42 ZOOM Seit vielen Jahren steht ein großes Zelt, ein Tipi, in der Wiese beim Augsburger Kulturhaus Abraxas. Aufgebaut hat es Matthias Fischer. M Der Märchenonkel
ZOOM 43 Matthias, welches Märchen hat dich als Kind besonders beeindruckt? Und warum? Das war das Märchen von den Sterntalern. So ein Wunder! Selber nichts mehr haben vor lauter Hingabe und dann so reich vom Himmel beschenkt werden. Das beeindruckt mich heute noch. Wer hat dir als Kind Märchen erzählt? Wie war das? Natürlich meine Mutter. Ich kann mich an ein sehr schönes Gefühl von Zuwendung und Geborgenheit erinnern. Es ist das, was ich auch in meinen Erzählstunden gerne weitergebe. Hast du dich als Kind vor schrecklichen Geschöpfen und brutalen <strong>Szene</strong>n in Märchen gefürchtet? Nicht in den Märchen. Das war alles im grünen Bereich. Als ich aber eine Folge Raumschiff Enterprise bei den Nachbarn in Farbe ansehen durfte, schlurften da ganz fürchterliche Gestalten über den Bildschirm. Ich bin in Panik nach Hause gerannt und hab mich unter der Bettdecke versteckt. Ich bin immer noch sehr schreckhaft, was Filme anbelangt. Welche Märchen würdest du wegen ihrer Brutalität niemals kleinen Kindern erzählen? Aus dem deutschen Märchen-Repertoire halte ich „Wie Kinder Schlachtens spielten“ und „Das Märchen von dem Machandelboom“ für vollkommen ungeeignet. Ein Indianermärchen über einen rachsüchtigen jüngsten Bruder ist ebenso erst was für die Großen. Eines Tages hast du beschlossen, nicht mehr als Reiseführer unterwegs zu sein und hast dir in der Wiese zwischen Bäumen beim Augsburger Kulturhaus abraxas ein großes Zelt aufgebaut. Wie kam es dazu? Das war ein längerer Prozess. Ich habe zunächst meinen Traum weiterverfolgt, einen Beruf als Sprecher, Rezitator, Moderator, etc. zu erlernen und ab dann nur noch in diesen Bereichen zu arbeiten. Das Märchenerzählen war zunächst ein Hobby, wurde dann immer professioneller und schließlich zu meiner Berufung. In einem Zelt am Feuer zu erzählen war dann einfach das Schönste von allem, so habe ich das vorangetrieben und freue mich nun über so einen wunderbaren Beruf. Vermisst du die fernen Länder? Nein, ich habe tatsächlich genug von dieser schönen Welt gesehen. Und das in Zeiten, als man sich noch nicht so sehr fürs Fliegen schämen musste. Ich habe auch große Freude daran, in unsere Berge zu gehen, oder auch mal um die fränkischen Seen oder den Ries-Panoroma-Weg. Da begegnest du fast niemandem, während man in den Alpen kaum noch Parkplätze findet. Inzwischen bist du nicht mehr allein, sondern hast ja ein umfangreiches Team für das Programm. Wie kam's dazu? Märchenerzählen findet viel in der Freizeit statt. Dann kommen oft mehrere Anfragen für den gleichen Zeitraum. Da kann ich dann eben etwas anbieten, anstatt die Leute zu enttäuschen. Früher habe ich das alles als One-Man-Show gemacht, das geht jetzt einfach nicht mehr. Manchmal sind wir mit mehreren mobilen Märchenzelten an verschiedenen Orten unterwegs. So gibt es ein 10-köpfiges Erzähler:innen-Ensemble, zwei Büro-Feen und einen Holzknecht. Jede Menge gute Geister, ohne die es einfach nicht mehr geht. Sogar deine Geschwister mischen mit. Wie das? Mein Bruder Jörg ist mir als Erzähler mit dem Mobilzelt eine große Hilfe, er kann einfach sehr gut mit Kindern. Als er ein Kinderbuch für seine eigenen Kids geschrieben hat, wurde mir klar, dass er eine super Bereicherung fürs Märchenzelt sein würde. Meine Schwester Gabi hält mir im Büro den Rücken frei. Ich verbringe meine Zeit einfach lieber im Zelt als am Schreibtisch. Du bringst ein neues Format in deinem Märchenzelt: die Lagerfeuer-Abende für Erwachsene. Warum? Und welche Märchen und Geschichten erzählst du da? Sind da auch harte Horror-Storys dabei? Für viele Erwachsene sind Märchen eher was für Kinder. Märchen für Erwachsene sind manchem zu speziell. Bei den Lagerfeuer-Abenden steht der Zuhörer im Mittelpunkt. Ich biete mit meinem Tipi-Feuer eine Wohlfühlatmosphäre an, in der man sich einfach mal entspannen kann. Oder Zuhören. Einfach ins Feuer gucken, einfach was Gegrilltes genießen. Was ist an einem Lagerfeuer so faszinierend für erwachsene Menschen? Das ist Runterfahren pur! Wegträumen, sich warm und beschützt fühlen. Auftanken. Feuerschein ist erwiesenermaßen eine große Wohltat. Wenn dann auch noch eine angenehme Stimme phantasievolle Dinge erzählt, das ist einfach perfekt! Oft wird ja ein Lagerfeuer-Abend mit Musik begleitet. Auf was können wir uns da freuen? Ich liebe ja alles, was sich trommeln lässt. Vor allem die faszinierenden Klänge der Handpans und Hapis haben es mir angetan. Ich lasse mich damit immer wieder gerne beim Erzählen von Andreas Koller begleiten. Er tritt mit der über Augsburg hinaus bekannten Gruppe Mandara immer wieder mit einem eigenen Programm im Märchenzelt auf. „Märchen erzählen, das ist wie Jazz“. Das sagt Eric Zwang Ericksson, fantastischfanatischer Percussionist und kongenialer Märchenbegleiter an so vielen Instrumenten wie möglich, alle gleichzeitig von ihm selbst gespielt. Am Lagerfeuer werden die Menschen hungrig und durstig. Was kannst du dagegen tun? Ich tu was für ihren Genuss: Mit Stockbrot, Steaksemmeln und Bratäpfeln. Mit Glühwein und Grillwürstln zur Adventszeit, mit Bierproben und „Menü á la Schneekönigin“. Ganz interessant ist ja deine Veranstaltung in einer Salzgrotte. Was passiert dort? Dort gibt es die Märchen in einer superentspannten Umgebung. Das ist wie eine Kur im Salzstollen. Auf bequemen Liegen fliegt ihr salzluftatmend in alle Märchenländer dieser Welt. Da will man gar nicht mehr weg… Wie erklärst du dir die Faszination von einfach erzählten Märchen auf Erwachsene im Zeitalter von TV, Smartphones, Digitalismus und Internet? Das ist eben das Echte, das Gemütliche, das Urige. Der Rauch vom Feuer ist wirklich würzig und manchmal kitzelt es auch in der Nase. Darf es auch, ist eben kein Fernseher… Und es sind echte Gefühle, um die es hier geht, die Klassiker Wut, Angst, Freude, Traurigkeit. Kannst du uns verraten, was du in der Zukunft noch veranstalten willst? Nur soweit ich es selbst vor Augen habe. Mir fällt ja ständig was ein. <strong>Neue</strong>rdings erzählen wir vom Märchenzelt einmal in der Woche am Kultur- Parklet. Diese Aktion des Kulturamts ist Teil eines mittlerweile leider gerichtlich gekippten Experiments, die Maxstraße zu beruhigen und dann mit Kultur am Straßenrand zu bespielen. Ich vermute das „Aus", bevor es überhaupt losgeht. Schade. Aber es geht auch in deinem großen Zelt beim Abraxas weiter, oder? Natürlich, ich freue mich jetzt erstmal auf unser tolles Programm im Herbst: auf gruselige Halloween-Märchen (kein Horror!), auf Märchenkrimis, auf Liebesmärchen und Märchen aus dem alten Zarenreich, als es da noch märchenhafter war als heute. Gerade habe ich das Programm bis Ende November fixiert und den ersten Glühweinabend ins Auge gefasst. Und das bei sommerlichen 30 Grad. Schwitz!