Broschüre: Kulturpreis 2023 Schwarzwald-Baar, Werke der Preisträger 2023 – Literatur und Drama
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Mein Ziel ist die russische Botschaft.<br />
Spätnachmittag, ich bin in Berlin angekommen <strong>und</strong><br />
habe mein Hotel bezogen, es liegt ganz in <strong>der</strong> Nähe<br />
vom Gendarmenmarkt. Es ist ein warmer Tag, so entschließe<br />
ich mich, einen Spaziergang zur Botschaft zu<br />
machen, die liegt nicht allzu weit weg.<br />
Ich bin allerdings erstaunt über die Größe des Gebäudes,<br />
ja Komplexes. Mir kommt es wie ein ganzer Block<br />
vor. An <strong>der</strong> Straße „Unter-den-Linden“ versperrt ein<br />
langes <strong>und</strong> hohes eisernes Gitter den Zugang zum Botschaftsgebäude,<br />
nur ein kleiner Eingang ohne weiteres<br />
Hinweisschild - <strong>der</strong> muss irgendwo an<strong>der</strong>s liegen, denke<br />
ich, <strong>und</strong> umr<strong>und</strong>e das Gebäude. Auf <strong>der</strong> Rückseite finde<br />
ich dann, was ich suche: ein Schild „Botschaft <strong>der</strong> russischen<br />
Fö<strong>der</strong>ation“ <strong>und</strong> „Sprechzeiten von 9-13 Uhr“.<br />
In Verbindung mit <strong>der</strong> doch kleinen Tür wirkt das sehr<br />
bescheiden auf mich <strong>und</strong> eigentlich wenig einladend.<br />
Egal, ich weiß jetzt, wo ich mich morgen hinwenden<br />
werde.<br />
Natürlich stand ich schon vor neun Uhr an <strong>der</strong> Tür <strong>und</strong><br />
wartete. Ich war sehr angespannt. Da nichts geschah,<br />
drückte ich fünf nach neun die Klingel <strong>der</strong> Sprechanlage.<br />
Eine Stimme meldete sich, doch ich verstand nichts;<br />
war ja sehr wahrscheinlich Russisch, <strong>und</strong> das beherrschte<br />
ich nicht.<br />
Wie ich mir zuvor zurechtgelegt hatte, sagte ich einfach<br />
in bestem Schriftdeutsch: “Hallo <strong>und</strong> guten Tag, ich<br />
habe eine Nachricht für den russischen Botschafter.“<br />
Zunächst herrschte Stille, dann kam etwas zurück,<br />
das ich als „einen Moment bitte“ interpretierte. Nach<br />
gefühlten fünf Minuten, die ich als sehr unangenehm<br />
empfand, von vermeintlich tausend Videokameras beobachtet,<br />
knackte es kurz <strong>und</strong> eine weibliche Stimme<br />
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