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s - Physikalisches Institut Universität Bonn

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. .<br />

UNIVERSIT AT BONN<br />

<strong>Physikalisches</strong> <strong>Institut</strong><br />

50 Jahre Experimente zur Teilchenphysik<br />

am Physikalischen <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Bonn</strong><br />

Post address:<br />

Nussallee 12<br />

53115 <strong>Bonn</strong><br />

Germany<br />

Ein Zeitzeuge erinnert sich<br />

Ewald Paul<br />

<strong>Physikalisches</strong> <strong>Institut</strong><br />

<strong>Universität</strong> <strong>Bonn</strong><br />

BONN-MS-2007-02<br />

<strong>Bonn</strong> University<br />

September 2007<br />

ISSN-0172-8741


50 Jahre Experimente zur Teilchenphysik<br />

am Physikalischen <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Bonn</strong> ⋆<br />

Ein Zeitzeuge erinnert sich ⋆⋆<br />

Ewald Paul<br />

<strong>Physikalisches</strong> <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong> <strong>Bonn</strong><br />

paul@physik.uni-bonn.de<br />

Das Physikalische <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong> <strong>Bonn</strong> gehört weltweit zu den ersten<br />

Plätzen, an denen die Teilchenphysik in Forschung und Lehre Einzug<br />

gehalten hat. Seit nunmehr fünfzig Jahren wird an vor Ort gebauten Teilchenbeschleunigern<br />

erfolgreich experimentiert. Seit Anbeginn gibt es in <strong>Bonn</strong><br />

ein etwa gleich starkes Engagement an externen Experimenten, vor allem in<br />

den internationalen Forschungszentren CERN in Genf und DESY in Hamburg.<br />

Die Entwicklung von Teilchenbeschleunigern mit starker Fokussierung wurde<br />

in Europa etwa zeitgleich am CERN und im Physikalischen <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong><br />

<strong>Bonn</strong> aufgenommen. Sie ist eng mit einem großen Namen verbunden:<br />

Wolfgang Paul, Nobelpreisträger für Physik (s. Abb. 1). Nach seiner Berufung<br />

auf eine Professur für Physik in <strong>Bonn</strong> im Jahre 1952 hat Paul die Entwicklung<br />

von Beschleunigern und Experimenten an Beschleunigern, neben seinem<br />

Engagement auf vielen weiteren Gebieten der Physik und Wissenschaft [1–3],<br />

zu seiner Sache gemacht. Über die rund 40 Jahre seines Wirkens hat er die<br />

Teilchenphysik in <strong>Bonn</strong>, aber auch am CERN und bei DESY, kontinuierlich<br />

gefördert.<br />

Die Idee brachte Paul von einem Aufenthalt in den USA mit, als er in einem<br />

Vortrag von Werner Heisenberg erfuhr, dass mit einer neuen Technologie<br />

der Teilchenfokussierung in Magnetfeldern, der sog. starken Fokussierung, geladene<br />

Teilchen in ringförmigen Teilchenbeschleunigern - anders als bei der<br />

vorher entwickelten schwachen Fokussierung - bei kleinem Strahlquerschnitt<br />

beschleunigt werden können. Die Teilchenstrahlen werden durch Magnete mit<br />

⋆ Stand am 31.12.2006<br />

⋆⋆ Online: http://pi.physik.uni-bonn.de


<strong>Bonn</strong><br />

Abbildung 1. Wolfgang Paul 1913-1993.<br />

alternierenden Feldgradienten auf ihrer Bahn gehalten [4], die bei weniger<br />

Größe und Gewicht auch geringere Betriebskosten verursachen.<br />

Ein erster Beschleuniger dieser Art für Elektronen wurde in den USA an der<br />

Cornell University gebaut und 1954 in Betrieb genommen. In Europa wurden<br />

zwei Beschleuniger nach diesem Konzept gebaut. In <strong>Bonn</strong> entstand der<br />

weltweit zweite Beschleuniger dieser Art, wieder für Elektronen, mit einer<br />

Elektronen-Endenergie von 500 MeV. Am CERN in Genf entstand der seinerzeit<br />

größte Ringbeschleuniger für Protonen, das Protonensynchrotron (PS),<br />

mit einer Endenergie von 28 GeV. Eine ähnliche Maschine wurde am Brookhaven<br />

National Laboratory (USA) gebaut.<br />

Paul hatte bereits während seiner Göttinger Zeit Erfahrungen mit Methoden<br />

der Teilchenfokussierung durch Quadrupol- und Sextupollinsen gesammelt.<br />

Darauf aufbauend konzipierte er in <strong>Bonn</strong> neben einem Massenfilter und einer<br />

Ionenfalle, die ihm später den Nobelpreis einbrachte, auch das Elektronensynchrotron.<br />

Paul hatte die Entwicklung von Teilchenbeschleunigern zunächst<br />

auch nach anderen Konzepten verfolgt und ein Plasmabetatron gebaut [5].<br />

Abbildung 2 zeigt den Aufbau des 500 MeV- Synchrotrons, einen aus neun Magneten<br />

und sechs Topfkreis-Resonatoren gebildeten Ring von 5,30 m Durchmesser<br />

[6]. Das Elektronensynchrotron wurde von Mitarbeitern im Physikalischen<br />

<strong>Institut</strong> <strong>Bonn</strong> unter Leitung von Paul geplant und gebaut. Die Maschi-<br />

2


Abbildung 2. Das 500 MeV-Synchrotron in <strong>Bonn</strong>.<br />

Abbildung 3. Messung des Wirkungsquerschnitts der Photoproduktion von π + im<br />

Bereich der ersten Resonanz am 500 MeV-Synchrotron in <strong>Bonn</strong> [7].<br />

3


Abbildung 4. Das 500 MeV-Synchrotron im Deutschen Museum in <strong>Bonn</strong>.<br />

ne entstand als beispiellose Pionierleistung unter Verantwortung 1 von K.-H.<br />

Althoff, E. Bodenstedt, H. Ehrenberg, G. Knop, A. Minten, H. Steinwedel,<br />

H. Winkler und K. Ziock, im wesentlichen durch die betreuten Arbeiten von<br />

Diplomanden und Doktoranden.<br />

Ende 1954 wurde mit der Vorbereitung von Experimenten am 500 MeV-Synchrotron<br />

angefangen. Damit begann in <strong>Bonn</strong> die Pionierzeit der Entwicklung<br />

von Teilchendetektoren. Mitte der 50-er Jahre wurde fast ausschließlich mit<br />

nur zwei Detektortypen experimentiert: Szintillationszählern und Blasenkammern.<br />

Paul ließ ein kleines Modell einer Blasenkammer bauen und testen.<br />

Einer der Doktoranden aus der <strong>Bonn</strong>er Experimentierschule (G. Horlitz) war<br />

später am Bau der 85 cm-Blasenkammer bei DESY in Hamburg verantwortlich<br />

beteiligt (siehe unten). Bei Szintillationszählern, aber auch auf vielen anderen<br />

Gebieten der Detektorentwicklung, wie z.B. bei Bildverstärkern, Cherenkovzählern<br />

oder Funkenkammern und deren Auslese durch Prozessrechner,<br />

wurde erfolgreiche Entwicklungsarbeit geleistet, die auch frühen Experimenten<br />

in den Forschungszentren CERN und DESY zugute kam. Die Detektoren<br />

für die Experimente an der 500 MeV-Maschine wurden in Diplom- und Doktorarbeiten<br />

in Zusammenarbeit mit den gut funktionierenden Werkstätten in<br />

<strong>Bonn</strong> entwickelt und gebaut. Zahlreiche Veröffentlichungen zeugen von den<br />

1 Namensnennungen werden in alphabetischer Reihenfolge angegeben. Sie sagen<br />

nichts darüber aus, wer welche Beiträge zu verantworten hat.<br />

4


vielseitigen technologischen Erfolgen in dieser Zeit.<br />

Das 500 MeV-Synchrotron ging 1958 in Betrieb und wurde von 1959 bis 1984 in<br />

insgesamt ca. 100000 Betriebsstunden für Teilchenstreuexperimente genutzt,<br />

in manchen Jahren an ∼8000 Stunden. Die Ergebnisse auf dem Gebiet der<br />

Ein-Pion-Photoproduktion im Bereich der ersten Resonanz waren lange Zeit<br />

richtungsweisend. Parallel durchgeführte Messungen der Wirkungsquerschnitte<br />

für die Erzeugung von π + und π 0 am Proton bei Photonenergien um 300<br />

MeV erlaubten u.a. bereits detaillierte Untersuchungen der ersten Nukleonresonanz<br />

bzgl. Isospin und Produktionsmechanismus bis hin zu Vergleichen<br />

mit theoretischen Rechnungen (K.-H. Althoff, H. M. Fischer, G. Knop, W.<br />

Paul, R. Wedemeyer). Abbildung 3 zeigt am Beispiel eines Experimentes zur<br />

π + -Produktion, welche hohe Messgenauigkeit schon damals erreicht wurde [7].<br />

In anderen Experimenten wurde die Rückstoßpolarisation der Protonen untersucht<br />

( K.-H. Althoff, H. Piel).<br />

Weitere Experimente wurden durchgeführt, um die Comptonstreuung, die<br />

Photospaltung des Deuterons und photoninduzierte Reaktionen an Kernen<br />

zu untersuchen ( B. Mecking, G. Nöldeke, W. Paul, R. Wedemeyer).<br />

Das 500 MeV-Synchrotron war eine im gesamten experimentellen Bereich,<br />

vom Beschleuniger- und Detektorbau bis hin zu den Datenanlysen der durchgeführten<br />

Streuexperimente, sehr erfolgreiche Maschine [8]. Insgesamt wurden<br />

89 Diplom-, 44 Doktorarbeiten und 5 Habilationsschriften angefertigt. Die<br />

physikalischen Ergebnisse sind in 46 Artikeln veröffentlicht worden. Eine beeindruckende<br />

Zahl der Absolventen wurde Hochschullehrer oder gelangte auf<br />

leitende Positionen in Forschungszentren 2 .<br />

Auf Initiative von K.-H. Althoff wurde das 500 MeV-Synchrotron 1995 als<br />

erster europäischer Beschleuniger mit starker Fokussierung in das Deutschen<br />

Museum in <strong>Bonn</strong> gebracht und dort in Teilen wieder aufgebaut. Es findet<br />

seitdem bei den Besuchern viel Aufmerksamkeit. Abbildung 4 zeigt Althoff<br />

mit Schülern im Museum am 500 MeV-Synchrotron.<br />

Die Teilchenphysik in <strong>Bonn</strong> stand seit den Anfängen in regem Austausch mit CERN<br />

CERN. Teilchenphysiker, die ihr Handwerk am Physikalischen <strong>Institut</strong> <strong>Bonn</strong><br />

gelernt hatten, waren schon am Bau des 28 GeV-Protonensynchrotrons (PS)<br />

und an den ersten Streuexperimenten beim CERN beteiligt. Bis heute gehen<br />

gut ausgebildete Mitarbeiter des Physikalischen <strong>Institut</strong>s <strong>Bonn</strong> als Fellows<br />

oder Staff-Angestellte zum CERN.<br />

Zu Beginn der Sechziger Jahre begann beim CERN die 20-jährige Epoche der<br />

Physik mit Blasenkammern. Am Physikalischen <strong>Institut</strong> <strong>Bonn</strong> entstand nun<br />

2 H. G. Fischer, D. Freytag, O. Gildemeister, E. Hilger, K.-H. Kissler, R. Kose, K.<br />

Lübelsmeyer, B. Mecking, H. Piel, T. Reichelt, D. Schmitz, M. Tonutti.<br />

5


eine zweite Arbeitsgruppe für Teilchenphysik, die sich über die Aufnahme<br />

und Auswertung von Blasenkammerbildern an CERN-Experimenten beteiligte.<br />

Abbildung 5 zeigt als Beispiel die Aufnahme eines seltenen Ereignisses:<br />

die Streuung eines negativ geladenen Kaons, das als Strahlteilchen von unten<br />

einläuft, an einem Wasserstoffkern in der Kammer, bei dem ein Ω − erzeugt<br />

wird, das kaskadenartig zerfällt.<br />

Abbildung 5. Blasenkammerbild, aufgenommem mit der CERN-2m-Kammer [9].<br />

Um die Ereignisse auszuwerten, mussten sie auf den Filmen gemustert und vermessen<br />

werden. Solche Auswertungen an Filmen konnte man natürlich relativ<br />

problemlos auch außerhalb des CERN in den <strong>Institut</strong>en der Mitgliedsstaaten<br />

vornehmen. So wurden, parallel an vielen <strong>Institut</strong>en und Forschungszentren,<br />

Scan-Tische zur Musterung der Filme und Messmaschinen zur Vermessung<br />

der Ereignisse auf den Filmen gebaut, sowie die Software zur Rekonstruktion<br />

der Ereignisse entwickelt. In Deutschland waren die ersten die Physikalischen<br />

<strong>Institut</strong>e in Aachen, <strong>Bonn</strong>, Hamburg, Heidelberg und München. Über die Blasenkammerauswertung<br />

gab es in den 60-er Jahren die ersten internationalen<br />

Kollaborationen am CERN. Sie blieben nicht auf die Mitgliedsstaaten beschränkt.<br />

Es gab bereits in den 60-er Jahren Kollaborationen mit <strong>Institut</strong>en<br />

im damaligen Ostblock. Damit wurde eines der kulturellen Ziele des CERN, die<br />

Völkerverständigung durch gemeinsame Forschung zu fördern, fast unbemerkt<br />

von der Politik, schon lange vor Beendigung des Kalten Krieges realisiert.<br />

Blasenkammerexperimente hatten zu ihrer Zeit ein hohes Entdeckungspotential<br />

auf verschiedenen Gebieten der Physik der kleinsten Teilchen. Die meisten<br />

6


Entdeckungen wurden zunächst auf dem Gebiet der starken Wechselwirkung<br />

gemacht, wobei Experimente an Wasserstoffblasenkammern im Vordergrund<br />

standen. In Experimenten mit Pionen-, Kaonen- und Protonenstrahlen wurde<br />

ein ganzer Zoo von instabilen hadronischen Zuständen entdeckt, der sich in<br />

geradezu verblüffender Zuverlässigkeit in die von Gell-Mann und Zweig vorhergesagten<br />

SU(3)-Multipletts für leichte Flavor einordnen ließ und damit eine<br />

der fundamentalen Symmetrien der starken Wechselwirkung verifizierte.<br />

<strong>Bonn</strong> war über die ganze Epoche an Wasserstoff-Blasenkammer-Experimenten<br />

beteiligt, zunächst mit hadronischen Streuungen an Protonen in der 81 cm-<br />

Kammer und in der 2 m-Kammer, und schließlich mit Proton- und Neutrinostreuungen<br />

an Wasserstoff in der Big European Bubble Chamber BEBC<br />

(K. Böckmann, H. H. Nagel, B. Nellen, W.Paul mit Diplomanden und Doktoranden<br />

3 ). Darüberhinaus hat sich die <strong>Bonn</strong>er Blasenkammergruppe in den<br />

frühen 80-er Jahren an einem Streamerkammerexperiment (UA5) beteiligt,<br />

das an dem gerade am CERN in Betrieb genommenen Proton-Antiproton-<br />

Speicherring einen frühzeitigen Überblick über die sehr komplexen hadronischen<br />

Endzustände bei den erstmalig erreichten hohen Schwerpunktsenergien<br />

(mit Strahlenergien der Protonen und Antiprotonen von bis zu 450 GeV) geliefert<br />

hat [10].<br />

Im Jahre 1964 wurde der erste Elektronenbeschleuniger in Hamburg, das Deut- DESY<br />

sche Elektronensynchrotron DESY, mit einer Endenergie von 6 GeV fertiggestellt.<br />

Schon bei Bau und Betrieb des DESY-Synchrotrons haben am <strong>Bonn</strong>er<br />

Synchrotron ausgebildete Physiker in vielfältiger Weise ihre Erfahrungen<br />

eingebracht. Es war natürlich sehr attraktiv, am DESY-Synchrotron in dem<br />

gegenüber der <strong>Bonn</strong>er Maschine höheren Energiebereich mit Photonen- und<br />

Elektronenstrahlen zu experimentieren. In der frühen Phase kam eine mit<br />

<strong>Bonn</strong>er Expertise (G. Horlitz) gebaute 85 cm-Blasenkammer am Beschleuniger<br />

DESY zum Einsatz, an der die Blasenkammergruppe in <strong>Bonn</strong> einige Jahre<br />

lang mit Experimenten zur Photoproduktion hadronischer Endzustände an<br />

Wasserstoff und Deuterium beteiligt war. Parallel dazu beteiligten sich <strong>Bonn</strong>er<br />

Physiker an Zählerexperimenten mit Photonstrahlen auf externe Targets<br />

(K. Lübelsmeyer, D. Schmitz). Dabei war es hilfreich, dass junge Physiker ihre<br />

am <strong>Bonn</strong>er 500 MeV-Synchrotron erworbenen Erfahreungen im Detektorbau<br />

und bei der Durchführung von Experimenten nach Hamburg exportiert haben<br />

4 . In ersten Experimenten wurde der differentielle Wirkungsquerschnitt<br />

für die Photoproduktion von neutralen Pionen am Proton in Vorwärtsrichtung<br />

im Energiebereich bis 5,8 GeV gemessen. Der Nachweis der π 0 -Mesonen<br />

erfolgte über die Messung der Zerfallsphotonen mit Hilfe von zwei totalabsor-<br />

3 Die Absolventen S. Brandt, H. Drevermann, J. Moebes, Th. Müller, E. Paul,<br />

H. Plothow und W. Tejessy wurden Hochschullehrer bzw. leitende Mitarbeiter am<br />

CERN.<br />

4 Die Absolventen W. Braunschweig und D. Husmann wurden Hochschullehrer.<br />

7


<strong>Bonn</strong><br />

bierenden Cerenkov-Zählern [11]. Parallel dazu wurde, in Kollaboration mit<br />

Pisa und Rom, die Lebensdauer des η-Mesons über den Primakoff-Effekt mit<br />

hoher Genauigkeit gemessen. In den 70-er Jahren hat <strong>Bonn</strong> über eine Beteiligung<br />

am BONANZA-Detektor am ersten Hamburger e + e − - Speicherring<br />

DORIS experimentiert (G. Nöldeke, M. Tonutti).<br />

Abbildung 6. Das 2,5 GeV-Synchrotron in <strong>Bonn</strong>.<br />

In <strong>Bonn</strong> wurde ein zweites, größeres Elektronensynchrotron mit einer Endenergie<br />

von bis zu 2,5 GeV gebaut [12], das seit 1967 in Betrieb ist (K.-H. Althoff,<br />

J. Drees, A. Febel, G. Knop, W. Paul, H. E. Stier). Die Elektronen werden auf<br />

einem Ring von 22,20 m Durchmesser, bestückt mit zwölf combined-function<br />

Ablenkmagneten und Sextupolkomponenten zur Korrektur auf chromatische<br />

Effekte in den fokussierenden und defokussierenden Sektoren, beschleunigt<br />

(Abb. 6).<br />

Hiermit begann in <strong>Bonn</strong> eine neue Ära von Teilchenstreuexperimenten an externen<br />

Photonen- und Elektronenstrahlen. Die Schwerpunkte des Forschungsprogramms<br />

lagen auf der Erzeugung von Mesonen in Photo- und Elektroproduktion<br />

in dem gegenüber dem 500 MeV-Synchrotron erweiterten Energiebereich<br />

der Nukleonresonanzen, sowie der Messung von Formfaktoren an Protonund<br />

Deuterontargets [13].<br />

Das an der 500 MeV-Maschine bereits begonnene Experimentierprogramm<br />

zur Ein-Pion-Photoproduktion mit Bremsstrahlungsphotonen wurde an der<br />

2,5 GeV-Maschine fortgesetzt, nun mit polarisierten Targets, und dadurch auf<br />

8


Abbildung 7. Wirkungsquerschnitte der π 0 -Photoproduktion in Rückwärtsrichtung<br />

in Abhängigkeit von der Virtualität des Photons |q 2 | für verschiedene Schwerpunktsenergien<br />

und Impulsüberträge. Durchgezogene Linie: ρ-Pole-Formfaktor [14].<br />

wichtige Polarisationsvariable erweitert (K.-H. Althoff, P. Brinkmann, H. M.<br />

Fischer, W. J. Schwille, R. Wedemeyer). An der 2,5 GeV-Maschine wurden die<br />

weltweit ersten Messungen an polarisierten Neutronen durchgeführt. Die dafür<br />

benötigten polarisierten Targets sind <strong>Bonn</strong>er Entwicklungen (siehe unten).<br />

In weiteren Photoproduktionsexperimenten wurden die Comptonstreuung gemessen<br />

(M. Jung, R. Wedemeyer) und die nun zugängige schwellennahe Erzeugung<br />

von Hyperonen, Kaonen, η-Mesonen und leichten Vektormesonen untersucht<br />

(D. Husmann, R. Kose, G. Nöldeke, W. Paul, T. Reichelt, W. J.<br />

Schwille).<br />

Die Ein-Pion-Photoproduktion wurde durch die Elektroproduktion auf virtuelle<br />

Photonen erweitert (J. Drees, G. Knop, K. Heinloth, H. E. Stier). Abbildung<br />

7 zeigt eines der Ergebnisse: Der Wirkungsquerschnitt für die Elektroproduktion<br />

von neutralen Pionen in Rückwärtsrichtung geht nicht stetig in den<br />

der π 0 -Photoproduktion über, wenn die Virtualität des Photons (|q 2 |) gegen<br />

Null geht [14]. Im vorliegenden Experiment wurde die Elektroproduktion von<br />

π 0 erstmals für extrem kleine Werten von |q 2 | und große Nukleon-Rückstoßimpulse<br />

gemessen. Während die |q 2 |-Abhängigkeit des Wirkungsquerschnitts von<br />

den reellen zu den virtuelle Photonen im Bereich der dritten Nukleonresonanz,<br />

bei W=1540 MeV, durch den ρ-Pol-Formfaktor beschrieben wird (linke Abbil-<br />

9


dung), geht das einheitliche Bild im Bereich der höheren Nukleonresonanzen,<br />

bei W=1700 bis 1900 MeV, verloren: Die Wirkungsquerschnitte mit virtuellen<br />

Photonen sind signifikant kleiner als es dem Verlauf des ρ-Formfaktors entspräche<br />

(mittlere Abbildungen). Die Unterschiede werden mit zunehmender<br />

Schwerpunktsenergie größer (rechte Abbildung). Daraus konnte man schließen,<br />

dass sich der Produktionsmechanismus für die π 0 -Elektroproduktion schon für<br />

extrem kleine Photon-Virtualität von dem der π 0 -Photoproduktion im Energiebereich<br />

der Nukleonresonanzen zu unterscheiden beginnt.<br />

Formfaktoren wurden durch elastische Elektronenstreuung an Proton und<br />

Deuteron-Targets gemessen. Die ersten erfolgreichen Messungen am Proton<br />

wurden bereits in den 60-er Jahren durchgeführt (G. Knop). Das Messprogramm<br />

wurde mit polarisierten Targets fortgesetzt (K.-H. Althoff, W. Meyer).<br />

In den 80-er Jahren wurden durch Messungen an einem tensor-polarisierten<br />

Deuterium-Target die drei Formfaktoren des Deuterons separat bestimmt [15].<br />

Fast zeitgleich mit dem Bau des 2,5 GeV-Synchrotrons war in <strong>Bonn</strong> eine bis<br />

heute sehr erfolgreiche Arbeitsgruppe für die Entwicklung und den Bau von<br />

polarisierten Targets aufgebaut worden (K.-H. Althoff, H. Dutz, S. Goertz,<br />

W. Meyer). Die in <strong>Bonn</strong> entwickelten NH3- und ND3-Targets kamen weltweit<br />

zum Einsatz, so auch im SMC-Experiment am CERN zur Messung polarisationsabhängiger<br />

Strukturfunktionen des Nukleons. Auf dem Gebiet der<br />

frozen spin-Targets wurde in den 90-er Jahren in <strong>Bonn</strong> eine interne Haltespule<br />

entwickelt [16], die es erstmals ermöglichte, Streuexperimente an Targets<br />

mit longitudinaler Spin-Ausrichtung in Detektoren mit großer Raumwinkelakzeptanz<br />

durchzuführen. Eine solche Haltespule wurde Ende der 90-er Jahre<br />

im GDH-Experiment an den Beschleunigern MAMI in Mainz und ELSA in<br />

<strong>Bonn</strong> (siehe unten) erfolgreich eingesetzt. Ein zunächst in <strong>Bonn</strong> entwickeltes<br />

Lithium-Deuterid-Target kommt im COMPASS-Experiment am CERN (siehe<br />

unten) in tief inelastischer Lepton-Nukleon-Streuung zum Einsatz. Das erweiterte<br />

CB-ELSA/TAPS-Experiment in <strong>Bonn</strong> (siehe unten) arbeitet mit einem<br />

polarisierten Butanol-Target, das eine gute Polarisationsresistenz gegenüber<br />

Strahlungsschäden besitzt.<br />

Die einzelnen Projekte am 2,5 GeV-Synchrotron, d.h. Bau und Betrieb des<br />

Synchrotrons, Entwicklung und Bau der Detektorkomponenten, einschließlich<br />

der polarisierten Targets, Aufbau der Experimente und deren Durchführung<br />

wurden wie schon an der 500 MeV-Maschine im Wesentlichen erst durch<br />

die Arbeiten von Diplomanden und Doktoranden des Physikalischen <strong>Institut</strong>s<br />

möglich 5 .<br />

5 Eine große Zahl der Absolventen wurde Hochschullehrer oder ging auf verantwortliche<br />

Positionen in Forschungszentren: G. Anton, K.-H. Becks, C. H. Berger,<br />

R. Brockmann, V. Burkert, H. Herr, M. Jung, K. Koenigsmann, H. Kolanoski, B.<br />

Langenbeck, M. Leenen, B. Löhr, W. Meyer, K. Rith, W. J. Schwille, D. Trines, U.<br />

Trinks, H. Wahlen, W. Wallraff, E. Weiße.<br />

10


In den frühen 70-er Jahren war mit dem OMEGA-Spektrometer beim CERN CERN<br />

ein Mehrteilchendetektor entwickelt worden, mit dem ähnlich wie mit Blasenkammern<br />

komplexe Ereignistopologien im vollen Raumwinkel gemessen werden<br />

konnten, nun aber unter wesentlich besseren experimentellen Bedingungen.<br />

Dank der elektronischen Auslese der Messdaten konnte auf interessante<br />

Ereignisse getriggert und die Rekonstruktion der Ereignisse statt über die Vermessung<br />

von Filmen über die rechnergesteuerte Auswertung von Driftkammerdaten<br />

vorgenommen werden. Detektorkomponenten zu Triggerzwecken, für<br />

Teilchenidentifikation und elektromagnetische Kalorimetrie wurden von den<br />

an OMEGA-Experimenten beteiligten externen <strong>Institut</strong>en gebaut.<br />

<strong>Bonn</strong> war ein Jahrzehnt lang in internationalen Kollaborationen an Experimenten<br />

mit dem OMEGA-Spektrometer beteiligt (K. Heinloth, M. Jung, E.<br />

Paul mit Diplomanden und Doktoranden 6 ). Mit den beim CERN verfügbaren<br />

Energien war es nun möglich, die in <strong>Bonn</strong> und bei DESY untersuchte Physik<br />

zur Photoproduktion zu höheren Energien hin fortzusetzen. Für die Photoproduktionsexperimente<br />

am OMEGA-Spektrometer wurde in <strong>Bonn</strong> u.a. einer<br />

der weltweit ersten Übergangsstrahlungsdetektoren zur Trennung von Pionen,<br />

Kaonen und Protonen entwickelt, gebaut und erfolgreich eingesetzt. Ein<br />

herausragendes Ergebnis, das im Experiment WA69 der OMEGA-PHOTON-<br />

Kollaboration unter <strong>Bonn</strong>er Federführung erarbeitet wurde, war der Nachweis,<br />

dass es für die Beschreibung der Photoproduktion von Hadronen in harten Prozessen<br />

nicht genügt, das Photon als Quelle von Vektormesonen zu betrachten,<br />

sondern dass, mit zunehmender Härte der Streuung, das Photon auch durch<br />

eine direkte (elektromagnetische) Kopplung an die Quarks im Proton mehr<br />

und mehr zum γp-Wikungsquerschnitt beiträgt [17]. Abbildung 8 zeigt den<br />

Wirkungsquerschnitt der inklusiven Ein-Teilchen-Photoproduktion als Funktion<br />

des Transversalimpulses (Maß für die Härte der Streuung) im Vergleich<br />

mit einer Kombination von im gleichen Experiment gemessenen Pion- und<br />

Kaon-induzierten Wirkungsschnitten, mit denen nach Maßgabe des Vektor-<br />

Dominanz-Modells das Photon als Quelle von Vektormesonen approximiert<br />

wird. Bei kleinen Transversalimpulsen ist das Verhältnis der Wirkungsquerschnitte<br />

nahezu eins. Der bei Transversalimpulsen oberhalb von ca. 1 GeV<br />

zunehmende Überschuss weist die zusätzliche, harte Komponente aus, in Übereinstimmung<br />

mit Rechnungen, die im Rahmen der Quantenchromodynamik<br />

QCD durchgeführt wurden. Die Auffassung des Photons als Superposition verschiedener<br />

Komponenten ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis<br />

der Streuprozesse mit quasi-reelen Photonen, wie sie in den Experimenten H1<br />

und ZEUS am Elektron-Proton-Speicherring HERA bei DESY in Hamburg<br />

seit 1993 untersucht werden (siehe unten).<br />

Bei DESY wurde 1976 der e + e − -Speicherring PETRA fertiggestellt. Für die DESY<br />

6 Die Absolventen B. Diekmann, P. Mättig und H. Marsiske wurden Hochschulleh-<br />

rer bzw. leitende Forscher.<br />

11


Abbildung 8. Quotient der Wirkungsquerschnitte für Photon- und Hadron-induzierte<br />

inklusive Einteilchenerzeugung [17].<br />

Abbildung 9. TASSO-Ereignis mit drei Jets [19].<br />

12


Experimente haben weltweite internationale Kollaborationen eine neue Generation<br />

von Mehrzweckdetektoren gebaut, die es ermöglichte, hoch-komplexe<br />

Vielteilchenendzustände zu messen. Vom Physikalischen <strong>Institut</strong> in <strong>Bonn</strong> aus<br />

gab es eine starke Beteiligung am TASSO-Experiment. <strong>Bonn</strong> war maßgeblich<br />

am Bau von Vorwärtsdetektor, Luminositätsmonitor, zentraler Driftkammer<br />

und Magnetspule involviert und hat sich an den Datenanalysen beteiligt (H.<br />

M. Fischer, E. Hilger, G. Knop, H. Kolanoski, R. Wedemeyer, Diplomanden<br />

und Doktoranden 7 ).<br />

Bei den mit PETRA erreichten hohen Energien konnten an e + e − -Reaktionen<br />

quantitative Untersuchungen zu elektromagnetischen, starken und schwachen<br />

Wechselwirkungen durchgeführt werden [18].<br />

In vier großen Experimenten, vornean TASSO, wurde das Gluon als Trägerteilchen<br />

der starken Kraft, welche die Grundbausteine aller Kernmaterie - die<br />

Quarks - aneinander bindet, nachgewiesen: In der e + e − -Vernichtung entstehen<br />

neben Zwei-Jet-Ereignissen, die aus der Hadronisierung des erzeugten Quark-<br />

Antiquark-Paares hervorgehen, auch Ereignisse mit einem dritten Jet, der aus<br />

der Hadronisierung eines zuvor abgestrahlten Gluons entsteht. Abbildung 9<br />

zeigt ein solches Drei-Jet-Ereignis, das sich von einem Ereignis mit zwei kolliniaren<br />

Jets deutlich unterscheidet.<br />

Über die Hadronenerzeugung mit e + e − -Reaktionen gab es auch einen Zugang<br />

zur Photon-Photon-Streuung (Zwei-Photon-Physik), an denen <strong>Bonn</strong> vorrangig<br />

beteiligt war. Die Datenanalysen haben neue Einblicke in die hadronische<br />

Natur des Photons geliefert [20].<br />

Am 2,5 GeV-Synchrotron hatte sich die Beschränkung der Zählraten durch den <strong>Bonn</strong><br />

kleinen Duty-Faktor (der Elektronstrahl stand nur während maximal 5% der<br />

Zeit zur Verfügung) mehr und mehr bemerkbar gemacht. Zusammen mit dem<br />

Wunsch nach höherer Energie führte dies zum Bau der Elektronen-Stretcher-<br />

Anlage ELSA, einem Ringbeschleuniger mit einer Maximalenergie von 3,5 GeV<br />

[21–23]. Das 2,5 GeV-Synchrotron dient dabei als Vorbeschleuniger (Booster-<br />

Synchrotron) für ELSA. Die Anlage wurde in vier Jahren gebaut (K.-H. Althoff,<br />

D. Husmann) und wird seit 1987 für Experimente zur Verfügung gestellt<br />

(W. Hillert, D. Husmann). ELSA und die Experimente an ELSA wurden durch<br />

betreute Arbeiten von Diplomanden und Doktoranden erst möglich 8 .<br />

Abbildung 10 gibt einen Überblick über die derzeitige Beschleunigeranlage<br />

mit dem CB-ELSA/TAPS-Detektor (Crystal Barrel) und Synchrotronlicht-<br />

Experimenten. Spinpolarisierte Elektronen werden durch Photoemission an<br />

Gallium-Arsenid-ähnlichen Kristallen erzeugt [23]. Bei Einstrahlung von zir-<br />

7 Die Absolventen L. Köpke und N. Wermes wurden Hochschullehrer.<br />

8 Die Absolventen K. Jakobs, H. Honscheidt, H. Merkel, H. C. Schultz-Coulon und<br />

A. Wolf wurden Hochschullehrer.<br />

13


Magnetstromver-<br />

Synchrotron<br />

sorgung<br />

Hadronenphysik-<br />

Experimente<br />

Crystal Barrel<br />

(im Aufbau)<br />

NHV1<br />

10 kV<br />

Trafo<br />

Transformatoren,<br />

Filter<br />

EKS<br />

LINAC 1<br />

(20 MeV)<br />

Elektronenkanone<br />

M<br />

Flugzeitwände<br />

Elektronen-Stretcher-Anlage (ELSA)<br />

T<br />

Tagger<br />

Booster-<br />

Synchrotron<br />

0,5 – 1,6 GeV<br />

Mott-Polarimeter<br />

Polarisiertes<br />

Target<br />

DESY-Resonator<br />

pol. e-<br />

Elektronenkanone<br />

Quelle<br />

(50 keV)<br />

LINAC 2<br />

(26 MeV)<br />

Tagger<br />

CB-Detektor<br />

Compton-<br />

Polarimeter<br />

Messplatz zum<br />

Detektor-Test<br />

supraleitendes<br />

Solenoid<br />

Injektionssepta<br />

Skew-<br />

Quadrupole<br />

Extraktionssepta<br />

Sprung-<br />

Quadrupol<br />

Sprung-<br />

Quadrupol<br />

Stretcherring<br />

0,5 - 3,5 GeV<br />

Halbzelle des Stretcherrings<br />

M Q BPM<br />

DORIS-Resonator<br />

PETRA-Resonator<br />

Abbildung 10. ELSA-Beschleunigeranlage.<br />

KA1<br />

Dipol (horizontal)<br />

Dipol (vertikal)<br />

Quadrupol<br />

Skew-Quadrupol<br />

Sextupol<br />

Combined-Function-Magnet<br />

Solenoid<br />

Hochfrequenz<br />

Synchrotronlicht-<br />

Experimente<br />

BN3 BN2<br />

BN1<br />

KA2<br />

BN0<br />

Labor des FZK<br />

0 m 5 m 10 m 15 m<br />

Abbildung 11. Transferregion zwischen 2,5 GeV-Synchrotron und ELSA.<br />

kular polarisiertem Laserlicht wird der Polarisationsgrad zu nahezu 100% auf<br />

die Elektronen übertragen. Der longitudinal polarisierte Elektronenstrahl wird<br />

mit Hilfe eines elektrostatischen 90 o -Deflektors vor dem LINAC gedreht, da<br />

er vor Einschuß in das Synchrotron transversal polarisiert sein muß. Nach<br />

Vorbeschleunigung im Synchrotron werden die Elektronen in den ELSA-Ring<br />

transferiert (Abb. 11), dort nachbeschleunigt und durch langsames Abschälen<br />

des Strahls zu einem nahezu kontinuierlichen Strahl geformt. Nach der Strahlextraktion<br />

kann der Elektronenspin mit Hilfe eines supraleitenden Solenoids<br />

und der Ablenkmagnete der Strahlführung longitudinal ausgerichtet werden.<br />

Den Polarisationsgrad, der für aus ELSA extrahierte Elektronen erreicht wur-<br />

14


Abbildung 12. Polarisationsgrad der aus ELSA extrahierten Elektronen [23].<br />

de, zeigt Abb. 12 am Beispiel der Messperiode des GDH-Experiments (siehe<br />

unten).<br />

DAPHNE−Detektor<br />

Target−Material in Haltespule<br />

Pol.−Magnet<br />

Kryostat<br />

Abbildung 13. Das GDH-Experiment im offenen Zustand: mit DAPHNE-Detektor,<br />

Targetmaterial im Kryostat und Polarisierungsmagnet für das Target (Aufbau in<br />

Mainz).<br />

An ELSA wird ein vielseitiges experimentelles Programm in Kollaboration<br />

mit anderen <strong>Institut</strong>en in Deutschland und Europa durchgeführt 9 . Zu den<br />

9 Einen Überblick über die Experimente und die Publikationen findet man in [15].<br />

15


erfolgreichen, bereits abgeschlossenen Experimenten an ELSA gehören das<br />

ELAN-Experiment für Präzisionsmessungen der Ein-Pion-Elektroproduktion<br />

an Protonen und sehr leichten Kernen im Bereich der Isospin-3/2-Nukleon-<br />

Resonanzen (R. W. Gothe, B. Schoch), das PHOENICS-Experiment zur Photoproduktion<br />

von Mesonen im Schwellenbereich (G. Anton, J. Arends, K.-H.<br />

Althoff, G. Nöldeke, W. Meyer), das bereits erwähnte GDH-Experiment mit<br />

einem frozen spin-Target in supraleitender Haltespule und Polarisationsmagnet<br />

(Abb. 13), das zum Test der Gerasimov-Drell-Hearn-Summenregel eingesetzt<br />

wurde (H. Dutz, F. Klein, T. Reichelt, B. Schoch), und das SAPHIR-<br />

Experiment zur Messung der Photoproduktion von geladenen Mehrteilchenendzuständen<br />

im nahezu vollständigem Raumwinkel (K. Heinloth, F. Klein,<br />

E. Paul, M. Ostrick, W. Schwille, R. Wedemeyer).<br />

Der mit dem SAPHIR-Detektor (Abb. 14) untersuchte kinematische Bereich<br />

deckt die Schwellenbereiche für die Erzeugung von Strange Particle-Paaren<br />

einerseits und leichten Vektormesonen andererseits ab und war daher prädestiniert,<br />

um nach leichten Baryonenresonanzen zu suchen, die in Kaon-Hyperonbzw.<br />

Nukleon-Vektormeson-Endzustände zerfallen. Die Existenz bisher nicht<br />

beobachteter Resonanzen, die an solche Endzustände koppeln, wird in vielen<br />

Modellrechnungen vorhergesagt. Das SAPHIR-Experiment hat dazu eine<br />

ganze Reihe neuer Erkenntnisse geliefert [24].<br />

¢¡¤£¦¥¨§�©���������£���£��������<br />

Spectrometer S Arrangement A<br />

for PH PHoton IInduced RReactions<br />

electron<br />

beam<br />

plastic scintillators<br />

tagging<br />

system<br />

γ<br />

target<br />

central<br />

drift chamber<br />

Abbildung 14. Das SAPHIR-Experiment.<br />

electromagnetic<br />

calorimeter<br />

planar<br />

drift chambers<br />

SAPHIR wurde 1998 durch das CB-ELSA/TAPS-Experiment abgelöst (Abb.<br />

15). Der CB-ELSA/TAPS-Detektor wurde auf Initiative von E. Klempt (HISKP<br />

<strong>Bonn</strong>) und B. Schoch aufgebaut, um hochauflösende Spektrometrie mit Me-<br />

16


sonen, die in Multi-Photon-Endzustände zerfallen, vor allem mit π 0 , η und ω,<br />

durchzuführen. Er ist damit weitgehend komplimentär zu anderen existierenden<br />

Mehrteilchenspektrometern für Photonstrahlenergien im GeV-Bereich, die<br />

im wesentlichen auf den Nachweis geladener Teilchen optimiert sind. Herzstück<br />

für die Messung der Photonen ist der Crystal Barrel-Detektor, der von der Crystal<br />

Barrel Kollaboration am CERN übernommen wurde. Im CB-ELSA/TAPS-<br />

Experiment wird vorrangig die Anregung ” fehlender“ baryonischer Resonanzen<br />

in der Photoproduktion an Protonen und Kernen untersucht [25] (F. Klein,<br />

H. Schmieden, B. Schoch).<br />

Ein interessantes Ergebnis von CB-ELSA/TAPS zeigt Abb. 16: Das ω-Meson<br />

scheint an Masse zu verlieren, wenn es statt an Wasserstoff an schweren Kernen<br />

(Niobium) erzeugt wird. Das wird im Zusammenhang mit einer fundamentalen<br />

Symmetrie gesehen: Starke Wechselwirkungen sind invariant gegenüber<br />

einem Wechsel der Chiralität von Quarks. Allerdings ist diese Symmetrie in<br />

der Natur nicht realisiert, sondern spontan gebrochen. Durch diese Symmetriebrechung<br />

erhalten Quarks eine Konstituentenmasse und Vektormesonen<br />

werden schwerer als pseudoskalare Mesonen. Von der Quantenchromodynamik<br />

QCD inspirierte Modelle sagen voraus, daß die chirale Symmetrie bei<br />

hohen Dichten und bei hohen Temperaturen wiederhergestellt wird. Das Ergebnis<br />

von CB-ELSA/TAPS hat gezeigt, daß es schon bei der Dichte normaler<br />

Kerne Anzeichen für eine Absenkung der Masse des ω-Mesons gibt, in Übereinstimmung<br />

mit theoretischen Vorhersagen [26].<br />

Zur Zeit wird das CB-ELSA/TAPS-Experiment im Rahmen des Sonderforschungsbereichs<br />

SFB/TR16 erweitert. In dem neuen Experiment (H. Dutz,<br />

S. Goertz, W. Hillert, F. Klein, M. Ostrick, H. Schmieden) werden transversal<br />

polarisierte Photonen aus ELSA an polarisierten Targets absorbiert (Abb.<br />

17). Forschungsschwerpunkt ist die spinabhängige Untersuchung der elektromagnetischen<br />

Anregung subnuklearer Systeme.<br />

Parallel zu den Teilchenexperimenten an ELSA werden Experimente durchgeführt,<br />

die das am Elektronbeschleuniger gratis gelieferte Synchrotronlicht<br />

nutzen. W. Paul hatte die darin liegenden Möglichkeiten schon früh erkannt.<br />

Erste Absorptionsmessungen hatte es schon am Ultraviolettkontinuum der<br />

500 MeV-Maschine gegeben [8]. Die Absorptionsmessungen wurden mit der<br />

härteren Synchrotronstrahlung an der 2,5 GeV-Maschine fortgesetzt [13]. An<br />

ELSA wurde ein separates Synchrotronstrahlungslabor aufgebaut, in dem die<br />

Instrumentierung die Nutzung sowohl des Kontinuums der Synchrotronstrahlung<br />

von ELSA als auch von (mit Hilfe von Chromatoren herausgefilterter)<br />

monchromatischer Strahlung im Bereich von ca. 5 eV bis ca. 20 keV erlaubt.<br />

Schwerpunkte der durchgeführten Arbeiten liegen im Bereich der Röntgentiefenlithographie<br />

mit der damit verbundenen Strahlenchemie und in der<br />

Röntgenabsorptionsspektroskopie (B. Drerup, J. Hormes, H. Modrow, F. von<br />

Busch).<br />

17


CERN<br />

Abbildung 15. Das CB-ELSA/TAPS-Experiment.<br />

TOF<br />

TAPS<br />

Crystal Barrel<br />

LH − Target<br />

2<br />

Tagging−System<br />

Am CERN wurde die nächste Generation von Experimenten mit einem in den<br />

80-er Jahren neu gebauten Ring von 26,7 km Umfang, dem Large-Electron-<br />

Positron-Collider LEP, zwischen 1989 und 2000 durchgeführt. Das Physikalische<br />

<strong>Institut</strong> <strong>Bonn</strong> war am OPAL-Experiment beteiligt (H. M. Fischer, P. Fischer,<br />

G. Knop, M. Kobel, B. Nellen, A. Stahl, N. Wermes 10 ) und hat maßgeblich<br />

zum Bau der Jetkammer und des Vorwärts-Silzium/Wolfram-Kalorimeters<br />

beigetragen. Das OPAL-Experiment hat mit sehr präzisen Messungen, gemeinsam<br />

mit drei parallel durchgeführten Experimenten, das Standardmodell<br />

der Teilchenphysik endgültig etabliert. Herausragende Ergebnisse waren u.a.<br />

die experimentelle Verifikation der Existenz von genau drei leichten Neutri-<br />

10 Die Absolventen O.Biebel, M. Hauschild, E. v. Törne und M. Schumacher wurden<br />

Hochschullehrer bzw. leitende Forscher in Forschungszentren.<br />

18


counts / [ 12 MeV/c 2 ]<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

| p<br />

Nb<br />

LH2 →<br />

ω |< 0.5 GeV/c<br />

Mπ γ [MeV/c 2 600 700 800 900<br />

]<br />

counts / [ 12 MeV/c 2 ]<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Mpeak = 722 MeV/c<br />

Nb - LH2 data<br />

2<br />

Mπ γ [MeV/c 2 600 700 800 900<br />

]<br />

Abbildung 16. Vergleich der ω-Signale, erzeugt an Wasserstoff und an Niobium [26].<br />

Photon−<br />

kamera<br />

γ −Veto<br />

TOF<br />

Crystal Barrel<br />

Kryostat + pol. Target<br />

Midi−TAPS<br />

e −<br />

Tagging−System +<br />

Moeller−Polarimeter<br />

Abbildung 17. Das CB-ELSA/TAPS-Experiment mit Polarisation im Eingangszustand.<br />

nos über die Messung des Z 0 -Signals und die sehr präzise Quantifizierung<br />

von Strahlungskorrekturen, die zunächst zur korrekten Vorhersage der Top-<br />

Quark-Masse und im Zusammenspiel mit den Experimenten CDF und D0 am<br />

TEVATRON zur Entdeckung des Top-Quarks geführt hat, und, mit sehr eindrucksvoller<br />

Präzision, Vorhersagen zur Masse des für die Brechung der elektroschwachen<br />

Symmetrie postulierten Higgs-Teilchens geliefert hat (Abb.18).<br />

Nach dem Higgs-Teilchen wird in den nächsten Jahren am Large Hadron Collider<br />

LHC beim CERN gesucht werden (siehe unten). In den Physikanalysen,<br />

19


DESY<br />

Δχ 2<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Δα had =<br />

(5)<br />

Theory uncertainty<br />

0.02758±0.00035<br />

0.02749±0.00012<br />

incl. low Q 2 data<br />

Excluded<br />

0<br />

30 100<br />

300<br />

m H [GeV]<br />

Abbildung 18. Vorhersage der Higgsmasse über die Messung der Strahlungskorrekturen<br />

durch die LEP-Experimente (vorläufiges Ergebnis [27]).<br />

die in der <strong>Bonn</strong>er Gruppe durchgeführt wurden, lagen die Schwerpunkte in<br />

der Higgs-Suche und auf dem Gebiet der Physik des schweren τ-Leptons. Die<br />

Erzeugung von τ + τ − -Paaren diente als Laboratorium zum Studium seiner Zerfallsprodukte<br />

und der zugrunde liegenden Wechselwirkungen. Bis Ende 2006<br />

wurden Ergebnisse der OPAL-Kollaboration in 419 wissenschaftlichen Artikeln<br />

publiziert, davon 70 mit maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern der<br />

<strong>Bonn</strong>er OPAL-Gruppe.<br />

Mit dem Bau von HERA, dem Elektron-Proton-Speicherring bei DESY, in<br />

den achtziger Jahren hat sich das Physikalische <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong> <strong>Bonn</strong><br />

in internationaler Kollaboration am ZEUS-Experiment beteiligt (I. C. Brock,<br />

J. Crittenden, B. Diekmann, K. Heinloth, E. Hilger, U. Katz, E. Paul, R. Wedemeyer<br />

11 ). Abbildung 19 zeigt den Aufbau des Detektors. <strong>Bonn</strong> hat maßgeblich<br />

zum Bau der planaren Driftkammern für die Spurmessung, des Übergangsstrahlungsdetektors<br />

für den Nachweis von Elektronen und des Uran-<br />

Szintillator-Kalorimeters für die Energiemessung der erzeugten Teilchen beigetragen.<br />

Zur Verbesserung der Spurmessung wurde 2001 der Übergangsstrah-<br />

11 Die Absolventen A. Bornheim, K. Desch, L. Feld, A. Frey, M. Grothe, C. Rembser<br />

und M. Wang wurden Hochschullehrer oder sind in leitender Position in einem<br />

Forschunszentren tätig.<br />

20


e<br />

Myonkammern<br />

Urankalorimeter<br />

Straw Tube Tracker +<br />

planare Driftkammern<br />

Abbildung 19. Das ZEUS-Experiment.<br />

Solenoid<br />

Mikrovertex−Detektor<br />

zentrale Driftkammer<br />

lungsdetektor durch einen Straw-Tube-Tracker ersetzt. <strong>Bonn</strong> ist seit Beginn<br />

der ZEUS-Planung mit Diplom- und Doktorarbeiten außer am Detektorbau,<br />

auch an der Entwicklung von Software und an Datennanalysen auf vielen Gebieten<br />

beteiligt. Im Mittelpunkt der Analysen stehen die Bestimmung von<br />

Protonstrukturfunktionen in tief-inelastischen Prozessen mit und ohne Farbladungsaustausch,<br />

die Aufschluss über Quark- und Gluoninhalt des Protons<br />

und des resolved Photons liefern, die Überprüfung der Quantenchromodynamik<br />

QCD in einem weiten kinematischen Bereich, beginnend im Übergangsgebiet<br />

von weicher zu harter Elektron-Proton-Streuung, insbesondere auch in<br />

Photoproduktionsprozessen, sowie die Suche nach Abweichungen vom Standardmodell<br />

im Rahmen von über das Standardmodell hinausreichenden Modellvorhersagen<br />

[28]. ZEUS liefert bereits heute eine der weltweit genauesten<br />

Messungen der starken Kopplungskonstanten αs. Die Messungen verifizieren<br />

mit zunehmender Präzision die Übereinstimmung mit der QCD-Vorhersage<br />

einer mit wachsender transversaler Energie der erzeugten Jets abnehmenden<br />

Kopplungskonstanten αs (Abb. 20). Bis Ende 2006 wurden Ergebnisse<br />

der Analysen der ZEUS-Kollaboration in 169 wissenschaftlichen Artikeln publiziert,<br />

davon 30 mit maßgeblicher Beteiligung von Mitgliedern der <strong>Bonn</strong>er<br />

ZEUS-Gruppe.<br />

Im COMPASS-Experiment beim CERN, das Ende der 90-er Jahre entwickelt CERN<br />

und aufgebaut wurde, ist das Hauptziel, über die Messung der Streuung longitudinal<br />

polarisierter Müonen an longitudinal polarisierten Nukleonen Heli-<br />

21<br />

p


FNAL<br />

CERN<br />

α s<br />

0.2<br />

0.15<br />

0.1<br />

stat.<br />

} stat.} +<br />

syst.<br />

ZEUS<br />

} th.<br />

ZEUS 82 pb -1<br />

QCD<br />

(α s (M Z ) = 0.1207 ± 0.0040)<br />

10 15 20 25 30 35 40 45<br />

E jet<br />

T,B (GeV)<br />

Abbildung 20. Messung der Starken Kopplungskonstante αs als Funktion der<br />

transversalen Jetenergie im Breitsystem [29]. Innere/äußere Fehlerbalken: statistische/kombinierte<br />

stat. und system. Fehler; gepunktet: theoretische Unsicherheit;<br />

schattiert: Vorhersage durch die Renormalisierungsgruppe für den Weltdurchschnittswert<br />

von αs(MZ).<br />

zitätsbeiträge des Gluons zum Nukleonspin mit hoher Genauigkeit zu bestimmen.<br />

<strong>Bonn</strong> ist mit der Entwicklung von Triggerelektronik und Datenanalysen<br />

an dem Experiment beteiligt (F. Klein, S. Goertz, M. Ostrick, J. Pretz). Die<br />

COMPASS-Kollaboration hat erste Ergebnisse zu Untersuchungen des Nukleonspins<br />

bereits veröffentlicht [30].<br />

Seit einigen Jahren ist <strong>Bonn</strong> am D0-Experiment am TEVATRON im Fermilab<br />

beteiligt (V. Büscher, A. Quadt, E. von Törne, N. Wermes). Schwerpunkt der<br />

<strong>Bonn</strong>er Datenanalysen sind die Messungen von Produktionsquerschnitt, Masse<br />

und Spin des Top-Quarks.<br />

Die nahe <strong>Bonn</strong>er Zukunft am CERN gehört dem ATLAS-Experiment am<br />

Large-Hadron-Collider LHC ( I. C. Brock, V. Büscher, K. Desch, P. Fischer,<br />

22


Abbildung 21. Modul für den Barrel des Pixeldetektors von ATLAS, bestehend aus<br />

16 front end-Chips mit ca. 46000 Pixeln der Größe 50x400 µm 2 [31].<br />

M. Schumacher, E. von Törne, N. Wermes 12 ). <strong>Bonn</strong> ist mit Entwicklung und<br />

Bau eines Pixel-Detektors am Innendetektor von ATLAS beteiligt. Dafür betreibt<br />

das Physikalische <strong>Institut</strong> <strong>Bonn</strong> ein Speziallabor zur Entwicklung von<br />

Halbleitersensoren und integrierten Elektronik-Chips, das über das ATLAS-<br />

Experiment hinaus auch für andere Anwendungsbereiche, vor allem in medizinischen<br />

und biotechnischen Bereichen, genutzt wird.<br />

Abbildung 21 zeigt ein für den Barrel-Detektor von ATLAS entwickeltes Modul.<br />

13 Module bilden ein stave und 112 dieser staves bilden den Barrel des Pixeldetektors<br />

[31]. Die damit erreichte gute Vertexauflösung für einzelne Spuren<br />

im Pixeldetektor veranschaulicht die simulierte Impact-Parameter-Verteilung<br />

von Müonen als Funktion des Transversalimpulses (Abb. 22).<br />

Bei den Physikanalysen der ATLAS-Daten wird es schwerpunktsmäßig um die<br />

Suche nach dem Higgs-Teilchen gehen, wofür in <strong>Bonn</strong> umfangreiche Untersuchungen<br />

des Entdeckungspotentials für dieses Teilchen im Standard-Modell<br />

der Elementarteilchenphysik und dessen minimale supersymmetrische Erweiterungen<br />

bereits durchgeführt wurden. Weitere Schwerpunkte werden auf der<br />

Top-Physik und auf der Suche nach supersymmetrischen Teilchen liegen. Die<br />

ersten Messungen werden für 2008 erwartet.<br />

Die Teilchenphysik ist Schwerpunkt in Forschung und Lehre im Physikalischen Resümee<br />

12 mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, Diplomanden und Doktoranden.<br />

23


Abbildung 22. Transversaler Impact-Parameter als Maß der Vertexauflösung des<br />

ATLAS-Spursystems für zentrale (η = 0) bzw. strahlnahe (η < 2.5) Müonen. Die<br />

Punkte beschreiben die Ergebnisse verschiedener Simulationsprogramme [32].<br />

<strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong>, seitdem Teilchenbeschleuniger in Europa gebaut werden.<br />

Unter langjähriger Führung des Nobelpreisträgers Wolfgang Paul hat sich<br />

die experimentelle Teilchenphysik auf den Gebieten der Beschleunigertechnologie<br />

und der Experimente an Beschleunigern zur zentralen Forschungsaktivität<br />

in <strong>Bonn</strong> entwickelt. Diplom- und Doktorarbeiten 13 , die an Beschleunigern im<br />

Physikalischen <strong>Institut</strong> in <strong>Bonn</strong>, am CERN, bei DESY und am FNAL durchgeführt<br />

wurden, haben wissenschaftliche Ergebnisse in großer Vielfalt geliefert,<br />

die in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.<br />

Auf Initiative von W. Paul ist Anfang der 60-er Jahre auch die Theoretische<br />

Teilchenphysik nach <strong>Bonn</strong> gekommen. Sie ist bis heute mit vielfältigen Aktivitäten<br />

in Forschung und Lehre im Physikalischen <strong>Institut</strong> vertreten. Die<br />

Geschichte der Theoretischen Teilchenphysik in <strong>Bonn</strong> hier einzubinden, hätte<br />

aber den Rahmen dieses Artikels gesprengt.<br />

Das Physikalische <strong>Institut</strong> <strong>Bonn</strong> engagiert sich in guter Tradition weiter bei<br />

den weltweiten Zukunftsplanungen mit neuen Beschleunigern und neuen Experimenten.<br />

13 Insgesamt wurden bis Ende 2006 ca. 600 Diplomarbeiten, ca. 390 Doktorarbeiten<br />

durchgeführt und 26 Habilationsschriften angefertigt.<br />

24


Ich möchte mich bei allen Kollegen am Physikalischen <strong>Institut</strong> der <strong>Universität</strong> <strong>Bonn</strong>,<br />

vor allem bei I. C. Brock, K. Desch, K. Heinloth, E. Hilger, D. Husmann, F. Klein,<br />

G. Knop und W. Schwille, für ihre nachhaltige Unterstützung beim Verfassen dieses<br />

Artikels herzlich bedanken. Erst durch ihre Bereitschaft, bei der Klärung von<br />

Sachverhalten mitzuwirken und meine zwischenzeitlichen Textentwürfe kritisch zu<br />

kommentieren, bin ich an entscheidenden Stellen weiter gekommen. Mein Dank gilt<br />

auch H. Dutz, J Große-Knetter, E. Klempt, H. Modrow und D. Walther, die mir<br />

Material zur Verfügung gestellt haben, und O.M. Kind und N. Jöpen, die mir bei<br />

der Gestaltung von Text und Abbildungen geholfen haben.<br />

25


Literatur<br />

[1] Festschrift: Professor Dr. Ing. Wolfgang Paul zum sechzigsten Geburtstag,<br />

Physik. <strong>Institut</strong> - BONN UNIV PIB 8 - 12 Oktober 1973.<br />

[2] Das Göttinger Manifest der 18 Atomwissenschaftler vom 12. April 1957; s. z.B.<br />

E. Kraus, Physik Journal, Aprilheft 2007, S. 36.<br />

[3] H. Ehrenberg und W. Paul: Die Atomwirtschaft, 300 (1959).<br />

[4] N. Christofilos, US-Patent no. 2.736.799 (1950); E. D. Courant, M. S.<br />

Livingston, H. S. Snyder, Phys. Rev. 88, 119 (1952).<br />

[5] J. Drees und W. Paul, Z. Phys. 180, 340 (1964).<br />

[6] H. Ehrenberg in R. Kollath: Teilchenbeschleuniger, Vieweg 1962.<br />

[7] D. Freytag, W. J. Schwille, R. J. Wedemeyer, Z. Phys. 186, 1 (1965).<br />

[8] B. Mecking, Das 500 MeV-Synchrotron, <strong>Bonn</strong>-IR-85-02, 1985.<br />

[9] Ereignis, aufgenommen in Experiment WA21, CERN Archive (Courtesy of<br />

CERN).<br />

[10] C. Geich-Gimbel, Int. J. of Mod. Phys. A, Vol. 4, No. 7,1527 (1989).<br />

[11] M. Braunschweig et al., Phys. Lett. 22, 705 (1966); M. Braunschweig et al.,<br />

Phys. Lett. 26 B, 405 (1968).<br />

[12] K.-H. Althoff et al., Nucl. Instr. Methods 61, 1 (1968).<br />

[13] K.-H. Althoff, Recent Experimental Activities at the <strong>Bonn</strong> Electron<br />

Synchrotron, <strong>Bonn</strong>-He-76-3, 1976.<br />

[14] H. Blume et al., Z. Phys. C 16, 283 (1983).<br />

[15] Jahresberichte des Physikalischen <strong>Institut</strong>s der <strong>Universität</strong> <strong>Bonn</strong>, nicht<br />

publiziert, s. http://www-biblio.physik.uni-bonn.de .<br />

[16] H. Dutz et al., Nucl. Instr. and Meth. A 356, 111 (1995).<br />

[17] OMEGA-PHOTON Collaboration, R. J. Apsimon et al., Z. Phys. C 43, 63<br />

(1989).<br />

[18] P. Duinker, Rev. Mod. Phys. 54, 325 (1982).<br />

[19] G. Wolf, DESY, Hamburg, private Mitteilung.<br />

[20] H. Kolanoski, Springer Tracts of Modern Physics Vol. 105 (1984).<br />

[21] Festschrift: ELSA, ein neuer Beschleuniger der Mittelenergiephysik, <strong>Bonn</strong><br />

University, BONN-IR-87-30, Oktober 1987.<br />

[22] D. Husmann und W. J. Schwille, Physikalische Blätter 44, Nr.2 (1988).<br />

26


[23] W. Hillert, Eur.Phys.J. A 28, 139 (2006).<br />

[24] SAPHIR Homepage, http://saphir.physik.uni-bonn.de .<br />

[25] CB-ELSA/TAPS Homepage, http://wwwnew.hiskp.uni-bonn.de/cb/ .<br />

[26] D. Trnka et al., Phys.Lett. 94, 192303 (2005).<br />

[27] LEP Electroweak Working Group Homepage, status July 2006.<br />

[28] ZEUS Homepage, http://www-zeus.desy.de .<br />

[29] ZEUS Collaboration, S. Chekanov et al., Phys. Lett. B 649, 12 (2007).<br />

[30] COMPASS Homepage, http://wwwcompass.cern.ch .<br />

[31] J. Grosse-Knetter, Nucl. Instr. and Meth. A 568, 252 (2006); also preprint<br />

physics/0506228.<br />

[32] ATLAS Collaboration, A. Poppleton et al., ATLAS Note ATL-Com-INDET-<br />

2005-008.<br />

27

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