Christkatholisch_2023-20
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6 Hintergrund<br />
<strong>Christkatholisch</strong> <strong>20</strong>/<strong><strong>20</strong>23</strong><br />
Die Pensionierung ist im Unterschied zu Taufe, Konfirma tion, Hochzeit und Bestattung<br />
bisher kaum im kirchlichen Leben verankert.<br />
Religiosität im höheren Lebensalter<br />
Die demografische Alterung führt dazu, dass sich in vielen Kirchgemeinden und Religionsgemeinschaften<br />
der Anteil an älteren Mitgliedern erhöht hat und weiter erhöhen wird. Einen besonders<br />
hohen Anteil an über 65-jährigen Mitgliedern findet sich in der evangelisch-reformierten Kirche<br />
und bei der <strong>Christkatholisch</strong>en Kirche.<br />
Im Jahr <strong>20</strong>21 waren in der <strong>Christkatholisch</strong>en<br />
Kirche 37 % der Mitglieder<br />
über 65 Jahre alt, bezogen auf alle<br />
Mitglieder ab 15 Jahren, in der Evangelisch-reformierten<br />
Kirche hatten<br />
34 % der Kirchenmitglieder das Alter<br />
65+, in der Römisch-katholischen<br />
Kirche betraf es 25 % und in den Islamischen<br />
Gemeinschaften 7 %.<br />
Stellung und Bedeutung älterer Kirchenmitglieder<br />
werden zusätzlich dadurch<br />
gestärkt, dass ältere Frauen und<br />
Männer stärker kirchlich-religiös orientiert<br />
sind als die nachkommenden<br />
Generationen. Eine regelmässige Teilnahme<br />
an Gottesdiensten ist bei Menschen<br />
im Rentenalter häufiger als bei<br />
jungen Menschen. Ebenso stufen sich<br />
ältere Menschen häufiger als religiös<br />
ein als junge Menschen. Allerdings<br />
widerspiegelt die stärkere kirchlichreligiöse<br />
Ausrichtung weniger einen<br />
Trend, dass Menschen im Alter religiöser<br />
werden, sondern dass es sich hier<br />
noch um stark kirchlich-religiös geprägte<br />
Generationen handelt.<br />
Betrachtet man in der Schweiz den<br />
religiösen Hintergrund nach Alter<br />
(Quellen: BFS Strukturerhebung, European<br />
Social Survey 10), waren <strong>20</strong>21<br />
die meisten Menschen ohne Religionszugehörigkeit<br />
mit 41 % in der<br />
Gruppe der 25- bis 34-jährigen zu<br />
finden, dicht gefolgt von 40 % der 35-<br />
bis 44-jährigen. Die wenigsten Menschen<br />
ohne Religionszugehörigkeit<br />
verzeichnet die Altersgruppe 75+ mit<br />
16 %. Diese Altersgruppe geht am<br />
häufigsten in den Gottesdienst, einmal<br />
wöchentlich oder häufiger, während<br />
Menschen im Alter zwischen 15<br />
und 44 Jahren die höchste Quote derer<br />
verzeichnen, die nie an einem<br />
Gottesdienst teilnehmen. Diese gegenläufige<br />
Tendenz finden wir auch<br />
im Bezug auf die Häufigkeit eines<br />
Gebets. Je älter die Menschen, desto<br />
häufiger beten sie: Knapp 60 % der<br />
Mehr als die Hälfte<br />
der befragten 15- bis<br />
24-jährigen beten<br />
nie.<br />
über 75-jährigen beten einmal pro<br />
Woche oder häufiger. Mehr als die<br />
Hälfte der befragten 15- bis 24-jährigen<br />
beten hingegen nie. Der selbsteingestufte<br />
Grad an Religiosität verzeichnet<br />
mit zunehmendem Alter einen<br />
Anstieg.<br />
Zum Wandel des Alterns<br />
Zentral ist die Idee,<br />
dass auch ältere<br />
Menschen gesellschaftlich<br />
wertvolle<br />
Leistungen erbringen<br />
können.<br />
Ab den 1970er und frühen 1980er Jahren<br />
wurden defizitorientierte Theorien<br />
des Alters in Frage gestellt und durch<br />
kompetenzorientierte Theorien eines<br />
aktiven, erfolgreichen und gesunden<br />
Alterns ergänzt. Die Neudefinition des<br />
Alters wurde dadurch verstärkt, dass<br />
ein wachsender Teil der älteren Menschen<br />
Tätigkeiten übernahmen – wie<br />
Reisen, Sport, Weiterbildung, sich modisch<br />
ankleiden – die früher ausschließlich<br />
als Privileg jüngerer Erwachsener<br />
galten. Älter werdende<br />
Menschen reagieren auf negative Altersstereotype<br />
zunehmend damit, dass<br />
sie sich selbst nicht als «alt» einstufen.<br />
Negative Bilder zum Alter werden<br />
nicht in Frage gestellt, sondern die persönliche<br />
Betroffenheit wird verneint,<br />
etwa dadurch, dass das «wirkliche Altsein»<br />
später angesetzt wird. Zumindest<br />
seit den 1990er Jahren lässt sich beobachten,<br />
dass ältere Frauen und Männer<br />
sich vermehrt als jünger einschätzen<br />
bzw. sich jünger fühlen als es ihrem<br />
chronologischen Alter entspricht. Damit<br />
entziehen sie sich immer häufiger<br />
traditionellen Formen kirchlicher Altersarbeit<br />
(wie Teilnahme an Altersnachmittagen<br />
oder Altersausflügen).<br />
Die neuen Leitbilder des Alters – in einer<br />
Gesellschaft ausgedehnter Lebenserwartung<br />
– orientieren sich an gesellschaftlichen<br />
Modellen eines selbstund<br />
mitverantwortlichen und sozial<br />
aktiven Lebens älterer Menschen. Dabei<br />
lassen sich gegenwärtig – vereinfacht<br />
und verkürzt – drei zentrale<br />
Leitmotive eines modernen Alterns<br />
festhalten:<br />
Erstens zeigen sich Modelle des «aktiven<br />
Alterns», die sich auf eine wirksame<br />
Gestaltung von Lebenszufriedenheit,<br />
Wohlbefinden und langjährigem<br />
Gesundheitserhalt beziehen. Zweitens<br />
werden Modelle eines «bewussten und<br />
selbstgestalteten Alterns» propagiert,<br />
wobei es primär um lebenslange persönliche<br />
Entwicklungsprozesse in einer<br />
sich rasch wandelnden Gesellschaft<br />
geht. Drittens werden – auch angesichts<br />
leerer Staatskassen – vermehrt<br />
Vorstellungen eines «produktiven Alterns»<br />
formuliert. Zentral ist die Idee,<br />
dass auch ältere bzw. pensionierte<br />
Menschen gesellschaftlich wertvolle<br />
Leistungen erbringen können oder erbringen<br />
sollten. Sozialpolitisch eingebettet<br />
sind solche Vorstellungen in<br />
Forderungen nach einer Erhöhung des<br />
Rentenalters oder einer Neuaufwertung<br />
der Freiwilligenarbeit im Alter.<br />
Kirchlich weisen diese drei neuen Leitmotive<br />
eines modernen Alterns eine<br />
zentrale – und bisher nur teilweise realisierte<br />
– Konsequenz auf: ein Wandel<br />
von einer kirchlichen Altenarbeit zur<br />
Arbeit der Senioren für die Kirche. Mit<br />
der allgemeinen Hebung des Wohlstands<br />
ist ein deutlich wahrnehmbarer