wasistlos Februar 2024
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KURZKRIMI<br />
EINFALLSREICH - WITZIG - ANDERS<br />
MÄNNERTREU<br />
E I N E K R I M I - S A T I R E V O N E L L A W . A N D E R S<br />
Auszug aus dem neuen Buch „MÄNNERTREU“:<br />
... am Ortsschild von Bad Füssing trat Maria auf die Bremse. Von<br />
Pocking kommend fuhr sie so andächtig in den Kurort ein, als<br />
kehrte sie nach langer Abwesenheit wieder heim: »Wunderbar, der<br />
schöne, große Springbrunnen mitten im Kreisverkehr an der Therme<br />
Eins sprudelt wieder!« Sie zockelte an den Alleebäumen entlang<br />
zum nächsten Kreisverkehr an der Abzweigung zur Lindenstraße.<br />
»Toll, diese prächtigen, gepflegten, farblich so schön aufeinander<br />
abgestimmten Blumenrabatte!«<br />
Und auf dem Gipfel des bepflanzten Kreisels lag bäuchlings auf<br />
einem Beet mit weißen, blauen und violetten Blüten der Pflanze<br />
»Männertreu«, eine blasse, männliche Gestalt, die lediglich eine<br />
hellblau-weiß-gestreifte, knielange Badehose trug. Sie sah aus wie<br />
die krönende Zuckerfigur auf einer überdimensionalen Torte. Diese<br />
Skulptur gab es im Sommer noch nicht. Die war neu. Ein Kompliment<br />
an den Künstler oder die Künstlerin. Und an die Kurgärtnerei für das<br />
Blumen-Arrangement im Kreisel. Ja, Bad Füssing tut sehr viel für seine<br />
Gäste.« Eine Sekunde später griff sich Maria an den Kopf. Irgendwas<br />
passte nicht. Sie drehte im Kreisel eine zweite Runde und sagte zu<br />
sich selbst: »Es muss an der Figur liegen. Dieses Beinahe-Monument<br />
gehört da nicht hin. Man hätte den »Badenden« in den Springbrunnen<br />
des Kreisverkehrs an der Therme Eins legen müssen. Auf keinen Fall<br />
gehört er auf den Gipfel einer Blumeninsel. Da ist er deplatziert. Und<br />
wenn er schlanker ausgefallen wäre, hätte er sicher weniger gekostet.«<br />
Maria vermutete: »Diesen Standort kann nur ein Mann bestimmt<br />
haben. Wahrscheinlich war es der Bürgermeister. Ausschließen kann<br />
man das nicht. Er wäre gut beraten gewesen, wenn er es der Kur- und<br />
Tourismusmanagerin überlassen hätte, einen angemessenen Platz<br />
für dieses Kunstwerk zu bestimmen. Denn Frauen sind in Stilfragen<br />
besser d´rauf. Das weiß jeder.«<br />
Weil Frau Werner aber nicht die Person ist, die mit ihrer Meinung hinter<br />
dem Berg halten oder ein Ärgernis mit sich herumschleppen kann,<br />
verließ sie den Kreisverkehr in Richtung Kurverwaltung. Gleich darauf<br />
lehnte sie in der Rathausstraße im »Kur-& GästeService Bad Füssing«<br />
an der Rezeption: »Maria Werner ist mein Name«, sagte sie zu einer<br />
Mitarbeiterin. »Weil ich in Bad Füssing aus gesundheitlichen Gründen<br />
immer öfter meine Zelte aufschlagen und Kurtaxe zahlen muss, meine<br />
ich das Recht zu haben, die Kurverwaltung auf eine - sehr höflich<br />
ausgedrückt - Geschmacklosigkeit aufmerksam machen zu dürfen.«<br />
Frau Werners Gegenüber konnte dem Redeschwall im Straubinger<br />
Dialekt nicht eindeutig folgen und fragte höflich nach: »Verstehe ich<br />
Sie richtig, Frau Werner: Sie zelten immer öfter bei uns und müssen<br />
dafür Kurtaxe zahlen? Das ist Ihrer Meinung nach geschmacklos<br />
und jetzt wollen Sie sich beschweren?« Frau Werner winkte ab und<br />
schwafelte unbeirrt weiter: »Die männliche Skulptur im Blumenkreisel<br />
an der Raiffeisenbank muss ausgetauscht werden. Ein »Badender«<br />
gehört ins Wasser. Also eindeutig in den Springbrunnen-Kreisel an der<br />
Therme Eins. Wenn Sie schon eine halb nackte Skulptur in ein Meer<br />
von Blumen legen wollen, dann doch eher eine weibliche im knappen<br />
Zweiteiler, mit einem geflochtenen Blütenkranz im schwarzglänzenden,<br />
langen Haar. So wie auf Hawaii. Dann würde das Bild passen.« Frau<br />
Werner stand schon an der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte<br />
und drohte: »Ich schau dann Mitte der nächsten Woche nach, ob man<br />
meiner Beschwerde abgeholfen hat und wünsche noch ein ruhiges<br />
Wochenende.«<br />
Auf dem Parkplatz über der Tiefgarage kreuzte sie ganz unerwartet<br />
den Weg des Bürgermeisters, der es ziemlich eilig hatte. Sie sprach ihn<br />
dennoch an: »Herr Bürgermeister, Sie kommen wie gerufen. Ich halte<br />
Sie nämlich für den Hauptverdächtigen einer Missetat. Steigen Sie ein!<br />
Ich bringe Sie an Ort und Stelle. Es dauert nur eine halbe Minute. Dann<br />
wissen Sie was ich meine.« Er zögerte.<br />
Aber dann nahm er freundlich am Beifahrersitz Platz, weil er<br />
sich vage erinnerte, dieser energischen Frau in einer wichtigen<br />
Angelegenheit einen Blumenstrauß überreicht zu haben. Und dass<br />
der Landtagsabgeordnete ihretwegen eine bedeutende Rede gehalten<br />
hat. Dem Bürgermeister war jedoch entfallen, worum es ging bzw.<br />
wann und wo das war.Schon fädelte sich Maria an der Evangelischen<br />
Kirche in den Kreisverkehr ein. Aber an der Ausfahrt zur Lindenstraße<br />
riss ihr Beifahrer fast das Handbremsseil aus. Er sprang aus dem<br />
französischen Vehikel und rief entsetzt: »Der Giovanni! Der Giovanni!«.<br />
Dann schwang er sich über die hölzerne Brüstung in die Blumenpracht<br />
hinein und packte die »Skulptur« am rechten Handgelenk. Er prüfte<br />
den Puls auch noch am Hals und keuchte: »Da rührt sich nichts mehr!«<br />
Im Schock schrie er in alle vier Himmelsrichtungen, als müsste er<br />
nicht nur der Kurzone Eins sondern auch den eingemeindeten Dörfern<br />
verkünden, was er selbst nicht glauben konnte: »Unser Giovanni ist<br />
tot!« Schwer erbost wandte er sich sodann der Frau Werner zu und rief<br />
aus der Bepflanzung auf sie heraus:<br />
»Was fällt Ihnen ein zu behaupten, dass ich der »Hauptverdächtige<br />
dieser Missetat« bin?«<br />
Bad Füssings Polizei leitete den Verkehr um. Der vermeintliche Tatort<br />
war schon abgeriegelt. Die Spurensicherung war am Werk. Und dann<br />
traf Harribald Renner von der Kripo Passau ein. Ein ziemlich fescher<br />
Mann, der nur mehr ein paar Tage von seinem fünfundvierzigsten<br />
Geburtstag entfernt war.Aber als der Hauptkommissar in der ersten<br />
Reihe der herbei geströmten Gaffer die Maria Werner erblickte, blieb<br />
er wie angeklebt stehen. Er rief im selben Tonfall und nicht weniger<br />
entsetzt als vorher der Bürgermeister: »Das glaube ich nicht. Die Frau<br />
Werner!« Und diese schrie triumphierend zurück: »Da wartet eine Kalt-<br />
Abreise auf Sie, Herr Hauptkommissar! Ich habe die Leiche entdeckt.<br />
Sie finden mich dieses Mal nicht im Hotel BAYERN-Inn sondern im<br />
BUCHENHAIN, Herr Renner!«<br />
Sie lief zum Auto, das sie in der Lindenstraße am Parkplatz eines<br />
Bekleidungsgeschäftes abgestellt hatte und sauste in ihr altbekanntes<br />
Haarstudio.<br />
Kurz geschnitten, frisch gefärbt und penibel gewellt, reichte Frau<br />
Werner um 15 Uhr dem souverän auftretenden Direktor Ludwig<br />
Kugelmoser im Foyer des Hotels BUCHENHAIN die Hand und den<br />
Autoschlüssel. Sie wusste, dass er keinen Führerschein besitzt und<br />
dass er sich auch nicht mit einer Brechstange in ihren Kleinwagen<br />
zwängen könnte. Dennoch sagte sie: »Sind Sie bitte so gut, Herr<br />
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