Chor im Gespräch FOLGE 35
Chor im Gespräch (c) Walter Dohr - alle Rechte vorbehalten; Vervielfältigung oder auszugsweise Wiedergabe nur nach Autorisierung des Autors gestattet
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24 CHOR IM GESPRÄCH<br />
CHORLITERATUR<br />
Foto: privat<br />
In manchen Chören haben sich Musikausschüsse<br />
etabliert, die sich mit dem Dirigenten um passende<br />
Liedauswahl bemühen. Deshalb finde ist es wieder<br />
einmal an der Zeit, die Diskussion grundsätzlicher<br />
Überlegungen zu befördern. Ein Grundsatz lautet,<br />
dass es nur gut oder schlecht gesungene <strong>Chor</strong>werke<br />
und Liedsätze gäbe. Diese These scheint es wert zu<br />
MGV Seelscheid (Leitung: Mark Rosenthal)<br />
sein, einmal näher betrachtet zu werden. Es ist sicher<br />
richtig, dass der <strong>Chor</strong>leiter eher einen schlichten,<br />
volksliedhaften Satz oder ein Folklorelied einstudiert,<br />
ehe er zu einem Hymnus oder einem Opernchor<br />
greift, wenn die st<strong>im</strong>mlichen Proportionen nicht<br />
ausgewogen sind. Damit kann man die <strong>Chor</strong>st<strong>im</strong>men<br />
frustrieren. Glücklicherweise tritt diese Situation nur<br />
selten ein, da die <strong>Chor</strong>dirigenten das St<strong>im</strong>mvermögen<br />
ihrer Chöre gut einschätzen. Es ist jedoch etwas anderes,<br />
wenn ein <strong>Chor</strong> über alle St<strong>im</strong>mqualitäten verfügt<br />
(Meisterchöre sind davon ausgenommen) und<br />
sich doch nicht recht mit einem ausgesuchten und exponierten<br />
<strong>Chor</strong>werk auseinandersetzen will. Der gewaltige<br />
hymnische Gesang „Golgotha“ von Darius Milhaud<br />
oder das „Tedeum“ von Riccardo Zandonai sind<br />
solche Beispiele von anspruchsvoller <strong>Chor</strong>musik. Warum<br />
haben die <strong>Chor</strong>komponisten solche Werke geschrieben,<br />
wenn sie hin und wieder nicht die letzte<br />
Begeisterung finden? Ich habe <strong>Chor</strong>leiter erlebt, die<br />
sich von dieser Haltung unbeeindruckt zeigten und innerlich<br />
wohl geschmunzelt haben, als der überwältigende<br />
Beifall bei den Sängern oder Sängerinnen das<br />
berühmte Aha-Erlebnis auslöste. Eine weitere Frage<br />
ist der künstlerische Anspruch und der oft zitierte<br />
Zeitgeist. Ich halte es da wie der frühere Bundeschorleiter,<br />
Musikprofessor und Komponist Prof. Hermannjosef<br />
Rübben, der <strong>im</strong>mer die Devise vertreten hat, auf<br />
das bewährte Liedgut nicht zu verzichten und das<br />
Neue <strong>im</strong>mer wieder zu wagen. Nicht umsonst hat er<br />
viele vertraute weltliche und geistliche <strong>Chor</strong>- und<br />
Volkslieder neu vertont und dabei nicht vergessen,<br />
auch größere <strong>Chor</strong>werke und <strong>Chor</strong>balladen („Welle<br />
des Lebens“ für Männerchor und Orchester) zu komponieren.<br />
Die Frage, ob man den Titel eines Meisterchores<br />
anstreben sollte, überlässt Rübben den Chören<br />
und <strong>Chor</strong>leitern in eigener Verantwortung.