ERFOLG Magazin Ausgabe 03-2024

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Einstellung Carsten Stahl: Laut gegen Mobbing! Er war erst Opfer, dann Täter, doch mittlerweile stellt sich Carsten Stahl gegen jedwede Gewalt. Dafür beschreitet er auch mal unkonventionelle Wege, nutzt seine eigenen Methoden, um aufzuklären und Schikanen auf dem Schulhof vorzubeugen – mit Erfolg, wie er sagt. Warum macht ausgerechnet er sich bereits seit zehn Jahren vehement gegen Mobbing stark? Und wie gelingt es ihm, sich bei Jugendlichen Gehör zu verschaffen? Das hat uns der TV-Star im Interview [gekürzt] erzählt. Herr Stahl, Sie setzen sich seit Jahren für Mobbing-Opfer und diesbezügliche Aufklärung ein. Woher kam damals die Motivation? Seit mittlerweile über zehn Jahren kämpfe ich gegen Mobbing und stehe für den Kinder- und Jugendschutz ein. Das liegt an meiner eigenen Historie. Ich habe als Kind erlebt, wie es sich anfühlt, im Stich gelassen zu werden und dann ist mein eigener Sohn Opfer von Mobbing, Gewalt und Rassismus geworden – nach nur zwei Tagen Grundschule! Da wusste ich: Ich muss meinem Sohn helfen, sonst wird er genauso dieser Dynamik verfallen wie ich. »Ich habe als Kind erlebt, wie es sich anfühlt, im Stich gelassen zu werden [...].« – Carsten Stahl Er wird erst zum Mittäter, dann zum Täter! Das wollte ich nicht und um das zu erreichen, musste ich diese Dynamik durchbrechen. Verbote bringen gar nichts – nur Aufklärung und Prävention können etwas verändern und bewegen! Also habe ich angefangen, meinem Sohn zu helfen und den Tätern ins Gewissen zu reden; ihnen zu zeigen, dass das, was sie meinem Sohn und anderen antun, auch für ihre Zukunft schädlich ist. So habe ich damals an der Schule meines Sohnes den ersten Vortrag gehalten. Mittlerweile habe ich vor über 100.000 Schüler an über 360 Schulen in ganz Deutschland und mittlerweile auch in Österreich und der Schweiz geredet. Half es, dass Sie bereits TV-Star waren, um besser Gehör zu finden? Der Umstand, dass ich schon durch meine TV-Präsenz sehr bekannt war, half mir natürlich. Ich wurde in meiner jetzigen Arbeit schneller gehört und habe auch 40 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2024 . ERFOLG magazin
Einstellung Bilder: Seiring Media GmbH, IMAGO / Christian Schroedte einen besseren Draht zu den Jugendlichen bekommen. Es kannten mich ja schon viele junge Leute. Wenn man darüber hinaus auch eine körperliche Präsenz hat, ist das für viele Kinder und Jugendliche auch etwas, bei dem sie schneller hinschauen oder hinhören. Aber nur das allein hätte mich niemals so weit gebracht. Das bringt alles nur dann etwas, wenn man auch weiß, wovon man redet. Viele Kinder sind schon Opfer von Mobbing, Gewalt, Hass und Rassismus geworden und es wird sich niemand freiwillig hinstellen und dieses Thema ansprechen. Man muss den Kindern glaubhaft vermitteln, dass das, was sie tun, falsch ist. Die eigene Bekanntheit ist dabei nur ein kleiner Prozentsatz von dem, was man dazu braucht. Nur mit Glaubwürdigkeit und Authentizität, also mit den persönlichen Erfahrungen, gewinnt man das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit der Jugend. Wo liegt denn die große Hürde bei der Prävention von Mobbing? Schließlich steigen die Zahlen, statt zu sinken. Die große Hürde ist, die Gesellschaft zu sensibilisieren und die Verantwortlichen in der Politik und im Schulsystem dazu zu bewegen, endlich die Missstände zu sehen, diese zuzugeben und auch offen darüber zu reden. Ein großes Problem ist, dass die Hälfte aller Schulleitungen in Deutschland immer noch sagt: »An unserer Schule gibt es keine Probleme, kein Mobbing, keine Gewalt, kein Hass, kein Rassismus, keine Drogen.« Sie haben Angst davor, diese Missstände anzusprechen, weil sie um den Ruf der Schule fürchten. Diese Angst müssen wir ihnen nehmen, denn Mobbing ist kein Problem der Schulen, sondern der Gesellschaft. Es ist die Pflicht der Gesellschaft und der Politik, für dieses Thema zu sensibilisieren. Wir müssen mit einem Tabu brechen, sonst haben wir immer mehr Kinder, die darunter leiden und immer mehr Lehrer und Schulleitungen, die hilflos aus Angst um den Ruf der Schule wegsehen oder die nicht merken, wenn Kinder in Gefahr sind. Mobbing muss man da bekämpfen, wo Mobbing entsteht – und das am besten so früh wie möglich: in den Kitas, in den Grundschulen und ganz besonders in den Oberschulen, weil da durch die Digitalisierung das digitale Mobbing am größten und, ja, auch am gefährlichsten ist. »Schulleitungen haben Angst davor, diese Missstände anzusprechen, weil sie um den Ruf der Schule fürchten.« – Carsten Stahl allen Dingen an meiner Art, an meiner Vehemenz, an meiner Präsenz und daran, wie ich das Thema nach vorne bringe. Ich bin klar und deutlich und nehme mich dieses Themas an. Ich rede es nicht schön, rede es nicht klein und mache den Menschen einfach klar, dass Kinderschutz unverhandelbar ist und er uns alle angeht. Deshalb ist es ganz wichtig, dass man da klar und deutlich für andere einsteht und sich von nichts und niemandem abbringen lässt. Sie sind ein streitbarer Typ. Ist Ihnen das schon mal auf die Füße gefallen bei Ihrer Sozialarbeit? Die meisten Menschen, die Missstände ansprechen, sind streitbar. Es ist nun einmal nicht gewollt, dass man Missstände anspricht. In unserer Gesellschaft ist immer derjenige der Gefährliche, der die Missstände anspricht, anstatt der, der sie zu verantworten hat. Und da ich nun mal jemand bin, der Klartext redet und nicht Sie sind sehr schnell sehr bekannt geworden mit dem Thema. Wie konnte es so schnell gelingen? Rückwirkend wirkt es so, als sei ich hierdurch schnell bekannt geworden, aber dem war nicht so: Es Carsten Stahl ist schon früh mit Gewalt in Kontakt waren mindestens drei Jahre notwendig. Aber dass ich es bis heute mit seinem »Camp Stahl« für eine Zukunft ohne Gewalt ein. gekommen. Nach ersten Erfolgen im TV setzt er sich heute so weit geschafft habe, liegt vor lange drum herum, ecke ich natürlich damit an. Aber wenn ich heute diese zehn Jahre betrachte, muss ich sagen, dass mich dieser Charakterzug – trotz ein paar Steinen hier und da – insgesamt gesehen weitergebracht hat. Heute sagen viele: »Er erreicht deshalb so viel, weil er so ist wie er ist! Weil er eben kein Pädagoge und kein Sozialarbeiter ist, kommt er so direkt und schnell an die Schüler heran!« Vor ein paar Jahren hat man vielleicht noch anders darüber gesprochen. Anders zu sein, heißt nicht, es falsch zu machen. Wir brauchen oft nur eine Zeit, bis man merkt, dass es auch einen anderen Weg gibt, der funktioniert – und vor allen Dingen, dass man in einer Fünf-Punkt-null-Gesellschaft andere Wege gehen muss. Sie haben selbst Kinder. Denken Sie, Sie würden die Arbeit auch machen, wenn sie keine hätten? Meine Kinder sind der Grund, warum ich diese Arbeit mache! Das Erlebte meines Sohnes war der Anstoß für mich, genau das zu tun. Aber als ich dann gesehen habe, wie viele Kinder es betrifft, wie viele hilflose Eltern es betrifft und wie die Schulen überfordert sind, habe ich immer weitergemacht. Man weiß, man kann jetzt nicht aufhören, da muss geholfen werden! Und genau das habe ich getan, aber ich hätte nie gedacht, dass das so groß wird und dass ich über 100.000 Schüler helfen werde. Dass es jetzt über Deutschland hinausgeht, und dass daraus Bündnis, Kinderschutz und »Stoppt Mobbing!« geworden sind, hätte ich mir nie erträumt. Aber man wächst mit seinen Aufgaben und man folgt seiner Bestimmung – und genau das tue ich: Es ist meine Bestimmung, mich für die Kinder einzusetzen und diese Missstände klar und deutlich – und auch laut – auszusprechen. ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2024 . www.erfolg-magazin.de 41
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