das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Philosophie 115<br />
in Marx selbst. Ich interpretiere dabei nichts hinein. Die Konklusion,<br />
die Raddatz im Vergleich zwischen Bakunin („Reisender in Revolution")<br />
unçï Marx („Die einsame Höhe der disziplinierten politischen<br />
<strong>Theorie</strong>") zieht, mag dies verdeutlichen: „Es ist zugleich der Unterschied,<br />
der auch zu politischer Taktik befähigt, zu gemeinsamen Aktionen<br />
zwischen NSDAP und KPD im krisengeschüttelten Berlin<br />
1932; zum Nicht-Streik-Aufruf der KPF 1968, während Daniel<br />
Cohn-Bendits Studenten (!) die Schönheit der Pflastersteine bedichteten;<br />
zum Überbordwerfen aller eigenen Postulate aus Staat und<br />
Revolution, zehn Tage später, nachdem der Autor, Lenin, die Macht<br />
erkämpft hatte." (318) Unhaltbar, natürlich. Ganz abgesehen davon:<br />
Welcher Leser, der sich über Marx orientieren will, soll diese mixture,<br />
diese .Verwirrpassagen' eigentlich verstehen?<br />
Der Eingeweihte versteht's (siehe oben): er gehört ins Töpfchen<br />
oder ins Kröpfchen. Sehr einfach: die Libertären und die Strengen,<br />
die Anarchisten und die Kommissare. Ich habe gewiß nichts gegen<br />
<strong>das</strong> Popularisieren, im Gegenteil; aber die Fülle des offensichtlich<br />
Falschen und Halbfalschen, und dort, wo Aktualität vonnöten gewesen<br />
wäre, die leichtfertige Garnierung mit Namen, von Luxemburg,<br />
Liebknecht bis Dutschke: So nicht.<br />
Hätte Raddatz, bei allem Urteilen und Verurteilen, wenigstens<br />
klar Stellung bezogen. Hätte er nicht bloß eine Materialschlacht,<br />
aufgezäumt als Buch, geliefert. So stößt der Verlag bereits im Klapptext<br />
den Leser deutlich darauf: es handelt sich um die erste umfassende<br />
deutsche Marxbiographie seit 1918. Gut; aber an dieser<br />
Biographie ist nichts spezifisch deutsch, außer, daß in andern Ländern<br />
sorgfältigere Biographien geschrieben worden sind. Und was<br />
bei dem auf Subjektivität hin angelegten Versuch zumindest nahegelegen<br />
hätte und was gegenüber der anvisierten Leserschaft angebracht<br />
gewesen wäre: die Aktualität des Themas nicht schlampig, in<br />
unmöglichen Kurzeinschüben abzuhalftern, sondern klärend darzustellen.<br />
Nichts davon. Wer Raddatz mit Mehring abwägt, und auf<br />
diesen Vergleich stoßen einen Autor und Verleger gleichermaßen,<br />
könnte zum Kulturkritiker verkommen. Urs Jaeggi (Berlin/West)<br />
Der unbekannte junge Marx. Neue Studien zur Entwicklung<br />
des marxschen Denkens 1835—1847. Hase & Koehler Verlag,<br />
Mainz 1973 (311 S., br., 18,— DM).<br />
Dieser Sammelband ist eine erweiterte Ausgabe der aus Anlaß<br />
des 150. Geburtstages von Karl Marx erschienenen Publikation<br />
„Karl Marx 1818—1968 — Neue Studien zu Person und Lehre". Das<br />
Buch will Forschungen über den „jungen Marx" vermitteln. Ausdrücklich<br />
wird hervorgehoben, daß die lange modisch gewesene<br />
Unterscheidung zwischen dem „jungen" und dem „alten" Marx<br />
von der Forschung fallengelassen worden sei. „Sie sieht die Persönlichkeit,<br />
<strong>das</strong> Werk und deren Ausstrahlung und Auswirkung als (<br />
DAS ARGUMENT 95/1976 ©