Magazin Universal / Fair Henry J. Rückkehr zu traditionellen Werten: RUFUS WAINWRIGHT Foto: 20 www.KlassikAkzente.de
Was soll man sich eigentlich unter einem Klassik-DJ-Set vorstellen? Zunächst so wie jedes andere DJ-Set: Mittels ineinander gemischter Übergänge entsteht ein durchgehender Klangteppich, der die herrschende Atmosphäre in Richtung des angestrebten Ideals manipuliert. Ein gelungenes Set zeichnet sich durch stimmige Übergänge, musikalische Originalität und eine dramaturgische Entwicklung aus. Keine kleine Aufgabe, wenn es statt Barjazz oder Trip-Hop um Bach und Beethoven geht und man auf dem schmalen Grad zwischen atmosphärischer Stimmigkeit inmitten von schummrigem Licht, Stimmengewirr und Drinks an der Bar einerseits und positiver Wahrnehmung der Musik als das, was sie ist, andererseits wandelt. Doch es funktioniert und wer schon einmal dabei war, der weiß: So ein Abend kann ziemlich sexy und magisch werden. Und Rufus Wainwright? Wenn es einen aktuellen Popkünstler gibt, der für einen solchen Ausflug in die Klassik der richtige ist, dann ist er das. Seine vier bisher veröffentlichten Singer/Songwriter-Alben bereicherte der 33-Jährige stets mit direkten Zitaten aus klassischen Werken. Die meisten seiner oft melancholischen Songs folgen komplexen Strukturen und geradezu klassisch anmutenden Harmonien. Oftmals experimen- tiert Wainwright mit Arrangements für Chor und großes Orchester. Der gebürtige Kanadier hat klassische Musik im Elternhaus, sozusagen mit der Muttermilch, aufgesogen und er betrachtet sich als fest verwurzelt in der westlichen musikalischen Tradition. Kein Wunder, gelten seine frühesten musikalischen Erinnerungen doch Bachs h-Moll-Messe und Jussi Björling. Die Oper hat er erst mit vierzehn entdeckt, aber dann zehn Jahre lang praktisch nichts anderes gehört. Es folgten zwei Jahre auf dem Konservatorium in seiner damaligen Heimat Montreal, wo er Klavier und Komposition studierte. Aber dafür war er dann doch zu rebellisch und, wie er freimütig bekennt, auf dem Klavier auch nicht talentiert genug. Doch auch ohne fertige Ausbildung – seine Songtexte stecken voller Anspielungen auf Oper und Literatur, und mit David Byrne hat der stimmlich hochbegabte Wainwright ein Duett für Tenor und Bariton von Bizet aufgenommen. Was hat Rufus Wainwright nun „gemixt“, was für Musik erwartet uns auf Yellow Lounge Vol. 4? Natürlich hat ein DJ-Mix für eine CD, im Gegensatz zur Clubsituation, erstmal die uneingeschränkte Aufmerksamkeit eines Zuhörers, man kann also mehr experimentieren und extremere Passagen auswählen. Das Yellow Lounge Compiled by Rufus Wainwright Deutsche Grammophon CD 442 9153 Fauré Quartett u.a. Veröffentlichung: Mai 2007 DA DRAUSSEN IST EIN PUBLIKUM, MIT DEM MAN FLIRTEN MUSS In der Yellow Lounge legen DJs live im Club klassische Musik auf – die Deutsche Grammophon veröffentlicht diese Sets auf CD. Die neue Ausgabe hat ein bedeutender Pop-Künstler zusammengestellt: Rufus Wainwright. tut Wainwright nach Kräften, das letzte, woran seine Zusammenstellung denken lässt, ist hintergrundtaugliche Fahrstuhlmusik. Seine Bandbreite reicht von Bach bis Schnittke, er schreckt weder vor gewaltigen, eruptiven Höhepunkten noch vor expressiver Sperrigkeit zurück. Aber, wie er emphatisch betont, „ich bin zuallererst Melodiker – einige der ausgewählten Stücke sind zwar sehr vielschichtig und manche rühren an die Grenzen der Tonalität, aber dennoch sind es alles Stücke mit Motiven, die man singen oder sogar beiläufig summen könnte. Ich habe mich auf das konzentriert, was ich selber auch am liebsten mag – Musik, die zwar mit einem Fuß auf einem sehr komplexen Spannungsfeld, mit dem anderen aber auf einer ganz natürlichen Harmonik steht“. Diesen Anspruch hört man auch in zwei von Rufus Wainwrights eigenen Songs. Als Auftakt und Ausklang rahmen sie die klassische DJ-Kompilation ein. Arrangiert für Klavierquartett, hat sie das Fauré Quartett eingespielt. Kleine, ungemein reizvolle Miniaturen, die für einen beschwingten Rahmen sorgen. „Ich war sehr beeindruckt von ihrer Interpretation, weil sie einerseits genau den Kern getroffen, aber andererseits auch etwas Neues damit gemacht haben“, gibt Wainwright zu. „Und der Melodiker in mir hat es natürlich sehr genossen, die Songs einmal ohne Worte zu hören.“ Am konzeptionellen Startpunkt der „Yellow Lounge“ stand die einfache Überzeugung, dass sich die Klassik, will sie wieder mehr junge Menschen begeistern, nicht weiter allein auf ein Umfeld aus Konzertsälen, Opernhäusern und Freilichtbühnen beschränken darf. In diesem Sinne betrachtet auch Rufus Wainwright sein Yellow-Lounge-Projekt als fruchtbares Experiment, das er demnächst mit einem Live-Auftritt in Berlin fortsetzen will: „Wir leben in einer Zeit der Rückkehr zu traditionellen Werten, egal ob in der Musik, in der Malerei oder in der Architektur. Ich glaube, dass viele der großen Werke der Vergangenheit den Schlüssel für unsere Zukunft beinhalten. Allerdings wäre es auch an den zeitgenössischen Komponisten, sich auf etwas zu besinnen, was den Großen früherer Tage immer bewusst war: Die waren auch sehr avantgardistisch, aber sie haben nie vergessen, dass es da draußen ein Publikum gibt, mit dem man auch flirten muss.“ Genau das tut Rufus Wainwright – und zwar in Bezug auf seine eingefleischten Fans ebenso wie in Bezug auf die offenen Ohren des Klassikpublikums. Harald Reiter KlassikLink: wainwright www.KlassikAkzente.de 21