Antworten 2005 - WestLB

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6 Brief des Vorstandsvorsitzenden für Belegschaft, Vorstand und Eigentümer der WestLB hatte 2005 eindeutig Premierencharakter. Zum ersten Mal haben wir uns über ein volles Jahr hinweg mit dem neuen Geschäftsmodell der Bank dem Urteil von Kunden und Investoren gestellt. Und zum ersten Mal musste sich die WestLB, nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung am 19. Juli 2005, im Wettbewerb ohne Staatsgarantie und dadurch bedingte Ratingvorteile behaupten. Mit dem Ihnen heute vorliegenden Geschäftsbericht wollen wir Ihnen unsere Überzeugung begründen, dass die WestLB die anspruchsvollen Herausforderungen des Premierenjahres 2005 erfolgreich bestanden hat. Operativ haben wir das unseren Aktionären zugesagte Ergebnisziel von rund 600 Mio € durchlaufen und unser Vorjahresergebnis spürbar übertroffen. Gleichzeitig ist es uns gelungen, die Kapitalausstattung der Bank um rund 2 Mrd € zu verbessern und damit die Substanz des Unternehmens zu stärken. Strategisch waren wir erfolgreich, weil wir die Stabilisierung der Bank abschließen und ihre Transformation hin zu einer Kundenbank vorantreiben konnten. Dabei haben sich Ausmaß und Intensität unserer Zusammenarbeit mit den Sparkassen in Nordrhein-Westfalen messbar verdoppelt. Die in der zweiten Jahreshälfte eingeleitete Neuausrichtung des Investment Bankings hat bereits jetzt den Anteil des kunden- und provisionsgetriebenen Geschäfts deutlich nach oben gezogen. Die Last des jahrzehntelang währenden Beihilfeverfahrens mit der EU-Kommission haben wir abgeschüttelt und in allen offenen Fragen mit Brüssel Lösungen im Konsens erreicht. Dazu hat wesentlich beigetragen, dass wir beim Ausbau unserer Kapitalausstattung und Refinanzierung auch durch die Einbeziehung privater Investoren nachgewiesen haben, im fairen Wettbewerb bestehen zu können. Die WestLB hat 2005 ihren Market Investor-Test erfolgreich bestanden. Wir sind uns trotz aller Erfolge 2005 bewusst, dass die WestLB noch keine Bank im eingeschwungenen Zustand, sondern ein Unternehmen mitten in der Transformation ist. Gerade deshalb war es für uns wichtig, in den vergangenen Monaten die Weichen für eine nachhaltige Verbesserung unserer Rentabilität und Wachstumsfähigkeit zu stellen. Die Rückkehr in das Private Banking-Geschäft in Deutschland unter der Marke Weberbank und unsere strategischen Partnerschaften mit dem international führenden Asset Manager Mellon, der DekaBank, mit PAYBACK sowie der Sachsen LB und der Sachsen-Finanzgruppe eröffnen neue Ertragschancen. Beim Aufwand haben wir mit dem Programm Lean Bank die nötigen Maßnahmen eingeleitet, um unsere Kostenstrukturen und Prozesse bis spätestens 2008 denen unserer Wettbewerber anzugleichen. Mit dem Titel dieses Geschäftsberichts nimmt die WestLB für sich in Anspruch, im Geschäftsjahr 2005 neue, sinnvolle und zielführende Antworten gegeben zu haben. Antworten auf Fragen unserer Kunden und unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die folglich in diesem Geschäftsbericht zu Wort kommen. Es ist meine feste Überzeugung, dass nicht nur die WestLB, sondern die Finanzdienstleister allgemein nur dann dauerhaft am Markt Erfolg haben werden, wenn sich ihr geschäftliches Handeln vorrangig am Interesse des Kunden orientiert. Gleichzeitig müssen wir unsere Investitionen im Unternehmen so ausrichten, dass sie vor allem den wichtigen Faktor stärken, mit dem wir uns unverwechselbar machen können: das Know-how und die Leistungsbereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einsatz, Können und Loyalität unserer Belegschaft waren 2005 entscheidende Voraussetzungen dafür, dass die WestLB die Premiere ihres neuen Geschäftsmodells erfolgreich absolviert hat. Dafür bedanke ich mich auch im Namen meiner Vorstandskollegen und beziehe in diesen Dank die gewählten Interessenvertreter der Belegschaft ausdrücklich mit ein. Die WestLB hat 2005 das Qualifikationsprofil ihres Personals gezielt den Erfordernissen des neuen Geschäftsmodells angepasst – durch Training, Umbesetzungen und auch externe Verstärkungen. Gleichzeitig haben wir die Zahl der Stellen im Konzern planmäßig weiter reduziert. Dass uns dies im Einvernehmen und ohne betriebsbedingte Kündigungen gelungen ist, spiegelt einen Teil des Selbstverständnisses der WestLB als verantwortungsbewusster Corporate Citizen wider. Die uns gestellten Fragen nach der gesellschaftlichen Rolle der WestLB gehen allerdings weit über die Entwicklung des Personalstands hinaus. Dieser Geschäftsbericht gibt auch hier Antworten und beschreibt das Engagement der Bank für Bildung, Spitzenkultur, Nachwuchsförderung, Sport und nachhaltiges Wirtschaften. Wir sind davon überzeugt, dass verantwortungsbewusstes Verhalten seinen stärksten Anker immer im Unternehmen haben muss. Deshalb hat sich die WestLB mit Wirkung vom 1. Januar 2006 freiwillig dem Deutschen Corporate Governance Kodex unterworfen. Dass Sie, sehr geehrte Geschäftsfreunde, unser geschäftliches und gesellschaftliches Handeln 2005 mit Sympathie begleitet haben, war für unsere Arbeit ein großer Gewinn. Lassen Sie uns auch weiterhin zum beiderseitigen Nutzen gemeinsam am Erfolg der WestLB arbeiten. Ihr Dr. Thomas R. Fischer Vorsitzender des Vorstandes 7
8 Anstoß Professor Dr. Stephan Paul, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum Warmmachen Was Fußball ebenso wie andere Sportarten so interessant macht, sind ja die „Sensationen“: das „Wunder von Bern“, die krassen Außenseitersiege der Kellerkinder gegen den Tabellenführer. Glücklicherweise lässt sich ein Spiel nicht im Voraus berechnen. Wie ist die Tagesform der Spieler? Wer kommt mit den Platzverhältnissen am besten zurecht? Wer wird durch die Fans auf der Tribüne am besten motiviert? Fußball lebt von der Vielfalt spielerischer Varianten; immer wieder muss man sich auf die andere Umgebung und den Gegner neu einstellen. Kann es da überhaupt die „richtige“ Taktik geben? Die deutsche Weltmeister-Mannschaft von 1954 oder auch die griechische Europameister-Mannschaft 2004 wurden von ihren Trainern besonders straff geführt, verfolgten nahezu „blind“ die im Training zuvor immer wieder eingeübten Spielzüge. Dagegen gab der Trainer der argentinischen Weltmeister-Mannschaft von 1978 und Fußballphilosoph, César Luis Menotti, nach seinem Spielsystem befragt zu Protokoll: „Mein System ist, dass ich kein System spielen lasse.“ Nur vordergründig kann darin ein Plädoyer für mehr oder weniger chaotisches Durchwursteln gesehen werden. Vielmehr verkörperte Menotti ein anderes Strategieverständnis: Seine Mannschaften besaßen stets eine klar definierte, offensive Grundorientierung auf der Basis der im Training hart eingeübten technischen Fähigkeiten. Den Spielern vermittelte Menotti darüber hinaus aber vor allem Flexibilität, mit den komplexen Herausforderungen des jeweiligen Spiels möglichst selbstständig umgehen, sich unter Nutzung ihrer Kreativitätspotenziale individuell auf den Gegner einstellen zu können. Die Kombination aus „strategischen Leitplanken“ und Anpassungsfähigkeit machte die Mannschaft Argentiniens über die gesamten 1980er-/1990er-Jahre bis heute zu eine der weltweit erfolgreichsten. An Komplexität deutlich zugenommen hat in den letzten Jahren auch die Finanzwelt, bei ihrer Bewältigung kann das Banking vom Fußball lernen. Seitenwahl Kreditinstitute können sich den Trends nicht entziehen, die zuvor schon für Umbrüche in anderen Branchen gesorgt haben. Stichworte sind hier die immer weiter fortschreitende internationale Vernetzung (Globalisierung) mit völlig neuen Konkurrenzverhältnissen oder die technische Revolution durch das Internet. Und auch die staatliche Aufsicht über den Bankenapparat steht durch das Regulierungspaket „Basel II“ ab 2007 vor einer radikalen Veränderung. Auch für die Kunden der Kreditinstitute verschärfen sich bereits seit langem virulente Probleme und zeigen sich zudem neue Herausforderungen mit Blick auf den Finanzbedarf. Gerade für den Mittelstand erweist sich die seit Jahrzehnten thematisierte – aber eben nicht beseitigte – „Eigenkapitallücke“ als Achillesferse bei der immer stärker standardisierten Bonitätsprüfung der Banken im Rahmen des Ratings. Hinzu kommt lange aufgestauter Nachholbedarf im Bereich der kaufmännischen Infrastruktur. Viele Mittelständler sind in den Bereichen Entwicklung, Produktion und Verkauf wesentlich kenntnisreicher und innovativer als im Finanz- und Rechnungswesen. Großunternehmen erweisen sich hier als in der Regel besser aufgestellt, müssen indes auch deutlich höheren Anforderungen der Kapitalmärkte gerecht werden, auf denen die internationalen Rechnungslegungs- und Publizitätsstandards die Spielregeln darstellen. Dies ermöglicht ihnen dann aber auch den Einsatz immer komplexerer, zumeist in Wertpapierform gekleideter Finanzierungskonstruktionen („Securitization“) zur Senkung ihrer Kapitalkosten. Reichen Kondition und Spielanlage der deutschen Kreditinstitute, ihre Kunden bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen? Dem Abstieg ist die Branche nach der schwersten Krise der Nachkriegszeit entronnen, doch die „Laktatwerte“ deuten darauf hin, dass die Fitness noch deutlich verbessert werden muss. Für die deutschen Banken ist mit einer branchendurchschnittlichen Eigenkapitalrendite von circa 6% nach Steuern die Champions League in weite Ferne gerückt. Dabei nimmt zwar der Sparkassensektor noch eine führende Stellung ein, doch auch für ihn haben sich nach Wegfall der kommunalen Haftung Mitte 2005 die Spielregeln geändert. Nun könnte man es sich im wahrsten Sinne des Wortes einfach machen – so wie die derzeit an der Spitze der Bestsellerlisten rangierende Management-Literatur: „Simplify!“ ist Trumpf, Wege zur „Komplexitätsreduktion“ werden aufgezeigt (und in Seminaren hochpreisig vermarktet). Natürlich ist es verlockend, „Patentrezepten“, „Musterstrategien“ oder „Königswegen“ zur „Problemverschlankung“ und „Ausblendung von Vielfalt“ zu folgen, sich also auf die Seite der Vereinfacher zu schlagen. Doch machen wir uns nichts vor: Einfache Problemlösungen gibt es weder für die Kreditinstitute selbst noch für ihre Kunden. Die Komplexität durch die genannten Herausforderungen ist nicht wirklich zu beseitigen, sie wird in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen. Das schablonenhafte Voranschreiten auf bewährten Wegen kann deshalb nur zu marginalen Verbesserungen führen. Viele Kreditinstitute leiden nämlich nicht nur unter Verletzungspech oder einer „von selbst“ (beim nächsten Konjunkturaufschwung) vorübergehenden Formkrise. Dringend notwendig ist strategische Differenzierung anstelle eines in weiten Teilen der Bankbranche noch immer vorherrschenden konformen Kostenmanagements. „Die“ richtige Strategie existiert nicht, eine individuelle Profilierung im Markt zur nachhaltigen Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ist indes unerlässlich. 9
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