „Klimatarier“.<br />
Ich verzichte aus Klimaund<br />
Umweltschutzgründen auf<br />
eine Sache, die mir schmeckt –<br />
nämlich Fleisch. Und das schon<br />
seit über einem Jahrzehnt. Und<br />
drittens bin ich während der Coronazeit<br />
aufs Rad umgestiegen.<br />
Warum ich das nicht schon früher<br />
gemacht habe, ist mir selbst<br />
ein Rätsel.<br />
In Ihrer Klimasendung „Gradwanderung“<br />
erklären Sie den<br />
Sat.1 Österreich-Zuseher:innen<br />
die Ursachen und Umstände<br />
der Klimakrise. Welches<br />
Feedback erhalten Sie dazu?<br />
Kelemen: Das Feedback auf<br />
„Gradwanderung“ hat mich echt<br />
überrascht. Üblicherweise ist es<br />
so: Wenn ich den Klimawandel<br />
in meinen Sendungen anspreche,<br />
prasseln relativ viele Beleidigungen<br />
auf mich ein - sei<br />
es per E-Mail, Kontaktformular<br />
oder per Anruf. Daher hatte ich,<br />
als wir die Klimasendung „Gradwanderung“<br />
gestartet haben,<br />
im Vorhinein wirklich Bedenken.<br />
Aber ich habe bis heute noch kein<br />
einziges negatives Feedback erhalten.<br />
Es kommen nur positive<br />
Rückmeldungen rein und damit<br />
meine ich nicht nur, dass die Zuseher:innen<br />
ihr Gefallen an der<br />
Sendung ausdrücken, sondern,<br />
dass Leute auch Fragen haben,<br />
die in den Sendungen nicht ausreichend<br />
beantwortet wurden.<br />
Daran erkennt man, dass der<br />
Bedarf nach solchen Sendungen<br />
sehr wohl gegeben und sogar<br />
sehr hoch ist.<br />
Welche Reaktionen von Zuseher:innen<br />
sind Ihnen besonders<br />
in Erinnerung geblieben?<br />
Kelemen: Ein Verein von älteren<br />
Menschen, „Grandparents for<br />
Future“, hat mich angeschrieben,<br />
was mir persönlich sehr<br />
imponiert hat, weil der Klimawandel<br />
älteren Menschen an<br />
sich völlig egal sein kann. Die<br />
Fragen waren: Was sollen und<br />
können ältere Menschen tun?<br />
Sollen sie noch dagegen vorgehen?<br />
Sie haben sich entsetzt<br />
gezeigt über das, was vor sich<br />
geht und wollen aktiv etwas dagegen<br />
unternehmen. Diese Eindringlichkeit,<br />
dass auch bei älteren<br />
Menschen das Bedürfnis<br />
vorhanden ist, diesen Planeten<br />
möglichst lebensfreundlich zu<br />
hinterlassen, hat mich schwer<br />
beeindruckt. Auch in Erinnerung<br />
geblieben ist mir die Nachricht<br />
eines kleinen Buben, der so begeistert<br />
davon war, dass er das,<br />
was er in meiner Sendung über<br />
den Klimawandel gesehen hat,<br />
schon in der Schule gelernt hat.<br />
Wie müsste die TV-Klimaberichterstattung<br />
aufgebaut<br />
sein, um bei den Menschen<br />
mehr Aufmerksamkeit zu wecken?<br />
Kelemen: Prinzipiell gehört Klimainformation<br />
genauso in den<br />
täglichen Wetterbericht eingebaut,<br />
wie die Temperaturen<br />
für morgen oder eine Wettervorschau.<br />
Allerdings neigen die<br />
Nachrichten dazu, viele Menschen<br />
damit zu überfordern und<br />
sie ganz einfach mit Meldungen<br />
zum Thema Klimawandel<br />
zu bombardieren. Ich bin nicht<br />
jemand, der den Klimawandel<br />
kleinredet, aber wir dürfen<br />
nicht den Fehler machen, dass<br />
alles, was auf dieser Welt passiert,<br />
immer sofort dem Klimawandel<br />
zuzuschreiben ist.<br />
Psychologisch führt das dazu,<br />
dass Menschen automatisch<br />
die Scheuklappen aufsetzen.<br />
An dieser Stelle möchte ich den<br />
„Klimaspiegel“ erwähnen. Der<br />
ist im ATV-Wetterbericht ein<br />
Fixelement, welcher das Wetter<br />
einordnet und darüber informiert,<br />
wie der jeweilige Tag<br />
zum für die Jahreszeit üblichen<br />
Wetter passt. Genau so muss<br />
Manuel Kelemen hat an der Universität Wien Meteorologie<br />
studiert und ist Wettermoderator bei ATV sowie Chefredakteur<br />
im Bereich Wetter und Klima der ProSiebenSat.1 PULS<br />
4-Gruppe. Neben seiner Wettersendung moderiert er auch<br />
die beiden Klimasendungen „Gradwanderung“ und „Wetterleben“<br />
auf ATV. © ProSiebenSat1 PULS 4/Chris Glanzl<br />
Klimainformation kommuniziert<br />
werden. Es darf nicht mit dem<br />
Holzhammer daherkommen,<br />
sondern muss etwas unterschwelliger<br />
erfolgen. Die Bereitschaft<br />
Fakten aufzunehmen, ist<br />
dann höher.<br />
Und wie wird der Wetterbericht<br />
in fünf bis zehn Jahren<br />
aussehen?<br />
Kelemen: Ich glaube, dass generell<br />
Meteorologie immer wichtiger<br />
wird. Die Aufgabe von<br />
Wetterberichten wird zukünftig<br />
noch vielmehr darin liegen, vor<br />
eventuellen Naturgefahren, Hitze-<br />
oder Kältewellen, zu warnen.<br />
Es wird etwa spezielle Karten<br />
geben, die zeigen, wo man<br />
im Hochsommer nicht rausgehen<br />
sollte wegen zu hoher<br />
Temperaturen oder zu hohem<br />
UV-Index. Auch im Bereich der<br />
Unwetterwarnungen – allen voran<br />
Gewittern – wird sich noch<br />
viel entwickeln.<br />
Klimawandel, Kritik, Kontroversen: Martin Kelemen über TV-Meteorologie in Zeiten des Gegenwinds<br />
15
ORF setzt auf internes<br />
Klimanetzwerk<br />
Welche Rolle spielt die Klimaberichterstattung im größten Medienhaus des Landes und wie hat<br />
der ORF diese über seine diversen Ausspielkanäle organisiert? <strong>SUMO</strong> hat mit ORF-Journalist Gerhard<br />
Maier, Initiator des „ZiB Magazin Klima“, und Redakteurin Hannah Schilcher aus dem Landesstudio<br />
Salzburg gesprochen.<br />
von FATMA CAYIRCI<br />
Der ORF spielt in der österreichischen<br />
Medienlandschaft eine<br />
wichtige Rolle. Vor allem, wenn<br />
es darum geht, der Bevölkerung<br />
Zugang zu Information zu gewährleisten.<br />
Die ORF-Sendergruppe<br />
erreichte im Jahr 2023<br />
eine Tagesreichweite von 3,589<br />
Millionen Zuschauer:innen – das<br />
entspricht 47,6 Prozent der TV-<br />
Bevölkerung. Zudem verfolgen<br />
rund 1,5 Millionen Menschen<br />
regelmäßig die Nachrichtensendungen<br />
der „Zeit im Bild“ und<br />
rund 1,3 Millionen die Regionalnachrichten<br />
von „Bundesland<br />
heute“. Kurzum: Geht es darum,<br />
der Bevölkerung die Ernsthaftigkeit<br />
der aktuellen Klimakrise<br />
näherzubringen, kommt dem<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
nicht nur wegen seines<br />
gesetzlichen Auftrages eine besondere<br />
Verantwortung zu. Die<br />
zentrale Frage lautet daher: Wie<br />
handhabt der ORF diese beziehungsweise<br />
wie ist die Klimaberichterstattung<br />
im größten Medienunternehmen<br />
des Landes<br />
organisiert?<br />
„Graswurzelbewegung“<br />
Neben der klassischen TV-Berichterstattung<br />
in den diversen<br />
Nachrichtensendungen des aktuellen<br />
Dienstes, im „ZiB Magazin<br />
Klima“, der Rubrik „Umwelt<br />
und Klima“ auf „orf.at“ oder in<br />
den „FM4-Klimanews“ setzt der<br />
ORF auf interne Vernetzung. Vor<br />
rund zwei Jahren wurde am Küniglberg<br />
ein Netzwerk ins Leben<br />
gerufen, an dem verschiedene<br />
Ressorts wie Wetter, Wissenschaft,<br />
Wirtschaft oder auch<br />
die Außenpolitik beteiligt sind.<br />
Dieses Netzwerk soll unter anderem<br />
dazu dienen, die verschiedenen<br />
Ressorts besser<br />
aufeinander abzustimmen. Laut<br />
Umweltjournalist Gerhard Maier<br />
– seit April 2022 gestaltet und<br />
moderiert er immer samstags<br />
das von ihm konzipierte „ZiB<br />
Magazin Klima“, eine Schwerpunktausgabe<br />
des „ZiB Magazin“<br />
- will man sich aber nicht<br />
nur über Klimazusammenhänge<br />
austauschen, sondern auch die<br />
interne Bewusstseinsbildung<br />
vorantreiben, dem Thema Klima<br />
im ORF-Programm insgesamt<br />
einen größeren Stellenwert<br />
geben. „Das war im Haus ein<br />
bisschen eine Graswurzelbewegung,<br />
wo man sich zusammengeschlossen<br />
hat und dieses<br />
Thema nun im Haus viel stärker<br />
beleuchtet. Wir haben einmal<br />
die Woche ein Meeting und versuchen<br />
die Themen dann auch<br />
über dieses Netzwerk in andere<br />
Programmgefäße hineinzubekommen“,<br />
erzählt er. Die diverwww.sauer.at<br />
erFAHRE<br />
DEINE FREIHEIT<br />
FAHRSCHULE SAUER<br />
Julius 16Raab-Promenade 29 | 3100 St. Pölten | +43 2742 266 88
sen Zugänge seien wichtig, da<br />
das Thema Klima mittlerweile<br />
allgegenwärtig sei. Das „ZIB<br />
Magazin Klima“ soll laut Maier<br />
auch „als Trägerrakete oder als<br />
Schaukasten“ gesehen werden.<br />
Andere Redakteur:innen des<br />
ORFs sollen sich Aspekte abschauen<br />
können, die Sendung<br />
solle als Fingerzeig dienen.<br />
Lokale Klimaberichterstattung<br />
im Fokus<br />
Dass die Berichterstattung<br />
übers Klima nicht nur national,<br />
sondern auch lokal ein wichtiges<br />
Thema ist, zeigte zum Beispiel<br />
das ORF-Landesstudio Salzburg<br />
vor. Sieben Wochen lang<br />
hat man dort via TV, Radio und<br />
Instagram die Rubrik „Nachhaltig<br />
gefragt“ ausgespielt. Jeden<br />
Mittwoch wurden verschiedene<br />
klimarelevante Fragen unter die<br />
Lupe genommen, die die Region<br />
betreffen. Beispiele dafür: „Wie<br />
kann eine Eishalle Energie sparen?“<br />
oder „Wie geht die Landwirtschaft<br />
mit den Wetterextremen<br />
um?“<br />
Für Redakteurin Hannah Schilcher<br />
war die zentrale Frage:<br />
„Wo passiert der Klimawandel in<br />
Salzburg? Und wo gibt es Themen,<br />
die für unsere Seher:innen<br />
besonders relevant sind?<br />
Man sollte sich nämlich nicht<br />
nur Gedanken um die großen<br />
Fragen machen, sondern auch<br />
um die kleinen. Zum Beispiel,<br />
wie man sich in Zukunft fortbewegt.“<br />
Plus: Wie in der Zentrale<br />
am Küniglberg, versucht das<br />
Landesstudio auf seiner Onlineseite<br />
„salzburg.orf.at“, einen<br />
steten Konnex zum Klimawandel<br />
zu schaffen, indem man in<br />
verschiedenen Artikeln den Vermerk<br />
„Wetterereignisse häufen<br />
sich mit dem Klimawandel“<br />
verlinkt. Damit soll klargestellt<br />
werden, dass beispielsweise<br />
Überschwemmungen nicht einfach<br />
so passieren, sondern diese<br />
im Zusammenhang mit der<br />
Klimakrise stehen.<br />
Eigenes Ressort oder<br />
Klimabildung für alle?<br />
Während Österreichs Redaktionen<br />
und auch jene des ORF in<br />
der Regel klassisch organisiert<br />
sind - von Politik über Wirtschaft<br />
bis Chronik, Sport und<br />
Wissenschaft - scheiden sich<br />
mittlerweile die Geister an der<br />
Frage, ob in den Redaktionen<br />
nicht eigene Klimaressorts geschaffen<br />
werden sollten. Zuletzt<br />
- während der Pandemie<br />
- hatten die Medien schließlich<br />
bewiesen, dass man auch über<br />
komplexe Themen ressortübergreifend<br />
berichten kann.<br />
ORF-Klimajournalist<br />
Gerhard Maier ist<br />
hier der Meinung,<br />
dass es kein dezidiertes<br />
Klimaressort<br />
brauche,<br />
sondern eher<br />
stärkere Klimabildung<br />
für Journalist:innen<br />
aus allen Ressorts.<br />
„Es müsste<br />
professionalisiert<br />
viel mehr Klimajournalist:Innen<br />
in den Ressorts<br />
geben - die zwar<br />
einem Ressort zugeordnet<br />
sind, aber<br />
viel stärker fokussiert auf das<br />
Thema Klima,“ betont er. Journalist:innen,<br />
die sich intensiv<br />
mit politischen Aspekten beschäftigten,<br />
hätten nicht die Kapazität,<br />
sich auch noch mit den<br />
klimatischen Blickwinkeln auseinanderzusetzen.<br />
Ganz ähnlich<br />
ist auch ORF-Salzburg-Redakteurin<br />
Hannah Schilcher der<br />
Überzeugung, dass das Thema<br />
Klima eine die Fachbereiche<br />
übergreifende Angelegenheit<br />
sein sollte. „Man muss das Klima<br />
viel öfter in den verschiedenen<br />
Ressorts unterbringen.<br />
In vielen Beiträgen würde sich<br />
so zeigen, was alles auf unser<br />
Weltklima Einfluss nimmt.“<br />
Gerhard Maier / © ORF/Roman Zach-Kiesling<br />
Hannah Schilcher / © ORF/wildbild<br />
Alle Hit-Formate und alle<br />
Highlights deiner Lieblingssender<br />
ohne Abo & ohne Kosten<br />
JETZT KOSTENLOS SUPERSTREAMEN!<br />
17
Klimajournalismus –<br />
die Kunst der Kommunikation<br />
Die Welt, vernetzt und überflutet von Nachrichten, ist im Begriff zu ersticken. Nicht an einem<br />
Mangel, sondern an einem Überfluss an Informationen. Hier, wo jeder Klick eine neue Schleuse<br />
öffnet und einen Tsunami an Daten entfacht, steht der Klimajournalismus vor einer komplexen<br />
Herausforderung, vergleichbar mit dem Klimawandel selbst. Es ist eine Gratwanderung zwischen<br />
dem Erwecken von Umweltbewusstsein und der Gefahr, im Strom vielfältiger Schlagzeilen unterzugehen.<br />
von VICTORIA KNEIL<br />
In der heutigen Medienlandschaft<br />
wird intensiv über den<br />
Klimawandel und seine Auswirkungen<br />
berichtet. Diese Informationsflut<br />
führt zu einer<br />
Überlastung, die die öffentliche<br />
Wahrnehmung negativ beeinflusst.<br />
Klimajournalismus muss<br />
sich daher der Aufgabe stellen,<br />
Informationen und Botschaften<br />
effektiv, effizient und in angemessenem<br />
Maß zu vermitteln.<br />
Soll Journalismus<br />
mobilisieren?<br />
„Es ist fraglich, ob Journalismus<br />
mobilisieren oder lediglich<br />
berichten soll. Es gibt Unterschiede<br />
zwischen Aktivismus,<br />
Mobilisierung und Journalismus.<br />
Journalismus soll den wissenschaftlichen<br />
Konsens, den die<br />
Klimaforschung sehr eindeutig<br />
herstellt,<br />
angemessen<br />
vermitteln“,<br />
meint<br />
Matthias<br />
Karmasin.<br />
Er ist österreichischer<br />
Medien- und<br />
Kommunikationswissenschaftler,<br />
forscht und<br />
lehrt als Professor<br />
für<br />
diese Fachgebiete<br />
an<br />
der Universität<br />
Klagenfurt und ist Direktor<br />
am Institut für vergleichende<br />
Medien- und Kommunikationsforschung<br />
(CMC) der Österreichischen<br />
Akademie der Wissenschaften.<br />
Klimajournalismus steht vor<br />
der Herausforderung, inmitten<br />
der Informationsüberflutung<br />
die richtige Balance zu finden.<br />
Effektive Kommunikation<br />
spielt eine Schlüsselrolle, um<br />
die Gesellschaft zu mobilisieren.<br />
Karmasin betont die Notwendigkeit,<br />
den Konsens der<br />
Klimaforschung zu vermitteln<br />
und kritisiert die klare Trennung<br />
von Journalismus, Aktivismus<br />
und Mobilisierung aus ethischer<br />
Sicht. Die Vermittlung wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse erfordert<br />
zwei Prinzipien: Verzicht<br />
auf „False Balance“ zur angemessenen<br />
Darstellung des wissenschaftlichen<br />
Konsenses und<br />
Betonung, dass wissenschaftliches<br />
Wissen zwar bestgesichert<br />
ist, aber nicht absoluten Prinzipien<br />
unterliegt. In Österreich<br />
besteht ein Bedarf, klar zu kommunizieren,<br />
warum bestimmte<br />
Erkenntnisse als bestgesichert<br />
gelten und wie die Qualitätssicherung<br />
durch Verfahren wie<br />
Peer-Reviews funktioniert.<br />
Ein weiterer Fokus liegt auf der<br />
Aufklärung über Lobby-Strategien<br />
und interessengeleitete<br />
Kommunikation, die systematisch<br />
Zweifel an wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen wecken.<br />
Der als „Science Populism“ bekannte<br />
Ansatz versucht, Wissenschaft<br />
als abgehobene<br />
Elite zu präsentieren und als irrelevant<br />
für die Bedürfnisse der<br />
Menschen darzustellen. Eine<br />
kritische Reflexion dieser Darstellungen<br />
ist notwendig, um<br />
das Vertrauen in die Wissenschaft<br />
zu stärken und Missverständnisse<br />
zu vermeiden.<br />
Notwendigkeit für investigativen<br />
Journalismus<br />
Torsten Schäfer, Forscher an<br />
der Hochschule Darmstadt,<br />
Umweltjournalist und seit den<br />
1990er-Jahren im Naturschutz<br />
engagiert, hebt die zentrale Bedeutung<br />
des Klimajournalismus<br />
für die Mobilisierung der Gesellschaft<br />
hervor. Massenmedien<br />
und Journalismus seien entscheidende<br />
Instrumente. Insbe-<br />
18<br />
© Adobe Stock
sondere betont er die Rolle des<br />
Journalismus im Bereich sozialer<br />
Medien: „Medien vermitteln seit<br />
jeher Wissen zu Klima, Umwelt<br />
und Ökologie und bleiben ein<br />
entscheidender Faktor für die<br />
Information der Bevölkerung.<br />
Wenig hat sich daran geändert.<br />
Allerdings hat sich in den vergangenen<br />
Jahren die Art der<br />
Medien und ihre Informationsvermittlung<br />
verändert. Plattformen<br />
wie YouTube, TikTok,<br />
Podcasts und Co. spielen heute<br />
eine wesentlich entscheidende<br />
Rolle, wenn es darum geht, die<br />
jüngere Bevölkerungsschicht zu<br />
erreichen.“<br />
Übergang von<br />
„Living from nature“<br />
zu „Living as nature“<br />
Die Veränderung der Medienlandschaft<br />
beeinflusst nicht nur<br />
das „Ob“ der Mobilisierung, sondern<br />
auch das „Wie“. Die Vielfalt<br />
der heutigen Medien und die<br />
ständige Informationsflut stellen<br />
Klimajournalisten vor einzigartige<br />
Herausforderungen.<br />
Neue Medienformate verändern<br />
die Art und Weise, wie Informationen<br />
über den Klimawandel<br />
verbreitet werden. Obwohl diese<br />
Entwicklungen das Feld unübersichtlich<br />
gemacht haben,<br />
bieten sie auch neue Möglichkeiten<br />
für breites Engagement.<br />
„Es braucht mehr investigativen<br />
Journalismus, der auch politisch<br />
ist, harte Fragen stellt“, meint<br />
Schäfer. Seine Erkenntnisse verdeutlichen<br />
den Bedarf an spezialisierten<br />
Klimajournalist:innen<br />
und weisen auf die Herausforderungen<br />
hin, denen der Klimajournalismus<br />
auch im Hinblick<br />
auf Finanzierung und Vielfalt der<br />
Themen ausgeliefert ist.<br />
Schäfer betont aber auch die<br />
Notwendigkeit eines neuen<br />
Naturverhältnisses. Klimajournalismus<br />
solle den Dualismus<br />
Mensch - Natur überwinden. Er<br />
hebt hervor, dass dieser fortlaufende<br />
Prozess – der sich<br />
über mehrere Generationen erstrecken<br />
werde – eine Öffnung<br />
und neue Haltung zur Natur verlangt.<br />
Dies schließe die Idee ein,<br />
sich in den Schreib- und Lernprozessen<br />
mit der Natur auseinanderzusetzen,<br />
um eine tiefere<br />
Verbundenheit zu entwickeln.<br />
Die Kunst der Klimakommunikation<br />
sei hier zentrales Thema.<br />
Die Sprache des Klimajournalismus,<br />
die bisher stark kapitalistisch<br />
geprägt gewesen sei und<br />
voller Metaphern und Botschaften<br />
stecke, müsse sich weiterentwickeln.<br />
Dafür schlägt der<br />
Forscher und Umweltjournalist<br />
vor, naturbezogene Metaphern<br />
zu verwenden und Erlebnisse<br />
in der Natur zu integrieren, um<br />
den Dialog zu verändern und ein<br />
tieferes Verständnis für die Klimakrise<br />
zu fördern. Er will den<br />
Übergang von „Living from nature“<br />
zu „Living as nature“.<br />
Schäfer beschreibt das bestehende<br />
System „als ein Gefäß,<br />
das durch die Vielfalt der existierenden<br />
Elemente kaum mehr<br />
überschaubar“ sei. „Die Veränderung<br />
des Systems ist zwar<br />
positiv, aber eine zu starke Veränderung<br />
könnte dazu führen,<br />
dass dieses Gefäß überläuft.“ Er<br />
sieht die Transformation als wilden,<br />
ungestalteten Prozess, der<br />
multipolar von verschiedenen<br />
Akteuren beeinflusst werde –<br />
von Menschen über Aktivist:innen<br />
bis hin zu Journalist:innen,<br />
die neue Medien und Netzwerke<br />
schaffen. „Die Zusammenarbeit<br />
in diesem Prozess ist herausfordernd,<br />
da nicht alle dasselbe<br />
vernünftige Maß finden können,<br />
aber dennoch ist es wichtig,<br />
sich darauf zu konzentrieren,<br />
gemeinsam zu arbeiten,“ wie<br />
Schäfer unterstreicht.<br />
Schwer vermittelbare<br />
Dauerkrise<br />
Matthias Karmasin wiederum<br />
bemüht das Bild einer „Dauerkrise“,<br />
die schwer vermittelbar<br />
sei. „Journalismus lebt von den<br />
Sensationen des Alltags, das<br />
heißt von der Diskontinuität,<br />
von dem Auffälligen - Stichwort<br />
Nachrichtenwert. Eine Dauerentwicklung<br />
ist etwas, was sich<br />
journalistisch schwerer bearbeiten<br />
lässt als Dinge, die disruptiv<br />
und sehr schnell passieren.“<br />
Karmasin hebt in diesem Zusammenhang<br />
strukturelle Herausforderung<br />
hervor: „In diesem<br />
Bereich ist der Klimajournalismus<br />
deshalb herausfordernd,<br />
weil er mehr als nur Wissenschaftsberichterstattung<br />
ist.<br />
Es betrifft nicht nur das Wetterressort,<br />
sondern alle Ressorts,<br />
wie auch die Klimakrise<br />
alle Bereiche betrifft – bis hin<br />
zum Sport. Stichwort Skifahren<br />
und Skigebiete oder<br />
Formel 1-Rennen,<br />
bei denen die Leute<br />
schon ohnmächtig<br />
werden, weil es zu<br />
heiß ist. Es ist eine<br />
Querschnittsmaterie<br />
und die Kompetenz, über<br />
jene komplexe Thematik<br />
zu berichten, ist nicht<br />
in allen Redaktionen<br />
gleichermaßen vorhanden.“<br />
Insgesamt wird deutlich,<br />
dass der Klimajournalismus<br />
in Zeiten der Informationsüberflutung<br />
vor besonderen<br />
Herausforderungen steht. Die<br />
Balance zwischen Information<br />
und Mobilisierung erfordert<br />
nicht nur eine klare ethische<br />
Grundlage, sondern auch innovative<br />
Kommunikationsansätze.<br />
Der Klimajournalismus muss<br />
nicht nur die gegenwärtigen<br />
Herausforderungen reflektieren,<br />
sondern auch den Weg für<br />
kommende Generationen ebnen.<br />
Das Ziel ist klar formuliert:<br />
Schutz unseres Klimas durch<br />
eine verantwortungsbewusste<br />
Gesellschaft, bereit, nachhaltige<br />
Prinzipien einzuhalten.<br />
Torsten Schäfer / © Sandor Rapolder<br />
Matthias Karmasin / © Scheriau<br />
Klimajournalismus – die Kunst der Kommunikation<br />
19
Zwischen Fakten und Emotionen<br />
Die Klimakrise bringt so manche Individuen an ihre psychischen Belastungsgrenzen. Aber wie viel<br />
Krise verträgt der Mensch? Die Psychologin Anika Heck klärt über versteckte Wirkungen und Folgen<br />
des menschengemachten Klimawandels auf. Und Michael Lohmeyer von der „Presse“ gewährt<br />
Einblicke in die Denk- und Arbeitsweise eines Journalisten im Tagesgeschäft. Die zentrale Frage:<br />
Hat die Klimakrise in unser aller Köpfe noch Platz - und sind sich Psycholog:innen und Journalist:innen<br />
in ihrer Antwort einig?<br />
von NICO BRANDSTETTER<br />
15. September 2023, 17:30<br />
Uhr im sechsten Wiener Gemeindebezirk.<br />
Ein spätsommerlicher<br />
Tag auf der<br />
Mariahilfer Straße.<br />
Am Westbahnhof<br />
startend tragen<br />
einen die Beine in<br />
nur 25 Minuten bis<br />
ans Ende der bekannten<br />
Shoppingmeile.<br />
Dort angekommen<br />
bestaunt man<br />
das bunte Treiben<br />
der gerade stattfindenden<br />
Vienna<br />
Fashion Week.<br />
Doch der Trubel wird<br />
schnell übertönt. Zig<br />
Menschen kleben, stehen<br />
und schreien lauthals an der<br />
Kreuzung zum Museumsplatz.<br />
Es sind friedlich demonstrierende<br />
Klimaaktivist:innen. Wer<br />
nicht in einem Fahrzeug gefangen<br />
sitzt, reagiert schnell:<br />
Die Gäste der Fashion Week<br />
verschwinden in den Gemäuern<br />
des Museumsquartiers und<br />
die Einkaufsbummler bringen<br />
ihre Einkäufe in Sicherheit. Was<br />
bleibt, ist die Schlagzeile in der<br />
Zeitung des folgenden Tages ...<br />
Michael Lohmeyer / ©privat<br />
Anika Heck<br />
/ ©privat<br />
Ich will das nicht sehen …<br />
Die „Flucht“ der Menschen am<br />
Museumsplatz kann gleichgesetzt<br />
werden mit dem Flüchten<br />
der Rezipient:innen vor der Berichterstattung.<br />
Es ist ein Bewältigungsmodus,<br />
welcher dem<br />
einzelnen dienlich ist, um die<br />
vorherrschende Krise zu verarbeiten.<br />
Die deutsche Psychologin<br />
Anika Heck beobachtet<br />
diesen Zustand immer öfter.<br />
Seit 2021 ist sie Teil der Psychologists<br />
& Psychotherapists<br />
For Future im Nachbarland. In<br />
dieser Zeit hat sie ihren Praxisbetrieb<br />
eingeschränkt, um sich<br />
stärker in der Klimaschutzbewegung<br />
engagieren zu können.<br />
Sie beschreibt, dass der Mensch<br />
eigentlich nicht für solch komplexe<br />
Bedrohungen wie den<br />
Klimawandel gemacht sei und<br />
dass viele aufgrund der Überforderung<br />
scheinbar in Lähmung<br />
verfallen. Irgendwann reagieren<br />
die Menschen mit dem Gefühl<br />
von Hilflosigkeit und Machtlosigkeit,<br />
sie schalten die Nachrichten<br />
einfach nicht mehr ein.<br />
In anderen Fällen wenden sie<br />
sich alternativen medialen Kanälen<br />
zu, die ihrem Weltbild eher<br />
entgegenkommen, so Heck. Die<br />
Leugnung des Klimawandels<br />
oder die Relativierung wissenschaftlicher<br />
Fakten sind dann<br />
nicht mehr weit entfernt. Genau<br />
hier liegt das Problem: Wenn<br />
sich weite Teile der Gesellschaft<br />
vor der Realität verschließen,<br />
kostet das mit Blick auf den notwendigen<br />
Umbau der Wirtschaft<br />
in Richtung Klimaneutralität unheimlich<br />
viel Zeit. „Wenn irgendwann<br />
die Erkenntnis kommt,<br />
werden sich viele mit Schuld<br />
und Reue konfrontiert sehen<br />
und sich im Zweifelsfall noch<br />
hilfloser fühlen, als sie es jetzt<br />
schon tun,“ schildert die Psychologin<br />
die absehbaren Folgen des<br />
Phänomens. Michael Lohmeyer<br />
- seit 1989 Redakteur der<br />
Tageszeitung „Die Presse“ und<br />
einer der profiliertesten Umweltjournalisten<br />
im Land - bestätigt<br />
die Sichtweise der Psychologin.<br />
Er erklärt die Ignoranz<br />
gegenüber dem Klimawandel<br />
mit dem Umstand, dass speziell<br />
im Bereich Klima Ursachen und<br />
Wirkung oft sehr weit auseinanderlägen:<br />
„Das, was wir heute<br />
tun, wird sich erst in den nächsten<br />
Jahrzehnten niederschlagen<br />
und dieser Zeithorizont überfordert<br />
die Menschen.“ Diese ungemütliche<br />
Wahrheit dennoch<br />
zu übermitteln, gestalte sich<br />
für den Journalismus wiederum<br />
außerordentlich schwierig.<br />
Krisenhafte Harmlosigkeit<br />
Die meisten Krisen stoßen bei<br />
Medienkonsumenten auf eine<br />
gewisse innere Abwehrhaltung.<br />
Harte Tatsachen so zu verpacken,<br />
dass sie der Empfänger<br />
nicht unmittelbar zurückweist,<br />
erfordert also Geschick. Eine Fähigkeit,<br />
die Michael Lohmeyer in<br />
den vergangenen 40 Jahren als<br />
Journalist immer wieder unter<br />
Beweis stellen musste. Er sagt,<br />
dass das Thema Klima durchaus<br />
wichtig sei, es sei aber auch<br />
ein Thema unter vielen anderen<br />
und unterliege demnach einer<br />
gewissen Gesetzmäßigkeit. Für<br />
die Abbildung des Klimawandels<br />
findet Lohmeyer eine klare Beschreibung.<br />
„Natürlich schafft<br />
es das Ungewöhnliche eher<br />
auf das Titelblatt als die Norm“,<br />
konstatiert der Journalist. Also<br />
20
komme man um Katastrophen<br />
in den Schlagzeilen oder allgemein<br />
negativ anmutender<br />
Berichterstattung nur schwer<br />
herum. Der Umweltjournalist<br />
hat seit den 1980er Jahren die<br />
Klimaberichterstattung erlebt<br />
und mitgestaltet. Seiner Wahrnehmung<br />
nach war der erste<br />
große Hype dem Waldsterben<br />
zuzuschreiben. Danach sei in<br />
einer gewissen Regelmäßigkeit<br />
immer wieder berichtet worden,<br />
aber in geringerem Ausmaß als<br />
heute. Diesen Wandel des Klimajournalismus<br />
sieht Lohmeyer<br />
positiv. Verglichen mit den vergangenen<br />
zehn Jahren sei die<br />
Fülle und vor allem die Breite<br />
der Berichterstattung über den<br />
Klimawandel enorm gestiegen.<br />
Ein Punkt, bei dem die deutsche<br />
Psychologin Heck allerdings nur<br />
bedingt mitzieht. Trotz eines<br />
höheren Ausmaßes an Berichterstattung<br />
würden empirische<br />
Untersuchungen zeigen, dass<br />
insgesamt noch zu wenig über<br />
den Klimawandel und dessen<br />
Zusammenhänge berichtet<br />
werde. Laut Heck war das Credo<br />
der Medien für lange Zeit,<br />
„bloß keine Panik zu verbreiten.<br />
Aufgrund dessen wurden viele<br />
Dinge auch eher abgemildert<br />
beschrieben.“ Ihrem Gefühl nach<br />
seien viele Medienhäuser mit<br />
der Darstellung des Klimawandels<br />
ein Stück weit überfordert.<br />
Problematisch sei auch, dass die<br />
aktuellen Krisen in Form einer<br />
Auflistung präsentiert werden:<br />
Preisanstiege, Klimawandel,<br />
Konflikt im Nahen Osten, Ukraine-Krieg.<br />
In dieser Aufzählung<br />
wirke der Klimawandel wie eine<br />
von vielen kleinen Krisen. „Dabei<br />
kommt zu kurz, dass faktisch<br />
unsere gesamte Lebensgrundlage<br />
bedroht ist und nicht nur<br />
einzelne Bereiche“, so Heck.<br />
Nicht in diesem Ton<br />
Hat man in den vergangenen<br />
Jahren regelmäßig Medien rezipiert,<br />
fällt<br />
einem auf,<br />
dass sich<br />
das Vokabular<br />
des<br />
Klimajournalismus<br />
verändert<br />
hat. Anfangs<br />
war<br />
es der bloße<br />
Klimawandel,<br />
der heute<br />
schnell<br />
zur Klimakrise<br />
umformuliert<br />
wird. In vielen Fällen sind die<br />
Beschreibungen der Sachlage<br />
deutlicher und ernster geworden.<br />
Michael Lohmeyer führt<br />
das übrigens auch auf eine Vielzahl<br />
von Kampagnen zurück, die<br />
in den vergangenen Jahrzehnten<br />
mit sehr hohen Etats ausgestattet<br />
gewesen wären. So<br />
seien bestimmte Begriffe in die<br />
breite Öffentlichkeit gebracht<br />
und salonfähig gemacht worden.<br />
Er ergänzt, dass das Wort<br />
Klimawandel erstmal harmlos<br />
und sehr natürlich klinge. Dabei<br />
lässt sich hinterfragen, ob<br />
in Anbetracht der drastischen<br />
Lage nicht doch deutlichere<br />
Worte gefunden werden sollten.<br />
Anika Heck behauptet hier: Ja!<br />
Forschung und Medien hätten<br />
den Menschen in vergangenen<br />
Jahren womöglich zu wenig zugemutet.<br />
Es sei an der Zeit, härtere<br />
Fakten und härtere Begrifflichkeiten<br />
zuzulassen und damit<br />
vielleicht auch ein wenig mehr<br />
berechtigte Angst. Heck: „Wenn<br />
ein Arzt eine schreckliche Diagnose<br />
überbringen muss, dann<br />
würden die meisten doch lieber<br />
die unverblümte Wahrheit wissen,<br />
wenn sie die Wahl hätten.“<br />
Wer beginnt?<br />
Viele Menschen fühlen sich nicht<br />
in der Pflicht, etwas in ihrem Leben<br />
zu ändern. Ein Argument,<br />
das oft als rhetorisches Schutzschild<br />
verwendet wird, lautet<br />
dann: „Die da Oben müssen es<br />
richten!“ Beide Experten – Heck<br />
wie Lohmeyer - sind sich einig,<br />
dass sich die wirksamen Hebel<br />
tatsächlich aufseiten der Politik<br />
befinden. Doch gleichzeitig könne<br />
man es sich nicht leisten zuzuwarten.<br />
Ein jeder müsse den<br />
Anfang bei sich selbst machen<br />
und seine täglichen Gewohnheiten<br />
in Frage stellen beziehungsweise<br />
diese teils auch aufgeben.<br />
Und: Wenn sich der einzelne zu<br />
unwichtig fühle, dann helfe es,<br />
sich bewusst zu machen, dass<br />
wir in einer stabilen Demokratie<br />
von rund neun Millionen Individuen<br />
leben. Schließen sich alle<br />
zusammen und verfolgen das<br />
gleiche Ziel, dann entstünden<br />
sogar riesige Effekte. Oder wie<br />
Anika Heck es formuliert: „Diese<br />
Verantwortung darf keinen<br />
Bereich der Gesellschaft ausschließen.<br />
Die Politiker:innen<br />
müssen auf politischer Ebene<br />
aktiv werden, die Unternehmen<br />
auf der Wirtschaftsebene und<br />
die Individuen sollten es auf der<br />
individuellen Ebene tun. Jeder<br />
Einzelne darf und muss sich mit<br />
den Folgen des Klimawandels<br />
auseinandersetzen. Dabei zu<br />
unterstützen, wird weiterhin die<br />
Aufgabe der Medien sein.“<br />
© Adobe Stock<br />
Zwischen Fakten und Emotionen<br />
21
Fake News unleashed:<br />
Die Gefahr des Klima-Narrativs<br />
Jeder kennt die Situation: Während der Zugfahrt zückt man das Handy aus der Hosentasche und<br />
klickt sich durch soziale Netzwerke und Webseiten. Auf der Suche nach unterhaltsamen Beiträgen<br />
poppt ein Deepfake-Video von Greta Thunberg auf, die „vegane Granaten“ und „nachhaltige Panzer“<br />
empfiehlt. Menschen teilen das Video, manche bearbeiten es, und was anfangs als Satire galt<br />
wird dann als ernstgenommene Nachricht verwendet. Selbst für Medien und Politiker:innen ist es<br />
schwer geworden, Fakt von Fiktion zu unterscheiden. Dieses Beispiel wird als Teil des „radikalen<br />
Klimakleber“- Narrativs verwendet, um Klimaaktivist:innen zu diskreditieren. Das führt zur Dämonisierung<br />
oder gar Kriminalisierung von Menschen. Woher kommt das „Klimakleber“-Narrativ und<br />
welche Auswirkungen hat es für Betroffene?<br />
von JULIAN DÜRNBERGER<br />
Resa / ©privat<br />
Seit mehr als acht Jahren arbeitet<br />
Andre Wolf im Bereich Bildungsarbeit<br />
sowie Pressearbeit<br />
für „Mimikama“, ein österreichischer<br />
Verein, der seit 2011 über<br />
Internetmissbrauch aufklärt.<br />
Das 20- bis 25-köpfige Journalist:innen-Team<br />
überprüft Artikel,<br />
die als vermeintliche Fake<br />
News gemeldet werden und<br />
sind auch als Faktenchecker:innen<br />
für Medienhäuser wie die<br />
„ProSiebenSat1 PULS4“-Group<br />
tätig.<br />
„2019 kam etwas ganz Punktuelles.<br />
Nämlich das war die<br />
Zeit, als die Klimademonstrationen<br />
ganz groß wurden“<br />
Andre Wolf<br />
Pressesprecher von „Mimikama“<br />
Andre Wolf / ©Barbara Wirl<br />
Durch seine langjährige Beobachtung<br />
erkennt Wolf ein Muster<br />
bei Desinformationen: Sie<br />
kommen in Wellen und hängen<br />
direkt mit der medialen Berichterstattung<br />
zusammen. Je<br />
dominanter ein Thema von Medien<br />
behandelt wird, desto mehr<br />
Fake News tauchen darüber auf.<br />
2019 war ein besonderes Jahr<br />
für Klimademos – nämlich das<br />
Geburtsjahr der „Fridays for Future“-Bewegung.<br />
2018 blieb Greta Thunberg dem<br />
Unterricht fern und begann einen<br />
Sitzstreik vor dem Reichstagsgebäude<br />
in Stockholm und<br />
verbreitete in den sozialen Medien<br />
Beiträge darüber, mit dem<br />
Hashtag „Fridays for Future“<br />
(kurz: FFF). Das ist der Ursprung<br />
der „FFF“-Bewegung, die sich<br />
durch Schüler:innen weltweit<br />
organisierte. Ab 2019 auch in<br />
Deutschland und Österreich.<br />
Die Klimaaktivist:Innen waren in<br />
deutschsprachigen Medien omnipräsent.<br />
In sozialen Netzwerken<br />
werden nicht nur „#Fridays<br />
for Future“- Beiträge über Klima-Demos<br />
verbreitet, sondern<br />
auch Fake News.<br />
Fake News & Framing –<br />
Instrumente der<br />
Desinformation<br />
DDesinformation und Fake<br />
News sind nicht dasselbe. Wolf<br />
beschreibt Desinformation als<br />
einen Überbegriff und Fake<br />
News sind kleine nadelstichartige<br />
Falschmeldungen, die in den<br />
Medien auftauchen. Sie sind<br />
den Desinformationen dienlich,<br />
um eine Geschichte zu erzählen<br />
- das sogenannte Narrativ.<br />
Wolf meint, dass bestimmte<br />
Narrative immer wieder auftauchen.<br />
Damals wurden Klimaaktivist:innen<br />
von Boulevardmedien<br />
wie der „Bild“, der „Heute“<br />
und „oe24“ als Heuchler hingestellt.<br />
Zum Beispiel wird in<br />
einem oe24-Bericht behauptet,<br />
dass KlimaktivistInnen in<br />
Deutschland für das Demonstrieren<br />
bezahlt werden. Auf der<br />
österreichischen Website der<br />
„Letzten Generation“ wird offen<br />
erklärt, dass das Geld von freiwilligen<br />
Spenden stammt, die<br />
für die Organisation für Demos<br />
und die Verpflegung für Demonstrant:innen<br />
verwendet wird.<br />
Keiner der „Klimakleber“ in Österreich<br />
bekommt für das Demonstrieren<br />
ein Vollzeit-Gehalt,<br />
trotzdem werfen in unserem<br />
Land die Gegner der Klimademos<br />
der „Letzte Generation“ genau<br />
das vor. Es wird ein Narrativ<br />
geschaffen, das darauf abzielt,<br />
Klimademos kleinzureden und<br />
Jugendliche, die daran teilnehmen,<br />
unglaubwürdig erscheinen<br />
zu lassen. Somit lenkt man vom<br />
Klimawandel ab und konzentriert<br />
sich auf die „Heuchler“, die<br />
Klimaaktivist:innen.<br />
Ab 2020 überschatteten Coro-<br />
22
na-Pandemie und der Ukrainekrieg<br />
das Klima-Thema, was<br />
zur Folge hatte, dass die Fake-<br />
News-Welle über Klimademonstrationen<br />
abflachte. Doch<br />
über die Jahre wurde das Narrativ<br />
radikaler, die Aktivist:innen<br />
der „Letzten Generation“ werden<br />
nun von Medien und Politik<br />
als „Klimakleber“ abgestempelt.<br />
Wieder ein Begriff, der vor allem<br />
diskreditieren soll.<br />
In der Sozialwissenschaft wird<br />
Framing als bewusst gesteuerter<br />
Prozess bezeichnet, der uns<br />
im Alltag häufig begegnet. Per se<br />
ist es ein legitimes, stilistisches<br />
Instrument für Journalist:innen<br />
- doch manchmal wird es für<br />
negative Zwecke missbraucht.<br />
Laut dem Glossar der Mimikama-Webseite<br />
bezeichnet man<br />
mit dem Begriff „den gezielten<br />
Einsatz von Sprache, Bildern<br />
und Symbolen“ und beeinflusst<br />
die Denkweise über ein Thema<br />
oder eine Person. Mit dem Begriff<br />
„Klimakleber“ untergräbt<br />
man die Autorität der Aktivist:innen.<br />
Man erhält ein Bild im Kopf,<br />
das einem suggeriert: Nimm<br />
diese Person nicht ernst! Nicht<br />
nur die Medien übernehmen das<br />
Wort in ihren Artikeln, sondern<br />
auch die Politiker:innen. Die FPÖ<br />
nimmt die Aktionen der „Letzten<br />
Generation“ in Deutschland<br />
und Österreich als Anlass, um<br />
das Narrativ des „Klimaklebers“<br />
weiterzuspinnen. Im Juli 2023<br />
reden Hafenecker, Waldhäusl<br />
und Nepp von „Klimaterroristen“.<br />
Ein Narrativ, das seine Wirkung<br />
zeigt.<br />
Wenn verbale Waffen<br />
wehtun<br />
Die „Letzte Generation“ wird in<br />
ihren Aktionen radikaler, indem<br />
sie häufiger Straßen blockieren<br />
und Gemälde verunstalten. Das<br />
schürt den Hass der Gegner<br />
von Klimademos und manche<br />
von ihnen beginnen, Klimaaktivist:innen<br />
zu belästigen, sowohl<br />
persönlich als auch in sozialen<br />
Netzwerken. Die Auswirkungen<br />
sind verheerend.<br />
„Prinzipiell habe ich das Gefühl,<br />
dass sie (die Medien,<br />
Anm.) tendenziell eher negativ<br />
und unreflektiert berichten“<br />
Resa<br />
Klimaaktivistin der „Letzten Generation“<br />
Resa ist 28, von Beruf Physiotherapeutin<br />
und setzt sich in<br />
ihrer Freizeit für Menschen und<br />
das Klima ein. 2023 koordinierte<br />
sie für ein paar Monate ein<br />
Flüchtlingsprojekt in Griechenland,<br />
wo sie realisierte, dass<br />
der Klimawandel ein massiver<br />
Faktor für Fluchtursachen und<br />
Fluchtbewegungen ist. Aus diesem<br />
Grund trat sie 2023 der<br />
„Letzten Generation“ bei.<br />
„Es ist nicht angenehm für uns,<br />
da irgendwo zu sitzen und zu<br />
kleben.“, sagt Resa. Die Welt<br />
durch Protest zu verbessern,<br />
klingt schön, ist es aber nicht.<br />
Wenn man Menschen durch<br />
Straßenblockaden in ihrem Alltag<br />
stört, auch wenn es für<br />
einen guten Zweck ist, dann<br />
entgegnen die wenigsten mit<br />
Verständnis. Besonders in sozialen<br />
Netzwerken bekommt<br />
man den Hass der Gegner der<br />
Klimademos zu spüren. Auf Social<br />
Media müssen Klimaaktivist:innen<br />
Kommentare wie „Ihr<br />
gehört alle vergast“, „Ihr gehört<br />
aufgehängt“, oder „Ihr gehört ins<br />
Arbeitslager gesperrt“, über sich<br />
ergehen lassen.<br />
Gegen verbale Attacken bei<br />
Klimademos wehrt sich Resa<br />
nicht mit Gewalt, sondern mit<br />
Verständnis. „Oft sind sich Zukunftsangst,<br />
Existenzängste,<br />
politische Ängste eigentlich<br />
ähnlich.“ Sie konfrontiert auch<br />
die aggressiven Personen mit<br />
Fragen über ihr Handeln, was<br />
meistens zur Deeskalation führt<br />
- gewaltfrei und friedlich.<br />
Solche Aussagen können an<br />
einem nagen, vielleicht sogar<br />
Mit jedem Projekt<br />
mehr Umweltschutz.<br />
Für die Umwelt gehen wir voran! Deswegen sind wir jetzt<br />
stolze Teilnehmer an einem Pilotprojekt für Wasseraufbereitung<br />
und verwenden gesammeltes sowie aufbereitetes Brauch- und<br />
Regenwasser für Toiletten und Außenbereiche. So wollen wir<br />
unseren Wasserverbrauch um bis zu 50% reduzieren!<br />
Mäcci St. Valentin macht’s!<br />
23
tagelang. Solche Aktionen sind<br />
energiezehrend, aber damit umzugehen<br />
müsse jeder selbst lernen,<br />
meint Resa. Als Klimaterrorist:in<br />
bezeichnet zu werden,<br />
findet sie falsch und zynisch.<br />
Menschen schmeißen mit solchen<br />
Begriffen achtlos herum,<br />
ohne sich darüber im Klaren zu<br />
sein, was es bei den Leidtragenden<br />
auslöst. Die Schuld an der<br />
emotional aufgeheizten Klima-<br />
Debatte sieht sie nicht nur bei<br />
Politiker:innen, sondern auch bei<br />
den Medien. Die Hemmschwelle,<br />
zu attackieren, ist aufgrund<br />
unreflektierter Berichterstattung<br />
niedriger geworden. Wenn<br />
sich Medien des Narrativs des<br />
„Klimaklebers“ bedienen, dann<br />
sprechen sie indirekt eine Legitimation<br />
aus, den Klimaaktivist:innen<br />
gewaltvoll zu begegnen.<br />
Der 65-jährige Baumpfleger<br />
Christian (Name von der Redaktion<br />
geändert) ist schon seit den<br />
1970ern aktiv. Er war bei der<br />
Anti-Atomkraft-Bewegung dabei,<br />
doch danach haben sich seine<br />
Prioritäten durch die Familie<br />
geändert. Die Klima-Demonstrationen<br />
hatte er zunächst nur<br />
über die Medien verfolgt. Und<br />
den Klimawandel ignorierte er<br />
trotz besseren Wissens, wie er<br />
sagt. Es ließ ihm keine Ruhe, bis<br />
er entschied, sich der „Letzten<br />
Generation“ anzuschließen.<br />
„Es ist eine blöde Art des<br />
Protests, den sollte es nicht<br />
geben, aber es ist die logische<br />
Entwicklung aus der jahrelangen<br />
Ignoranz der Politik“<br />
Christian<br />
Klimaaktivist der „Letzten Generation“<br />
Die Angst vor den verheerenden<br />
Folgen des Klimawandels war<br />
zu groß und brachte ihn dazu,<br />
etwas zu unternehmen. Seine<br />
Familie macht sich Sorgen,<br />
steht aber trotzdem hinter ihm.<br />
Schließlich demonstriert er nicht<br />
nur für seine Zukunft, sondern<br />
auch für die Zukunft seiner Kinder<br />
und Enkelkinder. Während<br />
der Straßenblockaden wurde<br />
er schon verbal attackiert, doch<br />
das hält er aus. Einmal wollte<br />
ein Klimademo-Gegner Christian<br />
sogar über den Haufen rennen,<br />
aber er blieb standhaft und<br />
hielt ihn auf Distanz. Trotz allem<br />
hat er Verständnis für jene, die<br />
ihm mit Hass begegnen. Genauso<br />
weiß er auch, dass die Aktionen<br />
der „Letzten Generation“<br />
sein müssen, um Aufmerksamkeit<br />
auf die Klimadebatte zu lenken.<br />
Für Christian ist klar, dass<br />
österreichische Politiker:innen<br />
die „Letzte Generation“ bewusst<br />
ignorieren wollen. Der Versuch,<br />
Klimaaktivist:innen zu kriminalisieren<br />
soll – so sagt Christian<br />
- deren Versäumnisse in Sachen<br />
Klimawandel kaschieren. An-<br />
24
statt klimapolitische Lösungen<br />
zu finden, werde Hass in der Gesellschaft<br />
geschürt.<br />
„Einer der schlimmsten Begriffe,<br />
die aufgetaucht sind, ist<br />
ja der Begriff Klimakleber. Wir<br />
haben eine Alliteration, die<br />
man sich leicht merken kann,<br />
plus etwas, das völlig absurd<br />
klingt“<br />
Andre Wolf<br />
Pressesprecher von „Mimikama“<br />
Christian fühlt sich von der Politik<br />
im Stich gelassen und Resa<br />
ist enttäuscht, wie unreflektiert<br />
Medien über Klimaaktivist:innen<br />
berichten. Die Wirkung von Fake<br />
News und Framing liegt auf der<br />
Hand, aber wer ist tatsächlich<br />
Schuld an der emotional aufgeheizten<br />
Klima-Debatte? Politik<br />
und/oder die Medien? Geht es<br />
nach Mimikama-Pressesprecher<br />
Andre Wolf, ist das eine<br />
Henne-Ei-Frage. Teils erfinden<br />
Boulevardmedien neue Narrative,<br />
aber teils tun das auch Politiker.<br />
Auf die Frage, wie gegen<br />
Desinformation vorgegangen<br />
werden kann, gibt es aber Antworten.<br />
Die Journalistin und<br />
Digitalmedien-Expertin Ingrid<br />
Brodnig bietet etwa eine mögliche<br />
Vorbeugung gegen Fake<br />
News an. Sie ist der Meinung,<br />
dass heterogene Netzwerke<br />
wichtig seien, um Verständnis<br />
für den Standpunkt Andersdenkender<br />
zu bekommen, und<br />
verweist auf zwei Studien der<br />
Universität Wisconsin. Konkret:<br />
Ist man sich unsicher über seine<br />
Position zu einem bestimmten<br />
Thema, sollte man raus aus<br />
seiner sozialen Bubble und mit<br />
Andersdenkenden in Kontakt<br />
treten. Schon ein Plausch - sei<br />
es online oder persönlich - mit<br />
andersdenkenden Studienoder<br />
Arbeitskolleg:innen reicht,<br />
um sich zu vergewissern, wie<br />
man selbst zu einer Sache steht.<br />
Ihr Nahversorger fürs Gehirn.<br />
Thalia St. Pölten<br />
Kremser Gasse 12<br />
3100 St. Pölten<br />
Mo–Fr: 9–18 Uhr<br />
Sa: 9–17 Uhr<br />
© Adobe Stock<br />
25
Klimakleber, Klima-Chaoten, Klimaterroristen<br />
– so werden sie dargestellt<br />
Fast zwei Jahre begleiten uns Bilder von Klimaaktivist:innen, die sich auf Straßen festkleben und<br />
auf den Klimawandel aufmerksam machen. Österreichische Printmedien berichten regelmäßig<br />
über die Aktivist:innen. Doch wie sieht die Berichterstattung aus? Gibt es Unterschiede zwischen<br />
verschiedenen Printmedien? Und wie sehen Experten die Darstellung der „Klimakleber“?<br />
von CHRISTIAN KROBITZSCH<br />
„An sich muss man unterscheiden<br />
zwischen Qualitäts- und<br />
Boulevardmedien,“ meint Luis<br />
Paulitsch, Referent beim Österreichischen<br />
Presserat. Seine<br />
Aufgabe ist es, Medien genauestens<br />
zu beobachten und auch<br />
Ethikverstöße publik zu machen.<br />
In den Boulevardmedien werde,<br />
so sagt er, oft auf Zuspitzung<br />
gesetzt. Dabei stünden mehr die<br />
Personen der Aktion im Vordergrund.<br />
Das eigentliche Anliegen,<br />
nämlich Forderungen wie etwa<br />
das Hören auf den Klimarat,<br />
werde oft vernachlässigt.<br />
Diese Form der Zuspitzung bestätigt<br />
auch Christian Nusser,<br />
bis Oktober 2023 Chefredakteur<br />
der Tageszeitung „Heute“.<br />
Nusser meint, dass die Form<br />
des Protests auch von der Emotionalisierung<br />
lebe und man<br />
aus der Sicht der Aktivist:innen<br />
„auch einen Leserbrief schreiben“<br />
könne, wenn man mit den<br />
Protestaktionen keine Emotionen<br />
bei den Menschen auslösen<br />
wollen würde.<br />
Im Vergleich zum Boulevard in<br />
Deutschland ist man hierzulande<br />
allerdings harmlos unterwegs.<br />
In der Tageszeitung „Bild“<br />
wird oft auch der Begriff „Klimaterrorist“<br />
in den Mund genommen.<br />
Das gibt es so in Österreich<br />
nicht, es wird eher von<br />
„Klimaklebern“ oder manchmal<br />
auch „Klima-Chaoten“ gesprochen.<br />
Qualitätsmedien vs.<br />
Boulevardmedien<br />
Durchaus differenziert sieht die<br />
Darstellung in den Qualitätsmedien<br />
aus. In den konservativen<br />
Tageszeitungen gibt es sehr<br />
wohl eine kritische Auseinandersetzung<br />
mit den Protesten<br />
- aber auch eine differenzierte<br />
Sichtweise. Ein Bewusstsein<br />
für die Form des Protestes und<br />
der Klimakrise im Hintergrund<br />
ist vorhanden. „Dennoch ist es<br />
schwer abzusehen, wie sich die<br />
Berichterstattung in den Qualitätsmedien<br />
verändert, wenn<br />
die Proteste wieder zunehmen“,<br />
sagt Paulitsch. Das spiegelt sich<br />
auch in der Analyse von vier Tageszeitungen<br />
in Österreich wider.<br />
In der „Kronen Zeitung“ sieht die<br />
Darstellung so aus: In nahezu<br />
jedem Artikel, in dem über die<br />
Klebeaktionen der Klimaaktivist:innen<br />
berichtet wird, wird<br />
auch das Wort „Klimakleber“ in<br />
der Überschrift verwendet. Interessant<br />
ist allerdings, dass im<br />
eigentlichen Artikel nur mehr<br />
von „Klimaaktivisten“ oder<br />
„Demonstranten“ die Rede ist.<br />
Die Schlagzeile der „Kronen Zeitung“<br />
zu den Straßenblockaden<br />
in St. Pölten und Attnang-Puchheim<br />
am 30. Oktober 2023 lautet<br />
dazu: „Klimakleber blockierten<br />
Straßen in OÖ und NÖ“ .<br />
Im „Standard“ sieht die Darstellung<br />
schon anders aus. Hier<br />
lautet die Überschrift: „Klimaaktivisten<br />
blockierten zum Wochenauftakt<br />
Verkehr in Nieder-<br />
und Oberösterreich“. Im<br />
Gegensatz zur „Krone“ verzichtet<br />
„Der Standard“ bewusst auf<br />
den Begriff „Klimakleber“.<br />
Das Gratisblatt „Heute“ schreibt<br />
hingegen: „Klima-Kleber blockieren<br />
am Montag gleich zwei<br />
Städte“. Auffällig hierbei ist, dass<br />
in „Heute“ auch im Artikel der<br />
Begriff „Klima-Kleber“ verwendet<br />
wird. Dieser Begriff zieht<br />
sich auch durch den Artikel, kein<br />
einziges Mal wird von „Klimaaktivisten“<br />
gesprochen, wie es in<br />
der „Kronen Zeitung“ und dem<br />
„Standard“ praktiziert wird.<br />
Im „Kurier“ lautet die Headline:<br />
„Klimaaktivisten blockierten St.<br />
26<br />
© Adobe Stock
Pöltner Landhaus und den Verkehr“.<br />
Abgesehen davon, dass<br />
im „Kurier“ Attnang-Puchheim<br />
nicht erwähnt wurde, obwohl<br />
dort auch eine Protestaktion<br />
stattfand, ähnelt diese Schlagzeile<br />
jener im „Standard“. Auch<br />
im folgenden Fließtext wird<br />
stets von „Aktivisten“ oder „Klimaaktivisten“<br />
gesprochen.<br />
Klimakleber als „liebevolle,<br />
österreichische<br />
Bezeichnung“<br />
Wie ist der Begriff „Klimakleber“<br />
insgesamt zu bewerten? Luis<br />
Paulitsch sieht diese Bezeichnung<br />
im Grunde nicht kritisch. Er<br />
selbst habe mit einem Aktivisten<br />
gesprochen und dieser meinte,<br />
dass ihn der Begriff „Klimakleber“<br />
gar nicht störe. Das Kleben<br />
als Begriff würde deutlich machen,<br />
dass sich die Aktivist:innen<br />
festkleben und auch nicht<br />
wegbringen lassen würden.<br />
Auch Christian Nusser findet<br />
die Bezeichnung „Klimakleber“,<br />
die auch oft in seinem Medium<br />
„Heute“ verwendet wird, vollkommen<br />
in Ordnung. „Der Begriff<br />
Klimakleber hat ja fast<br />
was Liebevolles, also es ist ein<br />
sehr österreichischer Zugang,<br />
sprachlich etwas zu bezeichnen,<br />
was da ist,“ meint Nusser. Die<br />
Bezeichnung sei auch nicht wertend<br />
und man eskaliere dabei<br />
nicht, sondern weise nur darauf<br />
hin, dass sich eben Leute festgeklebt<br />
hätten. Somit sei auch<br />
dem Publikum sofort klar, um<br />
wen es in dem Bericht gehe. Luis<br />
Paulitsch glaubt freilich, dass es<br />
zielführender wäre, die Protestierenden<br />
allgemein als Aktivist:innen<br />
zu bezeichnen. Damit<br />
wandert der Fokus weg von der<br />
eigentlichen Protestaktion hin<br />
zu dem Problem dahinter, nämlich<br />
der Klimakrise.<br />
In der Darstellung der Protestaktionen<br />
lässt sich eine deutliche<br />
Veränderung feststellen.<br />
Wurde in den Medien zu den Fridays-for-Future-Demos<br />
noch<br />
wohlwollend oder neutral berichtet,<br />
so ist der Ton seit Beginn<br />
der Aktionen der „Letzten<br />
Generation“ immer schärfer<br />
geworden. Das lässt sich aber<br />
auch damit erklären, dass die<br />
Ablehnung in der Bevölkerung<br />
immer mehr gestiegen ist und<br />
sich Medien auch oft nach<br />
Meinungen in der Bevölkerung<br />
richten. Luis Paulitsch meint<br />
dazu: „Rund 80 Prozent der<br />
Bevölkerung sind gegen diese<br />
Form des Protests, aber Medien<br />
müssen nicht immer nach<br />
dem Volksmund schreiben.“<br />
Vielmehr sollten sie als Vermittler<br />
dienen und die Gründe<br />
beleuchten, warum es so weit<br />
gekommen ist.<br />
Nusser meint, dass in der Bevölkerung<br />
auch eine gewisse<br />
Radikalisierung stattfinde. Einige<br />
Autofahrer:innen, die durch<br />
die Störungen des Straßenverkehrs<br />
verärgert wurden, griffen<br />
zu drastischeren Mitteln und<br />
wurden handgreiflich. Nusser:<br />
„Das kann man in keiner Weise<br />
für gut befinden.“ Die zunehmende<br />
Ablehnung in der<br />
Bevölkerung lässt sich damit<br />
begründen, dass man bei den<br />
Protesten oft direkt betroffen<br />
ist. Deshalb berichten auch die<br />
Medien immer schärfer darüber,<br />
weil sie wissen, dass<br />
ihr Publikum genau das lesen<br />
möchte.<br />
Und in Zukunft?<br />
Und wie wird sich die Darstellung<br />
der Klimaaktivist:innen<br />
in Zukunft verändern? Nusser<br />
sagt dazu: „Der Klimaaktivismus<br />
und die Berichterstattung<br />
dazu sind ein sich selbst entwickelndes<br />
Ding, das nie steht.“<br />
Wichtig sei, das Wording an<br />
die Zielgruppe anzupassen. So<br />
wird in Medien, die eher von<br />
Menschen rezipiert werden,<br />
die der Klimaprotestbewegung<br />
ablehnend gegenüberstehen,<br />
Christian Nusser / © Sabine Hertel<br />
Luis Paulitsch / ©Thomas Dalby<br />
eher schärfer berichtet werden.<br />
Auch der Unterschied zwischen<br />
Boulevard- und Qualitätsmedien<br />
wird bestehen bleiben, da der<br />
Boulevard von Emotionen und<br />
Zuspitzung lebt. Auch die Form<br />
des Klimaprotests könnte sich in<br />
Zukunft ändern, weil man sieht,<br />
dass die jetzige Form nicht unbedingt<br />
zielführend ist und die<br />
Politik nicht auf die Forderungen<br />
eingeht. Für die Medien wird es<br />
wichtig sein, zu vermitteln und<br />
auch die Hintergründe der Proteste<br />
zu beleuchten.<br />
Luis Paulitsch meint, dass der<br />
Fokus der Medien vor allem auf<br />
der Beleuchtung der Protestaktion<br />
und den einzelnen Aktivist:innen<br />
liege, die auch oft in<br />
Talkshows eingeladen werden.<br />
Daher sein Appell an die Medien:<br />
„Nehmt den Protest im Anliegen<br />
ernst! Überlegt euch, was hinter<br />
den Protesten steht.“ Konkret<br />
sind das relativ einfache Forderungen<br />
wie Tempo 100 auf den<br />
Autobahnen. Die eigentliche<br />
Frage wäre, so Paulitsch, warum<br />
sich solche Forderungen in<br />
unserem Land so schwer umsetzen<br />
lassen.<br />
Die Medien sollten zudem viel<br />
stärker in die Rolle des Vermittlers<br />
schlüpfen und die Gegner<br />
der Forderungen und deren<br />
Gründe beleuchten. Im Moment<br />
werde eher die Frage aufgegriffen,<br />
ob und wie man Aktivist:innen<br />
härter bestrafen könne. Nur<br />
mithilfe der Medien ist es letztlich<br />
möglich, in Zukunft einen<br />
sachlicheren Diskurs zu führen.<br />
Klimakleber, Klima-Chaoten, Klimaterroristen – so werden sie dargestellt<br />
27
„Meine Mission für das Klima“<br />
Aktivist Maximilian Schoissengeyer im Portrait - und darüber, warum er an Protesten der<br />
„Letzte Generation“ nicht mehr aktiv teilnimmt.<br />
von AURELIA AEYCHOUH<br />
„Ich würde mir wünschen, dass<br />
das Problem endlich wie ein<br />
Problem behandelt wird,“ betont<br />
Max Schoissengeyer, ein<br />
26-jähriger Mathematikstudent<br />
aus dem Bezirk Vöcklabruck,<br />
Oberösterreich. Der Aktivist<br />
klebt sich nicht nur auf Straßen<br />
fest, sondern setzt sich aktiv für<br />
Bewusstseinsbildung und politischen<br />
Druck ein und stellt sich<br />
damit der Klimakrise entgegen.<br />
Schon lange bevor sich Max der<br />
Letzten Generation anschloss,<br />
interessierte er sich für den Klimaschutz<br />
und überlegte, wie<br />
er etwas dazu beitragen könnte.<br />
Seine Überlegungen darüber,<br />
wie sein Leben in 50 Jahren<br />
aussehen könnte, wenn keine<br />
Maßnahmen ergriffen werden,<br />
trieben ihn dazu, Vorlesungen<br />
an der Universität Wien und<br />
an der Universität für Bodenkultur<br />
zu besuchen. Dort hat er<br />
mitgenommen, dass man die<br />
Prognosen genau kennt, sowie<br />
die Maßnahmen, die getroffen<br />
werden müssten, um diese in<br />
eine andere Richtung zu lenken.<br />
Er sieht die Klimakatastrophe<br />
als eine bedrohliche Realität, die<br />
nicht ignoriert werden kann. Allerdings<br />
wird laut Max das Thema<br />
sehr schnell weggeschoben,<br />
da die Bevölkerung und die<br />
Politik sich nicht damit befassen<br />
müssen, wenn sie es nicht<br />
wollen. „Dann habe ich für mich<br />
beschlossen, dass man immer<br />
wieder an die Thematik erinnern<br />
muss, auch wenn die Leute nicht<br />
daran erinnert werden wollen,“<br />
so der Student.<br />
Ein Informationsabend der<br />
Letzten Generation und die<br />
Schüttaktion bei dem Klimt-Gemälde<br />
„Tod und Leben“ im Leopold<br />
Museum gaben ihm den<br />
entscheidenden Push, sich der<br />
Protestbewegung anzuschließen.<br />
Vor allem die polarisierenden<br />
Aktionen faszinierten ihn,<br />
da sie endlich eine Diskussion in<br />
Österreich starteten. Seit Februar<br />
2023 war Max dann aktives<br />
Mitglied der Letzten Generation,<br />
einer Gruppe von Klimaaktivist:innen,<br />
die unter anderem<br />
in Wien auf unkonventionelle<br />
Weise auf die Dringlichkeit des<br />
Klimaschutzes aufmerksam<br />
macht und um eine bessere Klimapolitik<br />
kämpft.<br />
„Die Sprache<br />
verschlagen …“<br />
Nach einem Protesttraining begann<br />
sein Aktivismus mit dem<br />
Festkleben auf Straßen. Die<br />
Nervosität ließ auch nach mehr<br />
als 25 Protesten nicht nach.<br />
Seine erste Klebeaktion fand<br />
vor der Wiener Secession statt,<br />
wo die Polizist:innen bereits<br />
auf die Aktivist:innen warteten.<br />
Max spricht darüber, dass er<br />
die Nacht davor nur sehr wenig<br />
schlief und es ihm kurz vor der<br />
Aktion die Sprache verschlug.<br />
Relativ schnell begann Max damit,<br />
Gesprächsabende, vor allem<br />
in Oberösterreich, zu leiten<br />
und damit die Forderungen und<br />
Hintergründe der „Letzten Generation“<br />
weiter zu verbreiten.<br />
Dem Aktivisten bereiten vor allem<br />
die kritischen Diskussionsrunden<br />
eine große Freude: „Das<br />
Bild, das vor allem in Boulevardmedien<br />
über uns verbreitet<br />
wird, ist ein eindeutiges. Dem<br />
möchten wir durch diese Gespräche<br />
entgegenwirken und<br />
den Menschen erklären, wieso<br />
wir das überhaupt tun und was<br />
wir uns dabei denken.“<br />
Max' Motivation ist klar: Er<br />
möchte die Dringlichkeit der<br />
Klimakrise ins Bewusstsein der<br />
Menschen rücken. Seine Forderungen<br />
an die Regierung, darunter<br />
eine Tempobegrenzung<br />
auf Autobahnen auf 100 km/h<br />
und ein Stopp neuer Öl- und<br />
Gasbohrungen in Österreich,<br />
sind klare Schritte in Richtung<br />
Klimaschutz. Diese „Minimalforderungen“<br />
sollen Druck auf<br />
die Regierung ausüben, ohne<br />
deren Umsetzung möchte die<br />
„Letzte Generation“ ihre Proteste<br />
nicht beenden. Unübersehbare<br />
Proteste zu wählen, damit<br />
ein Diskurs stattfindet, ist eine<br />
wichtige Strategie der „Letzten<br />
Generation“. Tabuthemen,<br />
wie Schüttaktionen auf Gemälde,<br />
sollen das erzeugen, was<br />
jede Protestbewegung nötig<br />
hat: Aufmerksamkeit. Denn der<br />
Kampf um das Kima ist mittlerweile<br />
längst auch ein Kampf um<br />
Aufmerksamkeit.<br />
„Arbeitslose Faulenzer“<br />
Grundsätzlich wünscht sich Max<br />
eine qualitative Berichterstattung<br />
über die Klimakrise. Die<br />
Leser:innen sollen weitgehend<br />
über die Wichtigkeit des Themas<br />
aufgeklärt und darüber informiert<br />
werden, wie sie sich engagieren<br />
können und welche Forderungen<br />
an die Politik gestellt<br />
werden. Max ist kritisch gegenüber<br />
der Art und Weise, wie die<br />
„Letzte Generation“ in manchen<br />
28
Medien dargestellt wird. Er hebt<br />
jedoch hervor, dass Qualitätsmedien<br />
wie ORF, „Die Presse“<br />
und „Der Standard“ eine reflektierte<br />
Berichterstattung bieten,<br />
während Boulevardmedien oft<br />
ein verzerrtes Bild zeichnen. Vor<br />
allem Leserbriefe über die Aktivist:innen<br />
seien oft sehr negativ<br />
und schüren das Bild von „arbeitslosen<br />
Faulenzern“, die die<br />
eigene Bevölkerung attackieren.<br />
Der 26-Jährige erklärt, er habe<br />
mittlerweile eine dicke Haut bekommen<br />
und könnte Beschimpfungen<br />
größtenteils ignorieren.<br />
„Wir machen alles, um niemanden<br />
zu gefährden, wir sind keine<br />
Terroristen“, erklärt er und betont,<br />
dass ihm negative Berichterstattung<br />
nichts ausmacht, solange<br />
es auch positive gibt.<br />
Sich mitten auf der Kreuzung<br />
hinsetzen und sich festkleben.<br />
Warten, bis die Polizei kommt.<br />
Die Wut der Autofahrer:innen<br />
zu spüren bekommen. Sich ablösen<br />
und wegtragen lassen.<br />
Doch auch danach ist der Weg<br />
des Aktivisten noch nicht zu<br />
Ende. Wenn die Autohupen verstummt<br />
sind und die Handys<br />
aus sind, geht es im Gerichtssaal<br />
um die eigene Freiheit und<br />
Zukunft. Mit dem Vorhaben, das<br />
österreichische Rechtssystem<br />
herauszufordern, ist sich auch<br />
Max der rechtlichen und persönlichen<br />
Risiken bewusst, die sein<br />
Engagement mit sich bringt. Bereits<br />
mehrere Gerichtsverhandlungen<br />
musste er durchlaufen<br />
und betont die zeitliche und finanzielle<br />
Belastung. Dennoch<br />
sieht er die Notwendigkeit, persönliche<br />
Konsequenzen in Kauf<br />
zu nehmen.<br />
Persönlicher Druck<br />
Max betont, dass konstruktive<br />
Kritik stets willkommen sei,<br />
jedoch stelle der Umgang mit<br />
Vorurteilen und der Stigmati<br />
sierung von Klimaaktivist:innen<br />
eine besondere Herausforderung<br />
dar. Auf der<br />
Straße bei den Protesten<br />
bekommt<br />
man als Aktivist:in<br />
viel Kritik zu spüren.<br />
Besonders belastend<br />
sind jedoch<br />
Ablehnungen im<br />
persönlichen Umfeld.<br />
Stolz erzählt<br />
der junge Mann allerdings,<br />
dass bereits<br />
einige seiner<br />
Freunde und sogar<br />
seine Familienmitglieder<br />
bei solchen<br />
Protesten dabei<br />
waren und sich<br />
für das Klima auf<br />
die Straße klebten.<br />
Trotz all seines Engagements,<br />
fühlt sich der Aktivist,<br />
als würde er nicht genug für<br />
das Klima tun: „Warum studiere<br />
ich überhaupt? Wie kann ich<br />
mein Leben normal weiterleben,<br />
wenn ich weiß, was mit unserem<br />
Planeten geschehen wird?<br />
Eigentlich sollte ich 40 Stunden<br />
jede Woche dafür arbeiten“, betont<br />
er. Er macht darauf aufmerksam,<br />
wie der Aktivismus<br />
sein ganzes Leben einnimmt. Er<br />
könne es einfach nicht mit seinem<br />
Gewissen vereinbaren und<br />
möchte die Warnung vor der Klimakatastrophe<br />
so laut es geht<br />
an die Bevölkerung bringen. Und<br />
genau diese Verantwortung, alles<br />
in seiner Macht Stehende zu<br />
tun, um die Katastrophe zu verhindern,<br />
führen zu persönlichem<br />
Druck.<br />
Besonders frustrierend ist für<br />
den 26-Jährigen die politische<br />
Lage. „Wir haben seit über 1.000<br />
Tagen kein Klimaschutzgesetz<br />
und das liegt an unserer Politik.“<br />
Mittlerweile ist auch klar, dass<br />
die Minimalforderungen nicht<br />
umgesetzt werden. Max macht<br />
darauf aufmerksam, dass die<br />
100 km/h-Grenze auf Autobahnen<br />
für viel mehr gestanden<br />
wäre als nur das halbe Prozent<br />
an CO2-Einsparung.<br />
Ließ zu Gunsten seines Studiums den Aktivismus hinter sich: Maximilian<br />
Schoissengeyer © Letzte Generation<br />
Aktionen sind verpufft<br />
Heute ist Max nicht mehr Teil<br />
des aktiven Protests der „Letzten<br />
Generation“. Hauptgrund<br />
dafür ist, dass er seinen Fokus<br />
wieder voll und ganz auf sein<br />
Studium legen möchte. Seinen<br />
Rückzug begründet er auch damit,<br />
dass sich das Potenzial, das<br />
er in der Protestbewegung anfangs<br />
sah, leider nicht erfüllt hat.<br />
Die Aktionen führen zu immer<br />
weniger Debatten und bewegen<br />
nicht genügend Menschen zu<br />
einem Umdenken. „Radfahren,<br />
vegetarisch sein und nicht mehr<br />
fliegen – das ist heutzutage einfach<br />
nicht mehr genug, um der<br />
Krise zu entkommen“, so Max.<br />
Die Zukunftswünsche des Studenten<br />
sind geprägt von der<br />
Hoffnung auf gesellschaftlichen<br />
Wandel und einen verantwortungsbewussten<br />
Umgang mit<br />
der Klimakrise. Auch erhofft<br />
er sich eine neue Protestbewegung,<br />
die noch schwerer zu<br />
ignorieren ist und die große<br />
Bürgerbeteiligung erreicht. Da<br />
würde er wieder mitmachen,<br />
um weiter einen wichtigen Beitrag<br />
zu einer lebenswerten Zukunft<br />
zu leisten.<br />
„Meine Mission für das Klima“<br />
29
Der „gute“ Klimajournalismus<br />
und die Jugend<br />
Junge Menschen sind mit schlechten Klima-Nachrichten überfordert, sagt Lisa Ladstätter vom<br />
Projekt „klimareporter.in“. Der Journalismus sei in der Verantwortung, Themen besser und konstruktiver<br />
aufzubereiten.<br />
von SABIR ANSARI<br />
Die Bandbreite des Klimajournalismus<br />
ist groß. Bei dem Projekt<br />
„klimareporter.in“ arbeiten junge<br />
Menschen für ein Informationsangebot,<br />
das vor allem auf ihre<br />
Altersgruppe zugeschnitten ist.<br />
Welche Hürden in ihrer Arbeit<br />
bestehen und welche Aspekte<br />
beachtet werden müssen, damit<br />
nachhaltig guter Klimajournalismus<br />
produziert werden kann,<br />
erzählt Lisa Ladstätter, Co-Leiterin<br />
von „klimareporter.in“.<br />
<strong>SUMO</strong>: Warum ist denn die Berichterstattung<br />
über das Thema<br />
Klima so polarisierend?<br />
Lisa Ladstätter: Das liegt ein<br />
bisschen in der Natur der Klimakrise<br />
an sich. Auf der einen Seite<br />
ist sie wahnsinnig präsent. Aber<br />
es ist kein Thema, das sich medienmäßig<br />
gut für Aufmacher<br />
eignet. Außer wenn es dann<br />
einmal ein Extremereignis gibt,<br />
zum Beispiel ein Hochwasser,<br />
dann hat man die Katastrophe<br />
als das Bild der Klimakrise. Aber<br />
an sich ist es schwer, denn die<br />
Krise hat keinen Neuheitswert.<br />
Daraus entstehen dann auch<br />
diese unterschiedlichen Erfassungen<br />
der Klimakrise, weil verschiedene<br />
Player etwas anderes<br />
daraus machen und dann für<br />
ihre Zwecke und Diskussionen<br />
instrumentalisieren.<br />
Welche Player sind das denn<br />
zum Beispiel?<br />
Ladstätter: Ich sehe hier die Medien<br />
immens in der Verantwortung,<br />
das Thema nicht zu überemotionalisieren.<br />
Wenn es zum<br />
Beispiel um die verschiedenen<br />
Protestformen geht, bei denen<br />
sich dann bestimmte Journalist:innen<br />
bemüßigt fühlen seitenweise<br />
darüber zu schreiben.<br />
Das ist alles Platz, wo es vermeintlich<br />
um die Klimakrise<br />
geht, sie dann aber eigentlich<br />
letzten Endes doch gar keinen<br />
Platz hat.<br />
Gibt es einen Grund, warum<br />
Medien dieses Thema so überemotionalisieren?<br />
Ladstätter: Ein Aspekt ist sicher<br />
der, dass sich viele darauf eingeschossen<br />
haben. Es ist ein<br />
Thema, das sich auch deswegen<br />
selbst verstärkt, weil eben schon<br />
so viel so emotional berichtet<br />
worden ist. Dabei bräuchte es<br />
diese Emotionalität gar nicht,<br />
um das Thema wichtig und groß<br />
zu machen. Aber polarisierende<br />
Überschriften verkaufen sich<br />
besser. Es ist eine sehr einfache<br />
Maßnahme, um eben Aufmerksamkeit<br />
für das eigene Medium<br />
zu erzeugen.<br />
Welche Rolle haben junge<br />
Menschen beim Thema Klimakrise<br />
und Klimaberichterstattung?<br />
Ladstätter: Ich würde sagen eine<br />
ganz wichtige, weil es die junge<br />
Generation ist, die die Krise<br />
am meisten betrifft und betreffen<br />
wird. Und deswegen ist die<br />
Klimaberichterstattung unter<br />
Jugendlichen eben ein ganz<br />
großes Thema und wird dementsprechend<br />
auch sicher zunehmen.<br />
Sorgen junge Menschen grundsätzlich<br />
dafür, dass das Thema<br />
Klima präsenter wird?<br />
Ladstätter: Auf alle Fälle ja.<br />
Schon alleine wegen den jahrelangen<br />
Freitagsprotesten. Diese<br />
gehen zum überwiegenden Teil<br />
auf die jungen Leute zurück, die<br />
sagen: „Hey, das ist wichtig.“ Das<br />
macht auf jeden Fall Hoffnung.<br />
Denn schlechte Klimanachrichten<br />
lassen einen selbst mit<br />
einem immensen Ohnmachtsgefühl<br />
zurück. Speziell für junge<br />
Leute auf Social Media, wo<br />
man ja dauernd mit schlechten<br />
Nachrichten konfrontiert wird.<br />
Deswegen sagen auch viele,<br />
sie rezipieren bewusst weniger<br />
Nachrichten, um sich dem nicht<br />
ständig auszusetzen.<br />
Was lässt sich Ihrer Meinung<br />
nach dagegen machen?<br />
Ladstätter: Ich sehe jene, die im<br />
Journalismus und speziell im<br />
Klimajournalismus tätig sind,<br />
in der Verantwortung, die Themen<br />
besser und konstruktiver<br />
aufzubereiten. Dass ich nach<br />
einem Artikel, in dem zwar faktisch<br />
alles stimmt, mir dann<br />
nicht denken muss: „Boah, also<br />
es schaut ziemlich schlecht aus<br />
und irgendwie kann ich nichts<br />
machen.“<br />
Wie sieht denn guter, konstruktiver<br />
Klimajournalismus<br />
aus?<br />
Ladstätter: Das ist unsere Bemühung<br />
bei „klimareporter.in“, dass<br />
wir konstruktiven Journalismus<br />
betreiben. Und da finde ich es<br />
ganz wichtig, immer Lösungswege<br />
aufzeigen und nie mit der<br />
Horrornachricht aufhören. Natürlich<br />
bringe ich zwar die unangenehmen<br />
Fakten, aber gleich-<br />
30
zeitig zeige ich auf, wo etwas<br />
verändert werden kann. Ganz<br />
wichtig ist, dass es im lokalen<br />
Bereich oft eigentlich schon Lösungen<br />
gibt, diese müssen dann<br />
eben aufgezeig werden.<br />
Gibt es noch andere Punkte,<br />
die beachtet werden müssen?<br />
Ladstätter: Ich finde es auch<br />
wichtig, die Klimakrise in jedem<br />
Artikel übergreifend mitzudenken.<br />
Die Klimakrise soll nicht<br />
immer das Hauptthema sein,<br />
sondern ein Aspekt in anderen<br />
Themenbereichen. Guter Journalismus<br />
hat eine Klimadimension.<br />
Social Media bringt im Vergleich<br />
zu traditionelleren Medien<br />
noch den Faktor von Algorithmen<br />
ins Spiel. Welchen<br />
Einfluss hat das beim Klimajournalismus?<br />
Ladstätter: Social Media ist für<br />
uns bei „klimareporter.in“ ein<br />
schwieriges Thema. Wir sind<br />
nämlich eine Online-Plattform<br />
und arbeiten deswegen viel auf<br />
Social Media, zum Beispiel auf<br />
Instagram. Dort haben wir damit<br />
zu kämpfen, dass wir keine<br />
konstante Reichweite besitzen.<br />
Auch Meldungen, dass uns die<br />
Schaltung von Werbung untersagt<br />
wird, sind uns nicht fremd.<br />
Leider ist uns unklar, was genau<br />
das Problem ist. Der große Vorteil<br />
ist dafür die Niederschwelligkeit.<br />
Soziale Netzwerke stehen im<br />
Moment aber vor allem wegen<br />
der einfachen Verbreitung von<br />
Fake News unter Kritik.<br />
Ladstätter: In Bezug auf Fake<br />
News passiert ja schon viel.<br />
Die fiesen Posts sind jene, die<br />
wahrheitsverzerrend sind, nicht<br />
die einfachen Lügen. Jene, die<br />
subtiler sind, verharmlosen<br />
und auf den ersten Blick nicht<br />
direkt erkennbar sind. Twitter<br />
(Anm.: mittlerweile „X“) ist ein<br />
Beispiel dafür, dass leider auch<br />
Rückschritte gemacht werden.<br />
Grundsätzlich besteht ein Bewusstsein,<br />
die Plattformen in<br />
die Verantwortung zu nehmen.<br />
Ich wünsche mir, dass das auch<br />
stärker in die Tat umgesetzt<br />
wird.<br />
Bei wem liegt denn die Verantwortung,<br />
wenn es um Klimajournalismus<br />
geht?<br />
Ladstätter: Die Verantwortung<br />
liegt natürlich schon bei den<br />
Journalist:innen, aber auf alle<br />
Fälle nicht nur bei ihnen. Viel<br />
Verantwortung tragen meiner<br />
Meinung nach die Ausbildungsinstitutionen,<br />
in denen Journalist:innen<br />
ausgebildet werden.<br />
Dort muss das Thema Klima<br />
bzw. der Klimajournalismus einfließen.<br />
Wenn es um die Unterbringung<br />
der Artikel geht, sind<br />
aber nicht nur Journalist:innen<br />
verantwortlich, sondern auch<br />
Medienunternehmen, damit<br />
jene Artikel Platz finden und veröffentlicht<br />
werden. Ein bisschen<br />
sehe ich die Verantwortung<br />
auch bei den Konsument:innen.<br />
Die Verantwortung kann aber<br />
nicht auf eine einzelne Gruppe<br />
abgewälzt werden. Freilich spielen<br />
alle eine Rolle und sind daran<br />
beteiligt.<br />
Wie muss sich die Berichterstattung<br />
im Klimajournalismus<br />
verbessern?<br />
Ladstätter: Wir leben in einer<br />
Zeit der multiplen Krisen. Es gibt<br />
ganz viele wichtige Themen und<br />
die Klimakrise ist eine davon.<br />
Andere Krisen werden in den<br />
Vordergrund kommen, und das<br />
ist auch ganz normal so. Wichtig<br />
ist nur, sich dann nicht einfach<br />
voll auf ein Thema zu stürzen,<br />
sondern die anderen Krisen,<br />
unter anderem auch die Klimakrise,<br />
nicht aus den Augen zu<br />
verlieren.<br />
Die Klimakrise soll sich also die<br />
Berichterstattung mit anderen<br />
Krisenthemen teilen?<br />
Lisa Ladstätter ist Co-Leiterin des Projektes klimareporter.<br />
in. Sie studiert internationale Rechtswissenschaften und engagiert<br />
sich ehrenamtlich als Journalistin. © privat<br />
Ladstätter: Die Klimakrise soll<br />
neben den anderen Krisen mitgedacht<br />
werden. Zum Beispiel<br />
wurde während der Corona-<br />
Pandemie berichtet, wie sich der<br />
fehlende Verkehr auf Städte, die<br />
Umwelt und das Klima ausgewirkt<br />
hat. Dann ist es nicht nur<br />
einfacher zu verdauen, sondern<br />
auch einfacher zu begreifen. Die<br />
Klimakrise ist nämlich sehr abstrakt.<br />
Durch das Verknüpfen mit<br />
anderen Themen wird sie greifbarer<br />
und leichter vorstellbarer.<br />
Und damit können wir ihren Einfluss<br />
in allen anderen Themengebieten<br />
aufzeigen.<br />
ZUR SACHE<br />
klimareporter.in ist ein<br />
Projekt, welches 2018 vom<br />
Verein CliMates Austria initiiert<br />
wurde und hat sich zum<br />
Ziel gesetzt, Klimajournalismus<br />
von jungen Menschen<br />
für junge Menschen zu produzieren.<br />
Diese Zielgruppe<br />
wird online (mehrheitlich über<br />
Social Media) erreicht. klimareporter.in<br />
ermöglicht es ,jungen<br />
Menschen mit journalistischem<br />
Interesse, sich im<br />
Klimajournalismus zu betätigen.<br />
Der „gute“ Klimajournalismus und die Jugend<br />
31
Klima im Wandel: Macht und<br />
Machtlosigkeit der sozialen Medien<br />
Social Media als „Schlachtfeld“ für die Verbreitung von Nachrichten über den Klimawandel: Doch<br />
welchen Einfluss üben Plattformen wie Facebook, X (vormals Twitter) und Co. auf unsere Wahrnehmung<br />
der Klimakrise aus? <strong>SUMO</strong> hat mit Mathias Neumayr, Digital Campaigner bei Greenpeace,<br />
sowie Fabian Bergner, Social Media-Experte und Gründer der Digital-Marketingfirma „Lux<br />
Fux“ über die Chancen und Risiken von sozialen Medien gesprochen.<br />
von NICOLE BOKUVKA<br />
Ein Leben ohne Smartphone<br />
und ohne Plattformen wie Instagram,<br />
Facebook oder TikTok?<br />
Für viele Menschen heutzutage<br />
unvorstellbar. Im Jahr 2023<br />
lag der Anteil der Menschen,<br />
die Nachrichten über Facebook<br />
rezipieren, weltweit bei rund<br />
28 Prozent - was die Plattform<br />
zum führenden Kanal für die<br />
Nachrichtenrezeption macht.<br />
Allerdings gewinnen neuere soziale<br />
Medien wie Instagram und<br />
TikTok rapide an Bedeutung. Der<br />
Reuters Institute Digital News<br />
Report 2023 ergab, dass bereits<br />
14 Prozent der Befragten wöchentlich<br />
Nachrichten über Instagram<br />
rezipieren, das ebenfalls<br />
zum Meta-Konzern von Mark<br />
Zuckerberg gehört. Und TikTok<br />
holt gerade in der jungen Zielgruppe<br />
massiv auf.<br />
„Social Media hat viele andere<br />
Medien ersetzt, die früher<br />
eine One-Way Kommunikation<br />
betrieben haben. Mit sozialen<br />
Plattformen kann man direkt<br />
mit Medienmacher:innen in Interaktion<br />
treten. Das war früher<br />
– etwa in einer Zeitung – nicht<br />
möglich, da hat man vielleicht<br />
einen Leserbrief schreiben können,<br />
aber das war‘s“, erzählt<br />
Fabian Bergner, Gründer des<br />
österreichischen Digitalmarketing-Unternehmens<br />
„Lux Fux“.<br />
Auch für den Klimajournalismus<br />
bietet dies neue Möglichkeiten.<br />
Durch Social Media ist<br />
es möglich, ein deutlich größeres<br />
Publikum zu erreichen und<br />
dieses über das Thema Klimawandel<br />
zu informieren und zu<br />
sensibilisieren. „Gerade ein aufgeladenes<br />
Thema wie Klimajournalismus<br />
sorgt auch für Diskussion.<br />
Ich finde es gut, dass<br />
dieser Austausch zwischen Social<br />
Media-Nutzer:innen ermöglicht<br />
wird - Für und Wider, man<br />
sieht unterschiedliche Seiten.<br />
Das macht das Thema präsent,“<br />
schätzt Bergner die Social Media-Kommunikation<br />
hier klar<br />
als Vorteil ein. Die sozialen Medien<br />
könnten auch dabei helfen,<br />
komplexe Themen verständlicher<br />
darzustellen. Es würden<br />
neue, kreative Ansätze geschaf-<br />
fen, wie beispielsweise<br />
Videos, Reels<br />
oder Infografiken,<br />
welche<br />
den Klimajournalist:innen<br />
gute<br />
Möglichkeiten bieten,<br />
das Thema<br />
anschaulich<br />
und nachvollziehbar<br />
darzustellen.<br />
Erfolgreiche<br />
Klima-<br />
Kampagnen<br />
Fabian Bergner / ©LUX FUX Media<br />
Mathias Neumayr / © Greenpeace<br />
Einer, der das aus der täglichen<br />
Praxis kennt, ist Mathias Neumayr,<br />
bei Greenpeace Österreich<br />
für die digitalen Inhalte zuständig.<br />
Er sagt: „Wir haben verschiedene<br />
Methoden, beispielsweise<br />
versuchen wir durch Infografiken,<br />
Informationen besser zu visualisieren.<br />
Ein anderes Beispiel<br />
sind Memes, die den Zynismus<br />
oder die Widersprüchlichkeit in<br />
einem Thema darstellen.“ So sei<br />
es möglich,<br />
eine jüngere<br />
Zielgruppe<br />
anzusprechen<br />
und deren<br />
Bewusstsein<br />
für das<br />
Thema Klimawandel<br />
zu schärfen.<br />
Für Organi-<br />
32<br />
© Adobe Stock
sationen wie Greenpeace bieten<br />
die sozialen Medien also neue<br />
Möglichkeiten, das Bewusstsein<br />
der Menschen für den Klimawandel<br />
zu schärfen und diese<br />
zu eigenem Engagement zu<br />
motivieren. Durch Beiträge und<br />
Appelle in den sozialen Medien<br />
schaffen es NGOs, eine deutlich<br />
größere Menge an Personen zu<br />
erreichen, als es noch vor ein paar<br />
Jahren der Fall war. Speziell in der<br />
jungen Zielgruppe hat sich durch<br />
Bewegungen wie „Fridays for<br />
Future“ eine Klima-Community<br />
gebildet, welche stark auf Social<br />
Media vertreten ist und gegen<br />
den Klimawandel ankämpfen<br />
möchte. Neumayr gibt ein Beispiel<br />
dafür: „Greenpeace hat als<br />
erste Organisation in Österreich<br />
im Jahr 2019 eine Verfassungsbeschwerde<br />
beim Verfassungsgerichthof<br />
eingereicht, wo es<br />
um die Ungleichbehandlung der<br />
Kerosinbesteuerung gegangen<br />
ist.“ Bei dieser Sammelklage hätten<br />
sich Greenpeace über 8.000<br />
Menschen angeschlossen. Aus<br />
seiner Sicht war die begleitende<br />
Social-Media-Kampagne - trotz<br />
letztlicher Ablehnung der Klage<br />
aus formalen Gründen - ein Erfolg.<br />
Die Kehrseite der Medaille<br />
Klingt doch alles ziemlich positiv.<br />
Doch auch soziale Medien haben<br />
ihre Schattenseite. Davor warnt<br />
Mathias Neumayr: „Dass es keinen<br />
Gatekeeper gibt, ist genauso<br />
Nachteil wie Vorteil. Es gab noch<br />
nie so viele Informationen wie<br />
jetzt. Es war noch nie so leicht,<br />
Falschinformationen zu verbreiten<br />
und sie wirken zu lassen, als<br />
wären sie echte Fakten. Und es<br />
bilden sich extreme Blasen und<br />
Echokammern, die sich gegenseitig<br />
aufbauschen.“ Das alles<br />
wird durch Algorithmen verstärkt,<br />
die es ermöglichen, die bevorzugten<br />
Themen und Beiträge der<br />
Nutzer:innen auf Social Media zu<br />
erkennen und dementsprechend<br />
die weiteren Inhalte, die der<br />
Person angezeigt werden, daran<br />
anzupassen. „Wir alle wissen,<br />
dass unser Gehirn auf negative<br />
und schockierende Nachrichten<br />
stärker reagiert als auf positive<br />
Nachrichten. Insofern ist es ein<br />
Risiko, dass Algorithmen eine<br />
bestimmte Richtung oder Tendenz<br />
verstärken,“ betont Marketingexperte<br />
Bergner.<br />
Ist man durch Algorithmen erst<br />
einmal in einer Blase gefangen,<br />
ist es oftmals schwer, die<br />
Realität von Falschnachrichten<br />
zu unterscheiden. In den Echokammern<br />
gibt es meist nur eine<br />
Meinung, und durch Algorithmen<br />
wird man mehr und mehr<br />
in dieser bestärkt. Dadurch bilden<br />
sich oft Verschwörungstheorien<br />
oder – im konkreten<br />
Fall – Gruppen von Klimaleugner:innen.<br />
Diese sind dann meist<br />
nur mehr schwer von den wissenschaftlich<br />
belegten Fakten<br />
zu überzeugen: Was in der Blase<br />
verbreitet wird, wird als „Wahrheit“<br />
angesehen.<br />
Der richtige Umgang mit<br />
Social Media<br />
In einer Welt der digitalen Nachrichtenüberflutung<br />
wird es entsprechend<br />
immer wichtiger,<br />
einen bewussten und wachsamen<br />
Umgang mit Meldungen<br />
auf Social Media zu schaffen.<br />
„Man sollte sich selbst im kritischen<br />
Denken und Reflektieren<br />
üben. Man muss sich klar darüber<br />
sein, dass man alles, auch<br />
wenn es noch so sehr die eigenen<br />
Werte und Vorstellungen<br />
bestätigt, hinterfragen sollte,“<br />
so Bergner. Von Bedeutung sei<br />
demnach auch, dass man nichts<br />
weiterverbreite, was man nicht<br />
selbst überprüft habe. Wenn<br />
man etwa nur eine Quelle zu<br />
einem Thema finde, sei die Gefahr<br />
groß, dass diese nicht stimme.<br />
Matthias Neumayr hat dafür<br />
einen Tipp parat: Man sollte<br />
bewusst auch nach dem Gegenteil<br />
einer These googeln, um zu<br />
wissenschaftlich belegten Fakten<br />
zu gelangen. Und: Auch der<br />
Journalismus sollte die Transparenz<br />
seiner Arbeitsweise erhöhen.<br />
Fabian Bergner dazu: „Was<br />
man als Journalist tun kann, um<br />
eine bessere Transparenz zu<br />
schaffen, ist, die Quellen offenzulegen:<br />
Wie ist man zu der Info<br />
gekommen und wie wurde sie<br />
verarbeitet? Auch sollte man<br />
mit einer gewissen Kritik an<br />
der eigenen Meldung arbeiten,<br />
bedeutet also, dass man nicht<br />
alles unreflektiert veröffentlichen<br />
sollte.“ Für beide Seiten gilt<br />
es also, mehr Verantwortung<br />
zu übernehmen. Sowohl Rezipient:innen<br />
als auch Medienmachende<br />
müssen sich an der<br />
Nase nehmen und auf Qualitätskriterien<br />
achten.<br />
Noch machtvollere<br />
Plattformen?<br />
Neue Technologien wie die<br />
Künstliche Intelligenz haben<br />
sich in enormer Geschwindigkeit<br />
entwickelt und werden sicherlich<br />
auch in Zukunft die Art, wie<br />
wir Social Media verwenden,<br />
verändern. „Ich glaube, dass in<br />
Zukunft noch schwieriger zu<br />
erkennen sein wird, was echt<br />
ist und was nicht. Gerade diese<br />
Entwicklungen im Machine<br />
Learning werden uns generell<br />
weiterbringen, aber man muss<br />
natürlich wie bei jeder Technologie<br />
schauen, dass es sich in<br />
die richtige Richtung entwickelt,“<br />
meint Mathias Neumayr. Auch<br />
Fabian Bergner blickt sowohl<br />
mit einem optimistischen als<br />
auch einem kritischen Auge in<br />
die Zukunft: „Die Nachrichtenflut<br />
wird sicher stärker werden.<br />
Ich glaube, dass die Plattformen-<br />
und Algorithmen-Macht<br />
zunehmen wird, weil aufgrund<br />
eben dieser Nachrichtenflut<br />
mehr gefiltert werden muss. Wir<br />
selbst haben ja nur eine geringe<br />
Aufmerksamkeitsspanne.“<br />
Klima im Wandel: Macht und Machtlosigkeit der sozialen Medien<br />
33
Alles sauber, alles grün?<br />
Nachhaltigkeit wird für Konsument:innen immer wichtiger. Viele Unternehmen stellen sich deswegen<br />
nachhaltiger dar, als sie eigentlich sind. So auch die Austrian Airlines in einem Fall, der<br />
gerichtsanhängig wurde. Von Greenwashing war die Rede. Aber was steckt eigentlich hinter dem<br />
Begriff?<br />
von HANNAH KONRAD & SOPHIA KOLLER<br />
Verurteilt wegen Greenwashings: Österreichs größte Fluglinie, die Austrian Airlines.<br />
© Heiner Rambold/Pixabay<br />
Der VKI (Verein für Konsumenteninformation)<br />
untersucht im<br />
Rahmen seines Greenwashing<br />
Checks seit 2021 regelmäßig<br />
grüne Versprechen von Unternehmen,<br />
Marken und Produkten.<br />
2022 verklagte er die<br />
Austrian Airlines wegen irreführender<br />
Werbung und gewann<br />
den Prozess. Die Fluglinie erhielt<br />
einen Unterlassungstitel und<br />
muss bei jedem weiteren Verstoß<br />
gegen das Urteil eine Geldbuße<br />
von bis zu 100.000 Euro<br />
pro Verstoß bezahlen. Der VKI<br />
ist zufrieden mit dem Ergebnis,<br />
die AUA akzeptierte das Urteil.<br />
Der Fall war im Herbst 2023<br />
medial überaus präsent. Worum<br />
ging es aber genau? Die AUA<br />
warb im Jahr davor mit einem<br />
Plakat, auf dem stand, dass man<br />
CO2-neutral von Wien nach Venedig<br />
fliegen könne. Mit dem<br />
Einsatz von 100 Prozent Sustainable<br />
Aviation Fuel (SAF) sei das<br />
möglich. SAF ist ein nachhaltiger<br />
Flugkraftstoff. Die AUA bot ihren<br />
Kund:innen an, über 50 Prozent<br />
vom Ticketpreis aufzuzahlen,<br />
damit man quasi CO2-neutral<br />
fliegen könne. Über den Aufpreis<br />
wurden Konsument:innen<br />
auf dem Werbeplakat aber nicht<br />
informiert. Aber nicht nur in diesem<br />
Punkt wurde nicht ausreichend<br />
informiert.<br />
Tatsächlich sind momentan keine<br />
Flüge technisch möglich, die<br />
nur mit SAF, also nachhaltigem<br />
Flugkraftstoff, betrieben sind.<br />
Kein Flugunternehmen kann<br />
zurzeit 100 Prozent SAF tanken,<br />
sondern nur einen kleinen<br />
Prozentsatz davon mit Kerosin<br />
mischen. Das tat auch die<br />
AUA. Aber nicht bei besagtem<br />
Flug. Wenn man den Aufschlag<br />
auf das Ticket bezahlte, wurde<br />
nicht der eigene Flug nachhaltig<br />
betankt, sondern ein späterer<br />
innerhalb der nächsten sechs<br />
Monate. Man konnte mit dem<br />
Aufpreis also nicht den eigenen<br />
CO2-Verbrauch kompensieren<br />
und wurde auch nicht darüber<br />
informiert, wie Barbara Bauer,<br />
Anwältin beim VKI, gegenüber<br />
<strong>SUMO</strong> erklärt. Ob die Austrian<br />
Airlines bewusst falsch informiert<br />
haben, sei aber nicht klar,<br />
bei einem Verstoß gegen das<br />
Gesetz des unlauteren Wettbewerbs<br />
(kurz UWG-Verfahren)<br />
gehe es auch nicht um den Vorsatz.<br />
Wettbewerbsrecht gegen<br />
Greenwashing-Methoden<br />
Rechtlich gibt es nämlich keine<br />
Definition von Greenwashing.<br />
Wenn ein Unternehmen Greenwashing<br />
betreibt, dann ist die<br />
einzige „rechtliche Waffe“ das<br />
34
Wettbewerbsrecht – die Klage<br />
wegen „irreführender Werbung“,<br />
so Bauer. „Greenwashing bezeichnet<br />
eine Sammlung aus<br />
verschiedenen PR- und Marketing-Methoden,<br />
mit denen<br />
Unternehmen sich selbst oder<br />
die Produkte, die sie vertreiben,<br />
umweltfreundlicher darstellen,<br />
als sie eigentlich sind“, ergänzt<br />
Raphael Fink, Umweltexperte<br />
beim VKI. Und: „Es gibt keine<br />
Belege, dass Greenwashing nur<br />
in bestimmten Branchen vorkommt,<br />
es ist tendenziell gleich<br />
verteilt. Wenn man es einschränken<br />
muss, dann kommt<br />
es eher in Branchen vor, wo<br />
den Konsument:innen Nachhaltigkeit<br />
besonders wichtig ist,<br />
zum Beispiel bei Lebensmitteln.<br />
Auch Branchen, die allgemein<br />
als „schmutzig“ gelten, wie beispielsweise<br />
die Brennstoffbranche“,<br />
so Fink auf die Frage, ob es<br />
in manchen Wirtschaftszweigen<br />
besonders häufig zu Greenwashing<br />
kommen würde.<br />
Unternehmensinternes<br />
Missverständnis?<br />
Doch warum kommt es ganz<br />
generell zu Greenwashing-Vorfällen?<br />
„Es ist immer wieder die<br />
Frage, ob ein Unternehmen sein<br />
Kerngeschäft prinzipiell schöner<br />
darstellen will, als es tatsächlich<br />
ist, oder ob es ein Fehler in der<br />
Kommunikations- und PR-Abteilung<br />
ist“, so Gabriele Faber-<br />
Wiener, renommierte CSR- und<br />
Kommunikationsexpertin bzw.<br />
Beraterin im <strong>SUMO</strong>-Gespräch.<br />
Ein Hauptgrund für derlei Fehler<br />
in der Marketingabteilung<br />
sei, wenn das Unternehmen<br />
eine extrem hohe Innensicht,<br />
eine „Ingroup-Bias“-Perspektive<br />
entwickelt habe. Dabei<br />
wird die Außenperspektive,<br />
vor allem bei großen Unternehmen,<br />
vernachlässigt. Es<br />
sei daher wichtig, dass Unternehmen<br />
Wesentlichkeitsanalysen<br />
machten, wodurch sie eine<br />
Außenperspektive und einen<br />
Realitätscheck bekommen. Die<br />
erste große Baustelle ist dabei<br />
meist die Kommunikation. Vor<br />
allem die interne Kommunikation<br />
ist einer der wichtigsten<br />
und zugleich komplexesten Abläufe<br />
in einem Unternehmen.<br />
Ein zentraler Ansatzpunkt, um<br />
Greenwashing zu verhindern,<br />
wäre daher meistens auch einfach<br />
nur mehr Zusammenarbeit<br />
zwischen den einzelnen<br />
Abteilungen, so die Expertise<br />
von Faber-Wiener. Ein weiterer<br />
Punkt betrifft die fehlenden<br />
strukturierten Reflexionsprozesse<br />
in Unternehmen. Es gebe<br />
zwar immer wieder Evaluierung<br />
von verschiedensten Abläufen,<br />
aber nicht unbedingt strukturiert<br />
während der Produktion,<br />
etwa eines Werbespots. Faber-<br />
Wiener sagt, dass zwar überlegt<br />
wird, wie die Zielgruppe erreicht<br />
werden könnte, allerdings<br />
mangle es oft an Überlegungen<br />
der Auswirkungen. Nicht nur die<br />
positiven, sondern auch negativen<br />
Konsequenzen eines Werbeprodukts<br />
sollten analysiert<br />
und dadurch verbessert werden.<br />
Raphael Fink / © VKI<br />
Neue Gesetze sollen<br />
Konsumenten schützen<br />
Gabriele Faber-Wiener / © privat<br />
Die aktuelle politische Debatte<br />
über Klimaschutz und Nachhaltigkeit<br />
zeigt, dass die Regierung<br />
große Schwierigkeiten hat,<br />
einen gemeinsamen Konsens<br />
(auch mit Unternehmen) zu<br />
finden. Freiwillige Verpflichtungen<br />
reichen nicht aus, da sie oft<br />
nicht eingehalten werden.<br />
Eine klare gesetzliche Regelung<br />
wird es freilich in Bälde geben.<br />
Eben wurde vom EU-Parlament<br />
eine Richtlinie beschlossen,<br />
die Konsumierende vor Greenwashing<br />
schützen soll. Die Umsetzung<br />
dieser EU-Richtlinie<br />
in nationale Gesetze ist innerhalb<br />
von zwei Jahren vorgesehen.<br />
Spätestens dann sollten<br />
sich Konsument:innen auch<br />
auf „Green Claims“ verlassen<br />
können. Expertin und Beraterin<br />
Gabriele Faber-Wiener bemerkt<br />
jetzt schon Veränderung - auch<br />
wenn das Gesetz wohl erst<br />
2026 in Kraft treten wird.<br />
Barbara Bauer / © privat<br />
NEUER<br />
JOB<br />
?<br />
medien<br />
jobs<br />
.at TU ES!!<br />
ÖSTERREICHS GRÖSSTE PLATTFORM FÜR KREATIVE TALENTE<br />
35
Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im<br />
Kampf gegen die Klimakrise<br />
Die Klimakrise ist nicht nur ein ökologisches Notstandsszenario, sondern auch eine gigantische<br />
Bildungsherausforderung. Während die Weltgemeinschaft ringt, die ehrgeizigen Ziele des Pariser<br />
Abkommens zu erreichen, wird klar: Die Transformation zu einer klimaneutralen EU bis 2050 ist<br />
ein Rennen gegen die Zeit. Wissenschaft und Sozioökonomie verflechten sich in dieser globalen<br />
Herausforderung, die nach sofortiger und nachhaltiger medialer Auseinandersetzung schreit.<br />
von LUCE FIDUCCIA<br />
Seit Anfang 2023 gibt es an<br />
der FH Joanneum in Graz einen<br />
Hochschullehrgang, der sich<br />
mit Nachhaltigkeitskommunikation<br />
und Klimajournalismus<br />
beschäftigt. Der Lehrgang zielt<br />
darauf ab, Journalist:innen und<br />
Kommunikator:innen auf einem<br />
akademischen Niveau Klimaund<br />
Nachhaltigkeitskompetenzen<br />
nahezubringen. Die Ausbildung<br />
dauert insgesamt zwei<br />
Studiensemester und beinhaltet<br />
bereits im ersten Abschnitt<br />
Seminare und Vorlesungen, die<br />
sich unter anderem mit naturwissenschaftlichen<br />
Grundlagen<br />
des Klimawandels, Ökologie und<br />
Artenvielfalt und weiteren Umweltwissenschaften<br />
befassen.<br />
Integrative Klimabildung:<br />
Ein Muss im Journalismus<br />
Der freischaffende Klimajournalist<br />
Lukas Bayer erläutert:<br />
„Es muss als Dimension in den<br />
Journalismus, genauso wie in<br />
die Ausbildung rein, die Klimakrise<br />
muss überall eine Rolle<br />
spielen und mitgedacht werden.“<br />
Die Klimakrise soll also als<br />
wesentlicher Bestandteil in der<br />
Ausbildung von Journalist:innen<br />
berücksichtigt werden. Laut<br />
ihm liege das größte Problem<br />
aber noch darin, dass solche<br />
Studiengänge zum größten Teil<br />
selbst finanziert werden müssen<br />
und nicht für alle zugänglich<br />
sind. Auch die Journalistin und<br />
Mitbegründerin des Netzwerks<br />
Klimajournalismus Deutschland,<br />
Lukas Bayer / © Marie Blank<br />
Sara Schurmann / © Julia Steinigewg/Brandstaetter-Verlag<br />
Sara Schurmann, vertritt eine<br />
ähnliche Meinung wie Bayer: „Es<br />
ist großartig im Vergleich zu allem,<br />
was wir bisher hatten. Viel<br />
besser wäre es, wenn es das gar<br />
nicht bräuchte. Und es bräuchte<br />
keinen Klimajournalismus-Master,<br />
wenn ich in meinem Grundstudium<br />
Politik und Soziologie<br />
gelernt hätte, was alles in unserer<br />
Gesellschaft mit der Klimakrise<br />
zu tun hat.“ Schurmann<br />
geht hier sogar noch einen<br />
Schritt weiter und sagt, dass es<br />
notwendig wäre, angesichts der<br />
Dringlichkeit der Krise die Thematik<br />
des Klimawandels in jedes<br />
Studium, in dem es relevant ist,<br />
inhaltlich einzubetten. So sollen<br />
vor allem auch Journalist:innen,<br />
die ein solches Studium absolviert<br />
haben, später davon profitieren<br />
und zu einer guten Berichterstattung<br />
beitragen.<br />
Sara Schurmann arbeitet mittlerweile<br />
schon seit 14 Jahren<br />
als Journalistin und sagt von<br />
sich selbst, sie hätte die ersten<br />
zehn Jahre ihres Werdegangs<br />
„thematisch nichts mit Klima<br />
am Hut gehabt.“ Heute ist sie<br />
maßgeblich an Schulungen und<br />
Workshops, unter anderem in<br />
Zusammenarbeit mit dem Netzwerk,<br />
beteiligt. Laut Schurmann<br />
sind solche akademischen Lehrgänge<br />
wie in Graz durchaus ein<br />
Fortschritt, aber in Anbetracht<br />
der aktuellen Situation müssten<br />
zusätzlich noch weitere Maßnahmen<br />
ergriffen werden, um<br />
insbesondere aktive Journalist:innen<br />
weiterzubilden. Im Interview<br />
meint sie: „Aber jetzt auf<br />
die Ausbildung von angehenden<br />
Journalist:innen zu setzen, wird<br />
diese Krise nicht schnell genug<br />
lösen.“ Was wir brauchen, ist<br />
eine flächendeckende Fortbildung<br />
von jetzt aktiven Redakteur:innen.<br />
Netzwerke gegen die Klimakrise:<br />
Wie Schulungen die<br />
Berichterstattung<br />
revolutionieren<br />
Das Netzwerk Klimajournalismus,<br />
in dem sowohl Schurmann<br />
in Deutschland als auch<br />
Bayer in Österreich tätig sind,<br />
fördert den Austausch unter<br />
Journalist:innen zu Themen<br />
der Klimakrise. In Deutschland<br />
wird aktuell an sogenannten<br />
„In-House-Trainings“ gearbeitet.<br />
Schulungen im Rahmen<br />
von Redaktionsbesuchen, die<br />
„5 vor 12“-Workshops und Onboarding-Newsletter<br />
sollen eine<br />
gute Klimaberichterstattung<br />
36
fördern. Bei der österreichischen<br />
Partnerorganisation wurde<br />
2023 zusätzlich ein Kodex<br />
erarbeitet, welcher eine Leitlinie<br />
für gute Klimaberichterstattung<br />
in Redaktionen vorgeben soll.<br />
Beide Medienschaffende sind<br />
der Meinung, dass es noch viel<br />
intensiverer Weiterbildung bedarf.<br />
„Klima klingt erst mal vielleicht<br />
nur nach einem Thema,<br />
aber bei jedem Beispiel gibt es<br />
so viele Nuancen und es ist einfach<br />
ein komplexes System, das<br />
größer ist als seine Einzelteile<br />
und deswegen braucht man<br />
sehr viel übergreifendes Wissen,“<br />
so Bayer.<br />
Laut Schurmann vernachlässigen<br />
die großen Medienhäuser<br />
die Gefahren des Klimawandels,<br />
besonders in der Berichtserstattung,<br />
etwa über Subventionsprogramme<br />
in der Coronakrise.<br />
In ihren Workshops legt sie den<br />
Finger in die Wunde: „Viele Journalist:innen<br />
sind sich der aktuellen<br />
Lage nicht vollends klar.<br />
Zuerst soll verstanden werden,<br />
wo wir gerade in der Klimakrise<br />
stehen und anschließend, warum<br />
das nicht immer vollkommen<br />
im Bewusstsein der Journalist:innen<br />
ist. Die allgemeine<br />
Aufklärung über die akute Lage<br />
stellt eine Art Barriere dar.“ Und:<br />
„Wenn ich ihnen praktisch nur<br />
erkläre, so akut ist diese Krise,<br />
dann hast du als Journalistin<br />
erstmal so eine gewisse Hürde,<br />
weil als Journalist:in nimmst<br />
du an, dass du halbwegs weißt,<br />
wie akut die Krisen dieser Welt<br />
sind. Schließlich ist es dein Job,<br />
das anderen Leuten zu erklären.“<br />
Der Grund für den Mangel an<br />
Wissen bezüglich der Klimakrise<br />
liege, so Schurmann, darin, dass<br />
Wissen und Dringlichkeit der Situation<br />
in der Ausbildung nicht<br />
ausreichend vermittelt würden.<br />
Aus diesem Grund sei es auch<br />
wichtig, die Angebote der Netzwerke<br />
zu nutzen.<br />
Die Workshops sind teils aus<br />
Stiftungsgeldern finanziert, was<br />
sie noch zugänglicher<br />
für die Medienhäuser<br />
macht.<br />
Das Engagement<br />
des Netzwerks<br />
soll darauf abzielen,<br />
dass Klima<br />
als Querschnittsthema<br />
in der Berichterstattung<br />
überall dort integriert wird, wo<br />
es relevant ist. Es soll nicht nur<br />
in speziellen Klimabeiträgen,<br />
sondern als Teil der demokratischen<br />
Öffentlichkeit in allen medialen<br />
Berichten von der Lokalzeitung<br />
bis zu Qualitätsmedien<br />
berücksichtigt werden, ähnlich<br />
der Berichterstattung während<br />
der Anfangsphase der Corona-<br />
Krise. Dabei geht es aber nicht<br />
darum, jeden Beitrag zu einem<br />
Klimabeitrag zu machen, sondern<br />
darum, die klimabezogenen<br />
Auswirkungen und Zusammenhänge<br />
angemessen und<br />
kontextbezogen zu erwähnen.<br />
Ein ewig negativer Kreislauf<br />
und trotzdem Hoffnung<br />
Wenn Bildungseinrichtungen<br />
wie Universitäten die Klimakrise<br />
nicht in ihre Lehrpläne integrieren,<br />
fehlt Journalist:innen freilich<br />
oft das nötige Wissen über<br />
das Thema. Da eben diese aber<br />
wichtige Informationsquellen<br />
für die Gesellschaft sind, bleibt<br />
auch die breite Öffentlichkeit<br />
unzureichend informiert. Ohne<br />
ausreichendes Wissen über die<br />
Dringlichkeit des Klimawandels<br />
werden nicht genügend Maßnahmen<br />
ergriffen, um ihn zu<br />
bekämpfen, was negative Auswirkungen<br />
auf unseren Planeten<br />
hat. So befinden wir uns in<br />
einem ewig negativen Kreislauf.<br />
Trotz vieler Schwierigkeiten<br />
sehen sowohl Bayer als auch<br />
Schurmann positive Entwicklungen<br />
in der Berichterstattung<br />
über die Klimakrise. Diese wurde<br />
vermutlich auch dank der Bemühungen<br />
der Netzwerke angestoßen.<br />
Bayer, der in Österreich bei<br />
der Organisation vor allem für<br />
Koordination und Außenkommunikation<br />
verantwortlich ist,<br />
äußert sich so dazu: „Es fällt auf,<br />
dass in den meisten Medien mit<br />
Qualitätsanspruch zum Beispiel<br />
Hitzewellen kaum mehr mit Badebildern<br />
oder Frauen in Bikinis<br />
bebildert werden. Das war vor<br />
zwei Jahren noch sehr oft der<br />
Fall. „Dass die Klimakrise wichtig<br />
und eben eine menschengemachte<br />
Krise ist, das werde<br />
wahrgenommen und dem werde<br />
auch mit entsprechenden<br />
Ressorts und neuen Klimaformaten<br />
Rechnung getragen.<br />
Bayer: „Wir sehen auch, dass bei<br />
Extremwettern immer öfter die<br />
Verbindung zum Klimawandel<br />
gezogen wird.“ Auch Schurmann<br />
erkennt einen Wandel zum Positiven.<br />
Gespräche über die Krise<br />
könne man heutzutage viel tiefer<br />
und informierter führen als<br />
noch vor wenigen Jahren. Auch<br />
die Zunahme an fundierten Berichten<br />
sei auffällig.<br />
In einer Welt, die am Rande klimatischer<br />
und sozialer Kipppunkte<br />
steht, zeichnet sich in<br />
den Redaktionen zumindest<br />
Veränderung ab. Die Hoffnung<br />
wächst, dass das Bewusstsein<br />
für die Klimakrise und die Notwendigkeit<br />
von Schulungen für<br />
Medienschaffende zur Norm<br />
werden. Journalismus ist ein<br />
wirksamer Hebel für Veränderung.<br />
Es geht nicht nur um eine<br />
Anpassung, sondern um eine<br />
grundlegende Neuausrichtung<br />
- weg von Schnelligkeit, hin zu<br />
Qualität und gründlicher Recherche.<br />
© Adobe Firefly<br />
Alarmstufe Grün: Die Rolle der Bildung im Kampf gegen die Klimakrise<br />
37
Schnee von gestern? Wie der Klimawandel den<br />
Wintersport und die Medienberichterstattung<br />
ins Schwitzen bringt<br />
Über die mediale Präsenz von Sportarten, die in Anbetracht der Klimakrise immer unverantwortbarer<br />
werden. Ein Gespräch mit Gletscher- und Klimaforscher Georg Kaser und ORF Sport-<br />
Chefregisseur Michael Kögler.<br />
von ANNA-MARIA GFRERER<br />
Jänner 2023, Bad Leonfelden in<br />
der Nähe von Linz. Das Familienskigebiet<br />
Sternstein stellt<br />
seinen Betrieb für diese Saison<br />
ein. Grund dafür sind die warmen<br />
Temperaturen und der damit<br />
ausbleibende Schnee. Ein<br />
Problem, mit dem zu dieser Zeit<br />
fast ganz Österreich kämpft.<br />
Nicht nur alle namhaften Tageszeitungen<br />
in Österreich thematisieren<br />
dieses Problem, auch<br />
die großen Printmedien "Republica"<br />
in Italien und "LeMonde"<br />
in Frankreich berichten von ähnlichen<br />
Zuständen in ihren Ländern.<br />
Der Klimawandel scheint<br />
nun doch vermehrt den Wintersport<br />
in die Bredouille zu bringen.<br />
Diese Umstände scheinen<br />
dem Skizirkus jedoch keinen Abbruch<br />
zu tun. Dort werden unter<br />
enormen Wasser- und Energieaufwand<br />
weiße Schneebänder<br />
in die grüne Landschaft gelegt.<br />
Der Wettstreit um die Kristallkugeln<br />
wird mit Euphorie in alle<br />
Wohnzimmer Österreichs übertragen<br />
und die Einschaltquoten<br />
explodieren (wie immer).<br />
Es erweckt den Anschein, als<br />
würde man einen Sport, der in<br />
Anbetracht der Klimakrise nicht<br />
mehr rechtfertigbar ist, künstlich<br />
am Leben erhalten. Wie<br />
steht es also um die Zukunft des<br />
Skisports? Und ist es noch vertretbar,<br />
dass Medien aktiv zu<br />
diesem immer ressourcenintensiveren<br />
Spektakel beitragen und<br />
sogar davon profitieren?<br />
Die DNA der österreichischen<br />
Bevölkerung<br />
Der Klimawandel stellt den Skizirkus,<br />
wie wir ihn bisher kennen,<br />
vor eine prekäre Situation.<br />
Der Wintersport gehört in einer<br />
gewissen Weise zur DNA der<br />
Österreicher:innen. Sportarten<br />
wie Skifahren, Skispringen,<br />
Biathlon und viele mehr sind<br />
gemessen am Publikumsinteresse<br />
die stärksten Sportübertragungen<br />
im Programm des<br />
ORF. Dabei dominieren Skiveranstaltungen<br />
das Ranking der<br />
quotenstärksten Sendungen im<br />
Jahr. Das Night Race in Schladming<br />
begeistert beispielsweise<br />
jährlich zwischen 1,7 und 1,9<br />
Millionen Zuschauer, berichtet<br />
Sport-Chefregisseur Michael<br />
Kögler. Verglichen mit anderen<br />
Ländern sei das Interesse der<br />
österreichischen Bevölkerung<br />
in diesem Bereich immens. Der<br />
alpine Wintersport stellt neben<br />
Fußball und Formel 1 eines der<br />
Kernprodukte der Sportredaktion<br />
dar.<br />
Kein Skisport ohne Schnee<br />
„In meiner Jugend hat es den Klimawandel<br />
noch nicht gegeben.<br />
Nicht weil niemand darüber geredet<br />
hat, sondern weil er in den<br />
60er Jahren noch nicht stattgefunden<br />
hatte. Es gab zwar<br />
so kurzzeitige Schwankungen<br />
im Klima, aber nicht den Wandel,<br />
den wir Menschen verursachen,“<br />
erzählt Georg Kaser,<br />
der seit Jahrzehnten in der Gletscher-<br />
und Klimaforschung tätig<br />
ist. Erst Ende der 80er Jahre<br />
seien messtechnisch die ersten<br />
Anzeichen sichtbar geworden.<br />
Mittlerweile sei der Klimawandel<br />
omnipräsent und zwar nicht<br />
als neuer Zustand, sondern als<br />
bedenklicher Anstieg in Richtung<br />
äußerst problematischer<br />
Erderwärmungswerte. „Fast<br />
täglich kann man von neuen<br />
38<br />
© Adobe Stock
Naturkatastrophen rund um die<br />
Welt lesen, über manche schreiben<br />
die Medien schon gar nicht<br />
mehr. Waldbrände, Dürreperioden,<br />
schwere Niederschläge,<br />
Stürme und im Hintergrund vor<br />
allem der Meeresspiegelanstieg.<br />
Wir sind nicht nur mitten in diesem<br />
Wandel, sondern dieser<br />
Wandel hat mittlerweile einen<br />
Krisenstatus erreicht,“ so Kaser.<br />
Durch die tendenziell konstant<br />
ansteigenden Temperaturwerte<br />
werde die Nullgrad-Grenze<br />
im Herbst später erreicht und<br />
im Frühling früher überschritten.<br />
Daraus resultiere, dass der<br />
Schnee in niedrigen Lagen und<br />
zum Winter hin immer später<br />
kommt und zum Frühling hinaus<br />
immer früher zurückgeht.<br />
Die schwarze Seite des<br />
weißen Geschäfts<br />
Auch heuer startete der Skiweltcup<br />
Ende Oktober in Sölden.<br />
Kögler zufolge begann der Skizirkus<br />
ursprünglich erst Anfang<br />
Dezember im französischen<br />
Val-d’Isère. Dieses Wettkampfwochenende<br />
blieb bis heute<br />
terminlich unverändert, jedoch<br />
wurden in der Zwischenzeit<br />
zahlreiche Stationen, wie Levi,<br />
Sölden oder Beaver Creek davor<br />
in den Kalender aufgenommen.<br />
Kaser führt dies auf die Kommerzialisierung<br />
des Skisports<br />
zurück, denn aus marktwirtschaftlicher<br />
Perspektive sei es<br />
von Interesse, auf die neuesten<br />
Sportartikel noch vor Weihnachten<br />
aufmerksam zu machen.<br />
Laut Kögler wiederum konkurriert<br />
der Wintersport in der Medienpräsenz<br />
mit anderen populär<br />
Sportarten wie Formel 1 und<br />
Fußball. Deren Wettkampfkalender<br />
dehnen sich kontinuierlich<br />
immer weiter über das Jahr<br />
aus, wodurch die Bühne des<br />
Wintersports gefährdet werde.<br />
Seiner Meinung nach ist die laute<br />
öffentliche Kritik am frühen<br />
Start des Skiweltcups, wie er<br />
auch heuer wieder Schlagzeilen<br />
machte, nicht ganz gerechtfertigt.<br />
Geht es nach Georg Kaser,<br />
ist die Diskussion rund um<br />
die Klimafolgen des Skisports<br />
sehr emotional aufgeladen. Es<br />
werde nicht rational, sondern<br />
emotional diskutiert und dabei<br />
auf die eigentlichen Probleme<br />
vergessen. So ziehen vor allem<br />
die oft kritisierten künstlichen<br />
Beschneiungstechniken einen<br />
hohen Energie- als auch Wasserverbrauch<br />
nach sich. Auch<br />
der Betrieb von Liftanlagen trägt<br />
einen erheblichen Teil zum CO2-<br />
Fußabdruck bei. Viel ausschlaggebender<br />
ist jedoch der mit dem<br />
Wintersport einhergehende Individualverkehr,<br />
wo Unmengen<br />
an CO2 ausgestoßen werden.<br />
Wintersport 2.0<br />
Laut Kaser werde es in Zukunft<br />
durchaus einzelne schöne Winter<br />
geben, aber im Großen und<br />
Ganzen werde sich der Winter<br />
auf eine Kernzeit - von Ende<br />
Dezember bis Ende Februar<br />
beziehungsweise Anfang März<br />
- und auf immer höhere Lagen<br />
beschränken. Bemühungen,<br />
den Wintersport nachhaltig zu<br />
transformieren, werden deshalb<br />
bereits unternommen. Viele Skigebietsbetreiber<br />
haben ihr eigenes<br />
Kleinkraftwerk und gewinnen<br />
daraus den Strom für die<br />
lokale Beschneiung. Auch beim<br />
Betrieb von Pistengeräten wird<br />
bereits vermehrt auf alternative<br />
Antriebe wie Wasserstoff oder<br />
Biodiesel gesetzt. Um jedoch<br />
eine maßgebende Trendwende<br />
zu erreichen, ist die weitere<br />
Implementierung nachhaltiger<br />
Innovationen notwendig. Weitere<br />
Möglichkeiten: Der Start der<br />
Skisaison soll zumindest einen<br />
Monat später angesetzt werden<br />
und auch eine Reduktion der<br />
Skirennen wäre überlegenswert.<br />
Michael Kögler zufolge macht es<br />
relativ wenig Sinn, dass der Skizirkus<br />
zweimal in der Saison von<br />
Georg Kaser / © Daniela Brugger DSC<br />
Europa nach Amerika wechselt.<br />
Der Skiweltcup selbst bemüht<br />
sich bereits, nachhaltiger zu<br />
arbeiten. So sei die Nachhaltigkeit<br />
bei den Produktionen in<br />
den vergangenen Jahren stark<br />
gestiegen. Die Anreise erfolgt<br />
größtenteils mit Elektroautos,<br />
der Bahn oder auch in Gruppen.<br />
Auch der ORF habe schon seine<br />
gesamte Autoflotte auf Elektro<br />
umgestellt und es werde<br />
bei jeder Produktion auf „Green<br />
Producing“ geachtet. „Es gibt<br />
überall Vorbilder, die versuchen,<br />
die Prozesse nachhaltiger zu<br />
gestalten und zu verbessern.<br />
Das muss auch unser aller gemeinsames<br />
Ziel sein, um den<br />
Planeten zu schützen und diesen<br />
weiterhin lebenswert zu<br />
erhalten,“ so Kögler. „Dass da<br />
ein CO2-Fußabdruck anfällt,<br />
steht außer Zweifel, denn der ist<br />
einfach da, das bringen solche<br />
Events mit sich. Aber da wird<br />
schon sehr viel reduziert im Vergleich<br />
zu vor zehn Jahren,“ stellt<br />
der ORF-Chefregisseur fest.<br />
Klima- und Gletscherforscher<br />
Georg Kaser ist dennoch überzeugt:<br />
„Die eskalierende Klimakrise<br />
wird höchstwahrscheinlich<br />
das Ende des Skisports in<br />
seiner derzeitigen Form bedeuten.<br />
Aber jeder kann und muss<br />
etwas tun. Pessimismus ist<br />
kontraproduktiv, unreflektierter<br />
Optimismus genauso.“ Die<br />
ganze Erde sei unser Lebensraum<br />
und wir müssten darauf<br />
achten, was uns dieser vorgibt.<br />
„Natürlich werden wir dann als<br />
Gesellschaft auf vieles verzichten<br />
müssen, aber es sollte unser<br />
gemeinsames Ziel sein, unseren<br />
Planeten zu schützen.“<br />
Michael Kögler / © Thomas<br />
Ramstorfer ORF<br />
Schnee von gestern? Wie der Klimawandel den Wintersport und die Medienberichterstattung ins Schwitzen bringt<br />
39
Zukunft Pink: Zwischen medialen<br />
Rollenbildern und der Realität<br />
Was Diversität und Gender mit der Klimakrise zu tun haben.<br />
von ALICE APOLLONER<br />
Auf der Titelseite: Greta Thunberg.<br />
Mit ernster Mimik hält sie<br />
eine Ansprache auf einer Klima-<br />
Demonstration. Zwei, drei Seiten<br />
später: Eine Klimaaktivistin<br />
mit neon-oranger Warnweste<br />
und knallig gefärbten Haaren<br />
ist gerade dabei, sich mit Sekundenkleber<br />
auf eine stark befahrene<br />
Straße zu kleben. Noch<br />
ein paar Seiten weiter: Zwei junge,<br />
weiße Frauen, die aus Protest<br />
eine Dose Tomatensuppe<br />
über ein bekanntes Kunstwerk<br />
schütten. Diese Bilder haben<br />
eine Gemeinsamkeit: Sie alle<br />
verkörpern die stereotypische<br />
Darstellung von Klimaaktivismus<br />
in den Medien.<br />
Rollenbilder haben die Macht,<br />
positive Vorbilder zu schaffen,<br />
Menschen mit inspirierenden<br />
Geschichten zu motivieren und<br />
ganze Generationen dazu ermutigen,<br />
selbst aktiv im Umweltschutz<br />
zu werden. Doch<br />
hat die stereotype Darstellung<br />
im Klimajournalismus auch eine<br />
Schattenseite: Klimaaktivist:innen<br />
sind nicht immer weiß,<br />
jung und weiblich. Die Unterrepräsentation<br />
von Diversität<br />
und Gender in den Medien läuft<br />
Gefahr, nur einen Bruchteil der<br />
Realität abzubilden und soziale<br />
Ungleichheiten zu verstärken.<br />
Von indigenen Völkern, Menschen<br />
aus dem globalen Süden<br />
bis hin zu „Klimaseniorinnen“<br />
in der Schweiz – die Vielfalt<br />
der Hautfarbe, des Alters, des<br />
Geschlechts und des Einkommens<br />
von Klimaaktivist:innen<br />
auf unserem Planeten könnte<br />
unterschiedlicher nicht sein.<br />
Ein bewusstes Augenmerk auf<br />
eine diverse Darstellung von<br />
Minderheiten statt Stereotypen<br />
im Klimajournalismus zu legen,<br />
könnte dazu beitragen, ein inklusiveres<br />
Bild zu schaffen, das<br />
Vorurteile widerlegt und eine<br />
Grundlage dafür schafft, dass<br />
sich alle Leser:innen angesprochen<br />
fühlen.<br />
Zusammenspiel von Klimaund<br />
Gendergerechtigkeit<br />
Doch woher kommt das Rollenbild<br />
der Frau im Zusammenhang<br />
mit Klimaangelegenheiten?<br />
Die Klimaexpertinnen<br />
Marianne Dobner und Nicole<br />
Katsioulis des Wiener Vereins<br />
„Hallo Klima!“ sprechen in<br />
ihrem Workshop „Klimakrise<br />
und Geschlechtergerechtigkeit:<br />
Retten Frauen die Welt?“ über<br />
ein enges Zusammenspiel von<br />
Klima- und Gendergerechtigkeit,<br />
welches nicht außer Acht<br />
gelassen werden darf, wenn<br />
Rollenbilder im Klimaaktivismus<br />
zur Sprache kommen. Laut Dobner<br />
und Katsioulis hängt die erhöhte<br />
weibliche Beteiligung am<br />
Kampf für unsere Umwelt damit<br />
zusammen, dass Frauen unter<br />
dem Strich mehr unter den Auswirkungen<br />
der Klimakrise leiden<br />
als ihre männlichen Pendants.<br />
Frauen auf der ganzen Welt leiden<br />
nämlich unter dem sogenannten<br />
„Eco Gender Gap“ – ein<br />
Strukturfehler in einem kapitalistischen<br />
System. Dass Frauen<br />
den Großteil der unbezahlten<br />
Care-Arbeit in Form von Altenpflege,<br />
Erziehung der Kinder<br />
oder Hausarbeit erledigen, wird<br />
laut den Klimaexpertinnen von<br />
Hallo Klima! in unserem System<br />
der Vollzeitarbeit nicht berücksichtigt.<br />
Auch unter den Auswirkungen<br />
des Klimawandels in Form von<br />
katastrophalen Überschwemmungen<br />
oder extremer Hitze,<br />
leiden Frauen – insbesondere<br />
im globalen Süden – stärker.<br />
Aufgrund von traditionellen<br />
Rollenbildern und fehlenden<br />
Schwimmkenntnissen retten sie<br />
bei Überflutungen zuerst ihre<br />
Kinder und die hilfsbedürftigen<br />
Ältesten der Familie, bevor sie<br />
an sich denken. Auch die pralle<br />
40<br />
© Adobe Firefly
Hitze wird den Frauen, die um<br />
Lohn auf Baumwollplantagen<br />
arbeiten – kaum ausreichend,<br />
um die Familie zu ernähren – bei<br />
der körperlichen Feldarbeit zum<br />
Verhängnis.<br />
Im Workshop von Hallo Klima!<br />
fällt auch der Begriff „Petro Masculinity“.<br />
Dieser leitet sich von<br />
„petrochemischer Industrie“ ab<br />
und beschreibt den Zusammenhang<br />
von Männlichkeit und der<br />
globalen, wirtschaftlichen Abhängigkeit<br />
von fossilen Brennstoffen.<br />
„Petro Masculinity bedeutet,<br />
dass fossile Brennstoffe für<br />
manche Männer mehr sind als<br />
nur Profit, sondern dass über<br />
dieses Thema auch ihre Identitäten<br />
gebildet werden“<br />
Marianne Dobner<br />
Verein Hallo Klima!<br />
So sei es für die Identität von<br />
„richtig männlichen“ Männern<br />
selbstverständlich, dass sie gerne<br />
ein schnelles Auto fahren, das<br />
viel CO2 ausstößt, sie in männlich<br />
dominierten Bereichen arbeiten,<br />
die oftmals in der petrochemischen<br />
Industrie sind und<br />
daher mit viel Risiko verbunden,<br />
oder, dass nur Fleisch auf den<br />
Griller komme. Ein vegetarischer<br />
oder gar veganer Ernährungsstil<br />
würde in diese Selbstwahrnehmung<br />
nicht hineinpassen. Das<br />
Thema Gender und Klima ist laut<br />
Dobner und Katsioulis – insbesondere<br />
in der tagesaktuellen<br />
Medienberichterstattung – eine<br />
Herausforderung, da in der Berichterstattung<br />
meist nur tagesaktuell<br />
auf das Jetzt und vor<br />
Ort reagiert wird und das seien<br />
meist Extremwetterereignisse.<br />
Es gäbe nur wenige Reportagen<br />
über die Zusammenhänge,<br />
grundlegenden Verbindungen<br />
oder Porträts von betroffenen<br />
Minderheiten. „Es gibt ganz klar<br />
Geschlechterzuschreibungen<br />
in der Klimaberichterstattung:<br />
Frauen im Zusammenhang mit<br />
Natur, Hysterie und Klimakrise<br />
– während Männer beim Thema<br />
Klimakrise erhaben und mit<br />
technologischen Lösungen, um<br />
es stereotypisch zu sagen, dargestellt<br />
werden,“ so Marianne<br />
Dobner.<br />
Medien bevorzugen oft<br />
weibliche „Role Models“<br />
Barbara Huemer, Landtagsabgeordnete,<br />
Sprecherin für<br />
Gesundheit und Pflege der Grünen<br />
und ehemalige Frauensprecherin<br />
der Grünen Frauen Wien,<br />
beleuchtet in einem Interview<br />
auch die Folgen der Klimakrise<br />
für Frauen in Städten wie Wien<br />
und warum sich diese daher<br />
verstärkt im Klimaaktivismus<br />
einsetzen. Huemer zufolge trifft<br />
Frauen im Stadtklima die extreme<br />
Hitze der Klimaerwärmung<br />
stärker, da Frauen aufgrund<br />
der ökonomischen Verhältnisse<br />
nachweislich einkommensschwächer<br />
sind als Männer und<br />
daher in schlechteren Wohngegenden<br />
leben, die ohne viel Grün<br />
einer Hitze-Insel gleichen.<br />
„Ich glaube, dass das wirklich<br />
nicht nur eine Darstellung in<br />
den Medien ist, sondern eine<br />
Realität – dass Klimaaktivistinnen<br />
häufig Frauen sind und<br />
dass eine junge Generation<br />
da keine Scheu hat die erste<br />
Reihe zu besetzen, dort aufzustehen<br />
und zu sprechen.<br />
Dass sich Frauen nicht hinten<br />
anstellen, sondern ganz im<br />
Gegenteil, hier eine junge,<br />
selbstbewusste Frauengeneration<br />
für ihre Rechte und<br />
Zukunft eintritt“<br />
Barbara Huemer<br />
Grüne<br />
Rollenbilder in der Klimakrise, so<br />
betont Huemer, seien weiterhin<br />
ein Hindernis für eine verstärkte<br />
Beteiligung von Männern am<br />
Klimaaktivismus. Dies könnte an<br />
Nicole Katsioulis / © privat<br />
Marianne Dobner / © privat<br />
Babara Huemer / © privat<br />
historischen Vorbildern wie der<br />
Öko-Feminismus-Bewegung<br />
der 1970er-Jahre liegen, wo<br />
Frauen bereits eine Verbindung<br />
zwischen Umweltausbeutung<br />
und Frauenrechten herstellten.<br />
Obwohl bei Demonstrationen<br />
auch Männer sprechen, werden<br />
in den Medien oft weibliche<br />
„Role Models“ bevorzugt dargestellt.<br />
Medienberichterstattung<br />
müsse sensibler vorgehen<br />
und auch Männer – egal ob jung<br />
oder alt – vor die Kamera holen,<br />
da es unsere gemeinsame Zukunft<br />
und unsere gemeinsame<br />
Natur sei. Ein diverseres Bild<br />
in der Klimaberichterstattung<br />
würde zweifellos dazu beitragen,<br />
dass sich auch Männer bei<br />
dem Thema angesprochen und<br />
inkludiert fühlen, so Huemer.<br />
Die Darstellung von Klimaaktivist:innen<br />
in den Medien ist oft<br />
stereotyp und begrenzt. Frauen<br />
sind nicht nur häufiger ein<br />
Opfer des Klimawandels, sondern<br />
spielen auch eine wichtige<br />
Schlüsselrolle als aktive Umweltschützerinnen.<br />
Rollenbilder,<br />
Gender- und Klimagerechtigkeit<br />
gehen Hand in Hand und sollten<br />
in der Berichterstattung des Klimajournalismus<br />
mit Diversität<br />
behandelt werden.<br />
Zukunft Pink: Zwischen medialen Rollenbildern und der Realität<br />
41
Stadt versus Land: Wird Klimajournalismus<br />
in den Regionen anders wahrgenommen?<br />
Regionale Medien erreichen in Summe weit mehr Menschen als einzelne überregionale Tageszeitungen.<br />
Ihr Einfluss aufs Meinungsbild der Österreicher:innen scheint also unbestritten. Wie aber geht<br />
man in den Regionen mit dem Thema Klimajournalismus um? Zwei Expert:innen geben Auskunft.<br />
von JULIAN HOFER<br />
Mit Sicherheit ist jedem von<br />
uns schon einmal eine Ausgabe<br />
von einer meist wöchentlich<br />
erscheinenden Gratiszeitung<br />
in den Briefkasten gekommen.<br />
Und das ist kein Wunder. Die<br />
„RegionalMedien Austria“ (RMA)<br />
– größter entsprechender Verlag<br />
im Land – geben 128 verschiedene<br />
lokale Zeitungstitel<br />
heraus, mit denen sie laut der<br />
Media-Analyse durchschnittlich<br />
fast 2,9 Millionen Leser:innen<br />
pro Ausgabe erreichen. Maria<br />
Jelenko-Benedikt ist die zentrale<br />
Chefredakteurin des Unternehmens,<br />
hinter dem der Grazer<br />
Styria Verlag und die Tiroler Moser<br />
Holding stehen. Sie steuert<br />
quasi die Berichterstattung aller<br />
lokalen Titel über Schwerpunktsetzungen<br />
und Sonderthemen.<br />
Wie geht sie mit Klimathemen<br />
um?<br />
„Umwelt“ statt „Klima“<br />
Ein klarer Unterschied zwischen<br />
nationaler und regionaler Berichterstattung<br />
über Klimafragen<br />
liegt für Jelenko-Benedikt<br />
etwa darin, dass regional oft viel<br />
„persönlicher“ berichtet wird:<br />
„Überregional berichte ich in den<br />
Zeitungen zum Beispiel über<br />
neue Gesetze, und das eher auf<br />
theoretischer Ebene, während<br />
es in der regionalen und lokalen<br />
Berichterstattung mehr um die<br />
Umsetzung geht. Es wird einfach<br />
persönlicher und weniger<br />
theoretisch.“ Zudem gebe es<br />
auch Unterschiede in der Terminologie.<br />
Jelenko-Benedikt dazu:<br />
„Klima bedeutet globale meteorologische<br />
Zusammenhänge.<br />
Sicher kann das jeder oder jede<br />
Einzelne im Kleinen mit beeinflussen,<br />
auch wenn der Effekt<br />
nur ein geringer ist. Im regionalen<br />
Bereich, also wenn es um<br />
Österreich geht, würde ich eher<br />
den Begriff „Umwelt“ verwenden,<br />
da kann sich jeder etwas<br />
darunter vorstellen.“<br />
Im Kontext eines in den „RMA“<br />
erschienenen Kommentars über<br />
Windräder erzählt sie: „Die Reaktionen<br />
waren im Prinzip sehr<br />
Maria Jelenko-Benedikt<br />
/ © MeinBezirk.at<br />
positiv. Dort, wo etwas stark in<br />
den eigenen Lebensbereich hineinreicht,<br />
kommen allerdings<br />
schon sehr viele Reaktionen in<br />
Richtung: Stellen sie sich einmal<br />
ein Windrad vors Fenster,<br />
dann werden wir schauen.“ Aber<br />
es gebe bei manchen Themen<br />
auch klar positive Reaktionen:<br />
Die Berichterstattung über örtliche<br />
Müllsammelaktionen könne<br />
beispielsweise dazu führen,<br />
dass Leser:innen selbst die Initiative<br />
ergreifen und mithelfen.<br />
„Per se gilt im Journalismus:<br />
Je mehr Bezug du durch eine<br />
Geschichte schaffen kannst,<br />
desto stärker wirst du Interesse<br />
bei den Leser:innen<br />
wecken“<br />
Ralf Hillebrand<br />
„Salzburger Nachrichten“<br />
Ralf Hillebrand<br />
Relevanz und persönlicher<br />
Bezug<br />
/ © privat<br />
Regionale Medien haben also<br />
Relevanz für die Bevölkerung<br />
und schaffen es, Feedback zu<br />
erzeugen und durch persönliches<br />
Engagement Leser:innen<br />
42<br />
© Adobe Stock
zu aktivieren. Woran das liegt?<br />
Ralf Hillebrand - er ist Ressortleiter<br />
Wissenschaft, Gesundheit,<br />
Medien und Technologie<br />
bei den „Salzburger Nachrichten“<br />
- meint dazu: „Per se gilt im<br />
Journalismus: Je mehr Bezug du<br />
durch eine Geschichte schaffen<br />
kannst, desto stärker wirst du<br />
Interesse bei den Leser:innen<br />
wecken. Und mit einem Plus an<br />
Reichweite gibt es dann auch ein<br />
Mehr an Rückmeldungen.“ Gilt<br />
das für Hillebrand auch in Sachen<br />
Klimajournalismus? „In der<br />
Lokalberichterstattung muss<br />
auf den regionalen Bezug Rücksicht<br />
genommen werden und<br />
darin liegt dann schlussendlich<br />
auch der Unterschied. Bei uns<br />
in der überregionalen Berichterstattung<br />
ist es ein Kann, in der<br />
Lokalredaktion ist es ein Muss“,<br />
so der „SN“-Journalist zu <strong>SUMO</strong>.<br />
Hillebrand schildert grundsätzlich<br />
zwei Zugänge in der Branche:<br />
„Es gibt zwei Trends. Zum<br />
einen gibt es Medienhäuser, die<br />
eigene Klimaressorts aufgezogen<br />
haben. Zum anderen gibt<br />
es Häuser, in denen das Thema<br />
über die verschiedenen Ressorts<br />
verteilt wird. Wir bei den<br />
‚SN‘ haben eigene, stark auf das<br />
Thema spezialisierte Kolleg:innen.<br />
Ausgespielt werden die<br />
Themen über alle Ressorts.“<br />
„Lokalaugenschein“<br />
Und wie stellt sich „Klimaberichterstattung“<br />
in den regionalen<br />
Medien ganz konkret dar?<br />
Ein „Lokalaugenschein“ zeigt<br />
folgendes: Plakativ große Überschriften<br />
oder Reiter auf der<br />
Website zum Themenbereich<br />
sucht man oft vergeblich, dennoch<br />
sind einzelne Texte zu<br />
finden. Meist leicht versteckt,<br />
findet man online in Unterkategorien<br />
wie „Klimawandel“<br />
oder „Klimaschutz“ Beispiele<br />
dafür. Und bei den „RMA“ auch<br />
die eingangs erwähnten Sonderthemen<br />
und Schwerpunktsetzungen,<br />
die in den einzelnen<br />
Bezirken auch individuell<br />
umgesetzt werden. Maria Jelenko-Benedikt<br />
nennt hier als<br />
Beispiel das Thema „Nachhaltiges<br />
Feiern“, welches 2020 im<br />
Zuge einer Klimathemen-Reihe<br />
„Unsere Erde“ aufgriffen wurde.<br />
In vielen Medienhäusern ist<br />
die von Hillebrand für die „SN“<br />
beschriebene Vorgehensweise<br />
an der Tagesordnung. Auch<br />
in regionalen Printausgaben<br />
wird dieser Zugang bevorzugt,<br />
welcher das Auffinden von Klimathemen<br />
jedoch insgesamt<br />
schwieriger gestaltet. Klimathemen<br />
scheinen insgesamt eher<br />
versteckt, weil sie mit anderen<br />
Themen „Symbiosen“ eingehen<br />
und einem nicht direkt ins Auge<br />
springen. Fazit: Das Klimathema<br />
spielt überall mit, explizit ausgewiesen<br />
wird es in regionalen<br />
Titeln aber selten.<br />
Du will st Gutes tun?<br />
Spende Plasma und<br />
rette Leben!<br />
Als Dankeschön für deinen Zeitaufwand<br />
erhältst du € 35,- pro Spende!<br />
EUROPLASMA Spendezentrum St. Pölten<br />
Schulring 21, 2. Stock (Neues Forum), 3100 St. Pölten<br />
Telefon: +43 (0)2742 / 90 333<br />
E-Mail: stp@europlasma.at<br />
Darum solltest auch du Plasma spenden:<br />
• Weil aus menschlichem Blutplasma lebensrettende Medikamente<br />
hergestellt werden, die nicht künstlich erzeugt werden können.<br />
• Weil du tausenden von Menschen<br />
helfen kannst, die lebenslang<br />
darauf angewiesen sind.<br />
• Weil Plasma spenden einfach<br />
und sicher ist.<br />
Vereinbare einen Termin in<br />
unserem Spendezentrum.<br />
43
Alles nur negativ?<br />
Wie Medien und Menschen mit der<br />
Klimakrise umgehen<br />
Klimajournalismus spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung über die Klimakrise. Doch<br />
oft dominieren düstere Schlagzeilen und negative Berichte in der Medienlandschaft. Das stellt<br />
Journalist:innen vor die Herausforderung, die Balance zu finden zwischen der Darstellung der<br />
Wahrheit über die Klimakrise, die oftmals negativ wirken kann, und einer positiven, handlungsorientierten<br />
Berichterstattung. <strong>SUMO</strong> fragte bei den Journalistinnen Lisa Wohlgenannt und<br />
Carina Jagersberger nach, wie dieser Zwiespalt zu lösen ist.<br />
von NICOLE BOGACZ<br />
Carina Jagersberger<br />
/ © privat<br />
Lisa Wohlgenannt<br />
/ © Jessica Zekar<br />
„Erstens, es ist nicht einfach zu<br />
verstehen, es ist nicht so<br />
einfach wahrzunehmen.<br />
Was dazukommt, die<br />
Entscheidungen, die wir<br />
heute treffen, das kommt<br />
ja alles zeitverzögert. Sowohl<br />
Entscheidungen, die<br />
die Klimakrise eindämmen,<br />
als auch Entscheidungen,<br />
die die Klimakrise befeuern,“<br />
sagt Klimajournalistin<br />
Lisa Wohlgenannt,<br />
Mitglied des „Netzwerks<br />
Klimajournalismus Österreich“<br />
und beim Momentum-<br />
Institut aktiv. Das Gefühl der<br />
Ohnmacht entstehe, weil viele<br />
Menschen demotiviert werden,<br />
wenn sie sich für Maßnahmen<br />
gegen die Klimakrise einsetzen,<br />
aber nicht sofort oder aktiv Ergebnisse<br />
sehen können. Das<br />
könne einem das Gefühl geben,<br />
dass die Bemühungen nicht<br />
ausreichend sind, weil sie keine<br />
unmittelbare Wirkung zeigen.<br />
Wenn man sich als einzelne<br />
Person für ein wichtiges Thema<br />
einsetzt, kann man nur begrenzt<br />
viel bewirken, besonders, wenn<br />
andere Menschen dem Thema<br />
und seinen Konsequenzen komplett<br />
ausweichen.<br />
Das Bestreben, einen nachhaltigen<br />
Lebensstil zu führen, birgt<br />
zahlreiche Herausforderungen,<br />
die oft unterschätzt werden. Die<br />
Realität ist, dass es unglaublich<br />
anstrengend sein kann, die<br />
nachhaltigere Option zu wählen.<br />
Es erfordert Zeit, sich über<br />
die ökologischen Auswirkungen<br />
verschiedener Entscheidungen<br />
zu informieren, und es beansprucht<br />
emotionale Kapazitäten,<br />
diese Entscheidungen zu<br />
treffen. Allzu oft führt der Weg<br />
einer nachhaltigeren Wahl zu<br />
einem Kompromiss, da diese<br />
Optionen oft auch die kostspieligeren<br />
sind. „Das ist eine globale<br />
Krise und die lösen keine Individuen.<br />
Die muss man einfach auf<br />
gesamtgesellschaftlicher Ebene<br />
und struktureller Ebene angehen<br />
und lösen,“ meint Wohlgenannt.<br />
Es sei wichtig, dass<br />
Rahmenbedingungen geschaffen<br />
werden, damit nachhaltigere<br />
Entscheidungen zugänglicher<br />
werden. Es sollte nicht davon<br />
ausgegangen werden, dass jedes<br />
Individuum in der Lage sein<br />
muss, konsequent teurere und<br />
Alle Hit-Formate und alle<br />
Highlights deiner Lieblingssender<br />
ohne Abo & ohne Kosten<br />
JETZT KOSTENLOS SUPERSTREAMEN!<br />
44
nachhaltige Alternativen zu<br />
wählen. Viele Menschen können<br />
sich nicht leisten, immer die<br />
umweltfreundlichere, aber kostspieligere<br />
Option zu wählen.<br />
„… dieser Negativity Bias“<br />
„Es ist ein Fakt, dass wir den<br />
Trend zur Negativität haben …<br />
diesen Negativity Bias“, stellt<br />
Wohlgenannt fest. Medien tendieren<br />
dazu, über die Klimakrise<br />
überwiegend negativ zu berichten.<br />
Die negative Berichterstattung<br />
kann ein breites Spektrum<br />
an Emotionen hervorrufen, die<br />
von Angst, Frustration bishin<br />
zu Hilflosigkeit reichen können.<br />
Das Gefühl, dass die Probleme<br />
zu groß und zu komplex sind,<br />
um von Einzelpersonen gelöst<br />
zu werden, kann zu Resignation<br />
oder Handlungsunfähigkeit<br />
führen. Bei einigen Menschen<br />
kann eine konstante Flut von<br />
negativen Nachrichten sogar<br />
zu Gefühlen der Überforderung<br />
und Überwältigung führen. Dies<br />
kann weiter dazu führen, dass<br />
sie sich von der Berichterstattung<br />
zurückziehen, um ihre<br />
mentale Gesundheit zu schützen.<br />
GUIDELINE FÜR EINE<br />
KONSTRUKTIVE<br />
BERICHTERSTATTUNG<br />
Eine gute Klima-Geschichte umfasst drei<br />
wesentliche Komponenten.<br />
1.) Ist-Zustand und Zusammenhänge: Es soll der Ist-Zustand beschrieben<br />
werden. Statt über einzelne Ereignisse zu berichten, ist es<br />
wichtig den Zustand in einen Zusammenhangen zu bringen. Das bedeutet,<br />
Ereignisse wie Hochwasser oder Hitzewellen in einen Zusammenhang<br />
zu setzen, um das Gesamtbild zu verdeutlichen.<br />
2.) Blick in die Zukunft: Wichtig ist die Frage „Worauf steuern wir hinzu?“<br />
Dieser Zustand sollte ehrlich sein und nicht beschönigt werden.<br />
3.) Lösungsansätze: Neben der Darstellung der Probleme ist es<br />
wichtig, Lösungsansätze anzubieten. Hierbei sollten klare Handlungsschritte<br />
präsentiert werden, die verdeutlichen, dass es noch viele<br />
Möglichkeiten gibt, Dinge zum Besseren zu verändern, wenn wir entsprechend<br />
handeln.<br />
Die ständige negative Berichterstattung<br />
zur Klimakrise kann<br />
die Handlungsbereitschaft der<br />
Menschen beeinträchtigen. Die<br />
Journalistin meint, es sei wichtig<br />
beim Berichten über die Klimakrise<br />
den Leuten nicht das Gefühl<br />
zu geben „es ist eh schon<br />
egal, ist eh verloren“. Wenn den<br />
Menschen ein Weg gezeigt werde<br />
mit Lösungsvorschlägen, wie<br />
gehandelt werden kann, fördere<br />
das auch die Handlungsbereitschaft.<br />
Dieser Aussage<br />
stimmt die Klimajournalistin<br />
Carina Jagersberger, sie leitet<br />
auch das Projekt „Klimareporter.<br />
in“, „nicht unbedingt“ zu. „Was<br />
vor der Handlungsbereitschaft<br />
kommt, ist das Wissen und das<br />
Bewusstsein“, meint sie. Die Leser:innen<br />
wenden sich bei überwiegend<br />
negativer Berichterstattung<br />
ab und so kann es nicht<br />
einmal zu einer Handlungsbereitschaft<br />
kommen.<br />
Die Medien sollten ihre Rolle<br />
als Aufklärer und Vermittler<br />
übernehmen, um das Bewusstsein<br />
für die Komplexität und die<br />
weitreichenden Auswirkungen<br />
des Klimawandels zu schärfen.<br />
„Und da ist es eben nicht die<br />
Verantwortung jedes Einzelnen<br />
oder jeder Einzelnen, sich die<br />
Informationen zu beschaffen,<br />
sondern eben sowohl Medien,<br />
aber natürlich auch Politik und<br />
Industrie sind da in der Verantwortung,<br />
das so zu kommunizieren,<br />
wie es eben ist,“ sagt Lisa<br />
Wohlgenannt. Es soll so objektiv<br />
wie möglich berichtet werden,<br />
damit die Rezipient:innen sich<br />
eine Meinung anhand von Fakten<br />
und wissenschaftlich bestätigten<br />
Informationen bilden<br />
können. „Der Negativity Bias ist<br />
zwar ein Fakt. Aber ich glaube,<br />
dass sowohl in der Forschung<br />
als auch in der Medienlandschaft<br />
der Ansatz der „Constructive<br />
News“ sehr populär geworden<br />
ist.“<br />
„Constructive News“ oder konstruktive<br />
Nachrichten sind ein Ansatz<br />
im Journalismus, der darauf<br />
abzielt, nicht nur Probleme aufzuzeigen,<br />
sondern auch Lösungen<br />
und positive Entwicklungen<br />
zu präsentieren. Insbesondere<br />
im Kontext der Klimakrise kann<br />
dieser Ansatz eine Alternative<br />
zur überwiegend negativen Berichterstattung<br />
bieten und die<br />
Auswirkungen von Nachrichtenmedien<br />
positiv beeinflussen.<br />
Diese Art des Journalismus<br />
konzentriert sich nicht nur auf<br />
die Darstellung von Problemen,<br />
sondern hebt auch Lösungen<br />
und Handlungsmöglichkeiten<br />
hervor.<br />
Alles nur negativ? Wie Medien und Menschen mit der Klimakrise umgehen<br />
45
Klimajournalismus auf dem Prüfstand:<br />
Zwischen Neutralität und Dringlichkeit<br />
Die globale Klimakrise stellt die klassische Vorstellung des Journalismus als neutralen Berichterstatter<br />
auf den Prüfstand. Es entsteht eine Spannung zwischen Neutralitätsideal und der Notwendigkeit,<br />
die Dringlichkeit der Klimakrise aufzuzeigen. Sind journalistische Ideale und Leitbilder<br />
im Klimajournalismus überholt?<br />
von MARLENE DÖLLER<br />
„Die Hauptverantwortung der<br />
Journalist:innen ist, vernünftigen<br />
Journalismus zu machen“,<br />
erklärt Dominic Egizzi. Er ist Autor,<br />
Regisseur und Producer von<br />
Reportagen und Dokumentationen.<br />
Außerdem arbeitet er als<br />
Dozent im Forum Journalismus<br />
und Medien in Wien. Unter vernünftigem<br />
Journalismus in der<br />
Klimaberichterstattung sei zu<br />
verstehen, dass weder Alarmismus<br />
noch Aktivismus betrieben<br />
wird. Bei Ersterem bestehe<br />
die Gefahr, den Klimawandel<br />
zu drastisch darzustellen, was<br />
zur Abstumpfung bei den Rezipient:innen<br />
führen kann. Ein<br />
permanenter Alarmismus könne<br />
auf Dauer zu Skepsis, also zu<br />
einer Abwehrhaltung gegenüber<br />
dem Thema führen. Wenn Journalismus<br />
jedoch eine aktivistische<br />
Rolle einnimmt, verliere<br />
dieser seine Glaubwürdigkeit. Es<br />
bestehe die Gefahr zu belehren,<br />
anstatt aufzuklären. Journalist:innen<br />
sind Berichterstatter<br />
:innen und keine Aktivist:innen.<br />
Für ihn ist es wichtig, die Klimaberichterstattung<br />
vielschichtiger<br />
zu betrachten: „Mit dem Begriff<br />
Klimajournalismus tue ich<br />
mir ohnehin etwas schwer, weil<br />
ich glaube, eine gute Art sich mit<br />
dem Klimawandel auseinanderzusetzen,<br />
ist das journalistisch<br />
so vielfältig wie möglich zu<br />
tun.“ Es sollte eine Vielfalt in der<br />
Kommunikation bestehen. Die<br />
Klimaberichterstattung sollte<br />
auch ressortübergreifend passieren.<br />
Dies ermögliche es, aus<br />
der Nische „Klima“ auszubrechen<br />
und breiter wahrgenommen<br />
zu werden. Susan Jörges<br />
wiederum sieht im Klimajournalismus<br />
ein Bindeglied zwischen<br />
Politik und Gesellschaft. Sie hat<br />
bereits ihre Masterarbeit im Bereich<br />
der Klimakommunikation<br />
verfasst. Als freie Journalistin<br />
sind für sie Themen wie Umwelt,<br />
Naturschutz, Klima- und<br />
Bildungspolitik und Gesundheit<br />
von besonderem Interesse.<br />
Politik könne nur funktionieren,<br />
wenn die Gesellschaft die Maßnahmen<br />
mitträgt. „Damit wir<br />
Klimaziele erreichen, muss jeder<br />
gesellschaftliche Teilbereich<br />
seinen Beitrag leisten.“ Der Beitrag<br />
der Journalist:innen sei es,<br />
konstruktiv Bericht zu erstatten.<br />
Das passiere unter dem Wissen,<br />
damit öffentliches Bewusstsein<br />
zu prägen. Da durch Berichterstattung<br />
die Meinung der Leser:innen<br />
geprägt wird, müsse<br />
darauf geachtet werden, was<br />
geschrieben und wie berichtet<br />
wird. Was Journalismus also tun<br />
kann, sei berichterstatten und<br />
aufzuklären. Wahr und aus verschiedenen<br />
Sichtweisen. Gut recherchiert<br />
und faktentreu. Aber<br />
funktioniert das auch neutral<br />
und objektiv?<br />
Ende des Neutralitätsideals<br />
Genau diese Frage steht immer<br />
öfter zur Diskussion. „Neutralität<br />
ist ein Idealbild. In der journalistischen<br />
Praxis ist Neutralität<br />
nicht möglich,“ sagt Jörges.<br />
Wir alle seien sozialisiert, hätten<br />
facettenreiche Ansichten, eigene<br />
Meinungen und würden über<br />
verschiedene Wissensstände<br />
verfügen. All diese Faktoren machen<br />
laut der freien Journalistin<br />
neutrale Berichterstattung bei<br />
der journalistischen Arbeitsweise<br />
nahezu unmöglich und mit<br />
dieser Ansicht ist sie nicht allein.<br />
So spricht auch Medienwissenschaftler<br />
Bernhard Pörksen in<br />
einem Interview mit der „FAZ“<br />
über „ein dümmliches Neutralitätsideal,<br />
das noch nie besonders<br />
sinnvoll war, aber das in<br />
Zeiten einer solchen Krise ganz<br />
und gar falsch wäre“.<br />
Dominic Egizzi fordert statt des<br />
Begriffs Neutralität eher Faktentreue<br />
und Wahrhaftigkeit ein:<br />
„Die Dinge müssen stimmen.<br />
Man muss einen journalistischen<br />
Zugang haben. Das muss<br />
nicht immer ausgewogen sein,<br />
da die Gefahr der False Balance<br />
besteht.“ Dabei sollte jedoch klar<br />
kommuniziert werden aus welcher<br />
Perspektive die Geschichte<br />
erzählt wird. „Man sollte“,<br />
so Egizzi, „keinem falsch verstandenen<br />
Neutralitätsfetisch<br />
anhängen“ und trotzdem das<br />
journalistische Handwerk ernst<br />
nehmen. Es dürfe nichts verzerrt<br />
dargestellt werden. „Diese<br />
Vielschichtigkeit der Klimakommunikation<br />
basierend auf einem<br />
soliden Journalismus finde ich<br />
ganz wichtig.“<br />
Die Begriffe Neutralität und Objektivität<br />
werden in der Praxis oft<br />
miteinander vermischt. Neutralität<br />
besagt, die eigene Haltung<br />
komplett außen vor zu lassen.<br />
Bei objektiver Berichterstattung<br />
geht es hingegen darum, unabhängig<br />
und verständlich Informationen<br />
aufzubereiten sowie<br />
46
eine verantwortungsvolle und<br />
umsichtige Auswahl verschiedener<br />
Blickwinkel zu schaffen.<br />
Es geht darum, Gleiches gleich<br />
zu behandeln, trotz einer gewissen<br />
Haltung zu verschiedenen<br />
Themen. Wir können laut Jörges<br />
zwar nicht neutral berichten, jedoch<br />
objektiv: „Objektivität bedeutet,<br />
dass man verschiedene<br />
Stimmen zu Wort kommen<br />
lässt, dass man sich möglichst<br />
seiner Rolle bewusst ist, seine<br />
eigenen Ansichten hinterfragt<br />
und wenn nötig ablegt und dass<br />
man sich auf die aktuellsten Erkenntnisse<br />
der Wissenschaft<br />
bezieht.“<br />
Objektivität und keine False<br />
Balance<br />
Meinungen von Klimaleugnern<br />
werden wissenschaftlichen Fakten<br />
als gleichwertig gegenübergestellt.<br />
Diese Vorgehensweise<br />
wird unter dem Begriff False<br />
Balance zusammengefasst. Ein<br />
Phänomen, welches vor allem<br />
aus dem Wissenschaftsjournalismus<br />
bekannt ist. Dies sorgt<br />
für mediale Verzerrung und eine<br />
falsche Gewichtung der Positionen.<br />
„Der Klimawandel ist hier.<br />
Der Klimawandel ist menschengemacht.“<br />
Obwohl hier keine<br />
andere Meinung entgegengestellt<br />
wird, sind diese Aussagen<br />
legitim. Sie sind legitim, weil<br />
sie stimmen. Das ist wissenschaftlich<br />
belegt. In der Klimaberichterstattung,<br />
vor allem in<br />
den USA, wurden derlei Gegenüberstellungen<br />
aber lange praktiziert.<br />
„Objektivität bedeutet nicht,<br />
dass wir deswegen False Balance<br />
eingehen müssen,“ betont<br />
Jörges. Natürlich dürfe<br />
darüber diskutiert werden, ob<br />
man ein Tempolimit brauche,<br />
um den CO2-Austoß zu reduzieren.<br />
Auch könne man Überlegungen<br />
anstellen, welche Klimaziele<br />
realistisch sind<br />
oder ob und wie lange<br />
man Atomkraft noch<br />
brauche. Hier müsse<br />
man das Für und Wider<br />
abwägen, aber es komme<br />
nicht zu False Balance.<br />
Laut Jörges fehle es in<br />
der Klimaberichterstattung<br />
momentan noch<br />
an Lösungsvorschlägen:<br />
„Lösungen müssen<br />
nicht immer einen langen<br />
Absatz im Artikel einnehmen,<br />
schon ein kurzer Hinweis<br />
auf Maßnahmen, Gesetze oder<br />
Veränderungsmöglichkeiten ist<br />
sinnvoll.“ Auch deutlich zu machen,<br />
was man selbst im Sinne<br />
des Klimaschutzes verändern<br />
kann, sei wichtig und motiviere.<br />
„Wo kann ich mich in diesem<br />
Gefüge verorten und wo kann<br />
ich den Unterschied machen für<br />
den Klimawandel? – das sind<br />
Fragen, die sich Leser:innen<br />
stellen.“<br />
Dominic Egizzi<br />
/ © privat<br />
Susan Jörges<br />
/ © privat<br />
DIE BESTEN<br />
DINGE IM LEBEN<br />
KOSTEN NICHTS.<br />
WIR MACHT’S MÖGLICH.<br />
GRATIS<br />
KONTO<br />
FÜR STUDIS<br />
UNTER 27<br />
+ GRATIS<br />
KREDITKARTE<br />
+ 25 € START-<br />
BONUS 1<br />
1<br />
Kreditkarte GOLD zum Studententarif: Keine Kreditkartengebühr im 1. Jahr, danach nur<br />
34,50 € pro Jahr. Die Kartengebühr wird jährlich im Voraus verrechnet. Das Angebot gilt<br />
für ordentliche Studenten an Universitäten, Akademien und Fachhochschulen ab dem<br />
vollendeten 18. Lebensjahr bis zum 27. Geburtstag. Angebot gültig bis auf Widerruf in allen<br />
teilnehmenden Raiffeisenbanken in Niederösterreich und Wien.<br />
Impressum: Raiffeisenbank Region St. Pölten eGen, Kremser Landstraße 18, 3100 St. Pölten, www.rbstp.at<br />
meinstudentenkonto.at<br />
47
„Ein historischer Beschluss“:<br />
Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28<br />
In der sich zuspitzenden Klimakrise gewinnt der Klimajournalismus zunehmend an Bedeutung.<br />
Bernhard Gaul vom „Kurier“, Journalist mit langer Erfahrung in diesem Bereich, bietet Einblicke<br />
in die Herausforderungen und Chancen des Fachgebiets Klima. Im Fokus dabei: die jüngste Klimakonferenz<br />
in Dubai, die trotz vieler kritischer Stimmen neue Maßstäbe in der internationalen<br />
Klimapolitik setzte.<br />
von MAXIMILIAN HANDL & RAPHAEL HUTFLESS<br />
Bernhard Gaul<br />
<strong>SUMO</strong>: Wie vermittelt man<br />
die Themen Klimawandel und<br />
Klimakrise in einer Zeit, in der<br />
Diskussionen darüber sehr polarisiert<br />
ablaufen? Und: Gibt’s<br />
hier Unterschiede in verschiedenen<br />
Generationen?<br />
Bernhard Gaul: Also ich will<br />
/ ©Kurier<br />
zuerst einmal aufräumen<br />
mit der Idee, dass ich einen<br />
tatsächlichen Einfluss habe<br />
und etwas ändern kann. Ich<br />
bin Berichterstatter, ich bin<br />
Journalist, ich bin Reporter. Man<br />
kann natürlich nicht entscheiden,<br />
wer das liest und wer das<br />
nicht liest. Mir ist auch klar, dass<br />
die gesamte Berichterstattung<br />
sehr kritisch gesehen wird. Es<br />
geht darum, die älteren Generationen<br />
auf die richtige Seite<br />
zu holen, auf die Seite des Bewusstseins<br />
vom Klimawandel.<br />
Das ist aber nicht meine Aufgabe<br />
als Journalist. Das ist vielleicht<br />
Aufgabe der Politik oder<br />
der politischen Parteien. Ich<br />
merke, dass sich nicht nur die<br />
ältere Generation, sondern auch<br />
meine Generation sehr gerne<br />
alle möglichen Ausflüchte sucht,<br />
wie: „Das ist ja gar nicht so wild.<br />
Das ist doch nur die Sonne“. Vom<br />
IPCC, dem Weltklimarat, gibt<br />
es mittlerweile den sechsten<br />
Sachbestandsbericht, welcher<br />
sich nur mit der Physik des Klimawandels<br />
beschäftigt. Ich bin<br />
nicht bereit zu diskutieren, ob es<br />
einen Klimawandel gibt und ob<br />
der menschengemacht ist. Das<br />
steht für mich felsenfest.<br />
Sogenannte Mainstream-Medien<br />
gelten für viele Menschen<br />
mittlerweile als Panikmacher<br />
in Sachen Klima. Wie stehen<br />
Sie zu dieser Kritik?<br />
Gaul: In dem Schlussdokument,<br />
welches bei der Klimakonferenz<br />
in Dubai beschlossen wurde,<br />
steht relativ klar drin, dass wir<br />
uns auf eine 2,9-Grad-Erwärmung<br />
zubewegen und das auch<br />
nur, wenn die sogenannten<br />
NDCs (Anm.: National Determined<br />
Contributions) also das, was<br />
die Staaten versprochen haben,<br />
umgesetzt wird. Gehen wir bis<br />
Ende des Jahrhunderts auf eine<br />
Drei-Grad-Welt zu, sieht das die<br />
Wissenschaft sehr klar: eine Katastrophe.<br />
Man kann natürlich<br />
sagen, das sei künstliche Hysterie,<br />
es sind aber wissenschaftliche<br />
Fakten.<br />
Wie hat sich Ihrer Meinung<br />
nach der Klimajournalismus im<br />
Laufe der Zeit verändert? Und:<br />
Hat die Klimakonferenz etwas<br />
daran geändert, wie berichtet<br />
wird?<br />
Gaul: Puh, da tue ich mir etwas<br />
schwer, das zu bewerten.<br />
Ich glaube aber schon, dass es<br />
ernster genommen wird. Ich<br />
denke, was in Paris 2015 beschlossen<br />
wurde, ist gesickert.<br />
Die Journalist:innen haben verstanden,<br />
dass die Staaten alles<br />
tun sollen, um die Erderwärmung<br />
deutlich unter zwei Grad<br />
zu begrenzen. Das ist zumindest<br />
angekommen. Außerdem ist es<br />
einfach ein Thema, oder? An<br />
dieser Stelle ein Shoutout an die<br />
Fridays for Future, denn wären<br />
2018 und 2019 die Klimaproteste<br />
der Jugend in Europa nicht<br />
so groß gewesen, dann hätte<br />
sich das nie so entwickelt.<br />
Klimajournalist:innen wird<br />
häufig vorgeworfen, alarmistisch<br />
zu berichten oder Panikmache<br />
zu betreiben. Wie gehen<br />
Sie persönlich mit solchen<br />
Vorwürfen um?<br />
Gaul: Ich mische mich immer<br />
wieder in die Kommentare unter<br />
den Onlineartikeln ein und versuche<br />
da ein bisschen was richtig<br />
zu stellen oder auch ein bisschen<br />
aufzuklären. Wenn jemand<br />
etwas partout nicht wahrhaben<br />
will, dann ist es jedoch nicht<br />
meine Aufgabe, den umzudrehen.<br />
Ich bin Berichterstatter. Ich<br />
zeige das, was passiert, aber<br />
ich bin kein Politiker und ich bin<br />
auch kein Aktivist. Und es ist<br />
ganz wichtig, dass ich das nicht<br />
bin. Es sind jedoch sehr wenige<br />
Menschen, die die Diskussion<br />
gekapert haben und laut schreien.<br />
Denken Sie, dass die Debatte<br />
um den Klimawandel versachlicht<br />
werden sollte oder sehen<br />
Sie die Emotionalisierung als<br />
etwas Positives?<br />
Gaul: Was polarisiert nicht mehr<br />
heutzutage? Das ist irgendwie<br />
Teil einer gesellschaftlichen<br />
Entwicklung, die wirklich fürch-<br />
48
terlich ist. Die Polarisierung<br />
beim Klimathema hat natürlich<br />
auch damit zu tun, dass für die<br />
Menschen Veränderung einfach<br />
mühsam ist.<br />
Wieso ist die Klima-Berichterstattung<br />
so schwierig?<br />
Gaul: Ein Grad, 1,5 Grad, zwei<br />
Grad, drei Grad, Vier-Grad-Welt.<br />
Keinem Menschen sagt das was.<br />
Das halte ich für ein Riesenproblem<br />
für uns Journalist:innen in<br />
der Kommunikation. Da hätte<br />
ich schon gesagt, dass die Klimajournalist:innen<br />
einen großen<br />
Auftrag haben. Wir brauchen ein<br />
besseres Narrativ für die Geschichte.<br />
Eine Zwei-Grad-Welt,<br />
das juckt niemanden, aber eine<br />
Welt, die wirklich nicht schön<br />
ausschaut, das vielleicht schon<br />
mehr.<br />
Kommen wir nun zur Weltklimakonferenz,<br />
welche Sie journalistisch<br />
begleiten konnten.<br />
Wie bewerten Sie die Ergebnisse<br />
der Klimakonferenz in<br />
Dubai 2023?<br />
Gaul: Historisch. Man muss hier<br />
grundsätzlich verstehen, dass<br />
die Europäische Union bereits<br />
für sich beschlossen hat,<br />
bis 2050 aus den fossilen<br />
Energieträgern auszusteigen.<br />
Jetzt hat es die ganze<br />
Welt beschlossen. Wir müssen<br />
eine Industrie, die 130<br />
Jahre lang aufgebaut wurde,<br />
in wenigen Jahrzehnten<br />
komplett umrüsten. Und das<br />
geht nicht, indem ich ein fossiles<br />
Kraftwerk abdrehe und<br />
einen Windturm hinstelle,<br />
wir müssen ganze Systeme<br />
umbauen.<br />
Wieso kam dieser bedeutungsvolle<br />
Beschluss gerade<br />
jetzt und haben Sie mit<br />
diesem Ergebnis gerechnet?<br />
Gaul: Nein. Das Grundproblem<br />
bei dieser Klimakonferenz<br />
in Dubai war, dass der<br />
Vorsitzende Sultan Al-Jaber CEO<br />
einer der größten Ölfirmen der<br />
Welt ist, der Abu Dhabi National<br />
Oil Corporation. Al-Jaber hat<br />
aber auch eine zweite Firma, in<br />
der er Vorstandsvorsitzender<br />
ist, die alternative Energien produziert,<br />
also Photovoltaik vor<br />
allem. In so einem Wüstenstaat<br />
ist ja relativ viel Sonnenenergie<br />
verfügbar. Und hier stellte sich<br />
immer die Frage, wie janusköpfig<br />
ist der Mann? Wenn er<br />
scheitert, dann geht er weinen<br />
auf seiner Motorjacht. Also ihm<br />
passiert nichts. Al-Jaber hat sich<br />
zwei Jahre auf diese Konferenz<br />
vorbereitet und auch im Vorfeld<br />
schon davon gesprochen,<br />
dass er ein historisches Ergebnis<br />
haben will. Er ist gut vernetzt,<br />
hat einen wissenschaftlichen-technischen<br />
Hintergrund<br />
und hat sich viele professionelle<br />
Verhandler aus der ganzen Welt<br />
geholt. Wie Al-Jaber letztlich<br />
alle Staaten an Bord geholt hat,<br />
weiß ich nicht. Das konnte mir<br />
nicht einmal die österreichische<br />
Delegation wirklich befriedigend<br />
beantworten. Was wir sagen<br />
können, ist, dass die Amerikaner:innen<br />
offenbar sehr gut mit<br />
den Chines:innen reden konnten<br />
und so auf einen gemeinsamen<br />
Nenner kamen.<br />
Kleinere Inselstaaten sind<br />
durch den steigenden Meeresspiegel<br />
viel stärker von der<br />
Klimaerwärmung betroffen.<br />
Weshalb haben diese nicht<br />
gegen den Kompromiss auf der<br />
Konferenz gestimmt?<br />
Gaul: Jetzt erzähle ich ein Gerücht,<br />
aber das ist meine einzige<br />
logische Erklärung für diese<br />
Geschichte. Warum haben<br />
die Inselstaaten mitgestimmt?<br />
Für die Inselstaaten ist der Beschluss<br />
in Dubai, so gut er auch<br />
war, natürlich noch immer nicht<br />
genug. Das geht sich nicht aus.<br />
1,5 Grad ist für diese Inselgruppen<br />
einfach das kritische Maß.<br />
Sie wussten aber ganz genau,<br />
einen härteren Text als den, der<br />
vorliegt, den kriegen sie nicht<br />
– und deshalb sind sie einfach<br />
zu spät in den Sitzungssaal gekommen.<br />
Wenn sie dagegen<br />
gestimmt hätten, wäre es zu<br />
gar keinem gemeinsamen Beschluss<br />
gekommen – und das<br />
wäre eine noch größere Katastrophe.<br />
© Adobe Stock<br />
,Ein historischer Beschluss‘: Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28<br />
49
WIR<br />
SIND<br />
PRINT-PRODUKTION<br />
Nikolai<br />
DANGL<br />
Anna-Maria<br />
GFRERER<br />
Christian<br />
KROBITZSCH<br />
BILD-PRODUKTION<br />
Alice<br />
APOLLONER<br />
Maximilian<br />
HANDL<br />
Raphael<br />
HUTFLESS<br />
Sabir<br />
ANSARI<br />
Julius<br />
NAGEL<br />
ONLINE-PRODUKTION<br />
Lena<br />
HASLINGER<br />
Victoria<br />
KNEIL<br />
50
SALES<br />
Sophia<br />
KOLLER<br />
Hannah<br />
KONRAD<br />
Nicole<br />
BOGACZ<br />
Julian<br />
DÜRNBERGER<br />
MARKETING<br />
Christina<br />
JAUSCHNEGG<br />
Luce<br />
FIDUCCIA<br />
Raphaela<br />
FABER<br />
Aurelia<br />
AEYCHOUH<br />
Rotag<br />
ELSEIDY<br />
DISTRIBUTION<br />
Hannah<br />
BALLWEIN<br />
Fatma<br />
CAYIRCI<br />
Marlene<br />
DÖLLER<br />
Nico<br />
BRANDSTETTER<br />
Nicole<br />
BOKUVKA<br />
Julian<br />
HOFER<br />
© Julius Nagel (24), Maximilian Handl (1)<br />
Wir sind <strong>SUMO</strong><br />
51
ST. PÖLTEN UNIVERSITY<br />
OF APPLIED SCIENCES<br />
Hier<br />
gestalten<br />
© Rauchecker Photography<br />
wir die<br />
Medienwelt<br />
von<br />
morgen.<br />
Jetzt informieren:<br />
fhstp.ac.at/dmdt<br />
Gesamtes<br />
Studienangebot:<br />
fhstp.ac.at/studium<br />
Deine Welt dreht sich um<br />
Medien und Digitale<br />
Technologien?<br />
Unsere Studiengänge dazu:<br />
Bachelor<br />
• Creative Computing<br />
• Medienmanagement<br />
• Medientechnik<br />
Master<br />
• Digital Design<br />
• Digital Healthcare<br />
• Digital Media Management<br />
• Digital Media Production<br />
• Interactive Techologies