tassilo - Das Magazin rund um Weilheim und die See Ausgabe März-April-2024

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Weilheim | Tausende Interviews in Fernsehen und Radio, Publizist zahlreicher BND-Skandale und Vollbart ohne Schnauzer: Erich Schmidt-Eenboom, 70 Jahre jung, ist nach Otto Waalkes der bekannteste Ostfriese der Welt. Und der gefragteste Geheimdienstexperte Deutschlands. Im großen Interview auf der Roten Couch verrät der Vorsitzende des Forschungsinstituts für Friedenspolitik, warum er nicht in Frankfurt, Hamburg oder Berlin, sondern ganz bescheiden inmitten eines Weilheimer Wohngebiets lebt. Wie gefährlich es für jemanden ist, der mehr weiß, als es dem Bundesnachrichtendienst lieb ist. Warum er trotz Rentenalter ungebrochen fleißig ist. Dass Informanten Job oder Pensionsanspruch für ihn riskieren. Und warum das Verlassen der Talkshow von Maybritt Illner wesentlich unangenehmer für ihn ist als ein Einkaufsbummel durch die Weilheimer Altstadt. Herr Schmidt-Eenboom, wie gefährlich lebt ein Geheimdienstexperte? In Deutschland nicht sonderlich gefährlich. Aber eine Reise nach Russland würde ich nicht unternehmen, weil ich Wladimir Putin schon seit Jahren auf die Füße trete. Dasselbe gilt für das früher so beliebte Reiseland Türkei. Ich habe mit dem ZDF mehrfach zu den verbrecherischen Aktivitäten des türkischen Nachrichtendienstes in Deutschland gearbeitet und auch mit kurdischen Medien in Belgien, was die türkische Terrorjustiz als Unterstützung von Terrorismus wertet. 10 | tassilo Spannend: Erich Schmidt-Eenboom (re.) erzählt „tassilo“-Redakteur Johannes Schelle von BND-Informanten. Fälle in der Vergangenheit haben aber gezeigt, dass man sich auch in Deutschland nicht sicher sein kann. Natürlich gibt’s manchmal dezente Versuche, mich anzubaggern. Vor drei Jahren begann das mit einer Bitte aus Peking, dort eine wissenschaftliche Kooperation mit einem fragwürdigen Institut einzugehen. Die Chinesen hatten großes Interesse an meiner Datenbank über nachrichtendienstliche Persönlichkeiten in Deutschland, boten mir kostenlose Einreise samt Urlaub und sogar die Vermarktung der Datenbank an. Da war mir klar, dass es sich um einen nachrichtendienstlichen Anbahnungsversuch handelte, den ich gleich abgewürgt habe. Nicht weniger spannend: Dass Sie als gefragtester Geheimdienstexperte Deutschlands nicht in Hamburg, Frankfurt oder Berlin leben, sondern mitten in Weilheim – noch dazu als gebürtiger Ostfriese. Warum? Nach dem Abitur am Jungen-Gymnasium in Leer habe ich mich auf zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet, einschließlich eines Studiums in neuer Geschichte und Pädagogik an der Bundeswehruniversität in Hamburg. Danach, als Batteriechef in Lütjenburg in Ostholstein, war ich zugleich in der Friedensbewegung der Bundeswehr aktiv, dem sogenannten Darmstädter Signal. Darüber kam ich wiederum 1985 an das Forschungsinstitut für Friedenspolitik, seinerzeit in Starnberg ansässig. Mein Regimentszahnarzt in Lütjenburg stammte aus Huglfing und als ich ihm klagte, wie teuer der Standort Starnberg sei, riet er mir, doch nach Weilheim zu ziehen. Und meine Heimat Ostfriesland? Die vermisse ich allein aufgrund des nassen, windigen und recht düsteren Wetters bis weit in den März hinein nicht. 1985 wurden Sie Geschäftsführer, 1990 Vorsitzender des Forschungsinstituts für Friedenspolitik. Wofür steht dieser gemeinnützige Verein? Für eine unabhängige Expertise in außen- und militärpolitischen sowie nachrichtendienstlichen Themen. So ist er 1982 auch entstanden – als wissenschaftlicher Ratgeber für die damals aufblühende Friedensbewegung. Mit wie vielen Mitgliedern? Wir hatten mal 3 000, heute sind es nur noch 300. Vorwiegend passive Frauen und Männer mit akademischem Hintergrund, die unsere Arbeit durch Mitgliedsbeiträge und Spenden fördern. Woher dieser gewaltige Mitgliederschwund? Nach Ende des Kalten Krieges gab’s bei vielen Menschen den Eindruck, dass man Militär- und Friedensforschung nicht mehr fördern müsse, weil die Welt viel friedlicher sei. Das war natürlich ein Irrtum. Hinzu kommt, dass Friedensbewegung schon immer eine eher lebensalte Bewegung war, wir einige Mitglieder durch Todesfall verloren haben, gleichzeitig keine jüngeren nachrücken. Außerdem ist die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung der Bundesrepublik für wissenschaftliche Arbeiten nicht so ausgeprägt wie beispielsweise in USA. Die Menschen hier spenden lieber für Tierund Naturschutz. Woran arbeitet Ihr in diesem Verein konkret? Sowohl an historisch interessanten wie zeitgeschichtlich relevanten Projekten. Dabei dominieren Gemeinschaftsprojekte mit anderen Wissenschaftlern sowie Journalisten. In jüngster Zeit betraf das ein Buch über „Die Partisanen der NATO“, also die Stay-Behind-Organisationen in Westdeutschland im Kalten Krieg, das ich zusammen mit dem ZDF-Redakteur Ulrich Stoll geschrieben habe. Oder das Werk „Spionage unter Freunden“, das ich zusammen mit Thomas Wegener Friis, Professor an der süddänischen Universität Odense, und dem Südtiroler Geheimdienstforscher Christoph Franceschini realisiert habe. 2024 werde ich zusammen mit der Historikerin Susanne Meinl eine Studie über Stepan Bandera schreiben, den in der Ukraine kultisch verehrten Faschisten, der von 1946 bis zu seiner Ermordung 1959 in München ein von Folter und Mord geprägtes Regime in der ukrainischen Emigration zu verantworten hat. Gleich anschließend steht dann ein Filmprojekt mit der ARD über den Einfluss der CIA auf den Aufbau der jungen Bundesrepublik auf der Tagesordnung. Und für 2025 sind weitere Bücher in der Pipeline. Auch der Hauptsitz des Forschungsinstituts für Friedenspolitik befi ndet sich bei Ihnen zuhause in Weilheim. Warum? Als ich 1990 das Institut als Vorsitzender übernommen hatte, habe ich den Vereinssitz auch aus Kostengründen in unsere schöne Kreisstadt verlegt. Die Wohnung hier haben meine Frau und ich mit Bedacht erworben, da sie im Souterrain über 50 Quadratmeter Bürofläche verfügt – ausreichend für den Bestand von mehreren tausend Fachbüchern und Archivalien. Mein morgendlicher Weg an den Arbeitsplatz besteht praktischerweise nur aus einer kurzen Treppe, hinunter in den Keller. 1993 entstand Ihr erfolgreichstes Buch: „Der BND – Schnüffler ohne Nase“. Als Sie dieses Werk auf den Markt gebracht hatten, wurden Sie in der Folge über mehrere Jahre hinweg von BND-Mitarbeitern observiert. Was allerdings erst 2005 aufkam. Wie fühlten Sie sich damals? Mir hat sich ein an der Operation ‚Emporio‘ beteiligter BND-Mitarbeiter offenbart, indem er an meiner Tür klingelte und um einen Spaziergang an der Ammer bat. Er hat mir so viel aus meinem beruflichen und privaten Leben erzählt, dass ich gleich wusste, dass ich, meine Mitarbeiterinnen und Gäste zwischen 1994 und 1996 regelmäßig observiert wurden. Zunächst war meine Sorge, dass einer meiner Informanten im BND enttarnt worden wäre. Das war zum Glück nicht der Fall. Vielmehr hat der
BND einen Krafttrainer in meinem Fitnessstudio, der hauptberuflich Hausmeister in der BND-Schule am Haarsee war, zu Unrecht verdächtigt und nach Wien versetzt. Gehen Sie seither mit anderen Augen und Ohren durch Weilheim? Diese Observation hat letztlich zu einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages geführt, weil ich nach Kenntnis der rechtswidrigen Bespitzelung medial in die Offensive gegangen bin und sofort eine Entschuldigung des damaligen BND-Präsidenten August Hanning bekam. Mir war klar, dass der Dienst sich deshalb nicht ein weiteres Mal trauen würde, mich mit nachrichtendienstlichen Methoden auszuspähen. So konnte ich meine Arbeit unbeirrt fortsetzen und auch meinen privaten Alltag hier in Weilheim ganz ohne ein beklemmendes Gefühl bestreiten. Diese mediale Offensive über die Berliner Zeitung? Ganz genau. Die habe ich zu einem für den BND sehr gemeinen Zeitpunkt gewählt. Der BND machte damals in Berlin ein erstes großes Symposium mit dem Sohn von Muammar al Gaddafi als Festredner. Die versammelten Journalisten haben sich an diesem Abend aber nur noch für eines interessiert: Wie und in welchem Umfang der BND Journalisten ausspioniert hat. Ist in solch turbulente Zeiten der Standort Weilheim ein umso größerer Segen für Sie? Wenn ich in den Medien war und durch Weilheim gehe, gibt es von den Bürgern ein freundliches Zunicken. Wenn ich in Berlin aus der Show von Maybrit Illner gehe um zum Flughafen zu fahren, stürmen die Berliner regelrecht auf einen zu, klopfen dir auf die Schulter und wollen noch mehr Infos wissen. Insofern bin ich ganz froh, hier in dieser beschaulichen Welt zu leben. DIE ZEIT betitelte Sie mal als „Der Überwacher der Überwacher“. Ein sehr lobenswerter Titel, der meine Intension trifft. Ich bemühe mich sehr darum, dem BND und auch anderen Geheimdiensten auf die Finger zu schauen, weil die parlamentarische Kontrolle nachrichtlicher Dienste ausgesprochen schlecht ausgeprägt ist. Von BND- Skandalen erfährt man eher über die Presse als über Sitzungen geheimtagender Kontrollgremien. Wie kommen Sie an Geheimdienst- Informationen? Angefangen bei offener Literatur aus Aufsätzen und Büchern. Über die Auswertung deutscher und englischer Medien. Den Informationsaustausch mit zahllosen Kolleginnen und Kollegen weltweit, die an ähnlichen Themen arbeiten. Aus einem besonderen Fundus von etwa 500 000 Dokumenten, die die CIA seit 2001 freigegeben hat und die sich alle in meinem Besitz befinden. Weitere Archivalien bieten außerdem deutsche und ausländische Archive, darunter auch das BND-Archiv. Das Sahnehäubchen bildeten aber immer Informationen und nachgelassene Dokumente von BND-Mitarbeitern, die ich dann exklusiv hatte. Diese Informanten riskieren doch ihren Job für Sie? Aktive BND-Mitarbeiter riskieren ihren Job. Und die ehemaligen ihren Pensionsanspruch. Das heißt natürlich, dass die sehr konspirativ arbeiten. Dass ich sie nie mit Namen zitieren darf. Dass Diskretion immer gewahrt, und so ein Informant nie enttarnt wird. Das habe ich über Jahrzehnte durchgehalten, was den Informanten ein gewisses Vertrauen gibt. Letzteres ändert sich, sobald BND-Mitarbeiter verstorben sind – nach deren Tod kann ich die Fußnoten ändern, sie namentlich zitieren, was natürlich eine höhere journalistische Schlagkraft hat. Kaufen Sie auch Informationen? Grundsätzlich nicht. Ein einziges Mal meinte ein aktiver Handwerker der US-Streitkräfte im Rahmen einer militärischen Recherche, dass seine Frau einen neuen Wintermantel brauche – den haben wir uns 200 D-Mark kosten lassen. Da waren Sie schon mittendrin statt nur dabei: Doch wie wird man überhaupt Geheimdienstexperte? Bereits während meiner Zeit bei der Bundeswehr habe ich mich mit militärischen und außenpolitischen Themen befasst. Und dabei festgestellt, dass es eine „Meine eigenen vier Wände in einem familiären Umfeld. Das ist mir wichtig.“ Hausführung nach Vereinbarung Bad Wohnen/ Schlafen Terrasse Diele „Für immer Urlaub“ – im Herzen Bayerns, am Fuße der Alpen, inmitten einer einzigartigen Landschaft ruht Oberammergau. Der beschauliche Ort ist besonders reich an Schönheiten der Natur und bietet ein breitgefächertes Freizeit- und Kulturangebot. Betreutes Wohnen Plus für Individualisten Jetzt unverbindlich informieren und Wunschwohnung sichern! SeniorenWohnen Oberammergau St.-Lukas-Straße 15, 82487 Oberammergau Tel. 08822 918-155, info.amt@ssg.brk.de märz / april 2024 | 11
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