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Illustration: Sebastian Hartmann<br />
Eine große Rarität erlebt ihre<br />
CD-Weltpremiere: In den Jahren<br />
1953–1957 wurde Fritz Wunderlich,<br />
damals noch Student, mehrmals<br />
vom Südwestfunk engagiert,<br />
um für den Sender Schlager,<br />
Operettenlieder und Walzermelodien<br />
aufzunehmen. Diese SWF-<br />
Aufnahmen wurden ein paar Mal<br />
im Radio ausgestrahlt und gerieten<br />
danach vollkommen in Vergessenheit.<br />
„Wunderlich populär“<br />
präsentiert eine Auswahl der<br />
schönsten Aufnahmen aus dieser<br />
Zeit, darunter Fritz Wunderlichs<br />
allererste Studioaufnahme, sowie<br />
die einzigen bekannten Mitschnitte,<br />
auf denen der große Sänger<br />
als Trompeter zu hören ist.<br />
Auf dem Album hört man einen<br />
genial begabten, voll in Saft<br />
und Kraft stehenden jungen<br />
Sänger, der sich einfach hinstellt<br />
und ein paar schöne, sentimentale<br />
Lieder schmettert. Das ist<br />
(noch) keineswegs perfekt. Aber<br />
Wunderlichs ungeschliffene Naturstimme<br />
sprüht nur so vor<br />
Charme und Spaß, seine Darbietungen<br />
zeugen von einem untrüglichen<br />
Stilgefühl, es gibt keine<br />
Übertreibungen, Seichtheiten<br />
oder Schmalz. Für ihn, den aufstrebenden<br />
Opernsänger, war es<br />
damals schon selbstverständlich,<br />
der leichten Muse jenen Stellenwert<br />
beizumessen, den sie für<br />
das breite Publikum, sein Publikum,<br />
eben hatte und hat.<br />
Fritz Wunderlich hat früh<br />
seinen Vater verloren, wodurch<br />
seine Familie finanziell in eine<br />
schwere Krise stürzte. Schon<br />
als kleiner Junge musste er zum<br />
Familieneinkommen beitragen,<br />
indem er bei Tanzmusiken und<br />
ähnlichen Veranstaltungen aufspielte.<br />
Von Anfang an machte<br />
sich sein außergewöhnliches Talent<br />
in allem, was er musikalisch<br />
unternahm, bemerkbar. Er sang,<br />
pfiff, spielte Akkordeon, Waldhorn<br />
und Trompete, musizierte<br />
auf Bällen, auf Hochzeiten und<br />
später mit seiner eigenen Jazzcombo<br />
Die flotte Fünf.<br />
Als Unterhaltungsmusiker zu<br />
arbeiten, damit zuhause Essen<br />
auf den Tisch kam, war also Teil<br />
des Familienalltags, in dem Wunderlich<br />
aufgewachsen ist. Ent-<br />
Wunderlich populär<br />
Schlager und Operettenlieder<br />
Polydor<br />
CD 476 5979<br />
Fritz Wunderlich, Tenor/Trompete<br />
Das Kleine Rundfunkorchester des SWF<br />
Dirigent: Willi Stech<br />
Veröffentlichung: Mai 2007<br />
Zwischen großer Opernbühne und leichter Muse:<br />
FRITZ WUNDERLICH<br />
Leicht ist oft am schwersten<br />
Als Unterhaltungsmusiker zu arbeiten, damit zuhause Essen auf den Tisch kam, war Teil des Familienalltags, in dem<br />
Fritz Wunderlich aufgewachsen ist. Entsprechend selbstverständlich war es für den vielleicht größten lyrischen Tenor<br />
des 20. Jahrhunderts, sich später auch seine Ausbildung auf diese Weise zu verdienen.<br />
sprechend selbstverständlich<br />
war es für den vielleicht größten<br />
lyrischen Tenor des 20. Jahrhunderts,<br />
sich seine Ausbildung auf<br />
diese Weise zu verdienen. Für die<br />
Aufnahmetermine beim SWF gab<br />
es jeweils nur ein paar Mark – die<br />
meistens sofort in Nahrungsmitteln<br />
angelegt wurden.<br />
Das „Tingeln“ hat Fritz Wunderlichs<br />
weiterer Karriere keineswegs<br />
geschadet – im Gegenteil!<br />
Jahre später betonte er<br />
in einem Interview, dass er seinen<br />
langen Atem nur „der intensiven<br />
Bläserei“ zu verdanken habe<br />
und dass das Auswendiglernen<br />
von fast zweitausend Schlagern<br />
sein Gedächtnis dafür trainierte,<br />
sich später in rekordverdächtiger<br />
Geschwindigkeit mehr als dreißig<br />
Opernpartien von Händel bis<br />
Orff anzueignen.<br />
Harald Reiter<br />
KlassikLink: wunderlich-schlager<br />
www.KlassikAkzente.de 23