das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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34 Walther Dieckmann<br />
ideologische und soziale Homogenität der an ihr Beteiligten voraus<br />
— eine Bedingung, die übrigens <strong>für</strong> die Gemeinschaft der Vollbürger<br />
Athens, <strong>für</strong> die Aristoteles seine Rhetorik verfaßte, im wesentlichen<br />
gegeben war —, und sie ist damit primär als eine Form der in-group-<br />
Kommunikation zu kennzeichnen. Höchst fragwürdig wird die <strong>Theorie</strong>,<br />
wenn man, was die Formulierungen durchaus nahelegen, die<br />
oben zitierten Bedingungen in Aufforderungen umwandelt: Sei<br />
ernsthaft... !, sei bereit... !, verpflichte Dich ... !, und die Kommunizierenden<br />
<strong>für</strong> <strong>das</strong> Gelingen des persuasiven Sprechakts verantwortlich<br />
macht, ohne zu fragen, ob die objektiven Bedingungen der<br />
Situation den Diskurs im definierten Sinne überhaupt zulassen. Gegen<br />
diese Methode, die <strong>Theorie</strong> Kopperschmidts und <strong>das</strong>, was von<br />
Habermas' <strong>Theorie</strong> der kommunikativen Kompetenz in sie eingegangen<br />
ist, ins redepädagogisch Praktische zu wenden 14 , würden beide<br />
protestieren, jedoch zeigt sie, daß es nur einer Akzentverschiebung<br />
bedarf, um auch dieses Rhetorik-Verständnis in der ohnehin herrschenden<br />
Diskussionsideologie aufgehen zu lassen. Deutlicher als bei<br />
Kopperschmidt wird diese Gefahr allerdings in dem Aufsatzband<br />
„Rhetorik und politische Bildung" von H. Geißner. Er ist in diesem<br />
Zusammenhang von besonderem Interesse, weil sich an ihm zeigen<br />
läßt, wie Kritische <strong>Theorie</strong> und hermeneutische Philosophie sich,<br />
beim Wort genommen, redepädagogisch verwirklichen lassen; denn<br />
charakteristisch <strong>für</strong> die zahlreichen Veröffentlichungen von Geißner,<br />
von denen in diesem und seinem unten zu behandelnden Rhetorik-<br />
Band eine repräsentative Auswahl vertreten ist, ist die enge Verbindung<br />
von theoretischer Reflexion im Horizont von Gadamer, Habermas<br />
und Apel einerseits und praktischer Redepädagogik als Sprecherzieher<br />
an der Universität Saarbrücken und als wissenschaftlicher<br />
Leiter des „<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Rhetorik und Methodik in der politischen<br />
Bildung" an der Europäischen Akademie Otzenhausen e. V. andererseits.<br />
Für die <strong>Theorie</strong>-Konzeption sei vor allem auf den Aufsatz<br />
„Anpassung oder Aufklärung. Zur <strong>Theorie</strong> der rhetorischen Kommunikation"<br />
(182—218) hingewiesen; <strong>für</strong> die praktische Redepädagogik<br />
auf die beiden detaillierten Kursbeschreibungen „Formen des Gesprächs"<br />
(17—56) und „Formen der Rede" (107—179), jeweils mit dem<br />
Untertitel „Didaktik der rhetorischen Kommunikation".<br />
In der Frage nach den Gründen <strong>für</strong> die Wiederentdeckung der<br />
Rhetorik in den letzten Jahren ist Geißner ein Vertreter der sogenannten<br />
Demokratiethese, nach der sich in der Interesselosigkeit, ja<br />
Mißachtung der Rhetorik in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert<br />
der Zustand einer Gesellschaft spiegelt, die <strong>das</strong> „zum Gehorsam auf-<br />
14 Daß dieser Anwendungsbereich audi Kopperschmidt nicht ganz<br />
fernliegt, zeigt <strong>das</strong> 8. Kapitel des besprochenen Buches mit dem Titel<br />
„Skizze einer Didaktik der Persuasiven Kommunikation"; neuerdings<br />
auch J. Kopperschmidt: „Linguistik und Hochschuldidaktik. Versuch einer<br />
systematischen Skizze des Problemfeldes", in: Hans-Heinrich Baumann<br />
u. Jochen Pleines (Hrsg.): Linguistik und Hochschuldidaktik. Kronberg/Ts.<br />
1975, S. 133—197.<br />
DAS ARGUMENT 95/197S ©