2023-11_RegioBusiness
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02 Politik & Wirtschaft<br />
November <strong>2023</strong> I Jahrgang 22 I Nr. 252<br />
„Die Politik ist gefordert“<br />
Konjunkturumfragen: Der Wirtschaft stehen schwierigen Zeiten bevor. Das hat auch Folgen auf dem Arbeitsmarkt.<br />
VON HERIBERT LOHR<br />
Als Hauptgeschäftsführerin<br />
Elke Döring gemeinsam mit<br />
Christina Nahr-Ettl als Leiterin<br />
des Bereiches Unternehmen<br />
& International und der Referentin<br />
für Volkswirtschaft Dorothee<br />
Kienzle den Wirtschaftslagebericht<br />
der IHK Heilbronn-Franken<br />
für das dritte Quartal dieses Jahres<br />
erläuterte, stand den drei gestandenen<br />
Fachfrauen der sorgenvolle<br />
Ernst der Lage regelrecht<br />
ins Gesicht geschrieben.<br />
Dabei waren es nicht einmal die<br />
aktuellen Daten, die die 362 teilnehmenden<br />
Firmen aller Branchen<br />
und Größen mit rund 73<br />
000 Beschäftigten stichprobenartig<br />
geliefert hatten, die für die sorgenvollen<br />
Mienen sorgten, sondern<br />
das, was derzeit zur erwarten<br />
steht: Nämlich, dass es am<br />
Konjunkturhimmel noch deutlich<br />
düsterer wird. „Zwar gibt es“, erklärt<br />
Elke Döring ernüchtert, „da<br />
und dort auch einzelne positive<br />
Signale, aber wir können keine<br />
Anzeichen für eine allgemeine<br />
Kehrtwende erkennen.“<br />
Zwar laufen bei einer Mehrzahl<br />
der Unternehmen in der Region<br />
die Geschäfte zumindest „noch<br />
halbwegs befriedigend“, aber es<br />
gebe eine unheilige Melange aus<br />
hohen Abgaben, kräftig gestiegenen<br />
Energiekosten, viel Bürokratie<br />
und einem derben Fachkräftemangel,<br />
die Stimmung und Erwartungen<br />
ganz allgemein regelrecht<br />
„in den Keller“ drückt. Für manchen<br />
Beobachter etwas überraschend<br />
sind es noch nicht einmal<br />
die großen Brandherde dieser<br />
Tage, wie etwa die Belastungen<br />
durch den Krieg in der Ukraine<br />
oder möglichen ökonomischen<br />
Folgen des Waffenganges in Nahen<br />
Osten, die für eine durchgreifende<br />
Verunsicherung sorgen. Bürokratie,<br />
Wirtschaftspolitik, Energiekosten<br />
und Fachkräftemangel<br />
führen die Hitliste der Antworten<br />
für die Ursachen der durchgreifenden<br />
Malaise auf die direkte<br />
Nachfrage durch die Kammer an.<br />
AUFBRUCHSTIMMUNG Elke<br />
Döring sieht deshalb auch die<br />
Politik unbedingt in der Pflicht:<br />
„Wir brauchen dringend ein Aufbruchssignal,<br />
um noch die Kurve<br />
zu kriegen.“ Auf Nachfrage wird<br />
die Hauptgeschäftsführerin konkreter<br />
und kritisiert dabei auch<br />
die gängige, nach ihrer Überzeugung<br />
auch schädliche Streitkultur:<br />
„Weniger grundsätzliche Debatten,<br />
dafür mehr durchdachte<br />
und klare Entscheidungen.“ Ein<br />
verlässliches Umfeld tut wohl Not,<br />
denn nicht einmal mehr ein Drittel<br />
der Betriebe meldet derzeit<br />
„gut laufende Geschäfte“. Noch<br />
einmal richtig verschlechtert hat<br />
sich dabei die Lage vor allem im<br />
Großhandel, im Baugewerbe und<br />
in der Industrie. Der Saldo der<br />
Beurteilungen erreicht den niedrigsten<br />
Stand seit drei Jahren. Verschärft<br />
wird der Abschwung auch<br />
dadurch, dass die heimische Wirtschaft<br />
gleich von zwei Seiten in<br />
die Zange genommen wird. „Wir<br />
beobachten seit geraumer Zeit einen<br />
massiven Rückgang der Inlandorders“,<br />
erläutert Christina<br />
Nahr-Ettl: „Hier ist der Saldo auf<br />
den schlechtesten Wert seit der<br />
Finanzkrise 2008/09 gesunken.<br />
Gleichzeitig spüren wir eine nachlassende<br />
Nachfrage auf fast allen<br />
Exportmärkten.“<br />
Das entfaltet nun auch am Arbeitsmarkt<br />
seine Wirkung. So<br />
hat die Einstellungsbereitschaft<br />
der Firmen deutlich nachgelassen.<br />
Knapp ein Viertel der befragten<br />
Unternehmen plant mittlerweile<br />
einen Stellenabbau. Dabei<br />
sind die Firmen derzeit eigentlich<br />
zum weiteren Personalaufbau<br />
verdammt. Dorothee Kienzele:<br />
„Denn nach wie vor ist der Mangel<br />
an Fachkräftemangel das<br />
größte Problem, für die weitere<br />
positive wirtschaftliche Entwicklung.“<br />
Der Blick auf die Bauwirtschaft<br />
verdeutlicht das Problem.<br />
Während sich in Teilen des Straßen-<br />
und Tiefbaus die Auftragslage<br />
etwas verbessert hat, klagen<br />
Masterplan: Die Wirtschaft fordert von der Politik mehr Unterstützung<br />
für einen durchgreifenden Strukturwandel.<br />
Grafik: Harm Bengen<br />
85 Prozent der Betriebe im Wohnungsbau<br />
über rückläufige Auftragseingänge.<br />
Die Folge: Kein Betrieb<br />
will Personal aufbauen, aber<br />
fast ein Viertel Stellen streichen.<br />
Lediglich Einzelhandel und Gastronomie<br />
warten nach längeren<br />
Durststrecken mit besseren<br />
Nachrichten auf. Die Inflationsrate<br />
gibt nach, die Kauflaune ist<br />
etwas gestiegen. Gute Geschäfte<br />
machen der Lebensmitteleinzelhandel,<br />
die Anbieter von Sportund<br />
Geschenkartikeln sowie die<br />
Baumärkte. Das Dienstleistungsgewerbe<br />
schwächelt etwas, allerdings<br />
auf hohem Niveau. Überdurchschnittlich<br />
gut geht es dabei<br />
den ITK- und Beratungsdienstleistern.<br />
Hotels und Gaststätten berichten<br />
von einem guten Sommergeschäft<br />
und spüren dabei auch<br />
die Nachholeffekte der Corona-<br />
Pandemie.<br />
Die grundsätzlichen Gegebenheiten<br />
decken sich übrigens mit<br />
denen in unmittelbarer Nachbarschaft.<br />
So beschreibt die<br />
IHK Nürnberg für Mittelfranken<br />
die Ergebnisse ihrer aktuellen<br />
Herbst-Konjunkturumfrage mit<br />
den Worten: „Die Stimmung der<br />
Wirtschaft kippt“. IHK-Präsident<br />
Dr. Armin Zitzmann: „Den Unternehmen<br />
fehlen Wachstumsperspektiven<br />
und frische Impulse für<br />
Investitionen und Beschäftigung.“<br />
Mit eindeutigen Tendenzen: Investitionen<br />
werden verschoben<br />
und auch bei der Einstellung von<br />
neuen Mitarbeitern halten sich<br />
die Betriebe zurück. Auch deshalb<br />
appelliert er an die Politik:<br />
„Dringend erforderlich sind eine<br />
konsequente Entbürokratisierung<br />
und steuerliche Anreize, um das<br />
Investitionsklima zu verbessern.“<br />
Dass sich die Rezession erst noch<br />
verfestigt, ist wohl ausgemacht,<br />
denn der Abschwung hat zuletzt<br />
auch das Handwerk in der Region<br />
erfasst. Die jüngste Umfrage der<br />
Handwerkskammern unter 1500<br />
Betriebe in Baden-Württemberg<br />
lassen etwas Hoffnung aufkeimen.<br />
Ulrich Bopp, Präsident der Handwerkskammer<br />
Heilbronn-Franken:<br />
„Glücklicherweise hat sich<br />
der Abwärtstrend nicht fortgesetzt.“<br />
Zwar sei die Lage „deutlich<br />
eingebrochen, aber die weiteren<br />
Einschätzungen waren deutlich<br />
besser als Vorjahr.“ Trotzdem:<br />
37 Prozent der Handwerker<br />
berichten von rückläufigen Auftragseingängen.<br />
Damit ist die Auftragslage<br />
so schlecht, wie zuletzt<br />
im Jahre 2009. Damals war Finanzkrise.<br />
www.heilbronn.ihk.de<br />
www.nuernberg.ihk.de<br />
www.hwk-heilbronn.de<br />
Impressum<br />
STANDPUNKT<br />
Marius Stephan<br />
Redakteur<br />
Lautlose Revolution<br />
Flüsterleise zieht der E-Lkw an und rollt vom<br />
Hof eines bekannten Crailsheimer Unternehmens.<br />
Ohne Abgas, ohne Dieselnageln. Beinahe<br />
gespenstisch mutet es an, wenn der<br />
40-Tonner auf die Straße zieht und Richtung<br />
Landstraße rollt. Zukunftsmusik? Mitnichten.<br />
Vereinzelte „Early-Adopter“? Klar. Verbreitet<br />
ist die Technologie im Bereich Schwerlast-Lkw<br />
noch nicht, aber jede neue Technik<br />
braucht Pioniergeist. Und den gibt es auch in<br />
der Region.<br />
Es ist noch gar nicht so lange her, da hieß<br />
es aus den Reihen der Logistik- und Nutzfahrzeugprofis,<br />
dass elektrische Antriebe<br />
bei Nutzfahrzeugen nur auf der sogenannten<br />
„Last Mile“, also dem kürzesten Stück<br />
des Transports vom letzten Logistikzentrum<br />
zum Empfänger, funktionieren könnten. Niemals<br />
auf den längeren Strecken zwischen den<br />
Depots oder gar auf dem kompletten Weg.<br />
Und ja: Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />
trifft das noch immer zu. Die E-Zugmaschinen<br />
sind mehr als doppelt so teuer in der<br />
Anschaffung wie ihre Diesel-Pendants, der<br />
Transport einer Ware muss rund 40 Prozent<br />
teurer eingepreist werden, um rentabel zu<br />
sein. Aber es ist mittlerweile im Bereich des<br />
Möglichen, Waren rein elektrisch und von einem<br />
Ort zum anderen zu transportieren. Der<br />
gute Preis kommt dann von ganz allein.<br />
Der Markt für die Stromriesen ist zwar noch<br />
begrenzt: Im Jahr 2022 dominiert mit einem<br />
Anteil von 96,6 Prozent an den Neuzulassungen<br />
der Diesel-Lkw in der EU.<br />
Foto: Ufuk Arslan<br />
Laut des Verbands Europäischer Automobilhersteller<br />
wurden EU-weit insgesamt 274 058<br />
Diesel-Lkw verkauft. Aber: In Frankreich ging<br />
der Anteil der Diesel-Lkw am Absatz mit 3,0<br />
Prozent und Deutschland mit 2,4 Prozent zurück.<br />
Dafür stellte der Verband im vergangenen<br />
Jahr EU-weit einen Absatzanstieg von<br />
elektrisch betriebenen Lkw von 32,8 Prozent<br />
fest. Insgesamt wurden 1656 Fahrzeuge zugelassen,<br />
die Hälfte davon in der Bundesrepublik<br />
Deutschland.<br />
Die Zahlen sind noch vergleichsweise gering,<br />
aber wie schnell sich dies drehen kann, zeigt<br />
zum Beispiel der E-Pkw-Bereich, der, vor einigen<br />
Jahren auch noch verlacht, mittlerweile<br />
zu einem enormen Wachstumsmarkt weltweit<br />
geworden ist. Nicht umsonst drängten sich<br />
unter anderem auf den vergangenen Flottentagen<br />
des Werbeexperten Signal in Schwäbisch<br />
Hall E-Autos chinesischer Fabrikation<br />
Tür an Tür. Die Zulassungszahlen steigen weiter,<br />
im vergangenen Jahr konnte knapp eine<br />
halbe Million der Fahrzeuge in Deutschland<br />
verkauft werden. Eine rasante Entwicklung,<br />
fünf Jahre zuvor, 2017, waren es gerade einmal<br />
25 000 Fahrzeuge, die in Deutschland einen<br />
Käufer gefunden haben.<br />
Natürlich spielt die Förderung bei der Verbreitung<br />
neuer Technologien immer eine Rolle<br />
und da machen auch Nutzfahrzeuge keine<br />
Ausnahme. Mit sinnvoll strukturierten und an<br />
der Praxis ausgerichteten Förderprogrammen<br />
ließe sich der CO 2<br />
-Ausstoß des gesamten Logistiksektors<br />
reduzieren.<br />
Dazu gehört freilich nicht nur die Erleichterung<br />
für den Einstieg, auch Firmen mit wenig<br />
Fahrzeugen oder geringer Jahreslaufleistung<br />
sollten bei den Programmen bedacht werden,<br />
sondern auch der massive Ausbau der Infrastruktur,<br />
allem voran Ladepunkte für die flächendeckende<br />
E-Mobilität. Aber auch die<br />
Straßen und Autobahnen (und natürlich auch<br />
die Schienensysteme) an sich müssen der Kapazität<br />
gewachsen sein. Wer in der Region<br />
auf die Autobahn 6 angewiesen ist, weiß um<br />
die katastrophale Situation mit vielen Unfällen<br />
und noch mehr Sperrungen. Beinahe täglich<br />
heißt es dort: Motor aus und warten, bis<br />
die Rettungskräfte ihre Arbeit getan haben.<br />
Der Ausbau auf sechs Spuren – der erst kürzlich<br />
auf eine Prioritätenliste im Rahmen des<br />
Genehmigungsbeschleunigungsgesetzes gerutscht<br />
ist, was in der deutschen Bürokratie<br />
freilich überhaupt nichts heißen muss – kann<br />
nicht schnell genug kommen.<br />
Denn ein Umstand lässt einfach auch nicht<br />
wegdiskutieren: Wirtschaftlicher Erfolg<br />
braucht eine funktionierende, gute und<br />
schnelle Logistik. Und mag die Technik der<br />
Ware noch so gut sein, wer seine Produkte<br />
nicht schnell zum Kunden bringen kann, verliert<br />
mit der Zeit. Die Grundlage des Warentransports<br />
ist auch einer der Erfolgsfaktoren<br />
für die vielen renommierten Weltmarktführer<br />
zwischen Kocher, Jagst und Tauber –<br />
oder vielleicht in diesem Kontext besser: für<br />
die vielen Weltmarktführer zwischen A6, A7,<br />
B19 und B290.<br />
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