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3 - Kolpingjugend Diözesanverband Paderborn

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stelle, so meint Fackenheim, ein Gebot<br />

auf, nämlich zu überleben, weiterhin zu<br />

glauben und über den Holocaust zu berichten.<br />

Die Gründung des Staates Israel<br />

1949 war für ihn ein Beweis, dass Gott<br />

in der Gegenwart erfahrbar sei und auch<br />

sinnvoll in die Geschichte eingreife.<br />

Der Jüdische Gelehrte Eliezer Berkovits,<br />

der bis 1939 in Berlin als Rabbiner tätig<br />

war und dann in die USA emigrierte, stellt<br />

nicht mehr die Theodizee-Frage, sondern<br />

die Anthropodizee-Frage: Wo war der<br />

Mensch in Auschwitz? Für ihn ist der Holocaust<br />

ein Beispiel, dass Gott das Böse<br />

nicht verhindern kann und schweigt. Er<br />

beruft sich dabei auf den Propheten Jesaja,<br />

der das dualistische Prinzip aufgestellt<br />

hat: Gott schuf Licht und Dunkel, Berge<br />

und Täler sowie Gut und Böse (vgl. 45,7).<br />

Ebenso habe Gott den Menschen bei seiner<br />

Erschaffung in Freiheit entlassen, der<br />

Mensch hat also die Wahl, sich zwischen<br />

Gut und Böse zu entscheiden (vgl. Schöpfungsmythos<br />

in Genesis 1). Aufgrund die-<br />

ser Freiheit muss sich Gott zurückhalten<br />

und kann für das Leid der Juden nicht zur<br />

Verantwortung gezogen werden. Berkovits<br />

fordert die Verantwortung des Menschen<br />

und meint, dass nur gegenseitige<br />

menschliche Solidarität und Liebe Gottes<br />

Gegenwart zeigen könne. Seine Schlussfolgerung<br />

war, dass allein der Mensch zur<br />

Verantwortung für das Leid in der Welt<br />

gezogen werden könne.<br />

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Auch der jüdische Literat und Holocaustüberlebende<br />

Elie Wiesel meint, dass vor<br />

allem der Mensch anzuklagen sei, weil er<br />

den Holocaust zugelassen bzw. durchgeführt<br />

habe. Gott sei nur aufgrund seines<br />

Schweigens zu verurteilen. Auch für ihn<br />

ist Gott nur allmächtig durch die Macht<br />

der menschlichen Liebe und Solidarität.<br />

Der jüdische Philosoph Hans Jonas (+<br />

1993) knüpfte ebenfalls an der Freiheit<br />

des Menschen an und meinte, dass sich<br />

durch den Schöpfungsakt Gott selbst beschränkt<br />

habe: So sei er nicht mehr allmächtig,<br />

weil er dem Menschen die Verantwortung<br />

für die Schöpfung übergeben<br />

habe, sondern ohnmächtig und auf das<br />

Wirken der Menschen angewiesen.<br />

Natürlich musste sich auch die christliche<br />

Theologie mit einer „Theologie nach<br />

Auschwitz“ beschäftigen: Die feministische<br />

Theologin Dorothee Sölle schrieb<br />

einmal, dass Gott nur unsere Hände<br />

habe, durch die Er wirken könne. Wobei<br />

sie davon ausging, dass unsere Hände vor<br />

allem Gutes tun sollten. Dieser Ausspruch<br />

zeigt, dass auch sie eher die Anthropodizee-Frage<br />

stellt. Der katholische Theologe<br />

Johann Baptist Metz sieht in Auschwitz<br />

sowohl eine Theodizee-, als auch eine<br />

Anthropodizee-Frage. Er fordert vom<br />

Christentum mehr Leidempfindlichkeit<br />

und Verantwortung für die Welt, mehr<br />

Karfreitags- als Ostersonntagsstimmung.<br />

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Für ihn ist es wichtig, die Fragen und<br />

Anklagen an Gott, das Nicht-Akzeptieren<br />

von Lebenslagen beizubehalten und<br />

nicht in frommes Gebet überzugehen. So<br />

wie Hiob sich ungerecht von seinem Gott<br />

behandelt fühlte und mit seinem Gott<br />

stritt, und Jesus am Kreuz wegen seiner<br />

Gottverlassenheit aufschrie, so sollen wir<br />

Christen neben der jubelnden, auch die<br />

rebellische und fragende Gebetssprache<br />

wieder entdecken (vgl. z.B. Klagepsalmen).<br />

Alle theologischen Erklärungen sind<br />

vorsichtige Deutungen und bleiben immer<br />

ein Versuch, das Unverständliche<br />

des Massenmords am europäischen Judentum<br />

theologisch zu erklären. Der jüdische<br />

Rabbiner Irving Greenberg meinte,<br />

dass es nach dem Holocaust keine „Endlösungen“<br />

(Der Begriff wurde von Nazis<br />

gebraucht, um den Holocaust zu bezeichnen:<br />

„Endlösung der Judenfrage“) mehr<br />

geben dürfe, auch keine theologischen.<br />

Auch nach über 60 Jahren bleibt der<br />

Holocaust unbegreiflich und egal, ob von<br />

jüdischer oder christlicher Seite, theologisch<br />

nicht befriedigend erklärbar. Doch<br />

eines scheint mir wichtig: Auch heute ist<br />

solch eine menschliche Katastrophe wie<br />

der Holocaust möglich, die modernen<br />

Massenmorde in Bosnien oder Afrika zeigen<br />

dies. Nur wir Menschen haben die<br />

Verantwortung, die Welt ein klein wenig<br />

zu verbessern und Frieden zu schaffen.<br />

Ralf Repohl<br />

Mitarbeiter Palette<br />

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