29.09.2023 Aufrufe

Seltene Erkrankungen

In der Schweiz leben zirka 600'000 Menschen mit einer seltenen Krankheit. Oft fühlen sich Patient:innen aufgrund ihrer Erkrankung allein. Ziel der Kampagne «Seltene Krankheiten» ist es, das Netzwerk Betroffener zu stärken sowie durch gezielte Wissensvermittlung das Bewusstsein von Angehörigen, Fachpersonen und der allgemeinen Bevölkerung für seltene Krankheiten zu schärfen.

In der Schweiz leben zirka 600'000 Menschen mit einer seltenen Krankheit. Oft fühlen sich Patient:innen aufgrund ihrer Erkrankung allein. Ziel der Kampagne «Seltene Krankheiten» ist es, das Netzwerk Betroffener zu stärken sowie durch gezielte Wissensvermittlung das Bewusstsein von Angehörigen, Fachpersonen und der allgemeinen Bevölkerung für seltene Krankheiten zu schärfen.

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MEDIAPLANET | 9<br />

Schmetterlingsfrühchen Amir:<br />

Eine Geschichte der Hoffnung<br />

und Unterstützung<br />

Am Tag des 30.<br />

November letzten<br />

Jahres merkte ich<br />

schon mittags, dass<br />

etwas anders war. Da ich erst<br />

in der 33. Schwangerschaftswoche<br />

war, rief ich im Spital<br />

an, ob ich mich untersuchen<br />

lassen könnte. Kurz darauf<br />

fuhr ich in die Frauenklinik<br />

und um 3.04 Uhr kam Amir per<br />

Kaiserschnitt zur Welt.<br />

Man sagte mir schon vor<br />

der OP, dass man Amir zuerst<br />

in ein Nebenzimmer bringen<br />

würde, wo ihn Kinderärzt:innen<br />

der Neonatologie untersuchen<br />

würden, und ich ihn<br />

danach sehen könnte. Noch<br />

während ich genäht wurde,<br />

durfte mein Mann zu Amir<br />

gehen. Als er wenige Minuten<br />

später zu mir zurückkam, zeigte<br />

er mir besorgt zwei Bilder,<br />

die er von Amir geschossen<br />

hatte und auf denen man sah,<br />

dass ihm Haut an Füssen und<br />

Ellbogen fehlte. Ich weiss nicht<br />

warum, aber ich habe mir da<br />

noch nicht zu viele Gedanken<br />

gemacht. Von der Schmetterlingskrankheit<br />

hatte ich bislang<br />

auch noch nichts gehört.<br />

Dann wurde uns gesagt,<br />

dass Amir aufgrund seines<br />

Zustands in das Kinderspital<br />

Zürich verlegt werden müsse.<br />

Ich sah Amir das erste Mal in<br />

Folie eingewickelt mit Atemmaske<br />

hinter der Scheibe eines<br />

Babybetts für den Krankentransport.<br />

Ohne ihn berührt,<br />

gefühlt oder gerochen zu<br />

haben, musste ich mich von<br />

ihm verabschieden und wurde<br />

Amir ist unser drittes Kind. Amir ist ein Frühchen.<br />

Amir hat Epidermolysis bullosa.<br />

auf die Wochenbettstation<br />

gebracht.<br />

Amir verbrachte insgesamt<br />

35 Tage im Spital. Wir wurden<br />

von Anfang an sehr eng<br />

durch das Pflegepersonal wie<br />

auch die Ärzt:innen betreut.<br />

Schnell hatte sich hier ein<br />

Ärzteteam der Neonatologie,<br />

Intensivstation, Dermatologie<br />

und Kardiologie aufgebaut,<br />

und Mitarbeiter:innen der<br />

Abteilungen Sozialberatung,<br />

Psychologie, Seelsorge wie<br />

auch Physiotherapie boten<br />

ihre Dienste an. In diesen<br />

35 Tagen wurde ich mit einer<br />

Fülle an Informationen über<br />

EB, Amirs Herzerkrankung,<br />

seinen Frühgeborenenstatus<br />

von Expert:innen überschüttet.<br />

Der gut gemeinte Rat der<br />

Ärzt:innen, den sie mir nach<br />

der Diagnosestellung gaben,<br />

war, die Krankheit nicht<br />

zu googeln. Zurück auf der<br />

Wochenbettstation gab ich<br />

Epidermolysis bullosa in mein<br />

Handy ein und ich sah mir das<br />

FOTO: ZVG<br />

erste Video an, das ich fand.<br />

Wenn man wie ich noch keine<br />

Berührungspunkte mit einem<br />

seltenen Gendefekt hatte, fühlt<br />

man sich sehr hilflos und muss<br />

schauen, wohin mit seinen<br />

Gefühlen. Ich weinte die ganze<br />

Nacht mit den neugeborenen<br />

Babys, die ich durch meine<br />

Zimmertür über den Gang<br />

hören konnte, und hatte nichts<br />

und niemanden, der meine<br />

Gefühle auffangen konnte. Was<br />

mir zwischen den ganzen Arztgesprächen,<br />

Verbandswechseln,<br />

dem Milchabpumpen,<br />

Warten, Bangen und Recherchieren<br />

von Informationen im<br />

Internet gefehlt hatte, war eine<br />

Gesprächsperson, die wirklich<br />

verstand, welche Ängste ich<br />

durchlebte und welche Fragen<br />

mir durch den Kopf schossen.<br />

Hier hätte ich mir gewünscht,<br />

dass ich mich eher an DEBRA<br />

gewandt hätte und somit sofort<br />

eine Ansprechperson gehabt<br />

hätte. Eine stille Umarmung<br />

von einer Mutter, die schon<br />

das hinter sich hatte, was mir<br />

noch bevorstünde, hätte mir<br />

Hoffnung und Mut gemacht,<br />

dass alles gut kommen würde.<br />

Es ist nicht zu unterschätzen,<br />

was eine Patientenorganisation<br />

für Betroffene und ihre<br />

Angehörigen leisten kann.<br />

Sicherlich, Amir war ärztlich<br />

gut versorgt – da muss man<br />

sich in der Schweiz keine<br />

Sorgen machen.<br />

Da aber die Krankheit so<br />

selten ist, dass sogar unter<br />

Ärzt:innen und Pflegepersonal<br />

zu wenig Erfahrungswerte<br />

DEBRA Schweiz ist seit 1998<br />

die Patientenorganisation für<br />

Menschen, die mit Epidermolysis<br />

bullosa (EB) leben.<br />

Für die Betroffenen und deren<br />

Angehörige bietet DEBRA<br />

Schweiz Unterstützung bei der<br />

Bewältigung des Alltags durch<br />

Beratung oder gezielte unparteiische<br />

Finanzierung, wenn die<br />

Sozialversicherungen die Kosten<br />

nicht übernehmen, zum Beispiel<br />

bei Hilfsmitteln.<br />

DEBRA Schweiz bietet ein<br />

Netzwerk zum Erfahrungs- und<br />

Informationsaustausch. An<br />

organisierten Weiterbildungen<br />

und Workshops kommen die betroffenen<br />

Familien untereinander<br />

in Kontakt. Die Fachpersonen<br />

tauschen ihr Wissen aus und es<br />

wird über internationale Erkenntnisse<br />

informiert.<br />

DEBRA Schweiz arbeitet mit<br />

dem EB-Kompetenzzentrum am<br />

Universitätsspital Bern (EB-Insel)<br />

sowie dem Kinderspital Zürich<br />

zusammen. DEBRA Schweiz ist<br />

Mitglied bei DEBRA International<br />

sowie ProRaris, dem Dachverband<br />

für seltene Krankheiten in<br />

der Schweiz.<br />

DEBRA Schweiz ist als gemeinnützig<br />

anerkannt. Spenden<br />

an DEBRA Schweiz können bei<br />

den Steuern in Abzug gebracht<br />

werden.<br />

DEBRA Schweiz<br />

Bahnhofstrasse 55<br />

5001 Aarau<br />

T +41 62 836 20 90<br />

sekretariat@schmetterlings<br />

kinder.ch<br />

www.schmetterlingskinder.ch<br />

vorhanden sind, um alltagstaugliche<br />

Lösungen und Tipps<br />

an die Betroffenen und ihre<br />

Familien weitergeben zu<br />

können, ist eine solche<br />

Patientenorganisation<br />

unerlässlich. DEBRA schliesst<br />

hier eine Lücke, die von<br />

keinem Ärzteteam oder einer<br />

sonstigen Institution gefüllt<br />

werden könnte. Daher möchte<br />

ich allen Ehrenamtlichen für<br />

ihr Engagement danken.

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