Mitteilungsblatt Wendelstein+Schwanstetten - Weihnachtsausgabe 2023
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AUS UND UM WENDELSTEIN UND SCHWANSTETTEN<br />
Vom „Gottesacker“ rund um St. Georg bis zum Waldfriedhof<br />
Die letzte Ortsführung <strong>2023</strong> galt den Friedhöfen in Wendelstein<br />
mit ihrer Geschichte<br />
Die drei Friedhöfe in Wendelstein und deren jeweilige Geschichte<br />
sowie ein Überblick über die Veränderungen in der Bestattungskultur<br />
speziell in jüngster Zeit standen gut passend zum „Totenmonat“<br />
November im Mittelpunkt der letzten Ortsführung durch<br />
Wendelstein für <strong>2023</strong>. Vom Waldfriedhof aus als jüngstem der Friedhöfe<br />
ging der Rundgang mit fachkundigen Informationen durch Dr.<br />
Jörg Ruthrof weiter zum „Gottesacker“ rund um die St. Georgskirche<br />
als ältestem Bestattungsplatz und zum Abschluss zur Anlage an der<br />
Sperbersloher Straße als zweitem evangelischen Friedhof im Ort.<br />
Am Eingang zum Waldfriedhof konnten Katharina Polster für<br />
die Gemeinde Wendelstein und Dr. Jörg Ruthrof als fachlicher<br />
„Begleiter“ knapp 30 Teilnehmer zu dieser letzten Ortsführung für<br />
<strong>2023</strong> begrüßen. Als Einstieg ins Thema standen dort Informationen<br />
über Geschichte und Entwicklung der Bestattungskultur seit der<br />
Vorgeschichte im Mittelpunkt: Die Sitte, Verstorbene in einem Grab<br />
mit besonderer Würde zu bestatten ist seit der Steinzeit bekannt<br />
und hat durch alle Kulturen und Epochen bis ins frühe Mittelalter<br />
hinein die Tradition, den Verstorbenen zusätzlich Grabbeigaben<br />
wie Gefäße, Schmuck oder Waffen mitzugeben.<br />
Mit der Einführung des Christentums in Europa endet die Beigabentradition,<br />
als symbolischer Rest werden bis in die Barockzeit<br />
jedoch jungen Frauen und Mädchen manchmal „Totenkronen“ mit<br />
ins Grab gegeben, um sie als „Braut Christi“ und Jungfrau besonders<br />
zu ehren. In den letzten Jahrzehnten gibt es inzwischen immer mehr<br />
„Alternativen“ zur klassischen Erdbestattung im Sarg im Familiengrab<br />
wie etwa die Urnenbestattung in markierten Urnenfeldern mit<br />
Namensstelen oder „Friedhofswälder“ mit Bestattung bei einem<br />
Baum. Längst „klassisch“ ist bei einer Urnenbestattung auch die<br />
Deponierung der Urne in einer Kammer an einer Urnenwand.<br />
Der Waldfriedhof wurde „zufällig“ Friedhofsfläche<br />
Daß es in Wendelstein den „Waldfriedhof“ als offiziellen Friedhof<br />
für die Gemeinde gibt, ist einem Zufall zu verdanken: In den letzten<br />
Kriegsmonaten explodierte auf dem Areal am Waldrand unweit<br />
vom heutigen „Neuen Rathaus“ eine Fliegerbombe der Alliierten<br />
als Notabwurf und hinterließ im Wald eine freie Fläche. Bald nach<br />
dem Krieg entstand die Idee, diese „Rodung“ zu nutzen und hier<br />
einen neuen gemeindlichen Friedhof anzulegen, da die älteren<br />
zwei bis heute der evangelischen Kirchengemeinde gehören. Die<br />
erste Bestattung dort war 1948, offiziell errichtet wurde der „Waldfriedhof“<br />
erst 1950-52 und bis heute mehrmals erweitert.<br />
Baulich prägt neben der zentralen Friedhofskapelle und dem<br />
„Dienstgebäude“ am Eingang samt Geräteraum bis heute das<br />
„Ehrenmal“ für die Kriegsopfer die Friedhofsanlage mit. Das<br />
Ehrenmal ist eines der ersten öffentlichen Kunstwerke des fränkischen<br />
Bildhauers Wilhelm Uhlig: Frisch von der Kunstakademie<br />
Nürnberg weg wurde er 1955 von Wendelsteins Bürgermeister<br />
Beim Besuch des „Gottesackers“ rund um die St. Georgskirche gehörten<br />
neben Informationen zu einzelnen Gräbern dort bestatteter ortsbekannter<br />
Familien und Personen auch thematisch gut passende<br />
Gedichte und Texte zur Ortsführung, vorgetragen von Katharina Polster<br />
und Bernd Kalb (rechts).<br />
Johann Trinker mit der Aufgabe eines öffentliches Gedenksteins<br />
beauftragt. Aus einem Steinquader der örtlichen Steinbrüche<br />
machte er als altarähnlichen Monolith das Ehrenmal, das an der<br />
Vorderseite eine Menschenfigur zeigt und an den Seiten zwei<br />
Tierfiguren.<br />
Prominente Familien auf dem Friedhof von St. Georgskirche<br />
Auf dem Weg zum Friedhof rund um die St. Georgskirche war<br />
eine Zwischenstation am Mühlbuck beim „Pfinzingschloss“: Hier<br />
gab es 1871/72 einen Typhusausbruch mit mehreren Toten und<br />
45 Erkrankten, weshalb aus der Furcht um mögliche Übertragungsmöglichkeiten<br />
des Virus die Toten von dort nur nachts im<br />
geschlossenen Sarg nach St. Georg gebracht wurden und nur mit<br />
einer „kleinen“ Totenmesse für Angehörige. Am „Gottesacker“ rund<br />
um St. Georg gab es Informationen zur dort beerdigten örtlichen<br />
„Prominenz“ wie der Brauereibesitzerfamilie Lang & Maisel, der<br />
früheren Gruft der „Bürgermeister-Dynastie“ Jegel oder dem Grab<br />
der Steinbruchbesitzerfamilie Quinat.<br />
Hier und an weiteren Stationen ergänzten Katharina Polster und<br />
Bernd Kalb die historischen Informationen um Gedichte und<br />
Texte, die thematisch passend tiefgehendere Gedanken über den<br />
Tod hatten. Eine Besonderheit ist auch der Friedhof an der Sperbersloher<br />
Straße gegenüber der katholischen Pfarrkirche. Bereits<br />
vor 1800 von der evangelischen Kirchengemeinde als neuer Friedhof<br />
gebaut, lag er lange außerhalb des Ortes und gehört bis heute<br />
der evangelischen Gemeinde. Das heute direkt auf der anderen<br />
Straßenseite die katholische St. Nikolauskirche steht und beides<br />
wie ein „natürliches Ensemble“ für manche wirkt, ist insofern ein<br />
„ökumenischer“ Zufall in Wendelsteins „Friedhofsgeschichte(n)“.<br />
Text und Foto: (jör)<br />
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Weihnachten <strong>2023</strong>