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FINE Das Weinmagazin - Weinwissen

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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />

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3 / 2013 Deutschland € 15<br />

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DAS WEINMAGAZIN<br />

Stuart Pigott: United States of Riesling<br />

Jürgen Dollase im Belle Epoque<br />

Wein und Zeit: Weinbau in Sachsen<br />

Frauen im Wein: Cathy Corison<br />

Chateau de Beaucastel und die Familie Perrin<br />

<strong>Das</strong> Weingut Maximin Grünhaus<br />

Tommaso Cavalli und seine Tenuta degli Dei<br />

Ca’ del Bosco und Bellavista<br />

Zu neuem Leben erwacht: Müller-Thurgau<br />

D I E L E G E N D E P E T R U S


CHRISTIAN GÖLDENBOOG: WIE WEIN GEDEIHT<br />

Eintel, Magnum, Doppelmagnum und<br />

Impériale: Beim Anblick von Großformaten<br />

solch edler Weine weiten<br />

sich dem Liebhaber die Pupillen.<br />

Foto: Guido Bittner<br />

120<br />

F I N E 3 / 2013


FOLGE SIEBEN: ÜBER FLASCHENFORMATE<br />

VON QUART<br />

BIS MELCHISEDEK<br />

DER FAVORIT HEISST MAGNUM<br />

Natürlich waren die Franzosen die Ersten,<br />

die sich über Modelle, Formen und<br />

Fassungs vermögen ihrer Weinflaschen Gedanken<br />

machten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die<br />

Fillette­ Flasche, die in der Region um Anjou im<br />

unteren Loire­Tal sehr populär war: Aus praktischen<br />

Gründen, denn die Halbflasche Muscadet<br />

mit einem Inhalt von fünfunddreißig Zentilitern<br />

stellt eine gute Größe für jemanden dar, der<br />

abends noch nüchtern ins Bett möchte. Kodifiziert<br />

wurden Flaschengrößen in Frankreich erstmalig<br />

am 8. März 1735: Für die Champagne verfügte<br />

Louis XV., dass eine Flasche eine »Pinte de<br />

Paris« enthalten müsse. Diese alte französische<br />

Maßeinheit, sie wurde erst sechzig Jahre später<br />

durch die Einführung des metrischen Systems<br />

ersetzt, betrug 952,146 Milliliter. Gleichzeitig<br />

legte der König fest, dass es auch halbe (eine<br />

Chopine) sowie Viertelflaschen (ein Demiard)<br />

geben könne, aber auch Doppel­Pinten (ein<br />

Quade) oder größer. Die Anregung dazu kam<br />

aus England: Die höfische Gesellschaft der Insel<br />

war berühmt für ihren Wunsch nach sprudelnden<br />

Großflaschen. Der Begriff Magnum wurde<br />

dann auch nach der Einführung des metrischen<br />

Systems in England kreiert.<br />

Im Lauf der Zeit pendelte sich das Format einer<br />

Normalflasche bei siebzig bis achtzig Zenti litern<br />

ein. Seit 1977 ist die 0,75­Liter­Flasche EU­Norm.<br />

Dies ist die perfekte Größe für einen Wein, der<br />

auch irgendwann getrunken werden will und muss.<br />

In kleineren Flaschen setzt die Reife entwicklung<br />

schneller ein, in größeren geht sie langsamer vonstatten.<br />

So verwundert es nicht, dass vor allem<br />

in drei Weinregionen Frankreichs zügig größere<br />

Flaschen formate zum Einsatz kamen: Während im<br />

eher traditionsorientierten Burgund die Magnum<br />

mit ihren anderthalb Litern Fassungsvermögen<br />

schon als Höchstes der Trinkgefühle gilt, stellten<br />

in der Champagne und im Bordelais bereits im<br />

19. Jahr hundert die Drei­ Liter­Flaschen eine feste<br />

Größe dar. Neben der Doppelmagnum und der<br />

Jeroboam (vier einhalb Liter) hat sich im Bordelais<br />

als fülligstes Objekt der Begierde die Impériale<br />

etabliert. Doch werden diese Groß formate eher<br />

selten abgefüllt, nicht zuletzt deshalb, weil für<br />

deren Genuss ein großer Kreis von Kennern eingeladen<br />

werden muss. Michael Broadbent etwa,<br />

ehe maliger Direktor der Weinabteilung des<br />

Londoner Auktions hauses Christie’s, verspottete<br />

einmal die acht Normalflaschen fassende<br />

Impériale als spekulatives Handelsobjekt, als<br />

eine Flasche, die nicht gefüllt wird, »um eines<br />

Tages auch wieder geleert zu werden«. In der<br />

Tat stellen die Bordeaux­ Großflaschen, die<br />

Grands Formats, in denen der Wein über Jahre<br />

langsam reift, ein prestigeträchtiges Handelsgut<br />

bei Auktionen dar. Doch habe ich einen<br />

guten Bekannten, der darauf schwört, dass ein<br />

Schluck aus einer dreißig Jahre alten Château<br />

Lafite Rothschild Impériale das Seidigste war,<br />

was jemals seinen Gaumen umspülte. Und Jean­<br />

Baptiste Lecaillon, der als Roederer­ Kellermeister<br />

auch ein wachsames Auge auf die Aktivitäten<br />

von Château Pichon Longueville Comtesse de<br />

Lalande wirft, schwärmt von der Frische, die<br />

eine Impériale Pichon Comtesse von 1972 noch<br />

nach vierzig Jahren hatte: »Es war ein Erlebnis,<br />

vor allem, weil der Wein paradigmatisch für<br />

einen Pauillac dieser Zeit war: Heller in der Farbe<br />

als heute, auch die Frucht war nicht so reif wie<br />

heutzutage, sehr weich, samtige Tannine, und<br />

dies trotz des pfeffri gen Cabernets.«<br />

Natürlich stellen für einen festiven Munter macher<br />

wie den Champagner sechs Liter nicht das Ende<br />

der gläsernen Gigantomanie dar: Wer die Formel­<br />

Eins­Siegerehrungen aus dem Fernsehen kennt,<br />

F I N E<br />

W E I N W I s s E N<br />

121


Piccolo, Demi, Bouteille, Magnum und Jeroboam:<br />

Champagner hat abweichende Bezeichnungen<br />

für einige Großflaschen – so heißt das Drei­Liter­<br />

Gefäß nicht Doppelmagnum, sonder Jeroboam,<br />

ein Flaschenmaß, das im Bordeleais viereinhalb<br />

Liter fassen muss. Aber was immer Weinsammler<br />

bevorzugen – dem Genießer gilt bei Wein wie bei<br />

Champagner die Magnum als das Ideal.<br />

Foto: Moët & Chandon<br />

122<br />

F I N E 3 / 2013


der weiß, dass manche dieser Übergrößen leider<br />

nur dazu dienen, an prominenter Stelle sinnlos<br />

in die Menge gespritzt zu werden. In der Champagne<br />

existiert eine ausge klügelte gesetzlich<br />

festgelegte Nomenklatur der Flaschen formate.<br />

Hier kann der distinguierte Trinker auf insgesamt<br />

vierzehn unter schiedliche Größen zurückgreifen,<br />

beginnend bei Quart (zwanzig Zenti liter) und<br />

Demi. Je größer das Fassungsvermögen, desto<br />

präsenter werden die königlich­biblischen Gestalten:<br />

Jeroboam (drei Liter, anders als im Bordelais),<br />

Rehoboam (viereinhalb Liter), Methusalem<br />

oder Impériale (sechs Liter), Salmanazar (neun<br />

Liter), Balthazar (zwölf Liter). Dem babylonischen<br />

König Nebukadnezar bleibt die Fünfzehn­<br />

Liter­Flasche gewidmet, und neuerdings gibt es<br />

gar ein Ungetüm namens Melchisedek, das mir<br />

allerdings noch nie begegnet ist, mit dreißig<br />

Litern Fassungsvermögen.<br />

Aber auch in der Champagne sind es in<br />

erster Linie 0,75­Liter­Normalflaschen,<br />

die auf den Markt kommen. Wenn diese Standardflaschen<br />

mit dem Brut ohne Jahrgang die Kellereien<br />

verlassen, haben sie im Prinzip ihre optimale<br />

Reife erreicht. <strong>Das</strong>s dieser Champagner<br />

durch weitere Lagerung im privaten Keller besser<br />

würde, ist ein Aberglaube. Wenn ein Brut ohne<br />

Jahrgang nach drei Jahren degorgiert wird und<br />

dann noch drei bis sechs Monate ruht, ist er im<br />

allgemeinen in einem perfektem Trinkzustand.<br />

Bei Jahrgangschampagnern wird die Sachlage<br />

komplizierter: Hier hängt es sowohl vom konkreten<br />

Jahr als auch vom Hersteller ab, ob und<br />

wie lange man die 0,75­Liter­Flaschen noch im<br />

eigenen Keller einlagern kann. Mein Ratschlag:<br />

Wer Jahrgangschampagner kauft, um ihn noch<br />

reifen zu lassen, sollte stets auf die Magnum<br />

zurück greifen. So sieht es auch Benoît Gouez,<br />

Kellermeister von Moët & Chandon: »Ich bevorzuge<br />

Champagner in Magnums gegenüber anderen<br />

Formaten. Die Evolution des Weins vollzieht<br />

sich hier langsamer, und seine Reifung ist<br />

auch harmonischer als in der Normalflasche. Bei<br />

einer Magnum ist die Größe des Flaschenhalses<br />

identisch mit der einer Normal­ oder einer Halbflasche.<br />

Daher verbleibt während des Degorgierens<br />

die gleiche Menge Sauerstoff unter dem<br />

Hals. Zugleich ist die Möglichkeit der Sauerstoffdurchlässigkeit<br />

bei all diesen drei Formaten dieselbe,<br />

aber da eine Magnum doppelt so viel Wein<br />

enthält wie eine Standardflasche, ist die Oxidation<br />

zweimal geringer.«<br />

Die Oxidation vollzieht sich also wesentlich langsamer,<br />

und dies kann man etwa bei einem Jahrgang<br />

wie dem 1996er sehr gut beobachten:<br />

Während dieser wegen seiner hohen Säure werte<br />

einst so hochgejubelte Vintage in den meisten<br />

Standardflaschen inzwischen eher müde daherkommt,<br />

kann er in einer Magnum noch zu einer<br />

recht frischen Überraschung werden. Erwähnenswert<br />

auch, dass ein Champagner in der Magnum<br />

seine zweite Gärung in der Flasche durch machen<br />

muss, in die absoluten Riesenformate aber wird er<br />

umgefüllt. Dazu Benoît Gouez: »Bei Moët & Chandon<br />

machen wir, wie gesetzlich vorgeschrieben,<br />

die zweite Gärung in der Flasche für alle halben<br />

Formate, Standardformate, Magnums und Jeroboams<br />

durch. Und beim Vintage ist dies auch für<br />

die Methusalems der Fall.«<br />

Der Magnum also gilt die Kaufempfehlung.<br />

<strong>Das</strong> ultimative Argument für diese<br />

Größe, gleichgültig ob Champagner, Riesling oder<br />

Bordeaux, stammt von Christian Renard, dem<br />

trinkfesten Directeur du Vignoble von Champagne<br />

Veuve Clicquot: »Gut ist eine Magnumflasche<br />

für zwei Personen, aber nur, wenn eine<br />

davon nicht zu viel trinken will oder kann. Am<br />

allerbesten ist daher eine Jeroboam für zwei<br />

Personen«, erklärte er mir einmal, um dann hinzuzufügen:<br />

»Aber natürlich trinken wir nicht, wir<br />

degustieren.« Und prompt zauberte er, da wir<br />

beide gern viel trinken, aus irgendeinem Reimser<br />

Kühlschrank eine am Vortag geöffnete Jeroboam<br />

Grande Dame Rosé 1988 hervor, um die Gläser<br />

für große Degustationsschlucke zu füllen. Auch<br />

dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil von<br />

Großflaschen: Gut gekühlt und verschlossen sind<br />

sie einfach länger zu genießen. ><br />

F I N E<br />

W E I N W I s s E N<br />

123


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