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Wie man<br />

hineinruft<br />

Der künstlerische Blick auf das Ökosystem<br />

Wald lädt im wiedereröffneten Kunst Haus<br />

Wien zu seiner Entdeckungsreise ein.<br />

Text: Sissy Rabl<br />

Im Innenhof des Kunst Haus Wien hat sich ganz<br />

unscheinbar ein Stück Wald eingenistet. Mit<br />

einem Schritt in die fast kindlich gestaltete<br />

begehbare Kuppel atmet man sogleich andere<br />

Luft. Die Schalenkonstruktion ist gerade hoch<br />

genug, damit eine Person darin aufrecht stehen<br />

kann, und an der Decke innen ausgekleidet mit lebendem<br />

Moos. Die Luft darunter ist feucht, kühl, erdig und<br />

transportiert binnen Sekunden von Wien in den Wiener<br />

Wald. Handelte essich nicht um Kunst, man wollte es<br />

vermarkten: eine Edition fürs Büro, eine weitere an<br />

jeder Bushaltestelle.<br />

Markus Jeschaunigs „Mooshelm“ ist Teil der Ausstellung<br />

„Into the Woods: Annäherung andas Ökosystem Wald“<br />

im Rahmen der Klima Biennale Wien. „Ein Wald ist ja<br />

nicht nur eine Ansammlung von Bäumen, sondern ein<br />

komplexes, vernetztes Ökosystem“, sagt Sophie Haslinger,<br />

Kuratorinder Ausstellung.Deshalbbeschäftige man<br />

sich hier weder mit der mythologischen Darstellung<br />

nochmit der kulturgeschichtlichen Bedeutungvon Wäldern.<br />

„Einerseits beschäftigen sich die Arbeiten damit,<br />

wiedas Ökosystemfunktioniert, andererseitsgeht es um<br />

die Bedrohungduchden Menschen, die exzessive Forstwirtschaftund<br />

die Klimakrise“,sagtHaslinger.<br />

„Künstler sind<br />

immerhin die<br />

Seismografen der<br />

Gesellschaft.“<br />

Seismische Aktivitäten. Das Thema wird auf<br />

zwei Stockwerken mit 16 Arbeiten in Form<br />

von Siebdrucken, Fotografien, Installationen<br />

und Zeichnungen von Künstlern aus verschiedenen<br />

Teilen der Welt beleuchtet. „Erst<br />

mit der Umweltbewegung der 1970er-Jahre<br />

rückte das Ökosystem Wald in der Kunst stärker<br />

inden Fokus. In den letzten Jahren ist das<br />

Interesse daran noch weiter gewachsen, es sind wahnsinnig<br />

viele Arbeiten zum Thema entstanden. Und<br />

Künstler und Künstlerinnen sind schließlich immer<br />

auch Seismografen der Gesellschaft“, sagt Haslinger. Die<br />

Kooperation mit der Universität für Bodenkultur wird<br />

durch zusätzliche Beschilderungen im Ausstellungsraum<br />

deutlich, die auf wissenschaftliche Perspektiven<br />

zu den jeweiligen Themenfeldern eingehen. Pädagogisch<br />

solle die Schau trotzdem nicht ausfallen: „Die<br />

Kunst steht im Vordergrund, aber auch sie entstand oft<br />

in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Und diese hat<br />

ebenfalls erkannt, dass sie andere Formen der Erzählung<br />

braucht, umWissen zu vermitteln“, so Haslinger.<br />

Deshalb wurden auch viele Experten aus Zoologie,<br />

Forstwirtschaft und Biologie in das umfangreiche Rahmenprogramm<br />

zur Ausstellung miteingespannt. Sowird<br />

es geführte Erkundungen des Prater-Auwalds geben,<br />

Vorträge und Workshops. Am Dachgarten des Kunst<br />

Haus Wien wird zudem eine Meditation stattfinden.<br />

Anlass dazu bietet Katie Patersons sensorisches Kunstwerk<br />

„To Burn, Forest Fire“. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftlern hat sich die schottische<br />

Konzeptkünstlerin der Frage genähert, wie der<br />

erste Wald gerochen haben könnte und wie der womöglich<br />

letzte Wald riechen wird. Im ältesten bekannten<br />

Wald der Erde, dem Cairo-Wald im Bundesstaat New<br />

York, wurden Wurzelfossilien auf ein Alter von 386 Millionen<br />

Jahren datiert. Der Duft dieses Waldes, ganz ohne<br />

Insekten, Früchte und Tiere, so die Annahme der Künstlerin,<br />

muss sich stark von jenem heutiger Wälder unterschieden<br />

haben. Den hypothetisch letzten Wald macht<br />

Paterson an einem Teil des ecuadorianischen Amazonasgebiets<br />

fest. Die Aromen beider Wälder hat die<br />

Schottin in zwei Räucherstäbchen gebündelt, die im<br />

Rahmen eines kollektiven Meditationsrituals an ausgewählten<br />

Terminen im Kunst Haus entzündet werden.<br />

„Die Arbeit spielt natürlich mit den Gedanken, wo das<br />

hinführen könnte, wenn wir Menschen so weitermachen<br />

wie bisher“, sagt Sophie Haslinger.<br />

Der Blick von oben. In eine ähnliche Kerbe<br />

schlagen auch die großflächigen, grellbunten<br />

Fotografien des irischen Künstlers Richard<br />

Mosse. Mit einer Drohne mit multispektraler<br />

Kamera überflog der Künstler entlegene<br />

Gebiete des Amazonas-Regenwaldes, die von<br />

illegaler Abholzung und großflächiger Rodung<br />

betroffen sind. So wird die befremdliche Uniformität<br />

von riesigen Palmenplantagen inmitten des<br />

wildwuchernden Urwaldes deutlich oder das gewaltige<br />

Außmaß der Flächen, die für den Bau des Samuel-Wasserkraftwerkes<br />

gerodet wurden. Die Technik macht auch<br />

Dinge sichtbar, die Fotografie sonst nicht erfassen kann,<br />

etwa unterirdische Feuer, die aufgrund der Trockenheit<br />

in der Region entstehen. Die Fotografien zusammen mit<br />

weiteren ausgestellten Arbeiten über Monokulturen in<br />

Chile, die intensive Forstwirtschaft in den rumänischen<br />

Karpaten und Waldbrände in Italien machen die globale<br />

Dimension desThemas jedenfalls überdeutlich. s<br />

Tipp<br />

„INTOTHE WOODS“. DieAusstellung über das ÖkosystemWald istals Teil der<br />

Klima Biennale ab 6. April im wiedereröffnetenKunstHaus Wien zu sehen.<br />

Schaufenster 13

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