FINE - Das Weinmagazin - 62. Ausgabe - 03/2023
Hauptthema: RHEINHESSEN Der Großmeister Klaus Peter Keller im Interview Weitere Themen dieser Ausgabe EDITORIAL Riesling ist viel, aber nicht alles CHARTA Die FINE-Weinbewertung RHEINGAU Bericht von unserem önologischen G20-Gipfel TASTING G20-Gipfel: Kloster Eberbach seit 1893 TASTING URSUS FINE RIESLING LIST 2021 NAPA VALLEY Joseph Phelps: Der Exzellenz-Initiator NAPA VALLEY Maya Dalla Valle: Zur Winzerin geboren SONOMA Schug Carneros Estate: Missionar aus dem Rheingau WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst im Sankt Galler Einstein Gourmet MARKENGESPRÄCH Summe der Gastrokritik: Das Hornstein-Ranking GENIESSEN Die Waadtländer Gruyère-Variante L’Etivaz CHAMPAGNE Veuve Clicquot vom Meeresgrund TASTING Der Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé DIE PIGOTT-KOLUMNE Burgund: Kleinste Mengen, höchste Preise SIZILIEN Weine vom Ätna: Tanz am Vulkan RUMÄNIEN Die Anbauregion Dealu Mare am Rand der Karpaten WEIN & ZEIT Südmähren: Wein und Krieg in Europas Mitte DAS GROSSE DUTZEND Alle Neune in Tramin RHEINGAU Gunter Künstler: Meister aller Klassen ABGANG Ganz oben
Hauptthema: RHEINHESSEN Der Großmeister Klaus Peter Keller im Interview
Weitere Themen dieser Ausgabe
EDITORIAL Riesling ist viel, aber nicht alles
CHARTA Die FINE-Weinbewertung
RHEINGAU Bericht von unserem önologischen G20-Gipfel
TASTING G20-Gipfel: Kloster Eberbach seit 1893
TASTING URSUS FINE RIESLING LIST 2021
NAPA VALLEY Joseph Phelps: Der Exzellenz-Initiator
NAPA VALLEY Maya Dalla Valle: Zur Winzerin geboren
SONOMA Schug Carneros Estate: Missionar aus dem Rheingau
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst im Sankt Galler Einstein Gourmet
MARKENGESPRÄCH Summe der Gastrokritik: Das Hornstein-Ranking
GENIESSEN Die Waadtländer Gruyère-Variante L’Etivaz
CHAMPAGNE Veuve Clicquot vom Meeresgrund
TASTING Der Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé
DIE PIGOTT-KOLUMNE Burgund: Kleinste Mengen, höchste Preise
SIZILIEN Weine vom Ätna: Tanz am Vulkan
RUMÄNIEN Die Anbauregion Dealu Mare am Rand der Karpaten
WEIN & ZEIT Südmähren: Wein und Krieg in Europas Mitte
DAS GROSSE DUTZEND Alle Neune in Tramin
RHEINGAU Gunter Künstler: Meister aller Klassen
ABGANG Ganz oben
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3| <strong>2023</strong> Deutschland € 20 Österreich € 21,00 Italien € 24,50 Schweiz CHF 35,00 Benelux € 22,90<br />
4 197772 520006 <strong>03</strong><br />
G-Max<br />
Riesling<br />
KLAUS PETER KELLER<br />
WELTSPITZE AUS RHEINHESSEN<br />
Kalifornien Sizilien Große Riesling-Proben Rumänien Rheingau<br />
Die Güter Joseph Phelps, Weine vom Ätna: URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST 2021 Die Rückkehr der Der vielseitige<br />
Schug und Dalla Valle Tanz am Vulkan und Kloster Eberbach seit 1893 Mädchentraube Gunter Künstler
<strong>FINE</strong><br />
JOSEPH PHELPS VINEYARDS 54<br />
WEINGUT DALLA VALLE 60<br />
SCHUG CARNEROS ESTATE 68<br />
HORNSTEIN-RANKING 80<br />
CHAMPAGNER<br />
AUS DEM MEER 88<br />
COMTE GEORGES DE VOGÜÉ 94<br />
WEINE VOM ÄTNA 104 DEALU MARE IN RUMÄNIEN 112<br />
GUNTER KÜNSTLER 134<br />
6 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> INHALT
DAS WEINMAGAZIN 3|<strong>2023</strong><br />
G20-VERKOSTUNG 32<br />
KLAUS PETER KELLERS G-MAX 12<br />
9 <strong>FINE</strong> EDITORIAL _________________ Riesling ist viel, aber nicht alles<br />
11 <strong>FINE</strong> CHARTA ____________________ Die <strong>FINE</strong>-Weinbewertung<br />
12 <strong>FINE</strong> RHEINHESSEN _____________ Der Großmeister Klaus Peter Keller im Interview<br />
24 <strong>FINE</strong> RHEINGAU _________________ Bericht von unserem önologischen G20-Gipfel<br />
32 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ G20-Gipfel: Kloster Eberbach seit 1893<br />
40 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST 2021<br />
54 <strong>FINE</strong> NAPA VALLEY ______________ Joseph Phelps: Der Exzellenz-Initiator<br />
60 <strong>FINE</strong> NAPA VALLEY ______________ Maya Dalla Valle: Zur Winzerin geboren<br />
68 <strong>FINE</strong> SONOMA ___________________ Schug Carneros Estate: Missionar aus dem Rheingau<br />
URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST 2021 40<br />
74 <strong>FINE</strong> WEIN & SPEISEN ___________ Jürgen Dollase isst im Sankt Galler Einstein Gourmet<br />
80 <strong>FINE</strong> MARKENGESPRÄCH _______ Summe der Gastrokritik: <strong>Das</strong> Hornstein-Ranking<br />
86 <strong>FINE</strong> GENIESSEN ________________ Die Waadtländer Gruyère-Variante L’Etivaz<br />
88 <strong>FINE</strong> CHAMPAGNE _______________ Veuve Clicquot vom Meeresgrund<br />
94 <strong>FINE</strong> TASTING ____________________ Der Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé<br />
100 <strong>FINE</strong> DIE PIGOTT-KOLUMNE _____ Burgund: Kleinste Mengen, höchste Preise<br />
104 <strong>FINE</strong> SIZILIEN ____________________ Weine vom Ätna: Tanz am Vulkan<br />
112 <strong>FINE</strong> RUMÄNIEN _________________ Die Anbauregion Dealu Mare am Rand der Karpaten<br />
124 <strong>FINE</strong> WEIN & ZEIT ________________ Südmähren: Wein und Krieg in Europas Mitte<br />
130 <strong>FINE</strong> DAS GROSSE DUTZEND ___ Alle Neune in Tramin<br />
DAS GROSSE DUTZEND: TRAMIN 130<br />
134 <strong>FINE</strong> RHEINGAU _________________ Gunter Künstler: Meister aller Klassen<br />
146 <strong>FINE</strong> ABGANG ___________________ Ganz oben<br />
INHALT<br />
<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 7
LIEBE LESERINNEN,<br />
LIEBE LESER,<br />
was tut ein Winzer, dem ein Wein so gut gelingt, dass er ihn für die eigene Familie bewahren<br />
möchte? Er macht ihn so teuer, dass er glaubt, nun werde ihn niemand kaufen. Und wenn die<br />
Leute ihn trotzdem haben wollen? Dann limitiert er die Abgabe und bietet den Liebling nur<br />
noch in einer Kiste mit anderen Spitzenweinen seines Guts an. So hält es Klaus Peter Keller mit<br />
dem G-Max und hat doch den Aufstieg dieses 2001 erstmals gekelterten Rieslings zur global<br />
begehrten Legende nicht verhindern können.<br />
Im großen <strong>FINE</strong>-Interview erweist sich Keller als international vernetzter Perfektionist und<br />
fest geerdeter Rheinhesse in einer Person. Dazu gehört ein realistischer Blick auf die Chan cen und<br />
Gefahren des Klimawandels (der die Trauben in Kellers Heimatregion überhaupt erst zuverlässig<br />
ausreifen lässt) wie auch auf die Grenzen eines Familienbetriebs: Mit mehr als rund 20 Hektar,<br />
das sieht er ein, ließe sich sein Qualitätsanspruch nicht verwirklichen, und seine kongeniale<br />
Frau Julia passt darum auf, dass für jede neu gekaufte Parzelle anderswo Grund abgegeben<br />
wird. Bei einem Anruf auf dem Gut der Kellers in Flörsheim-Dalsheim hat man leicht mal den<br />
Chef persönlich am Apparat. »Wer«, fragt der bodenständige Weltstar angesichts überraschter<br />
Kunden, »soll denn sonst ans Telefon gehen?«<br />
Der zweite deutsche Spitzenwinzer, den wir in dieser <strong>Ausgabe</strong> porträtieren, hat – wie auch<br />
Klaus Peter Keller – vorzügliche Spätburgunder im breit gefächerten Programm, dazu Grünen<br />
Veltliner, Chardonnay, Sauvignon Blanc und sogar Alvarinho. Doch im Mittelpunkt stehen bei<br />
Gunter Künstler ebenfalls die herausragenden Rieslinge. <strong>Das</strong>s er Rheingauer ist, hat sich übrigens<br />
aus jenen historischen Umbrüchen ergeben, denen sich Daniel Deckers diesmal in Wein & Zeit<br />
widmet: Künstlers Vater Franz war in eine Winzerfamilie in Unter-Tannowitz hineingeboren<br />
und nach dem Zweiten Weltkrieg aus Südmähren vertrieben worden.<br />
Unserer wichtigsten heimischen Rebsorte widmen wir diesmal zudem zwei imposante Verkostungen,<br />
von denen die eine in die Breite, die andere hingegen in die Tiefe der Zeit geht. Bei<br />
der URSUS <strong>FINE</strong> RIESLING LIST traten 100 der besten deutschen Beispiele für den Jahrgang<br />
2021 gegeneinander an, während bei unserem sogenannten G20-Gipfel europäische Spitzenwinzer<br />
Rieslinge aus dem Keller von Kloster Eberbach zu kosten bekamen, die bis ins Jahr 1893<br />
zurückreichten und nicht bloß noch trinkbar, sondern vielfach schlicht bewundernswert waren.<br />
Ehe Sie jetzt auf dem Umschlag nachschauen, ob dort diesmal etwa »<strong>FINE</strong> – <strong>Das</strong> Rieslingmaga<br />
zin« steht, blättern Sie lieber zu den roten Glanzstücken und Raritäten, die wir Ihnen<br />
in dieser <strong>Ausgabe</strong> ebenfalls vorstellen. Zu denen gehören acht Jahrgänge des burgundischen<br />
Grand Cru Bonnes-Mares von Comte Georges de Vogüé ebenso wie die ausdrucksstarken<br />
Nerello Mascalese, deretwegen am Ätna eine wahre Goldgräberstimmung ausgebrochen ist,<br />
oder die nicht minder interessante Rebsorte Fetească Neagră vom rumänischen Südrand der<br />
Karpaten. Rot sind natürlich auch die Prunkstücke der drei Weingüter, über die Rainer Schäfer<br />
von seiner USA-Reise berichtet: die ikonische Burgunder-Cuvée Insignia von Joseph Phelps,<br />
der Cabernet Maya von Dalla Valle Vineyards, der schon 1992 Robert Parker 100 Punkte wert<br />
war, und die Spätburgunder, für die Walter Schug in Kalifornien anfangs belächelt und dann<br />
bewundert wurde. Allerdings – raten Sie mal, welche Rebsorte die Nachfahren des gebürtigen<br />
Rheingauers vielleicht demnächst pflanzen wollen …<br />
Ihre Chefredaktion<br />
EDITORIAL<br />
<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 9
<strong>FINE</strong>AUTOREN<br />
KRISTINE BÄDER Als Winzertochter aus Rheinhessen freut sie sich über die positive Entwicklung ihrer<br />
Heimatregion, wo sie ein eigenes kleines Wein projekt pflegt. Eine besondere Beziehung hat die stu dierte Germanistin<br />
und ehemalige Chefredakteurin des <strong>FINE</strong> <strong>Weinmagazin</strong>s zu den Weinen aus Portugal.<br />
DANIEL DECKERS Die Lage des deutschen Weins ist sein Thema – wenn er nicht gerade als Politikredakteur<br />
der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« über Gott und die Welt zur Feder greift. An der Hochschule Geisenheim<br />
lehrt Daniel Deckers Geschichte des Weinbaus und -handels. In seinem Buch »Wein. Geschichte und Genuss«<br />
beleuchtet er durch mehr als 3000 Jahre die Rolle dieses unschätzbaren Kulturguts als Spiegel der Zeitläufte.<br />
JÜRGEN DOLLASE hat sich schon als Rock musiker und Maler verdingt; als Kritiker der kulinarischen Landschaft<br />
ist er heute eine feste Instanz. Viel beachtet sind seine Bücher über die Kunst des Speisens: Bei Tre Torri<br />
erschien zuletzt seine »Geschmacksschule«; das visionäre Kochbuch »Pur, präzise, sinnlich« widmet sich der<br />
Zukunft des Essens.<br />
URSULA HEINZELMANN Die Gastronomin und gelernte Sommelière schreibt für die »Frankfurter Allgemeine<br />
Sonntagszeitung«, die Magazine »Efflee« und »Slow Food« sowie Bücher übers Essen und Trinken.<br />
Ihr Buch »China – Die Küche des Herrn Wu« (erschienen bei Tre Torri) liefert tiefe Einblicke in die vielfältige<br />
Kochkunst der Chinesen.<br />
UWE KAUSS In Weinkellern kennt er sich aus: Der Autor und Journalist schreibt seit 20 Jahren über Wein,<br />
etwa für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«, das <strong>Weinmagazin</strong> »Enos«, »wein.pur«, das »Genuss-<br />
Magazin« in Wien sowie das Internetportal wein.plus. Daneben hat er 16 Sach- und Kindersachbücher, einen<br />
Roman und zwei Theaterstücke publiziert.<br />
PAUL KERN Im Campingurlaub mit dem Sohn ei nes Weinjournalisten probierte Paul Kern Große Gewächse<br />
aus dem Emaillebecher. Es folgten ein Weingutspraktikum in Südafrika, eine Kochausbildung in ei nem Zweisternerestaurant<br />
und ein Studium der Weinwirtschaft in Geisenheim. Nun schreibt er über Wein und Gastronomie<br />
für diverse Magazine und Führer.<br />
STEFAN PEGATZKY Der promovierte Germanist kam 1999 nach Berlin und erlebte hautnah, wie sich<br />
die Metropole von einer Bier- zur Weinstadt wandelte. Er schreibt regelmäßig über Wein und Genuss, steuerte<br />
zur Tre-Torri-Reihe »Beef!« den Band »Raw. Meisterstücke für Männer« bei und bereicherte die »Gourmet<br />
Edition – Kochlegenden« um Titel zu Hans Haas, Harald Wohlfahrt und Marc Haeberlin.<br />
STUART PIGOTT Seit der 1960 in London geborene studierte Kunsthistoriker und Maler im Wein – dem deutschen<br />
zumal – sein Lebensthema fand, hat er sich mit seiner unkonventionellen Betrachtungsweise in den Rang<br />
der weltweit geachteten Autoren und Kritiker geschrieben. Sein Buch »Planet Riesling« erschien bei Tre Torri.<br />
RAINER SCHÄFER wuchs in Oberschwaben auf und lebt seit mehr als 20 Jahren in Hamburg, wo er über<br />
die Dinge schreibt, die er am meisten liebt: Wein, gutes Essen und Fußball, stets neugierig auf schillernde Persönlichkeiten,<br />
überraschende Erlebnisse und unbekannte Genüsse.<br />
CHRISTIAN VOLBRACHT Der Journalist, Autor und Antiquar schreibt über Wein und Gastronomie, seit<br />
er für die Deutsche Presse-Agentur in Paris gearbeitet hat. Seine besondere Leidenschaft gehört neben Wein<br />
und gutem Kochen den Pilzen und Trüffeln. Er ist Sammler und Inhaber des Buchantiquariats MykoLibri, als<br />
Buchautor ergründete er das Thema »Die Trüffel, Fake & Facts« (erschienen bei Tre Torri).<br />
VERLEGER UND HERAUSGEBER<br />
Ralf Frenzel<br />
r.frenzel@fine-magazines.de<br />
CHEFREDAKTION<br />
info@fine-magazines.de<br />
ART DIRECTOR<br />
Guido Bittner<br />
TEXTREDAKTION<br />
Boris Hohmeyer,<br />
Katharina Harde-Tinnefeld<br />
AUTOREN DIESER AUSGABE<br />
Kristine Bäder, Daniel Deckers,<br />
Jürgen Dollase, Ursula Heinzelmann,<br />
Uwe Kauss, Paul Kern, Stefan Pegatzky,<br />
Stuart Pigott, Rainer Schäfer,<br />
Christian Volbracht<br />
FOTOGRAFEN<br />
Guido Bittner, Rui Camilo, Johannes<br />
Grau, Christof Herdt, Arne Landwehr<br />
GRÜNDUNGSCHEFREDAKTEUR<br />
Thomas Schröder (2008–2020)<br />
VERLAG<br />
Tre Torri Verlag GmbH<br />
Sonnenberger Straße 43<br />
65191 Wiesbaden<br />
www.tretorri.de<br />
Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />
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sind urheberrechtlich geschützt.<br />
10 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> IMPRESSUM
DIE <strong>FINE</strong>-<br />
VERKOSTUNGEN<br />
Referenztabelle des 100-Punkte-Systems von <strong>FINE</strong> zum britischen 20-Punkte-System<br />
50 60 70 80 85 90 96 100<br />
0 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />
<strong>Das</strong> <strong>FINE</strong>-Verfahren<br />
• Wir glauben, dass der Geschmack zwar subjektiv ist, dass wir als<br />
erfahrene Verkoster und in kontrollierten Umgebungen aber dennoch<br />
gut begründete und klar formulierte Urteile über Wein geben können.<br />
• Als aufgeklärte Connaisseurs wissen wir, dass Punktebewertungen<br />
nicht objektiv sind, also keine reale »Substanz« im Wein bezeichnen.<br />
Sie sind aber auch nicht völlig subjektiv. In der <strong>FINE</strong> sind sie immer<br />
Ausdruck einer Wechselbeziehung von Wein und Verkoster. Deshalb<br />
veröffentlichen wir immer den Namen des jeweiligen Verkosters. Als<br />
neuer Leser werden Sie nach ein paar Heften die jeweiligen Unterschiede<br />
und Vorlieben unseres Teams einzuschätzen wissen.<br />
• <strong>FINE</strong> ist keine akademische Publikation, sondern will Freude am<br />
Weingenuss vermitteln. Deshalb fließen auch emotionale Elemente<br />
und stilistische Vorlieben mit ein, zudem schätzen wir den gelungenen<br />
sprachlichen Ausdruck. Besonders erkennen wir Weine an, die versuchen,<br />
ihren Ursprung zum Ausdruck zu bringen, und naturnah<br />
oder gar biologisch erzeugt werden. Weltanschauliche Scheuklappen<br />
sind uns allerdings fremd. Auch deswegen verkosten wir, wenn die<br />
Situation es erlaubt, vorzugsweise blind.<br />
• Unsere Bewertungen sind nicht absolut, sondern spiegeln den Kontext<br />
einer jeden Verkostungssituation wider. Wenn wir in einer Vertikale<br />
von Château Petrus einen kleinen Jahrgang mit 92 Punkten und in einer<br />
anderen Situation einen Merlot aus der Maremma mit der gleichen<br />
Punktzahl bewerten, dann heißt das nicht, dass diese Werte gleichwertig<br />
sind. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass Scoring<br />
und schriftlicher Kommentar nur gemeinsam ein Ganzes bilden.<br />
• Um die subjektive Sicht eines Einzeltesters zu ergänzen, bemühen wir<br />
uns, wenn es irgend geht, um das Urteil eines Verkostungspanels. Bei<br />
diesem Urteil wird bei jedem Wein die jeweils höchste und niedrigste<br />
Note gestrichen und ein Durchschnittswert gebildet. Dieses Urteil<br />
wird als Vergleichsergebnis des <strong>FINE</strong>-Panels (FP) notiert.<br />
• Wir erkennen an, dass sowohl der Wein als auch der Verkoster<br />
»lebendig« sind. Weine können von Flasche zu Flasche und von<br />
Wo che zu Woche variieren. Verkoster haben unterschiedliche Tagesformen,<br />
Stärken oder Schwächen. Immer geht es uns um den Augenblick<br />
des Verkostens; Einschätzungen zum Potenzial fließen lediglich<br />
in den Begleittext ein, nicht in die Bewertung selbst.<br />
• Auch in <strong>FINE</strong> werden Sie wenige Weine mit einem niedrigen Scoring<br />
finden. <strong>Das</strong> hat nichts mit der Nivellierung von Grundsätzen zu tun,<br />
sondern weil wir um Ihre kostbare Zeit wissen und der Auffassung<br />
sind, dass jeder Wein, der in <strong>FINE</strong> vorgestellt wird, es auch wert sein<br />
muss. <strong>Das</strong> kann bei einem hinreißenden Müller-Thurgau aus Baden<br />
ebenso der Fall sein wie bei einem Amphorenwein aus Georgien.<br />
<strong>Das</strong> <strong>FINE</strong>-Punktesystem<br />
Mit Ausnahme von sehr alten Schatzkammerweinen, deren Zustand von<br />
Flasche zu Flasche variieren kann, werden alle von <strong>FINE</strong> verkosteten<br />
Weine nach Punkten bewertet. Diese Bewertung folgt der 100-Punkte-<br />
Skala. Ziel ist es, dem Leser ein tieferes Verständnis von der Qualität<br />
der durch <strong>FINE</strong> evaluierten Weine zu vermitteln sowie die Trinkbarkeit<br />
der Weine zu bewerten.<br />
Maßgeblich für die Punktezahl ist unser Eindruck vom Wein am<br />
Tag der Verkostung. <strong>FINE</strong> vergibt keine zusätzlichen Punkte für das<br />
zukünftige Potenzial des Weins. Eine Anmerkung darüber wird in den<br />
Verkostungsnotizen abgegeben. Wein wird blind, halb blind und offen<br />
verkostet. Die entsprechende Methode findet sich in den Anmerkungen<br />
zur Verkostung.<br />
Wir konzentrieren uns auf die Beschreibung des Charakters und<br />
der Essenz des Weins: Säure, Frucht, Tannin, Struktur, Tiefe und Länge.<br />
Neben der Komplexität ist vor allem die Balance das entscheidende<br />
Kriterium für seine Qualität.<br />
Aufschlüsselung unserer Punkte<br />
100 Punkte Vollkommenheit. Ein perfekter Wein, der alle Sinne<br />
erfüllt, vollendet in allen Aspekten der Qualität – ein<br />
unschätzbares Geschenk der Natur.<br />
99–97 Punkte Ein beinahe perfektes Erlebnis. Der Wein und seine<br />
Geschichte sind einzigartig: unvergesslich makellose<br />
Harmonie, Komplexität und außergewöhnliche<br />
Persönlichkeit.<br />
96–94 Punkte Ein überragender Wein von höchstem Qualitätsanspruch<br />
und herausragender Ausgewogenheit.<br />
93–91 Punkte Ein exzellenter Wein, der einen verfeinerten Stil, eine<br />
ausgewogene Struktur und eine nuancierte Finesse<br />
aufweist.<br />
90–88 Punkte Ein guter Wein, nahezu exzellent. Harmonisch, lässt<br />
allerdings die Komplexität und den Charakter eines<br />
exzellenten Weines vermissen.<br />
87–80 Punkte Durchschnittlicher Wein mit weniger Charakter, Intensität,<br />
Struktur und Eleganz.<br />
79–70 Punkte Ein bescheidener und einfacher Wein, dem Leben<br />
und Harmonie fehlen.<br />
69–50 Punkte Ein beinahe untrinkbarer, leerer Wein.<br />
CHARTA<br />
<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 11
24 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> RHEINGAU
DIE FLÜSSIGE<br />
ZEITMASCHINE<br />
BEIM ÖNOLOGISCHEN G20-GIPFEL AUF KLOSTER EBERBACH<br />
KONNTEN EUROPÄISCHE SPITZENWINZER DIE KLASSE AUSGEWÄHLTER<br />
RHEINGAUER RIESLINGE BEWUNDERN – BIS ZURÜCK INS JAHR 1893<br />
Von STUART PIGOTT<br />
Fotos ARNE LANDWEHR<br />
RHEINGAU <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 25
Der vorletzte Wein im sechsten Flight unserer Blindverkostung ist ein barockes Wesen mit tiefer<br />
Struktur und Noten von kandierten Orangenscheiben sowie getrockneten Aprikosen, passend<br />
zum barocken Refektorium von Kloster Eberbach, in dem wir sitzen. Die Flaschenreife ist klar<br />
erkennbar, aber der Wein hat nach wie vor viel Leben und ist bei Weitem noch nicht am Ende.<br />
Die Spannung wächst, bis <strong>FINE</strong>-Herausgeber Ralf Frenzel das Geheimnis lüftet: »… und der<br />
vorletzte Wein ist der 15er … der 1915er Erbacher Marcobrunn Riesling!«<br />
Spontaner Applaus von allen Anwesenden – Ralf Frenzel<br />
nennt sie »die G20 des Weins«. So sind aus Bordeaux<br />
Bruno-Eugène Borie von Château Ducru-Beaucaillou<br />
in Saint-Julien, Olivier Bernard von der Domaine de Chevalier<br />
in Pessac-Léognan und Stephanie de Boüard-Rivoal von Château<br />
Angélus in Saint-Émilion gekommen, Jean-Luc Pépin<br />
von der burgundischen Domaine Georges Comte de Vogüé<br />
in Chambolle-Musigny ist dabei, Peter Sisseck von Pingus in<br />
Ribera del Duero sowie Renzo Cotarella, der Chefönologe der<br />
Antinori-Gruppe in der Toskana.<br />
Um zu verstehen, warum Ralf Frenzel diese außerordentlichen<br />
Verkostungen vom 1. und 2. Juni auf Kloster Eberbach unter<br />
dem Titel G20 veranstaltet hat, muss man den Blick um ein<br />
Vierteljahrhundert zurück auf zwei geschichtsträchtige Treffen<br />
in Berlin werfen. Dort fand im Dezember 1999 die Gründung der<br />
G20 als Zusammenschluss der wichtigsten Industrieländer und<br />
sogenannten Schwellenländer<br />
statt. Damit akzeptierten die<br />
Mitgliedsnationen, dass die<br />
großen Probleme der Welt nur<br />
gemeinschaftlich zu bewältigen<br />
seien. Knapp drei Jahre<br />
später, im September 2002,<br />
stellte ebenfalls in Berlin der<br />
Verband Deutscher Prädikatsweingüter<br />
erstmals offziell<br />
seine Großen Gewächse (GG)<br />
vor. Von da an ließ sich nicht<br />
mehr grundsätzlich infrage<br />
stel len, was vorher noch kontrovers diskutiert worden war:<br />
Im 21. Jahrhundert würden hochwertige trockene Lagenweine<br />
das Kernthema der hiesigen Weinbranche bilden. Trotz allen<br />
Unterschie den sind die Parallelen zwischen diesen beiden Ereignissen<br />
frappant. Beide markierten jeweils in ihrem Bereich<br />
einen prägenden Wendepunkt und waren für die Folgezeit<br />
richtungsweisend.<br />
Wenn wir den Fokus auf die Entwicklung der Großen Ge -<br />
wächse seitdem richten, sehen wir nicht nur einen ziemlich<br />
stetigen wirtschaftlichen Aufwärtstrend, sondern die Bildung<br />
einer Gesellschaft von internationalen Sommeliers, Journalisten,<br />
Händlern und Weinsammlern, die sich immer wieder auf den<br />
einschlägigen Veranstaltungen treffen. Sie wirken als das, was<br />
der Philosoph Elias Canetti einen »Massenkristall« genannt hat,<br />
als Kristallisationspunkt für weitaus größere soziale Phänomene<br />
wie den Verkaufserfolg der Großen Gewächse in Handel und<br />
26 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> RHEINGAU
Gastronomie sowie die gesellschaftliche Akzeptanz der Weine.<br />
All dies wurzelt in der jährlichen Suche dieser Insider nach<br />
Wer tigkeit und Wahrheit in den neuen Weinen, die auf den<br />
GG-Prä sentationen ausgeschenkt werden.<br />
Trotz der steigenden Aufmerksamkeit für die Spät burgunder-Rotweine<br />
und trotz der Fangemeinde der Weißburgunder-<br />
und Grauburgunder-GG geht es nach wie vor<br />
hauptsächlich um Riesling. Die Gründe dafür sind komplex<br />
und reichen weit über die statistisch klare Vorherrschaft dieser<br />
Rebsorte hinaus, welche in knapp einem Viertel der deutschen<br />
Weinber ge steht. Auch dass aus sämtlichen 13 hiesigen Anbaugebieten<br />
beeindruckende trockene Rieslinge kommen, ist wichtig,<br />
erklärt aber nicht alles. Mindestens ebenso relevant ist die historische<br />
Bedeutung der Rebsorte, nicht nur im eigenen Land,<br />
sondern auch auf den Exportmärkten rund um den Erdball.<br />
Wie Daniel Deckers in seinem einleitenden Vortrag zur<br />
G20-Probe sagte, gibt es »nicht nur Geografie in der Flasche,<br />
sondern auch Geschichte«. Mit Geografie meinte er Terroir, also<br />
den speziellen Geschmack<br />
ei nes besonderen Ortes be -<br />
ziehungsweise einer Weinberglage,<br />
und mit Geschichte<br />
die kulturellen Wurzeln der<br />
Weine. Beim deutschen Riesling<br />
reichen sie sehr tief in die<br />
Historie hinein, aber entscheidend<br />
waren hier die erste große<br />
sortenreine Pflanzung auf<br />
Schloss Johannisberg 1720/21<br />
sowie die Reihe von Erfolgen<br />
Rheingauer Riesling-Weine<br />
ab dem Jahrgang 1811. Andere<br />
Anbaugebiete, vor allem Mosel, Pfalz und Nahe, folgten diesem<br />
Beispiel. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs stand der<br />
Ruf des deutschen Rieslings auf seinem Gipfel. Auch wenn<br />
die allerteuersten dieser Weine edelsüß waren, schmeckte die<br />
Mehrzahl der Riesling-Lagenweine dieser Zeit »herb«, also<br />
trocken. Weniger bekannt ist – was Deckers auch schilderte –,<br />
wie dieser Ruf nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut<br />
wurde, zum guten Teil ausgerechnet durch jüdische Weinhändler.<br />
Es war das letzte Stück des Goldenen Zeitalters für den<br />
hie sigen Riesling.<br />
<strong>Das</strong> Image der deutschen Rieslinge brach in<br />
den 1970er-Jahren vorerst zusammen<br />
In den 1970er-Jahren, also erst ziemlich spät, brach dann das<br />
Image der hochwertigen deutschen Rieslinge zusammen. Zum<br />
Teil war daran das starke Wachstum der Rebfläche schuld, auf<br />
der vor allem Konsumweine mit dem Einsatz von moderner<br />
Technik und Chemie günstig erzeugt werden konnten. Dazu kam<br />
das 1971 in Kraft getretene Weingesetz, das diese Entwicklung<br />
RHEINGAU <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 27
28 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> RHEINGAU
Linke Seite: Dieter Greiner (Kloster<br />
Eberbach, o.), Stephanie de Boüard-<br />
Rivoal (Château Angélus, Mitte). Rechte<br />
Seite: Frédéric Panaiotis (Champagne<br />
Ruinart, ganz o.), Erwin Sabathi (ganz l.),<br />
Bruno-Eugène Borie (Château Ducru-<br />
Beaucaillou, l. o.), Axel Heinz (Château<br />
Lascombes, l.), Peter Sisseck (Pingus,<br />
u. l., mit Dieter Greiner), Olivier Bernard<br />
(Domaine de Chevalier, u.)<br />
Ein Dank gebührt unseren Partnern wie<br />
der LBBW, ohne die Verkostungen dieser<br />
Exklusivität kaum möglich sind<br />
RHEINGAU <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 29
40 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> TASTING
URSUS <strong>FINE</strong><br />
RIESLING<br />
LIST 2021<br />
TASTING <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 41
ZUR<br />
WINZERIN<br />
GEBOREN<br />
DALLA VALLE VINEYARDS IM NAPA VALLEY WAR VON<br />
VORNHEREIN ALS PROJEKT FÜR GENERATIONEN ANGELEGT.<br />
SO LEITET NUN MAYA DALLA VALLE DAS GUT GEMEINSAM<br />
MIT IHRER MUTTER NAOKO UND PFLEGT DABEI VERBINDUNGEN<br />
ZU ORNELLAIA IN DER TOSKANA<br />
Von RAINER SCHÄFER<br />
Fotos JOHANNES GRAU<br />
Kann jemand von Geburt an für den Wein bestimmt sein? Bei Maya Dalla Valle glaubten zumindest die<br />
Eltern fest an diese Berufung und schufen den passenden Rahmen dazu: Naoko und Gustav Dalla Valle<br />
benannten ihren wichtigsten Weinberg nach der Tochter und bereiteten über viele Jahre hinweg alles dafür<br />
vor, dass ihr einziges Kind einmal wie erwartet Dalla Valle Vineyards in Oakville im Napa Valley führen und<br />
weiterentwickeln werde.<br />
Maya Dalla Valle hingegen sah sich lange Zeit nicht in<br />
der vorgesehenen Rolle. Schon als Kind zeigte sie<br />
bei Turnieren viel Talent als Dressurreiterin, war mit<br />
dunklem Frack, weißer Hose, schwarzen Stiefeletten und Reithelm<br />
in ihrem Element. »Pferde waren immer enorm wichtig<br />
in meinem Leben«, erzählt die heute 35-Jährige. Lange Zeit<br />
wollte sie professionelle Reiterin und Pferdetrainerin werden.<br />
Auch mit Delfinen hätte sie gerne gearbeitet, nur der Wein wollte<br />
keine rechte Begeisterung in ihr wecken. Die eigenen Träume<br />
mit denen der Eltern in Einklang zu bringen, brauchte einiges an<br />
Zeit, doch längst hat Maya Dalla Valle ihre Leidenschaft für Wein<br />
entdeckt. Jetzt erzeugt sie gemeinsam mit ihrer Mutter Naoko<br />
einige der besten Rotweine im Napa Valley und hat zudem mit<br />
dem italienischen Spitzengut Ornellaia ein außergewöhnliches<br />
Projekt begonnen: Ihr DVO zählt zu den New California Icons,<br />
zur neuen Generation der begehrten Westküsten-Kultweine.<br />
Erhaben liegt Dalla Valle Vineyards auf einer Hochterrasse<br />
oberhalb des Silverado Trails im Osten von Oakville, unten<br />
breitet sich das Tal mit seinen Weinbergen in Grüntönen und<br />
Senffarben aus. Die zweispurige Landstraße durchschneidet<br />
diesen bunten Teppich; sie wurde 1852 angelegt, um die rund<br />
50 Kilometer Distanz zwischen den Städten Napa und Calistoga<br />
besser zu überbrücken. Heute reihen sich neben ihr Dutzende<br />
weltbekannter Weingüter aneinander, und auf dem Silverado<br />
Trail sind Wein-Nerds von allen Kontinenten unterwegs, um<br />
den Geheimnissen großer Mythen nachzuspüren. Dalla Valle<br />
Vineyards hat eine illustre Nachbarschaft: Ganz in der Nähe<br />
liegen Stag’s Leap Wine Cellars und Shafer Vineyards, und<br />
60 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> NAPA VALLEY
NAPA VALLEY <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 61
JÜRGEN DOLLASE<br />
DAS KULINARISCHE<br />
QUARTETT<br />
JÜRGEN DOLLASE ISST IM RESTAURANT<br />
EINSTEIN GOURMET IN SANKT GALLEN<br />
Mit der Schweizer Gastronomie scheint es wieder ganz erheblich vorwärts<br />
zu gehen. Es gab dort Zeiten, in denen die Spitzenküche vor lauter Luxus<br />
und Üppigkeit Gefahr lief, den internationalen Anschluss zu verlieren.<br />
Heute hat man offenbar die richtige Balance gefunden zwischen einer sehr viel<br />
größeren Akzeptanz der Gourmandise als in anderen Ländern und einer international<br />
beachtlichen Stilistik. Während die Alltagsgastronomie in der Schweiz<br />
für deutsche Verhältnisse recht kostspielig ist, glänzen die Gourmetrestaurants<br />
mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, zunehmend mit stilistischer Vielfalt<br />
und einem Komplettangebot von Wein und Speisen, dessen Qualität manchmal<br />
verblüff. <strong>Das</strong> Hotel Einstein am Rand der Altstadt von Sankt Gallen ist unter<br />
die sen Aspekten eine diskrete, aber extrem hochklassige Adresse. Es besitzt<br />
eine spektakuläre Weinsammlung mit beträchtlicher Tiefe und kostbaren Großflaschen,<br />
einem der besten Restaurants des Landes angemessen. Die Küche ist<br />
im Einstein Gourmet – wie bei einigen anderen Spitzenadressen der Deutschschweiz<br />
– in deutscher Hand, die Weinbegleitung kommt von Schweizern und<br />
wirkt trotz dem hohen Niveau irgendwie ganz selbstverständlich.<br />
<strong>Das</strong> Einstein wird in Küche und Service jeweils von einer Art Doppelspitze<br />
geführt. Chef des Ganzen ist SEBASTIAN ZIER (46), dessen Weg<br />
von der Ausbildung im Gasthaus Engel in Vöhrenbach über das Le Cerf in<br />
Marlenheim im Elsass und Burg Staufeneck in Salach für mehrere Jahre in die<br />
Baiersbronner Schwarzwaldstube führte. Nach drei Jahren im Schlossstern<br />
im Kärntner Schlosshotel Velden wurde Zier im La Mer auf Sylt erstmals mit<br />
zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Seit 2015 ist er im Sankt Galler Einstein<br />
Gourmet, wo er ebenfalls zwei Sterne bekommen hat. Zier ist ein kreativer<br />
Koch, der aber den überragenden Geschmack nie aus dem Blick verliert. An<br />
seiner Seite steht RICHARD SCHMIDTKONZ (30), ein ganz großes Küchentalent.<br />
Nach einigen Stationen war er sowohl im La Mer als auch im Einstein<br />
schon einmal Mitglied der Zier-Brigade, bevor er nach seiner Küchenmeister-<br />
Prüfung zurück ins Hotel und 2020 wieder an die Seite von Sebastian Zier kam.<br />
Schmidtkonz ist ein Freund klarer, intensiver Aromen und wie Zier so begabt<br />
und zugleich zielstrebig, wie man das braucht, um nach ganz oben zu kommen.<br />
Sommelier und Restaurantmanager des Hauses und damit Herr über eine<br />
spektakuläre Weinsammlung ist LORIS LENZO (30), der schon 2016 zum ersten<br />
Mal im Einstein gearbeitet hat. Lenzo hat im präzisen Ausbildungssystem der<br />
Schweiz sowohl Koch als auch Restaurantfachmann gelernt und ist seit 2020<br />
auf seinem Posten im Einstein Gourmet. Dessen Keller erfordert eine enorme<br />
Kenntnis und Sorgfalt im Bereich großer bis extrem kostspieliger Weine. Die<br />
zweite Spitze im Service ist DANIEL BÖLLE (30), ebenfalls in der Schweiz<br />
als Koch und später als diplomierter Hotelier-Restaurateur ausgebildet. Sein<br />
Weg führte von der Militärküche über zwei Stationen als Koch 2015 erstmals<br />
als Praktikant und Commis de Rang ins Einstein Gourmet. Bölle war noch<br />
F&B-Manager im Hotel Arc-en-ciel in Gstaad, arbeitete im Front Offce im<br />
Widder Hotel in Zürich und kam vergangenes Jahr als Restaurant Manager<br />
zurück ins Einstein.<br />
74 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> WEIN & SPEISEN
WEIN & SPEISEN<br />
Daniel Bölle, Sebastian Zier, Loris Lenzo<br />
und Richard Schmidtkonz (v. l.) im 2019 neu<br />
gestalteten Weinkeller des Restaurants<br />
WEIN & SPEISEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 75
88 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> CHAMPAGNE
DIE CHAMPAGNER VON<br />
ÅLAND<br />
DIE BERGUNG VON 170 JAHRE ALTEN FLASCHEN AUS EINEM WRACK<br />
IN DER OSTSEE ERLAUBT EINEN FASZINIERENDEN BLICK IN DIE<br />
WEINGESCHICHTE. HEUTE SIND DIE FUNDE KAUM MEHR TRINKBAR UND<br />
LIEGEN IM MUSEUM, DOCH DAS CHAMPAGNERHAUS VEUVE CLICQUOT<br />
SPINNT DIE STORY MIT EINEM NEUEN KAPITEL FORT<br />
Von CHRISTIAN VOLBRACHT<br />
Fotos: Veuve Clicquot<br />
Christian Ekström steigt aus der heute blitzblauen Ostsee und strahlt aus seiner Tauchermontur,<br />
als erlebe er den größten Tag seines Lebens noch einmal. Es war der 13. Juli 2010,<br />
als er am Åland-Archipel zwischen Finnland und Schweden zu einem in 43 Metern Tiefe<br />
liegenden Schiffswrack tauchte und eine etwa 170 Jahre alte Flasche Champagner ans<br />
Tageslicht brachte.<br />
Diesmal hievt Christian Ekström eine Metallkiste<br />
mit vier Flaschen aus dem Wasser. Sie<br />
stammen nicht aus dem Wrack, sondern aus<br />
einem »Cellar in the Sea«, den das Champagnerhaus<br />
Veuve Clicquot im Jahr 2014 eingerichtet hat, um<br />
die Geschichte fortzuführen. In einem auf 40 Jahre<br />
angelegten Experiment soll mit dem Meereskeller<br />
die Alterung der Weine unter Wasser mit der Reifung<br />
in den eigenen Kreidestollen in Reims verglichen<br />
werden.<br />
Der Cellar in the Sea ist ein Metallgestell mit<br />
mehr als 300 Flaschen. Er befindet sich im Nordosten<br />
der Schäreninseln, während das Wrack des<br />
Champagnerschiffes 50 Kilometer entfernt im Südosten<br />
nahe dem Ort Föglö liegt. Um zu erklären, wie<br />
es dazu kam, muss man die Geschichte von Christian<br />
Ekström von Anfang an erzählen.<br />
Der auf Åland geborene Hobbytaucher war seit<br />
je von den Wracks der zahllosen Schiffe fasziniert,<br />
die im Lauf der Jahrhunderte an den Felsen in dem<br />
Schärengebiet gescheitert oder im Winter vereist in<br />
die Tiefe gezogen worden waren. »Es mögen wohl<br />
100 000 sein«, sagt er, »mehr als im ganzen Bermudadreieck.«<br />
Fischer hatten ihm von einer Stelle erzählt,<br />
an der sich ihre Netze oft verhakten, und auch die<br />
fin ni schen Behörden vermuteten dort ein Wrack.<br />
Ekström ließ befreundete schwedische Taucher dort<br />
suchen. Die entdeckten einen gut 21 Meter langen<br />
Schoner mit zwei intakten Masten, der aufrecht auf<br />
dem Grund lag. Der hölzerne Rumpf war heil, nur<br />
ein Teil des Hecks fehlte. Nahe einem Backsteinherd<br />
stand noch ein Wasserkessel, daneben lagen<br />
alte Flaschen. Ekström meldete dem Altertumsamt<br />
von Åland den Fund. Er bekam die Erlaubnis, eine<br />
Flasche zu bergen, und brachte sie dann selbst nach<br />
oben. »Ich merkte, wie der Korken langsam aus der<br />
Flasche kam«, erzählt der heute 43-Jährige, »und<br />
hielt ihn mit dem Daumen fest.«<br />
Der Wrack-Champagner schmeckte<br />
erst etwas modrig, dann süßlich<br />
Oben ploppte der Korken dann heraus. »Für mein gan -<br />
zes Leben ist mir der Geschmack des ersten Schlucks<br />
auf der Zunge geblieben«, schwärmt Ekström: Erst<br />
sei er etwas modrig gewesen, danach süßlich. Die<br />
Tauchfreunde probierten aus Kaffeebechern, bevor<br />
Ekström die Flasche versiegelte und sie dann mit der<br />
befreundeten Sommelière Ella Grüssner Cromwell-<br />
Morgan auf Åland verkostete. Ein Bukett von »sehr<br />
reifen Früchten, Töne von Rosinen und ein klares Ta -<br />
bakaroma« attestierte ihm die Expertin, »und trotz<br />
der Tatsache, dass er so erstaunlich alt war, hatte der<br />
Wein Frische. Er war in keiner Weise geschwächt,<br />
vielmehr hatte er eine klare Säure, welche die Süße<br />
verstärkte. Und einen deutlichen Ton von Lagerung<br />
in Eichenfässern.«<br />
Am 19. Juli 2010 berichtete eine Åländer Zeitung<br />
über den Fund, und dann ging die Meldung von<br />
dem Archipel mit seinen 30 000 Einwohnern und<br />
CHAMPAGNE <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 89
TANZ AM<br />
AM ÄTNA HERRSCHT SEIT ZWEI JAHRZEHNTEN SO ETWAS WIE<br />
EIN GOLDRAUSCH. NUR SUCHEN DIE ANKÖMMLINGE KEIN<br />
EDELMETALL, SONDERN PECHSCHWARZE ERDE, AUF DER DIE<br />
WUNDERSAME BLASSROTE REBSORTE NERELLO MASCALESE<br />
GEDEIHT. ANDREA FRANCHETTI HAT HIER MIT SEINEM GUT<br />
PASSOPISCIARO EINE PIONIERARBEIT GELEISTET, AUF DIE VIELE<br />
GRÜNDUNGEN WIE DIE TENUTA TASCANTE GEFOLGT SIND<br />
Von PAUL KERN<br />
Fotos JOHANNES GRAU<br />
104 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> SIZILIEN
VULKAN<br />
Eine Reportage über den Ätna in einem <strong>Weinmagazin</strong> hätte es vor 20 Jahren niemals gegeben, und kein<br />
Sommelier in Berlin oder Kopenhagen wäre auf die Idee gekommen, einen Rotwein dieser Herkunft auszuschenken.<br />
Die Hänge des Vulkans waren eines von Hunderten Anbaugebieten, in denen halt seit jeher<br />
Wein entstand, ohne dass sich jemand groß Gedanken über dessen Identität gemacht hätte. »Im Vergleich<br />
zu heute war das alles Essig«, sagen selbst Winzer, die am Ätna aufgewachsen sind. In den 90er-Jahren gab<br />
es dort gerade mal eine Handvoll abfüllende Weingüter. Inzwischen sind es 173.<br />
Zwar war es ein Sizilianer, der jüngst verstorbene Pharmaunternehmer<br />
Giuseppe Benanti aus Catania, der 1988<br />
das erste namhafte Weingut am Ätna gründete. Der<br />
Wachstumsschub vollzog sich aber erst, als Ideen von außen<br />
auf die Insel strömten – Zyniker sagen heute, man habe den<br />
Sizilianern erst ihren eigenen Wein erklären müssen. Einer<br />
dieser frühen Ideengeber war Andrea Franchetti, der im Jahr<br />
2000 begann, am Ätna Rebland zu kaufen. Der Halbitaliener<br />
mit amerikanischem Vater war in der römischen Oberschicht<br />
aufgewachsen und hatte sein erstes Weingut in der Toskana<br />
mit dem Erlös eines Gemäldes von Cy Twombly erworben,<br />
das ihm ein Onkel vererbt hatte. Franchetti galt als Freigeist<br />
und Querdenker, als einer, der sich nichts sagen ließ, ohne<br />
je aufbrausend zu sein. Seit dieser feinsinnige Sturkopf 2021<br />
gestorben ist, führt sein langjähriger Kellermeister Vincenzo<br />
Lo Mauro das Ätna-Weingut Passopisciaro weiter.<br />
»<strong>Das</strong> konnte man hier früher alles einfach kaufen«, sagt Lo<br />
Mauro fast ein wenig ungläubig und deutet mit ausgestreckter<br />
Hand auf die kleinteilig terrassierten Rebberge rund ums Gut.<br />
Um die Jahrtausendwende hatte es Andrea Franchetti mal<br />
wieder in den Fingern gejuckt. Seine toskanische Tenuta di<br />
Trinoro war aus den Kinderschuhen herausgewachsen, ließ ihm<br />
Zeit und Muße für eine neue Herausforderung. Zufällig lernte<br />
er in Florenz einen Sizilianer kennen, der ihm vom Terroir am<br />
Ätna erzählte, von Weinbau auf fast 1000 Metern, alten Rebstöcken<br />
und Vulkanböden. Es dauerte nur wenige Wochen, bis<br />
Franchetti ein paar Ar erworben hatte. Als Erstes tat er, was<br />
er schon in der Toskana getan hatte: Bordelaiser Rebsorten<br />
pflanzen. »Die Sizilianer«, erinnert sich Lo Mauro amüsiert,<br />
»waren nicht sicher, ob er verrückt war oder ob er wirklich<br />
wusste, was er da machte.« In der Tat muss es ulkig ausgesehen<br />
haben – ein reicher Römer, der plötzlich begann, die halb<br />
verfallenen Rebberge zu beackern, aus denen die heimischen<br />
Bauern nichts herausholten als Tischweine für die Dorftavernen.<br />
»Unsere Vorfahren waren Weltklasse im Weinberg«, sagt<br />
Lo Mauro, »sie haben uns hundert Jahre alte, liebevoll gepflegte<br />
Reben übergeben. Aber sie waren keine guten Weinmacher.«<br />
Es dauerte auch eine Weile, bis Franchetti das reichhaltige Erbe<br />
vor seinen Augen wirklich erkannte. Den ursprünglichen Plan,<br />
Petit Verdot mit autochthonen Sorten zu verschneiden, verwarf<br />
er nach ein paar Lesen wieder und begann 2004, reinsortigen<br />
Nerello Mascalese zu keltern. Diese wichtigste Rebsorte am<br />
Ätna ergibt einen Rotwein, so blassrot und säurereich, wie man<br />
das eher in der Schweiz, im Jura oder in Deutschland erwarten<br />
SIZILIEN <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 105
DANIEL DECKERS<br />
WEIN UND KRIEG<br />
IN EUROPAS MITTE<br />
DAS SCHICKSAL DER ANBAUREGION SÜDMÄHREN<br />
Wenn in Deutschland die Rede auf »Wein und Krieg« kommt, ist meist das Buch dieses<br />
Titels gemeint, das vor zwei Jahrzehnten die »fast unglaubliche Geschichte von dem Widerstand<br />
der Franzosen gegen die Weinbeschlagnahmungen Hitlers« zu erzählen vorgab. Jenseits<br />
dieser fragwürdigen Sammlung mündlicher Berichte hat das Thema Wein und Krieg im<br />
deutschen Sprachraum und darüber hinaus nicht viel Aufmerksamkeit gefunden, weder in<br />
der Wissenschaft noch im populären Sachbuch. Dabei prägen die Kriege des 20. Jahrhunderts<br />
das kollektive Gedächtnis unseres Kontinents bis heute wohl stärker als alle anderen Ereignisse<br />
zusammengenommen.<br />
124 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> WEIN & ZEIT
WEIN & ZEIT XLVIII<br />
Eine europäische Geschichte dieser Zeitspanne<br />
im Zeichen von Wein und Krieg erschöpfte<br />
sich freilich nicht in einer Rekonstruktion<br />
von Ereignissen der ersten Jahrhunderthälfte – und<br />
selbst wenn, dann nicht in einer Reduktion auf die<br />
vielfältigen Verflechtungen zwischen Deutschland<br />
und Frankreich. Denn nicht nur der Westen des<br />
Kon tinents war Europa und nicht der Rhein die geopolitische<br />
Achse, um welche die politisch am stärksten<br />
aufgeladenen Kraftfelder rotierten. Europa war<br />
alles zwischen Atlantik und Schwarzem Meer, und<br />
seine politisch-kulturelle Nord-Süd-Achse bildete<br />
seit dem 18. Jahrhundert die Linie Berlin-Dresden-<br />
Prag-Wien-Budapest. Ebenso war und ist Weinbau<br />
in Mittel- und Osteuropa nicht minder selbstverständlich<br />
ein Teil der Lebenswelt wie im Westen und<br />
Süden. Es wäre deshalb nur angemessen, in diesem<br />
Zusammenhang neben der westlich-atlantischen<br />
und der mediterranen Weinkultur auch jene in den<br />
östlich-kontinentalen Regionen in den Blick zu<br />
nehmen, vor allem in jenen Staaten, die in den Jahren<br />
1918/1919 aus der Kon kursmasse des Habsburgerreiches<br />
hervorge gangen waren.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts besaß die österreichisch-ungarische<br />
Doppelmonarchie mehr be stockte<br />
Fläche als jedes andere Land der Welt – in einem<br />
Raum, der sich von der böhmisch-sächsischen Grenze<br />
im Norden bis zu den Küsten im Süden und von Tirol<br />
beiderseits des Alpenhauptkamms im Westen über<br />
das sogenannte Karpathorussland, Siebenbürgen<br />
und Bessarabien bis ans Schwarze Meer erstreckte.<br />
Bei aller Verschiedenheit von Geologie, Klima und<br />
Rebsatz prägte den Weinbau in diesem Gebiet ein<br />
Netzwerk von Fachleuten, die in den drei höheren<br />
Lehranstalten Klosterneuburg (Niederösterreich),<br />
Marburg an der Drau (Untersteiermark, heute das<br />
slowenische Maribor) und San Michele (Italienisch-<br />
Tirol) ausgebildet worden waren.<br />
sämtlichen Himmelsrichtungen meistens in deutscher<br />
Sprache immer wieder gemeinsam Fachfragen<br />
verhandelt, so standen nunmehr national gesinnte<br />
Regierungen in Prag, Budapest oder Sofia vor der<br />
Aufgabe, den Fortbestand des Weinbaus als eines<br />
mal mehr, mal weniger bedeutenden Teils der Volkswirtschaft<br />
zu sichern.<br />
Es wäre allerdings zu ideologisch-kurzsichtig,<br />
Zäsuren lediglich in der Entstehung neuer Staaten<br />
nach 1918 sowie in der Machtübernahme der Kommunisten<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg mit der nachfolgenden<br />
Kollektivierung der Landwirtschaft zu<br />
sehen. Eine derartige Betrachtung überginge den entscheidenden<br />
Akteur, nämlich die Weinbau treibende<br />
Bevölkerung. Die aber war in der Doppelmonarchie<br />
beziehungsweise in deren Nachfolgestaaten bei<br />
allen alltagspraktischen Gemeinsamkeiten keine<br />
homogene Gruppe, deren Mitglieder sich allenfalls<br />
durch regional-kulturelle Eigenheiten voneinander<br />
abgehoben hätten.<br />
Von Nordböhmen über Südmähren und der<br />
Region entlang der Kleinen Karpaten über Westungarn<br />
und die Untersteiermark bis nach Siebenbürgen<br />
und Bessarabien lag der Rebbau im frühen<br />
20. Jahrhundert noch immer zu einem erheblichen<br />
Teil in den Händen der Nachfahren von Kolonisten<br />
deutscher Muttersprache, von denen die ersten im<br />
Hochmittelalter gezielt angeworben worden waren.<br />
In den neuen Staaten mit tschechischer, ungarischer,<br />
rumänischer und südslawischer Mehrheit waren sie<br />
nunmehr Minoritäten, deren Rechte unterschiedlich<br />
gut geschützt waren. Diese Phase währte jedoch<br />
kaum zwei Jahrzehnte. <strong>Das</strong> Jahr 1938 markierte mit<br />
der Annexion des sogenannten Sudetenlandes den<br />
Beginn des gewaltsamen Versuchs Nazi-Deutschlands,<br />
die Bevölkerungsstruktur in Mittel- bis Südosteuropa<br />
auf Kosten der als »rassisch minderwertig«<br />
verfemten slawischen Völker und erst recht der<br />
europäischen Juden zu verändern. Im Gegenzug war<br />
es dann nach 1945 um die deutschen Minderheiten<br />
in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien<br />
und Jugoslawien geschehen.<br />
Flucht und Vertreibung Millionen Deutscher<br />
sowie die Ansiedlung neuer Gruppen in nunmehr<br />
weitgehend entvölkerten Regionen veränderten<br />
aber nicht nur das soziale Gefüge im Allgemeinen.<br />
Besonders betroffen waren einige vom<br />
Weinbau geprägte Gebiete, allen voran in der wiederentstandenen<br />
Tschechoslowakei. Denn unter den<br />
beinahe drei Millionen Deutschen, davon etwa<br />
zwei Drittel Frauen und Kinder, die 1945 aus dem<br />
Sudetenland und den Kleinen Karpaten flohen, in<br />
ihrer Heimat ermordet oder von dort »wild« oder<br />
»geregelt« ver trieben wurden, waren diejenigen<br />
Familien, die zum Teil seit Jahrhunderten die Träger<br />
des Weinbaus gewesen waren.<br />
Nicht, dass in Südmähren nach 1945/46 keine<br />
Reben mehr gewachsen wären. Der tschechische<br />
Historiker Martin Markel hat vor einigen Jahren<br />
sogar eine Geschichte des dortigen Weinbaus vorgelegt,<br />
die im Unterschied zu den Darstellungen<br />
In ganz Europa traumatisierten<br />
Mehltau und Reblaus die Winzer<br />
Anlass zur Gründung dieser Einrichtungen war eine<br />
traumatische, aber wiederum West und Ost verbindende<br />
Erfahrung gewesen: <strong>Das</strong>s die europäische<br />
Edelrebe den drei aus Nordamerika eingeschleppten<br />
Schädlingen Echter Mehltau, Reblaus und Falscher<br />
Mehltau nichts entgegenzusetzen hatte, ließ die<br />
Zukunft des Weinbaus und damit die wirtschaftliche<br />
Existenz von Millionen Europäern seit der Mitte<br />
des 19. Jahrhunderts ungewiss erscheinen. Der Rückgang<br />
der Rebfläche fast überall auf dem Kontinent<br />
war allerdings nicht allein die Folge einer toxischen<br />
Kombination aus höheren Bewirtschaftungskosten<br />
und oft niedrigen Erträgen; die Landflucht und die<br />
Konkurrenz der gut zahlenden Industrie forderten<br />
ebenfalls ihren Tribut.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg war der ursprünglich<br />
mehr oder weniger offene mittel- und osteuropäische<br />
Er fahrungsraum nun ebenso von nationalstaatlichen<br />
Grenzen durchzogen wie seit Langem<br />
der Westen. Hatten seit dem ersten österreichischen<br />
Weinbaukongress im Jahr 1873 Fachleute aus<br />
Auf dieser Karte von 1924 scheinen die rosa unterlegten<br />
Weinbaugebiete über alle Grenzen hinwegzufließen<br />
WEIN & ZEIT <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 125
<strong>FINE</strong> DAS WEINMAGAZIN 4|<strong>2023</strong> erscheint<br />
im Dezember <strong>2023</strong><br />
… voraussichtlich mit diesen Themen: KALIFORNIEN Die Vérité Winery von Jackson<br />
Family Wines sowie Kendall-Jackson in Sonoma County und Freemark Abbey im<br />
Napa Valley MOSEL Die großen Riesling-Güter Joh. Jos. Prüm und Dr. H. Thanisch<br />
RHEINGAU Wie Wilhelm Weil in Kiedrich das Erbe seines Urgroßvaters Robert Weil<br />
pflegt CHAMPAGNE Neues aus den Häusern Laurent-Perrier, Möet & Chandon und<br />
Lanson SÜDTIROL Die Geschichte des spektakulären Gewürztraminers Epokale<br />
SÜDAFRIKA Die Güter Uva Mira, Stark-Condé und Kanonkop AUSTRALIEN<br />
Penfolds – mehr als nur der Grange DAS GROSSE DUTZEND Der Poggio Valente<br />
der Fattoria Le Pupille WEINBRAND <strong>Das</strong> Cognac-Haus Gautier: Tradition seit 1644<br />
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase isst bei Denis und Kathrin Feix im Marburger<br />
Esszimmer WEIN & ZEIT Slowakei: Weinbau an den Hängen der Kleinen Karpaten<br />
KOLUMNEN von Ursula Heinzelmann und Stuart Pigott<br />
142 <strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong>
DAS MAGAZIN FÜR WEIN UND GENUSS<br />
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<strong>FINE</strong> 3 | <strong>2023</strong> 143