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FINE - Das Weinmagazin - 62. Ausgabe - 03/2023

Hauptthema: RHEINHESSEN Der Großmeister Klaus Peter Keller im Interview Weitere Themen dieser Ausgabe EDITORIAL Riesling ist viel, aber nicht alles CHARTA Die FINE-Weinbewertung RHEINGAU Bericht von unserem önologischen G20-Gipfel TASTING G20-Gipfel: Kloster Eberbach seit 1893 TASTING URSUS FINE RIESLING LIST 2021 NAPA VALLEY Joseph Phelps: Der Exzellenz-Initiator NAPA VALLEY Maya Dalla Valle: Zur Winzerin geboren SONOMA Schug Carneros Estate: Missionar aus dem Rheingau WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst im Sankt Galler Einstein Gourmet MARKENGESPRÄCH Summe der Gastrokritik: Das Hornstein-Ranking GENIESSEN Die Waadtländer Gruyère-Variante L’Etivaz CHAMPAGNE Veuve Clicquot vom Meeresgrund TASTING Der Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé DIE PIGOTT-KOLUMNE Burgund: Kleinste Mengen, höchste Preise SIZILIEN Weine vom Ätna: Tanz am Vulkan RUMÄNIEN Die Anbauregion Dealu Mare am Rand der Karpaten WEIN & ZEIT Südmähren: Wein und Krieg in Europas Mitte DAS GROSSE DUTZEND Alle Neune in Tramin RHEINGAU Gunter Künstler: Meister aller Klassen ABGANG Ganz oben

Hauptthema: RHEINHESSEN Der Großmeister Klaus Peter Keller im Interview
Weitere Themen dieser Ausgabe
EDITORIAL Riesling ist viel, aber nicht alles
CHARTA Die FINE-Weinbewertung
RHEINGAU Bericht von unserem önologischen G20-Gipfel
TASTING G20-Gipfel: Kloster Eberbach seit 1893
TASTING URSUS FINE RIESLING LIST 2021
NAPA VALLEY Joseph Phelps: Der Exzellenz-Initiator
NAPA VALLEY Maya Dalla Valle: Zur Winzerin geboren
SONOMA Schug Carneros Estate: Missionar aus dem Rheingau
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst im Sankt Galler Einstein Gourmet
MARKENGESPRÄCH Summe der Gastrokritik: Das Hornstein-Ranking
GENIESSEN Die Waadtländer Gruyère-Variante L’Etivaz
CHAMPAGNE Veuve Clicquot vom Meeresgrund
TASTING Der Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé
DIE PIGOTT-KOLUMNE Burgund: Kleinste Mengen, höchste Preise
SIZILIEN Weine vom Ätna: Tanz am Vulkan
RUMÄNIEN Die Anbauregion Dealu Mare am Rand der Karpaten
WEIN & ZEIT Südmähren: Wein und Krieg in Europas Mitte
DAS GROSSE DUTZEND Alle Neune in Tramin
RHEINGAU Gunter Künstler: Meister aller Klassen
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3| <strong>2023</strong> Deutschland € 20 Österreich € 21,00 Italien € 24,50 Schweiz CHF 35,00 Benelux € 22,90<br />

4 197772 520006 <strong>03</strong><br />

G-Max<br />

Riesling<br />

KLAUS PETER KELLER<br />

WELTSPITZE AUS RHEINHESSEN<br />

Kalifornien Sizilien Große Riesling-Proben Rumänien Rheingau<br />

Die Güter Joseph Phelps, Weine vom Ätna: URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST 2021 Die Rückkehr der Der vielseitige<br />

Schug und Dalla Valle Tanz am Vulkan und Kloster Eberbach seit 1893 Mädchentraube Gunter Künstler


<strong>FINE</strong><br />

JOSEPH PHELPS VINEYARDS 54<br />

WEINGUT DALLA VALLE 60<br />

SCHUG CARNEROS ESTATE 68<br />

HORNSTEIN-RANKING 80<br />

CHAMPAGNER<br />

AUS DEM MEER 88<br />

COMTE GEORGES DE VOGÜÉ 94<br />

WEINE VOM ÄTNA 104 DEALU MARE IN RUMÄNIEN 112<br />

GUNTER KÜNSTLER 134<br />

6 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> INHALT


DAS WEINMAGAZIN 3|<strong>2023</strong><br />

G20-VERKOSTUNG 32<br />

KLAUS PETER KELLERS G-MAX 12<br />

9 <strong>FINE</strong> EDITORIAL _________________ Riesling ist viel, aber nicht alles<br />

11 <strong>FINE</strong> CHARTA ____________________ Die <strong>FINE</strong>-Weinbewertung<br />

12 <strong>FINE</strong> RHEINHESSEN _____________ Der Großmeister Klaus Peter Keller im Interview<br />

24 <strong>FINE</strong> RHEINGAU _________________ Bericht von unserem önologischen G20-Gipfel<br />

32 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ G20-Gipfel: Kloster Eberbach seit 1893<br />

40 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST 2021<br />

54 <strong>FINE</strong> NAPA VALLEY ______________ Joseph Phelps: Der Exzellenz-Initiator<br />

60 <strong>FINE</strong> NAPA VALLEY ______________ Maya Dalla Valle: Zur Winzerin geboren<br />

68 <strong>FINE</strong> SONOMA ___________________ Schug Carneros Estate: Missionar aus dem Rheingau<br />

URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST 2021 40<br />

74 <strong>FINE</strong> WEIN & SPEISEN ___________ Jürgen Dollase isst im Sankt Galler Einstein Gourmet<br />

80 <strong>FINE</strong> MARKENGESPRÄCH _______ Summe der Gastrokritik: <strong>Das</strong> Hornstein-Ranking<br />

86 <strong>FINE</strong> GENIESSEN ________________ Die Waadtländer Gruyère-Variante L’Etivaz<br />

88 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE _______________ Veuve Clicquot vom Meeresgrund<br />

94 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ Der Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé<br />

100 <strong>FINE</strong> DIE PIGOTT-KOLUMNE _____ Burgund: Kleinste Mengen, höchste Preise<br />

104 <strong>FINE</strong> SIZILIEN ____________________ Weine vom Ätna: Tanz am Vulkan<br />

112 <strong>FINE</strong> RUMÄNIEN _________________ Die Anbauregion Dealu Mare am Rand der Karpaten<br />

124 <strong>FINE</strong> WEIN & ZEIT ________________ Südmähren: Wein und Krieg in Europas Mitte<br />

130 <strong>FINE</strong> DAS GROSSE DUTZEND ___ Alle Neune in Tramin<br />

DAS GROSSE DUTZEND: TRAMIN 130<br />

134 <strong>FINE</strong> RHEINGAU _________________ Gunter Künstler: Meister aller Klassen<br />

146 <strong>FINE</strong> ABGANG ___________________ Ganz oben<br />

INHALT<br />

<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 7


LIEBE LESERINNEN,<br />

LIEBE LESER,<br />

was tut ein Winzer, dem ein Wein so gut gelingt, dass er ihn für die eigene Familie bewahren<br />

möchte? Er macht ihn so teuer, dass er glaubt, nun werde ihn niemand kaufen. Und wenn die<br />

Leute ihn trotzdem haben wollen? Dann limitiert er die Abgabe und bietet den Liebling nur<br />

noch in einer Kiste mit anderen Spitzenweinen seines Guts an. So hält es Klaus Peter Keller mit<br />

dem G-Max und hat doch den Aufstieg dieses 2001 erstmals gekelterten Rieslings zur global<br />

begehrten Legende nicht verhindern können.<br />

Im großen <strong>FINE</strong>-Interview erweist sich Keller als international vernetzter Perfektionist und<br />

fest geerdeter Rheinhesse in einer Person. Dazu gehört ein realistischer Blick auf die Chan cen und<br />

Gefahren des Klimawandels (der die Trauben in Kellers Heimatregion überhaupt erst zuverlässig<br />

ausreifen lässt) wie auch auf die Grenzen eines Familienbetriebs: Mit mehr als rund 20 Hektar,<br />

das sieht er ein, ließe sich sein Qualitätsanspruch nicht verwirklichen, und seine kongeniale<br />

Frau Julia passt darum auf, dass für jede neu gekaufte Parzelle anderswo Grund abgegeben<br />

wird. Bei einem Anruf auf dem Gut der Kellers in Flörsheim-Dalsheim hat man leicht mal den<br />

Chef persönlich am Apparat. »Wer«, fragt der bodenständige Weltstar angesichts überraschter<br />

Kunden, »soll denn sonst ans Telefon gehen?«<br />

Der zweite deutsche Spitzenwinzer, den wir in dieser <strong>Ausgabe</strong> porträtieren, hat – wie auch<br />

Klaus Peter Keller – vorzügliche Spätburgunder im breit gefächerten Programm, dazu Grünen<br />

Veltliner, Chardonnay, Sauvignon Blanc und sogar Alvarinho. Doch im Mittelpunkt stehen bei<br />

Gunter Künstler ebenfalls die herausragenden Rieslinge. <strong>Das</strong>s er Rheingauer ist, hat sich übrigens<br />

aus jenen historischen Umbrüchen ergeben, denen sich Daniel Deckers diesmal in Wein & Zeit<br />

widmet: Künstlers Vater Franz war in eine Winzerfamilie in Unter-Tannowitz hineingeboren<br />

und nach dem Zweiten Weltkrieg aus Südmähren vertrieben worden.<br />

Unserer wichtigsten heimischen Rebsorte widmen wir diesmal zudem zwei imposante Verkostungen,<br />

von denen die eine in die Breite, die andere hingegen in die Tiefe der Zeit geht. Bei<br />

der URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST traten 100 der besten deutschen Beispiele für den Jahrgang<br />

2021 gegeneinander an, während bei unserem sogenannten G20-Gipfel europäische Spitzenwinzer<br />

Rieslinge aus dem Keller von Kloster Eberbach zu kosten bekamen, die bis ins Jahr 1893<br />

zurückreichten und nicht bloß noch trinkbar, sondern vielfach schlicht bewundernswert waren.<br />

Ehe Sie jetzt auf dem Umschlag nachschauen, ob dort diesmal etwa »<strong>FINE</strong> – <strong>Das</strong> Rieslingmaga<br />

zin« steht, blättern Sie lieber zu den roten Glanzstücken und Raritäten, die wir Ihnen<br />

in dieser <strong>Ausgabe</strong> ebenfalls vorstellen. Zu denen gehören acht Jahrgänge des burgundischen<br />

Grand Cru Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé ebenso wie die ausdrucksstarken<br />

Nerello Mascalese, deretwegen am Ätna eine wahre Goldgräberstimmung ausgebrochen ist,<br />

oder die nicht minder interessante Rebsorte Fetească Neagră vom rumänischen Südrand der<br />

Karpaten. Rot sind natürlich auch die Prunkstücke der drei Weingüter, über die Rainer Schäfer<br />

von seiner USA-Reise berichtet: die ikonische Burgunder-Cuvée Insignia von Joseph Phelps,<br />

der Cabernet Maya von Dalla Valle Vineyards, der schon 1992 Robert Parker 100 Punkte wert<br />

war, und die Spätburgunder, für die Walter Schug in Kalifornien anfangs belächelt und dann<br />

bewundert wurde. Allerdings – raten Sie mal, welche Rebsorte die Nachfahren des gebürtigen<br />

Rheingauers vielleicht demnächst pflanzen wollen …<br />

Ihre Chefredaktion<br />

EDITORIAL<br />

<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 9


<strong>FINE</strong>AUTOREN<br />

KRISTINE BÄDER Als Winzertochter aus Rheinhessen freut sie sich über die positive Entwicklung ihrer<br />

Heimatregion, wo sie ein eigenes kleines Wein projekt pflegt. Eine besondere Beziehung hat die stu dierte Germanistin<br />

und ehemalige Chefredakteurin des <strong>FINE</strong> <strong>Weinmagazin</strong>s zu den Weinen aus Portugal.<br />

DANIEL DECKERS Die Lage des deutschen Weins ist sein Thema – wenn er nicht gerade als Politikredakteur<br />

der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« über Gott und die Welt zur Feder greift. An der Hochschule Geisenheim<br />

lehrt Daniel Deckers Geschichte des Weinbaus und -handels. In seinem Buch »Wein. Geschichte und Genuss«<br />

beleuchtet er durch mehr als 3000 Jahre die Rolle dieses unschätzbaren Kulturguts als Spiegel der Zeitläufte.<br />

JÜRGEN DOLLASE hat sich schon als Rock musiker und Maler verdingt; als Kritiker der kulinarischen Landschaft<br />

ist er heute eine feste Instanz. Viel beachtet sind seine Bücher über die Kunst des Speisens: Bei Tre Torri<br />

erschien zuletzt seine »Geschmacksschule«; das visionäre Kochbuch »Pur, präzise, sinnlich« widmet sich der<br />

Zukunft des Essens.<br />

URSULA HEINZELMANN Die Gastronomin und gelernte Sommelière schreibt für die »Frankfurter Allgemeine<br />

Sonntagszeitung«, die Magazine »Efflee« und »Slow Food« sowie Bücher übers Essen und Trinken.<br />

Ihr Buch »China – Die Küche des Herrn Wu« (erschienen bei Tre Torri) liefert tiefe Einblicke in die vielfältige<br />

Kochkunst der Chinesen.<br />

UWE KAUSS In Weinkellern kennt er sich aus: Der Autor und Journalist schreibt seit 20 Jahren über Wein,<br />

etwa für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«, das <strong>Weinmagazin</strong> »Enos«, »wein.pur«, das »Genuss-<br />

Magazin« in Wien sowie das Internetportal wein.plus. Daneben hat er 16 Sach- und Kindersachbücher, einen<br />

Roman und zwei Theaterstücke publiziert.<br />

PAUL KERN Im Campingurlaub mit dem Sohn ei nes Weinjournalisten probierte Paul Kern Große Gewächse<br />

aus dem Emaillebecher. Es folgten ein Weingutspraktikum in Südafrika, eine Kochausbildung in ei nem Zweisternerestaurant<br />

und ein Studium der Weinwirtschaft in Geisenheim. Nun schreibt er über Wein und Gastronomie<br />

für diverse Magazine und Führer.<br />

STEFAN PEGATZKY Der promovierte Germanist kam 1999 nach Berlin und erlebte hautnah, wie sich<br />

die Metropole von einer Bier- zur Weinstadt wandelte. Er schreibt regelmäßig über Wein und Genuss, steuerte<br />

zur Tre-Torri-Reihe »Beef!« den Band »Raw. Meisterstücke für Männer« bei und bereicherte die »Gourmet<br />

Edition – Kochlegenden« um Titel zu Hans Haas, Harald Wohlfahrt und Marc Haeberlin.<br />

STUART PIGOTT Seit der 1960 in London geborene studierte Kunsthistoriker und Maler im Wein – dem deutschen<br />

zumal – sein Lebensthema fand, hat er sich mit seiner unkonventionellen Betrachtungsweise in den Rang<br />

der weltweit geachteten Autoren und Kritiker geschrieben. Sein Buch »Planet Riesling« erschien bei Tre Torri.<br />

RAINER SCHÄFER wuchs in Oberschwaben auf und lebt seit mehr als 20 Jahren in Hamburg, wo er über<br />

die Dinge schreibt, die er am meisten liebt: Wein, gutes Essen und Fußball, stets neugierig auf schillernde Persönlichkeiten,<br />

überraschende Erlebnisse und unbekannte Genüsse.<br />

CHRISTIAN VOLBRACHT Der Journalist, Autor und Antiquar schreibt über Wein und Gastronomie, seit<br />

er für die Deutsche Presse-Agentur in Paris gearbeitet hat. Seine besondere Leidenschaft gehört neben Wein<br />

und gutem Kochen den Pilzen und Trüffeln. Er ist Sammler und Inhaber des Buchantiquariats MykoLibri, als<br />

Buchautor ergründete er das Thema »Die Trüffel, Fake & Facts« (erschienen bei Tre Torri).<br />

VERLEGER UND HERAUSGEBER<br />

Ralf Frenzel<br />

r.frenzel@fine-magazines.de<br />

CHEFREDAKTION<br />

info@fine-magazines.de<br />

ART DIRECTOR<br />

Guido Bittner<br />

TEXTREDAKTION<br />

Boris Hohmeyer,<br />

Katharina Harde-Tinnefeld<br />

AUTOREN DIESER AUSGABE<br />

Kristine Bäder, Daniel Deckers,<br />

Jürgen Dollase, Ursula Heinzelmann,<br />

Uwe Kauss, Paul Kern, Stefan Pegatzky,<br />

Stuart Pigott, Rainer Schäfer,<br />

Christian Volbracht<br />

FOTOGRAFEN<br />

Guido Bittner, Rui Camilo, Johannes<br />

Grau, Christof Herdt, Arne Landwehr<br />

GRÜNDUNGSCHEFREDAKTEUR<br />

Thomas Schröder (2008–2020)<br />

VERLAG<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

Sonnenberger Straße 43<br />

65191 Wiesbaden<br />

www.tretorri.de<br />

Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />

ANZEIGEN<br />

Bora Erdem<br />

Telefon: +49 611-57 99.0<br />

b.erdem@fine-magazines.de<br />

ABONNEMENT<br />

<strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> erscheint<br />

vierteljährlich zum Einzelheft-Preis<br />

von € 20,– (D), € 21,– (A), € 24,50 (I)<br />

CHF 35,– (CH), € 22,90 (Benelux).<br />

Auskunft und Bestellungen<br />

unter Telefon +49 611-57 99.0<br />

oder per E-Mail an abo@tretorri.de<br />

DRUCK<br />

X-PRESS Grafik & Druck GmbH, Berlin<br />

VERTRIEB<br />

IPS Pressevertrieb GmbH<br />

www.ips-d.de<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Der<br />

Verlag haftet nicht für unverlangt eingereichte<br />

Manuskripte, Dateien, Datenträger und Bilder.<br />

Alle in diesem Magazin veröffentlichten Artikel<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

10 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> IMPRESSUM


DIE <strong>FINE</strong>-<br />

VERKOSTUNGEN<br />

Referenztabelle des 100-Punkte-Systems von <strong>FINE</strong> zum britischen 20-Punkte-System<br />

50 60 70 80 85 90 96 100<br />

0 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />

<strong>Das</strong> <strong>FINE</strong>-Verfahren<br />

• Wir glauben, dass der Geschmack zwar subjektiv ist, dass wir als<br />

erfahrene Verkoster und in kontrollierten Umgebungen aber dennoch<br />

gut begründete und klar formulierte Urteile über Wein geben können.<br />

• Als aufgeklärte Connaisseurs wissen wir, dass Punktebewertungen<br />

nicht objektiv sind, also keine reale »Substanz« im Wein bezeichnen.<br />

Sie sind aber auch nicht völlig subjektiv. In der <strong>FINE</strong> sind sie immer<br />

Ausdruck einer Wechselbeziehung von Wein und Verkoster. Deshalb<br />

veröffentlichen wir immer den Namen des jeweiligen Verkosters. Als<br />

neuer Leser werden Sie nach ein paar Heften die jeweiligen Unterschiede<br />

und Vorlieben unseres Teams einzuschätzen wissen.<br />

• <strong>FINE</strong> ist keine akademische Publikation, sondern will Freude am<br />

Weingenuss vermitteln. Deshalb fließen auch emotionale Elemente<br />

und stilistische Vorlieben mit ein, zudem schätzen wir den gelungenen<br />

sprachlichen Ausdruck. Besonders erkennen wir Weine an, die versuchen,<br />

ihren Ursprung zum Ausdruck zu bringen, und naturnah<br />

oder gar biologisch erzeugt werden. Weltanschauliche Scheuklappen<br />

sind uns allerdings fremd. Auch deswegen verkosten wir, wenn die<br />

Situation es erlaubt, vorzugsweise blind.<br />

• Unsere Bewertungen sind nicht absolut, sondern spiegeln den Kontext<br />

einer jeden Verkostungssituation wider. Wenn wir in einer Vertikale<br />

von Château Petrus einen kleinen Jahrgang mit 92 Punkten und in einer<br />

anderen Situation einen Merlot aus der Maremma mit der gleichen<br />

Punktzahl bewerten, dann heißt das nicht, dass diese Werte gleichwertig<br />

sind. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass Scoring<br />

und schriftlicher Kommentar nur gemeinsam ein Ganzes bilden.<br />

• Um die subjektive Sicht eines Einzeltesters zu ergänzen, bemühen wir<br />

uns, wenn es irgend geht, um das Urteil eines Verkostungspanels. Bei<br />

diesem Urteil wird bei jedem Wein die jeweils höchste und niedrigste<br />

Note gestrichen und ein Durchschnittswert gebildet. Dieses Urteil<br />

wird als Vergleichsergebnis des <strong>FINE</strong>-Panels (FP) notiert.<br />

• Wir erkennen an, dass sowohl der Wein als auch der Verkoster<br />

»lebendig« sind. Weine können von Flasche zu Flasche und von<br />

Wo che zu Woche variieren. Verkoster haben unterschiedliche Tagesformen,<br />

Stärken oder Schwächen. Immer geht es uns um den Augenblick<br />

des Verkostens; Einschätzungen zum Potenzial fließen lediglich<br />

in den Begleittext ein, nicht in die Bewertung selbst.<br />

• Auch in <strong>FINE</strong> werden Sie wenige Weine mit einem niedrigen Scoring<br />

finden. <strong>Das</strong> hat nichts mit der Nivellierung von Grundsätzen zu tun,<br />

sondern weil wir um Ihre kostbare Zeit wissen und der Auffassung<br />

sind, dass jeder Wein, der in <strong>FINE</strong> vorgestellt wird, es auch wert sein<br />

muss. <strong>Das</strong> kann bei einem hinreißenden Müller-Thurgau aus Baden<br />

ebenso der Fall sein wie bei einem Amphorenwein aus Georgien.<br />

<strong>Das</strong> <strong>FINE</strong>-Punktesystem<br />

Mit Ausnahme von sehr alten Schatzkammerweinen, deren Zustand von<br />

Flasche zu Flasche variieren kann, werden alle von <strong>FINE</strong> verkosteten<br />

Weine nach Punkten bewertet. Diese Bewertung folgt der 100-Punkte-<br />

Skala. Ziel ist es, dem Leser ein tieferes Verständnis von der Qualität<br />

der durch <strong>FINE</strong> evaluierten Weine zu vermitteln sowie die Trinkbarkeit<br />

der Weine zu bewerten.<br />

Maßgeblich für die Punktezahl ist unser Eindruck vom Wein am<br />

Tag der Verkostung. <strong>FINE</strong> vergibt keine zusätzlichen Punkte für das<br />

zukünftige Potenzial des Weins. Eine Anmerkung darüber wird in den<br />

Verkostungsnotizen abgegeben. Wein wird blind, halb blind und offen<br />

verkostet. Die entsprechende Methode findet sich in den Anmerkungen<br />

zur Verkostung.<br />

Wir konzentrieren uns auf die Beschreibung des Charakters und<br />

der Essenz des Weins: Säure, Frucht, Tannin, Struktur, Tiefe und Länge.<br />

Neben der Komplexität ist vor allem die Balance das entscheidende<br />

Kriterium für seine Qualität.<br />

Aufschlüsselung unserer Punkte<br />

100 Punkte Vollkommenheit. Ein perfekter Wein, der alle Sinne<br />

erfüllt, vollendet in allen Aspekten der Qualität – ein<br />

unschätzbares Geschenk der Natur.<br />

99–97 Punkte Ein beinahe perfektes Erlebnis. Der Wein und seine<br />

Geschichte sind einzigartig: unvergesslich makellose<br />

Harmonie, Komplexität und außergewöhnliche<br />

Persönlichkeit.<br />

96–94 Punkte Ein überragender Wein von höchstem Qualitätsanspruch<br />

und herausragender Ausgewogenheit.<br />

93–91 Punkte Ein exzellenter Wein, der einen verfeinerten Stil, eine<br />

ausgewogene Struktur und eine nuancierte Finesse<br />

aufweist.<br />

90–88 Punkte Ein guter Wein, nahezu exzellent. Harmonisch, lässt<br />

allerdings die Komplexität und den Charakter eines<br />

exzellenten Weines vermissen.<br />

87–80 Punkte Durchschnittlicher Wein mit weniger Charakter, Intensität,<br />

Struktur und Eleganz.<br />

79–70 Punkte Ein bescheidener und einfacher Wein, dem Leben<br />

und Harmonie fehlen.<br />

69–50 Punkte Ein beinahe untrinkbarer, leerer Wein.<br />

CHARTA<br />

<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 11


24 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> RHEINGAU


DIE FLÜSSIGE<br />

ZEITMASCHINE<br />

BEIM ÖNOLOGISCHEN G20-GIPFEL AUF KLOSTER EBERBACH<br />

KONNTEN EUROPÄISCHE SPITZENWINZER DIE KLASSE AUSGEWÄHLTER<br />

RHEINGAUER RIESLINGE BEWUNDERN – BIS ZURÜCK INS JAHR 1893<br />

Von STUART PIGOTT<br />

Fotos ARNE LANDWEHR<br />

RHEINGAU <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 25


Der vorletzte Wein im sechsten Flight unserer Blindverkostung ist ein barockes Wesen mit tiefer<br />

Struktur und Noten von kandierten Orangenscheiben sowie getrockneten Aprikosen, passend<br />

zum barocken Refektorium von Kloster Eberbach, in dem wir sitzen. Die Flaschenreife ist klar<br />

erkennbar, aber der Wein hat nach wie vor viel Leben und ist bei Weitem noch nicht am Ende.<br />

Die Spannung wächst, bis <strong>FINE</strong>-Herausgeber Ralf Frenzel das Geheimnis lüftet: »… und der<br />

vorletzte Wein ist der 15er … der 1915er Erbacher Marcobrunn Riesling!«<br />

Spontaner Applaus von allen Anwesenden – Ralf Frenzel<br />

nennt sie »die G20 des Weins«. So sind aus Bordeaux<br />

Bruno-Eugène Borie von Château Ducru-Beaucaillou<br />

in Saint-Julien, Olivier Bernard von der Domaine de Chevalier<br />

in Pessac-Léognan und Stephanie de Boüard-Rivoal von Château<br />

Angélus in Saint-Émilion gekommen, Jean-Luc Pépin<br />

von der burgundischen Domaine Georges Comte de Vogüé<br />

in Chambolle-Musigny ist dabei, Peter Sisseck von Pingus in<br />

Ribera del Duero sowie Renzo Cotarella, der Chefönologe der<br />

Antinori-Gruppe in der Toskana.<br />

Um zu verstehen, warum Ralf Frenzel diese außerordentlichen<br />

Verkostungen vom 1. und 2. Juni auf Kloster Eberbach unter<br />

dem Titel G20 veranstaltet hat, muss man den Blick um ein<br />

Vierteljahrhundert zurück auf zwei geschichtsträchtige Treffen<br />

in Berlin werfen. Dort fand im Dezember 1999 die Gründung der<br />

G20 als Zusammenschluss der wichtigsten Industrieländer und<br />

sogenannten Schwellenländer<br />

statt. Damit akzeptierten die<br />

Mitgliedsnationen, dass die<br />

großen Probleme der Welt nur<br />

gemeinschaftlich zu bewältigen<br />

seien. Knapp drei Jahre<br />

später, im September 2002,<br />

stellte ebenfalls in Berlin der<br />

Verband Deutscher Prädikatsweingüter<br />

erstmals offziell<br />

seine Großen Gewächse (GG)<br />

vor. Von da an ließ sich nicht<br />

mehr grundsätzlich infrage<br />

stel len, was vorher noch kontrovers diskutiert worden war:<br />

Im 21. Jahrhundert würden hochwertige trockene Lagenweine<br />

das Kernthema der hiesigen Weinbranche bilden. Trotz allen<br />

Unterschie den sind die Parallelen zwischen diesen beiden Ereignissen<br />

frappant. Beide markierten jeweils in ihrem Bereich<br />

einen prägenden Wendepunkt und waren für die Folgezeit<br />

richtungsweisend.<br />

Wenn wir den Fokus auf die Entwicklung der Großen Ge -<br />

wächse seitdem richten, sehen wir nicht nur einen ziemlich<br />

stetigen wirtschaftlichen Aufwärtstrend, sondern die Bildung<br />

einer Gesellschaft von internationalen Sommeliers, Journalisten,<br />

Händlern und Weinsammlern, die sich immer wieder auf den<br />

einschlägigen Veranstaltungen treffen. Sie wirken als das, was<br />

der Philosoph Elias Canetti einen »Massenkristall« genannt hat,<br />

als Kristallisationspunkt für weitaus größere soziale Phänomene<br />

wie den Verkaufserfolg der Großen Gewächse in Handel und<br />

26 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> RHEINGAU


Gastronomie sowie die gesellschaftliche Akzeptanz der Weine.<br />

All dies wurzelt in der jährlichen Suche dieser Insider nach<br />

Wer tigkeit und Wahrheit in den neuen Weinen, die auf den<br />

GG-Prä sentationen ausgeschenkt werden.<br />

Trotz der steigenden Aufmerksamkeit für die Spät burgunder-Rotweine<br />

und trotz der Fangemeinde der Weißburgunder-<br />

und Grauburgunder-GG geht es nach wie vor<br />

hauptsächlich um Riesling. Die Gründe dafür sind komplex<br />

und reichen weit über die statistisch klare Vorherrschaft dieser<br />

Rebsorte hinaus, welche in knapp einem Viertel der deutschen<br />

Weinber ge steht. Auch dass aus sämtlichen 13 hiesigen Anbaugebieten<br />

beeindruckende trockene Rieslinge kommen, ist wichtig,<br />

erklärt aber nicht alles. Mindestens ebenso relevant ist die historische<br />

Bedeutung der Rebsorte, nicht nur im eigenen Land,<br />

sondern auch auf den Exportmärkten rund um den Erdball.<br />

Wie Daniel Deckers in seinem einleitenden Vortrag zur<br />

G20-Probe sagte, gibt es »nicht nur Geografie in der Flasche,<br />

sondern auch Geschichte«. Mit Geografie meinte er Terroir, also<br />

den speziellen Geschmack<br />

ei nes besonderen Ortes be -<br />

ziehungsweise einer Weinberglage,<br />

und mit Geschichte<br />

die kulturellen Wurzeln der<br />

Weine. Beim deutschen Riesling<br />

reichen sie sehr tief in die<br />

Historie hinein, aber entscheidend<br />

waren hier die erste große<br />

sortenreine Pflanzung auf<br />

Schloss Johannisberg 1720/21<br />

sowie die Reihe von Erfolgen<br />

Rheingauer Riesling-Weine<br />

ab dem Jahrgang 1811. Andere<br />

Anbaugebiete, vor allem Mosel, Pfalz und Nahe, folgten diesem<br />

Beispiel. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs stand der<br />

Ruf des deutschen Rieslings auf seinem Gipfel. Auch wenn<br />

die allerteuersten dieser Weine edelsüß waren, schmeckte die<br />

Mehrzahl der Riesling-Lagenweine dieser Zeit »herb«, also<br />

trocken. Weniger bekannt ist – was Deckers auch schilderte –,<br />

wie dieser Ruf nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut<br />

wurde, zum guten Teil ausgerechnet durch jüdische Weinhändler.<br />

Es war das letzte Stück des Goldenen Zeitalters für den<br />

hie sigen Riesling.<br />

<strong>Das</strong> Image der deutschen Rieslinge brach in<br />

den 1970er-Jahren vorerst zusammen<br />

In den 1970er-Jahren, also erst ziemlich spät, brach dann das<br />

Image der hochwertigen deutschen Rieslinge zusammen. Zum<br />

Teil war daran das starke Wachstum der Rebfläche schuld, auf<br />

der vor allem Konsumweine mit dem Einsatz von moderner<br />

Technik und Chemie günstig erzeugt werden konnten. Dazu kam<br />

das 1971 in Kraft getretene Weingesetz, das diese Entwicklung<br />

RHEINGAU <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 27


28 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> RHEINGAU


Linke Seite: Dieter Greiner (Kloster<br />

Eberbach, o.), Stephanie de Boüard-<br />

Rivoal (Château Angélus, Mitte). Rechte<br />

Seite: Frédéric Panaiotis (Champagne<br />

Ruinart, ganz o.), Erwin Sabathi (ganz l.),<br />

Bruno-Eugène Borie (Château Ducru-<br />

Beaucaillou, l. o.), Axel Heinz (Château<br />

Lascombes, l.), Peter Sisseck (Pingus,<br />

u. l., mit Dieter Greiner), Olivier Bernard<br />

(Domaine de Chevalier, u.)<br />

Ein Dank gebührt unseren Partnern wie<br />

der LBBW, ohne die Verkostungen dieser<br />

Exklusivität kaum möglich sind<br />

RHEINGAU <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 29


40 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> TASTING


URSUS <strong>FINE</strong><br />

RIESLING<br />

LIST 2021<br />

TASTING <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 41


ZUR<br />

WINZERIN<br />

GEBOREN<br />

DALLA VALLE VINEYARDS IM NAPA VALLEY WAR VON<br />

VORNHEREIN ALS PROJEKT FÜR GENERATIONEN ANGELEGT.<br />

SO LEITET NUN MAYA DALLA VALLE DAS GUT GEMEINSAM<br />

MIT IHRER MUTTER NAOKO UND PFLEGT DABEI VERBINDUNGEN<br />

ZU ORNELLAIA IN DER TOSKANA<br />

Von RAINER SCHÄFER<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

Kann jemand von Geburt an für den Wein bestimmt sein? Bei Maya Dalla Valle glaubten zumindest die<br />

Eltern fest an diese Berufung und schufen den passenden Rahmen dazu: Naoko und Gustav Dalla Valle<br />

benannten ihren wichtigsten Weinberg nach der Tochter und bereiteten über viele Jahre hinweg alles dafür<br />

vor, dass ihr einziges Kind einmal wie erwartet Dalla Valle Vineyards in Oakville im Napa Valley führen und<br />

weiterentwickeln werde.<br />

Maya Dalla Valle hingegen sah sich lange Zeit nicht in<br />

der vorgesehenen Rolle. Schon als Kind zeigte sie<br />

bei Turnieren viel Talent als Dressurreiterin, war mit<br />

dunklem Frack, weißer Hose, schwarzen Stiefeletten und Reithelm<br />

in ihrem Element. »Pferde waren immer enorm wichtig<br />

in meinem Leben«, erzählt die heute 35-Jährige. Lange Zeit<br />

wollte sie professionelle Reiterin und Pferdetrainerin werden.<br />

Auch mit Delfinen hätte sie gerne gearbeitet, nur der Wein wollte<br />

keine rechte Begeisterung in ihr wecken. Die eigenen Träume<br />

mit denen der Eltern in Einklang zu bringen, brauchte einiges an<br />

Zeit, doch längst hat Maya Dalla Valle ihre Leidenschaft für Wein<br />

entdeckt. Jetzt erzeugt sie gemeinsam mit ihrer Mutter Naoko<br />

einige der besten Rotweine im Napa Valley und hat zudem mit<br />

dem italienischen Spitzengut Ornellaia ein außergewöhnliches<br />

Projekt begonnen: Ihr DVO zählt zu den New California Icons,<br />

zur neuen Generation der begehrten Westküsten-Kultweine.<br />

Erhaben liegt Dalla Valle Vineyards auf einer Hochterrasse<br />

oberhalb des Silverado Trails im Osten von Oakville, unten<br />

breitet sich das Tal mit seinen Weinbergen in Grüntönen und<br />

Senffarben aus. Die zweispurige Landstraße durchschneidet<br />

diesen bunten Teppich; sie wurde 1852 angelegt, um die rund<br />

50 Kilometer Distanz zwischen den Städten Napa und Calistoga<br />

besser zu überbrücken. Heute reihen sich neben ihr Dutzende<br />

weltbekannter Weingüter aneinander, und auf dem Silverado<br />

Trail sind Wein-Nerds von allen Kontinenten unterwegs, um<br />

den Geheimnissen großer Mythen nachzuspüren. Dalla Valle<br />

Vineyards hat eine illustre Nachbarschaft: Ganz in der Nähe<br />

liegen Stag’s Leap Wine Cellars und Shafer Vineyards, und<br />

60 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> NAPA VALLEY


NAPA VALLEY <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 61


JÜRGEN DOLLASE<br />

DAS KULINARISCHE<br />

QUARTETT<br />

JÜRGEN DOLLASE ISST IM RESTAURANT<br />

EINSTEIN GOURMET IN SANKT GALLEN<br />

Mit der Schweizer Gastronomie scheint es wieder ganz erheblich vorwärts<br />

zu gehen. Es gab dort Zeiten, in denen die Spitzenküche vor lauter Luxus<br />

und Üppigkeit Gefahr lief, den internationalen Anschluss zu verlieren.<br />

Heute hat man offenbar die richtige Balance gefunden zwischen einer sehr viel<br />

größeren Akzeptanz der Gourmandise als in anderen Ländern und einer international<br />

beachtlichen Stilistik. Während die Alltagsgastronomie in der Schweiz<br />

für deutsche Verhältnisse recht kostspielig ist, glänzen die Gourmetrestaurants<br />

mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, zunehmend mit stilistischer Vielfalt<br />

und einem Komplettangebot von Wein und Speisen, dessen Qualität manchmal<br />

verblüff. <strong>Das</strong> Hotel Einstein am Rand der Altstadt von Sankt Gallen ist unter<br />

die sen Aspekten eine diskrete, aber extrem hochklassige Adresse. Es besitzt<br />

eine spektakuläre Weinsammlung mit beträchtlicher Tiefe und kostbaren Großflaschen,<br />

einem der besten Restaurants des Landes angemessen. Die Küche ist<br />

im Einstein Gourmet – wie bei einigen anderen Spitzenadressen der Deutschschweiz<br />

– in deutscher Hand, die Weinbegleitung kommt von Schweizern und<br />

wirkt trotz dem hohen Niveau irgendwie ganz selbstverständlich.<br />

<strong>Das</strong> Einstein wird in Küche und Service jeweils von einer Art Doppelspitze<br />

geführt. Chef des Ganzen ist SEBASTIAN ZIER (46), dessen Weg<br />

von der Ausbildung im Gasthaus Engel in Vöhrenbach über das Le Cerf in<br />

Marlenheim im Elsass und Burg Staufeneck in Salach für mehrere Jahre in die<br />

Baiersbronner Schwarzwaldstube führte. Nach drei Jahren im Schlossstern<br />

im Kärntner Schlosshotel Velden wurde Zier im La Mer auf Sylt erstmals mit<br />

zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Seit 2015 ist er im Sankt Galler Einstein<br />

Gourmet, wo er ebenfalls zwei Sterne bekommen hat. Zier ist ein kreativer<br />

Koch, der aber den überragenden Geschmack nie aus dem Blick verliert. An<br />

seiner Seite steht RICHARD SCHMIDTKONZ (30), ein ganz großes Küchentalent.<br />

Nach einigen Stationen war er sowohl im La Mer als auch im Einstein<br />

schon einmal Mitglied der Zier-Brigade, bevor er nach seiner Küchenmeister-<br />

Prüfung zurück ins Hotel und 2020 wieder an die Seite von Sebastian Zier kam.<br />

Schmidtkonz ist ein Freund klarer, intensiver Aromen und wie Zier so begabt<br />

und zugleich zielstrebig, wie man das braucht, um nach ganz oben zu kommen.<br />

Sommelier und Restaurantmanager des Hauses und damit Herr über eine<br />

spektakuläre Weinsammlung ist LORIS LENZO (30), der schon 2016 zum ersten<br />

Mal im Einstein gearbeitet hat. Lenzo hat im präzisen Ausbildungssystem der<br />

Schweiz sowohl Koch als auch Restaurantfachmann gelernt und ist seit 2020<br />

auf seinem Posten im Einstein Gourmet. Dessen Keller erfordert eine enorme<br />

Kenntnis und Sorgfalt im Bereich großer bis extrem kostspieliger Weine. Die<br />

zweite Spitze im Service ist DANIEL BÖLLE (30), ebenfalls in der Schweiz<br />

als Koch und später als diplomierter Hotelier-Restaurateur ausgebildet. Sein<br />

Weg führte von der Militärküche über zwei Stationen als Koch 2015 erstmals<br />

als Praktikant und Commis de Rang ins Einstein Gourmet. Bölle war noch<br />

F&B-Manager im Hotel Arc-en-ciel in Gstaad, arbeitete im Front Offce im<br />

Widder Hotel in Zürich und kam vergangenes Jahr als Restaurant Manager<br />

zurück ins Einstein.<br />

74 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> WEIN & SPEISEN


WEIN & SPEISEN<br />

Daniel Bölle, Sebastian Zier, Loris Lenzo<br />

und Richard Schmidtkonz (v. l.) im 2019 neu<br />

gestalteten Weinkeller des Restaurants<br />

WEIN & SPEISEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 75


88 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> CHAMPAGNE


DIE CHAMPAGNER VON<br />

ÅLAND<br />

DIE BERGUNG VON 170 JAHRE ALTEN FLASCHEN AUS EINEM WRACK<br />

IN DER OSTSEE ERLAUBT EINEN FASZINIERENDEN BLICK IN DIE<br />

WEINGESCHICHTE. HEUTE SIND DIE FUNDE KAUM MEHR TRINKBAR UND<br />

LIEGEN IM MUSEUM, DOCH DAS CHAMPAGNERHAUS VEUVE CLICQUOT<br />

SPINNT DIE STORY MIT EINEM NEUEN KAPITEL FORT<br />

Von CHRISTIAN VOLBRACHT<br />

Fotos: Veuve Clicquot<br />

Christian Ekström steigt aus der heute blitzblauen Ostsee und strahlt aus seiner Tauchermontur,<br />

als erlebe er den größten Tag seines Lebens noch einmal. Es war der 13. Juli 2010,<br />

als er am Åland-Archipel zwischen Finnland und Schweden zu einem in 43 Metern Tiefe<br />

liegenden Schiffswrack tauchte und eine etwa 170 Jahre alte Flasche Champagner ans<br />

Tageslicht brachte.<br />

Diesmal hievt Christian Ekström eine Metallkiste<br />

mit vier Flaschen aus dem Wasser. Sie<br />

stammen nicht aus dem Wrack, sondern aus<br />

einem »Cellar in the Sea«, den das Champagnerhaus<br />

Veuve Clicquot im Jahr 2014 eingerichtet hat, um<br />

die Geschichte fortzuführen. In einem auf 40 Jahre<br />

angelegten Experiment soll mit dem Meereskeller<br />

die Alterung der Weine unter Wasser mit der Reifung<br />

in den eigenen Kreidestollen in Reims verglichen<br />

werden.<br />

Der Cellar in the Sea ist ein Metallgestell mit<br />

mehr als 300 Flaschen. Er befindet sich im Nordosten<br />

der Schäreninseln, während das Wrack des<br />

Champagnerschiffes 50 Kilometer entfernt im Südosten<br />

nahe dem Ort Föglö liegt. Um zu erklären, wie<br />

es dazu kam, muss man die Geschichte von Christian<br />

Ekström von Anfang an erzählen.<br />

Der auf Åland geborene Hobbytaucher war seit<br />

je von den Wracks der zahllosen Schiffe fasziniert,<br />

die im Lauf der Jahrhunderte an den Felsen in dem<br />

Schärengebiet gescheitert oder im Winter vereist in<br />

die Tiefe gezogen worden waren. »Es mögen wohl<br />

100 000 sein«, sagt er, »mehr als im ganzen Bermudadreieck.«<br />

Fischer hatten ihm von einer Stelle erzählt,<br />

an der sich ihre Netze oft verhakten, und auch die<br />

fin ni schen Behörden vermuteten dort ein Wrack.<br />

Ekström ließ befreundete schwedische Taucher dort<br />

suchen. Die entdeckten einen gut 21 Meter langen<br />

Schoner mit zwei intakten Masten, der aufrecht auf<br />

dem Grund lag. Der hölzerne Rumpf war heil, nur<br />

ein Teil des Hecks fehlte. Nahe einem Backsteinherd<br />

stand noch ein Wasserkessel, daneben lagen<br />

alte Flaschen. Ekström meldete dem Altertumsamt<br />

von Åland den Fund. Er bekam die Erlaubnis, eine<br />

Flasche zu bergen, und brachte sie dann selbst nach<br />

oben. »Ich merkte, wie der Korken langsam aus der<br />

Flasche kam«, erzählt der heute 43-Jährige, »und<br />

hielt ihn mit dem Daumen fest.«<br />

Der Wrack-Champagner schmeckte<br />

erst etwas modrig, dann süßlich<br />

Oben ploppte der Korken dann heraus. »Für mein gan -<br />

zes Leben ist mir der Geschmack des ersten Schlucks<br />

auf der Zunge geblieben«, schwärmt Ekström: Erst<br />

sei er etwas modrig gewesen, danach süßlich. Die<br />

Tauchfreunde probierten aus Kaffeebechern, bevor<br />

Ekström die Flasche versiegelte und sie dann mit der<br />

befreundeten Sommelière Ella Grüssner Cromwell-<br />

Morgan auf Åland verkostete. Ein Bukett von »sehr<br />

reifen Früchten, Töne von Rosinen und ein klares Ta -<br />

bakaroma« attestierte ihm die Expertin, »und trotz<br />

der Tatsache, dass er so erstaunlich alt war, hatte der<br />

Wein Frische. Er war in keiner Weise geschwächt,<br />

vielmehr hatte er eine klare Säure, welche die Süße<br />

verstärkte. Und einen deutlichen Ton von Lagerung<br />

in Eichenfässern.«<br />

Am 19. Juli 2010 berichtete eine Åländer Zeitung<br />

über den Fund, und dann ging die Meldung von<br />

dem Archipel mit seinen 30 000 Einwohnern und<br />

CHAMPAGNE <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 89


TANZ AM<br />

AM ÄTNA HERRSCHT SEIT ZWEI JAHRZEHNTEN SO ETWAS WIE<br />

EIN GOLDRAUSCH. NUR SUCHEN DIE ANKÖMMLINGE KEIN<br />

EDELMETALL, SONDERN PECHSCHWARZE ERDE, AUF DER DIE<br />

WUNDERSAME BLASSROTE REBSORTE NERELLO MASCALESE<br />

GEDEIHT. ANDREA FRANCHETTI HAT HIER MIT SEINEM GUT<br />

PASSOPISCIARO EINE PIONIERARBEIT GELEISTET, AUF DIE VIELE<br />

GRÜNDUNGEN WIE DIE TENUTA TASCANTE GEFOLGT SIND<br />

Von PAUL KERN<br />

Fotos JOHANNES GRAU<br />

104 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> SIZILIEN


VULKAN<br />

Eine Reportage über den Ätna in einem <strong>Weinmagazin</strong> hätte es vor 20 Jahren niemals gegeben, und kein<br />

Sommelier in Berlin oder Kopenhagen wäre auf die Idee gekommen, einen Rotwein dieser Herkunft auszuschenken.<br />

Die Hänge des Vulkans waren eines von Hunderten Anbaugebieten, in denen halt seit jeher<br />

Wein entstand, ohne dass sich jemand groß Gedanken über dessen Identität gemacht hätte. »Im Vergleich<br />

zu heute war das alles Essig«, sagen selbst Winzer, die am Ätna aufgewachsen sind. In den 90er-Jahren gab<br />

es dort gerade mal eine Handvoll abfüllende Weingüter. Inzwischen sind es 173.<br />

Zwar war es ein Sizilianer, der jüngst verstorbene Pharmaunternehmer<br />

Giuseppe Benanti aus Catania, der 1988<br />

das erste namhafte Weingut am Ätna gründete. Der<br />

Wachstumsschub vollzog sich aber erst, als Ideen von außen<br />

auf die Insel strömten – Zyniker sagen heute, man habe den<br />

Sizilianern erst ihren eigenen Wein erklären müssen. Einer<br />

dieser frühen Ideengeber war Andrea Franchetti, der im Jahr<br />

2000 begann, am Ätna Rebland zu kaufen. Der Halbitaliener<br />

mit amerikanischem Vater war in der römischen Oberschicht<br />

aufgewachsen und hatte sein erstes Weingut in der Toskana<br />

mit dem Erlös eines Gemäldes von Cy Twombly erworben,<br />

das ihm ein Onkel vererbt hatte. Franchetti galt als Freigeist<br />

und Querdenker, als einer, der sich nichts sagen ließ, ohne<br />

je aufbrausend zu sein. Seit dieser feinsinnige Sturkopf 2021<br />

gestorben ist, führt sein langjähriger Kellermeister Vincenzo<br />

Lo Mauro das Ätna-Weingut Passopisciaro weiter.<br />

»<strong>Das</strong> konnte man hier früher alles einfach kaufen«, sagt Lo<br />

Mauro fast ein wenig ungläubig und deutet mit ausgestreckter<br />

Hand auf die kleinteilig terrassierten Rebberge rund ums Gut.<br />

Um die Jahrtausendwende hatte es Andrea Franchetti mal<br />

wieder in den Fingern gejuckt. Seine toskanische Tenuta di<br />

Trinoro war aus den Kinderschuhen herausgewachsen, ließ ihm<br />

Zeit und Muße für eine neue Herausforderung. Zufällig lernte<br />

er in Florenz einen Sizilianer kennen, der ihm vom Terroir am<br />

Ätna erzählte, von Weinbau auf fast 1000 Metern, alten Rebstöcken<br />

und Vulkanböden. Es dauerte nur wenige Wochen, bis<br />

Franchetti ein paar Ar erworben hatte. Als Erstes tat er, was<br />

er schon in der Toskana getan hatte: Bordelaiser Rebsorten<br />

pflanzen. »Die Sizilianer«, erinnert sich Lo Mauro amüsiert,<br />

»waren nicht sicher, ob er verrückt war oder ob er wirklich<br />

wusste, was er da machte.« In der Tat muss es ulkig ausgesehen<br />

haben – ein reicher Römer, der plötzlich begann, die halb<br />

verfallenen Rebberge zu beackern, aus denen die heimischen<br />

Bauern nichts herausholten als Tischweine für die Dorftavernen.<br />

»Unsere Vorfahren waren Weltklasse im Weinberg«, sagt<br />

Lo Mauro, »sie haben uns hundert Jahre alte, liebevoll gepflegte<br />

Reben übergeben. Aber sie waren keine guten Weinmacher.«<br />

Es dauerte auch eine Weile, bis Franchetti das reichhaltige Erbe<br />

vor seinen Augen wirklich erkannte. Den ursprünglichen Plan,<br />

Petit Verdot mit autochthonen Sorten zu verschneiden, verwarf<br />

er nach ein paar Lesen wieder und begann 2004, reinsortigen<br />

Nerello Mascalese zu keltern. Diese wichtigste Rebsorte am<br />

Ätna ergibt einen Rotwein, so blassrot und säurereich, wie man<br />

das eher in der Schweiz, im Jura oder in Deutschland erwarten<br />

SIZILIEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 105


DANIEL DECKERS<br />

WEIN UND KRIEG<br />

IN EUROPAS MITTE<br />

DAS SCHICKSAL DER ANBAUREGION SÜDMÄHREN<br />

Wenn in Deutschland die Rede auf »Wein und Krieg« kommt, ist meist das Buch dieses<br />

Titels gemeint, das vor zwei Jahrzehnten die »fast unglaubliche Geschichte von dem Widerstand<br />

der Franzosen gegen die Weinbeschlagnahmungen Hitlers« zu erzählen vorgab. Jenseits<br />

dieser fragwürdigen Sammlung mündlicher Berichte hat das Thema Wein und Krieg im<br />

deutschen Sprachraum und darüber hinaus nicht viel Aufmerksamkeit gefunden, weder in<br />

der Wissenschaft noch im populären Sachbuch. Dabei prägen die Kriege des 20. Jahrhunderts<br />

das kollektive Gedächtnis unseres Kontinents bis heute wohl stärker als alle anderen Ereignisse<br />

zusammengenommen.<br />

124 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> WEIN & ZEIT


WEIN & ZEIT XLVIII<br />

Eine europäische Geschichte dieser Zeitspanne<br />

im Zeichen von Wein und Krieg erschöpfte<br />

sich freilich nicht in einer Rekonstruktion<br />

von Ereignissen der ersten Jahrhunderthälfte – und<br />

selbst wenn, dann nicht in einer Reduktion auf die<br />

vielfältigen Verflechtungen zwischen Deutschland<br />

und Frankreich. Denn nicht nur der Westen des<br />

Kon tinents war Europa und nicht der Rhein die geopolitische<br />

Achse, um welche die politisch am stärksten<br />

aufgeladenen Kraftfelder rotierten. Europa war<br />

alles zwischen Atlantik und Schwarzem Meer, und<br />

seine politisch-kulturelle Nord-Süd-Achse bildete<br />

seit dem 18. Jahrhundert die Linie Berlin-Dresden-<br />

Prag-Wien-Budapest. Ebenso war und ist Weinbau<br />

in Mittel- und Osteuropa nicht minder selbstverständlich<br />

ein Teil der Lebenswelt wie im Westen und<br />

Süden. Es wäre deshalb nur angemessen, in diesem<br />

Zusammenhang neben der westlich-atlantischen<br />

und der mediterranen Weinkultur auch jene in den<br />

östlich-kontinentalen Regionen in den Blick zu<br />

nehmen, vor allem in jenen Staaten, die in den Jahren<br />

1918/1919 aus der Kon kursmasse des Habsburgerreiches<br />

hervorge gangen waren.<br />

Ende des 19. Jahrhunderts besaß die österreichisch-ungarische<br />

Doppelmonarchie mehr be stockte<br />

Fläche als jedes andere Land der Welt – in einem<br />

Raum, der sich von der böhmisch-sächsischen Grenze<br />

im Norden bis zu den Küsten im Süden und von Tirol<br />

beiderseits des Alpenhauptkamms im Westen über<br />

das sogenannte Karpathorussland, Siebenbürgen<br />

und Bessarabien bis ans Schwarze Meer erstreckte.<br />

Bei aller Verschiedenheit von Geologie, Klima und<br />

Rebsatz prägte den Weinbau in diesem Gebiet ein<br />

Netzwerk von Fachleuten, die in den drei höheren<br />

Lehranstalten Klosterneuburg (Niederösterreich),<br />

Marburg an der Drau (Untersteiermark, heute das<br />

slowenische Maribor) und San Michele (Italienisch-<br />

Tirol) ausgebildet worden waren.<br />

sämtlichen Himmelsrichtungen meistens in deutscher<br />

Sprache immer wieder gemeinsam Fachfragen<br />

verhandelt, so standen nunmehr national gesinnte<br />

Regierungen in Prag, Budapest oder Sofia vor der<br />

Aufgabe, den Fortbestand des Weinbaus als eines<br />

mal mehr, mal weniger bedeutenden Teils der Volkswirtschaft<br />

zu sichern.<br />

Es wäre allerdings zu ideologisch-kurzsichtig,<br />

Zäsuren lediglich in der Entstehung neuer Staaten<br />

nach 1918 sowie in der Machtübernahme der Kommunisten<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg mit der nachfolgenden<br />

Kollektivierung der Landwirtschaft zu<br />

sehen. Eine derartige Betrachtung überginge den entscheidenden<br />

Akteur, nämlich die Weinbau treibende<br />

Bevölkerung. Die aber war in der Doppelmonarchie<br />

beziehungsweise in deren Nachfolgestaaten bei<br />

allen alltagspraktischen Gemeinsamkeiten keine<br />

homogene Gruppe, deren Mitglieder sich allenfalls<br />

durch regional-kulturelle Eigenheiten voneinander<br />

abgehoben hätten.<br />

Von Nordböhmen über Südmähren und der<br />

Region entlang der Kleinen Karpaten über Westungarn<br />

und die Untersteiermark bis nach Siebenbürgen<br />

und Bessarabien lag der Rebbau im frühen<br />

20. Jahrhundert noch immer zu einem erheblichen<br />

Teil in den Händen der Nachfahren von Kolonisten<br />

deutscher Muttersprache, von denen die ersten im<br />

Hochmittelalter gezielt angeworben worden waren.<br />

In den neuen Staaten mit tschechischer, ungarischer,<br />

rumänischer und südslawischer Mehrheit waren sie<br />

nunmehr Minoritäten, deren Rechte unterschiedlich<br />

gut geschützt waren. Diese Phase währte jedoch<br />

kaum zwei Jahrzehnte. <strong>Das</strong> Jahr 1938 markierte mit<br />

der Annexion des sogenannten Sudetenlandes den<br />

Beginn des gewaltsamen Versuchs Nazi-Deutschlands,<br />

die Bevölkerungsstruktur in Mittel- bis Südosteuropa<br />

auf Kosten der als »rassisch minderwertig«<br />

verfemten slawischen Völker und erst recht der<br />

europäischen Juden zu verändern. Im Gegenzug war<br />

es dann nach 1945 um die deutschen Minderheiten<br />

in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien<br />

und Jugoslawien geschehen.<br />

Flucht und Vertreibung Millionen Deutscher<br />

sowie die Ansiedlung neuer Gruppen in nunmehr<br />

weitgehend entvölkerten Regionen veränderten<br />

aber nicht nur das soziale Gefüge im Allgemeinen.<br />

Besonders betroffen waren einige vom<br />

Weinbau geprägte Gebiete, allen voran in der wiederentstandenen<br />

Tschechoslowakei. Denn unter den<br />

beinahe drei Millionen Deutschen, davon etwa<br />

zwei Drittel Frauen und Kinder, die 1945 aus dem<br />

Sudetenland und den Kleinen Karpaten flohen, in<br />

ihrer Heimat ermordet oder von dort »wild« oder<br />

»geregelt« ver trieben wurden, waren diejenigen<br />

Familien, die zum Teil seit Jahrhunderten die Träger<br />

des Weinbaus gewesen waren.<br />

Nicht, dass in Südmähren nach 1945/46 keine<br />

Reben mehr gewachsen wären. Der tschechische<br />

Historiker Martin Markel hat vor einigen Jahren<br />

sogar eine Geschichte des dortigen Weinbaus vorgelegt,<br />

die im Unterschied zu den Darstellungen<br />

In ganz Europa traumatisierten<br />

Mehltau und Reblaus die Winzer<br />

Anlass zur Gründung dieser Einrichtungen war eine<br />

traumatische, aber wiederum West und Ost verbindende<br />

Erfahrung gewesen: <strong>Das</strong>s die europäische<br />

Edelrebe den drei aus Nordamerika eingeschleppten<br />

Schädlingen Echter Mehltau, Reblaus und Falscher<br />

Mehltau nichts entgegenzusetzen hatte, ließ die<br />

Zukunft des Weinbaus und damit die wirtschaftliche<br />

Existenz von Millionen Europäern seit der Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts ungewiss erscheinen. Der Rückgang<br />

der Rebfläche fast überall auf dem Kontinent<br />

war allerdings nicht allein die Folge einer toxischen<br />

Kombination aus höheren Bewirtschaftungskosten<br />

und oft niedrigen Erträgen; die Landflucht und die<br />

Konkurrenz der gut zahlenden Industrie forderten<br />

ebenfalls ihren Tribut.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg war der ursprünglich<br />

mehr oder weniger offene mittel- und osteuropäische<br />

Er fahrungsraum nun ebenso von nationalstaatlichen<br />

Grenzen durchzogen wie seit Langem<br />

der Westen. Hatten seit dem ersten österreichischen<br />

Weinbaukongress im Jahr 1873 Fachleute aus<br />

Auf dieser Karte von 1924 scheinen die rosa unterlegten<br />

Weinbaugebiete über alle Grenzen hinwegzufließen<br />

WEIN & ZEIT <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 125


<strong>FINE</strong> DAS WEINMAGAZIN 4|<strong>2023</strong> erscheint<br />

im Dezember <strong>2023</strong><br />

… voraussichtlich mit diesen Themen: KALIFORNIEN Die Vérité Winery von Jackson<br />

Family Wines sowie Kendall-Jackson in Sonoma County und Freemark Abbey im<br />

Napa Valley MOSEL Die großen Riesling-Güter Joh. Jos. Prüm und Dr. H. Thanisch<br />

RHEINGAU Wie Wilhelm Weil in Kiedrich das Erbe seines Urgroßvaters Robert Weil<br />

pflegt CHAMPAGNE Neues aus den Häusern Laurent-Perrier, Möet & Chandon und<br />

Lanson SÜDTIROL Die Geschichte des spektakulären Gewürztraminers Epokale<br />

SÜDAFRIKA Die Güter Uva Mira, Stark-Condé und Kanonkop AUSTRALIEN<br />

Penfolds – mehr als nur der Grange DAS GROSSE DUTZEND Der Poggio Valente<br />

der Fattoria Le Pupille WEINBRAND <strong>Das</strong> Cognac-Haus Gautier: Tradition seit 1644<br />

WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst bei Denis und Kathrin Feix im Marburger<br />

Esszimmer WEIN & ZEIT Slowakei: Weinbau an den Hängen der Kleinen Karpaten<br />

KOLUMNEN von Ursula Heinzelmann und Stuart Pigott<br />

142 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong>


DAS MAGAZIN FÜR WEIN UND GENUSS<br />

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<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 143

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