36 HEIMATKLÄNGE BUDAPESTER PUPPENMUSEUM GRUSELIGER, GRÖSSER, GEILER! Es fühlt sich wie ein Comeback an, obwohl es strenggenommen keines ist. Corona hat auch bei den Gruselrockern seine Spuren hinterlassen, aber die konzertfreie Zeit wurde kreativ genutzt und jetzt sind sie wieder da, groß und in Farbe! <strong>Neue</strong> Platte, neues Video, neues Bandmitglied… Walter Sianos traf Bassist Rolf Spechtmeister und Drummer Ronald Danner zum Interview.
HEIMATKLÄNGE 37 Ihr seid 2016 aus dem Nichts in Augsburg auf- und schnell in die lokale Musikszene eingetaucht. Wieso habt ihr eurer Heimat Ungarn eigentlich den Rücken gekehrt? Hatte euch etwa Viktor Orbán im Visier? Rolf: Nein, das können wir komplett ausschließen. Aber zugegeben, Orban gehört definitiv nicht zu unserem Freundeskreis. Vielmehr hatten wir Lust, unsere Kreativität an einem neuen Ort auszuleben und deshalb haben wir Budapest den Rücken gekehrt. Wieso habt ihr euch ausgerechnet in Augsburg niedergelassen? Ronald: Augsburg ist eine der ältesten deutschen Städte und mit seiner Geschichte für uns durchaus eine kulturelle Metropole, die auf dem internationalen Parkett mehr Beachtung verdient. Rolf: Wir werden oft darauf angesprochen, aber es gibt da tatsächlich keinen Zusammenhang. Das resultiert mehr aus einer Art Selbstkonfrontation, denn viele Bandmitglieder haben eine gesunde Ehrfurcht vor Puppen. Das geht mir ähnlich, wenn ich an Figuren wie Chucky denke. Ihr habt ja auch so ein Maskottchen… Rolf: Ja Rudi, aber der ist völlig harmlos. Wer ist denn das lacklederne Geschöpf, dass euch bei den Konzerten oft ansagt? Ist ja auch irgendwie spooky ... Rolf: Das ist Chrissie Seams, mit der uns von Beginn an eine tiefe und künstlerische Freundschaft verbindet. Chrissie gehört zum Umfeld unserer Band und ist häufig dabei. Ihr habt Augsburg schnell das Fürchten gelehrt, es folgten umjubelte Konzerte sozusagen aus dem Nichts wie etwa bei Sommer am Kiez, in der Ballonfabrik oder bei den Kegelbahnkonzerten im Provino. Wie habt ihr es geschafft, die Stadt so schnell um den Finger zu wickeln? Rolf: Weil wir anders ticken. Wir heben uns optisch und musikalisch doch von vielen Bands ab. Auch wenn unsere Fotos etwas gruselig rüberkommen, versuchen wir trotzdem immer, der Sache mit Humor zu begegnen. Welche Band hat schon eine Krankenschwester neben einem Hippiebassisten auf der Bühne stehen? Drummer Ronald Danner mag zwar korrekt aussehen, ihn umgibt aber ein rätselhaftes Geheimnis, noch mysteriöser wird es bei unserem neuen Sänger Harald Kranz werden. Euch umgibt tatsächlich ein mystischer Schleier. Grusel, Horror… habt ihr ein Faible, Leute zu erschrecken? Rolf: Wir betrachten diese Gruselthematik als elementares popkulturelles Phänomen, schon in den vergangenen Jahrhunderten bestand Entertainment beispielsweise auf Jahrmärkten oft aus diesen Elementen. Uns geht es nicht darum, dem Publikum Angst einzujagen, in erster Linie wollen wir auffallen. Sind eure Vorbilder Figuren wie Alice Cooper, Dr. Frank N. Furter oder Kiss? Rolf: Absolut! Uns verbindet mit diesen Künstlern, dass sie wie wir mit den 70er und 80er Jahren eng verknüpft sind und auch das Visuelle eine tragende Rolle spielt. Was generell bei euren Konzerten auffällt, das Publikum ist total gemischt. Ronald: Genau das ist auch unser Kalkül, bei uns stehen Hardrocker, Punks, Hip Hopper, Junge und Alte in einer Reihe. Unser Puppenmuseum hat eben für jeden etwas zu bieten. Eure erste Platte „The Fate of Ronald Danner“ ist glitschig wie eine Seife, man kriegt sie nur schwer zu fassen. Ihr wandelt dabei durch alle möglichen musikalischen Genres, ob Hard-Rock, Metal oder Psychedelic, aber ihr präsentiert auch poppige, folkige oder gar countryeske Stücke. Ronald: Richtig, das ist es, was uns an dieser Geschichte enorme Freude bereitet. Das Schöne ist, dass wir absolute Narrenfreiheit genießen und im Prinzip tun und lassen können, was uns gefällt. Es gibt Leute bei uns, die sehr auf Metal stehen, andere wissen einen guten Schlager zu schätzen, das Resultat aus diesen Vorlieben ist das BPM. Ist euer Bandname eine Hommage an die Augsburger Puppenkiste? Illusion? “ Realität? Bei uns gibt es keine Grenzen oder Zäune! Wer ist denn bei euch in der Band so der Bitch Magnet? Ronald: Klarer Favorit ist da unsere Krankenschwester Jolanda, sie kommt bei allen Geschlechtern extrem gut an, was wohl auch daran liegt, dass sie die mystischste Figur der Band ist. Das Problem bei Jolanda ist nur, dass sie niemals spricht. 2019 habt ihr überraschend das Zeitlliche gesegnet. Was war der Grund? Ronald: Du täuschst dich, wir waren nie weg. Wie viele andere Bands und Künstler waren auch wir Opfer der Pandemie. Aber es war für uns eine gute Gelegenheit, auch mal in anderen Bereichen aktiv zu werden. Während Corona musste man mit so vielen Einschränkungen und Kompromissen leben, es war schwer genug, sich selber zurechtzufinden. Trotz allem haben wir die Band nie aus den Augen gelassen und die Zeit genutzt, um neue Stücke zu schreiben und zu produzieren. Dennoch fühlt es sich wie eine Rückkehr an. Nachdem ihr in den sozialen Medien ein neues Album und neue Shows angekündigt habt, war die Reaktion sehr positiv. Rolf: Das stimmt, das hat uns natürlich unheimlich gefreut. Wir lieben es, aus dem Nichts aufzutauchen, Überraschungen zu präsentieren und haben uns auch einiges ausgedacht. Ezra Almunkat, der bereits bei der letzten Show als Vertretung an den Drums saß, wird unser neuer Keyboarder, was gleichzeitig bedeutet, dass Harald Kranz sich voll auf seinen Part als Frontman konzentrieren kann. Steht der Masterplan für <strong>2023</strong> schon? Ronald: Allerdings. Was wir dir schon mal vorab exklusiv stecken können: Als erstes wird im Herbst ein brandneues Video erscheinen, dass wir zusammen mit Marcel Cornelius produzieren. Unser neues Album erscheint dann am 13. Dezember, am selben Tag wird es auch ein große Release-Show im Spectrum Club geben. „Gruseliger, größer, geiler“ ist euer neues Motto. Ist Understatement etwas für Loser? Rolf: Unsere Musik liegt in keinem Trend, sie wird nie wirklich in sein, was aber auch gleichzeitig bedeutet, dass sie nie out sein wird. Und das sehen wir als großen Vorteil. Aber wir lieben es, immer mal etwas <strong>Neue</strong>s zu präsentieren und legen deshalb jetzt eine Schippe drauf, gerade was die Bombastik betrifft. Wir haben hohe Ziele und arbeiten derzeit hart und konzentriert daran, aber wenn man das, was man macht, auch liebt, dann kommt meistens auch etwas Gutes dabei heraus. Was ist bei euch Illusion, was Realität? Ronald: Das ist eine sehr gute Frage, die wir hier einfach unbeantwortet in den Raum stellen wollen … Bei uns gibt es keine Grenzen oder Zäune. (ws)