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Peter von der Osten-Sacken (Hrsg. von Hans-Jürgen Becker): »Es begab sich aber zu der Zeit ...« (Leseprobe)

Die Idee zu diesem Aufsatzband und die Auswahl der Beiträge gehen auf den 2022 verstorbenen Autor selbst zurück. Im Wesentlichen ging es ihm dabei um eine bisher unveröffentlichte, vor allem für Studierende bestimmte Orientierungshilfe zum Thema »Jesus und seine Welt, die Evangelien und das Echo in seinem Volk«, die nun den ersten Teil des vorliegenden Bandes ausmacht. Die über dieses kleine Jesusbuch hinaus ausgewählten, mit einer Ausnahme schon früher an verschiedenen Orten gedruckten Aufsätze umspannen den weiten Zeitraum von der Berliner Antrittsvorlesung 1976 bis in das Jahr 2016. Sie sind sämtlich von bleibendem Interesse und haben ihre Gültigkeit und Aktualität nicht eingebüßt.

Die Idee zu diesem Aufsatzband und die Auswahl der Beiträge gehen auf den 2022 verstorbenen Autor selbst zurück. Im Wesentlichen ging es ihm dabei um eine bisher unveröffentlichte, vor allem für Studierende bestimmte Orientierungshilfe zum Thema »Jesus und seine Welt, die Evangelien und das Echo in seinem Volk«, die nun den ersten Teil des vorliegenden Bandes ausmacht.
Die über dieses kleine Jesusbuch hinaus ausgewählten, mit einer Ausnahme schon früher an verschiedenen Orten gedruckten Aufsätze umspannen den weiten Zeitraum von der Berliner Antrittsvorlesung 1976 bis in das Jahr 2016. Sie sind sämtlich von bleibendem Interesse und haben ihre Gültigkeit und Aktualität nicht eingebüßt.

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92 II. Streifz7ge durch das Neue Testament, beginnend im Alten<br />

<strong>der</strong> condition humaine entfaltete 154 .Erentschied <strong>sich</strong> damit provozierend an<strong>der</strong>s<br />

als jener Meister des Wortes, dem wir die wohl bekannteste Reflexion auf Joh 1,1<br />

verdanken. So sehnt <strong>sich</strong> Faust im ersten Teil <strong>von</strong> Goethes Werk nach Offenbarung,<br />

»die nirgends würdiger und schöner brennt als in dem Neuen Testament<strong>«</strong>.<br />

Und nachdem er deshalb Johannes aufgeschlagen hat, um ihn ins »geliebte<br />

Deutsch<strong>«</strong> <strong>zu</strong> übersetzen, heißt es im Selbstgespräch:<br />

»Geschrieben steht: ›Im Anfang war das Wort!‹ Hier stock‹ ich schon! Werhilft mir<br />

weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muß es an<strong>der</strong>s<br />

übersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: Im Anfang<br />

war <strong>der</strong> Sinn. Bedenke wohl die erste Zeile, Daß deine Fe<strong>der</strong> <strong>sich</strong> nicht übereile. Ist es<br />

<strong>der</strong> Sinn, <strong>der</strong> alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! Doch,<br />

auch indem ich dieses nie<strong>der</strong>schreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht<br />

bleibe. Mir hilft<strong>der</strong> Geist! Auf einmal seh’ ich Rat Und schreibe getrost: Im Anfang war<br />

die Tat!<strong>«</strong> 155<br />

Diese Überset<strong>zu</strong>ng ist keineswegs so rasch <strong>von</strong> <strong>der</strong> Hand <strong>zu</strong> weisen, wie man im<br />

Gefolge <strong>der</strong> paulinisch-lutherischen Rechtfertigungslehre an<strong>zu</strong>nehmen geneigt<br />

sein könnte, doch soll die Aufmerksamkeit für einen Moment noch einmal <strong>der</strong><br />

Zeile gelten: »Ist es <strong>der</strong> Sinn, <strong>der</strong> alles wirkt undschafft?<strong>«</strong>Denn treffen<strong>der</strong> als hier<br />

lässt <strong>sich</strong> schwerlich umschreiben, wonach <strong>der</strong> fragt und worauf <strong>der</strong> hinauswill,<br />

<strong>der</strong> den Anfang ergründet. Werihn <strong>zu</strong> bestimmen sucht, hat mehr im Sinn als<br />

einen <strong>Zeit</strong>punkt – er will das Prinzip erfassen, das die Welt im Innersten <strong>zu</strong>sammenhält<br />

und auch <strong>zu</strong>sammenhalten soll. Eben deshalbentschließt <strong>sich</strong> Faust<br />

<strong>zu</strong>m Schluss für die Überset<strong>zu</strong>ng <strong>von</strong> logos mit »Tat<strong>«</strong> – »Ich kann das Wort so hoch<br />

unmöglich schätzen!<strong>«</strong><br />

Ehe wir uns unmittelbar Joh 1und <strong>zu</strong>vor Gen 1und verwandten Zusammenhängen<br />

<strong>zu</strong>wenden, ist ein weiterer Bereich <strong>zu</strong>mindest <strong>zu</strong> berühren, <strong>der</strong><br />

desgleichen <strong>zu</strong> den bekannten Beispielen dafür gehört, dass die Frage nach <strong>der</strong><br />

archê konstitutives Element nahe<strong>zu</strong> je<strong>der</strong> Art des Ringens um eine begründete<br />

Weltauffassung ist. Etwa <strong>zu</strong>r selben <strong>Zeit</strong>, da Priesterkreise in Jerusalem Gen 1<strong>zu</strong><br />

Papier bringen, ringen an <strong>der</strong> Westküste Kleinasiens die ersten griechischen<br />

Philosophen auf ihre Weise um denselben Gegenstand wie die Schöpfungsge-<br />

154<br />

155<br />

V. Havel, Am Anfang war das Wort, Reinbek 1990. Diese Rückkehr erscheint umso<br />

klären<strong>der</strong>, als es <strong>der</strong>zeit einen gerade<strong>zu</strong> inflationären Gebrauch <strong>der</strong> Wendung gibt – bis<br />

hin <strong>zu</strong> Filmtitel (»Am Anfang war das Feuer<strong>«</strong> /Jean Jacques Annaud) und Titelblatt einer<br />

Studieninformation (»Am Anfang war <strong>der</strong> Apfel<strong>«</strong> /Fb6<strong>der</strong> Hochschule <strong>der</strong> Künste<br />

Berlin).<br />

Goethes Sämmtliche Werke, Bd. 5, 1881, 30 f.

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