THEATERBALL 2012 „WIENER BLUT“ - KR-ONE
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Titelthema //<br />
Frederik arbeitet mit modernster Technik: Das MacBook Pro bietet eine Schnittstelle für das Spezialgerät,<br />
mit dem er lesen und schreiben kann<br />
<strong>KR</strong>-<strong>ONE</strong> // 6<br />
Fotos: Christhard Ulonska<br />
FREDERIKS<br />
BLINDES<br />
VERTRAUEN<br />
ZUM LEBEN<br />
SEIN BLICK RICHTET SICH NACH VORNE,<br />
AUCH WENN ER NICHTS SIEHT<br />
Es gibt zahlreiche Menschen, denen ein Leben ohne Augenlicht nicht mehr lebenswert erscheint.<br />
Der fast vollständig blinde Frederik Störkel ist da anderer Meinung. Dem 19-Jährigen muss<br />
diese Haltung als blanke Provokation erscheinen. Er meistert den Alltag trotz seiner Behinderung<br />
mit Bravour und ist dabei mit seiner ansteckend lebensfrohen Art ein mahnendes Beispiel für<br />
alle, die dem Leben mit Geringschätzung begegnen.<br />
Die Unterlagen von Frederik in Brailleschrift<br />
Wenn „Freddy“, wie ihn seine Freunde nennen, bei seinen Eltern in<br />
Krefeld zu Besuch ist, fühlt er sich wohl. Hier kennt er alles. Er weiß<br />
anhand des Schalles seiner eigenen Stimme genau zu lokalisieren, wo<br />
er sich im großen Haus befindet, wie weit er von der Treppenstufe<br />
entfernt ist und wie viel Schritte er zum nächsten Lichtschalter gehen<br />
muss. Solange der 19-Jährige angehende Physiotherapeut in dieser<br />
vertrauten Umgebung ist, erkenne ich kaum, dass er allerhöchstens<br />
Hell und Dunkel voneinander unterscheiden kann. Erst der Blick in<br />
seine getrübten Augen verrät mir, dass Freddy mich nicht sieht, obwohl<br />
er mich ansieht.<br />
Freddy ist ein gutaussehender junger Mann, der stets makellos gekleidet<br />
auftritt, sein Harr formschön gegelt trägt, obwohl er mir später erzählen<br />
wird, dass ihm Äußerlichkeiten nicht wichtig sind. Sobald er aus dem<br />
Haus geht, muss er auf die Hilfe Sehender zurückgreifen. Wie auf die<br />
seiner Mutter, die ihm auch für heute farblich zusammenpassende<br />
Kleidung zurechtgelegt hat.<br />
Als Frederik im Jahre 1992 das Licht der Welt erblickt, ahnt niemand,<br />
dass der ansonsten kerngesunde Junge nicht würde sehen können.<br />
„Erst Monate später“, erzählt sein Vater, „haben wir bemerkt, dass<br />
Frederick nicht reagiert wie andere Kinder in seinem Alter.“ Schnell<br />
steht die erste Diagnose: Der Sehnerv ist gesund, die Hornhaut nicht.<br />
Nach einer komplizierten Transplantation kann Frederik vorläufig wieder<br />
sehen. Doch das Ergebnis verschlechtert sich rasch. Der kleine Junge<br />
muss sich zahlreichen weiteren Operationen unterziehen und leidet. „Im<br />
Schwimmbad“, erinnert sich seine Mutter, „stand Freddy vor einer großen<br />
grünen Tür und ist vollkommen in Panik ausgebrochen.“ Sie vermutet,<br />
dass ihr Sohn schon alleine durch die Farbe an den Operationssaal<br />
erinnert wurde. In diesem Moment beschließen die Eltern, dass Schluss<br />
sein soll mit den Qualen ihres Sohnes; eine weitere Operation wird es<br />
nicht geben.<br />
Trotz seiner Behinderung entwickelt sich Frederik weitestgehend normal.<br />
Er findet Gefallen am Sport, besonders am Fußball und an der Fliegerei.<br />
ER GEHT ERFRISCHEND OFFEN MIT SEINER SITUATION<br />
UM, MACHT WITZE UND VERSUCHT, DIE MENSCHEN<br />
HERAUSZUFORDERN.<br />
Pilot wolle er werden, schrieb er seinerzeit in die Abitur-Zeitung und<br />
meinte das natürlich als Scherz, denn er weiß genau, wo seine Grenzen<br />
liegen. Aber der eloquente Krefelder liebt es, seine Umgebung zu provozieren.<br />
Er geht erfrischend offen mit seiner Situation um, macht Witze<br />
und versucht, die Menschen herauszufordern.<br />
Dass seine Grenzen jedoch nicht dort liegen, wo andere sie bei Blinden<br />
sehen, stellt Freddy gerne unter Beweis. Er spielt leidenschaftlich<br />
Fußball, am liebsten im Tor. Anfangs hat man für ihn noch eine Glocke<br />
an den Ball gemacht, damit er sich besser orientieren konnte, später<br />
bleibt diese weg. Freddy gelingt es auch so, den Ball zu erahnen. Dank<br />
seiner geschärften übrigen Sinne, die ihm auch sonst im Leben helfen.<br />
„Es ist manchmal schon sehr erstaunlich“, sagt seine Mutter, „was<br />
Frederik alles riechen kann. Er stand früher nach der Schule oft in der<br />
Tür und erkannte gleich, dass ich Reis koche. Dazu sind weder meine<br />
sehende Tochter noch ich in der Lage.“ Und wenn er auch nie ein<br />
Titelthema //<br />
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