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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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84 Dieter Hassenpflug<br />

Daher die Einbeziehving des Gebrauchswerts in die staatliche Politik.<br />

Umweltpolitik ist dabei die notwendige Form, in der <strong>das</strong> Kapital<br />

seine Profitabilität unter der Bedingung der Erhaltung der Produktionsvoraussetzung<br />

,Umwelt' organisiert. Der Widerspruch, die konkreten<br />

Zustandsformen der Natur als auf Einheit angelegt denken<br />

zu müssen, dies aber in Formen zu tun, die völlig indifferent gegen<br />

<strong>das</strong> qualitative Ganze der Natur sind, dokumentiert sich im Umweltgutachten<br />

zuweilen in hochgradiger Sprachverwirrung.<br />

Wir finden beispielsweise folgende Überlegung: Die Umweltzerstörung<br />

verursacht Kosten (soziale Zusatzkosten). Um die Umwelt'<br />

wieder in Ordnung zu bringen, müssen die Mittel da<strong>für</strong> aufgebracht<br />

werden von ,der Gesellschaft'. In Höhe der Kosten sinkt <strong>das</strong><br />

Realeinkommen. Sinkende Realeinkommen bedeuten aber sinkende<br />

Lebensqualität (vgl. Ziff. 604). Steigende Lebensqualität durch Umweltschutz<br />

muß also — so dürfen wir schließen — mit sinkender<br />

Lebensqualität erkauft werden.<br />

Für die quantifizierende Vernunft stellt sich angesichts der Umweltkrise<br />

die Ausgangsfrage immer als Frage nach Preisen und<br />

Kosten. Der amerikanische CEQ (Council on Environmental Quality)<br />

— und mit ihnen auch die Gutachter — stellt die Ausgangsfragen<br />

z. B. so: „1. Welches sind die Kostenarten, die bei Umweltschutzentscheidungen<br />

zu berücksichtigen sind? 2. Wie hoch stellen<br />

sich die Kosten in den einzelnen Kostenkategorien? 3. Wer trägt die<br />

Kosten der Umweltschutzpolitik?" (Ziff. 604) Zunächst einmal „der<br />

Bürger" (Ziff. 604), dessen im Tausch verankerte Unabhängigkeit<br />

notwendige Form der Vermittlung seiner — als Arbeiter — völligen<br />

Abhängigkeit ist. Problematisch ist daher höchstens quantitative<br />

Inzidenz: „Sicher ist aber, daß die niedrigeren Einkommensschichten<br />

tendenziell einer größeren Umweltbelastung gegenüberstehen als<br />

höhere Einkommensschichten. Gesichert erscheint jedoch auch, daß<br />

die höheren Einkommensschichten ein höheres Niveau an Ausweichkosten<br />

(Klimaanlagen, längere Wege zur Arbeitsstèlle, usw.) in Kauf<br />

nehmen, so daß Kompensationswirkungen vermutet werden dürfen.<br />

Für den Bereich der Schadenskosten kommt der CEQ zu der Erkenntnis,<br />

daß die niedrigeren Einkommensschichten zwar einer relativ<br />

unwirtlichen Umwelt ausgesetzt sind und weniger natürliche Erholungsmöglichkeiten<br />

nutzen können, weil die entsprechenden Ausweichkosten<br />

zu hoch sind bzw. Zugangsprobleme auftreten. Nach seiner<br />

Auffassung stellen sich die Probleme aber keineswegs so drängend<br />

dar, da sich die direkt betroffenen Einkommensschichten aufgrund<br />

anderer <strong>für</strong> sie vorrangiger Bedürfnisse (Einkommen, Ernährung,<br />

Wohnung) nur wenig betroffen fühlen. Demëntsprecheiid sind<br />

nach seiner Analyse (des CEQ — D. H.) auch hauptsächlich die höhe-<br />

- ren Einkommensschichten mit Ausweichkosten belastet, da ... niedridere<br />

Einkommensschichten gar nicht an Ausweichkosten interessiert<br />

sind" (Ziff. 611). Den Sachverständigen entgeht der unglaubliche<br />

Zynismus dieser CEQ-Ansichten. Für sie sind diese allenfalls ^inseitig',<br />

.nicht stichhaltig', weil „Umweltqualität den Charakter eines<br />

.öffentlichen Gutes'" (ebd.) hat.<br />

DAS ARGUMENT 95/1976 ©

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