Sie kam, sang und siegte Zwei Auftritte von Nicole Cabell in „Idomeneo“ und „Roméo et Juliette“ im Dezember in Berlin reichten aus, um wahre Begeisterungsstürme in der deutschen Presse zu entfachen. Jetzt ist sie in München an der Seite von Anna Netrebko und Rolando Villazón als Musetta in „La bohème“ zu sehen. Und für KlassikAkzente berichtet Nicole Cabells Entdecker Chris Pope, wie alles anfing. Als ich 2005 zum „Singer of the World“-Wettbewerb der BBC nach Cardiff fuhr, hatte ich keineswegs einen Blanko-Aufnahmevertrag der Decca in der Tasche. Obwohl Cardiff als wichtigster Gesangswettbewerb der Welt ein guter Ort ist, um die besten einer neuen Generation von Sängern live zu erleben, sind Wettbewerbe nicht das A und O des Musikmachens. Für mich haben Wettbewerbsgewinner immer vor allem eine Begabung darin, Wettbewerbe zu gewinnen (was absolut keine leichte Aufgabe ist), aber das bedeutet nicht, dass sie auch die Reife, allgemeine Musikbegabung oder Persönlichkeit besitzen, die ich bei einem potenziellen Decca-Künstler erwarte. Ich hatte ja keine Ahnung, was für ein rundum außergewöhnliches Erlebnis Cardiff sein würde. Ich hatte die Vorrunden nicht gesehen, aber mein Kollege Nick Williams erzählte mir von einer Kandidatin, die für Aufsehen sorgte. Als wir dann gemeinsam im Publikum saßen und auf den ersten Auftritt warteten, bat ich ihn, mir nicht zu verraten, wer 8 www.KlassikAkzente.de diese Favoritin war, damit ich mir selbst ein Urteil bilden könnte. Als Nicole Cabell auf die Bühne trat und „How Can I Cherish“ aus Michael Tippetts Oratorium „A Child Of Our Time“ sang, hatte ich keine Zweifel, wer die mysteriöse Favoritin war. Ihre Kunstfertigkeit machte sofort alle herkömmlichen Maßstäbe, die man bei einem Wettbewerb anlegt – Ausdruck, Projektion und so weiter –, hinfällig. Hier stand eine außerordentlich schöne junge Dame mit einer überragenden ������ ������ Stimme auf der Bühne, die ans Herz ging. Mühelos wechselte sie von Tippett zu Mozart und weiter zu Berlioz und ich verliebte mich gleich in den „Fingerabdruck“ ihrer Stimme: weich und fließend, aber dennoch von einer leichten, fast jungenhaften Beschaffenheit. Manchmal muss man im Leben das Handbuch in die Ecke werfen und auf seinen Bauch hören, und das war so ein Moment. Am Ende ihres Auftritts war ich sicher, auch wenn ihre Ausbildung in Chicago gerade erst Mit dem Gewinn des BBC-Wettbewerbs „Cardiff Singer of the World“ markierte die 29-jährige Kalifornierin Nicole Cabell 2005 ihren internationalen Durchbruch. Seitdem hat die Sopranistin, die Ensemble-Mitglied der Chicago’s Lyric Opera ist, aber nicht nur auf der Opernbühne für Furore gesorgt – etwa als Adina in Donizettis „L’elisir d’amore“ an der Opéra de Montpellier oder an der Seite von Neil Shicoff als Juliette in Gounods „Romeo et Juliette“ an der Deutschen Oper in Berlin. Auch auf den Konzertpodien hat sie ihre Vielseitigkeit mit Brahms (Deutsches Requiem) und Mahler (4. Symphonie) unter Beweis gestellt und dabei mit Dirigenten wie Andrew Davis und Daniel Barenboim zusammengearbeitet. 2007 gastiert Nicole Cabell, die übrigens afro-amerikanische, europäische und koreanische Wurzeln hat, unter anderem als Musetta in „La bohème“ im Münchner Gasteig. • RL abgeschlossen war, sie hatte das Potenzial zur Decca-Künstlerin. Sie hatte eine von Natur aus aristokratische Präsenz auf der Bühne, sie hatte Mut (mit Michael Tippett als Aufmacher in die letzte Runde eines Wettbewerbs zu gehen, dazu gehört Selbstvertrauen) und sie hatte eine überragende Stimme. Nun war ich auf ihre Persönlichkeit gespannt. Ich wollte am liebsten sofort hinter die Bühne, aber Nick hielt mich zurück: „Du kannst nicht zu sechs hoffnungsvollen Talenten in den Raum gehen und eins herauspicken, bevor überhaupt der Preis verliehen wurde – warte noch!“ Also wartete ich und hielt meine Begeisterung für eine endlose halbe Stunde im Zaum, die Juroren gaben die Gewinnerin bekannt, ich lernte eine wundervolle Person und einen echten Profi kennen, und der Rest ist Geschichte: A star is born. Chris Pope, 2005 Vice President Artist & Repertoire bei Decca und Entdecker von Nicole Cabell. KlassikLink: cabell
Foto: Kasskara / Decca Selbstvertrauen und Stimme: NICOLE CABELL Puccini • Donizetti • Bellini • Menotti • Tippett u.a. Nicole Cabell: Soprano Decca CD 475 7661 Nicole Cabell, Sopran London Philharmonic Orchestra Dirigent: Sir Andrew Davis www.KlassikAkzente.de 9