12.12.2023 Aufrufe

klein & stark 2/23

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Essstörungen. Unser Magazin behandelt psychosoziale Gesundheitsthemen von Kindern und Jugendlichen.

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Essstörungen.
Unser Magazin behandelt psychosoziale Gesundheitsthemen von Kindern und Jugendlichen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Soul Hunger“ - Wenn Essstörungen das Leben fest im Griff haben

Bei Essstörungen handelt es

sich um verschiedene Formen

von sehr resistenten Erkrankungen,

die sich

über viele Jahre

hinweg bemerkbar

machen können. In

einigen Fällen ist

sogar – sofern sie

unbehandelt bleiben

– ein tödlicher

Ausgang möglich.

Wir sprechen also

von lebensbedrohlichen

Erkrankungen.

So unterschiedlich die

jeweiligen Formen in Erscheinung

treten, weisen sie dennoch

alle eine Gemeinsamkeit auf: Das

Thema „Essen“ stellt den Lebensmittelpunkt

der Betroffenen dar.

Vor allem die Angst zuzunehmen,

beherrscht den gesamten

Tagesablauf. Ständig kreisen

die Gedanken um das eigene

Gewicht, unstillbaren Hunger

und die Sorge zuzunehmen.

Bei all diesen Formen ist das Verhältnis

zum eigenen Körper stark

beeinträchtigt. Auffällig dabei ist,

dass pubertierende Mädchen und

junge Frauen statistisch gesehen

am häufigsten von Essstörungen

betroffen sind. Studien zeigen

uns jedoch, dass auch Männer -

zwar wesentlich seltener, aber

dennoch - erkranken können.

In den westlichen Industriestaaten

verzeichnen wir einen

besorgniserregenden Anstieg. So

gab es beispielsweise in Österreich

vor wenigen Jahren noch

rund 7500 erkrankte Menschen,

seit der Pandemie und vor allem

den Lockdowns ist die Zahl der

Krankenhauseinweisungen bei

Patient*innen aufgrund von Essstörungen

um 48 % gestiegen.

Pandemie und Lockdowns

ließen die Zahlen in die

Höhe schnellen

In unserem therapeutischen Alltag

begegnen uns immer wieder

ähnliche Konstellationen, aus

„Das Thema

"Essen" stellt

den Lebensmittelpunkt

der Betroffenen

dar.“

denen wir Gründe für den pandemiebedingten

Anstieg erschließen

können.

Lockdowns führten

zu familiären Anspannungen,

man

war sozusagen

„gemeinsam eingekerkert“.

Die

Betroffenen litten

an einem Mangel

an Selbstreflexion,

sie konnten in diesen

Phasen buchstäblich

nichts mit sich anfangen.

Fehlende Strukturen führten

zu extrem großen Verunsicherungen,

vieles war neu und unerprobt.

Homeoffice und Homeschooling

sind nur einige Beispiele

für die Ereignisse, welche die

Betroffenen in die Verunsicherung

getrieben haben.

Gerade junge Menschen litten

während der Pandemie zunehmend

an Identitätskrisen, da

Freizeitaktivitäten massiv eingeschränkt

waren

und der – in diesem

Lebensabschnitt

unendlich

wichtige –

Freundeskreis nur

sehr eingeschränkt

hilfreich

konnte.

sein

Menschen, insbesondere

Frauen,

die bereits eine

kritische Einstellung zu ihrem

eigenen Körpergewicht hatten,

begannen vermehrt online nach

Informationen zur Gewichtsreduktion

zu suchen und sich

intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Nebenbei

möchte ich nicht unerwähnt lassen,

dass die Präsenz von Lieferdiensten

mit tendenziell eher

wenig gesunden Speisen gerade

in Lockdownphasen sehr groß

war. Nun hatten wir folgende

Situation: aus Langeweile wurde

gegessen (was hätte man sonst

tun können?), hochkalorisches

„Gerade junge

Menschen

litten während

der Pandemie

zunehmend

an Identitätskrisen.“

Essen war tatsächlich leicht verfügbar,

ebenso hatte man genug

Zeit, um sich online über drastische

Maßnahmen, die Kalorien

wieder loszuwerden, zu informieren.

Es war ein Teufelskreis

– die Auswirkungen zeigen sich

heute massiv.

Es gibt immer mehrere Auslöser

Aber nicht nur die Pandemie war

die alleinige Ursache – Essstörungen

entstehen immer durch

ein Zusammenwirken von mehreren

speziellen Faktoren. Im

Folgenden beschreibe ich einige

Hauptthemen, die meistens in

Kombination miteinander bei

der Entstehung von Essstörungen

beteiligt sind - sowohl biologische

als auch körperliche Faktoren.

Dazu zählt z. B. eine genetische

Veranlagung. Tatsächlich gibt es

Familien, in denen die Unzufriedenheit

mit dem eigenen Gewicht

seit Generationen besteht. In

diesem Zusammenhang wird

auch eine mögliche

Beeinträchtigung

des Gehirnstoffwechsels

erforscht.

Wir wissen, dass

etwa 30 Botenstoffe,

wie beispielsweise

Ghrelin und Leptin,

das Gefühl von Sättigung

und Hunger

im Gehirn steuern.

Bei Essstörungen

wird vermutet, dass diese Wahrnehmung

verzerrt sein könnte.

Gesellschaft und Pubertät

als Treiber

Andererseits gibt es auch sozialkulturelle

Faktoren, die die

Entstehung dieser Erkrankung

begünstigen können. Das bedeutet

konkret, dass wir Schönheitsideale

verfolgen, die schlanke

Körperformen bevorzugen.

Modetrends, die „Size Zero“ Größen

favorisieren, können Menschen,

die ohnehin eine große

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!