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BERATUNG<br />
Ernährung soll<br />
nicht zum Problem werden<br />
Foto: Freepik<br />
Auf Personen, die nicht dem von Medien,<br />
Mode-, Sport- und Pharmaindustrie vorgegaukelten<br />
idealen Körperbild entsprechen,<br />
wird großer Druck ausgeübt. Dieser<br />
Druck führt oft zu psychischen Problemen<br />
und Essstörungen – schon bei Kindern.<br />
Gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung<br />
machen Freude und tun gut.<br />
Eltern, die für ihre Kinder sicherlich nur das<br />
Beste wollen, sollten darauf achten, indem sie<br />
einen gesunden Lebensstil vorleben und fördern.<br />
Da an dieser Stelle kaum jemand ernsthaft<br />
widersprechen kann, könnte der Artikel<br />
nun zu Ende sein.<br />
Leider ist es nicht ganz so einfach. Auch der<br />
berechtigte Wunsch, gesund zu leben, kann<br />
im schlimmsten Fall sogar krank machen,<br />
wenn eine ständige Selbstbeobachtung zu<br />
Essstörungen führt.<br />
Stellen Sie sich vor, sie hätten einen Gipsfuß.<br />
Sie gehen mit dieser zeitweiligen Behinderung<br />
durch die Straße und die Passanten blicken<br />
sie plötzlich herablassend an. Sie werden<br />
jetzt einwenden, es wäre absurd, sich für ein<br />
gebrochenes Bein rechtfertigen zu müssen,<br />
denn das kann jeder und jedem passieren. So<br />
etwas ist Schicksal.<br />
Stimmt, aber bei Übergewicht ist es genau<br />
so wie in diesem Gedankenexperiment.<br />
Menschen werden in der Öffentlichkeit aufgrund<br />
ihres Gewichtes beurteilt und nicht<br />
selten verurteilt – teilweise übrigens auch<br />
von medizinischem Personal, das es besser<br />
wissen müsste. Denn manche Menschen essen<br />
viel und bleiben schlank, andere wiegen<br />
jedes Gramm und nehmen zu. Auch muss<br />
ein Gewicht über dem gesellschaftlichen<br />
Durchschnitt kein Hinweis darauf sein, dass<br />
diese Person ein Gesundheitsproblem hat.<br />
EINE GESELLSCHAFT, DIE BEWERTET<br />
Warum Menschen beschämen, sich moralisch<br />
über sie stellen, weil sie vielleicht eine<br />
andere genetische Disposition zur Fetteinlagerung<br />
haben? Was hier auf allen Menschen<br />
lastet, auf Übergewichtigen wie auch<br />
Schlanken, ist eine gesellschaftliche Zuschreibung,<br />
die viel zu wenig hinterfragt<br />
wird.<br />
So kann beispielsweise die Ermittlung des<br />
Body-Mass-Index (BMI) keinerlei Aussagen<br />
über die Gesundheit eines Menschen<br />
machen. Beim Gewicht ist der Fettgehalt<br />
nur ein Faktor neben Knochendichte,<br />
Muskelmasse und anderem. Der belgische<br />
Astronom Adolphe Quetelet, der keinerlei<br />
medizinische Kenntnisse besaß, wollte im<br />
19. Jahrhundert damit Normalität festlegen<br />
und jede Abweichung als Abnormalität<br />
verurteilen. Obwohl das in den letzten 200<br />
Jahren unzählige Male widerlegt wurde,<br />
hält sich der BMI als Maßgabe bis heute.<br />
Die negativen Folgen sind längst erforscht.<br />
Laut der kanadischen Studie “Fat shaming is<br />
making people sicker and heavier” aus 2019*<br />
ist nachgewiesen, dass Menschen, die man<br />
wegen ihres Übergewichtes angeprangert<br />
und verurteilt hat, noch fettleibiger und ungesünder<br />
werden. Die Folgen sind Depression,<br />
Angstzustände und Essstörungen. Übrigens<br />
tritt dieser Effekt auch bei Menschen<br />
ein, die gar nicht übergewichtig sind.<br />
GUT ZU ESSEN IST NICHT<br />
IMMER EINFACH<br />
Hinzu kommen Verlockungen durch leicht<br />
verfügbares, fertiges Essen. Dem kann<br />
kaum jemand entkommen. Denn im stressigen<br />
Arbeitsalltag beispielsweise immer frisches<br />
Gemüse zu kochen, ist für viele Eltern<br />
fast unmöglich.<br />
* siehe “Canadian Medical Association Journal” vom<br />
10. Juni 2019, www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/<br />
PMC6565398/<br />
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