das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Urnwelt zu Marktpreisen? 81<br />
möglich, so muß eine Kostenentlastung (also <strong>das</strong> genaue Gegenteil<br />
von Kostenzurechnung, was einem Eingeständnis der illusorischen<br />
Gültigkeit des Sozialkostenkalküls gleichkommt! — D. H.) nach dem<br />
Gemeinlastprinzip erfolgen. In diesem Falle werden die Kosten über<br />
die öffentlichen Haushalte abgegolten mit der weiteren Folge einer<br />
Weitergabe dieser Kosten im Besteuerungsprozeß" (Ziff. 567). Eine<br />
Ziffer weiter wird erklärt: „Das Gemeinlastprinzip wird dort anzuwenden<br />
sein, wo eine Anwendung des Verursacherprinzips zu politisch<br />
unerwünschten Zieleinbußen an anderer Stelle führen müßte.<br />
Führt beispielsweise eine mittels Auflagen erzwungene Kosteninternalisierung<br />
in bestimmten Branchen zu einem Beschäftigungsrisiko,<br />
so kann der Staat dies vorübergehend durch Subventionen auffangen"<br />
(Ziff. 568).<br />
Für bestimmte Fälle setzt <strong>das</strong> Verursacherprinzip also aus. Doch<br />
auch die Strategie der Kostendiffusion kann zu Zielverzichten führen:<br />
„Auch bei der Anwendung des Gemeinlastprinzips sind im Zuge<br />
des Steuerlastverteilungsprozesses relative Preisverschiebungen mit<br />
Substitutionswirkungen die Folge, die sich jedoch nicht nach den Zielen<br />
der Umweltpolitik, sondern nach den vielfach anderen Zielen und<br />
Zufälligkeiten der Steuerpolitik richten" (Ziff. 567). Um diese Unwegbarkeiten<br />
zu vermeiden, werden weitere Instrumente ersonnen,<br />
die wiederum irgendwelche Zielverzichte bewirken, und so beginnt<br />
jenes Karussell sich zu drehen, wo jede Zielkollision ein neues Instrument<br />
entstehen läßt und jedes Instrument einen neuen Zielkonflikt<br />
zur Folge hat. Das Ergebnis ist eine abstrakt-sinnlose, konkretistische<br />
Bewegung. Schließlich kommt man zum Ausgangspunkt<br />
zurück: „Eine eindeutige Überlegenheit des Verursacherprinzips besteht<br />
dabei dort, wo eine Identifizierung, Bewertung und Zurechnung<br />
der Umweltbelastung grundsätzlich möglich ist" (572). Aber wer ,Kosten'<br />
sagt, muß auch ,Bewertung* sagen; und wer bewertet, muß die<br />
Legitimität bzw. Nicht-Beliebigkeit oder Objektivität seiner Quantifizierung<br />
begründen. Da die Begründungsversuche Widersprüche<br />
aufweisen, wird erneut festgestellt, daß alle Lösungsstrategien im<br />
Rahmen des „Verursacherprinzips im weiteren Sinne" (Ziff. 570) nur<br />
„mehr oder weniger exakt" (Ziff. 572) sind. Also bewegt man sich<br />
wieder vom Ausgangspunkt fort, nach neuen Methoden und Instrumenten<br />
Ausschau haltend.<br />
Im Rahmen des Coase-Theorems diskutieren sie etwa die „Ausdehnung<br />
der Eigentumstitel auf knappe Umweltgüter. Hier wird<br />
unterstellt, soziale Zusatzkosten seien die Folge unvollständiger<br />
Eigentumstitel..." (Ziff. 573; vgl. auch die folgenden Ziffern). Hierzu<br />
gehört auch die sog. Zertifikatsökonomie (vgl. Ziff. 577). Erwogen<br />
wird hier u. a. eine sog. ,Umweltbörse <strong>für</strong> Umweltnutzungslizenzen',<br />
z. B. die Einrichtung eines ,Marktes <strong>für</strong> Luftverschmutzungsrechte'.<br />
Jeder darf nach Maßgabe seines Zertifikats, welches er an der Börse<br />
erworben hat, die Luft verschmutzen. Die Zertifikate selbst sind<br />
limitiert, knapp und werden gehandelt wie Aktien.<br />
DAS ARGUMENT 95/1976 ©