Fine_415_Rheingau-Pinot
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E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />
DEUTSCHLAND • ÖSTERREICH • SCHWEIZ • SKANDINAVIEN • GROSSBRITANNIEN • USA • AUSTRALIEN<br />
4| 2015 Deutschland € 15<br />
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Schweiz chf 30,00<br />
DAS WEINMAGAZIN<br />
Frauen im Wein: Gesine Roll<br />
Jürgen Dollase im Arlberg-Hospiz<br />
Wein und Zeit: Carl Zuckmayer und Nackenheim<br />
Grosse Gewächse 2014<br />
Burgund: Die Domaine Dujac<br />
Gruaud-Larose: Acht Jahrzehnte<br />
Australien: Barossa Valley<br />
Toskana: San Giusto a Rentennano<br />
<strong>Rheingau</strong>: <strong>Pinot</strong> Noir<br />
S A S S I C A I A
RHEINGAUER<br />
PINOT<br />
NOIR<br />
Auf der Suche nach dem neuen deutschen Spätburgunder<br />
Von Stefan Pegatzky Fotos Christof Herdt<br />
Der <strong>Rheingau</strong> ist eine historische Keimzelle des Rotweinanbaus in Deutschland und<br />
galt lange Zeit auch international als führende Herkunftsregion für deutschen Spätburgunder.<br />
Irrwege seit den 1960er Jahren ließen den Kontakt zu dieser großen Tradition<br />
fast ab reißen. Drei Quereinsteiger in Sachen Rotwein stellen sich nun dem großen Erbe:<br />
Tom Drieseberg als neuer Mitinhaber des Weinguts Krone in Assmannshausen, Günter<br />
Schulz und sein Betriebsleiter Michel Städter vom Weingut Chat Sauvage in Geisenheim<br />
Johannisberg und Fred Prinz vom Weingut Prinz in Hallgarten. Es ist eine Aufgabe, die<br />
bereits viel versprechende Resultate gezeitigt hat, von der aber keiner der drei heute genau<br />
weiß, wohin sie ihn führen wird.<br />
Vom Schlossberg bei Lorch, der nördlichsten Lage<br />
des Johannisberger Weinguts Chat Sauvage, geht<br />
der Blick über die Rheininsel Lorcher Werth zum<br />
jenseitigen Ufer des Stroms.<br />
14 15<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
Wer über Spätburgunder im <strong>Rheingau</strong><br />
schrei ben will, muss mit Assmannshausen<br />
beginnen. Das bedeutet für<br />
den Besucher, das sanft gewellte Hügelland zu verlassen<br />
und sich rheinabwärts aufzumachen gen<br />
Norden. Nach der Flusskrümmung bei Rüdesheim<br />
wird, wie Hugh Johnson es nennt, »alles anders«.<br />
Der mächtige Taunuskamm, ein Aus läufer des<br />
Rheinischen Schiefer gebirges, dringt nun bis zum<br />
Flussufer vor und schnürt den Weinbau gemeinsam<br />
mit dem Flussbett des Rheins geradezu ab.<br />
Auf Rüdesheim mit seinem Drosselgassentrubel,<br />
aber auch der weinmajestätischen Herrlichkeit von<br />
Berg Schlossberg folgen Gestrüpp, Schotterstreu<br />
und Terrassenreste: alte, längst nicht mehr bewirtschaftete<br />
Grenzertrags flächen. Und mit einem<br />
Mal wird der Blick frei auf das Mittelrheintal, mit<br />
seinen hohen Burgen und einer solch ernsten Waldeinsamkeit,<br />
dass man fast erleichtert ist, wenn man<br />
kurze Zeit später wieder auf die ersten Weinberge<br />
und schließlich auf Besiedlung triff: das malerische<br />
Assmannshausen.<br />
Man muss hier beginnen, nicht um Rheinromantik<br />
zu beschwören, sondern um sich vielmehr<br />
klarzumachen, dass es diese im wahrsten Sinne<br />
»exzentrische« Lage ist, der sich der heutige <strong>Rheingau</strong>er<br />
Spätburgunder verdankt. Vermutlich haben<br />
Zisterziensermönche <strong>Pinot</strong>NoirReben aus Burgund<br />
in den <strong>Rheingau</strong> gebracht, für Assmannshausen<br />
ist die hier auch »Klebrot« genannte<br />
Rebsorte erstmals 1507 nachgewiesen. Tatsächlich<br />
wuchsen im 16. Jahrhundert im <strong>Rheingau</strong> sehr viele<br />
Rotweinreben, freilich oft nur sehr mäßige Sorten<br />
wie etwa der »Grobrot«. Während im 17. und<br />
18. Jahrhundert im übrigen <strong>Rheingau</strong> der Riesling<br />
seinen Siegeszug antrat, der in fast sämtlichen Lagen<br />
auf zumeist klösterliche Initiative den vormaligen<br />
Rebbestand substituierte, blieben in Assmannshausen<br />
und im noch nördlicher gelegenen Lorch<br />
die Rotweinreben erhalten, da und dort gewann<br />
der Spätburgunder sogar an Boden. Nicht zuletzt<br />
auch deshalb, weil in den abgelegenen Ortschaften<br />
die Kleriker wenig Einfluss hatten.<br />
Seit 1740 überwog jedenfalls der »Klebrot«<br />
in der herausragenden Assmannshäuser Ortslage<br />
Höllenberg, die sich in südlicher Exposition<br />
an den scharfen Einschnitt des Höllenbachtals<br />
anschmiegt. Schon 1765 beantwortete der<br />
Kurmainzer Hofrat und Geisenheimer Weingutsbesitzer<br />
Karl Anton von Vorster in seiner Schrift<br />
»Der <strong>Rheingau</strong>er Weinbau« die Frage, wo denn<br />
im <strong>Rheingau</strong> die Anpflanzung der roten Burgundertrauben<br />
eingeführt sei: »In Assmannshausen<br />
und Lorch«, wobei zwischen beiden Standorten<br />
ein sehr großer Unterschied bestehe, weil »der<br />
erstere zum Gegentheil des letzteren so theuer verkauft<br />
wird als der beste Burgunder«. 1856 sollte<br />
dann der Apotheker und Weinbaupionier Johann<br />
Philipp Bronner in seinem Standardwerk über »Die<br />
Bereitung der Rothweine und deren zweckmäßigste<br />
Behandlung« den Assmannshäuser als den besten<br />
Rotwein Deutschlands bezeichnen.<br />
Damit war schon früh die Messlatte und die<br />
Blickrichtung vorgegeben, zu der auch heute noch<br />
jede Diskussion über deutschen Spät burgunder<br />
früher oder später führt: die <strong>Pinot</strong> Noirs des Burgund.<br />
Denn anders als der Riesling war <strong>Pinot</strong> Noir<br />
eine französische Traube. Natürlich lässt sich einwenden,<br />
dass sich deutscher Spätburgunder und<br />
burgundischer <strong>Pinot</strong> Noir in fast allem vonein ander<br />
unterscheiden: in den Böden, im Klima, durch die<br />
verwendeten Klone, durch die Erziehungsform der<br />
Reben, in den Methoden der Kellermeister. Aber<br />
das ist gewissermaßen unhistorisch gedacht. Wenn<br />
zum vielstrapazierten Begriff des »Terroirs« nicht<br />
nur der Boden oder die Lage gehört, auf der der<br />
Wein wächst, sondern auch der »kulturelle Raum«,<br />
in dem der Wein angebaut wird, dann ist der Bezug<br />
zu Frankreich jedem <strong>Rheingau</strong>er Spätburgunder<br />
von Beginn an eingeschrieben.<br />
Dazu muss man nur am Rheinufer in Assmannshausen<br />
Richtung Westen blicken: Am anderen Ufer,<br />
dem berühmten Hotelrestaurant Krone gegenüber,<br />
stand jahrhundertelang das »Franzosenhaus«,<br />
heute eine Ruine, das auch daran erinnert,<br />
dass der Rhein immer wieder einmal Grenzfluss<br />
zwischen Deutschland und Frankreich war. Und<br />
dann steht da natürlich das Niederwald denkmal<br />
zwischen Assmannshausen und Rüdesheim, das<br />
an den DeutschFranzösischen Krieg und die<br />
Reichs einigung von 1871 gemahnt. Eine fast vierzig<br />
Meter hohe Germania hält hier die »Wacht am<br />
Rhein« vor der Gefahr aus dem Westen, vor der<br />
auch schon Georg Herwegh in seinem »Rheinweinlied«<br />
dreißig Jahre zuvor gewarnt hatte: »Und<br />
wenn ihr Franken kommen wollt,| So laßt vorher<br />
euch schreiben:| Hurra! Hurra! Der Rhein,| Und<br />
wär’s nur um den Wein,| Der Rhein soll deutsch<br />
verbleiben!«<br />
Der Rhein ist, zumindest zwischen Rheinstetten<br />
in Baden und Kleve am Niederrhein,<br />
deutsch geblieben. Und deutsch<br />
wurde auch der Spätburgunder. Für diesen nationalen<br />
Sonderweg aber sorgten weniger das Klima<br />
und die Böden als eine unheilige Allianz aus allzu<br />
geschäftstüchtigen Winzern und Kellereien und<br />
den Verbraucherwünschen nach dem Wirtschaftswunder.<br />
Innovationen im Keller (etwa die Maischeerhitzung,<br />
die die Fermentation erheblich abkürzt<br />
und eine deutlich stärkere Farb ausbeute bei<br />
wesentlich weniger Tanninextraktion erreicht)<br />
wie im Weinberg (Selektionen auf stark tragendes,<br />
groß beeriges Klonmaterial – damit wurde<br />
bereits im Dritten Reich begonnen – sowie der<br />
zu nehmende Einsatz von Vollerntemaschinen)<br />
schufen vielerorts massenkompatible bonbon artige<br />
BurgunderKarikaturen.<br />
Doch am verheerendsten wirkte sich die Verbrauchersehnsucht<br />
nach billigen süßen Weinen aus,<br />
die sogleich als Demokratisierung des Weingenusses<br />
missverstanden wurde und sich in entsprechenden<br />
weinbaupolitischen Maßnahmen nieder schlug. So<br />
wurde zu Beginn der sechziger Jahre dem Rotwein<br />
Leitbetrieb der Region, der Domäne Assmannshausen<br />
als Teil der Hessischen Staats wein güter, von<br />
Ministeriumsseite mitgeteilt, dass künftig alle Rotweine<br />
restsüß ausgebaut, also nicht mehr trocken<br />
durchgegoren werden sollten. Diese Richtlinie verknüpfte<br />
sich mit einem Geschmacksbild, das als<br />
»Assmannshäuser Stil« die prägende Rotweinstilistik<br />
der kommenden Jahrzehnte im <strong>Rheingau</strong><br />
werden sollte: eine hellrubinrote Farbe von geringer<br />
Tiefe, die bereits nach wenigen Jahren ins Bräunlich<br />
Orangene changierte, niedrige Alkohol werte, das<br />
weitgehende Fehlen von Tanninen und insbesondere<br />
die Betonung auf der Duftigkeit, der »Blume«<br />
der Weine, mit roten Fruchtaromen und einem spezifischen<br />
Mandel bis Marzipanton.<br />
Die Betriebsleiter legten großen Wert auf<br />
»Bekömmlichkeit« und sprachen gern von der<br />
»zarten Berührung«, die von einem Assmannshäuser<br />
Rotwein statt des »kräftigen Händedrucks«<br />
ausgehen solle. Das aber war schlicht ein grundlegender<br />
Irrtum über das Wesen eines großen Rotweins.<br />
Erst vor kurzem haben Vergleichsproben<br />
mit Jahrgängen vor 1960 gezeigt, welche internationale<br />
Klasse die <strong>Rheingau</strong>er Spätburgunder<br />
einmal be sessen hatten. Nach 1959 waren selbst<br />
Assmanns häuser Spitzenweine zu Rotweinen für<br />
Weißweintrinker geworden, zumal solche der sechziger<br />
und siebziger Jahre. Nicht, dass nicht auch einmal<br />
der eine oder andere große Wein erzeugt worden<br />
wäre, der Qualitätsanspruch zumindest im Staatsweingut<br />
war nach wie vor hoch. Sicher ver kauften<br />
sich diese dünn süßlichen Weine ohne strukturierenden<br />
Holz einsatz, die von vielen Winzern kopiert<br />
wurden, national hervorragend, von den Weinprüfungs<br />
ämtern wurden sie gar als »gebietstypisch«<br />
kanonisiert. Doch damit war der <strong>Rheingau</strong>er Spätburgunder<br />
stilistisch in einer Sackgasse gelandet.<br />
Das trat allerdings erst dann ins allgemeine<br />
Bewusstsein, als der Widerstand gegen das vorherrschende<br />
Geschmacksbild beim Rotwein vernehmlicher<br />
wurde. Mit der zweiten Stufe des deutschen<br />
»Küchenwunders« Ende der siebziger Jahre, als die<br />
sehr Frankreichorientierte »Nouvelle Cuisine« in<br />
Deutschland sich in Richtung einer »Neuen Deutschen<br />
Küche« veränderte, wurde auch der deutsche<br />
Wein nach und nach satisfaktionsfähig. Mit einer<br />
gewissen Verspätung im Vergleich zur Qualitätsrevolution<br />
bei den Weißweinen begannen in verschiedenen<br />
deutschen Anbaugebieten – zunächst<br />
vor allem in Württemberg und in Baden, an der Ahr<br />
und in der Pfalz, seit Mitte der acht ziger Jahre auch<br />
im <strong>Rheingau</strong> – vereinzelte Winzer mit der Neudefinition<br />
des deutschen Spätburgunders, und das<br />
bedeutete für viele: Neuorientierung an einem eher<br />
französischen Burgunderverständnis.<br />
Das machte nach ersten spektakulären Er folgen<br />
trotz mancher Irrwege schnell Schule, und seit<br />
sich herumgesprochen hatte, dass die Rendite<br />
des Winzers beim Spätburgunder etwa dreimal<br />
so hoch ist wie etwa beim Silvaner, wuchs der<br />
Spätburgunder anbau auch flächenmäßig. Mittlerweile<br />
nimmt Deutschland im Kreis der <strong>Pinot</strong>Noir<br />
Erzeuger mit fast zwölftausend Hektar quantitativ<br />
den dritten Platz ein, und auch im <strong>Rheingau</strong> ist die<br />
Fläche von sechzig Hektar im Jahr 1968 auf heute<br />
etwa dreihundert achtzig gewachsen. Nachdem der<br />
heimische Markt auch von der Qualität überzeugt<br />
werden konnte, nahm das Deutsche Weininstitut<br />
(DWI) auch den Export ins Auge, organisierte<br />
einige große Proben in Metropolen wie London<br />
und New York – und sorgte, wie zu erwarten, für<br />
große Überraschungen. Da waren sie endlich: rote<br />
deutsche »world class«Weine.<br />
Bei aller Euphorie über »Germany’s red revolution«<br />
aber sind gerade im Ausland die skeptischen<br />
Stimmen nicht zu überhören. Nicht so sehr<br />
über die Qualität der einzelnen Weine, sondern<br />
Auf dem Assmannshäuser Höllenberg mit<br />
bis zu sechzig Prozent Hangneigung wird<br />
die Arbeit im Weinberg zum Drahtseilakt.<br />
Im <strong>Rheingau</strong> ist der Spätburgunder erstmals<br />
1507 nachgewiesen, der in Assmannshausen<br />
damals »Klebrot« hieß.<br />
über ein fehlendes Band, das die deutschen Spätburgunder<br />
zusammenhalten würde. Master of Wine<br />
Benjamin Lewin, der im Decanter dem Phänomen<br />
des »neuen deutschen <strong>Pinot</strong> Noir« auf den Grund<br />
gehen wollte, musste einsehen, dass es den gar nicht<br />
gibt. Noch nicht einmal, wie ihm ein Gespräch mit<br />
deutschen Winzerlegenden wie Paul Fürst und<br />
Hansjörg Rebholz zeigen sollte, eine gemeinsame<br />
Charakteristik der einzelnen Regionen. Es sei letztlich,<br />
wie ihm die Winzer verdeutlichten, »a matter<br />
of individual producer styles«. Sicherlich lasse sich<br />
mitunter ein recht hoher Alkoholwert ausmachen<br />
und die klassischdeutsche Orientierung an einer<br />
etwas offenen Fruchtigkeit. Aber letztlich machte<br />
Lewin als kleinsten gemeinsamer Nenner deutscher<br />
Rotweine lediglich eine leicht ölige Glycerin note<br />
aus, die dem Abgang eine etwas ober fläch liche<br />
Opulenz verleihe.<br />
Unverkennbar schwebt in Benjamin Lewins<br />
Diagnose ein bedauernder Zug mit. Gewiss<br />
ist er glücklich darüber, dass der traditionelle<br />
deutsche Spätburgundertyp, der im <strong>Rheingau</strong><br />
im Dogma des »Assmannshäuser Stils« gipfelte,<br />
verschwunden ist. Aber soll die Revolution nur<br />
darin bestanden haben, diesen Stil aufzulösen in<br />
ein Nebeneinander von IndividualStilistiken, die<br />
nur persönlichen Vorlieben Rechnung tragen?<br />
Tatsächlich ist diese Frage der Schlüssel zu einem<br />
inter nationalen Erfolg des »<strong>Pinot</strong> Noir with an<br />
Umlaut«, wie die New York Times einmal zum<br />
modernen deutschen Spätburgunder titelte.<br />
Weltweit kaufen Weinfreaks immer einmal<br />
dort, wo sich eine neue Mode zeigt oder einzelne<br />
Winzer herausragende Einzelleistungen vollbringen.<br />
Aber damit sich ein Weintyp (wieder) langfristig in<br />
den Kellern der Sammler und im Bewusstsein der<br />
führenden Sommeliers etabliert, dazu gehört mehr.<br />
Auf diesem Weg hat der Spätburgunder sicherlich<br />
noch ein Stück vor sich.<br />
16 17<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
Weingut Krone<br />
Assmannshausen<br />
Assmannshausen ist in diesen Monaten von Rüdesheim aus noch schwerer zu<br />
er reichen als ohnehin. Das liegt an den Bauarbeiten an der Rheinuferstraße 42:<br />
Hier entsteht ein Geh und Radweg, der die Uferböschung überragen soll. Spötter<br />
sprechen vom »teuersten Balkon des <strong>Rheingau</strong>s«. Zwar gibt es auch einen alten<br />
Treidel pfad, den man hätte nutzen können. Aber der sei halt manchem zu schmal.<br />
Nicht, dass man in Assmannshausen nicht auch andere Probleme hätte. Die<br />
enorme Lärmbelastung durch den Schienenverkehr etwa. Immer weniger Touristen<br />
kommen in den Ort. Und nun auch noch kaum zu erreichen. Die Folgen sind<br />
unübersehbar, Geschäfte und Gastwirtschaften schließen, Häuser stehen leer.<br />
Tom Drieseberg nimmt es gelassen. Man merkt ihm an,<br />
dass er Herausforderungen gewohnt ist. Und dass er an<br />
ihnen wächst. Dabei war sein Weg zum Rotwein winzer<br />
nicht gerade vorgezeichnet. Er arbeitete an der Uni versität<br />
Trier als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und promovierte mit<br />
einer Arbeit über »LebensstilForschung«. Dann wurde er<br />
Marketing leiter der AEG, und 1998, drei Jahre nach seiner<br />
Heirat mit Anja Wegeler, übernahm er die Geschäftsführung<br />
der Weingüter Wegeler in Oestrich und Bernkastel und damit<br />
nicht zuletzt die Verantwortung für zwei Ikonen des deutschen<br />
Rieslings: die Weine aus dem berühmten Bernkasteler Doctor<br />
sowie den »Geheimrat J«, einen der ersten trocknen Spitzenweißweine<br />
aus dem <strong>Rheingau</strong>.<br />
Nach dem Verkauf der Sektkellerei Deinhard, mit der die<br />
Weingüter Wegeler einhundertvierzig Jahre verbunden waren,<br />
musste Tom Drieseberg eigene Vertriebsstrukturen aufbauen,<br />
und er musste lernen, dass die Weinbranche nicht so funktioniert<br />
wie die Großindustrie mit ihren Budget vorgaben,<br />
Quartals berichten und Jahresplanungen. Beim Wein geht es<br />
weniger um Marketing als um Vertrauensbildung und Vernetzung.<br />
Er stieß sich einige Hörner ab und begann, wieder zu<br />
lernen, umzudenken, zu delegieren. Durch seine Motivation,<br />
durch Neugier, Fleiß und Wissen verschaffe er sich Anerkennung.<br />
Dann wurde ihm 2006 ein Weingut in Assmannshausen<br />
zum Kauf angeboten.<br />
Es war nicht irgendein Weingut. Sondern das ursprünglich<br />
zum Hotel Krone gehörende. Das 1541 eröffnete Hotel ist eine<br />
der Legenden der deutschen Hotellerie. Kaiser Wilhelm I. von<br />
Deutschland und Kaiserin Elisabeth (»Sissi«) von Österreich<br />
Ungarn waren hier bewirtet worden, ebenso zahlreiche Künstler,<br />
Politiker und Staatsgäste. Für Assmanns hausen ist die<br />
»Krone«, wie es die Schriftstellerin Eva Demski einmal ausdrückte,<br />
das, was das »Oriental« für Bangkok ist. Ein nationaler<br />
Leuchtturm. Das angeschlossene Weingut ist nur hundert<br />
Jahre jünger. Mitte des 17. Jahrhunderts hatte das Mainzer<br />
Domkapitel die Bewirtschaftung eines Teils des Höllen bergs<br />
an Assmannshäuser Bürger und Gastronomen übertragen,<br />
und für 1772 ist nachgewiesen, dass eine Lieselotte Alberti das<br />
Gasthaus Krone inklusive Bewirtschaftungsrechte im Höllenberg<br />
erwarb. 1860 wurde dann unweit des Gast hauses in der<br />
Nieder waldstraße 2 ein eigenes Weingut mit einem sechzig<br />
Meter langen Naturfelskeller gebaut, der Grundstock des heutigen<br />
Weinguts Krone.<br />
Im 19. und 20. Jahrhundert verwandelte sich Assmannshausen<br />
– das noch 1801 von dem Arzt und Geographen<br />
Friedrich Albert Klebe in seinen Erinnerungen an eine<br />
Rheinreise als »ein elendes Nest voll schmutziger Häuser und<br />
Menschen, die im Schweiße ihres Angesichts den berühmten<br />
roten Wein bauen« bezeichnet worden war – in einen gepflegten<br />
Anziehungspunkt für zahllose Kurgäste, Reisende und Ausflügler.<br />
Doch diese Blüte war welk geworden. Der Kurbetrieb<br />
wurde nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossen, immer seltener<br />
ließen sich Prominenz und Staatsgäste sehen. Und irgendwann<br />
fuhren immer mehr und immer lautere Züge durch das<br />
Städtchen, was den Erholungswert für die Gäste merklich senkte.<br />
Es kriselte – im Ort und immer vernehmlicher auch im<br />
Hotelbetrieb. Nachdem die Erbengemeinschaft der lang jährigen<br />
Eigentümerfamilie Hufnagel das Ensemble 1988 verkauft hatte,<br />
fiel es über Umwege 2003 an Botho Jung, der als Moderator<br />
des Hessischen Rundfunks berühmt geworden und zeitweise<br />
Teilhaber der Spielbank von Bad Homburg war. Der wollte<br />
sich mit einem Hotelbetrieb nicht belasten, und nachdem<br />
seine Träume, ausländische Investoren zu gewinnen, geplatzt<br />
waren, trennte er sich 2006 von dem Hotel. Die jahrhundertealte<br />
Einheit von Weingut und Hotel war damit zuende. Für<br />
das Weingut aber holte er sich starke Partner: Tom Drieseberg<br />
und seine Frau Anja WegelerDrieseberg stiegen Anfang 2007<br />
mit dem Ziel einer Generationenübergabe als Mitgesellschafter<br />
ein (seit dem Tod von Botho Jung im April 2014 sind sie<br />
Mehrheits gesellschafter). Nun war Tom Drieseberg auch Rotweinwinzer<br />
geworden.<br />
Und das Weinjahr 2007 ließ sich gleich turbulent an.<br />
Keller meister des Weinguts war seit den neunziger Jahren Peter<br />
Perabo, der von Beginn an den seinerzeit wenig üblichen biologischen<br />
Säureabbau praktiziert und sensibel Barriques eingesetzt<br />
hatte, ohne durch übermäßiges Holz die Frucht zu<br />
übertönen. Aber nach dem Eigentümerwechsel kam schnell<br />
das Gerücht auf, »der große Wegeler« wolle die Krone einfach<br />
schlucken und den Betrieb ins Stammhaus nach Oestrich<br />
verlegen. Das war Unsinn, aber als Tom Drieseberg seinen Plan<br />
umsetzte, zumindest die Logistik zusammenzulegen und den<br />
Weinbestand ins Stammhaus transportieren ließ, hatte Perabo<br />
Angst um seinen Job, kündigte und wechselte zum Bischöflichen<br />
Weingut Rüdesheim.<br />
Von dieser Entscheidung überrascht, wollte sich Tom<br />
Drieseberg um den Jahrgang von der Wegelerschen Gutsverwaltung<br />
in Oestrich aus zunächst mit ein heimischen<br />
Kräften vor Ort kümmern. Das schien anfangs auch gut zu<br />
klappen, doch dann stellte sich heraus, dass das mit der Weinbergspflege<br />
betraute Lohnunternehmen seine Arbeit nicht ernst<br />
genug genommen hatte. Wo bei anderen die Traubenreife bereits<br />
begonnen hatte, waren die KroneTrauben teilweise noch grün.<br />
Das aber war Glück im Unglück, denn im Herbst folgte eine<br />
lange Schönwetter periode, und wo bei den Nachbarn Probleme<br />
mit niedriger Säure und hohem Alkoholgehalt auftraten, hatte<br />
die ungewollte Reife verzögerung den Trauben der Krone eine<br />
Das Weingut Krone gehörte<br />
ursprünglich zu dem berühmten<br />
Hotel Krone in<br />
Assmanns hausen. 1860 wurde<br />
in der Niederwaldstraße 2<br />
die »Kronen kellerei« erbaut,<br />
der Grundstock des heutigen<br />
Weinguts Krone, dessen Spätburgunder<br />
aus dem Assmannshäuser<br />
Höllenberg kommen.<br />
18 19<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
überraschende Frische und Mineralität bewahrt. Zu dieser Zeit<br />
setzte sich Tom Drieseberg mit Peter Perabo an einen Tisch,<br />
und beide klärten ihre Standpunkte. Seitdem arbeitet Perabo<br />
wieder für das Weingut, als beratender Kellermeister. Oder wie<br />
es Drieseberg schmunzelnd nennt: als »flying winemaker«.<br />
Tom Drieseberg ist das wichtig, denn es war ihm beim<br />
Weingut Krone nie um einen kompletten Neuanfang gegangen.<br />
Natürlich gab es einen wirtschaftlichen Aspekt, etwa die<br />
Synergie effekte, die entstehen, wenn zwei Weingüter zusammenarbeiten:<br />
die Logistik, die zusammengelegt wird, Prozesse, die<br />
optimiert werden. Und dass das RieslingHaus Wegeler nun<br />
auch Rotweine anbieten konnte, war für den Vertrieb sicher von<br />
Vorteil − auch wenn Tom Drieseberg lernen musste, dass Riesling<br />
und Spätburgunder kein »gemeinsames Geschäft« bilden,<br />
weil sie unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Zumal mit<br />
der Trennung vom Hotel auch der Haupt absatz markt des Weinguts<br />
empfindlich schrumpfte: Nahm das Hotel in den besten<br />
Zeiten bis zu fünfundachtzig Prozent der Produktion ab, so<br />
sind es heute nur noch maximal fünfzehn.<br />
Ein anderer Aspekt für den Entschluss, sich in Assmannshausen<br />
zu engagieren, war das Motiv, das Weingut Krone<br />
als Kulturgut zu bewahren. Doch den entscheidenden<br />
Ausschlag hatte die Einzigartigkeit des Weins gegeben. Immer<br />
wieder hatte Drieseberg in Blindproben den signifikanten<br />
Finger abdruck des Höllenbergs herausschmecken können. Wo<br />
andere mit Fruchtsüße oder internationaler Stilistik gespielt<br />
hätten, habe ihn bei den KroneWeinen die Orientierung am<br />
Terroir begeistert. Dass sich dies nicht von selbst zeigt, ist ihm<br />
bewusst. Im Gegenteil: Es muss dem Boden abgerungen werden.<br />
Denn die SpätburgunderRebe ist eine launige Diva und<br />
der Höllenberg ein Weinberg der Extreme. Hier bricht der<br />
Taunuskamm mit seinem Schieferphyllit in steilem Fall fast<br />
nackt hervor. Kaum gibt es erdigen Grund für die Reben, ihre<br />
Wurzeln müssen sich früh den mühsamen Weg zwischen den<br />
Gesteinsplatten in die Tiefe erkämpfen. Bis zu sechzig Prozent<br />
Hangneigung macht jede Arbeit im Weinberg zum Drahtseilakt.<br />
Die Dauer der Sonneneinstrahlung ist eine der höchsten<br />
im <strong>Rheingau</strong>, dafür werden die Nächte empfindlich kalt, was<br />
dem Wein in guten Jahren seine Frische verleiht, in minderen<br />
aber auch zur Sprödigkeit führt.<br />
Die Krone nennt die wohl wertvollsten Parzellen im<br />
Höllenberg ihr eigen. Bis zur Flurbereinigung gehörten<br />
sie zur damaligen Lage Hinterkirch, die in der weltweit<br />
ältesten Klassifikationskarte, der DünkelbergKarte von<br />
1868, als Lage I. Klasse verzeichnet ist − und der »Helleberg«<br />
nur als Lage II. Klasse. So gibt es hier den seltenen Fall, dass<br />
eine Lage durch die neuen Flächen, die ihr 1971 zugesprochen<br />
wurden, besser geworden ist. Doppelt wertvoll sind die Weinbergsflächen<br />
zumal durch den alten Rebbestand, der hier an<br />
vielen Stellen noch steht. Es sind französische Klone, die der<br />
badische Winzerrebell Franz Keller aus Burgund mitgebracht<br />
hatte, und die, dem damaligen Zeitgeist komplett entgegengesetzt,<br />
in den sechziger Jahren hier gepflanzt wurden.<br />
Die Weinberge sind der eine Schlüssel zur Identität des<br />
Weinguts Krone – der andere ist der Keller, der vor mehr als<br />
einhundertfünfzig Jahren sechzig Meter tief in den Schiefer<br />
gehauen wurde. Fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen<br />
hier, bei nahezu konstant 13 Grad. Den Fassweinkeller, in dem<br />
die Barriques liegen, die von den französischen Herstellern<br />
Quintessence und Séguin Moreau bezogen werden, und die<br />
Tausende obskurer etikettenloser Flaschen aus alten Krone<br />
Beständen hat Tom Drieseberg kaum angerührt. Nur eine Zisterne<br />
hat er wieder in Gang gesetzt, als einen wesentlichen Teil<br />
des alten Drainagesystems im Keller. Nun leben hier wieder<br />
winzige AlbinoFlusskrebse, und von den Wänden wachsen<br />
wilde, stalagmitenförmige Bakterienkulturen – eine Kellerflora,<br />
die, wie moderne Forschungen zeigen, einen wesentlichen Einfluss<br />
auf die individuelle Spezifik der Weine hat.<br />
Modernisiert hat Tom Drieseberg an anderer Stelle: Einen<br />
hygienesensiblen Arbeitsraum hat er komplett erneuert, und einzelne<br />
Gebäudeteile für die Besucher geben schon jetzt einen Eindruck,<br />
wie sich der neue Besitzer das fertigsanierte Guts gebäude<br />
vorstellt. Den kleinen Gutsausschank von 1900 allerdings hat<br />
er so gelassen, wie er war, einschließlich der Metzger fliesen<br />
von 1964 und der OriginalBestuhlung. Ein alter Etikettenschrank<br />
versammelt die Erinnerung an vergangene Abfüllungen<br />
mit der verwirrenden Kombination von Qualitätsstufen<br />
und Sternenangaben.<br />
ein facheren Weinen auf eine etwas zugänglichere, weichere Art.<br />
Das bedeutet für ihn einen konservativen, zurück genommenen<br />
Einsatz an kellertechnischen Mitteln. Alles muss das Terroir<br />
unterstützen und darf nicht dem Ego des Weinmachers dienen.<br />
Dies ist eine Philosophie, wie man sie aus dem Burgund kennt;<br />
tatsächlich war die Stilistik der KroneWeine schon immer etwas<br />
französisch geprägt, auch als das noch gar nicht dem Zeitgeist<br />
entsprach. Nachdem Tom Drieseberg damit in den Vereinigten<br />
Staaten wenig Erfolg hatte, wurde er nun ausgerechnet in<br />
Hongkong dazu ermutigt, seinen Weg mit eigenwilligen und<br />
authentischen Weinen weiterzugehen. Nun plant er einen vierten<br />
Rotwein, einen Ortswein aus Assmanns hausen. Im Burgund<br />
würde man »Villages« dazu sagen. Und wenn alles klappt, wird<br />
im nächsten Jahr auf allen Etiketten »<strong>Pinot</strong> Noir« statt Spätburgunder<br />
stehen.<br />
Tom Drieseberg von den<br />
RieslingWeingütern Wegeler<br />
in Oestrich und Bernkastel<br />
konnte mit dem Einstieg in<br />
das Weingut Krone 2007 sein<br />
Portfolio um erlesene <strong>Pinot</strong><br />
Noirs erweitern. Aus jenem<br />
Jahr sind die Spätburgunder<br />
Juwel, sein Spitzen wein, und<br />
Assmannshäuser Höllenberg.<br />
In dem sechzig Meter langen<br />
Naturfelskeller zeigt sich vierzig<br />
Meter unter der Erde der blaue<br />
Schiefer in seiner reinen Form.<br />
Heute gibt es, neben verschiedenen Weißweinen, Sekten<br />
und einer edelsüßen WeißherbstAuslese nur noch drei<br />
klassischtrockne Rotweine aus dem Weingut Krone:<br />
den fruchtigzugänglichen Spätburgunder aus Lagen in Assmannshausen<br />
und aus dem Rüdesheimer Berg, der sechzehn<br />
bis achtzehn Monate in gebrauchten kleinen Fässern reift; den<br />
klassischen Assmannshäuser Höllenberg, zwei bis drei Jahre im<br />
Barrique gereift, von dem etwa fünftausend Flaschen abgefüllt<br />
werden, und schließlich den Spitzenwein Juwel mit nur neunhundert<br />
bis zwölfhundert Flaschen, der aus den besten Parzellen<br />
des Assmanshäuser Höllenbergs und des Frankenthals stammt<br />
und erst nach vier Jahren in den Verkauf kommt.<br />
Diese klare Linie kann man vor dem Hintergrund der Gutsgeschichte<br />
schon eine Revolution nennen. KroneWeine sind<br />
<strong>Rheingau</strong>er Klassiker erster Güte, deshalb geht es bei ihnen<br />
eher um eine Evolution. Tom Drieseberg möchte weiter hin<br />
präzise zum Ausdruck bringen, was der Spätburgunder auf<br />
diesem Schieferboden vermag. Allerdings auch gerade bei den<br />
20 21<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
tet hatte. Auch Städter war kein Kind des <strong>Rheingau</strong>s, aber er<br />
hatte doch ausreichend Stallgeruch: Er stammte aus Bad Nauheim<br />
in der Wetterau, am östlichen Rand des Taunuskamms.<br />
Eine Gegend ohne Wein zwar, doch über das Elternhaus gab<br />
es Verbindungen in den <strong>Rheingau</strong>, zu Domänenrat Schleicher<br />
vom Schloss Johannisberg. Michel Städter begann dort<br />
ein Prakti kum und fing Feuer. Er machte im Schloss eine zweijährige<br />
Lehre und setzte dann ein WeinbauStudium in Geisenheim<br />
obendrauf. Daneben sammelte er weitere Erfahrungen:<br />
in der westaustralischen CoolClimateRegion Margaret River<br />
und ein Jahr lang im burgundischen PulignyMontrachet, der<br />
Heimat des besten Chardonnays der Welt. Hier, im Weingut<br />
Jean Chartron, wurden seine Vorstellungen von Weinstilistik<br />
geprägt: der Vorrang des Terroirs, der Einfluss des Holzes, der<br />
konsequent trockne Ausbau der Weine. Eines Tages machte ihm<br />
Günter Schulz das Angebot, Betriebsleiter bei Chat Sauvage zu<br />
werden. Michel Städter zögerte, absolvierte seinen Zivildienst<br />
in Borkum und sagte dann zu.<br />
Chat Sauvage<br />
Johannisberg<br />
Es gibt Zeiten, da zeigt sich der <strong>Rheingau</strong>, dieser begünstigte und nach Thomas<br />
Mann »fröhlich bevölkerte« Landstrich, von einer unerwartet harten Seite. Das<br />
war etwa der Fall, als vor bald fünfzehn Jahren in der Johannisberger Lage Hölle<br />
Rieslingstöcke ausgerissen und mit Spätburgunder neu bepflanzt wurden. Die<br />
Hölle ist nicht irgendeine Lage, sie ist eine der berühmtesten RieslingLagen weltweit.<br />
Der Autor Ernst Hornickel zählte die Hölle zu den »großen«, der Wein atlas<br />
Deutschland zu den »besonders privilegierten Lagen«. Mehrere Spitzenwinzer<br />
füllen ihren Riesling als »VDP Große Lage« ab. Hier ohne Not Spätburgunder<br />
anzupflanzen, galt vielen als Frevel. Und von so manchem waren durchaus derbe<br />
Kraftausdrücke zu hören.<br />
Tatsächlich können die <strong>Rheingau</strong>er gelegentlich ein recht<br />
eigensinniger, gegen äußere Zumutungen verschworener<br />
Menschenschlag sein, der dazu neigt, sich gegen<br />
die Umgebung abzuschließen. Bis Ende des 18. Jahrhunderts<br />
wurde dies treffich durch das <strong>Rheingau</strong>er Gebück symbolisiert,<br />
ursprünglich ein aus »gebückten« Buchen und dichten Hecken<br />
bestehender Schutz gegen den Hochwald des Taunus gebirges,<br />
später eine regelrechte Grenzbefestigung, die von Lorchhausen<br />
bis Walluf eine Mauer aus Wald um das Gebiet bildete.<br />
Nun kam um das Jahr 2000 einer aus Hamburg, der wollte<br />
eine burgundische Domäne im <strong>Rheingau</strong> aufbauen. Also ein<br />
Weingut, in dem nicht eine einzige Flasche Riesling, stattdessen<br />
nur <strong>Pinot</strong> Noir und Chardonnay erzeugt werden sollte.<br />
Dieser Jemand hieß Günter Schulz und war Bauunternehmer.<br />
Lange Jahre hatte er keinerlei Bezug zum Wein gehabt, bis<br />
einer seiner Kunden in Zahlungsschwierigkeiten geriet und<br />
von seinen Forde rungen nur noch der Weinbestand eines namhaften<br />
Hotelrestaurants blieb. Günter Schulz probierte die eine<br />
und andere Flasche – und war sofort »angefixt«. Das war 1982,<br />
glück licher hätte er es nicht treffen können, denn nun begann<br />
er mit hohen Einsätzen bis 1990 Spitzenweine zu kaufen, vor<br />
allem Bordeaux und rote sowie weiße Burgunder, gute bis große<br />
Jahrgänge zu vergleichsweise günstigen Preisen. Riesling dagegen<br />
war nicht seine Sache. Der Weinkeller jedenfalls wuchs auf<br />
mehr als zwanzig tausend Flaschen erster Güte an.<br />
Unterdessen war die Tochter von Günter Schulz in den<br />
<strong>Rheingau</strong> gezogen, wo er bei einem seiner Besuche den Winzer<br />
Erik Andersson kennenlernte. Dem Schweden gehörte das<br />
mehr als sechshundert Jahre alte, idyllisch am Johannis berger<br />
Elsterbach gelegene Weingut SchamariMühle. Sein Vater, ein<br />
Stockholmer Chemielaborant und Olympiateilnehmer im<br />
Zehnkampf, hatte das Weingut 1953 von seinem Onkel Peter<br />
Schamari übernommen und in Geisenheim studiert, bevor er<br />
es 1987 an seinen Sohn weitergab. Wie sein Vater setzte er auf<br />
klassischen Riesling, aber auch auf Spätburgunder. Der war<br />
mittler weile auch im <strong>Rheingau</strong> wieder populärer geworden.<br />
Mitte der neunziger Jahre begann Erik Andersson, Flächen wie<br />
den Geisenheimer Kilzberg mit Rotwein zu bestocken. Mit dem<br />
1997er Jahrgang hatte er einigen Erfolg, vor allem aber sorgte<br />
er für Aufsehen, weil der frankophile Winzer die Weine nicht<br />
klassisch als »Spätburgunder« etikettierte, sondern als »<strong>Pinot</strong><br />
Noir« – wohl als Erster in der Region.<br />
Günter Schulz, der allmählich Lust auf das Weinmachen<br />
bekam, gefielen dieser »Rule Breaker« und dessen<br />
Weine. Wenn überhaupt irgendwo im <strong>Rheingau</strong>, dann<br />
wäre bei diesem Winzer mit schwedischen Wurzeln ein möglicher<br />
Ansatzpunkt zur Realisierung seines burgundischen<br />
Traums gegeben. Zunächst baute Andersson Weine nach den<br />
Vorstellungen von Günter Schulz aus, schließlich wurde der<br />
Hamburger fester Untermieter in der SchamariMühle. Und<br />
er begann, eigene Rebflächen zu erwerben. Er kaufte Parzelle<br />
um Parzelle, entgegen dem »Geschwätz« der Neider zu bodenständigen<br />
Preisen von 3 bis 5 Euro pro Quadratmeter − heute<br />
liegen sie eher bei 10 bis 12 Euro −, mit Ausnahme der teureren<br />
Partien im Assmannshäuser Höllenberg. Gelegentlich gelang<br />
sogar das eine oder andere Schnäppchen: »Wir hatten den Vorteil,<br />
völlig von außen zu kommen und somit nicht einer ansässigen<br />
Familie oder einer Interessensphäre zugeordnet zu werden«,<br />
erinnert sich Günter Schulz.<br />
Tatsächlich gab es keinen ZehnJahresplan oder etwas<br />
Vergleichbares. Es war eine Zeit der Versuche und des Experimentierens<br />
für ein <strong>Rheingau</strong>er Garagenweingut mit hohem<br />
Anspruch. Doch die ersten Ergebnisse waren vielversprechend,<br />
und im Jahr 2004 war die Zeit reif für wegweisende Entscheidungen.<br />
Für das kommende Jahr wurde die Eigenvermarktung<br />
in Angriff genommen, ein <strong>Pinot</strong> <strong>Rheingau</strong> und eine Spätlese<br />
aus der Johannisberger Hölle des Jahrgangs 2005 wurden gefüllt,<br />
ins gesamt viertausend Flaschen. Zuvor hatte sich auch die Weinkontrolle<br />
für den jungen Betrieb zu interessieren begonnen, und<br />
es wurde nach einem eigenen Gelände und nach einem Betriebsleiter<br />
Ausschau gehalten. Um den Neubau zu finanzieren, ließ<br />
Günter Schulz noch im Jahr 2004 seine gesamte Wein kollektion<br />
durch Christie’s in London versteigern.<br />
Kellermeister und späterer Betriebsleiter wurde der junge<br />
Michel Städter. Ihn hatte Schulz im Weingut der Schamari<br />
Mühle kennengelernt, wo er seit seiner Studienzeit gearbei<br />
Von der nahen SchamariMühle zog der GaragenBetrieb<br />
2010 ins neue Weingut am Rand eines Neubaugebiets<br />
von Johannisberg. Es ist ein markanter Bau, am Kopf der<br />
puristischholzvertäfelten Kelterhalle überragt selbstbewusst<br />
ein burgunderroter Querriegel die Anhöhe. Durch dessen gläserne<br />
Front blickt man über die besten Johannisberger Lagen<br />
und gegenüber, fast auf gleicher Höhe, auf Schloss Johannisberg.<br />
Nun zündete die nächste Stufe: Im Herbst 2011 wurde<br />
Chat Sauvage vom WeinGuide des Gault Millau die zweite<br />
Traube, im Herbst 2013 die dritte verliehen. Und Michel Städter<br />
wurde zum »Aufsteiger des Jahres« gekürt. Aus dem Nichts,<br />
so die Begründung, habe er »dieses burgundische Kleinod«<br />
zu einem der »führenden Spätburgundererzeuger im <strong>Rheingau</strong><br />
gemacht.«<br />
Dabei sind die Voraussetzungen alles andere als einfach.<br />
Das kleine Weingut besitzt Flächen von Lorch bis Winkel.<br />
Abgesehen von den Flächen für den Chardonnay (etwa 25 Prozent)<br />
liegen diese vor allem in Lorch (Schlossberg, Kapellenberg,<br />
BodentalSteinberg), Assmannshausen (Höllenberg,<br />
Frankenthal), Rüdesheim (Drachenstein, Klosterlay) und<br />
Johannis berg (Hölle), was einen enormen logistischen Aufwand<br />
mit sich bringt, nicht nur während der Lese. Vor allem die<br />
unterschiedlichen Bodenformationen von Schiefer über Quarzit<br />
bis LössLehm erfordern minutiöses Eingehen auf die Besonderheiten<br />
jeder einzelnen Rebfläche. Während die Rüdesheimer<br />
Ein Bauunternehmer aus<br />
Hamburg hat sich zum Ziel<br />
gesetzt, im <strong>Rheingau</strong> seinen<br />
<strong>Pinot</strong>NoirTraum, seine Vorstellungen<br />
von burgundischer<br />
Weinstilistik zu verwirklichen.<br />
Doch der Erfolg gibt Günter<br />
Schulz recht – nicht zuletzt<br />
dank der Kompetenz und<br />
dem Weinverständnis seines<br />
Betriebs leiters Michel Städter.<br />
22 23<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
Weine vom LössLehm oft mehr Druck und Würze erzeugten,<br />
beurteilt Michel Städter die Lorcher Weine vom Schiefer<br />
als eher feminin, zurückhaltender, aber vielschichtig und tief.<br />
Mit ihnen verwandt seien die Assmannshäuser, wenn auch mit<br />
mehr Zug, wärmer und etwas monumentaler. Die Weine aus<br />
der Johannisberger Hölle – in manchen Jahren aus dem alten<br />
Gewann Fischerhölle – stammen von einem kargen, steinigen<br />
Boden aus Taunusquarzit; sie sind burgundisch, grazil und präzise,<br />
präsentierten sich aber zunächst immer verschlossen und<br />
benötigten eine gewisse Reifezeit.<br />
Chat Sauvage folgt in der Hierarchie seiner Weine dem<br />
burgundischen Vorbild: als Basis der einfache <strong>Pinot</strong><br />
Noir, dann der Ortswein und schließlich die Lagenweine.<br />
Sie wurden früher zumeist als trockne Spätlesen abgefüllt,<br />
dann als Qualitätsweine (bis 2011 gelegentlich auch als<br />
Erstes Gewächs). Einige herausragende Weine, die sich in den<br />
Bezeichnungen durch nichts von anderen Lagenabfüllungen<br />
undzwanzig Prozent neue französische Barriques verwendet,<br />
für achtzehn Monate, zudem bei zurückhaltender Toastung,<br />
um die Frische des Weins zu erhalten. Filtriert wird gar nicht.<br />
Ziemlich schnell hat Chat Sauvage das anfängliche Misstrauen<br />
seiner Nachbarn zerstreuen können. Das liegt<br />
auch an Michel Städter selbst, der sich vielfältig in<br />
der Region engagiert, sei es als Mitglied der Qualitätswinzervereinigung<br />
»Zeilensprung«, als Sprecher der Johannis berger<br />
Winzer oder der Interessengemeinschaft »Erstes Gewächs<br />
Winzer« der nicht im VDP organisierten <strong>Rheingau</strong>er<br />
Premiumwein Winzer. Diese Organisationen sieht er als Teil<br />
einer Bewegung, die den <strong>Rheingau</strong> voranbringt. Und auch das<br />
Projekt »Chat Sauvage« ist noch nicht an seinem Ziel angelangt.<br />
In einem Interview aus den Anfängen seines Engagements<br />
hat Günter Schulz einmal davon gesprochen, mit Chat Sauvage<br />
das »deutsche RomanéeConti« werden zu wollen. Der ambitionierte<br />
Hamburger gibt seinem Betriebsleiter freie Hand, die<br />
einzige Vorgabe sei »bestmögliche Weine« zu machen. Doch<br />
noch wird jeder abgefüllte Wein von ihm persönlich frei gegeben.<br />
Das heißt aber auch, dass sich Michel Städter mit <strong>Pinot</strong>s für<br />
10 Euro gar nicht erst aufzuhalten braucht.<br />
Mit nunmehr neun Hektar und einer Produktion von fünfunddreißig<br />
bis fünfundvierzigtausend Flaschen hat das Weingut<br />
nach eigenen Angaben die optimale Betriebsgröße nahezu<br />
erreicht. Zu vierzig Prozent werden die Weine über die ge hobene<br />
Gastronomie vertrieben, ein Gutteil der Spitzenrotweine auch<br />
im Ausland. Demnächst werde es einen Chardonnay aus dem<br />
Assmannshäuser Höllenberg geben, auch wenn man sich über<br />
die Proteste im Klaren sei. Wie soll man auch dagegen argumentieren,<br />
solange in unmittelbarer Nähe Rebzeilen mit Deckrotweinen<br />
wie der Färbertraube stehen, die bei manchem einheimischen<br />
Winzer dem Spätburgunder mehr Farbe verleihen?<br />
Über die Frage, ob die Welt <strong>Rheingau</strong>er Chardonnay<br />
benötigt, wird man treffich streiten können, auch wenn man<br />
sicher sagen kann, dass es dabei vor allem um die Stilistik und<br />
die Bewahrung einer regionalen Typizität gehen würde − neudeutsch:<br />
den Erhalt des Markenkerns der Region. Denn gut ist<br />
er, der Chardonnay von Chat Sauvage, ohne Frage. Aber schließlich<br />
gibt es auch gute Gründe, warum in Burgund kein Riesling<br />
oder andere vielversprechende Rebsorten angebaut werden.<br />
Die »Wildkatze« ist im <strong>Rheingau</strong> angekommen, obwohl<br />
sie so burgundisch ist, vielleicht: weil sie so burgundisch ist. Das<br />
Weingut erzählt eine faszinierende Geschichte, und was hier in<br />
wenigen Jahren geschaffen wurde, ist spektakulär. Die jungen<br />
Weine sind mehr als vielversprechend und beeindrucken durch<br />
ihre selbstsichere Stilistik. Lagen wie der Rüdesheimer Drachenstein,<br />
der bestenfalls als mittelmäßig galt, wurden überhaupt erst<br />
auf die Landkarte der großen Weine gesetzt. Das letzte Wort<br />
über die <strong>Pinot</strong> Noirs von Chat Sauvage ist freilich noch nicht<br />
gesprochen. Denn der Vergleich mit den großen Domänen der<br />
Côte d’Or – und der ist es, der für Günter Schulz zählt – kann<br />
zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gezogen werden, das wird<br />
sich erst in der Zukunft erweisen. Michel Städter hat einmal in<br />
einem Interview gesagt: »Die Philosophie, die Idee sind manchmal<br />
wichtiger als das Terroir.« Sind sie das wirklich? Vielleicht<br />
hat Chat Sauvage noch einen Schritt vor sich.<br />
2010 hat Günter Schulz sein<br />
eigenes Weingut bezogen, ein<br />
modernes Gebäude, dessen<br />
burgunderroter Querriegel<br />
über den besten Johannisberger<br />
Lagen thront. Die Arbeit des<br />
gelernten Önologen Michel<br />
Städter ist eine Herausforderung:<br />
Wie Patchwork<br />
ziehen sich die Weinberge von<br />
Chat Sauvage vom Dachsberg<br />
in Winkel rheinabwärts bis<br />
zum Schlossberg in Lorch.<br />
unterscheiden, werden vom Weingut zu dreistelligen Preisen<br />
angeboten; das ist für deutschen <strong>Pinot</strong> Noir recht offensiv und<br />
rückt die Weine in die Nähe der Spitzengewächse von Winzergrößen<br />
wie Bernhard Huber oder Fritz Becker. Ein bewusst<br />
gesetztes Signal, wie Michel Städter erläutert, denn der Aufwand<br />
rechtfertige den Preis durchaus.<br />
Beim Ausbau der Weine ist Chat Sauvage wesentlich puristischer,<br />
als man es bei einem solchen InvestorenWeingut vermuten<br />
würde. Weinbau begreift Michel Städter in erster Linie<br />
als Landarbeit und nicht als angewandte Technikwissenschaft.<br />
Aus seiner Zeit im Burgund hat er sich ein Selbstverständnis<br />
als Weinbauer bewahrt. Gepflanzt wurden Geisenheimer<br />
Klone 2013, keine französischen Reben. Die klein bis mittelbeerigen<br />
Trauben bieten für die Region den besten Kompromiss<br />
zwischen Traubengesundheit und sensorischer Qualität.<br />
Natürlich pflegt Michel Städter qualitätssteigernde Maßnahmen:<br />
Halbierung der Trauben, naturnahen Weinbau, mehrfache<br />
Selektion im Weinberg, Handlese, Reduzierung der Erntemenge<br />
auf fünfunddreißig Hektoliter pro Hektar. Im Keller ist<br />
dann alles recht einfach: Jahrgangsabhängig geht der eigentlichen<br />
Vergärung eine Kaltmazeration von drei bis fünf Tagen<br />
voraus, vergärt wird in den gleichen offenen Bütten, wie sie auch<br />
im Weingut Krone und bei Fred Prinz stehen. Das Lesegut wird<br />
zu hundert Prozent entrappt – in Michel Städters Augen ein<br />
Hauptstilbildungsmittel − und recht kräftig ein gemaischt. Die<br />
Vergärung dauert vierzehn bis sechzehn Tage, als Hefen kommen<br />
ausschließlich Reinzuchthefen zum Einsatz, wie er es bei Jean<br />
Chartron in Burgund gelernt hat. Der Umgang mit dem Holz<br />
ist eher konservativ, zumeist werden nur etwa zwanzig bis fünf<br />
24 25<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
Fred Prinz<br />
Hallgarten<br />
Fast alle <strong>Rheingau</strong>er Weindörfer sind zum Rhein hin ausgerichtet. Nur einige wenige<br />
landeinwärts gelegene orientieren sich am nahen <strong>Rheingau</strong>gebirge. Hallgarten<br />
liegt hoch über dem Rheintal, nicht weit von den beiden höchsten Er hebungen<br />
des westlichen Taunuskamms, der Hallgarter Zange und der Kalten Herberge.<br />
Hier, knapp unterhalb der Rodungsgrenze, lauten die Flurnamen »Eisweg« oder<br />
»Galgenberg«. In der alten Literatur heißen diese oberen Gemarkungen »Waldflecken«,<br />
im Gegensatz zu den »Rheinflecken« im Tal.<br />
Obwohl der Spätburgunder nur<br />
acht Prozent seines Rebspiegels<br />
ausmacht, schenkt ihm der<br />
Hallgartener Winzer Fred<br />
Prinz besondere Aufmerksamkeit.<br />
Er baut sie im Halbstückfass<br />
aus, die <strong>Pinot</strong> Noirs aus<br />
dem Hendelberg im Barrique.<br />
Hallgarten hat nur vier Weinlagen: Würzgarten, Jungfer,<br />
Hendelberg und Schönhell. Schönhell ist ein Wort,<br />
das man im Munde kauen kann wie den Wein, der hier<br />
wächst. Da scheint, auch wenn man die Etymologie des Wortes<br />
kennt, »schöne Halde«, ein seltener Zauber auf, der deutschen<br />
Orts und Flurnamen innewohnen kann. Der Philosoph<br />
Theodor W. Adorno hat einmal an das Glück erinnert, das diese<br />
Namen verheißen: »Man glaubt, wenn man hingeht, so wäre<br />
man in dem Erfüllten, als ob es wäre. Ist man wirklich dort, so<br />
weicht das Versprochene zurück wie der Regenbogen.« Auf<br />
dem neudeutsch sanierten Marktplatz von Hallgarten weicht<br />
es recht schnell zurück. Es scheint, als habe alles Glück sich in<br />
den hiesigen Wein zurückgezogen.<br />
Hallgarten ist eine alte Weinbaugemeinde, aber richtig<br />
gut leben können hier vom Wein nur wenige. Lediglich eine<br />
Handvoll Haupterwerbswinzer zählt der Ort, dafür gab es hier<br />
lange Zeit gleich drei Genossenschaften. Vor den 1990er Jahren<br />
fand man außerhalb des <strong>Rheingau</strong>s nur selten einen als »Hallgartener«<br />
etikettierten Wein. Ein Großteil der Ernte floss in die<br />
lagenfreien Gutsweine großer Güter aus den Nachbar gemeinden,<br />
die hier einen nennenswerten Besitz haben, oder wurde wegen<br />
zu hoher Säure und niedriger OechsleWerte versektet.<br />
Seit Generationen beschäftigten sich die Familien von<br />
Fred Prinz väterlicher wie mütterlicherseits im Nebenerwerb<br />
mit dem Weinbau und lieferten die Trauben bei einer der örtlichen<br />
Winzergenossenschaften ab. Für ein ÖnologieStudium<br />
im nahen Geisenheim wurde der junge Fred Prinz seinerzeit vom<br />
Vater einer Freundin motiviert. Seine Kommilitonen gingen<br />
nach ihrem Diplom zumeist ins elterliche Weingut zurück,<br />
Fred Prinz ging zu Bernhard Breuer nach Rüdesheim. Allerdings<br />
nicht als Önologe und noch nicht einmal in das Weingut<br />
Georg Breuer, sondern in den Vertrieb von dessen historischer<br />
»Firmenmutter«, dem Weinhaus Scholl & Hillebrand. Das war<br />
stark im Export aktiv, doch für deutsche Weine im Ausland war<br />
es eine verheerende Zeit: schlechte Jahrgänge, Böckser probleme<br />
durch das Pestizid Orthen, der Glykolskandal.<br />
Es waren dennoch lehrreiche Jahre, vor allem weil sich Fred<br />
Prinz zugleich im Zentrum einer Revolution befand. Seit den<br />
frühen Achtzigern arbeiteten immer mehr junge Winzer an<br />
einer Renaissance der großen deutschen Weißweintradition. Der<br />
<strong>Rheingau</strong> stand damals mit vielen brillanten trocknen Riesling<br />
Spätlesen in der ersten Linie. Bernhard Breuer, sein wichtigster<br />
Lehrmeister, dessen rechte Hand Fred Prinz bald werden sollte,<br />
war einer der Hauptinitiatoren der ChartaIdee, die den Anstoß<br />
für die Klassifizierung erst der <strong>Rheingau</strong>er und schließlich aller<br />
deutscher Weinbergslagen gab. Prinz wurde Teil eines Netzwerks<br />
von Spitzenwinzern, Publizisten und Sommeliers, dem<br />
sich ein Gutteil des späteren deutschen Weinwunders verdankte.<br />
Da juckte es auch ihn in den Fingern. 1991 füllte Fred Prinz<br />
seine ersten zweitausend Flaschen Riesling als Nebenerwerbswinzer<br />
ab. Aber zunächst riefen die Hessischen Staatswein güter<br />
Kloster Eberbach. Die waren für den jungen Hallgartener so<br />
etwas wie Nachbarn, schließlich war deren berühmter Steinberg<br />
nur einen Steinwurf vom Hallgartener Hendelberg entfernt.<br />
Auch historisch gab es eine enge Verbindung zwischen dem<br />
Kloster Eberbach und Hallgarten, das von den Zisterziensermönchen<br />
als erste Grangie, als landwirtschaftlicher Gutskomplex<br />
außerhalb des Mutterklosters, gegründet worden war.<br />
Mit Kloster Eberbach schien für Fred Prinz 1993 ein<br />
Traum wahr zu werden. Denn für einen begabten<br />
jungen Önologen aus dem <strong>Rheingau</strong> mit großen<br />
Ambitionen gab es zu dieser Zeit drei Fixsterne: Schloss Vollrads,<br />
Schloss Johannisberg und eben die Staatsweingüter; alle<br />
drei hatten die Geschichte der Region tief geprägt. Bei Vollrads<br />
rumpelte es in diesen Jahren vernehmlich, im Schloss<br />
Johannisberg hatte Domänenrat Schleicher das Heft fest in der<br />
Hand, nur in Eberbach öffnete sich eine Tür. Der frisch gekürte<br />
Direktor Rowald Hepp stellte ihn als Verkaufsleiter ein – mit<br />
Aussicht auf die Leitung der Kellerei. Während dessen machte<br />
Prinz weiterhin nebenher seine eigenen Weine, mit viel Erfolg:<br />
Schon im ersten deutschen WeinGuide des Gault Millau war er<br />
vertreten, im zweiten stieg der »teuerste Nebenerwerbswinzer<br />
des <strong>Rheingau</strong>s« von einer auf zwei Trauben auf. Fred Prinz war<br />
mit seinen nunmehr achttausend Flaschen ein echter Geheimtipp<br />
geworden.<br />
Die Arbeit bei den Staatsweingütern gestaltete sich turbulenter<br />
als erwartet. Rowald Hepp verließ schon 1994 den<br />
Betrieb, verärgert durch dessen Unbeweglichkeit, und auch sein<br />
Nachfolger KarlHeinz Zerbe wurde schon nach sechs Jahren<br />
und mäßigen Erfolgen in Rente geschickt. Immerhin rückte<br />
Fred Prinz enger an die Produktion, und seit unter dem neuen<br />
Direktor Dieter Greiner die Kellerei dem Vertrieb unterstellt<br />
worden war, durfte kein Wein mehr gefüllt werden, zu dem Prinz<br />
nicht sein Plazet gegeben hatte. Doch dann wurde ihm 2002 –<br />
mittlerweile war er endlich als Önologe verantwortlich für die<br />
Produktion der Staatsweingüter – das Hallgartener Weingut<br />
Wolf samt Keller und Lager zum Kauf angeboten. Fred Prinz<br />
und seine Frau Sabine schlugen zu und verdreifachten damit<br />
ihren Weinbergsbesitz auf viereinhalb Hektar – heute sind es<br />
sogar sieben. Nach der Lese von 2003 kündigte er den Staatsweingütern<br />
zum 30. September 2004.<br />
Das Leben als Nebenerwerbswinzer war nun vorbei. Doch<br />
das traf ihn nicht unvorbereitet. Aus seiner Zeit bei Bernhard<br />
Breuer hatte Fred Prinz klare Vorstellungen von der Positionierung<br />
im PremiumBereich. Kein Buhlen um Endabnehmer,<br />
möglichst noch mit Ausschank für die zahlreichen Ausflügler.<br />
Stattdessen Konzentration auf den Fachhandel und<br />
die gehobene Gastronomie. Und auf den Export, in den heute<br />
etwa vierzig Prozent der Produktion fließen, nach Italien etwa,<br />
das Prinz einen der spannendsten Märkte für deutschen Wein<br />
überhaupt nennt. 2005, ein Jahr nach Beginn der Selbst ständigkeit,<br />
nahm der <strong>Rheingau</strong>er Regionalverband des Verbands<br />
Deutscher Prädikats weingüter (VDP) das Weingut Fred Prinz<br />
als Mitglied auf.<br />
Schon früh hatte Fred Prinz mit Spätburgunder experimentiert.<br />
Der war vor der Flurbereinigung in den weniger<br />
begünstigten Höhenlagen gar nicht zugelassen, statt dessen<br />
standen hier MüllerThurgau und Portugieser. Doch mit dem<br />
beginnenden Klimawandel änderte sich die Wertschätzung<br />
dieser Lagen. Schon die Eltern hatten im Hendelberg mindere<br />
Rebsorten ausgerissen und Spätburgunder gepflanzt, und 1991,<br />
im Jahr seiner ersten Produktion, hatte Fred Prinz neben Riesling<br />
auch ein erstes Fass Spätburgunder ausgebaut.<br />
Für die Ernte 1992 wurde ein erstes BarriqueFass gekauft,<br />
und 1993 »zum ersten Mal Rotwein statt roter Wein« erzeugt.<br />
Der Wein allerdings war eine Karikatur. Der hoch schießende<br />
Saft der jungen Reben ließ den Alkohol in die Höhe gehen,<br />
zumal in den tiefgründigen, nährstoffreicheren Lagen: 15 bis<br />
15,5 Volumenprozent warfen den Wein aus der Balance. Darüber<br />
hinaus war die Substanz zu dünn, das junge Holz zu intensiv<br />
und zu allem Überfluss wurde auch noch zu wenig geschwefelt.<br />
Viel mehr konnte man nicht falschmachen. Doch Fred Prinz<br />
nahm es sportlich.<br />
Er begann, im Weinberg stark auszudünnen, und führte die<br />
grüne Ernte ein. Er begrünte die Rebzeilen, um für die Rebe<br />
Stress zu erzeugen. Dadurch wurden die Beeren kleiner und die<br />
Trauben lockerer, zudem erhöhte sich der Anteil an Farbstoff<br />
und es entstand weniger Fäulnis. Nicht in jedem Jahr gelangte<br />
der Spätburgunder auch tatsächlich in die Flasche, in manchen<br />
26 27<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
wurden einfach die Trauben verkauft, in anderen ein frischer<br />
Weißherbst erzeugt. Erst nach dem Jahrgang 2003 wurde entschieden,<br />
den Spätburgunder zu einer festen Größe im Angebot<br />
zu machen.<br />
2005 pflanzte Fred Prinz die klassischen kleinbeerigen<br />
Burgunder klone 777, doch richtig glücklich machten sie den<br />
Winzer nicht. Zwei Jahre später wählte er für neue Flächen<br />
klein und gemischtbeerige Klone aus Geisenheim, die im<br />
Alkohol moderatere Weine ergaben und weniger empfindlich<br />
für die im <strong>Rheingau</strong> häufig drohende Boytritis waren. Der entscheidende<br />
Punkt aber bestand in der Auswahl der Parzellen im<br />
Hall gartener Hendelberg. Denn an den steilen, höher gelege nen<br />
Partien dieser Lage dringt, wie in Assmannshausen, der Phyllitschiefer<br />
des Taunuskamms bis knapp unter die Weinbergs krume<br />
vor. Kein Wunder, dass die Roten rasch besser wurden.<br />
Zunächst wurden die Spätburgunder, die in den Verkauf<br />
gingen, als trockne Spätlesen gefüllt, 2003 dann<br />
erst malig eine Spätlese R. 2008 etikettierte Fred Prinz<br />
neben einem einfachen Spätburgunder QbA einen ersten Hallgartener<br />
Hendelberg, dessen Trauben aus der ältesten Parzelle<br />
der Lage stammten. Im Jahr darauf, dem Spitzenjahrgang 2009,<br />
gab es schließlich den ersten Hendelberg R, und nachdem seit<br />
2012 auch weinbaurechtlich französische Bezeichnungen auf<br />
dem Etikett erlaubt sind, heißt der Spitzenwein Reserve, zudem<br />
ist er als »Erste Lage« klassifiziert. In Kürze werden alle Spätburgunder<br />
im Weingut Prinz aus dem Hallgartener Hendelberg<br />
stammen.<br />
In den elf Jahren, die Fred Prinz für die Staatswein güter<br />
arbeitete, hat nicht zuletzt die Teilnahme an den großen Altweinund<br />
Raritätenproben seinen Blick auch auf den eigenen Riesling<br />
Anbau beeinflusst. Natürlich hatte er auch die Roten aus<br />
Assmannshausen intensiv kennengelernt. Doch deren damalige<br />
»süßsaure« Stilistik lehnte er ab. Seine Bezugspunkte<br />
waren Burgund und die jungen, wilden RotweinPioniere in<br />
Deutschland.<br />
Dabei weiß er genau, dass der Spätburgunder, zumal aus<br />
einer so ausgezeichneten wie schwierigen Lage wie dem Hendelberg,<br />
alle Extreme und jede Nachlässigkeit bestraft. Ziel ist, die<br />
HendelbergCharakteristik herauszuarbeiten, mit einem klaren<br />
Fokus auf die Zugänglichkeit. Zu viel für die ferne Zukunft zu<br />
produzieren sei gefährlich, meint Fred Prinz, gerade mit Blick<br />
auf die heranwachsende WeintrinkerGeneration. Wer von den<br />
heute Zwanzigjährigen, so fragt er sich, wird noch über genügend<br />
Platz zum Lagern oder gar einen eigenen Weinkeller verfügen?<br />
Nach fünf Jahren sollen seine Weine daher eine erste<br />
PlateauPhase erreicht haben.<br />
Für ein Weingut, dessen SpätburgunderAnteil am Rebspiegel<br />
nur bei acht Prozent liegt, ist der Aufwand bei der<br />
Rotweinerzeugung enorm. Die unterschiedlichen Klonund<br />
Hangsituationen etwa bedingen unterschiedliche Lesezeitpunkte.<br />
Dabei werden die Partien für die Reserve mittlerweile<br />
am ersten Tag der Lese geerntet – vor einem Jahrzehnt<br />
noch undenkbar. Auch jeder andere Schritt in der Produktion<br />
richtet sich nach dem jeweiligen Jahrgang und dem Zustand des<br />
Lesegutes. Die Trauben werden von Hand entrappt, es sei denn,<br />
in Jahren der Überreife könne den Trauben ein wenig Struktur<br />
aus dem Gerbstoff der Stängel gut tun. Die Beeren werden<br />
nur leicht gequetscht, nach einer spontanen Angärung übernehmen<br />
Reinzuchthefen die Fermentation. Dabei steht der<br />
Hendelberg zwölf bis vierzehn Tage in offenen Bütten auf der<br />
Maische, der einfache Spätburgunder etwas kürzer. Der Tresterhut<br />
wird maximal dreimal am Tag untergetaucht.<br />
Es folgt eine Nachmazeration von gut einer Woche. Ein<br />
solides, aber weiches Tanningerüst ohne Härten ist der entscheidende<br />
Faktor für den weiteren Ausbau im Halbstückfass<br />
beziehungsweise im Barrique für den Hendelberg. Mit einer<br />
vorherigen Kaltmazeration, wie sie manche Spitzenwinzer<br />
anwenden, hat Fred Prinz keine guten Erfahrungen gemacht.<br />
Er empfindet die dabei entstehende intensive Aromatik von<br />
roten Früchten als aufgesetzt. Abgestochen wird nach einem<br />
Jahr, die Fässer – manchmal aus AllierEiche, aber auch aus<br />
anderen feinporigen, zumeist mediumgetoasteten Hölzern –<br />
kauft er immer erst »situativ« nach der Ente und in Absprache<br />
mit seinem Sohn Florian, der allmählich in den Betrieb einsteigt.<br />
Der Wein wird nicht geschönt, aber je nach Trübstoffen<br />
in manchen Jahren grob filtriert.<br />
Die Rotweine von Fred Prinz sind Bergweine aus dem<br />
<strong>Rheingau</strong> – durch das Gestein, die steile Exposition und die<br />
langen Hänge und Reifezeiten am Rebstock. Aus Lagen an<br />
der Grenze, von kühler Art. Viel verbindet die Weine mit<br />
dem Höllenberg aus Assmannshausen, auch wenn sie, gegenüber<br />
dem großen Klassiker, absolute Newcomer sind. Wäre der<br />
<strong>Rheingau</strong> eine Familie, würde man von CoolClimateEnkeln<br />
sprechen. Und wie der Senior ist auch der Junior zweisprachig<br />
aufgewachsen. Fred Prinz denkt darüber nach, künftige Jahrgänge<br />
des Hendelberg »<strong>Pinot</strong> Noir« statt »Spätburgunder«<br />
zu nennen. Und es braucht nicht viel, um vorherzusagen, dass<br />
es nicht mehr lange dauern wird, bis diese <strong>Pinot</strong>s von Fred Prinz<br />
aus dem Hallgartener Hendelberg das gleiche Glück bereiten<br />
werden, wie es schon heute seine Rieslinge aus der Jungfer und<br />
der Schönhell tun. •<br />
Der Hendelberg, eine zur<br />
Sonne ausgerichtete Erste<br />
Lage, ist so ausgezeichnet<br />
wie schwierig. Ihre Schieferverwitterungsböden<br />
verleihen<br />
dem Spätburgunder<br />
Hendel berg Reserve Eleganz<br />
und Mineralik.<br />
28 29<br />
FINE 4 | 2015 FINE RHEINGAU
FINE TASTING<br />
Stefan Pegatzky verkostet vierundzwanzig <strong>Rheingau</strong>er Spätburgunder<br />
aus den Jahrgängen 2013 bis 2006<br />
Weingut Krone, Assmannshausen<br />
2008 Assmannshäuser Höllenberg 88 P<br />
Sehr helle, recht »deutsche« SpätburgunderAnmutung. In der<br />
Nase Sauerkirsche und feine Röstaromen. Zarte, kühle Eleganz bei<br />
mittlerer Länge. Sehr pur.<br />
2009 Assmannshäuser Höllenberg 90 P<br />
Rubinrot bei mittlerer Farbdichte. Würzigbeerenfruchtige Nase,<br />
am Gaumen dicht, mit gutem »Schmalz«, dabei präzise und lagentypisch.<br />
Schön eingebundenes Holz.<br />
2010 Assmannshäuser Höllenberg 87 P<br />
Ein Jahr mit schwieriger Ernte, in dem das Weingut auf den »Juwel«<br />
verzichtet hat. Sehr maskuliner Wein mit prononcierter Säure und<br />
feinen Bittertönen. Brombeere, Pflaume neben Kräuternoten. Hoher<br />
Extrakt, körnige Tannine. Braucht Zeit.<br />
2011 Assmannshäuser Höllenberg 91 P<br />
Der Wein markiert einen leichten Stilwechsel; dunkles, burgundisch<br />
anmutendes Purpur, in der Nase Cassis, Brombeeren, etwas Kaffee.<br />
Dicht und strukturiert, zeigt bereits spürbare Eleganz durch eine gute<br />
Säure und eingebundenes Holz.<br />
2012 Assmannshäuser Höllenberg 90 P<br />
Jugendlich und noch etwas karg. Purpurne Farbe, in der Nase nach<br />
Belüftung Brombeere und Bitterschokolade. Noch dominiert ein<br />
frisches, aber feines Tannin am Gaumen. Wird seine Eleganz sicher<br />
in einigen Jahren zeigen.<br />
2006 Juwel (aus der DreiLiterFlasche) 89 P<br />
Schwieriges Jahr mit sintflutartigem Septemberregen. Die Winzer<br />
standen vor der Wahl, entweder zu früh, und damit unreifes, oder<br />
zu spät, also faules Lesegut zu ernten. Der zweite JuwelJahrgang war<br />
ein großes Risiko und wurde nur durch extreme Selektion im Weinberg<br />
realisiert. Heute präsentiert sich der Wein sehr kernig und von<br />
einer markanten Säure getragen, relativ hell mit ziegel roten Re flexen,<br />
dabei sehr würzig mit Noten von Pflaumen, Orangen schalen, Oregano<br />
und Leder.<br />
2007 Juwel 93 P<br />
Die bis dato früheste Rebblüte im <strong>Rheingau</strong> führte trotz kühlem<br />
September zu einem sehr frühen Reifezeitpunkt und perfekten Bedingungen<br />
für Spitzenweine. Wie bei diesem dichten, extrakt reichen und<br />
dennoch feinen Juwel: Für die nötige Spannung sorgt der Anteil aus<br />
dem kühleren Frankenthal. Sehr klassische, reintönige Aromen von<br />
dunklen Früchten.<br />
2008 Juwel 90 P<br />
Die frühe Rebblüte weckte die Hoffnung auf einen neuen 2007er,<br />
doch die ging im Herbstregen unter. Anders als 2006 bleiben die<br />
Weine, bei entsprechendem Aufwand, sehr reintönig. Der Juwel entwickelt<br />
trotz merklich kühlerer Art und prononcierter Mineralität<br />
einen guten Druck. Das rassige Säuregerüst verspricht dem Geduldigen<br />
eine lange Zukunft.<br />
2009 Juwel 92 P<br />
Quantitativ kleine Ernte mit sehr gesundem, hoch konzentriertem<br />
Lesegut. Das Ergebnis ist ein bereits sehr präsenter, enorm dichter<br />
und dennoch saftiger Wein. Klassische Cassisnoten, feine, gut eingebundene<br />
Holzwürze. Gute Länge mit einer tragenden Säure und<br />
geschmeidigen Tanninen.<br />
2011 Juwel 93 P<br />
Ein Jahrgang mit Wetterkapriolen, in dem der Höllenberg seine<br />
ganze Klasse zeigt. Noch sehr jung und verschlossen. Etwas schwarze<br />
Johannis und Brombeere, noch ist die Nase deutlich vom Barrique<br />
markiert. Intensive, kühle Mineralität, recht maskulin bei reichem<br />
Extrakt, Länge und straffer Säurestruktur.<br />
» … Terra di Monteverro<br />
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30 FINE 4 | 2015
Chat Sauvage, Geisenheim<br />
2011 <strong>Rheingau</strong> 86 P<br />
Für den EinstiegsSpätburgunder schon eine hohe Farbdichte bei<br />
dunklem Purpur, in der Nase neben reifen roten Früchten etwas<br />
Lakritz. Weiche Säure, dichte Fruchtsüße, wirkt etwas inter national,<br />
macht aber Spaß.<br />
2007 Rüdesheimer Drachenstein Spätlese 90 P<br />
Mittlere Farbdichte, delikate, gut entwickelte <strong>Pinot</strong>Nase, etwas<br />
Himbeere, zartes Holz. Am Gaumen eine hohe Transparenz bei harmonischer<br />
Säure und feinkörnigen Gerbstoffen. Mineralität und gute<br />
Länge bei ausreichendem Druck.<br />
2011 Rüdesheim 87 P<br />
Dichtes Burgunderrot, etwas rote Früchte und Tabak in der Nase.<br />
Auch hier neben einer gewissen Erdigkeit viel Fruchtsüße am Gaumen.<br />
Ein Tick vordergründig und opulent, vermutlich aus recht jungen<br />
Reben.<br />
2009 Assmannshäuser Frankenthal Erstes<br />
Gewächs<br />
Der Jahrgang, der Chat Sauvage den Durchbruch bescherte. Sehr<br />
seriöse Nase mit Cassis, Würze und sehr gut integriertem Holz. Kühle<br />
mineralische Komplexität mit feiner Säure, viel Kraft und Rasse, noch<br />
deutlich jugendlichem Grip. Sehr gutes Potential.<br />
92 P<br />
2012 Lorcher Schlossberg 90 P<br />
Kühle, noch rauchige Nase. Recht kernig mit kräutrigen Aromen,<br />
zurückhaltender Frucht. Lebendige Säure und derzeit noch etwas<br />
dominierende Tannine sowie spürbarer, aber nicht störender Alkohol.<br />
2012 Lorcher Kapellenberg 91 P<br />
Herbe dunkle Beeren und merkliche Röstaromen in der Nase. Gute<br />
Struktur, feine Mineralik. Auch hier ist die Säure noch präsent, das<br />
Tannin dagegen ausgesprochen feinkörnig. Gute Zukunft.<br />
2013 Lorcher Kapellenberg 92 P<br />
Noch verhaltene Nase von Brombeeren, etwas schwarze Johannisbeere<br />
und Noten vom jungen Holz. Bei aller Kraft doch auch transparent<br />
in seiner Struktur, fleischig und komplex.<br />
2013 Rüdesheimer Drachenstein 94 P<br />
Konzentriertes dunkles Burgunderrot. Trotz der gerade erfolgten<br />
Füllung schon sehr würzige Aromen von dunklen Beeren und perfektem<br />
Holzeinsatz. Bei aller Wucht doch verblüffend elegant und<br />
kühl, sehr viel Druck bei großer Komplexität und bereits angedeuteter<br />
Tiefe, bestens eingebundene Säure und Gerbstoffe.<br />
Weingut Prinz, Hallgarten<br />
2013 Hendelberg 89 P<br />
Beide 2013er Hendelberg wurden unlängst gefüllt, dabei lag auch<br />
der »einfache« dieses Jahr vierundzwanzig statt der üblichen achtzehn<br />
Monate in (gebrauchten) Barriques. Dunkles, aber transparentes<br />
Rubin mit purpurvioletten Reflexen, duftig, elegant, gut strukturiert<br />
mit viel Saft. Schwarze Beeren in der Nase, feine Würznoten.<br />
Sehr gelungen.<br />
2013 Hendelberg Reserve 92 P<br />
Die Reserve demonstriert das unterschätzte Potential des Jahrgangs.<br />
Intensive Farbtiefe, Brombeere und Rauch in der Nase, am Gaumen<br />
dicht, noch in der Fruchtphase, aber bereits komplex, sehr gut eingebundenes<br />
Holz. Wird sich bald verschließen und sich in einigen Jahren<br />
als der wohl beste Spätburgunder von Fred Prinz bis dato erweisen.<br />
2012 Hendelberg 86 P<br />
Aus einem Jahr mit wenig Ertrag, viel Extrakt, aber auch mitunter<br />
kantiger Säure, zeigt sich der Wein noch etwas spröde. Verhaltenes<br />
Bouquet von roten Beeren und Trockenkräutern. Das etwas trocknende<br />
Holz dominiert derzeit. Gute Mineralität, kühle Frucht und<br />
Nachhaltigkeit.<br />
2012 Hendelberg Reserve 88 P<br />
Recht nah am »einfachen« Hendelberg, dabei bei prononcierter,<br />
mineralischer Säure mehr Dichte. In der Nase ist das neue Holz<br />
präsent.<br />
2010 Hendelberg »R« 88 P<br />
Gut entwickelt aus einem schwierigen Jahr. Dunkles Rubin, erste<br />
ziegel rote Reflexe. In der Nase schwarze und rote Beeren, dazu etwas<br />
Waldboden. Mittelgewichtige Struktur bei lebendiger und strukturierender<br />
Säure. Gut eingebundenes Holz.<br />
2008 Hendelberg 87 P<br />
Die Premierenabfüllung aus dem Hendelberg zeigt sich voll entwickelt.<br />
Mittleres Rubin mit leichtem Ziegelrand. In der Nase Erdbeeren,<br />
rote Johannisbeeren und Laub. Weiche Säure und Gerbstoffe,<br />
mittlere Dichte und Länge. •<br />
32 FINE 4 | 2015
FINE<br />
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UNTER DEM STICHWORT »ACHTFUERSECHS«<br />
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