PROMAGAZIN Dezember 2023

WIRTSCHAFT | Traditions- und Familienunternehmen
Traditions- und Familienunternehmen | WIRTSCHAFT
„Pooling-Verfahren“ auf
Unternehmen übertragen
Der Kampf um die besten Mitarbeiter macht auch vor Familienunternehmen
nicht Halt. Im Gastbeitrag erklärt Buchautorin Nilgün Aygen,
was Betriebe sich von großen Fußballclubs abschauen können.
Attraktive Kandidaten sollten wie beim Scouting in Fußballclubs früh in den Bann
gezogen werden.
Sosehr der Fachkräftemangel aktuell
in aller Munde ist, so außerordentlich
beschönigt der Begriff
die Lage. Denn es geht nicht mehr nur
um Fachkräfte, sondern um Arbeitnehmer
aller Art. Höchste Zeit also, um
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mit strategischer Vorfahrt den Kampf
um die besten Kräfte aufzunehmen.
Der erste Hebel dafür ist das Recruiting,
das von reaktiv auf proaktiv umgepolt
wird. Der zweite Hebel ist die
Identifikation der richtigen Menschen
Fotos: AdobeStock/ .shock, Tolga Ildun
für den für sie richtigen Job. Der dritte
Hebel sorgt dafür, dass die Mitarbeiter
in ihrer Position und ihrem Unternehmen
glücklich und damit produktiv
und treu sind. Im heutigen Arbeitsmarkt
bestimmen die besten Kräfte
selbst, mit welchem Arbeitgeber sie
zusammengehen. Neben der Nutzung
von Anzeigen, Initiativen und Employer-Branding-Versprechen,
müssen Unternehmen
neue Mitarbeiter schon suchen,
bevor die Personaldecke löchrig
wird.
Scouting wie bei großen
Fußballclubs
Das Mittel dazu besteht im Scouting
und der Kontaktpflege, wie große Fußballclubs
sie betreiben. Attraktive Spieler
werden auf lange Sicht beobachtet,
adressiert und mit klugem Kontaktmanagement
so lange „warmgehalten“,
bis Bedarf an neuen Kräften entsteht
oder bis der Kandidat selbst wechselwillig
wird. Dieses sogenannte „Pooling-Verfahren“
lässt sich auf Unternehmen
übertragen. Zu den Quellen
des Poolings gehören unter anderem
Messen, Branchentreffen und Weiterbildungen
für eine persönliche Ansprache
sowie Businessnetzwerke und
Branchenforen, um Talente und Topkräfte
zu identifizieren und in den
Bannkreis zu ziehen.
Eines der Topmittel gegen den
Fachkräftemangel ist es, Menschen in
die für sie richtigen Positionen zu bringen.
Das Zauberwort lautet hier „Talent-Fit“:
Passt dieser Mensch fachlich,
persönlich und kulturell in die Organisation?
Deshalb werden nicht nur
neue Bewerber, sondern ebenso die
bestehenden Mitarbeiter und Führungskräfte
diagnostisch evaluiert.
Zwecks Vergleichbarkeit sind die Inst-
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rumente dabei identisch sowie wissenschaftlich
objektiv und erfassen neben
kognitiven Faktoren auch Verhaltensmerkmale
und Neigungen. Auf diese
Weise erleben Unternehmen regelmäßig,
dass etwa „stille Genies“ in der
Sachbearbeitung ungeahnte Potenziale
besitzen und an anderer Stelle in Sachen
Leistung und Arbeitsmotivation
aufblühen würden. Mit jedem dieser
und ähnlicher Mitarbeiter wird das
Unternehmen besser, ohne eine neue
Kraft suchen zu müssen. Die Kompetenz
für diese Diagnostik ist im Unternehmen
selbst angesiedelt, damit sie
dauerhaft und regelmäßig durchgeführt
wird. Der so ermittelte „Talent-
Fit“ besteht aus drei zu berücksichtigenden
Elementen.
Zuerst dem sogenannten Skill-
Fit: Hier wird geprüft, ob der Kandidat
über die Fähigkeiten, die Kompetenzen,
die Erfahrung und das notwendige
Wissen für die gestellten Aufgaben
verfügt oder das noch Fehlende über
passende Lernmaßnahmen erworben
werden kann. Eine entscheidende Rolle
spielt der Charakter – der Job-Fit.
Hier wird geschaut, ob die mentalen
Fähigkeiten, die Persönlichkeit und die
beruflichen Interessen mit der Stelle
zusammenpassen.
Wertschätzung und Sinn
stehen vor Geld
Das dritte Element betrifft die Werte
und die Weltanschauung. Fragen, die
hierbei gestellt werden, sind: Passt die
Person im Hinblick auf Kultur, Werte
und Visionen? Verträgt sie sich mit der
zwischenmenschlichen Dynamik,
dem Arbeitsstil und den Leistungserwartungen
des künftigen Teams? Harmoniert
die Person mit dem neuen
Vorgesetzten, mit dessen Führungsstil
und Alltagsverhalten? Wenn die ersten
beiden Hebel erfolgreich in Aktion
sind, ist der größte Teil des Jobs beim
dritten schon erledigt. Denn Arbeitnehmer,
die Unterstützung, Arbeitsfreude,
Selbstwirksamkeit und Sinn erfahren
und sich wertgeschätzt fühlen,
lassen sich auch mit Geld nicht leicht
wegködern. Doch auch dafür braucht
es eine Strategie, bei der der „Mensch
im Mittelpunkt“ nicht nur eine Phrase
ist. Weil es dabei essenziell auf die
Führungskräfte ankommt, sollten diese
an erster Stelle der Maßnahmen stehen,
ohne alle anderen Kräfte im Unternehmen
zu vernachlässigen.
Nilgün Aygen
Zur Person
Nilgün Aygen ist Autorin
des Fachbuches „Recruiting
Revolution“, Geschäftsführerin
DACH von
Profiles International, einem
Spezialisten für wissenschaftlich basierte
Online-Assessments, sowie von
ValYouBel, einem Unternehmen für Talent
Relationship Management.
Als inhabergeführtes Unternehmen sind wir seit 1991 im Herzen Baden-Württembergs für unsere Kunden im Einsatz. Mit über 40 Mitarbeiter:innen bieten wir herstellerneutrale und
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