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Fussballfans und Feuerwerk Eine qualitative Untersuchung zum ...

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<strong>Fussballfans</strong> <strong>und</strong> <strong>Feuerwerk</strong><br />

Soziale Arbeit<br />

Bachelor<br />

<strong>Eine</strong> <strong>qualitative</strong> <strong>Untersuchung</strong> <strong>zum</strong> Spannungsfeld ’Pyro’<br />

im sozialen System Fussball<br />

Abschlussarbeit<br />

Jahn Meienberg & Miro Gloor<br />

Bachelorstudiengang<br />

Zürich, Juni 2009


Abstract<br />

Aufgr<strong>und</strong> verschiedener Vorfälle in den letzten Jahren, bei denen Personen durch die Benut-<br />

zung von pyrotechnischem Material verletzt wurden, kam es immer wieder zu kontroversen<br />

Diskussionen in der Öffentlichkeit darüber, wie gefährlich pyrotechnisches Material im Fuss-<br />

ballstadion ist <strong>und</strong> wie man auf dieses Problem einwirken könnte. Bis heute wird vor allem<br />

mit repressiven Mitteln gegen Personen vorgegangen, welche das Material im Stadion zün-<br />

den. Da es aber schwierig ist, in einer Masse die Verursacher aus<strong>zum</strong>achen, laufen repres-<br />

sive Massnahmen auch Gefahr, willkürlich zu sein. Zudem wird von verschiedenen Seiten,<br />

gerade bei Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen, die Nützlichkeit von Massnahmen, die<br />

lediglich repressiver Art sind, in Zweifel gezogen. In dieser empirischen <strong>Untersuchung</strong> wird<br />

unter Heranziehung von eigenen Erkenntnissen aus dem Forschungsteil verknüpft mit Theo-<br />

rien der Sozialen Arbeit auf die Problematik der Benutzung von pyrotechnischem Material im<br />

Fussballstadion eingegangen. Das soziale System Fussball <strong>und</strong> die Fankultur der Ultras<br />

werden ausführlich vorgestellt <strong>und</strong> verschiedene Spannungsfelder sichtbar gemacht. Auf-<br />

gr<strong>und</strong> der Aussagen aus Interviews mit betroffenen Akteuren werden Empfehlungen ge-<br />

macht für die verschiedenen Subsysteme des sozialen Systems Fussball. Dabei hat sich<br />

besonders herauskristallisiert, dass es an Kommunikation <strong>und</strong> Vertrauen unter den verschie-<br />

denen Parteien mangelt <strong>und</strong> Möglichkeiten gef<strong>und</strong>en werden sollten, diese Barrieren zu ü-<br />

berwinden. Ein Bereich der Sozialen Arbeit, welcher sich erst in den letzten Jahren entwi-<br />

ckelt hat, ist die sozioprofessionelle Fanarbeit. Wenn es ihr gelingt, Fuss zu fassen, bieten<br />

sich ihr verschiedene Interventionsmöglichkeiten in gruppenbezogener Arbeit, Prävention,<br />

Öffentlichkeitsarbeit sowie auf der politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Ebene. Die soziopro-<br />

fessionelle Fanarbeit wird in dieser Arbeit vorgestellt <strong>und</strong> es werden ihre Möglichkeiten in der<br />

Thematik ‘<strong>Fussballfans</strong> <strong>und</strong> <strong>Feuerwerk</strong>’ sichtbar gemacht.<br />

2


Vorwort<br />

Die Autoren Jahn Meienberg <strong>und</strong> Miro Gloor lernten sich an der Zürcher Hochschule für An-<br />

gewandte Wissenschaften im Frühling 2005 kennen. Es verbindet sie unter anderem ihr Inte-<br />

resse am Fussball.<br />

Seit dem Kindesalter spiele ich selbst Fussball <strong>und</strong> bin ein begeisterter Fussballfan des FC<br />

Zürich. Dadurch habe ich eigene Erfahrungen r<strong>und</strong> um die Thematik ‘<strong>Fussballfans</strong> <strong>und</strong> Feu-<br />

erwerk’ gemacht, die mich dazu inspirierten, die auftretenden Probleme gezielt zu untersu-<br />

chen. Mit grosser Teilnahme verfolgte ich in den letzten Jahren die Diskussionen in dieser<br />

Angelegenheit <strong>und</strong> die Veränderungen, die der Wandel der Wahrnehmung in der Öffentlich-<br />

keit mit sich brachten. Von besonderem Forschungsinteresse sind für mich die Lösungsmög-<br />

lichkeiten zu dieser Problematik <strong>und</strong> die Einfluss nehmende Rolle der Sozialen Arbeit.<br />

Jahn Meienberg<br />

Ich bin sehr fussballinteressiert, da ich als Kind ebenfalls leidenschaftlicher Fan des FC Zü-<br />

richs war <strong>und</strong> selbst aktiv Fussball gespielt habe. Zwar bin ich heute nicht mehr Fan eines<br />

Fussballvereins, arbeite jedoch in einer Nebentätigkeit als Fanzugbegleiter, bei der ich als<br />

Sozialpädagoge <strong>Fussballfans</strong> mit den Extrazügen an Auswärtsspiele begleite. Ich bin faszi-<br />

niert von der südländischen Fankultur der Ultras <strong>und</strong> mir gefallen die aufwändig vorbereite-<br />

ten Choreografien <strong>und</strong> auch die Pyro-Shows. Das Geschehen betrachte ich jedoch kritisch,<br />

da ich schon oft problematische Situationen im Zusammenhang mit ‘<strong>Fussballfans</strong> <strong>und</strong> Feu-<br />

erwerk’ erlebt habe. Sei es, dass von Fans Fackeln aufs Spielfeld geworfen wurden oder die<br />

Polizei mit übertrieben repressiven Mitteln in das Geschehen eingegriffen hat. Dies hat mich<br />

motiviert, dieser problematischen Thematik auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen.<br />

Miro Gloor<br />

An dieser Stelle möchten wir uns bei Personen bedanken, die uns in den letzten Monaten in<br />

der Erarbeitung unserer Abschlussarbeit unterstützt haben. Ein herzliches Dankeschön geht<br />

an:<br />

3


Unsere Interviewpartner für ihre Gesprächsbereitschaft <strong>und</strong> die interessanten Ausführungen<br />

David Zimmermann für die Begleitung <strong>und</strong> die wertvollen Inputs<br />

Iris Zenegaglia, Anita Steiner, Mathias Gunsch <strong>und</strong> Stefan Baltisberger<br />

für die Korrekturen <strong>und</strong> kritischen Anregungen<br />

Mauro Wasescha für die Hilfe bei den grafischen Darstellungen<br />

Romina Rossi für die emotionale Unterstützung<br />

Anita Steiner <strong>und</strong> Stefan Seiler für die Benutzung ihres ‘Paradieses’<br />

Divertimento für ihre netten ‘kleinen Einschübe’<br />

4


Inhaltsverzeichnis<br />

Abstract ..........................................................................................2<br />

Vorwort ...........................................................................................3<br />

I Einleitung...................................................................................9<br />

1 Thematik.................................................................................................................... 9<br />

1.1 Heranführung an die Thematik........................................................................... 9<br />

1.2 Fragestellung ................................................................................................... 12<br />

1.3 Zielsetzung....................................................................................................... 12<br />

1.4 Methodisches Vorgehen................................................................................... 13<br />

1.5 Aufbau der Arbeit ............................................................................................. 13<br />

II Hauptteil...................................................................................14<br />

2 Definitionen.............................................................................................................. 14<br />

2.1 Soziale Arbeit................................................................................................... 14<br />

2.2 Der Begriff der Szene....................................................................................... 15<br />

2.3 Pyrotechnisches Material ................................................................................. 16<br />

2.4 Die Entwicklung <strong>und</strong> Kommerzialisierung des Fussballsports .......................... 17<br />

3 <strong>Fussballfans</strong> ........................................................................................................... 19<br />

3.1 Kategorisierung der <strong>Fussballfans</strong>..................................................................... 20<br />

3.1.1 Polizeiliche Kategorisierung ............................................................................. 21<br />

3.1.2 Soziologische Kategorisierung ......................................................................... 21<br />

3.1.3 Modell der mehrdimensionalen Fankultur......................................................... 22<br />

3.2 Ultras ............................................................................................................... 23<br />

3.2.1 Struktur, Organisation <strong>und</strong> Aufbau der Ultragruppen........................................ 24<br />

3.2.2 Werte der Ultras............................................................................................... 24<br />

3.2.3 Die Ultrakultur .................................................................................................. 25<br />

3.2.4 Ultras <strong>und</strong> pyrotechnisches Material................................................................. 25<br />

3.2.5 Ultras <strong>und</strong> Gewalt............................................................................................. 26<br />

3.2.6 Abgrenzung der Ultras ..................................................................................... 26<br />

4 Das soziale System Fussball ................................................................................... 27<br />

4.1 Spannungsfelder im sozialen System Fussball ................................................ 29<br />

5


4.1.1 Spannungsfeld <strong>Fussballfans</strong> ............................................................................ 30<br />

4.1.2 Schweizerischer Fussball Verband (SFV) ........................................................ 31<br />

4.1.3 Vereine ............................................................................................................ 33<br />

4.1.4 Private Ordnungsdienste.................................................................................. 34<br />

4.1.5 Polizei .............................................................................................................. 34<br />

4.1.6 Medien ............................................................................................................. 35<br />

4.1.7 Politik ............................................................................................................... 36<br />

4.1.8 Sozioprofessionelle Fanarbeit .......................................................................... 38<br />

4.2 Pyro im sozialen System Fussball.................................................................... 41<br />

III Forschung................................................................................44<br />

5 Forschungsmethodik................................................................................................ 44<br />

5.1 Die Stichprobenbildung .................................................................................... 44<br />

5.2 Die Operationalisierung der Forschungsbegriffe .............................................. 46<br />

5.3 Der Interviewleitfaden <strong>und</strong> die Durchführung der Interviews............................. 47<br />

5.4 Die Transkription der Interviews ....................................................................... 49<br />

5.5 Die Codierung der Interviews ........................................................................... 49<br />

5.6 Die Kategorisierung für die Auswertung ........................................................... 49<br />

6. Die Auswertung der Interviews ................................................................................ 50<br />

6.1 Kurzportraits der Interviewpartner .................................................................... 51<br />

6.2 Auswertung nach Kategorien ........................................................................... 52<br />

6.2.1 Ultra ................................................................................................................ 53<br />

6.2.1.1 Identifikation / Werte / Bezug........................................................................ 53<br />

6.2.1.2 Eigene Definition (Ultra) ............................................................................... 56<br />

6.2.1.3 Selbstregulation ........................................................................................... 63<br />

6.2.1.4 Kommerzialisierung...................................................................................... 65<br />

6.2.2 Pyro ................................................................................................................ 68<br />

6.2.2.1 Motivation für Pyro <strong>und</strong> Choreografien ......................................................... 68<br />

6.2.2.2 Handlung (Ablauf) Pyro ................................................................................ 72<br />

6.2.2.3 Gefahren mit Pyro ........................................................................................ 75<br />

6.2.3 Gewalt.............................................................................................................. 77<br />

6.2.4 Sanktionen....................................................................................................... 81<br />

6.2.5 Vorfall Basel..................................................................................................... 85<br />

6.2.6 Subsysteme ..................................................................................................... 87<br />

6.2.6.1 Private Sicherheitskräfte / Polizei / Hoogan / Staat....................................... 87<br />

6.2.6.2 Medien ......................................................................................................... 89<br />

6


6.2.6.3 Sozioprofessionelle Fanarbeit ...................................................................... 92<br />

6.2.6.4 Verein / Spieler............................................................................................. 94<br />

6.2.7 Lösungen ......................................................................................................... 97<br />

IV Schlussteil .............................................................................101<br />

7. Diskussion <strong>und</strong> Interpretation der Ergebnisse........................................................ 101<br />

7.1 Die Ultraszene im mehrdimensionalen Modell................................................ 101<br />

7.2 Analyse <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse zur Pyro-Thematik........................... 105<br />

7.3 Ergebnisse zu den Subsystemen im sozialen System Fussball...................... 111<br />

7.3.1 Ergebnisse <strong>zum</strong> Verein .................................................................................. 111<br />

7.3.2 Ergebnisse zu den Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen..................................... 112<br />

7.3.3 Medien ........................................................................................................... 113<br />

7.3.4 Sozioprofessionelle Fanarbeit ........................................................................ 114<br />

8 Schlussfolgerung ................................................................................................... 115<br />

8.1 Empfehlungen an die Ultraszene ................................................................... 115<br />

8.2 Empfehlungen an die Vereine ........................................................................ 116<br />

8.3 Empfehlungen an die Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen................................. 116<br />

8.4 Empfehlungen an die Medien......................................................................... 117<br />

8.5 Empfehlungen an die sozioprofessionelle Fanarbeit ...................................... 117<br />

8.6 Überprüfung der Fragestellung....................................................................... 118<br />

8.7 Offene Fragen <strong>und</strong> weiterführende Überlegungen.......................................... 119<br />

9 Schlusswort ........................................................................................................... 119<br />

Quellenverzeichnis ....................................................................121<br />

Anhang 1…………………………………………………………………………………… 125<br />

Anhang 2…………………………………………………………………………………… 132<br />

Anhang 3…………………………………………………………………………………… 135<br />

Anhang 4…………………………………………………………………………………… 137<br />

7


Abbildungsverzeichnis:<br />

Abb. 1 : Meisterfeier 9<br />

Abb. 2 : Beispiel einer Choreografie 10<br />

Abb. 3 : Die Organisationselite 16<br />

Abb. 4 : Ultras <strong>und</strong> Pyro 26<br />

Abb. 5 : Das soziale System Fussball 29<br />

Abb. 6 : Pyro im sozialen System Fussball 41<br />

Abb. 7 : Die Stichprobe – Ultraszene 46<br />

Abb. 8 : Dimensionen in der Ultraszene 105<br />

Tabellenverzeichnis:<br />

Tabelle 1: Erkenntnisse: Identifikation / Werte / Bezug 56<br />

Tabelle 2: Erkenntnisse: Eigene Definition (Ultra) 62<br />

Tabelle 3: Erkenntnisse: Selbstregulation 65<br />

Tabelle 4: Erkenntnisse: Kommerzialisierung 68<br />

Tabelle 5: Erkenntnisse: Motivation für Pyro <strong>und</strong> Choreografien 71<br />

Tabelle 6: Erkenntnisse: Handlung (Ablauf) Pyro 75<br />

Tabelle 7: Erkenntnisse: Gefahren mit Pyro 77<br />

Tabelle 8: Erkenntnisse: Gewalt 80<br />

Tabelle 9: Einschätzung zur Gewaltbereitschaft 81<br />

in einer Skala von 1-10<br />

Tabelle 10: Erkenntnisse: Sanktionen 85<br />

Tabelle 11: Erkenntnisse: Vorfall Basel 86<br />

Tabelle 12: Erkenntnisse: Private Sicherheitskräfte / 89<br />

Polizei / Hoogan / Staat<br />

Tabelle 13: Erkenntnisse: Medien 92<br />

Tabelle 14: Erkenntnisse: Sozioprofessionelle Fanarbeit 94<br />

Tabelle 15: Erkenntnisse: Verein / Spieler 97<br />

Tabelle 16: Erkenntnisse: Lösungen 100<br />

8


I Einleitung<br />

1 Thematik<br />

Rhythmisches Klatschen <strong>und</strong> Trommeln, gemeinsames Singen <strong>und</strong> Johlen, Alkohol-<br />

konsum <strong>und</strong> Harschhörner tragen dazu bei, den Gang ins Stadion als ein Erlebnis zu<br />

gestalten. Rechnet man den feinen Duft der grillierten Bratwürste <strong>und</strong> Cervelats, das<br />

<strong>Feuerwerk</strong> <strong>und</strong> den Rauch, die farbigen Fahnen <strong>und</strong> die ohrenbetäubenden Sirenen<br />

dazu, tritt die Ritualität des Fussballs klar <strong>und</strong> deutlich zu Tage: Alle Sinne werden<br />

angesprochen, es entsteht Solidarität, es herrscht eine geradezu festliche, ja eupho-<br />

rische Atmosphäre. (Brändle & Koller, 2002, S. 103)<br />

Abb. 1: Meisterfeier<br />

Quelle: Efzezet (2007a)<br />

1.1 Heranführung an die Thematik<br />

Fussball begeistert die Menschen weltweit. Die Zuschauer strömen zu den Spielen ins Sta-<br />

dion <strong>und</strong> bilden so eine eindrückliche Kulisse auf den Rängen. Die einzelnen Vereine sind zu<br />

wirtschaftlichen lukrativen Unternehmen geworden. Die Fussballspieler ihrerseits werden zu<br />

9


Idolen erkoren, welche das gesellschaftliche Leben auch ausserhalb des grünen<br />

Rasens beeinflussen.<br />

Bei den Zuschauern eines Fussballspiels handelt es sich um eine heterogene Masse, deren<br />

Vielfalt enorm gross ist (Illi, 2004, S. 17). <strong>Eine</strong> Fankultur, welche sich in der Schweiz erst in<br />

den letzten Jahren entwickelt hat <strong>und</strong> die besonders auffällt, sind die so genannten Ultras.<br />

Dabei handelt es sich um <strong>Fussballfans</strong>, die sich besonders stark mit ihrem Klub identifizie-<br />

ren. Ihr Klub ist ihre Leidenschaft. Sie wollen ihn so gut wie möglich unterstützen. Das be-<br />

deutet, sie sind an Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspielen dabei, bereiten aufwändige Choreografien vor<br />

(vgl. Abb. 2), feuern ihre Mannschaft während des ganzen Spiels pausenlos an <strong>und</strong> feiern<br />

die Tore ausgiebig, unter anderem mit Pyro-Shows 1 (Pilz, Behn, Klose, Schwenzer, Steffan<br />

& Wölki, 2006, S. 8). „Was alle Ultras gemein haben, ist die extreme Lust, den Verein 90<br />

Minuten lang im Dauereinsatz akustisch <strong>und</strong> optisch zu unterstützen“ (ebd.).<br />

Abb. 2: Beispiel einer Choreografie<br />

Quelle: Efzezet (2009)<br />

Die spektakulären Pyro-Shows sind fester Bestandteil der Ultrakultur, wie sie auf der<br />

ganzen Welt anzutreffen ist. Überall wo Fussball gespielt wird, wird gefeiert <strong>und</strong> das<br />

auch mit pyrotechnischem Material. Durch das Abbrennen von bengalischen Fackeln<br />

werden dabei die Choreografien unterstützt <strong>und</strong> die gesamte Fankurve wird bildlich<br />

gesprochen zu einer einzigen Fackel, die für ihren Verein brennt. Dieses Phänomen<br />

bringt jedoch einige Probleme mit sich, denn die Gesetzeslage ist klar. Gemäss dem<br />

B<strong>und</strong>esgesetz über explosionsgefährliche Stoffe ist der Gebrauch von pyrotechnischen<br />

1 Organisiertes Abfeuern von <strong>Feuerwerk</strong> an Fussballspielen<br />

10


Gegenständen 2 eine Straftat (SprstG Art. 15 Abs. 5). Es drohen hohe Bussen <strong>und</strong> sogar Ge-<br />

fängnisstrafen sind möglich (SprstG Art. 37 Abs. 1).<br />

Aus den Richtlinien des Komitees der Swiss Football League betreffend des Erlasses von<br />

Stadionverboten (vgl. Anhang 1) geht weiter hervor, dass Verstösse gegen das Sprengstoff-<br />

gesetz (u.a. Mitführen <strong>und</strong> / oder Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen) dieselben<br />

Sanktionen nach sich ziehen wie Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen Leib <strong>und</strong><br />

Leben. Bei beiden Tatbeständen droht den Fans im Minimum ein zweijähriges gesamt-<br />

schweizerisches Stadionverbot.<br />

Das Abbrennen von bengalischen Fackeln ist vom Gesetzgeber nicht gr<strong>und</strong>los verboten. Die<br />

Verwendung der Fackeln ist gefährlich, da in ihnen unter anderem Magnesium verbrannt<br />

wird <strong>und</strong> die Flamme dadurch eine Temperatur zwischen 1.600°C <strong>und</strong> 2.500°C erzeugt (Po-<br />

lizeiberatung Deutschland, 2009). Verbrennungen können selbst dann hervorgerufen wer-<br />

den, wenn ein direkter Kontakt mit dem Feuer gar nicht zustande kommt. Ein Löschen dieser<br />

pyrotechnischen Feuer ist während der Abbrenndauer nicht möglich. Ausserdem gibt es eine<br />

starke Rauchentwicklung, das Einatmen des Rauchs sollte aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen<br />

vermieden werden. Da es gerade in der jüngsten Zeit im schweizerischen Fussball zu ge-<br />

fährlichen Vorfällen kam, wird das Thema vermehrt in der Öffentlichkeit diskutiert <strong>und</strong> prob-<br />

lematisiert. Aber war das schon immer so? Die breite Öffentlichkeit wird geprägt durch Me-<br />

dienmitteilungen. Das Problem dabei ist, dass diese Mitteilungen einseitig sein können <strong>und</strong><br />

deshalb keine objektive Sicht der Dinge wiedergeben. Während der Auseinandersetzung mit<br />

der Thematik wurde festgestellt, dass sich die Einstellung gegenüber pyrotechnischem Mate-<br />

rial in Fussballstadien <strong>und</strong> die Berichterstattung darüber in den letzten Jahren gewandelt hat.<br />

Mitte der Neunzigerjahre wurde über Fussballspiele berichtet, in denen eine besonders gute<br />

Stimmung herrschte, als beispielsweise an einem Cupfinal massenweise pyrotechnisches<br />

Material abgefeuert wurde. Heute sprechen Medienschaffende von unverbesserlichen Chao-<br />

ten, die es wohl nie lernen werden. Zu diesem Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Einstellungswandel gibt<br />

es ein interessantes Video im Internet zu sehen, in dem Szenen aus älteren Aufzeichnungen<br />

mit aktuellen Szenen abwechselnd zusammengeschnitten wurden (Youtube, 2009). Doch<br />

nicht nur der Zeitfaktor spielt eine Rolle, es ist auch eine Frage des Kontextes. So zählt der<br />

jährliche Nachtslalom von Schladming zu den absoluten Highlights des Skizirkusses. Sport-<br />

ler, Veranstalter <strong>und</strong> Medien berichten von einer faszinierenden Stimmung. Diese<br />

Stimmung wird allerdings sehr stark durch die brennenden bengalischen Fackeln am<br />

Streckenrand geprägt.<br />

2 „Pyrotechnische Gegenstände sind gebrauchsfertige Erzeugnisse mit einem Explosiv- oder Zündsatz, die a.)<br />

nicht <strong>zum</strong> Sprengen, sondern zu anderen industriellen, technischen oder landwirtschaftlichen Zwecken bestimmt<br />

sind, wie Signalmittel, Wetterraketen, Patronen <strong>zum</strong> Schweissen oder Härten von Metallen, oder b.) bloss dem<br />

Vergnügen dienen, wie die <strong>Feuerwerk</strong>skörper“ (SprstG Art. 7).<br />

11


Parallel zur Entwicklung der Ultraszene in der Schweiz hat auch die sozioprofessionelle<br />

Fanarbeit in der Schweiz Fuss gefasst. Bereits in mehreren Städten gibt es eine solche Fan-<br />

arbeit, in der Professionelle der Sozialen Arbeit eingesetzt werden. Das Ziel der sozioprofes-<br />

sionellen Fanarbeit ist es, die Fankultur zu erhalten <strong>und</strong> zu stützen. Ein wichtiger Bestandteil<br />

dafür ist die Vernetzung mit relevanten Partnern, sprich dem Verein, dem Fussballverband,<br />

Behörden, Sicherheitsdiensten <strong>und</strong> der Polizei (Gander, Pesotto, Rierola & Zimmermann,<br />

2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 111f).<br />

1.2 Fragestellung<br />

Für unsere Arbeit haben wir uns folgende Fragen gestellt: Weshalb zünden <strong>Fussballfans</strong> in<br />

Stadien pyrotechnisches Material <strong>und</strong> welche Spannungsfelder entstehen <strong>und</strong> bestehen?<br />

Welche Subsysteme im sozialen System Fussball beeinflussen diese Spannungsfelder? Wie<br />

kann die sozioprofessionelle Fanarbeit die Probleme verhindern, lindern oder lösen?<br />

Aus den Hauptfragestellungen lassen sich folgende Teilfragen ableiten:<br />

1: Aus welchen Subsystemen setzt sich das soziale System Fussball zusammen<br />

<strong>und</strong> welche Spannungsfelder bestehen?<br />

2: Wer zündet in Fussballstadien pyrotechnisches Material <strong>und</strong> welche Motivation<br />

liegt dieser Handlung zugr<strong>und</strong>e?<br />

3: Welche Subsysteme im sozialen System Fussball beeinflussen das Spannungs-<br />

feld ’Pyro’ <strong>und</strong> welche Probleme entstehen dadurch?<br />

4: Wie erleben die Ultras als Hauptakteure die Spannungsfelder? Was haben sie für<br />

Lösungsvorschläge <strong>und</strong> wie realistisch sind sie?<br />

5: Wie kann die sozioprofessionelle Fanarbeit auf die verschiedenen Spannungsfel-<br />

1.3 Zielsetzung<br />

der Einfluss nehmen, um die Probleme zu verhindern, zu lindern oder zu lösen.<br />

Das zentrale Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, die Fans, welche die Fackeln zünden <strong>und</strong><br />

sich in diesem Moment strafbar machen, für sich sprechen zu lassen. Aus ihren Aussagen<br />

soll in Erfahrung gebracht werden, wer die zündenden Akteure sind, was sie dazu motiviert,<br />

welche vorbereitenden Handlungen dazu getroffen werden müssen, die ein illegales Zünden<br />

ermöglichen, welche Spannungsfelder sich daraus ergeben, welche Lösungsmöglichkeiten<br />

aus Sicht der Ultras in Frage kommen <strong>und</strong> wie sich die sozioprofessionelle Fanarbeit <strong>und</strong><br />

andere Akteure des sozialen Systems Fussball bei diesem Thema verhalten könnten. Aus<br />

12


diesen Erkenntnissen sollen Lösungsvorschläge für diese wichtige Sicherheitsfrage <strong>und</strong> An-<br />

sätze für die sozioprofessionelle Fanarbeit erarbeitet werden.<br />

1.4 Methodisches Vorgehen<br />

Die Datenerhebung erfolgte mittels einer <strong>qualitative</strong>n Studie. Dazu wurde ein teilstandardi-<br />

sierter Fragebogen entwickelt <strong>und</strong> es wurden sechs Interviews mit <strong>Fussballfans</strong> der Ultra-<br />

szene geführt, welche bereits bengalische Fackeln an einem Fussballspiel gezündet haben<br />

oder im Zusammenhang damit andere strafbare Handlungen begingen. Die Aussagen der<br />

Ultras wurden anschliessend verschiedenen Kategorien zugeordnet <strong>und</strong> codiert. Danach<br />

wurden sie zusammengefasst <strong>und</strong> ausgewertet. Die Ergebnisse aus dem Forschungsteil<br />

sind im Schlussteil mit Theorien der sozialen Arbeit verknüpft, um Aussagen <strong>und</strong><br />

Empfehlungen an die verschiedenen Subsysteme des sozialen Systems Fussball machen<br />

zu können.<br />

1.5 Aufbau der Arbeit<br />

Im ersten Teil der Arbeit werden Begriffe definiert, welche für den weiteren Verlauf relevant<br />

sind <strong>und</strong> auf die später zurückgegriffen wird. In der Folge werden zunächst Kategorisie-<br />

rungssysteme vorgestellt <strong>und</strong> anschliessend wird vertieft auf die Ultrakultur eingegangen.<br />

Danach wird der Fokus auf das soziale System Fussball gelegt. Darin werden eingangs die<br />

verschiedenen Akteure <strong>und</strong> die aus der Interaktion entstehenden Spannungsfelder sowie die<br />

daraus resultierenden Abhängigkeiten beschrieben <strong>und</strong> die aktuelle Pyro-Thematik aufgegrif-<br />

fen. Im empirischen Teil der Arbeit wird zuerst der Forschungsprozess transparent gemacht<br />

<strong>und</strong> danach werden die Interviews mit den Ultras ausgewertet <strong>und</strong> Erkenntnisse daraus ge-<br />

zogen. Im Schlussteil werden die Forschungsergebnisse analysiert <strong>und</strong> diskutiert <strong>und</strong> ab-<br />

schliessend Empfehlungen abgegeben.<br />

13


II Hauptteil<br />

2 Definitionen<br />

In diesem Kapitel werden zunächst der Auftrag <strong>und</strong> der Gegenstand Sozialer Arbeit geklärt,<br />

um später in dieser Arbeit die Notwendigkeit von sozioprofessioneller Fanarbeit im sozialen<br />

System Fussball zu verdeutlichen. Danach wird der Begriff der ’Szene’ erläutert <strong>und</strong> pyro-<br />

technisches Material ausdifferenziert, da in folgenden Kapiteln Bezug darauf genommen<br />

wird. Des Weiteren braucht es ein Hintergr<strong>und</strong>wissen über die Entwicklung <strong>und</strong> Kommerzia-<br />

lisierung des Fussballsports, um die Thematik dieser Arbeit zu verstehen.<br />

2.1 Soziale Arbeit<br />

In der Schweiz gibt es keine einheitliche Definition der Sozialen Arbeit. Diese Arbeit stützt<br />

sich auf die Definition der International Federation of Social Workers, welche an der Zürcher<br />

Hochschule für Angewandte Wissenschaften gelehrt wird (2002; zit. nach Staub-<br />

Bernasconi, 2008):<br />

Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in mensch-<br />

lichen Beziehungen sowie die Ermächtigung <strong>und</strong> Befreiung von Menschen fördert,<br />

um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen Ver-<br />

haltens sowie sozialer Systeme als Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit<br />

im Schnittpunkt zwischen Individuum <strong>und</strong> Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzi-<br />

pien der Menschenrechte <strong>und</strong> sozialer Gerechtigkeit für die Soziale Arbeit von fun-<br />

damentaler Bedeutung. (S. 9)<br />

Nach Geiser (2004, S. 65f) umfasst der Gegenstand der Praxis Sozialer Arbeit<br />

drei Elemente:<br />

1. Individuen als Komponenten sozialer Systeme bzw. soziale Systeme mit Individuen<br />

als Komponenten, also Einzelne, als Mitglieder von Paaren, Familien, Nachbarn,<br />

Gruppen, Mitglieder von Organisationen, sowie Quartierbewohner/Gemeinwesen.<br />

2. Deren Probleme manifestieren sich in vier Klassen (ökologische, biologische, psychi-<br />

sche <strong>und</strong> soziale Probleme), oft gleichzeitig <strong>und</strong> auf mehr oder weniger lange Dauer<br />

oder sind – ohne Intervention – absehbar (potentiell).<br />

3. Den Adressaten Sozialer Arbeit fehlen die Ressourcen (oder sie verstehen sie nicht<br />

zu nutzen oder kennen sie nicht), um aus eigener Kraft die bestehenden Probleme zu<br />

mildern oder zu lösen bzw. neue Probleme zu vermeiden.<br />

14


<strong>Eine</strong> umfassende Gegenstandsbeschreibung enthält zusätzlich Aussagen zu Werten, Zielen,<br />

Verfahren, sowie Mittel Sozialer Arbeit, worauf an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet<br />

werden muss.<br />

Der allgemeine Auftrag Sozialer Arbeit besteht darin, Individuen zu unterstützen, eine soziale<br />

Position zu erreichen, die ihnen soziale Mitgliedschaft ermöglicht <strong>und</strong> sichert (Geiser 2002;<br />

zit. nach Koller & Nägele, 2005, S. 15).<br />

Soziale Integration ist der leitende Wert, wie auch die ideale Vorstellung zu Lebenssi-<br />

tuationen von Individuen <strong>und</strong> sozialen Systemen. Die soziale Position ist die Quelle<br />

von Interaktionen <strong>und</strong> von sozialer Anerkennung. Menschen sollen in der Lage sein,<br />

im Rahmen sozialer Beziehungen ihren Handlungsraum zu nutzen, Beziehungen be-<br />

einflussen <strong>und</strong> somit Abhängigkeiten reduzieren zu können. Soziale Systeme sollen<br />

so weit angepasst werden, dass Individuen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Die-<br />

se Beeinflussung der sozialen Systeme, damit der einzelne Mensch seine Bedürfnis-<br />

se optimal befriedigen kann, ist der Auftrag der Sozialen Arbeit. (ebd.)<br />

2.2 Der Begriff der Szene<br />

Die gesellschaftliche Modernisierung bringt verschiedene Konsequenzen mit sich, unter an-<br />

derem auch für die Lebensphase der Jugend. Die Pluralisierungs- <strong>und</strong> Individualisierungs-<br />

prozesse führen zwar zu einer enormen Komplexitätssteigerung gesellschaftlicher Wirklich-<br />

keitskonstruktionen, münden aber nicht in Strukturlosigkeit, sondern führen eher zu (mitunter<br />

f<strong>und</strong>amentalen) Umstrukturierungen des sozialen Lebens. Die Konfrontation mit einer immer<br />

komplexeren Realität verunsichert Einzelne, wodurch der Bedarf nach kollektiven Vorgaben<br />

erhöht wird. Die herkömmlichen Institutionen der Sozialisation wie Kirche, Jugendverbände,<br />

Schule oder Familie werden diesem Bedarf immer weniger gerecht, wodurch sich neue Er-<br />

fahrungsräume für die Entwicklung von Werten, Entscheidungskompetenzen, Verhaltens-<br />

weisen, Deutungsmustern oder gar von ganzen Sinnwelten öffnen (Hitzler, Bucher & Nieder-<br />

bacher, 2005, S. 17). Die Szene als Form der jugendlichen 3 Vergemeinschaftung definieren<br />

die Autoren folgendermassen (S. 20): „Thematisch fokussierte kulturelle Netzwerke von Per-<br />

sonen, die bestimmte materielle <strong>und</strong>/oder mentale Formen der kollektiven Selbststilisierung<br />

teilen <strong>und</strong> Gemeinsamkeiten an typischen Orten <strong>und</strong> zu typischen Zeiten interaktiv stabilisie-<br />

ren <strong>und</strong> weiterentwickeln.“ Demnach sind Szenen Gesinnungsgemeinschaften, die der sozia-<br />

len Verortung dienen <strong>und</strong> ihre eigene Kultur haben. Innerhalb bilden sich Gruppen von Per-<br />

sonen oder es bewegen sich bereits bestehende Fre<strong>und</strong>eskreise in eine Szene hinein. Je<br />

3 Wobei der Begriff der Jugend hier nicht als klar umrissene <strong>und</strong> ausschliesslich durch das Lebensalter definierte<br />

Lebensphase verstanden wird, sondern vielmehr als Lebenshaltung oder Selbstwahrnehmung (Hitzler et al.,<br />

2005, S. 9).<br />

15


nach Involvierungsgrad des einzelnen Szenegängers können drei Gruppen unterschieden<br />

werden: Der Szenekern, Friends <strong>und</strong> Heavy-User <strong>und</strong> der normale Szenegänger<br />

(vgl. Abb. 3). Dem Szenekern, der so genannten Organisationselite, kommt dabei die wich-<br />

tigste Funktion einer Szene zu, da sie durch die Organisation von Events <strong>und</strong> das Schaffen<br />

von Innovationen einen grossen Einfluss auf sie hat. Die Szene strukturiert sich also um die<br />

Organisationselite (ebd., S. 27).<br />

Abb. 3: Die Organisationselite<br />

Quelle: Hitzler et al. (2005, S. 27)<br />

2.3 Pyrotechnisches Material<br />

Geschichtlicher Exkurs: Das erste bekannte pyrotechnische Gemisch stellten Pech <strong>und</strong><br />

Schwefel dar <strong>und</strong> stammte aus dem 5. Jh. v. Chr. Das Griechische Feuer wurde seit dem<br />

7. Jh. n. Chr. verwendet. Schwarzpulver, das wichtigste pyrotechnische Gemisch, findet sich<br />

ab dem 9. Jh. in China unter dem Namen huo yao (‘Feuerdroge’) <strong>und</strong> gelangte im 13. Jh.<br />

vermutlich über arabische Handelswege nach Europa. Dort entwickelte sich schnell eine<br />

Lustfeuerwerkerei, welche vom 16. bis 18. Jh. ihren Höhepunkt fand. Mit ausgehöhlten Figu-<br />

ren wurden regelrechte Feuer-Dramen aufgeführt (Sievernich, 1987, S. 6ff). Teilweise sind<br />

heute noch solche Schnurfeuerwerke bei religiösen Zeremonien in Italien zu beobachten.<br />

Farbige Effekte wurden ab dem 19. Jh. in <strong>Feuerwerk</strong>en verwendet, als mit dem Aufleben der<br />

Chemie auch die Spektroskopie entwickelt wurde (Conkling, 1985, S. 3ff). Etwa in der glei-<br />

chen Zeit fand erstmals eine Trennung zwischen Lust- <strong>und</strong> Kriegsfeuerwerk statt. Bis zu die-<br />

sem Zeitpunkt wurden dieselben Methoden von den Pyrotechnikern sowohl für kriegerische<br />

wie zivile Zwecke eingesetzt (Sievernich, 1987, S. 13).<br />

Historisch betrachtet übt also <strong>Feuerwerk</strong> seit Jahrh<strong>und</strong>erten eine grosse Faszination auf<br />

Menschen aus. Vom deutschen Philosophen, Soziologen, Musiktheoretiker <strong>und</strong> Komponis-<br />

16


ten Theodor W. Adorno (o. J.) stammt das bekannte Zitat: „Das <strong>Feuerwerk</strong> ist die perfekteste<br />

Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter<br />

wieder entzieht.“<br />

In der heutigen Zeit wird <strong>Feuerwerk</strong> sehr oft an verschiedenen Festen <strong>und</strong> feierlichen Anläs-<br />

sen <strong>zum</strong> Ausdruck von Freude <strong>und</strong> Euphorie eingesetzt. Diesbezüglich gelten in den ver-<br />

schiedenen Ländern unterschiedliche gesetzliche Regelungen über den Gebrauch von Feu-<br />

erwerkskörpern. Das B<strong>und</strong>esgesetz für explosionsgefährliche Stoffe verbietet pyrotechnische<br />

Gegenstände zu Vergnügungszwecken. Die Kantone können die Verwendung für die Feier<br />

von historischen Anlässen wie dem Nationalfeiertag oder ähnliche Bräuche wie dem Silves-<br />

ter ausnahmsweise erlauben (SprstG Art. 15 Abs. 5).<br />

Zu pyrotechnischem Material ist keine einheitliche Definition vorhanden. In gesetzlichen Re-<br />

gelungen wird meist der Begriff ’pyrotechnische Gegenstände’ verwendet <strong>und</strong> in den Medien<br />

sowie in Fankreisen wird oft von Pyro gesprochen. In dieser Arbeit wird fortan vorwiegend<br />

der Überbegriff ’pyrotechnisches Material’ benutzt <strong>und</strong> wo es Sinn macht die Abkürzung ’Py-<br />

ro’. Darunter werden die an Fussballspielen häufigsten pyrotechnischen Materialien wie ben-<br />

galische Fackeln, Signalfackeln, Rauchpetarden <strong>und</strong> Knallpetarden verstanden.<br />

2.4 Die Entwicklung <strong>und</strong> Kommerzialisierung des Fussballsports<br />

Brändle <strong>und</strong> Koller (2002, S. 96ff) beschreiben die Entwicklung <strong>und</strong> Kommerzialisierung des<br />

Fussballsports folgendermassen. Der erfrischende Offensivfussball, wie ihn in den 70-er Jah-<br />

ren etwa die Nationalmannschaften der Niederlande, Deutschlands <strong>und</strong> die südamerikani-<br />

schen Teams geboten hatten, wurde in den 80-er Jahren durch den defensiv geprägten <strong>und</strong><br />

auf Sicherheit bedachten Fussball zur Vermeidung von Gegentreffern verdrängt. Dadurch<br />

verlor der Fussball viel von seiner spielerischen Attraktivität <strong>und</strong> die Zuschauerzahlen san-<br />

ken in mehreren Profiligen Europas. In der Folge wurden einige Regeländerungen einge-<br />

führt, die das Spiel wieder offensiver machen sollten, wie beispielsweise die Rückpassregel 4<br />

oder das neue Punktesystem 5 . Zusätzlich schadeten während dieser Zeit mehrere Meldun-<br />

gen von Gewalteskalationen unter <strong>Fussballfans</strong> sowie von eingestürzten Fussballstadien<br />

dem Sport. Da diese Einstürze auf völlig veraltete Stadionstrukturen zurückzuführen waren,<br />

zogen sie einen wahren Modernisierungsschub nach sich. Unter dem Druck einer Drohung<br />

der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, den Profifussball zu verbieten, wurden in<br />

4 „Wenn ein Mitspieler seinem Torwart den Ball mit dem Fuss absichtlich zugespielt hat, darf dieser den Ball nicht<br />

mit der Hand berühren. Wenn er den Ball doch mit der Hand berührt, bekommt die Gegenmannschaft einen indirekten<br />

Freistoss zugesprochen. Der indirekte Freistoss wird an der Stelle ausgeführt, wo sich der Verstoss ereignete“<br />

(FIFA, o. J.a).<br />

5 Ein Sieg wird in der Tabelle mit drei Punkten bewertet <strong>und</strong> ein Unentschieden mit einem. Vor der Einführung der<br />

Regel erhielt die siegreiche Mannschaft nur zwei Punkte.<br />

17


Grossbritannien, dem Mutterland des Fussballs, die Sicherheitsmassnahmen verbessert <strong>und</strong><br />

ein Überwachungssystem zur Bekämpfung des Hooliganismus installiert. Die getroffenen<br />

Massnahmen in England hatten auch eine internationale Signalwirkung. In der Folge davon<br />

wurden neue Stadien nur noch als Sitzplatz-Arenen konzipiert. Diese Modernisierung der<br />

Infrastruktur hatte einen massiven Anstieg der Eintrittspreise zur Folge <strong>und</strong> trug zu einem<br />

erheblichen Wandel der Zuschauer bei. Die unüberdachte Stehrampe, die seit jeher Symbol<br />

sowohl für die Verwurzelung des Fussballs in der Arbeiterkultur als auch für die emotionale<br />

Verb<strong>und</strong>enheit des Fans mit seinem Verein stand, verschwand weitgehend.<br />

Neben diesen fussballinternen Gründen für den Wandel in den 90-er Jahren wirkte auch eine<br />

ganze Reihe externer Faktoren, die mit der neoliberalen Gr<strong>und</strong>strömung im Zusammenhang<br />

standen, welche die wirtschafts- <strong>und</strong> sozialpolitischen Debatten beherrschte. Folgende Wor-<br />

te von Bill Shankly (o. J.; zit. nach Brändle & Koller, 2002, S. 98), dem legendären Manager<br />

des FC Liverpool, fanden weder in Politik noch im Sport weiter Beachtung: „The socialism I<br />

belive in is everyone working for each other, everyone having a share of the rewards. It`s the<br />

way I see football, the way I see life“ 6 . Die Spitzenclubs in England forderten eine Reform der<br />

Umverteilungsmechanismen 7 , die später bei der Einführung der ‘Premier League’, die mit<br />

den unteren Profiligen nur noch locker durch den Auf-Abstiegsmechanismus verb<strong>und</strong>en<br />

blieb, ganz abgeschafft wurden.<br />

Ähnliche Vorgänge spielten sich auch in anderen führenden Profiligen ab. Die Hauptursache<br />

lag in der Liberalisierung der elektronischen Medien, welche die TV-Einnahmen in astrono-<br />

mische Höhen trieb. Ein weiterer Schlüsselpunkt war wohl das so genannte Bosman-Urteil.<br />

Der belgische Fussballspieler Jean-Marc Bosman klagte im Jahre 1990 beim Europäischen<br />

Gerichtshof (EuGH), weil sein Transfer an den finanziellen Forderungen seines Vereins ge-<br />

scheitert war. Fünf Jahre später entschied der EuGH, Ablösesummen für vertragsfreie Spie-<br />

ler seien illegal <strong>und</strong> ordnete gleichzeitig an, dass aufgr<strong>und</strong> des in europäischen Ländern gel-<br />

tenden Prinzips der Personenfreizügigkeit in einer Mannschaft beliebig viele EU-Ausländer<br />

spielberechtigt sind. Dadurch wurden die Spieler von Transferobjekten zu Vertragspartnern<br />

der Vereine <strong>und</strong> die Gehälter der Stars stiegen übermässig an. Die europäischen Spitzenli-<br />

gen verloren nun definitiv ihren nationalen Charakter <strong>und</strong> näherten sich immer mehr dem<br />

Leitbild des durchkommerzialisierten amerikanischen Profisports. Die hohen Löhne konnten<br />

bezahlt werden, indem neue Einnahmequellen wie Pay-TV, Merchandising <strong>und</strong> Catering<br />

erschlossen wurden. Von dieser Entwicklung profitierten vor allem die wenigen Grossklubs,<br />

welche die Quellen auch auszuschöpfen verstanden <strong>und</strong> denen die Umwandlung des Euro-<br />

6 „Im Sozialismus, wie ich an ihn glaube, arbeitet jeder für jeden. Jeder kriegt einen gleich grossen Anteil der<br />

Entlöhnung. So sehe ich Fussball; so sehe ich das Leben.“<br />

7 Damals gaben alle 96 Profivereine 4% ihrer Zuschauereinnahmen in einen gemeinsamen Topf ab, der dann<br />

zusammen mit den TV-Einnahmen gleichmässig wieder verteilt wurde.<br />

18


pacups der Meister in die Champions League den grössten Nutzen brachte. Der Grossteil<br />

der Klubs musste sich allerdings aufgr<strong>und</strong> der steigenden Löhne <strong>und</strong> Transfersummen ver-<br />

schulden, wodurch sich in den nationalen Ligen eine Zweiklassengesellschaft entwickelte.<br />

1983 wagten sich die Tottenham Hotspurs als erster Fussballverein an die Börse. Im Jahr<br />

2000 waren es bereits 19 englische Klubs. Während die Aktien einiger Spitzenvereine<br />

schnell an Wert zulegten, entpuppte sich die Mehrzahl der Fussballaktien als Absteiger. So<br />

verlor beispielsweise in der Schweiz die GC 8 -Aktie innerhalb dreier Jahre 50% an Wert <strong>und</strong><br />

wurde schliesslich wieder dekodiert.<br />

Es scheint logisch, dass diese kommerzielle Bewegung des Fussballsports eine Gegenbe-<br />

wegung hervorruft. Ein schönes Beispiel dafür spielte sich 1989 in Hamburg ab. Hier plante<br />

die Vereinsführung des FC St.-Pauli, mit einer kanadischen Investorengruppe ein giganti-<br />

sches High-Tech-Projekt namens ‘Sport-Dome’ zu realisieren <strong>und</strong> das alte Millerntor-Stadion<br />

abzureissen. Dagegen bildete sich eine Bürgerinitiative aus St.-Pauli-Fans <strong>und</strong> Quartierbe-<br />

wohnern, die mit vielfältigen Aktivitäten gegen das Grossprojekt protestierten. Schliesslich<br />

musste die Vereinsführung einlenken. Später rief ein Teil der Bürgerinitiative das Magazin<br />

‘Millerntor Roar’ ins Leben, das von Beginn weg eine pointiert antirassistische Linie verfolgte,<br />

die sich auf die ganze Fanszene des Vereins übertrug <strong>und</strong> zu dieser Zeit in Deutschland<br />

sehr atypisch war. Aus diesen Gründen erlangte der Verein internationale Bekanntheit, ob-<br />

wohl er sportlich keine besonderen Erfolge vorzuweisen hat <strong>und</strong> hauptsächlich in der zweiten<br />

B<strong>und</strong>esliga spielt.<br />

3 <strong>Fussballfans</strong><br />

Elias <strong>und</strong> Dunning (2003, S. 392ff) stellten in ihrer Studie fest, dass die soziale Bedeutung<br />

des Sports zugenommen hat. Abgesehen von der sich wandelnden Balance zwischen Arbeit<br />

<strong>und</strong> Freizeit konnten sie eine Konstellation von drei miteinander zusammenhängenden<br />

Faktoren ausmachen:<br />

a) die Tatsache, dass der Sport sich zu einem der wichtigsten Mittel für die Erzeugung<br />

angenehmer Erregung entwickelt hat;<br />

b) die Tatsache, dass der Sport zu einem der wichtigsten Mittel der kollektiven Identifi-<br />

kation geworden ist;<br />

c) die Tatsache, dass der Sport im Leben vieler Menschen die Hauptquelle von Sinn<br />

geworden ist. (S. 393)<br />

Bei diesen Aussagen beziehen sie sich sowohl auf Athleten bzw. Spieler wie auf Zuschauer.<br />

Die ‘angenehme Erregung’ wird erzeugt, indem der Sport eine Entformalisierungsfunktion<br />

8 Grasshopper-Club Zürich<br />

19


erfüllt. Da die westliche Gesellschaft hochgradig formalisiert <strong>und</strong> zivilisiert ist <strong>und</strong> die Men-<br />

schen gezwungen sind, in ihrem Alltagsleben ständig einen hohen Grad an emotionaler Kon-<br />

trolle auszuüben, wird das Verlangen nach entformalisierenden Freizeitbeschäftigungen wie<br />

Sport besonders stark. Der Wesenszug des Sports, dass jeweils zwei oder mehr Mannschaf-<br />

ten bzw. Individuen gegeneinander antreten, eignet sich besonders gut zur Bildung von Ei-<br />

gengruppen <strong>und</strong> Fremdgruppen, also als Mittel der ‘kollektiven Identifikation’. Der Sinn für<br />

die Zusammengehörigkeit <strong>und</strong> Einheit der eigenen Gruppe wird durch die Anwesenheit einer<br />

zweiten Gruppe gestärkt. Genau genommen bietet der Sport „die einzige Gelegenheit, bei<br />

der grosse, komplexe <strong>und</strong> unpersönliche soziale Gebilde wie Städte eine Einheit bilden kön-<br />

nen“ (ebd., S. 395). Des Weiteren beschreiben sie die Annahme als plausibel, dass durch<br />

die Erzeugung einer kollektiven Ekstase der Sport mittlerweile für einen Teil der Gesellschaft<br />

zu einer quasi-religiösen Betätigung geworden ist <strong>und</strong> die Lücke im sozialen Leben gefüllt<br />

hat, welche der Bedeutungsverlust der Religion hinterlassen hat. Diese These lässt sich all-<br />

gemein auf Sportanhänger übertragen, was beim Fussball besonders gut sichtbar wird. Der<br />

Ausdruck ‘heiliger Rasen’ für einen Fussballplatz <strong>und</strong> die Tradition, dass verstorbene Fans<br />

(beispielsweise des FC Liverpools) ihre Asche über dem Rasen ihres Stadions verstreuen<br />

lassen, unterstreicht diese These. Das Stadion wird gewissermassen <strong>zum</strong> Tempel <strong>und</strong> das<br />

Spiel <strong>zum</strong> Gottesdienst.<br />

3.1 Kategorisierung der <strong>Fussballfans</strong><br />

Wie bereits eingangs dieser Arbeit erwähnt, handelt es sich bei den Zuschauern eines Fuss-<br />

ballspiels nicht um eine homogene Masse, sondern um diverse Gruppen, die aufgr<strong>und</strong> ihres<br />

Verhaltens während des Spiels, der Kleidung <strong>und</strong> des Aufenthaltsortes im Stadion voneinan-<br />

der abgegrenzt werden können (Illi, 2004, S. 17). Da in dieser Arbeit eine kleine Teilmenge<br />

der Stadionbesucher analysiert wird, macht zunächst eine Kategorisierung der <strong>Fussballfans</strong><br />

Sinn, um später gezielt auf die beschriebene Gruppe einzugehen <strong>und</strong> deren besondere Kul-<br />

tur zu erläutern.<br />

Zur Differenzierung von <strong>Fussballfans</strong> versuchen sowohl Fachkreise, Medien als auch Fuss-<br />

ballfans selbst die Einteilung in verschiedene Kategorien. In den folgenden Kapiteln werden<br />

zwei bekannte Kategorisierungsmodelle beschrieben, die einerseits ähnlich sind, denen aber<br />

andererseits unterschiedliche Betrachtungsweisen zu Gr<strong>und</strong>e liegen. Da beide Modelle für<br />

die sozioprofessionelle Fanarbeit eher ungeeignet sind, wird im weiteren Verlauf ein Katego-<br />

risierungs-Vorschlag von Zimmermann vorgestellt (2008, S. 12), der sich am theoretischen<br />

Konzept der Szene nach Hitzler et al. orientiert, bedauerlicherweise aber noch wenig<br />

erforscht ist.<br />

20


3.1.1 Polizeiliche Kategorisierung<br />

Aufgr<strong>und</strong> von Sicherheitsüberlegungen hat die Polizei <strong>Fussballfans</strong> in drei Kategorien einge-<br />

teilt <strong>und</strong> dadurch die erste international gebräuchliche Kategorisierung aufgestellt. Aus<br />

pragmatischen Gründen wurde die Einteilung aufgr<strong>und</strong> des Gewaltpotentials vorgenommen,<br />

da diese die polizeiliche Arbeit r<strong>und</strong> um Fussballveranstaltungen prägt. Dabei wird unter-<br />

schieden zwischen dem ‘A-Fan’, der sich absolut friedlich verhält, dem ‘B-Fan’, der bei Gele-<br />

genheit zu Gewalt neigt <strong>und</strong> dem ‘C-Fan’, der zu Gewalt entschlossen <strong>und</strong> von ihr fasziniert<br />

ist. Mittlerweile wendet die Polizei ein neues Modell an <strong>und</strong> unterscheidet nur noch zwischen<br />

’Risk-’ <strong>und</strong> ’Non-Risk-Fans’. Für die Arbeit der Polizei ist diese Einteilung von grosser Bedeu-<br />

tung, um finanzielle <strong>und</strong> personelle Mittel gezielt einzusetzen <strong>und</strong> gefährliche Situationen<br />

frühzeitig zu erkennen. Da diese Differenzierung die Fans auf ihr Risikopotential beschränkt<br />

<strong>und</strong> somit von einer Defizit-Orientierung ausgeht, ist sie für die sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

ungeeignet, da diese versucht, im Wissen um die existierenden Ressourcen der Fans zu<br />

handeln (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 12).<br />

3.1.2 Soziologische Kategorisierung<br />

Heitmeyer <strong>und</strong> Peter (1988, S. 32ff) unterscheiden in ihrem Modell ebenfalls zwischen drei<br />

Kategorien, den konsumorientierten, den fussballlzentrierten <strong>und</strong> den erlebnisorientierten<br />

<strong>Fussballfans</strong>. Der konsumorientierte Fussballfan macht seinen Besuch im Stadion in erster<br />

Linie von der erwarteten Attraktivität des bevorstehenden Fussballspiels abhängig <strong>und</strong> ent-<br />

scheidet sich meist spontan für einen Spielbesuch. Der fussballzentrierte Fan besucht wenn<br />

möglich jedes Spiel seines Vereins <strong>und</strong> weist eine überaus hohe Identifikation mit seinem<br />

Club aus (Illi, 2004, S.17f). Der erlebnisorientierte Fan schliesslich sieht im Fussball in erster<br />

Linie eine Plattform, um sich selbst zu inszenieren <strong>und</strong> daraus intensive Erlebnisse zu erfah-<br />

ren (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 15).<br />

Bedingt durch den allgemeinen gesellschaftlichen Wandel <strong>und</strong> die zunehmende Kommerzia-<br />

lisierung des Fussballs lässt die heutige Fanszene sich kaum mehr mit derjenigen verglei-<br />

chen, als dieser Ansatz entwickelt wurde. Jüngere Phänomene wie die Entwicklung der Ult-<br />

raszene sind nicht mehr trennscharf in dieser Kategorisierung einzuordnen. Ein weiterer Kri-<br />

tikpunkt an diesem Ansatz ist die eindimensionale Betrachtungsweise, wodurch die Bezeich-<br />

nung zu einer Kategorie die Merkmale einer anderen ausschliesst (Zimmermann, 2008;<br />

zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 15).<br />

21


3.1.3 Modell der mehrdimensionalen Fankultur<br />

Anhand der Definition der Szene 9 von Hitzler et al. beschreibt Zimmermann (2008) die Fuss-<br />

ballszene als typisches Beispiel folgendermassen:<br />

Fans sind in einem mehr oder weniger formellen Netzwerk (Fanclubs, lose Fangrup-<br />

pierungen) organisiert. Diese Netzwerke wiederum bilden ein übergeordnetes Netz-<br />

werk, das sich in der Fankurve des Stadions trifft (wobei die Fankurve gleichzeitig der<br />

in der Definition erwähnte typische Ort ist <strong>und</strong> der Match-Tag ist gleichzeitig die typi-<br />

sche Zeit). Die Fankurve wird <strong>zum</strong> (angeeigneten) Sozialraum der Fans. Thematisch<br />

wird auf den Sport <strong>und</strong> auf die (aus Fansicht) zugehörigen Bereiche fokussiert. <strong>Eine</strong><br />

kollektive Selbststilisierung ist in der Fanszene in hohem Mass gegeben. Sie spielt<br />

sich sowohl in materialer (Choreografien, Fanartikel usw.) als auch in mentaler<br />

(Sprechchöre, Unterstützung der Mannschaft) Form ab. Interaktiv stabilisierend ist die<br />

Fanszene insofern, als dass sie sich selber gewisse Verhaltens-Codes gibt. Dabei<br />

sind die Fans auch soweit wie möglich bedacht, das interne Gleichgewicht nicht zu<br />

gefährden <strong>und</strong> Eigeninteressen hinter die Szene-Interessen zu stellen. Das hat zur<br />

Folge, dass die politische Dimension meistens von den Fans bewusst ausgeklammert<br />

wird, um dieses Gleichgewicht nicht zu gefährden. (S. 16)<br />

Der thematische Fokus Sport lässt sich für die Fanszene auf acht verschiedene Dimensio-<br />

nen aufteilen, welche von den verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Fanszene unter-<br />

schiedlich gewichtet <strong>und</strong> mit spezifischen Ressourcen ausgefüllt werden. Wie bereits er-<br />

wähnt handelt es sich um einen Kategorisierungsvorschlag von Zimmermann (2008, S. 12).<br />

Die acht Dimensionen sollen zu einem differenzierten Verständnis der Fanszene beitragen.<br />

Bei jeder Dimension kann es auf der Handlungs- <strong>und</strong> Verhaltensebene zu problematischen<br />

Ausprägungen kommen. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, daraus positive<br />

Handlungsmuster abzuleiten, was wiederum ein wichtiger Bestandteil der sozioprofessionel-<br />

len Fanarbeit ist (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 16f).<br />

• „Die Sport Dimension“<br />

Wie stark ist das Sportinteresse ausgeprägt?<br />

• „Die Aktivitäten-Dimension“<br />

Wie stark sind die Aktivitäten ausserhalb der Spielzeiten?<br />

• „Die Kreativitäts-Dimension“<br />

Wie hoch sind die kreativen Einflüsse auf die Aktivitäten während des Spiels?<br />

9 „Thematisch fokussierte kulturelle Netzwerke von Personen, die bestimmte materielle <strong>und</strong>/oder mentale Formen<br />

der kollektiven Selbststilisierung teilen <strong>und</strong> Gemeinsamkeiten an typischen Orten <strong>und</strong> zu typischen Zeiten interaktiv<br />

stabilisieren <strong>und</strong> weiterentwickeln.“ (Hitzler et al., 2005, S. 20).<br />

22


• „Die Erlebnis-Dimension“<br />

Wie stark ist die Erlebnis-Orientierung (im Sinne von emotionaler Stimulierung) aus-<br />

geprägt?<br />

• „Die Gewalt-Dimension“<br />

Wie stark ist die verbale <strong>und</strong> physische Gewaltbereitschaft ausgeprägt?<br />

• „Die Loyalitäts-Dimension“<br />

Wie stark ist die Loyalität <strong>und</strong> Nähe zur Vereinsführung ausgeprägt?<br />

• „Die Treue-Dimension“<br />

Wie hoch ist die Präsenz in den Stadien <strong>und</strong> die Treue <strong>zum</strong> Verein bei Misserfolgen?<br />

• „Die Konsum-Dimension“<br />

Wie stark ist die Konsumorientierung ausgeprägt?<br />

3.2 Ultras<br />

Im vorangegangenen Unterkapitel wurden die Kategorisierungen beschrieben, die von aus-<br />

sen her der Fussballszene aufgesetzt wurden. Daneben gibt es aber auch die Eigenbezeich-<br />

nungen der Szene. Der Begriff Ultra ist ein solcher Eigenname. Zu Charakterisierungsmerk-<br />

malen der Ultraszene fällt eine sehr umfangreiche empirische <strong>Untersuchung</strong>, die in Deutsch-<br />

land vorgenommen wurde, von Pilz, Behn, Klose, Schwenzer, Steffan <strong>und</strong> Wölki aus dem<br />

Jahr 2006 auf. Wo nicht anders vermerkt, basieren die Ausführungen in diesem Kapitel auf<br />

einigen Ergebnissen aus dieser Studie.<br />

Die Wurzeln der Ultra-Bewegung liegen in den 60-er Jahren in Italien. Über den genauen Ort<br />

des Ursprungs existieren jedoch unterschiedliche Überlieferungen (Guilianotti, 1999; Scheid-<br />

le, 2002; zit. nach Pilz et al., 2006, S. 123).<br />

<strong>Eine</strong> wichtige Erkenntnis aus der Studie ist, dass es keine einheitliche Ultraszene gibt, viel-<br />

mehr existieren unterschiedliche Gruppierungen, welche über eigene Strukturen, Regeln,<br />

Schwerpunkte <strong>und</strong> Vorstellungen darüber verfügen, was für sie Ultra bedeutet. Dies zeigt<br />

deutlich, dass externe Kategorisierungen <strong>und</strong> die Eigenbezeichnung nicht vereinbar sind. Die<br />

einzige Gemeinsamkeit aller Ultras ist die ausgeprägte Lust, den Verein 90 Minuten lang im<br />

Dauereinsatz akustisch <strong>und</strong> optisch zu unterstützen. Dies geschieht mit Hilfe von Choreogra-<br />

fiemitteln wie <strong>zum</strong> Beispiel Fahnen, Doppelhaltern 10 , Schals oder dem Abbrennen von pyro-<br />

technischem Material. Ausserdem helfen sich Ultras gegenseitig, diese Aktionen bereits<br />

während der Woche des Spiels vorzubereiten <strong>und</strong> bleiben dabei oft kritisch gegenüber dem<br />

Verein (S. 30ff). Dazu geben Pilz et al. folgende Umschreibung (2006):<br />

10 Transparent, das auf beiden Seiten an eine Holzlatte oder ähnliches montiert ist <strong>und</strong> dadurch hochgehalten<br />

werden kann.<br />

23


Als Ultras werden demnach besonders leidenschaftliche, emotionale <strong>und</strong> engagierte<br />

Fans bezeichnet, die von der südländischen Kultur des Anfeuerns fasziniert sind, <strong>und</strong><br />

es sich zur Aufgabe gemacht haben, in (…) Stadien organisiert wieder für bessere<br />

Stimmung zu sorgen. Sie besitzen nur eine Identität - ihre Ultra-Identität - die sie so-<br />

wohl innerhalb der Woche als auch am Wochenende ausleben. (S. 8)<br />

Dabei stiftet nicht das Spiel oder der Verein die Fanidentität, sondern die Ultrakultur an sich.<br />

Die meisten Ultra-Gruppierungen veröffentlichen zur Selbstdarstellung ein Magazin, entwer-<br />

fen eigene Fanartikel mit eigenem Logo oder Symbolen, oder betreiben eine eigene Internet-<br />

seite (S. 31). Insgesamt kann die Ultraszene als eine sehr heterogene Jugendbewegung<br />

bezeichnet werden. Die jugendlichen Fussballanhänger sind vor allem von der Art der Ver-<br />

einsunterstützung, dem engen fre<strong>und</strong>schaftlichen Zusammenhalt in der Gruppe <strong>und</strong> der<br />

Selbstdarstellung der Ultras fasziniert. Auffällig dabei ist, dass die Ultras sich zwar als<br />

Sprachrohr der Fanszene <strong>und</strong> als einzig wahre Fans verstehen, aber letztendlich prozentual<br />

nur einen kleinen Teil des Publikums ausmachen (S. 31).<br />

3.2.1 Struktur, Organisation <strong>und</strong> Aufbau der Ultragruppen<br />

Die Organisation der einzelnen Ultra-Gruppen besteht überwiegend durch eine gewachsene<br />

Fanhierarchie. Führungspersönlichkeiten werden nicht wie in einem Fan-Club regelmässig<br />

gewählt <strong>und</strong> wieder abgewählt, sondern kristallisieren sich mit der Zeit aus der Gruppe her-<br />

aus. Das bedeutet, dass diejenigen, die sich am meisten engagieren, später auch das Meiste<br />

zu sagen haben. Häufig entscheidet eine Art 'Führungsgremium’ von drei bis vier Personen<br />

über alle wichtigen Belange, oder trifft <strong>zum</strong>indest eine Vorauswahl, die danach mit der ge-<br />

samten Gruppe demokratisch abgestimmt wird (S. 55). Diese Charakterisierung deckt sich<br />

klar mit der beschriebenen Struktur der Szene.<br />

3.2.2 Werte der Ultras<br />

Für Ultras sind Eigenschaften wie Stärke, Macht, Durchsetzungsvermögen <strong>und</strong> Männlichkeit<br />

von besonderer Bedeutung. Beispielsweise darf das Zeigen ihres nackten Hinterteils in Rich-<br />

tung des Gegners oder das Feiern im Stadion mit freiem Oberkörper - besonders im Winter -<br />

als Demonstration ihres Härte-Ideals betrachtet werden. Sexistische <strong>und</strong> homophobe Sprü-<br />

che <strong>und</strong> Lieder gehören <strong>zum</strong> Standardrepertoire <strong>und</strong> unterstreichen die Macho-Kultur der<br />

Ultras. Im Gegensatz zu diesem Chauvinismus stehen Ultras aber auch mit viel Liebe <strong>und</strong><br />

Idealismus zu ihrem Verein. Dennoch halten sie es geradezu für ihre Aufgabe <strong>und</strong> Pflicht,<br />

24


nicht alle Entwicklungen (vgl. Kap. 2.1) unreflektiert hinzunehmen, sondern kritisch zu<br />

hinterfragen (S. 64ff).<br />

3.2.3 Die Ultrakultur<br />

Utz <strong>und</strong> Benke (1997; zit. nach Pilz et al., 2006, S. 66) haben in ihrer <strong>Untersuchung</strong> fest-<br />

gehalten, dass sich die Ultrakultur besonders durch folgende Eigenschaften auszeichnet:<br />

- Solidarität: Zusammenhalt in der Kurve <strong>und</strong> speziell in der Gruppe, die wechselseitige<br />

Unterstützung <strong>und</strong> die Treue <strong>zum</strong> Verein.<br />

- Maskulinität: Mut , Stärke, Ausdauer, Unerschrockenheit, Ritterlichkeit.<br />

- Triumphalen Erfolg: Bei den Choreografien, Fangesängen, Spruchbändern oder bei<br />

gewalttätigen Auseinandersetzungen die Sieger sein.<br />

- Territoriale Souveränität: Herrschaftsanspruch von Fangruppierungen in jenem Sta-<br />

dionblock, den sie sich symbolisch angeeignet haben.<br />

Im Zeitalter der Kommerzialisierung des Fussballs verstehen sich Ultras als einen kritischen<br />

Gegenpol. Sie kämpfen für den Erhalt der traditionellen Fankultur, gegen Stadionverbote <strong>und</strong><br />

gegen reine Sitzplatzstadien. Die Fankurven haben durch die Ultras eine Stimme bekom-<br />

men, die auf vereins- oder ligapolitische Probleme <strong>und</strong> Missstimmungen aufmerksam macht.<br />

Neben der Protestkultur unterscheiden Pilz et al. (2006, S. 67) noch zwei weitere Kulturen<br />

der Ultras: die Zuneigungskultur, in der die Ultras ihre Zuneigung zu Spielern <strong>und</strong> dem Ver-<br />

ein bek<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> die Provokationskultur, in der sie ihre Abneigung gegenüber anderen<br />

Vereinen <strong>und</strong> gegnerischen Fans <strong>zum</strong> Ausdruck bringen.<br />

Als deutliches Zeichen der Protestkultur gegen die Kommerzialisierung des Fussballs gilt das<br />

Manifest der Ultras der AS Roma (vgl. Anhang 2), welches von zahlreichen anderen Ultra-<br />

gruppierungen übernommen <strong>und</strong> nur unwesentlich verändert wurde (S. 72).<br />

3.2.4 Ultras <strong>und</strong> pyrotechnisches Material<br />

Das Abbrennen von bengalischen Fackeln oder Rauchpetarden ist ein wichtiger Bestandteil<br />

der Ultrakultur <strong>und</strong> übt eine grosse Faszination auf viele Ultras aus (vgl. Abb. 4). Gerade<br />

diese südländische Kultur des Anfeuerns, diese Emotionalität gehört für die Mehrheit der<br />

Ultras zu ihrem Fandasein dazu. Die repressiven Massnahmen haben in Deutschland dazu<br />

geführt, dass diese Faszination in der ersten Liga <strong>zum</strong>indest bei den Heimspielen kaum<br />

mehr praktiziert wird. Vielmehr verlagern die Ultras ihre pyrotechnischen Aktionen auf Aus-<br />

wärtsfahrten oder in die unteren Ligen, wo sie nicht oder kaum mit Sanktionen rechnen müs-<br />

sen (S. 47).<br />

25


Auffällig bei der Betrachtung der Einstellung bezüglich des Abbrennens von pyrotechni-<br />

schem Material ist, dass die älteren Ultras mehr Verständnis für das Verbot von Pyrotechnik<br />

im Stadion aufbringen. Es scheint als ob die Einsicht bezüglich der Gefahren aufgr<strong>und</strong> des<br />

höheren Alters grösser sei <strong>und</strong> sie somit weniger rebellisch sind (S. 41).<br />

Abb. 4 Ultras <strong>und</strong> Pyro<br />

Quelle: Efzezet (2007)<br />

3.2.5 Ultras <strong>und</strong> Gewalt<br />

Die überwiegende Mehrheit der deutschen Ultras spricht sich einerseits gegen Gewalt aus,<br />

anderseits wehren sich aber auch nur die Wenigsten bewusst dagegen. Den Ultras geht es<br />

nicht um Gewalt der Gewalt Willen, sie wird von ihnen eher als ein Mittel <strong>zum</strong> Zweck, bei-<br />

spielsweise zur Verteidigung ihres Reviers oder gegen persönliche Angriffe verstanden. Die<br />

Gewalt der Ultras ist oft auch eine reaktive Gewalt auf staatliche Interventionen <strong>und</strong> instru-<br />

mentelle Gewalt (S. 87ff).<br />

3.2.6 Abgrenzung der Ultras<br />

In der Studie von Pilz wird zwischen Ultras <strong>und</strong> Supporter unterschieden. Die Supporter kön-<br />

nen als die angepassten Fans der Vereine beschrieben werden, von denen sich die Ultras<br />

26


klar distanzieren, weil sie ihnen vorhalten, dass sie sich den kommerziellen Interessen der<br />

Vereine unterwerfen <strong>und</strong> unkritisch die Vermarktung <strong>und</strong> Eventisierung des Fussballs<br />

mittragen (S.96).<br />

Die Einstellung der Ultras zur Gewalt unterscheidet sie klar von den Hooligans. Bei den Hoo-<br />

ligans kann die Gewalt als affektive, expressive <strong>und</strong> lustvoll betonte Form oder als Mittel zur<br />

Schaffung von positiver Identität verstanden werden. Interessant ist, dass Ultras <strong>und</strong> Hooli-<br />

gans die Polizei sehr unterschiedlich wahrnehmen <strong>und</strong> deshalb auch sehr unterschiedlich<br />

auf Polizeipräsenz reagieren. Für Hooligans bedeutet die Anwesenheit von Polizei eine Auf-<br />

wertung ihres Daseins, während die Ultras diese als Provokation auffassen <strong>und</strong> daher eher<br />

in eine aggressive Stimmung geraten (S. 10). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass<br />

Ultras im Gegensatz zu Hooligans nur eine Identität besitzen, nämlich ihre Ultraidentität -<br />

<strong>und</strong> diese auch gelebt wird (S. 35). Bei Hooligans wurde empirisch festgestellt, dass sie in<br />

zwei unterschiedlichen Normen- <strong>und</strong> Wertesystemen leben <strong>und</strong> sich beider Systeme bedie-<br />

nen. Dabei handelt es sich um eine Orientierung an der Gesamtgesellschaft einerseits <strong>und</strong><br />

andererseits um eine Ausrichtung an der Hooliganwelt (Gutmann & Rutschmann, 2001;<br />

zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 23).<br />

Pilz et al. (S. 175) haben bemerkt, dass sich mittlerweile ein neuer Fantypus entwickelt hat,<br />

<strong>und</strong> kreierten den Begriff des Hooltras. So bezeichnen sie Fans, welche einerseits noch in<br />

der Ultrakultur aufgehen <strong>und</strong> diese, was ihre Vereins- <strong>und</strong> Fussballbezogenheit anbelangt,<br />

auch leben, sich aber andererseits offen zur Gewalt bekennen <strong>und</strong> somit hooliganähnliches<br />

Verhalten zeigen. Hooligans <strong>und</strong> Hooltras unterscheiden sich durch die enge Bindung an<br />

den Verein <strong>und</strong> die eigene Gruppe sowie den uneingeschränkten Support der eigenen<br />

Mannschaft der Hooltras im Gegensatz zu den Hooligans.<br />

4 Das soziale System Fussball<br />

Aus Sicht der systemischen Ontologie besteht die Welt ausschliesslich aus konkreten Din-<br />

gen <strong>und</strong> im Besonderen aus Systemen. Obrecht gibt folgende Umschreibung (2007):<br />

Ein Ding ist danach alles, was sich wandeln kann, d.h. zu einer Veränderung fähig ist.<br />

Dabei sind elementare von komplexen Dingen zu unterscheiden <strong>und</strong> unter diesen<br />

Aggregate (Ansammlungen von Dingen) von Systemen. Darunter versteht man durch<br />

konkrete Bindungen (interne Struktur) geb<strong>und</strong>ene Komponenten irgendwelcher Art,<br />

deren Bindung stärker ist als die Bindungen, die einzelne Komponenten mit Dingen in<br />

ihrer Umwelt unterhalten (externe Struktur) <strong>und</strong> sich deshalb von dieser abgrenzen<br />

(Umwelt), wobei die interne Struktur durch systemspezifische Mechanismen (d.h. ge-<br />

setzmässige Prozesse) aufrechterhalten wird <strong>und</strong> die Systemgrenzen keine geomet-<br />

rische Form zu haben brauchen (Ökosysteme, menschliche Gesellschaften). (S. 10)<br />

27


Systeme zeichnen sich durch emergente Eigenschaften aus. Dies sind Eigenschaften, wel-<br />

che den einzelnen Komponenten nicht zukommen, sondern das Ergebnis der Interaktionen<br />

zwischen den Komponenten sind (Geiser, 2004, S. 45).<br />

Ein soziales System ist demnach ein konkretes System, deren Komponenten menschliche<br />

Individuen sind, die eine gemeinsame Umwelt teilen <strong>und</strong> auf andere Mitglieder des Systems<br />

einwirken. Beispiele für soziale Systeme sind Familien, Gruppen, Organisationen, Gemein-<br />

den, Nationen oder die Weltgesellschaft. Zusätzlich zu den Individuen umfassen soziale Sys-<br />

teme noch physische (z.B. Gebäude) <strong>und</strong> symbolische (z.B. Texte) Artefakte. Menschliche<br />

Individuen wiederum sind biopsychosoziokulturelle 11 Systeme mit dem Zentralnervensystem<br />

als Steuerungssystem (ebd., S. 48). Lernen, Wissen <strong>und</strong> motorische Fertigkeiten sind Bei-<br />

spiele für emergente Eigenschaften biologischer Prozesse der menschlichen Individuen. Des<br />

Weiteren erwerben Individuen selbst, sobald <strong>und</strong> soweit sie Komponenten sozialer Systeme<br />

sind, emergente oder relationale Eigenschaften wie die entsprechenden sozialen Rollen <strong>und</strong><br />

Prestige. Relational bedeutet das, dass diese Eigenschaften Beziehungen in sozialen Sys-<br />

temen voraussetzen. Die wichtigsten emergenten Eigenschaften sind demnach die Eigen-<br />

schaften der Sozialstruktur (ebd., S. 45).<br />

In der Betrachtung des sozialen Systems Fussball (vgl. Abb. 4) beschränken wir uns auf die<br />

Schweiz. Somit ist einerseits die Landesgrenze die Abgrenzung zur externen Struktur also<br />

zur Umwelt, andererseits zählen alle Dinge <strong>und</strong> Systeme, die nicht oder <strong>zum</strong>indest weniger<br />

stark mit dem Fussball in Verbindung stehen, zu dessen Umwelt. Zur internen Struktur zäh-<br />

len <strong>zum</strong> Beispiel folgende Subsysteme: <strong>Fussballfans</strong>zene, Fussballvereine, Schweizer<br />

Fussballverband, private Ordnungsdienste, Polizei, SBB, Sponsoren, Medien, Politik <strong>und</strong> die<br />

sozioprofessionelle Fanarbeit. Physische Artefakte sind das Stadion, der Bierstand oder der<br />

Extrazug; symbolische Artefakte das Match-Programm, das Ultramanifest oder die Fussball-<br />

regeln. Gesetzmässige Prozesse innerhalb des Systems Fussball sind der Spielplan der<br />

Superleague, die Regelungen des Schweizerischen Fussballverbands oder die Austra-<br />

gungsorte, die zusammen mit anderen Gesetzmässigkeiten das System aufrechterhalten.<br />

Emergente Eigenschaften des Systems Fussball sind soziale Prozesse in Form von Kom-<br />

munikation <strong>und</strong> Kooperation wie beispielsweise ein Fussballmatch an sich, die Homepage<br />

eines Vereins, Fangesänge oder ein Polizeieinsatz aufgr<strong>und</strong> von Ausschreitungen nach ei-<br />

nem Spiel. Relationale Eigenschaften eines Individuums im sozialen System Fussball sind<br />

der Torjubel eines einzelnen <strong>Fussballfans</strong>, die Berichterstattung eines Journalisten oder das<br />

Zünden einer bengalischen Fackel eines Ultras beim Einlaufen der Mannschaften ins Stadi-<br />

on.<br />

11 Der Begriff biopsychosoziokulturell wurde durch Obrecht (2005) geprägt.<br />

28


Abb. 5: Das soziale System Fussball<br />

Quelle: in Anlehnung an Gander (2004, S. 24); Kübert, Neumann,<br />

Hüther & Swoboda (1994, S. 45)<br />

4.1 Spannungsfelder im sozialen System Fussball<br />

Da relationale Eigenschaften Beziehungen voraussetzen wird deutlich, dass im sozialen Sys-<br />

tem Fussball Beziehungen zwischen den einzelnen Subsystemen <strong>und</strong> deren Komponenten<br />

(menschlichen Individuen oder anders gesagt Akteure) bestehen. <strong>Eine</strong> Beziehung beschreibt<br />

das Verhältnis zwischen Komponenten innerhalb eines Systems oder zu Komponenten an-<br />

derer Systeme. Dieses Verhältnis ist interdependent, das heisst, es besteht eine wechselsei-<br />

tige Abhängigkeit. Somit ist nachvollziehbar, dass in den folgenden Unterkapiteln zunächst<br />

die wichtigsten Subsysteme beschrieben werden <strong>und</strong> auf die Spannungsfelder eingegangen<br />

wird, die aus der Beziehung zu den einzelnen Subsystemen entstehen, um das Verhalten<br />

der <strong>Fussballfans</strong>zene erklären zu können <strong>und</strong> mögliche Interventionen aufzeigen zu können.<br />

Nur ein differenzierter Blick auf das soziale System Fussball <strong>und</strong> die Abhängigkeiten inner-<br />

halb des Systems sowie die Spannungsfelder zwischen der <strong>Fussballfans</strong>zene <strong>und</strong> den ver-<br />

schiedenen Subsystemen kann helfen, geeignete <strong>und</strong> ausgewogene Strategien für Vereine,<br />

Verband, Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen, Politik, Fans <strong>und</strong> die sozioprofessionelle Fanar-<br />

beit zu entwickeln, wie man in Zukunft konfliktfreier miteinander umgehen könnte.<br />

29


4.1.1 Spannungsfeld <strong>Fussballfans</strong><br />

Unterschiedliche Gruppierungen oder Fanszenen, die sich im selben sozialen System bewe-<br />

gen, beide aber nicht deren physische Artefakte (Stadion, öffentlicher Raum) besitzen, sind<br />

auf eine friedliche Koexistenz angewiesen, wollen sie ihre Interessen gegenüber den Besit-<br />

zern vertreten. Folglich sind sowohl die Abhängigkeit wie auch die Wechselwirkung zwischen<br />

zwei Fangruppierungen bzw. Fanszenen hoch. Die Wechselwirkung wird durch das Verhal-<br />

ten anderer Akteure im System beeinflusst (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann &<br />

Lehmann, 2008, S. 64). Zur Verdeutlichung drei mögliche Szenarien:<br />

� Wird von aussen grosser Druck aufgesetzt, führt das eher zu einer Solidarisierung in-<br />

nerhalb der Fanszene oder sogar fanszenenübergreifend.<br />

� Bei einer Ungleichbehandlung verschiedener Gruppierungen kann dies eher zu einer<br />

Marginalisierung der einen Gruppe führen <strong>und</strong> in der Folge allenfalls zu einer Radika-<br />

lisierung.<br />

� Bei entsprechendem Umfeld kann zwischen den Fangruppierungen eine positive<br />

Wechselwirkung <strong>und</strong> damit eine wirksame Selbstregulation entstehen (ebd., S. 64f).<br />

Theorie der Feindbilder im sozialen System Fussball:<br />

Der Fussball bietet eine geeignete Plattform, um Feindbilder zu produzieren <strong>und</strong> zu verstär-<br />

ken, da diese Mannschaftssportart von binären Systemen <strong>und</strong> Gegnern geprägt ist. Jeweils<br />

spielt der eine gegen den anderen, die ’Guten’ gegen die ’Bösen’. Dabei geht es um das<br />

Siegen <strong>und</strong> Verlieren, Glück <strong>und</strong> Unglück, Freude <strong>und</strong> Trauer. <strong>Fussballfans</strong> grenzen sich<br />

bewusst - nicht nur optisch - von den anderen ab, wie es z.B. auch allgemein Jugendliche<br />

während ihrer Sozialisation von den Erwachsenen tun. Ihr enger, fre<strong>und</strong>schaftlicher, beinahe<br />

familienähnlicher Zusammenhalt steht im Gegensatz zur absoluten Ablehnung <strong>und</strong> Distanz<br />

des Gegners. Diese Abgrenzungsfunktionen kennzeichnen die Fre<strong>und</strong>-Feind-Muster beim<br />

Fussball. Feindbilder helfen, die eigene Gruppe zu definieren <strong>und</strong> eine eigene Gruppeniden-<br />

tität zu schaffen. Zugleich stärken sie die Gruppenkohäsion, also die kollektive Identifikation<br />

(vgl. Kap. 3). Das verbindet <strong>und</strong> stabilisiert die Gruppe, weil sie einen einheitlichen Nenner<br />

hat <strong>und</strong> schafft Solidarität. Auf der individuellen Ebene können Feindbilder bei der Reduktion<br />

sozialer Komplexität, bei der Identitätsfindung <strong>und</strong> –stabilisierung sowie bei der Aggressi-<br />

onskanalisierung helfen (Pilz et al., 2006, S. 115f).<br />

Das Problem dieser Feindbild-Muster ist allerdings auch, dass nicht nur im positiven Sinne<br />

Solidarität <strong>und</strong> Gruppenidentität geschaffen werden kann, sondern auch Nährboden für Ge-<br />

walt geboten wird, da die Hemmschwelle sinkt. Wird gegen Feinde vorgegangen, scheint das<br />

von der Gruppe toleriert <strong>und</strong> verstärkt zu werden (ebd., S. 116).<br />

30


Diese Theorie der Feindbilder kann analog zu den gegnerischen <strong>Fussballfans</strong> auch auf an-<br />

dere Feindbilder wie den Ordnungsdiensten, Polizei, Medien, Liga oder Verband angewen-<br />

det werden.<br />

4.1.2 Schweizerischer Fussball Verband (SFV)<br />

Der im Jahre 1895 gegründete Schweizerische Fussballverband (SFV) ist die Dachorganisa-<br />

tion aller Fussballvereine in der Schweiz. Die zwei höchsten Spielklassen sind die Axpo Su-<br />

per League <strong>und</strong> die Dosenbach Challenge League die unter dem Begriff der Swiss Football<br />

League (SFL) zusammengefasst werden (SFV, o. J.).<br />

Der Einfluss der SFL auf die <strong>Fussballfans</strong>zene ist einerseits indirekt, indem er den Vereinen<br />

durch verschiedene Reglemente Rahmenbedingungen schafft <strong>und</strong> andererseits sehr einsei-<br />

tig. Dadurch wird dies von einem Teil der <strong>Fussballfans</strong>zene als institutionalisierte Machtaus-<br />

übung empf<strong>und</strong>en, was beispielsweise auch in Fangesängen wie ’Fussball-Mafia SFV’ <strong>zum</strong><br />

Ausdruck gebracht wird. Nach dem Hauptfeind Polizei gibt der SFV auf nationaler Ebene<br />

sowie die UEFA 12 <strong>und</strong> FIFA 13 auf internationaler Ebene für die Ultras das zweite Feindbild<br />

ab. Für sie verkörpern die Verbände das Wirtschaftsinteresse, also die Vermarktung <strong>und</strong> den<br />

Ausverkauf des Fussballs. Aus den Ultra-Kurven heisst es deshalb auch, die Verbände wün-<br />

schen sich lieber den angepassten, friedlichen VIP-Zuschauer <strong>und</strong> den moderat Stimmung<br />

machenden Supporter, nicht den aggressiven, leidenschaftlichen <strong>und</strong> kritischen Ultra. Sie<br />

fühlen sich von den Verbänden nicht verstanden <strong>und</strong> nicht ernst genommen. Aus ihrer Sicht<br />

personifizieren die Fussballverbände <strong>und</strong> deren Mitarbeiter die verhasste Kommerzialisie-<br />

rung, durch welche die Freiräume der Fans im Stadion eingeengt werden <strong>und</strong> gegen die man<br />

sich laut ihrem Verständnis zur Wehr setzen muss. (Pilz et al., 2006, S.108) Stadionverbote,<br />

<strong>und</strong> vor allem die Praxis des Aussprechens von Stadionverboten, stehen in der Rangskala<br />

der Gründe, warum die Fussballverbände von den Ultras so abgelehnt werden, an oberster<br />

Stelle (ebd., S.109).<br />

Stadionverbote<br />

Die Thematik r<strong>und</strong> um Stadionverbote scheint besonders wichtig in Bezug auf das Abbren-<br />

nen von pyrotechnischem Material. Dabei lässt sich dieses Thema nicht einem speziellen<br />

Subsystem zuordnen, weil der SFV, die Vereine wie auch die privaten Ordnungsdienste in-<br />

volviert sind. Da das Sicherheitsreglement von der SFL stammt, wird an dieser Stelle darauf<br />

eingegangen. Die Klubs der SFL sind dazu verpflichtet, Personen, welche für ihr gewalttäti-<br />

12 „Union des Associations Européennes de Football“ (UEFA, o. J.).<br />

13 „Fédération Internationale de Football Association“ (FIFA, o. J.b).<br />

31


ges oder hetzerisches Verhalten bekannt sind sowie Personen, welche unter Alkohol- oder<br />

Drogeneinfluss stehen, den Zugang <strong>zum</strong> Stadion zu verwehren (SiRegl Art. 8 Abs. 4). Auf<br />

diesen Artikel stützen sich die Richtlinien des Komitees SFL betreffend den Erlass von Sta-<br />

dionverboten (vgl. Anhang 1). Da das Stadionverbot aufgr<strong>und</strong> des Hausrechts der Klubs als<br />

Eigentümer oder Mieter des Areals sowie in speziellen Fällen auch durch die SFL ausge-<br />

sprochen wird, kann keine Beschwerde dagegen geführt werden. Für ein Stadionverbot, wel-<br />

ches vom Klub ausgesprochen wird, ist der Sicherheitsverantwortliche zuständig. Er orien-<br />

tiert auch die Klubleitung über die aktuellen Verbote. Ausserdem sind die Klubs dazu ver-<br />

pflichtet, Personen, denen ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorgeworfen wird, bei<br />

der zuständigen Strafverfolgungsbehörde anzuzeigen.<br />

Personen, gegen die ein Stadionverbot ausgesprochen wurde, wird für eine bestimmte Dau-<br />

er der Zutritt zu sämtlichen Stadien der SFL-Klubs verwehrt. Unter den Tatbeständen, wel-<br />

che mit Stadionverbot bestraft werden, sind unter anderem auch Verstösse gegen das<br />

Sprengstoffgesetz aufgeführt. Damit ist das verbotene Mitführen <strong>und</strong>/oder Abbrennen von<br />

pyrotechnischen Gegenständen zu Vergnügungszwecken gemeint (SprstG Art.15 Abs.5).<br />

Die Dauer eines Stadionverbotes beträgt jeweils zwei Jahre. Im Falle eines besonders<br />

schweren Vergehens oder wenn die Person uneinsichtig ist, dauert das Stadionverbot min-<br />

destens drei Jahre. Das Verbot kann nach Ablauf der Hälfte der Dauer von der Stelle,<br />

die das Stadionverbot ausgesprochen hat, aufgehoben werden oder in seiner Dauer redu-<br />

ziert werden. Dies setzt aber einen schriftlichen Antrag von Seiten der gesperrten Person<br />

voraus <strong>und</strong> benötigt eine eingehende Prüfung inklusive einer positiven Prognose für die<br />

sanktionierte Person.<br />

Die Ultras ärgern sich darüber, dass die Stadionverbote ihrer Ansicht nach willkürlich ausge-<br />

sprochen werden. Sie argumentieren, dass in der Justiz die Unschuldsvermutung noch eine<br />

wesentliche Rolle spiele. Das Stadionverbot wurde allerdings nicht als juristische Strafe,<br />

sondern als Präventivmassnahme eingeführt, das auf der Basis des Hausrechts agiert. Dies<br />

ist für Ultra-Kreise nur schwer verständlich. Dennoch lehnen sie das Mittel der Stadionverbo-<br />

te nicht kategorisch ab. Sie kritisieren hauptsächlich die in ihren Augen häufig nicht verhält-<br />

nismässige Auslegung der Richtlinien. Die Dauer der Stadionverbote empfinden sie oft als zu<br />

lang, vermissen die Verhältnismässigkeit zwischen der Tat <strong>und</strong> dem Verbot <strong>und</strong> kritisieren<br />

das Fehlen der Unschuldsvermutung. Ausserdem fällt es Ultras besonders schwer, die Sta-<br />

dionverbote als Präventionsmassnahme <strong>und</strong> nicht als Strafe zu verstehen. Für einen Ultra,<br />

welcher ein Stadionverbot erhält, ist das ein massiver Einschnitt in sein Leben. Ab sofort darf<br />

er seinen geliebten Verein nicht mehr live spielen sehen <strong>und</strong> wird von seinem Fre<strong>und</strong>eskreis<br />

getrennt. In einem Fall in Deutschland hat ein Fan sogar, nachdem er ein b<strong>und</strong>esweites Sta-<br />

dionverbot erhielt, sich das Leben genommen (Pilz et al., 2006, S.109ff). Aus Sicht der Ultras<br />

32


<strong>und</strong> einiger Fachleuten kann es aber auch sein, dass ein Ultra durch ein Stadionverbot erst<br />

recht ’auf die schiefe Bahn’ gerät. Pilz et al. umschreibt dies folgendermassen (2006):<br />

Schliesslich fahren die meisten Fans <strong>und</strong> Ultras mit Stadionverbot zwar mit zu den<br />

Auswärtsspielen, dürfen allerdings nicht ins Stadion, sondern müssen sich ausser-<br />

halb das Spiel in geeigneten Kneipen anschauen. Dort besteht dann aber wiederum<br />

die Gefahr, dass sie in Gaststätten erst auf Hooligans treffen, die ebenfalls die Spiele<br />

nicht im Stadion anschauen <strong>und</strong> sie mit ihnen Kontakt schliessen. (S. 114)<br />

4.1.3 Vereine<br />

Kurzfristig betrachtet ist die Abhängigkeit der Fussballvereine zu ihren Fans eher gering, da<br />

sie dank der Vermarktung <strong>und</strong> Sponsoren-Verträge finanziell abgesichert sind. Der Fussball<br />

könnte sich allerdings sicherlich weniger gut vermarkten, wenn die Fans langfristig ausblei-<br />

ben würden. Die Atmosphäre, die durch die <strong>Fussballfans</strong> geprägt wird, ist ein unverzichtba-<br />

rer Teil des Sports. Auf der anderen Seite können Fans auch nicht ohne den Sport existie-<br />

ren. Entsprechend dieser Abhängigkeiten sind auch die daraus resultierenden Wechselwir-<br />

kungen von grosser Bedeutung <strong>und</strong> bergen ein hohes Potential an Interventionsmöglichkei-<br />

ten. Die Art <strong>und</strong> Weise der Kommunikation der Vereine hat entscheidende Auswirkungen auf<br />

das Verhalten der Fans <strong>und</strong> umgekehrt. Um die Kommunikation zu fördern erscheint es na-<br />

heliegend <strong>und</strong> sinnvoll, alle geeigneten Mittel zu ergreifen, sprich das Präsidium, das Mana-<br />

gement, den Trainer <strong>und</strong> die Spieler dafür einzusetzen, um für mehr Nähe zu den Fans zu<br />

sorgen (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 63f). Aufgr<strong>und</strong> der<br />

Kommerzialisierung <strong>und</strong> der Professionalisierung der Vereine wurde allerdings eine Distanz<br />

der Fans besonders zu den Spielern geschaffen, die früher sicher geringer war <strong>und</strong> wodurch<br />

Ultragruppierungen den Verein oder das Spiel alleine nicht für ihre Identität brauchen, son-<br />

dern selbst Fan-Identitäten bilden. Sie sehen sich nicht nur als einen Teil des grossen E-<br />

vents Fussballspiel, sie sehen sich als die Hauptattraktion <strong>und</strong> den Mittelpunkt <strong>und</strong> gehen<br />

sogar soweit, zu postulieren, dass sie die Stimmung <strong>und</strong> Atmosphäre verursachten, welche<br />

dadurch die Zuschauermassen anzieht (Pilz et al., 2006, S. 31 & 71).<br />

Wie bereits erwähnt sind die SFL-Klubs dazu verpflichtet, die allgemeine Sicherheit vor, wäh-<br />

rend <strong>und</strong> nach dem Spiel aller Involvierten zu gewährleisten. Falls die Vereine ihre Pflicht<br />

nicht wahrnehmen, ist der Verband befugt, Disziplinarmassnahmen gegen sie auszuspre-<br />

chen. Ein Verein kann für das Fehlverhalten von Zuschauern bestraft werden <strong>und</strong> ein Zu-<br />

schauer, der dieses Fehlverhalten an den Tag legt, schadet seinem Verein. Laut Artikel 3<br />

des Reglements über das Disziplinarwesen der SFL können im Sicherheitswesen Bussen bis<br />

sFr. 100`000.- ausgesprochen werden. Bei besonders schweren Verstössen ist ein Punkte-<br />

33


abzug möglich oder es können so genannte ’Geisterspiele’ (Spiele unter Ausschluss der Öf-<br />

fentlichkeit) angeordnet werden. Zum <strong>Eine</strong>n entgehen den Vereinen dadurch hohe Einnah-<br />

men <strong>und</strong> <strong>zum</strong> Anderen bleibt die Unterstützung des Publikums für die Mannschaft aus. Das<br />

Abbrennen von pyrotechnischem Material im Stadion wird üblicherweise mit Geldbussen<br />

zwischen sFr. 1`000.- <strong>und</strong> sFr. 30`000.- bestraft.<br />

4.1.4 Private Ordnungsdienste<br />

Die Vereine brauchen ein Sicherheitskonzept <strong>und</strong> bestimmt eine sicherheitsverantwortliche<br />

Person, welche für die Kontakte zur Sicherheitskommission der SFL <strong>und</strong> den Behörden zu-<br />

ständig ist (SiRegl Art. 3 Abs. 4). Dadurch werden wiederum die privaten Ordnungsdienste<br />

beauftragt, das Sicherheitskonzept durchzusetzen. Durch den Auftrag der Vereine stehen die<br />

privaten Ordnungsdienste in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Vereinen. Allerdings be-<br />

einflusst ihr Auftreten wiederum das Verhältnis des Vereins zu den Fans. Das Machtgefälle<br />

der privaten Ordnungsdienste gegenüber den Fans ist sehr gross, was die Gefahr der Willkür<br />

mit sich bringt (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 64). Aus<br />

der Studie von Pilz et al. (2006, S. 11 & 105) geht hervor, dass die Ultras Willkürhandlungen<br />

seitens der Ordnungsdienste bei Auswärtsspielen viel stärker wahrnehmen. Dieses Phäno-<br />

men hat folgende Gründe: Zum <strong>Eine</strong>n kennen die Ordner die anreisenden Ultras kaum oder<br />

gar nicht <strong>und</strong> können deshalb auch ihr Verhalten nicht einschätzen. Zum Anderen verhalten<br />

sich Ultras bei Auswärtsspielen aufgr<strong>und</strong> gruppendynamischer Prozesse <strong>und</strong> teilweise ex-<br />

zessivem Alkoholkonsum während der Anreise häufig weniger zurückhaltend. Entsprechend<br />

emotionalisiert treten die Ultras dann auf. Zusätzlich ist der prozentuale Anteil von ’Extrem-<br />

Fans’ auswärts verhältnismässig grösser als bei Heimspielen. Ausserdem werden Auswärts-<br />

fans <strong>zum</strong> Teil nicht dieselben Support-Möglichkeiten erlaubt wie den Heimfans 14 . <strong>Eine</strong> Un-<br />

gleichbehandlung durch Ordnungskräfte der Vereine ist jedoch sicher kein Beitrag zur Dees-<br />

kalation (Pilz et al., 2006, S. 106).<br />

4.1.5 Polizei<br />

Da die Polizei einen staatlichen Auftrag hat, agiert sie hauptsächlich unabhängig vom Verein.<br />

Allerdings steht sie unter öffentlichem Druck, zu dem auch der Verein beitragen kann <strong>und</strong><br />

der ihr Verhältnis zu den Fans allenfalls beeinflussen kann. Die Machtverhältnisse sind hier,<br />

ähnlich wie bei den Ordnungsdiensten, sehr einseitig verteilt (Zimmermann, 2008; zit. nach<br />

14 Beispielsweise werden <strong>zum</strong> Teil Ultras der Auswärtsmannschaft Fahnen oder Doppelhalter bei der Eingangs-<br />

kontrolle abgenommen.<br />

34


Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 64). Laut Pilz et al. (2006, S. 11) ist für Ultras die Polizei<br />

das Hauptfeindbild <strong>und</strong> ihr Auftreten, welches sie als unverhältnismässig bezeichnen, der<br />

Hauptgr<strong>und</strong> für Gewaltanwendung ihrerseits. Die Wahrnehmung der Repression variiert je-<br />

doch stark bei Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspielen, aus denselben Gründen wie bereits bei den Ord-<br />

nungsdiensten erläutert.<br />

4.1.6 Medien<br />

Zum <strong>Eine</strong>n bieten die Medien den Fans im Sinne der öffentlichen Darstellung gewisser Fan-<br />

aktivitäten eine Bühne, welche nicht zu unterschätzen ist. Zum Anderen liefern die Fans den<br />

Medienschaffenden Inhalte für deren Berichterstattung. Dabei besitzen die Medien mit ihrem<br />

Agenda-Setting die Macht über die Themenwahl (Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann<br />

& Lehmann, 2008, S. 65). Die Art <strong>und</strong> Weise der Berichterstattung sowie das Setzen der<br />

Themenschwerpunkte hat einen grossen Einfluss auf das Bild über die Fanszene in der Öf-<br />

fentlichkeit. Nach Pilz et al. (2006, S. 23) haben die multimedialen Berichterstattungen ge-<br />

zeigt, wie viel Unwissen über die <strong>Fussballfans</strong>zene existiert. So werden <strong>zum</strong> Beispiel pau-<br />

schal Ultras aus verschiedenen Ländern gleichgesetzt, der Begriff des Hooliganismus als<br />

Synonym für die Ultrakultur verwendet <strong>und</strong> unter dem Strich fast alle Fans als potentielle<br />

Problemfans angesehen. Dass sich die Ultrakultur entwickelt hat um die Stimmung in den<br />

Stadien zu verbessern, gerät in den Hintergr<strong>und</strong>. Positive Verhaltensformen werden nicht<br />

oder kaum gesehen, die Negativen verallgemeinert <strong>und</strong> <strong>zum</strong> Teil aufgebauscht. Dazu hielten<br />

Pilz et al. folgendes fest (2006):<br />

Entsprechend werden von der Öffentlichkeit <strong>und</strong> von Politikern im Besonderen ’härte-<br />

re Gesetze’, strikteres Vorgehen <strong>und</strong> eine Null-Toleranz-Haltung der Polizei gegen-<br />

über diesen ’Gewalttätern’ gefordert, ungeachtet der möglichen Gefahr, dass noch<br />

mehr staatliche Gewalt das Problem kaum zu lösen vermag <strong>und</strong> vielleicht sogar nur<br />

Gegengewalt fördert. (S.23)<br />

Neben der mangelnden Differenzierung wirft die Fanszene den Medien die Kommerzialisie-<br />

rung des Fussballsports (vgl. Kap. 2.1) <strong>und</strong> die Zerstückelung der Spielpläne vor. Traditionel-<br />

lerweise wurden in der Schweiz die Fussballspiele jeweils an den Samstagnachmittagen<br />

ausgetragen. Lukrative TV-Verträge brachten jedoch den Schweizer Fussball Verband dazu,<br />

die Spielpläne flexibler zu gestalten, um eine Gewinnsteigerung zu erreichen. Aus diesen<br />

Gründen entwickelten sich die Medien zu einem Feindbild der <strong>Fussballfans</strong>zene, denen ’der<br />

Ausverkauf des Fussballs’ angelastet wird.<br />

35


4.1.7 Politik<br />

Die Abhängigkeit der Fans von der Politik ist beträchtlich <strong>und</strong> die Distanz zwischen der Poli-<br />

tik <strong>und</strong> der <strong>Fussballfans</strong>zene immens. <strong>Eine</strong> direkte Kommunikation ist nicht vorhanden, statt-<br />

dessen wird der Standpunkt der Politik stark beeinflusst durch die Medien, die Polizei, die<br />

Vereine <strong>und</strong> die breite Öffentlichkeit, welche wiederum durch die Medien geprägt wird. Ein<br />

Beispiel für die grosse Abhängigkeit ist die Diskussion um die Hoogan-Datenbank (Zimmer-<br />

mann, 2008; zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 65).<br />

Das revidierte schweizerische B<strong>und</strong>esgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren<br />

Sicherheit (BWIS) trat am 1. Januar 2007 in Kraft. Neu wurden im Zusammenhang mit<br />

Sportveranstaltungen Rayonverbote, Meldeauflagen, Polizeigewahrsam <strong>und</strong> Ausreisebe-<br />

schränkungen ermöglicht. Ebenso wurde eine zentrale Datenbank (Hoogan) geschaffen<br />

(BWIS, Abs. 5a), in welcher alle Massnahmen verzeichnet werden. Der B<strong>und</strong>esrat stellte<br />

diese Erneuerung als Gr<strong>und</strong>lage für die Bekämpfung von Gewalt an Sportveranstaltungen<br />

auf <strong>und</strong> wollte damit die Lücken bei der Gewaltprävention schliessen. Die Gegner des Ge-<br />

setzes (SP, 2008) argumentieren, die Massnahmen seien aus rechtsstaatlicher Sicht umstrit-<br />

ten. Die vorgesehenen polizeilichen Zwangsmassnahmen bewegen sich in einem Graube-<br />

reich <strong>und</strong> verstossen gegen das in der B<strong>und</strong>esverfassung garantierte Prinzip der Unschulds-<br />

vermutung 15 . Laut dem Gesetz können Personen auf blossen Verdacht hin (glaubwürdige<br />

Aussagen von Polizeibeamten oder privaten Sicherheitsdiensten) bis zu zehn Jahre fichiert<br />

werden <strong>und</strong> der Betroffene muss erst seine Unschuld beweisen, wenn er seine Eintragung<br />

gelöscht haben will. Dadurch wird die Exekutive zusätzlich zur Judikativen. Es reicht sogar<br />

aus, dass die betroffene Person Mitglied einer Fanorganisation ist, die schon mehrfach an<br />

Gewalttätigkeiten beteiligt war.<br />

Nachträglich bestimmte der B<strong>und</strong>esrat in der Verordnung VWIS in Art. 21a Abs. 2, dass auch<br />

das Mitführen von pyrotechnischem Material in Sportstätten als gewaltbereites Verhalten<br />

gelte. Allerdings kamen weder in der Botschaft noch im Gesetz die Wörter Feuer, <strong>Feuerwerk</strong><br />

oder pyrotechnisches Material vor. Vielmehr ist in der Botschaft über die Zielpersonen zu<br />

lesen, dass sich das Gesetz gegen bekannte Gewalttäterinnen <strong>und</strong> Gewalttäter an Sportan-<br />

lässen im In- <strong>und</strong> Ausland richte. Dadurch setzte der B<strong>und</strong> das Abbrennen von pyrotechni-<br />

schem Material mit der Anwendung von Gewalt gleich <strong>und</strong> förderte ein <strong>und</strong>ifferenziertes Bild<br />

in den Medien <strong>und</strong> der breiten Öffentlichkeit.<br />

Ebenfalls für viel Aufsehen in der <strong>Fussballfans</strong>zene sorgte das Projekt ’Sicherheit im Sport’,<br />

das im letzten Jahr im Auftrag des damaligen B<strong>und</strong>esrates Schmid lanciert wurde. Laut ei-<br />

nem Zeitungsartikel von Venutti (2008) geht es bei diesem Projekt darum, mit verschiedenen<br />

15 „Jede Person gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig.“ (BV Art. 32, Abs. 1)<br />

36


Mitteln gegen Gewalt <strong>und</strong> Hooliganismus an Sportveranstaltungen vorzugehen. Was als gu-<br />

ter Vorsatz daher kommt, entpuppt sich bei genauerem Betrachten jedoch als massiver Ein-<br />

griff in die Gr<strong>und</strong>rechte der Zuschauer an Sportanlässen. Der Fokus der Massnahmen liegt<br />

auf dem Einsatz von Biometrie, Fanpässen <strong>und</strong> der Vernetzung von verschiedenen Daten-<br />

banken <strong>und</strong> Videosystemen. Im Detail sollen die Zuschauer vor, während <strong>und</strong> nach Spielen<br />

von biometrischen Systemen erfasst werden <strong>und</strong> die so gewonnenen Bilder mit den Informa-<br />

tionen in der Hooligandatenbank <strong>und</strong> Videoaufzeichnungen verglichen werden. Klubs <strong>und</strong><br />

Stadionbetreiber sollen die Daten untereinander austauschen. In Bahnhöfen sollen Kameras<br />

installiert werden, welche die Fans auf ihrem Weg zu den Extrazügen filmen. Betrunkene<br />

Fans sollen von der Polizei <strong>und</strong> privaten Sicherheitsleuten aus dem Stadion gewiesen wer-<br />

den oder erst gar nicht hineingelassen werden. Wer sich gegen eine Wegweisung weigert,<br />

erhält ein Stadionverbot <strong>und</strong> wird fotografiert. Des Weiteren sollten Zuschauer künftig von<br />

verschiedenen Aktionen profitieren können, wenn sie ein ’integrales Ticket’ lösen. Sie müs-<br />

sen sich allerdings dazu fotografieren lassen. Falls sie bei Verstössen erwischt werden,<br />

gehen ihre Personalien in eine Datenbank. Die Projektverantwortlichen gehen davon aus,<br />

dass durch diese Massnahmen die ’bösen’ Fans rausgesiebt werden <strong>und</strong> im Stadion wäre<br />

dann eine Durchmischung der Fangruppierung möglich. Die Sektortrennung sollte also auf-<br />

gehoben werden.<br />

Fanarbeit Schweiz (2008a) kritisierte das Massnahmepaket in verschiedenen Punkten. Ins-<br />

besondere die Tatsache, dass es sich dabei lediglich um repressive Massnahmen handelt<br />

<strong>und</strong> diese inadäquat seien. Es scheine so, als sollten ganze Fankurven biometrisch erfasst<br />

werden. Dies grenze an einen Kontrollwahn, der weder gesetzlich abgestützt, politisch trag-<br />

bar noch gesellschaftlich akzeptierbar sei. In der Erarbeitung des Projekts fanden geäusserte<br />

Bedenken der Fanarbeit Schweiz keine oder nur geringfügige Beachtung. Vereine <strong>und</strong> Sta-<br />

dionbetreiber wurden überhaupt nicht in die Projekterarbeitung miteinbezogen (Venutti,<br />

2008). Die Projektverantwortlichen sind allesamt Vertreter aus Polizeikreisen <strong>und</strong> der Politik.<br />

Umso erstaunlicher ist es, dass sich die vorgeschlagenen Massnahmen in einem juristischen<br />

Graubereich bewegen <strong>und</strong> kaum vor dem grossen Teil der friedlichen <strong>Fussballfans</strong> gerecht-<br />

fertigt werden können (Fanarbeit Schweiz, 2008a).<br />

Das Projekt ’Sicherheit im Sport’ <strong>und</strong> dessen Entwicklung zeigt deutlich wie ungleich die<br />

Macht zwischen der Politik <strong>und</strong> den Fans verteilt ist. Allerdings konnten durch heftige Protes-<br />

te seitens der Fans verschiedener Vereine die Medien auf dieses Thema aufmerksam ge-<br />

macht werden, wodurch auch ein gewisser Druck auf die Politik entstand. Ende Januar wur-<br />

den in einer kurzen Medienmitteilung (Grossenbacher, 2009) einige Umstrukturierungen r<strong>und</strong><br />

um das Projekt bekannt gegeben. Unter anderem wurde der Vorsitzende der Projektorgani-<br />

sation ersetzt. Ansonsten bekräftigte die Mitteilung, der Wille sei vorhanden für mehr Sicher-<br />

37


heit r<strong>und</strong> um Sportveranstaltungen zu sorgen. Geplante Änderungen am Massnahmenkata-<br />

log wurden jedoch nicht angesprochen.<br />

Am 1. April 2009 wurde im Zürcher Gemeinderat eine Verordnung zur Hooligan-Datenbank<br />

’Gamma’ angenommen, um die Datensammlung der Stadtpolizei im Umfeld zu Sportveran-<br />

staltung zu legitimieren (Tagesanzeiger, 2009). <strong>Fussballfans</strong> werden in Gewalttätige (wofür<br />

das polizeiliche Informationssystem genutzt werden kann), Gewaltbereite (Hoogan) <strong>und</strong> Ge-<br />

waltsuchende unterschieden. Für letztere ist die Gamma-Datenbank zuständig. Der Begriff<br />

der Gewaltsuchenden ist laut Kritikern allerdings schwammig (Zuschauerfichen-Nein, 2009)<br />

<strong>und</strong> gegen die Verordnung wurde bereits das Behördenreferendum 16 ergriffen. Es wird also<br />

zu einer Volksabstimmung kommen.<br />

4.1.8 Sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

In der Schweiz gab es seit Ende der 70-er Jahre Probleme mit unerwünschtem Zuschauer-<br />

verhalten im Fussball <strong>und</strong> im Eishockey. Jahrelang war die polizeiliche Fanarbeit jedoch die<br />

einzige Form der Fanarbeit. In mehreren Polizeikorps sind so genannte szenenk<strong>und</strong>ige Be-<br />

amte integriert, die bei den Spielen mitreisen <strong>und</strong> durch ihre Präsenz den Fans die Anonymi-<br />

tät nehmen wollen. Die so genannten Faninitiativen, das heisst Fanarbeit organisiert durch<br />

Fans, entstanden Mitte der 90-er Jahre. Dabei thematisieren Fans Probleme wie Rassismus,<br />

Gewalt, Repression oder Alkoholkonsum <strong>und</strong> übernehmen dadurch eine wichtige Funktion<br />

bei der Selbstregulierung (Lehmann & Zimmermann, 2008; zit. nach Zimmermann & Leh-<br />

mann, 2008, S. 67). Etwa zur gleichen Zeit entstand der Verein proFAN <strong>und</strong> legte einen<br />

wichtigen Gr<strong>und</strong>stein für die sozioprofessionelle Fanarbeit in der Schweiz. Das erklärte Ziel<br />

von proFAN war es, Fanprojekte in verschiedenen Schweizer Städten zu initiieren. Im Jahr<br />

2001 startete dann das Fanprojekt Zürich eine dreijährige Projektphase, Anfang 2003 folgte<br />

das Fanprojekt Basel <strong>und</strong> mittlerweile wird auch in Bern, Luzern, Winterthur <strong>und</strong> auch wieder<br />

in Zürich 17 sozioprofessionelle Fanarbeit betrieben (Fabian & Zimmermann, 2008; zit. nach<br />

Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 78ff). Die beiden Formen der nicht-polizeilichen Fanar-<br />

beit sind seit einigen Jahren im Aufbau. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch Vorfälle,<br />

die aufzeigten, dass in der Schweiz Probleme mit Fehlverhalten von Zuschauern existieren,<br />

die durch Repression alleine nicht gelöst werden können (Lehmann & Zimmermann, 2008;<br />

zit. nach Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 67). Die sozioprofessionelle Fanarbeit steht für<br />

16<br />

46 Gemeinderätinnen <strong>und</strong> Gemeinderäte haben das Behördenreferendum unterzeichnet, für das 42 Unterschriften<br />

gereicht hätten (Tagesanzeiger, 2009).<br />

17<br />

Das Fanprojekt Zürich wurde finanziell durch das Sozialdepartement der Stadt Zürich, den Grasshopper-Club<br />

Zürich <strong>und</strong> den Fonds ’Projekte für Menschenrechte <strong>und</strong> gegen Rassismus’ gestützt. Die Unterstützung der Stadt<br />

<strong>und</strong> des Fonds wurde allerdings nach der Pilotphase eingestellt, so dass das Projekt 2005 gestrichen werden<br />

musste (Zimmermann & Lehmann, 2008, S. 68).<br />

38


die präventiven Massnahmen. Sie ist ein spezifisches Berufsfeld der Sozialen Arbeit <strong>und</strong><br />

agiert als unabhängige Instanz im Umfeld von Fussball- <strong>und</strong> Eishockey-Fans. Da die Fans<br />

eine stark durchmischte Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Absichten <strong>und</strong> Erwar-<br />

tungen sind, birgt dies ein Konfliktpotential in sich. Deshalb gelten als sek<strong>und</strong>äre Zielgruppen<br />

der Fanarbeit all jene Subsysteme, die an möglichen Konflikten beteiligt sein können, wie<br />

Polizei, Sicherheitsdienste, Behörden, Verband <strong>und</strong> Vereine. Die interdisziplinäre Vernet-<br />

zung mit den relevanten Partnern setzt präventive Impulse <strong>und</strong> dient der Förderung der<br />

Kommunikation. Aus dem Leitbild geht hervor, Ziel der Fanarbeit sei es, die positive Fankul-<br />

tur zu erhalten <strong>und</strong> die Selbstregulation zu stützen (Gander et al., 2008; zit. nach Zimmer-<br />

mann & Lehmann, 2008, S. 111f).<br />

Die Evaluation der Fanprojekte Basel <strong>und</strong> Zürich von Keller <strong>und</strong> Artho (2008; zit. nach Zim-<br />

mermann & Lehman, 2008, S. 80ff) macht deutlich, dass für eine erfolgreiche Fanarbeit drei<br />

Voraussetzungen gegeben sein müssen:<br />

- Dauer <strong>und</strong> Umfang der Ressourcen: Um den Auftrag der Vernetzung wahr zu<br />

nehmen, müssen Kontakte zu allen Akteuren des sozialen System Fussball herge-<br />

stellt werden. Insbesondere die Kontakte zu den Fans sind sehr zeitintensiv, damit<br />

ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Solange die Fans den Fanarbeitern<br />

kein Vertrauen entgegenbringen, wird auch keine Wirkung auf das Verhalten der<br />

Fans erzielt. Die Finanzmittelbeschaffung ist ebenfalls aufwändig <strong>und</strong> muss langfristig<br />

geplant <strong>und</strong> angegangen werden.<br />

- Unabhängigkeit der Fanarbeiter: Für die Vermittlungsarbeit zwischen Konfliktpar-<br />

teien ist es zwingend notwendig, unabhängig arbeiten zu können. Die Geldgeber der<br />

sozioprofessionellen Fanarbeit dürfen keinen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung<br />

der Fanarbeit nehmen.<br />

- Aufklärungs- <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit: Fanspezifische Themen müssen einerseits<br />

in die öffentliche Diskussion einfliessen, andererseits soll auch der direkte Kontakt mit<br />

der Bevölkerung aktiv gesucht werden. Kurzfristige <strong>und</strong> klare Stellungnahmen zu ak-<br />

tuellen Ereignissen werden ebenfalls als wichtig erachtet.<br />

Unter der Voraussetzung einer Vertrauensbasis, die gr<strong>und</strong>legend ist für die sozioprofessio-<br />

nelle Fanarbeit, können folgende Wirkungen auf die Fanszene erwartet werden:<br />

- Intragruppenkonflikte können reduziert werden. Durch die höhere gegenseitige Ak-<br />

zeptanz der Fangruppierungen innerhalb einer Fankurve ist die Stimmung weniger<br />

aufgeheizt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für Prävention gewalttätigen Verhal-<br />

tens.<br />

- Die blosse Präsenz der sozioprofessionellen Fanarbeiter setzt die Schwelle für illega-<br />

le Aktivitäten höher.<br />

39


- Selbstregulierungsprozesse der Fanszene können gefördert werden, was ebenfalls<br />

eine wichtige Voraussetzung für die Prävention gewalttätigen Verhaltens ist.<br />

- Durch die Vermittlungsarbeit <strong>und</strong> die Kommunikationsförderung verbessert sich das<br />

Verhältnis zwischen den Akteuren. Dadurch werden gegenseitiges Verständnis <strong>und</strong><br />

die Kompromissbereitschaft gefördert.<br />

- Während den Spielen kann ein Beitrag zur Deeskalation geleistet werden, sofern sie<br />

frühzeitig erfolgt.<br />

Die sozioprofessionelle Fanarbeit stösst allerdings auch an Grenzen. Die Gewalt <strong>und</strong> der<br />

Vandalismus der Fans können kurzfristig nicht so stark reduziert werden, dass dies durch die<br />

Vereine, Ordnungsdienste, Polizei <strong>und</strong> die Medien eindeutig wahrgenommen wird. Grenzen<br />

sind der sozioprofessionellen Fanarbeit insofern gesetzt, als die Fanarbeiter über keine for-<br />

malen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Fans verfügen <strong>und</strong> repressives Vorgehen<br />

gegen Fans auch nicht dem Selbstverständnis der sozioprofessionellen Fanarbeit entspricht.<br />

Die Prävention von Gewalt, das Hinführen zu einer gewaltfreien Konfliktlösung bedeutet Ü-<br />

berzeugungsarbeit, die viel Zeit in Anspruch nimmt <strong>und</strong> dementsprechend auch erst langfris-<br />

tig Wirkung zeigen kann.<br />

40


4.2 Pyro im sozialen System Fussball<br />

Abb. 6: Pyro im sozialen System Fussball<br />

Quelle: Blick (2008)<br />

In der Einleitung <strong>und</strong> in der Definition von pyrotechnischem Material wurden auf die Gefah-<br />

ren <strong>und</strong> die Gesetzeslage hingewiesen. Nun wird die Haltung der verschiedenen Akteure im<br />

sozialen System Fussball gegenüber Pyro genauer betrachtet.<br />

Es wurde erläutert, dass Pyro seit Jahrzehnten ein Teil von verschiedenen Sportveranstal-<br />

tungen ist, hauptsächlich aber in Fussballstadien in letzter Zeit zu Problemen geführt hat. Es<br />

fand eine Wandlung in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit statt. Diese Wahrnehmung wird<br />

in der Schweiz stark geprägt durch einen allgemeinen politischen Trend, der hin zu mehr<br />

Sicherheit <strong>und</strong> Repression geht. Beispiele dafür sind das Kampfh<strong>und</strong>everbot, die Verwah-<br />

rungsinitiative, Unverjährbarkeit für Sexualstraftäter, Sozialhilfedetektive <strong>und</strong> so weiter. Im<br />

sozialen System Fussball wurden die repressiven Massnahmen durch die Einführung von<br />

Hoogan klar erhöht. Gegen Pyro wird eine Politik der Nulltoleranz geführt. Im Fussball wurde<br />

dieses erhöhte Sicherheitsdenken zusätzlich stark von den Entwicklungen geprägt, wie sie<br />

im Kapitel über die Kommerzialisierung (vgl. Kap. 2.1) beschrieben sind. <strong>Eine</strong> Vermischung<br />

von Gewalt <strong>und</strong> Pyro wurde begünstigt dadurch, dass im Gesetz das Abrennen von pyro-<br />

technischem Material ebenfalls als gewaltbereites Verhalten definiert wurde (vgl. Kap. 4.1.7).<br />

Die Haltung der Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen ist aufgr<strong>und</strong> der Illegalität klar.<br />

41


Neben der Politik haben die Medien einen starken Einfluss auf die Meinungsbildung der Öf-<br />

fentlichkeit. Die Undifferenziertheit mancher Medien schlägt sich auch in der Berichterstat-<br />

tung über Pyro nieder. Das Abrennen von Pyro wird oft vermischt mit Gewalt. Dies zeigte<br />

beispielsweise ein Vorfall vom 2. Mai 2008 im Basler St.-Jakobpark-Stadion. Damals wurden<br />

aus dem Sektor der Fans des FC Zürichs insgesamt zehn Fackeln mitten in die Basler Zu-<br />

schauer in einen unterhalb gelegenen Sektor geworfen. Der FCZ wurde dafür mit einer Bus-<br />

se von sFr. 30`000.- <strong>und</strong> zwei Heimspielen ohne Publikum sanktioniert, was für einen Fuss-<br />

ballverein einen hohen Schaden bedeutet (SFL, 2008). Fanarbeit Schweiz (2008b) hielt in<br />

einer späteren Stellungnahme fest, dass es sich dabei um einen tragischen Vorfall <strong>und</strong> einen<br />

Gewaltakt handelte. Die Fanszene benütze Fackeln als Stimmungsmittel, distanziere sich<br />

von deren Einsatz als Waffe <strong>und</strong> bekämpfe dies schon seit längerer Zeit. Dies wurde aller-<br />

dings in den Medien kaum erwähnt. Der Vorfall hatte wohl Auswirkungen auf die Intoleranz<br />

von Pyro, weshalb er im Forschungsteil wieder aufgegriffen wird.<br />

Des Weiteren machte Fanarbeit Schweiz (ebd.) auf Eskalationsmechanismen aufmerksam,<br />

dass mehr Repression wohl auch eine Gegenbewegung auslösen würde. Die sozioprofessi-<br />

onelle Fanarbeit fordert eine differenzierte Betrachtung aller Akteure <strong>und</strong> will durch einen<br />

offenen Dialog eine Lösung finden, für den sie eine Plattform bietet. Ausserdem sieht sie ihre<br />

Rolle darin, um auf die existierenden Gefahren hinzuweisen <strong>und</strong> sie in der Fanszene zu<br />

thematisieren, also präventiv zu wirken.<br />

Von Vereinsseite kamen in letzter Zeit Zeichen für eine Dialogbereitschaft. Der Vizepräsident<br />

des FC Basel <strong>und</strong> der Präsident des FC Zürichs (die momentan erfolgreichsten Vereine der<br />

Super League, welche die grössten Fanszenen vorweisen) traten dazu folgendermassen in<br />

Erscheinung. Bernhard Heusler (FCB) hat sich mehrmals für eine lebendige Fankultur <strong>und</strong><br />

für eine differenzierte Betrachtungsweise ausgesprochen <strong>und</strong> davor gewarnt, dass<br />

die Gewaltthematik an der Pyrodiskussion aufgehängt wird (Ryser, 2008; Hanimann & Clau-<br />

de, 2008). Der Präsident des FCZ, Ancilo Canepa, hatte sich zu Beginn seiner Amtszeit<br />

(am 11. Dezember 2006 wurde er <strong>zum</strong> Präsidenten gewählt) sehr stark für repressive Mass-<br />

nahmen gegen Pyro-Aktionen der Fans geäussert. Vor kurzem räumte er in einem Interview<br />

Fehler in der Kommunikation ein <strong>und</strong> sagte über die Fanszene Folgendes (Clalüna & Ram-<br />

ming, 2009):<br />

In Begegnungen mit Leuten aus der Südkurve habe ich enorm viel über die FCZ-<br />

Fankultur gelernt. Es klingt vielleicht pathetisch, aber es ist ein Highlight, mit welcher<br />

Begeisterung diese Leute auf einen zukommen. Man darf nicht alle Fans in den glei-<br />

chen Topf werfen. Wir haben einen Bodensatz an gewaltbereiten Idioten, dazu stehe<br />

ich. Aber das ist eine absolute Minderheit.<br />

42


In der <strong>Fussballfans</strong>zene wird das Abbrennen von Pyro bei den ultraorientierten Gruppierun-<br />

gen als Teil ihrer Identität <strong>und</strong> als fester Bestandteil ihrer Kultur wahrgenommen (vgl. Kap.<br />

3.2.4). Sogar weit über die Ultragruppierungen hinaus wird es als spektakulärer Teil der Kur-<br />

venshow während der Spiele geschätzt (Keller & Artho, 2008; zit. nach Zimmermann & Leh-<br />

mann, 2008, S. 82). Die Szene distanziert sich klar vom Einsatz von Pyro als Gewaltmittel<br />

(Fanarbeit Schweiz, 2008b). Es gibt aber auch einige kritische Stimmen innerhalb der Fuss-<br />

ballfans gegenüber dem Abbrennen von Pyro als Stimmungsmittel. Hauptargument ist, dass<br />

jedes Abrennen von pyrotechnischem Material zu Bussen für den Verein führt <strong>und</strong> ihm somit<br />

schadet. Dies ist auch ein Dilemma für die Pyro-Befürworter, die zuweilen die Höhe dieser<br />

Bussen herunterspielen, da sie in einen Topf gelangen <strong>und</strong> von dort gleichmässig an die<br />

Super-League-Vereine wieder ausgeschüttet werden.<br />

43


III Forschung<br />

5 Forschungsmethodik<br />

Damit ergründet werden kann, was den Ultras ihr Verein <strong>und</strong> ihre Gruppierung bedeutet, was<br />

sie motiviert, Fackeln zu zünden, was sie als Spannungsfeld erleben <strong>und</strong> welche Lösungs-<br />

möglichkeiten sie in der Pyro-Thematik sehen, wurde der <strong>Untersuchung</strong>styp der <strong>qualitative</strong>n<br />

<strong>Untersuchung</strong> ausgewählt. In Schaffer (2002, S. 87) wird eine <strong>qualitative</strong> <strong>Untersuchung</strong> fol-<br />

gendermassen definiert: „Qualitative <strong>Untersuchung</strong>en sind auf den Nachvollzug des subjekti-<br />

ven Sinns, die Deskription oder Rekonstruktion sozialen Handelns <strong>und</strong> sozialer Milieus <strong>und</strong><br />

die Rekonstruktion von Strukturen, Mustern <strong>und</strong> Schemata der Untersuchten gerichtet.“<br />

Es gibt eine Reihe von Studien, die auf keiner ausformulierten Theorie basieren, sie gehen<br />

vielmehr auf Theoriesuche mittels der Empirie (ebd., S. 29). Da in dieser Forschung nicht<br />

von Hypothesen ausgegangen wird, ist sie unter diesen Studien einzugliedern. Wichtig ist<br />

hier zu erwähnen, dass bei <strong>qualitative</strong>n Studien nicht versucht wird, durch die Grösse der<br />

Stichprobe ihre Gültigkeit zu erlangen. Es wird angestrebt, durch vertiefte, genaue <strong>und</strong> kom-<br />

plexe Kenntnis weniger Einzelfälle zu generalisierbaren Aussagen zu gelangen (ebd., S. 88).<br />

5.1 Die Stichprobenbildung<br />

Laut Schaffer (2002, S. 139) kommt es auf die <strong>Untersuchung</strong> an, welcher Art die Elemente<br />

einer Stichprobe sind. Dies können sowohl Personen als auch Zeitschriften oder Gemälde<br />

sein. Die Aussagekraft <strong>und</strong> Verlässlichkeit hängt neben dem Methodeninstrumentarium es-<br />

sentiell davon ab, wie die Stichprobe beschaffen ist.<br />

In dieser <strong>Untersuchung</strong> wurden Interviews geführt mit Fans aus der Ultraszene, welche be-<br />

reits aktiv pyrotechnisches Material im Stadion verwendet haben. Damit ein umfassendes<br />

Bild gemacht werden konnte, war es wichtig mit Ultras zu sprechen, welche neben dem Zün-<br />

den des pyrotechnischen Materials jeweils eine der folgenden vier Kriterien erfüllen:<br />

1. Mindestens eine Person, welche momentan mit einem Stadionverbot belegt ist.<br />

2. Mindestens eine Person, welche sich im Szenekern der Ultras befindet.<br />

3. Mindestens eine Person, welche in der Szene zu den Friends <strong>und</strong> Heavy Usern<br />

gehört.<br />

4. Mindestens eine Person, welche ein normaler Szenegänger in der Ultraszene ist.<br />

Dazu wurden acht Interviews mit Ultras geführt, wobei alle genannten Kriterien erfüllt wur-<br />

den. Die Suche nach Interviewpartnern gestaltete sich schwierig, da das Zünden von pyro-<br />

44


technischem Material eine Straftat ist <strong>und</strong> sich diese Forschung deshalb in einem Dunkel-<br />

feld 18 befindet. Der Kontakt zu den Fans konnte hergestellt werden, da einerseits Miro Gloor<br />

als Fanzugbegleiter für einen Verein gearbeitet hat <strong>und</strong> er deshalb über Kontakte zu Fanbe-<br />

auftragten verfügte, die ihm bei der Suche nach den Interviewpartnern behilflich waren <strong>und</strong><br />

andererseits ist Jahn Meienberg selber Fussballfan <strong>und</strong> hat Kontakte zur Ultraszene. Im Ver-<br />

lauf der Entwicklung dieser Arbeit haben zwei Interviewpartner nach dem Gespräch von ih-<br />

rem Recht Gebrauch gemacht, das Interview zurückzuziehen, so dass diese nicht verwendet<br />

werden konnten. Somit waren es schliesslich sechs Interviews, die ausgewertet werden<br />

konnten. Es wurde bewusst entschieden, nur mit den zündenden Akteuren zu sprechen. Zur<br />

Thematik <strong>Fussballfans</strong> <strong>und</strong> <strong>Feuerwerk</strong> gibt es viele Expertenmeinungen <strong>und</strong> in der Öffent-<br />

lichkeit wurde oft darüber diskutiert. Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, die Ultras als zün-<br />

dende Akteure zu Experten zu machen. Es sollte ergründet werden, wie die Ultras die Span-<br />

nungsfelder erleben, weshalb sie zünden <strong>und</strong> was für Lösungsvorschläge sie haben. Die<br />

Interviews wurden dazu mit Fans eines Super-League-Vereins <strong>und</strong> Fans eines Challenge-<br />

League-Vereins durchgeführt. Zur Vereinfachung werden die Interviewpartner in dieser Ar-<br />

beit generell als Ultras bezeichnet. Einige Fans haben sich jedoch differenziert zu dem Beg-<br />

riff ’Ultras’ geäussert. Sie meinten, dass sie zwar die Ultrakultur leben, aber mit dem Begriff<br />

’Ultra’ Mühe haben, da er mittlerweile verwässert sei <strong>und</strong> in der Öffentlichkeit nur mit Negati-<br />

vem in Verbindung gebracht wird.<br />

Die Stichprobe dargestellt in der Ultraszene:<br />

Die Kurzportraits der einzelnen Ultras folgen im Kapitel 6.1. Damit jedoch ein Überblick über<br />

die Stichproben verschafft werden kann, werden die Namen der Ultras bereits hier beschrie-<br />

ben. Folgende Ultras wurden interviewt: Ultra A, Ultra B, Ultra C, Ultra D, Ultra E <strong>und</strong> Ultra F.<br />

Die ausgewählten <strong>Fussballfans</strong> lassen sich, unter Berücksichtigung der unter Kapitel 2.3<br />

vorgestellten Modell der Organisationselite (Hitzler et al., 2005, S. 27), folgendermassen<br />

einteilen (vgl. Abb. 6):<br />

Im Bereich des Szenekerns wurden zwei Ultras interviewt. Es handelt sich dabei um die Ult-<br />

ras A <strong>und</strong> B. Sie übernehmen tragende Funktionen in der Gruppe <strong>und</strong> sind auch Verhand-<br />

lungspartner für den Verein.<br />

In den Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User teilen wir die Ultras C, D <strong>und</strong> E ein. Sie über-<br />

nehmen wichtige Aufgaben für die Gruppe <strong>und</strong> unterstützen somit den Szenekern. Sie üben<br />

aber keine tragende Funktion aus.<br />

18 „Dunkelfeldstudien werden immer dann eingesetzt, wenn über das tatsächliche Ausmass eines spezifischen<br />

Sozialverhaltens nur wenig offiziell bekannt ist, weil dieses Sozialverhalten unerwünscht, stigmatisiert oder sogar<br />

kriminell ist“ (Schaffer, 2002, S. 61).<br />

45


Im Bereich der normalen Szenegänger befindet sich der Ultra F. Er unterstützt den Szene-<br />

kern nur bedingt <strong>und</strong> übt keinen grossen Einfluss auf die Gruppe aus. Er grenzt sich auch<br />

selber vom Szenekern der Gruppe ab, indem er sich nicht als Ultra bezeichnet.<br />

Abb. 7: Die Stichprobe – Ultraszene<br />

Quelle: in Anlehnung an Hitzler et al. (2005, S. 27)<br />

5.2 Die Operationalisierung der Forschungsbegriffe<br />

Schaffer (2002, S. 29) erwähnt, dass die in einer Forschung verwendeten Begriffe soweit<br />

präzisiert werden müssen, damit sie überprüft werden können. Dieser Vorgang wird Operati-<br />

onalisierung genannt.<br />

In dieser Studie wird der Fokus auf die Beschreibung von Ultras <strong>zum</strong> Erleben des momenta-<br />

nen Zustandes im sozialen System Fussball im Zusammenhang mit pyrotechnischem Mate-<br />

rial gelegt. Die Erkenntnisse daraus werden verwendet, um allfällige Spannungsfelder <strong>und</strong><br />

Lösungsmöglichkeiten sichtbar zu machen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> mussten die Begriffe zuerst<br />

operationalisiert werden.<br />

In Anlehnung an die eingangs präsentierte Fragestellung <strong>und</strong> um ein möglichst umfassendes<br />

Bild der Aussagen zu erhalten, werden die Aussagen der Ultras in folgende sieben Katego-<br />

rien eingeteilt:<br />

46


1. Ultra: In dieser Kategorie geht es um die Identifikation mit dem Verein<br />

<strong>und</strong> der Gruppierung, wie sich die Ultras selbst definieren, was<br />

sie von der Kommerzialisierung halten <strong>und</strong> welche Selbstregu-<br />

lationsmechanismen es bei ihnen gibt.<br />

2. Pyro: In dieser Kategorie geht es um alles mit der Motivation, dem<br />

Ablauf <strong>und</strong> den Gefahren von Pyro Zusammenhängende.<br />

3. Gewalt: In dieser Kategorie geht es darum, wie die Ultras sich zu Ge-<br />

walt äussern.<br />

4. Sanktionen: In dieser Kategorie geht es darum, welche Sanktionen die Ul-<br />

tras kennen <strong>und</strong> was sie bei ihnen bewirken.<br />

5. Vorfall Basel: In dieser Kategorie werden alle Aussagen <strong>zum</strong> Vorfall in Basel<br />

vom 2. Mai 2008 gesammelt, als brennende Fackeln in einen<br />

unterhalb liegenden Sektor geworfen wurden.<br />

6. Subsysteme: In dieser Kategorie geht es um Aussagen <strong>und</strong> Einstellungen zu<br />

anderen Subsystemen im sozialen System Fussball (Vereine,<br />

sozioprofesionelle Fanarbeit, Staat (Gesetz), Medien <strong>und</strong><br />

Polizei).<br />

7. Lösungen: In dieser Kategorie geht es um Lösungsvorschläge, welche<br />

von Ultras eingebracht wurden.<br />

5.3 Der Interviewleitfaden <strong>und</strong> die Durchführung der Interviews<br />

Für die Durchführung der Interviews wurde ein teilstandardisierter Interviewleitfaden erarbei-<br />

tet (vgl. Anhang 4). Teilstandardisierte Interviews werden auch als semistrukturierte- oder<br />

Leitfadeninterviews bezeichnet. In der Regel bestehen <strong>qualitative</strong> Interviews aus einer Abfol-<br />

ge von offenen Fragen, auf welche die Befragten frei reagieren können. Wichtig ist, dass<br />

sichergestellt wird, dass allen Befragten dieselben Fragen gestellt werden, um damit die spä-<br />

tere Vergleichbarkeit zu gewährleisten (Schaffer, 2002, S. 87 & 105). Von den verschiede-<br />

nen <strong>qualitative</strong>n Interviewtypen wurde das problemzentrierte Interview gewählt. Bei diesem<br />

Interviewtyp konzentriert man sich auf eine bestimmte oder einige wenige Problemstellun-<br />

47


gen, die vom Interviewer eingeführt werden <strong>und</strong> auf die er immer wieder zurückkommt<br />

(Schaffer, 2002, S. 114ff). Das Interview wurde jeweils in vier verschiedene Hauptthemenbe-<br />

reiche gegliedert. Am Ende des Interviews wurden die Personen jeweils zu ihren soziode-<br />

mographischen Angaben befragt.<br />

Bei der Durchführung der Interviews wurde auf verschiedene von Schaffer (2002, S. 107ff)<br />

erwähnte methodologische Prinzipien geachtet. Diese beinhalten unter anderem das Prinzip<br />

der Kommunikativität welches besagt, dass sich der Interviewer an der sprachlichen, intellek-<br />

tuellen <strong>und</strong> sozialen Kompetenz des Befragten orientieren muss. Schaffer (2002, S. 147)<br />

empfiehlt, vor der endgültigen Durchführung der Interviews einen Pretest 19 vorzunehmen. Mit<br />

einem befre<strong>und</strong>eten Ultra wurde dieser Test durchgeführt. Dadurch konnten die Fragen im<br />

Leitfaden nochmals angepasst <strong>und</strong> die erwähnten Prinzipien eintrainiert werden.<br />

Die Interviews wurden jeweils an einem vom Interviewten gewünschten Ort durchgeführt.<br />

Alle Befragten wünschten das Interview bei ihnen zuhause, in gewohnter Umgebung, durch-<br />

zuführen. Dies wird dem in Schaffer (2002, S. 107) erwähnten Prinzip des Alltagsgespräches<br />

gerecht, welches besagt, dass es wichtig ist, eine möglichst dem Alltag der befragten Person<br />

angepasste Gesprächssituation herzustellen <strong>und</strong> um einen gelungenen Interviewverlauf zu<br />

ermöglichen. Die Interviews dauerten durchschnittlich cirka 75 Minuten. Da ein schriftliches<br />

Mitprotokollieren seitens des Interviewers zu Ungenauigkeiten oder Irritationen auf der Be-<br />

fragtenseite hätte führen können (Schaffer, 2002, S. 107), wurden die Interviews mit einem<br />

Aufnahmegerät aufgezeichnet. Die Interviews wurden in M<strong>und</strong>art geführt. Bevor die Inter-<br />

views starteten, erhielten alle befragten Personen ein Handout, auf dem der Ablauf <strong>und</strong> die<br />

Verwendung der Daten beschrieben war (vgl. Anhang 3). Die Interviews wurden abwech-<br />

selnd von den beiden Autoren geführt. Während des Interviews übernahm jeweils einer die<br />

Rolle des Beobachters. Da beide Personen abwechselnd die verschiedenen Rollen einnah-<br />

men, konnte voneinander gelernt <strong>und</strong> der Interviewstil laufend verbessert werden. Im An-<br />

schluss ans Interview wurde mit den Befragten eine kurze Evaluation des Gesprächs geführt.<br />

Es wurde nachgefragt, wie sich die Befragten während des Interviews gefühlt hatten, ob<br />

sie am Leitfaden etwas ändern würden <strong>und</strong> ob sie noch etwas Abschliessendes hinzu-<br />

fügen möchten.<br />

19 Beim Pretest wird gemäss Schaffer (2002, S. 147) der Interviewleitfaden vor dem ersten Einsatz getestet um<br />

herauszufinden, ob eventuell Probleme bei der Datenerhebung auftreten.<br />

48


5.4 Die Transkription der Interviews<br />

Die aufgezeichneten Interviews wurden mit Hilfe des Computerprogramms F4 transkribiert.<br />

Dazu wurden die Transkriptionsregeln von Koby (2009, S. 22) angewendet. Die Interviews<br />

wurden ausserdem von M<strong>und</strong>art ins Schriftdeutsche übersetzt. In den Interviews steht das<br />

Wort ’Interviewer’ für die interviewende Person. Die befragten Ultras wurden aus Daten-<br />

schutzgründen alphabetisch mit Buchstaben gekennzeichnet (z.B. Ultra A, Ultra B, usw.). Da<br />

alle interviewten Personen männlich sind, erübrigt sich eine geschlechtsspezifische Bezeich-<br />

nung. Namen, Orte, Sanktionen <strong>und</strong> genaue Situationen, welche aus Datenschutzgründen<br />

sensibel waren, wurden mit ’X’ gekennzeichnet. Dies gilt insbesondere auch für die Namen<br />

der Fussballvereine <strong>und</strong> der Ultragruppierungen, welcher sie angehören. Da alle Aussagen<br />

der Befragten in zusammengefasster Form in der Arbeit aufgeführt sind <strong>und</strong> um die Identität<br />

der befragten Ultras zu schützen, werden die Interviews nicht im Anhang präsentiert.<br />

5.5 Die Codierung der Interviews<br />

In Kuckartz, Dresing, Rädiker <strong>und</strong> Stefer (2008) sind die von uns angewendeten Computer-<br />

programme (MAXQDA <strong>und</strong> F4) beschrieben. Nach der Transkription wurden die Texte mit-<br />

tels des Computerprogramms MAXQDA eingelesen <strong>und</strong> innerhalb des Programms codiert.<br />

Anschliessend wurde jedes Interview durchgearbeitet <strong>und</strong> die Aussagen wurden den ver-<br />

schiedenen Kategorien zugewiesen.<br />

5.6 Die Kategorisierung für die Auswertung<br />

Bevor die Texte durchgearbeitet wurden, wurde das Codierungssystem anhand eines Inter-<br />

views geprüft. Dadurch wurde sichergestellt, dass sich der Text in die gewählten Kategorien<br />

einordnen lässt, die Kategorien auswertbar sind <strong>und</strong> diese den Evaluationszielen aus der<br />

Fragestellung gerecht werden. Ein Kategoriensystem mit sieben Hauptkategorien <strong>und</strong> 15<br />

Unterkategorien hat sich herauskristallisiert, nach dem die Aussagen geordnet <strong>und</strong> die In-<br />

formationen codiert wurden. Bei der Kategorisierung wurden folgende von Kuckartz et al.<br />

aufgeführten Kriterien angewendet (2008):<br />

1. Nicht zu feingliedrig <strong>und</strong> nicht zu umfangreich sein, damit in den einzelnen Ka-<br />

tegorien ausreichend viele Textstellen zu finden sind <strong>und</strong> vor allem die Aus-<br />

wertung nicht zu aufwändig wird.<br />

2. In jedem Fall trennscharf sein.<br />

49


3. In Hinblick auf den späteren Evaluationsbericht formuliert sein, indem z.B. Ka-<br />

tegorien gewählt werden, die im späteren Bericht als Überschriften wieder auf-<br />

tauchen können.<br />

4. In Beziehung zu den Fragestellungen <strong>und</strong> Evaluationszielen definiert sein.<br />

5. An ein bis zwei Interviews getestet worden sein (S. 37).<br />

Die Berücksichtigung dieser Kriterien führte zu folgendem Kategoriensystem:<br />

Hauptkategorien: Unterkategorien:<br />

Ultra: • Identifikation / Werte / Bezug<br />

• Eigene Definition (Ultra)<br />

• Selbstregulation<br />

• Kommerzialisierung<br />

Pyro: • Motivation für Pyro<br />

• Handlung (Ablauf) Pyro<br />

• Gefahren mit Pyro<br />

Gewalt: • Gewalt<br />

Sanktionen: • Sanktionen<br />

Vorfall Basel: • Vorfall Basel<br />

Subsysteme: • Private Sicherheitskräfte / Polizei / Hoogan / Staat<br />

• Medien<br />

• Sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

• Verein / Spieler<br />

Lösungen: • Lösungsvorschläge der Ultras<br />

6. Die Auswertung der Interviews<br />

In diesem Teil der Arbeit werden die Interviews ausgewertet. Es geht insbesondere um die<br />

Kultur der Ultras <strong>und</strong> der Benutzung von pyrotechnischem Material im Stadion. Ausserdem<br />

werden verschiedene Spannungsfelder im System Fussball sichtbar gemacht, um Aussagen<br />

für die sozioprofessionelle Fanarbeit <strong>und</strong> andere Subsysteme im sozialen System Fussball<br />

machen zu können. Zuerst werden die befragten Personen kurz vorgestellt <strong>und</strong> anschlies-<br />

send die Aussagen anhand der unter Punkt acht beschriebenen Kategorien ausgewertet.<br />

50


6.1 Kurzportraits der Interviewpartner<br />

Ultras aus dem Szenekern (Falltyp 1):<br />

Ultra A: Ist 23 Jahre alt. Er ist seit seiner Kindheit Fussballfan <strong>und</strong> besucht jedes<br />

Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspiel seiner Mannschaft. Seit neun Jahren gehört er zu<br />

einer Ultragruppierung, in der er mittlerweile das Amt des Präsidenten ausübt.<br />

Er kommuniziert oft mit der Vereinsleitung, da er Mitglied im Dachverband der<br />

Kurve ist. Er zündet keine Fackeln mehr im Stadion. In seiner Fanlaufbahn hat<br />

er cirka fünfmal pyrotechnisches Material gezündet. Vor einigen Jahren erhielt<br />

er ein zweijähriges Stadionverbot, welches er jedoch nicht aufgr<strong>und</strong> des Zün-<br />

dens pyrotechnischen Materials, sondern wegen anderer Gründe erhalten hat.<br />

Er ist Student an einer Hochschule <strong>und</strong> lebt mit anderen Personen aus der<br />

Ultragruppierung in einer Wohngemeinschaft.<br />

Ultra B: Ist 25 Jahre alt. Er ist seit seiner Kindheit Fussballfan <strong>und</strong> besucht jedes<br />

Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspiel seiner Mannschaft. Seit vier Jahren ist er Mitglied<br />

einer Ultragruppierung <strong>und</strong> gehört dort <strong>zum</strong> Szenekern. Er hat bis jetzt cirka<br />

15 Mal Fackeln im Stadion gezündet, ist deswegen aber noch nie bestraft<br />

worden. Er ist Mitglied im Dachverband der Kurve <strong>und</strong> kommuniziert mit der<br />

Vereinsleitung. Aus diesem Gr<strong>und</strong> zündet er nicht mehr. Er hat einen Sek A-<br />

Abschluss <strong>und</strong> eine abgeschlossene Berufslehre im kaufmännischen Bereich.<br />

Ultras aus dem Bereich Friends <strong>und</strong> Heavy User (Falltyp 2):<br />

Ultra C: Ist 22 Jahre alt. Er ist seit seiner Kindheit Fussballfan <strong>und</strong> besucht jedes<br />

Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspiel seiner Mannschaft. Er gehört seit neun Jahren zu<br />

einer Ultragruppierung, in der er sich in der Mitte positioniert, <strong>und</strong> er hat mehr<br />

als 200 Mal Fackeln im Stadion gezündet. Er hat keinen Kontakt zur Vereins-<br />

leitung. Vor einigen Jahren hat er ein zweijähriges Stadionverbot erhalten,<br />

welches er aber nicht wegen der Verwendung von pyrotechnischem Material<br />

erhalten hat, sondern aufgr<strong>und</strong> anderer Taten. Er hat eine abgeschlossene<br />

Berufslehre im technischen Bereich <strong>und</strong> arbeitet zurzeit als Selbständig-<br />

erwerbender.<br />

Ultra D: Ist 21 Jahre alt. Seit er fünf Jahre alt war ist er Fan eines Fussballvereins. Er<br />

gehört mittlerweile seit fünf Jahren zu einer Ultragruppierung <strong>und</strong> hat bis jetzt<br />

51


mehr als zwanzigmal pyrotechnisches Material im Stadion gezündet. Er hat<br />

keinen Kontakt zur Vereinsleitung. Sein Bildungs- <strong>und</strong> Berufsstand sind ein<br />

Sek A-Abschluss <strong>und</strong> eine abgeschlossene Berufslehre im Lebensmittelbe-<br />

reich. Früher besuchte er alle Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspiele seines Vereins. Mo-<br />

mentan hat er ein dreijähriges gesamtschweizerisches Stadionverbot, welches<br />

er aufgr<strong>und</strong> der Verwendung von pyrotechnischem Material im Fussballstadi-<br />

on erhalten hat.<br />

Ultra E: Ist 24 Jahre alt. Er ist seit seiner Kindheit Fussballfan <strong>und</strong> hat auch selber<br />

Fussball gespielt. Er besucht jedes Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspiel seiner Mann-<br />

schaft. Seit zwei Jahren gehört er zu einer Ultragruppierung <strong>und</strong> befindet sich<br />

eher am Rande der Gruppierung. Er möchte in Zukunft mehr in Richtung des<br />

Szenekerns der Gruppierung vordringen. Er hat bis jetzt weniger als fünfmal<br />

pyrotechnisches Material im Stadion gezündet <strong>und</strong> ist deswegen noch nie be-<br />

straft worden. Er hat keinen Kontakt zur Vereinsleitung. Er verfügt über eine<br />

abgeschlossene Berufslehre <strong>und</strong> arbeitet im technischen Bereich.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger (Falltyp 3):<br />

Ultra F: Ist 30 Jahre alt. Seit er sechs Jahre alt war, ist er Fussballfan <strong>und</strong> hat auch<br />

selber Fussball gespielt. Er besucht jedes Heimspiel seiner Mannschaft <strong>und</strong><br />

fährt auch an einige Auswärtsspiele. Er gehört seit sieben Jahren <strong>zum</strong> äusse-<br />

ren Rand einer Ultragruppierung, weshalb er sich auch nicht als Ultra be-<br />

zeichnet. Bis jetzt hat er einmal eine Fackel im Stadion gezündet <strong>und</strong> wurde<br />

dafür nicht bestraft. Er hat keinen Kontakt zur Vereinsleitung. Er verfügt über<br />

eine abgeschlossene Berufslehre in der Baubranche, wo er zurzeit auch<br />

arbeitstätig ist.<br />

6.2 Auswertung nach Kategorien<br />

Nach Schaffer (2002, S. 162) ist es bei der Auswertung einer <strong>qualitative</strong>n Studie wichtig,<br />

transparent zu machen, wie ein bestimmtes Auswertungsergebnis entstanden ist. Dabei ist<br />

jeweils deutlich zwischen Analyse <strong>und</strong> Interpretation zu trennen.<br />

Die Aussagen der Interviewteilnehmer werden in sieben Kategorien Zusammengefasst: Ult-<br />

ra, Pyro, Gewalt, Sanktionen, Vorfall Basel, Akteure <strong>und</strong> Lösungen. Die Kategorien sind so<br />

gegliedert, dass zuerst über die Ultras aus dem Szenekern, dann über die Ultras aus dem<br />

52


Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User <strong>und</strong> schlussendlich über den Ultra, welcher ein norma-<br />

ler Szenegänger ist, geschrieben wird. Unter jede der unter Punkt acht beschriebenen Un-<br />

terkategorien werden jeweils die Aussagen der Ultras zusammengefasst <strong>und</strong> die Erkenntnis-<br />

se daraus formuliert. Um die Authentizität der Aussagen zu erhalten, sind die Interviews –<br />

dem Schweizerdeutsch entsprechend – in indirekter Form im Präsens formuliert. Am Ende<br />

jeder Unterkategorie befindet sich eine Tabelle, in der die Erkenntnisse festgehalten sind. In<br />

der ersten Spalte steht jeweils die Erkenntnis, in der zweiten Spalte (SK) sind die Ultras vom<br />

Szenekern eingetragen. In der dritten Spalte (FH) sind die Ultras der Friends <strong>und</strong> Heavy U-<br />

ser <strong>und</strong> in der vierten Spalte (NS) der normale Szenegänger. Es werden jeweils die Buch-<br />

staben der Ultras den Feldern zugeordnet, wenn die Erkenntnis auf sie zutrifft. Es kann sich<br />

bei den Erkenntnissen um Fakten handeln, welche sich aus der Analyse der Aussagen erge-<br />

ben oder um Interpretationen, welche aus den Aussagen hergeleitet werden.<br />

6.2.1 Ultra<br />

6.2.1.1 Identifikation / Werte / Bezug<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A bezeichnet seinen Verein als ’Ersatzreligion’. Er sagt, man sucht sich den Fussball-<br />

club nicht aus, sondern man wird vom Fussballclub ausgesucht. Seine Meinung ist, dass<br />

man irgendwie mal zu einem Spiel kommt <strong>und</strong> entweder gepackt wird oder eben nicht. Er<br />

besuchte schon in seiner frühen Kindheit Fussballspiele mit seinem Vater. Er beschreibt den<br />

Bezug zu seinem Verein als Liebe, teilweise aber auch als Hassliebe. Dies, weil es manch-<br />

mal Momente gibt, in denen er alles in Frage stellt. Zum Beispiel wenn das Spiel schlecht<br />

oder er mit der Fankurve nicht zufrieden ist. Manchmal fragt er sich dann, weshalb er diesen<br />

Aufwand betreibt. Am nächsten Tag merkt er aber wieder, dass er seinen Verein liebt, dieser<br />

ihn braucht <strong>und</strong> er die Arbeit gerne macht . Der Verein ist für ihn zu einem grossen Teil sei-<br />

nes Lebensinhalts geworden, da er jedes Wochenende an Fussballspielen ist <strong>und</strong> auch unter<br />

der Woche viel Aufwand für den Verein betreibt.<br />

Zu seiner Ultragruppierung ist er im Jahr 2000 gestossen <strong>und</strong> ist dort Mitglied im Dachver-<br />

band. Es gab damals eine Faninitiative, bei der er mitwirkte <strong>und</strong> dort jemanden kennen lern-<br />

te, der in der Gruppierung war. Er ging mit ihm an Auswärtsspiele, wodurch weitere Fre<strong>und</strong>-<br />

schaften entstanden <strong>und</strong> er so schlussendlich zur Gruppierung stiess. Ihm gefiel, dass diese<br />

Gruppierung nicht so militärisch organisiert war. Die Leute in dieser Gruppierung waren ihm<br />

von Beginn weg sehr sympathisch <strong>und</strong> sie haben dieselbe Einstellung <strong>zum</strong> Fussball <strong>und</strong><br />

53


dem Fansein wie er. Die Ultragruppierung ist für ihn sein Fre<strong>und</strong>eskreis. Er hat zwar noch<br />

andere Kollegen, mit denen lebt er jedoch nicht seinen Lebensinhalt aus. Mit den Ultras<br />

trifft er sich auch ausserhalb des Fussballs, geht mit ihnen aus <strong>und</strong> lebt sogar mit fünf<br />

Personen aus der Gruppierung in einer Wohngemeinschaft. An der Gruppierung würde er<br />

nichts ändern.<br />

An der ganzen Kurve gefällt ihm das Emotionale, anders zu sein <strong>und</strong> einfach so zu leben,<br />

wie man möchte. Man kann sich durch schreien <strong>und</strong> hüpfen austoben. Ihm gefallen die Cho-<br />

reografien, die Pyro-Shows <strong>und</strong> die immer wieder neuen Lieder. Dadurch könne man sich<br />

kreativ präsentieren. Was er ebenfalls sehr speziell an einer Fankurve findet ist die Tatsa-<br />

che, dass es sonst kaum eine derart grosse Ansammlung von Leuten gibt, die so bunt durch-<br />

mischt ist. Vom 12-jährigen bis 60-jährigen, vom Arbeitslosen bis <strong>zum</strong> Topmanager, von poli-<br />

tisch links bis rechts. Alle befinden sich am gleichen Ort <strong>und</strong> alle wollen dasselbe.<br />

Dass sein Verein zurzeit in der Challenge League spielt, findet er nicht schlecht. Dadurch<br />

ergeben sich neue Auswärtsfahrten, das macht das Ganze interessant. Als Problem be-<br />

schreibt er, dass man praktisch nie Gästefans bei Heimspielen hat <strong>und</strong> es nicht reizvoll ist,<br />

wenn man gegen niemanden singt, da dadurch das Duell der beiden Kurven fehlt.<br />

Ultra B hat bereits als kleiner Junge mit seinem Vater Fussballspiele besucht. Er ist Fan des<br />

Vereins, weil er in der Nähe aufgewachsen ist. Er sagt, man wachse in die Szene hinein <strong>und</strong><br />

irgendwann könne man es sich gar nicht mehr ohne vorstellen.<br />

Zu seiner Ultragruppierung ist er vor vier Jahren durch einen Arbeitskollegen gestossen.<br />

Dieser hat ihn zu einem Spiel mitgenommen. Danach sei er immer weiter reingerutscht, bis<br />

sich irgendwann alles nur noch um Fussball gedreht habe. An der Gruppierung gefällt ihm,<br />

dass alle die gleiche Einstellung <strong>zum</strong> Fussball <strong>und</strong> zur Unterstützung der Mannschaft haben.<br />

Seine Gruppierung ist für ihn wie eine zweite Familie, weil er sehr viel Zeit mit diesen Leuten<br />

verbringt. Ändern an der Gruppierung würde er nichts. Er sagt, zu Beginn habe er nur wegen<br />

dem Fussballverein die Spiele besucht, mittlerweile gehe er auch wegen des Drumherums<br />

zu den Spielen <strong>und</strong> weil es seine Kollegen seien. Neben der Ultragruppierung ist er Mitglied<br />

im Dachverband, verkauft Utensilien oder hilft sonst mit.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C war schon als kleiner Junge an Fussballspielen. Er ist von Fre<strong>und</strong>en mitgezogen<br />

worden. Er ist an jedem Spiel dabei. Er ist Fan seines Vereins, weil er in der Region wohnt.<br />

An seinem Verein findet er vor allem die Zuschauer toll. Er bezeichnet sie als Fussballver-<br />

rückte. Er sagt, das sieht man daran, dass sie zurzeit in der Challenge League spielen <strong>und</strong><br />

trotzdem immer 10’000 Zuschauer im Stadion haben.<br />

54


Er ist vor neun Jahren zu den Ultras gestossen. Zuerst ist er abseits von der Gruppierung<br />

gestanden <strong>und</strong> mit der Zeit immer mehr in die Mitte gerückt, da die Fans dort immer mitge-<br />

sungen haben. Dadurch lernte er die Leute der Gruppierung kennen. Er hat sich der Grup-<br />

pierung angeschlossen, weil bereits viele Fre<strong>und</strong>e von ihm dabei waren, weil es ihm gefallen<br />

hat, dass es bei dieser Gruppierung keinen Streit gibt <strong>und</strong> weil alle einen lockeren Umgang<br />

untereinander pflegen <strong>und</strong> der Zusammenhalt sehr gross ist. Er bezeichnet die Gruppe als<br />

seinen Fre<strong>und</strong>eskreis <strong>und</strong> er würde nichts daran ändern.<br />

Ultra D hat bereits im Alter von fünf Jahren mit seinem Vater Fussballspiele besucht. Der<br />

Verein hat ihn von Beginn an fasziniert. Er ist Fan von dem Verein, weil er in der Region auf-<br />

gewachsen ist. Mit der Zeit wurde die Verbindung <strong>zum</strong> Club immer stärker, da er jedes Spiel<br />

besucht <strong>und</strong> auch auswärts immer dabei ist. Er bleibt immer dabei, auch wenn es mal nicht<br />

gut läuft.<br />

Er ist seit fünf Jahren in einer Ultragruppierung. Er besuchte bereits früher jedes Spiel <strong>und</strong><br />

hat dadurch immer mehr Leute in der Kurve kennen gelernt. Nach einer Weile hat er bei der<br />

Gruppierung angefragt, ob er beitreten darf. Der Gruppe ist er beigetreten, weil ihm die Leute<br />

sympathisch sind, sie die gleiche politische Einstellung haben <strong>und</strong> bei den Pyro-Aktionen<br />

immer beteiligt sind. An seiner Gruppierung gefällt ihm besonders, dass man über Jahre<br />

immer die gleichen Leute sieht, viel Zeit miteinander verbringt <strong>und</strong> deshalb die Menschen<br />

sehr gut kennt. Er sagt, man kennt sich dadurch viel besser als andere Kollegen. Die Grup-<br />

pierung ist für ihn wie eine grosse Familie <strong>und</strong> er sieht nichts, was man an der Gruppierung<br />

ändern müsste.<br />

Ultra E besuchte bereits im Alter von sieben Jahren mit seinem Vater Fussballspiele seines<br />

Vereins. Seit mehreren Jahren besucht er jedes Spiel, auch auswärts. Ihn interessieren das<br />

Spiel, das Leben in der Kurve <strong>und</strong> auch das Drumherum. Der Verein bestimmt sein Leben<br />

für mehr als nur 90 Minuten.<br />

Bevor er zu seiner Gruppierung gestossen ist, war er schon lange in der Kurve mit dabei <strong>und</strong><br />

hat einige Leute vorher gekannt. Er ist jetzt seit zwei Jahren dabei. Er war früher in der Nähe<br />

der Gruppierung <strong>und</strong> hat sich im Laufe der Zeit immer mehr mit diesen Leuten identifiziert.<br />

Ausserdem ist ihm die Gruppe sympathisch, weil sie nicht so sehr durchorganisiert ist wie<br />

andere Gruppierungen. Für ihn ist wichtig, dass er aktiv etwas mitgestalten kann, was eben-<br />

falls ein Gr<strong>und</strong> für ihn war, den Ultras beizutreten. Er bezeichnet sich selbst klar als Ultra.<br />

Die Leute in der Gruppierung sind seine Fre<strong>und</strong>e. Er hat aber auch ausserhalb der Gruppie-<br />

rung Fre<strong>und</strong>e. Ihm bedeutet das Gemeinschaftsgefühl viel <strong>und</strong> auch die Tatsache, dass alle<br />

die gleichen Interessen haben. Ihm gefällt, dass sie viel zusammen unternehmen <strong>und</strong> ge-<br />

meinsam an die Spiele reisen.<br />

55


An der Kurve stört ihn ein wenig, dass sie teilweise militant organisiert ist. Er sagt, dadurch<br />

wird der Kurve ein bisschen die Kreativität <strong>und</strong> die Persönlichkeit genommen.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F ist im Alter von neun Jahren durch seinen Vater <strong>zum</strong> Fussball gekommen. Er hat<br />

damals neben dem Stadion gewohnt <strong>und</strong> hat später auch aktiv Fussball gespielt. Während<br />

seiner Jugend hat ihn Fussball eine Zeit lang nicht mehr interessiert. Erst als er später neue<br />

Leute kennen lernte, welche Fan des Vereins waren, ist er wieder auf den Geschmack ge-<br />

kommen. Er besucht jedes Heimspiel <strong>und</strong> ab <strong>und</strong> zu auch ein Auswärtsspiel.<br />

Ein Jahr nachdem er regelmässig Heimspiele des Vereins besuchte, wurde er in die Grup-<br />

pierung aufgenommen. Er ist seit sechs Jahren Mitglied. Er sagt, dass die Gruppierung zu<br />

cirka 90% aus Ultras besteht. Er zählt sich zu den anderen 10%. Ihm gefällt, dass sie wie<br />

eine grosse Familie sind, viel unternehmen <strong>und</strong> gemeinsam zu Auswärtsspielen fahren. Auf<br />

diesen Fahrten haben sie Spass zusammen <strong>und</strong> trinken viel Alkohol. Er sagt, er suche je-<br />

doch den Halt im Leben nicht nur in der Kurve, sondern habe auch noch andere Hobbies.<br />

Ändern würde er nichts an seiner Gruppierung.<br />

Tabelle 1 Erkenntnisse: Identifikation / Werte / Bezug<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Besucht seit seiner Kindheit Fussballspiele A,B C,D,E F<br />

Ist als Kind mit seinem Vater ins Stadion gegangen A,B D,E F<br />

Besucht jedes Heim- <strong>und</strong> Auswärtsspiel seines Vereins A,B C,D,E -<br />

Der Verein bestimmt sein Leben A,B C,D,E -<br />

Sein Leben dreht sich nicht nur um Fussball - - F<br />

Ist Fan von dem Verein, weil er in der Region aufgewachsen ist B C,D F<br />

Neben dem Fussball gefällt ihm auch das Drumherum B C,E -<br />

Ist seit weniger als 5 Jahren in der Gruppierung B E -<br />

Ist seit mehr als 5 Jahren in der Gruppierung A C,D F<br />

Ist zu der Gruppierung gestossen, weil er Leute darin<br />

A,B C,D,E F<br />

kennenlernte<br />

Die Leute aus der Gruppierung sind sein Fre<strong>und</strong>eskreis A,B C,D,E F<br />

In der Gruppierung haben alle dieselbe Einstellung <strong>zum</strong> Fansein A,B E -<br />

An der Gruppierung würde er nichts ändern A,B C,D,E F<br />

6.2.1.2 Eigene Definition (Ultra)<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A sagt, für ihn sei ’Ultra’ mittlerweile ein schwieriger Begriff, da er stark verwässert<br />

wurde. <strong>Eine</strong>rseits durch die Öffentlichkeit <strong>und</strong> die Medien, andererseits durch die Fans. Er<br />

meint, dass sich jeder als Ultra bezeichnet hat, als ’Ultra-Sein’ zur Mode wurde. Aus seiner<br />

56


Sicht muss ein Ultra nicht zwingend an jedem Spiel der Saison mit dabei sein. <strong>Eine</strong> Identifi-<br />

kation mit dem Verein muss aber vorhanden sein, die Freude an Spiele zu gehen <strong>und</strong> den<br />

Verein unterstützen zu wollen, sowohl optisch als auch akustisch. Anderseits findet er es<br />

wichtig, dass man kritisch ist <strong>und</strong> nicht alles glaubt, was der Vereinsvorstand sagt, Man soll<br />

Dinge hinterfragen. Er erachtet es als sehr wichtig, dass Politik nicht in die Kurve gehört. Ein<br />

weiteres Merkmal der Ultras ist für ihn, dass es bei ihnen immer Steigerungspotential nach<br />

oben geben soll. Neue, bessere Lieder sollen entwickelt werden <strong>und</strong> die Choreografien sol-<br />

len besser klappen. Es ist aber auch in Ordnung, wenn es nicht perfekt ist. Ihm ist es lieber<br />

wenn es Fehler gibt <strong>und</strong> dafür die Organisation nicht so diktatorisch ist. Seiner Meinung nach<br />

ist es ebenfalls sehr wichtig, dass es in der Kurve Stehplätze hat, denn wenn es nur noch<br />

Sitzplätze gibt, können sich keine Gruppen mehr bilden <strong>und</strong> die Stimmung verschwindet.<br />

Im Bezug auf andere Ultragruppierungen meint er, dass ihn schöne Pyro- oder Choreografie-<br />

Aktionen von anderen Gruppen faszinieren, jedoch nicht die Gruppierungen selbst. Wichtig<br />

ist aber, dass niemals Choreografien von anderen kopiert werden. Als Ultra sollte man ei-<br />

genständig sein.<br />

In der Gruppe wurde er schnell akzeptiert. Er ging immer häufiger mit. Bis er offiziell dabei<br />

war, dauerte es cirka ein Jahr. Mittlerweile hat er grossen Einfluss auf die Gruppe weil er<br />

gerne diskutiert <strong>und</strong> seine Meinung k<strong>und</strong>tut. Heute ist er Präsident der Gruppierung. Auch<br />

seine Mitgliedschaft im Dachverband verschafft ihm Einflussmöglichkeiten.<br />

Der Punkt des Einstiegs in die Szene sieht er bei der Übernahme von Aufgaben. Später<br />

kann man sich durch das Verhandeln mit Aussenstehenden <strong>und</strong> dem Verein Respekt<br />

erarbeiten. Ebenfalls als wichtig erachtet er das Organisieren von Extrazügen <strong>und</strong> des<br />

Billetverkaufs.<br />

Den Unterschied zwischen Ultra <strong>und</strong> Hooligan sieht er darin, dass ein Ultra nicht zwingend<br />

Gewalt anwendet. Ein Ultra kann sich völlig von Gewalt distanzieren oder aber auch, situati-<br />

onsbedingte Gewaltanwendung in Ordnung finden. Sobald Gewalt für einen Ultra wichtig ist,<br />

ist er seiner Meinung nach kein Ultra mehr, sondern ein Hooligan. Ein Hooligan kann zwar<br />

auch Fan sein, die Gewaltaffinität ist jedoch viel höher. Sie suchen die Gewalt <strong>und</strong> haben<br />

Freude daran. Bei einem Ultra kann es sein, dass er nicht davor zurückschreckt, aber es ist<br />

keine Bedingung. Es funktioniert gut, ohne Gewalt Ultra zu sein. Für ihn sind Leute die an<br />

Spiele gehen, weil es Ärger geben könnte oder weil man sich auf der Zugfahrt betrinken<br />

kann, keine Ultras.<br />

Ultra B definiert Ultra als die Leute, die die Mannschaft auch dann unterstützen, wenn es<br />

nicht gut läuft, die bei Auswärtsspielen dabei sind, die sich aktiv an Choreografien beteiligen<br />

<strong>und</strong> alles für den Verein tun. Sie investieren viel Freizeit in Choreografien <strong>und</strong> reisen überall<br />

hin. Es sind die Leute, die hinter dem Verein stehen, auch wenn man dafür am Sonntag bei<br />

57


schönem Wetter nach Genf reisen muss. Für Ultras zählt der Fussball, alles andere ist ne-<br />

bensächlich. Ultra B sagt, wenn jemand in eine Gruppierung will, kann er sich anmelden.<br />

Danach wird intern besprochen, ob man aufgenommen wird oder nicht. Es gibt keine Prü-<br />

fungen oder ähnliches. Seine Gruppierung ist intern so aufgebaut, dass es zwei Ämter gibt,<br />

den Kassier <strong>und</strong> den Präsidenten. Der Präsident ist jedoch nicht höher gestellt, es sind alle<br />

gleich <strong>und</strong> es gibt keine Hierarchie.<br />

Im Bezug auf andere Ultragruppierungen meint er, dass diese ihn nicht interessieren. Was<br />

ihn interessiert, sind schöne Choreografien oder Pyro-Shows von anderen Fankurven.<br />

Er sagt, dass er in der Gruppe schnell akzeptiert wurde. Er war zuerst cirka ein Jahr dabei<br />

ohne Mitglied zu sein, bis er definitiv in die Gruppe aufgenommen wurde. In seiner Gruppie-<br />

rung haben alle gleichviel zu sagen. Er sagt aber, dass sein Einfluss in der Gruppe nicht ge-<br />

ring ist. Wenn jemand aus der Gruppierung etwas sagt, stehen alle zusammen <strong>und</strong> vertreten<br />

diese Meinung. Dadurch haben sie als Gruppierung in der Kurve ziemlich viel Einfluss. Eben-<br />

falls ein wichtiger Aspekt ist, dass die Gruppierung bereits sehr lange existiert. Dies erhöht<br />

den Stellenwert. Seine Gruppierung greift auch oft ein, wenn es Probleme gibt wie z.B. Fla-<br />

schen aus dem Zug werfen.<br />

Zum Unterschied zwischen Hooligans <strong>und</strong> Ultras äussert sich Ultra B so, dass ein Ultra zu<br />

100% hinter dem Verein steht <strong>und</strong> alles für den Verein macht. Ein Hooligan geht nur ans<br />

Spiel, weil er sich prügeln möchte. Ein Ultra hingegen geht ans Spiel, um die Mannschaft zu<br />

unterstützen. Wenn die Ultras jedoch angegriffen werden, dann stehen die Ultras zusammen<br />

<strong>und</strong> signalisieren: „Hier ist Schluss!“<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C berichtet, dass es bei ihnen in der Kurve mittlerweile cirka 20 Fangruppierungen gibt<br />

mit dem gleichen Ziel, den Verein zu unterstützen.<br />

Ein Ultra ist für ihn ein fussballverrückter Fan, der an jedem Match dabei ist, der den Verein<br />

lautstark unterstützt <strong>und</strong> für den Verein lebt. Seiner Meinung nach kann jeder ein Ultra sein,<br />

vom Geschäftsführer bis <strong>zum</strong> Schüler, egal aus welcher Schicht man kommt. Für Ultras ist<br />

es wichtig sich untereinander zu messen. Man will besser sein als die anderen. Wenn sie zu<br />

Ohren bekommen, wie andere Fankurven sagen: „Hast du diese geniale Stimmung des Ver-<br />

eins X gesehen?“ dann macht es sie stolz. Er ist der Meinung, dass Politik innerhalb der<br />

Kurve nichts verloren hat. In seiner Gruppierung gibt es keine speziellen Ämter <strong>und</strong> Positio-<br />

nen, es macht jeder alles.<br />

Bei anderen Gruppierungen interessieren ihn vor allem gute Pyro-Shows <strong>und</strong> Choreografien.<br />

Er sagt, dass von anderen Fanclubs viele mit ihren Anliegen zu seiner Gruppierung kommen,<br />

teilweise auch direkt zu ihm. Deshalb hat er auch einen relativ hohen Einfluss auf die Grup-<br />

58


pe. Sonst sagt er, haben alle denselben Stellenwert, er ist einfach derjenige, der die Leute<br />

per SMS informiert, z.B. wann der Extrazug fährt usw.<br />

Ultra C sagt, dass ein Ultra die Gewalt nicht sucht. Ein Ultra will den Verein unterstützen.<br />

Ausserdem verabreden sich Ultras nicht um sich zu prügeln. Ein Ultra prügelt nur wenn er<br />

angegriffen wird. <strong>Eine</strong>m Hooligan hingegen geht es nur um die Gewalt, nicht um Spielresul-<br />

tate. Ultra lebt man jeden Tag aus, Hooligan wenn es Ärger gibt.<br />

Ultra D hat <strong>zum</strong> Begriff ’Ultras’ folgende Beschreibung: „Leidenschaftlicher Support, 90 Min.<br />

lang singen, Fahnen schwenken, Bewegung in der Kurve, Pyro <strong>und</strong> immer für den Verein<br />

unterwegs sein.“ Ein Ultra muss seiner Ansicht nach während der gesamten Spieldauer sin-<br />

gen <strong>und</strong> aktiv bleiben. Ausserdem sollte ein Ultra auch vor <strong>und</strong> nach dem Spiel etwas für den<br />

Verein tun. Er sagt, er opfere extrem viel seiner Freizeit für den Verein, z.B. für Auswärts-<br />

fahrten. Diese Zeit verwendet er gerne für seinen Verein, weil es ihm Spass macht den Ver-<br />

ein spielen zu sehen. Das Drumherum ist ihm zwar wichtig, aber hauptsächlich geht es ihm<br />

um das Fussballspiel. Er sagt, dass es für eine Fankurve wichtig ist, Status zu erhalten. Sie<br />

möchten sich mit anderen Ultras messen <strong>und</strong> würdigen es, wenn eine andere Kurve eine<br />

schöne Pyro-Show oder Choreografie macht; sogar wenn es ein „verhasster“ Verein ist. Die<br />

Gruppierung von Ultra D ist ziemlich unstrukturiert, es gibt einen Präsidenten <strong>und</strong> einen Kas-<br />

sier. Weitere Positionen gibt es nicht. Wenn jemand in die Gruppe aufgenommen werden<br />

will, muss er bei einem Mitglied anfragen. Danach wird in der Gruppe darüber gesprochen<br />

<strong>und</strong> es müssen letztendlich alle einverstanden sein, damit die Person aufgenommen wird.<br />

Ihn interessieren neben seinem Verein die Ultras aus Italien. Er bew<strong>und</strong>ert deren Choreogra-<br />

fien <strong>und</strong> Pyro-Aktionen.<br />

In seiner Gruppierung wurde Ultra D sofort akzeptiert. Er war zuvor lange mit der Gruppie-<br />

rung unterwegs, ohne Mitglied zu sein. Er sagt, das Einzige, was ihn von den anderen unter-<br />

schieden hat war, dass er keinen Pullover mit dem Club-Logo trug. Über seine Position in<br />

der Gruppe sagt er, dass er auf jeden Fall kein Anführer ist, die Gruppe ist sehr demokra-<br />

tisch aufgebaut <strong>und</strong> es haben alle gleichviel zu sagen. In seiner Gruppe sind alle für Vor-<br />

schläge offen.<br />

Ultras <strong>und</strong> Hooligans unterscheidet er dadurch, dass ein Ultra nicht einer sein muss, der sich<br />

nach dem Match mit anderen Leuten prügelt. Hooligans sind seiner Meinung nach Leute, die<br />

sich absprechen <strong>und</strong> sich nach dem Spiel treffen, um sich zu prügeln. Sie schauen, dass es<br />

fair ist, indem <strong>zum</strong> Beispiel 10 gegen 10 kämpfen. Dies gibt es bei Ultras weniger. Es gibt ab<br />

<strong>und</strong> zu auch hier Schlägereien, diese sind eher unvorhergesehen <strong>und</strong> auch relativ schnell<br />

wieder vorbei. Ultra D sagt, ein Ultra prügelt sich nur wenn es sein muss, z.B. weil er ange-<br />

griffen wird. Ausserdem sagt er, dass Hooligans nicht wegen dem Spiel kommen, sondern<br />

weil sie sich gegenseitig den Kopf einschlagen wollen.<br />

59


Ultra E hat ein gr<strong>und</strong>sätzliches Problem mit dem Wort ’Ultra’. Das Wort wird seiner Meinung<br />

nach in der Öffentlichkeit nur mit Schlechtem in Verbindung gebracht <strong>und</strong> von den Medien<br />

missbraucht. Seiner Meinung nach ist ein Ultra ein Fan, der immer in der Kurve steht <strong>und</strong> die<br />

Mannschaft durch aktiven Support, Choreografien <strong>und</strong> Gesänge jederzeit unterstützt. Er<br />

sagt ein Ultra lebt für seine Mannschaft <strong>und</strong> trägt ihre Farben in seinem Inneren. Ein Ultra<br />

muss sich mit dem Verein identifizieren, aber sollte kritisch gegenüber dem Geschehen in-<br />

nerhalb des Vereins sein <strong>und</strong> stets unabhängig bleiben. Er sagt, Ultras nehmen kein Geld<br />

vom Verein.<br />

In seiner Gruppierung <strong>und</strong> allgemein in der Kurve sind die Ultras der Meinung, dass Politik<br />

nicht ins Stadion gehört. Er bezeichnet es als wichtig, dass man immer in der Diskussion<br />

bleibt <strong>und</strong> nie aufhört zu hinterfragen. Ein Ultra sollte seiner Meinung nach immer dabei blei-<br />

ben, durchhalten <strong>und</strong> an die Zukunft des Fussballsports glauben. Er findet die Bewegungs-<br />

freiheit in einer Kurve enorm wichtig für das soziale Leben. Er sagt, ein Ultra ist auf jeden<br />

Fall Pyro-Befürworter, da es nicht möglich ist, hinter der Kurve zu stehen <strong>und</strong> ein Gegner von<br />

Pyro zu sein. Bei den Ultras sind Aktionen, die geplant werden immer geheim <strong>und</strong> werden<br />

nur in der Gruppe besprochen. Er berichtet, dass sich Ultras oft gegenseitig Utensilien klau-<br />

en. Für eine Gruppierung ist es das Schönste, wenn sie einer anderen eine Flagge klauen<br />

kann. Dies wird innerhalb der eigenen Gruppierung als sehr hoch angesehen.<br />

Ultra E interessiert sich auch für andere Ultraszenen aus der ganzen Welt, vor allem für die<br />

Italienische. Interessant dabei findet er, dass <strong>zum</strong> Beispiel die Szene in Italien schon wieder<br />

rückläufig ist <strong>und</strong> in der Schweiz erst richtig aufkommt.<br />

Seine Ultragruppierung gibt es seit 2002. Entwickelt hat sich die Gruppe durch Leute, die<br />

zusammen an die Spiele gegangen sind <strong>und</strong> sich dann zusammengeschlossen haben. In<br />

seiner Gruppe ist alles geregelt <strong>und</strong> ziemlich hierarchisch aufgebaut, es gibt führende Leute,<br />

welche Aufgaben übernehmen wie <strong>zum</strong> Beispiel Reisen organisieren. In seiner Gruppierung<br />

haben sie wenige Richtlinien <strong>und</strong> sind nicht so streng ultraorientiert. Sie haben eigene Fah-<br />

nen, die sie schwingen. Ultra E unterstützt die Gruppe vor allem durch seine Anwesenheit.<br />

Er hilft auch bei der Organisation von Reisen oder bei der Gestaltung der Choreografien mit.<br />

Da er jedoch erst vor einem Jahr aufgenommen wurde, ist er noch nicht so extrem in die<br />

Aktivitäten der Gruppe verstrickt. Er möchte aber in Zukunft mehr Verantwortung in der<br />

Gruppe tragen. Wenn man der Gruppierung beitreten möchte, muss man von jemandem<br />

vorgeschlagen werden, der bereits Mitglied ist. Pro Jahr wird in seiner Gruppierung nur eine<br />

neue Person aufgenommen. Es müssen alle Mitglieder der Gruppe mit der Aufnahme ein-<br />

verstanden sein,<br />

Ultra E sieht auch negative Aspekte der Ultraentwicklung. Er sagt, es gibt heute durch die<br />

vielen neuen Gruppierungen öfters Generationenkonflikte in der Kurve. Früher war es so,<br />

dass jeder den anderen kannte. Durch den Erfolg <strong>und</strong> die steigende Popularität seines Ver-<br />

60


eins sind die Fans von überall her gekommen. Er meint nicht, dass dies nur schlecht ist, die<br />

Kurve braucht seiner Ansicht nach auch Nachwuchs <strong>und</strong> Durchmischung. Er sagt, es gibt<br />

dadurch Spannungsfelder, denn die „älteren“ Gruppierungen haben eine ziemlich grosse<br />

Distanz zu den neuen Leuten. Die neuen Fans werden als störend empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> als<br />

Modefans betitelt, was schlussendlich zu Pöbeleien unter den eigenen Fans führt. Das habe<br />

es früher nicht gegeben. Was er ebenfalls kritisiert ist die Tatsache, dass in der Kurve alles<br />

ziemlich extrem gesteuert wird. Dadurch geht persönliche Freiheit verloren <strong>und</strong> der Kurve<br />

werden teilweise Kreativität <strong>und</strong> Persönlichkeit genommen. Das ist für ihn ein Prozess <strong>und</strong> in<br />

dieser Phase ist die Kommunikation unter den Fans sehr wichtig. Er ist der Meinung, dass es<br />

solche Prozesse braucht <strong>und</strong> es wichtig ist, dass man trotzdem dabei bleibt, denn sonst wür-<br />

de die ganze Kurve auseinander fallen. Er sieht aber auch viel Positives an der Ultraentwick-<br />

lung. Für die Zukunft kann er sich vorstellen, dass die Ultraentwicklung irgendwann wieder<br />

verschwinden könnte <strong>und</strong> sich etwas Neues entwickelt.<br />

Der Unterschied zwischen Ultras <strong>und</strong> Hooligans sieht er darin, dass sich Hooligans mit ande-<br />

ren Gruppen durch Gewalthandlungen messen. Die Ultras messen sich zwar auch mit ande-<br />

ren Gruppierungen, allerdings tun sie das mittels Gesängen oder aufwändig vorbereiteter<br />

Choreografien. Hooligans sind seiner Meinung nach nicht wirklich an Fussball interessiert,<br />

sie bleiben nicht während 90 Min. im Stadion <strong>und</strong> gehen teilweise schon gar nicht hinein.<br />

Seiner Meinung nach sind aber nicht die Hooligans das Problem, sondern die Auswüchse<br />

zwischen Hooligans <strong>und</strong> Ultras. Diese Auswüchse sind schwierig auszudifferenzieren <strong>und</strong><br />

machen das Ganze gefährlich, da es bei ihnen keine Regeln mehr gibt, wie z.B. der Ehren-<br />

kodex oder das 10 gegen 10 bei den Hooligans. Er betont, dass er generell kein Fre<strong>und</strong> von<br />

Gewalt ist.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F sagt, dass für ihn ein Ultra jemand ist, der Tag <strong>und</strong> Nacht für den Verein lebt, jedes<br />

Auswärtsspiel besucht, an allen anderen Veranstaltungen des Klubs teilnimmt, immer weiss,<br />

welche Entwicklungen im Gange sind, sprich, wer geht <strong>und</strong> wer kommt <strong>und</strong> sich mit dem<br />

gesamten Bild des Vereins identifiziert. Ausserdem ist für einen Ultra charakteristisch, dass<br />

er 90 Minuten lang im Stadion singt. Bei den Ultras gibt es einen Ehrencodex der besagt,<br />

dass sie sich auflösen müssen, wenn ihre Zaunfahne gestohlen wird. Er ist der Meinung,<br />

dass Politik nicht ins Stadion gehört.<br />

Seine Gruppierung setzt sich aus cirka 30 Leuten zusammen. Ihm gefällt an der Gruppie-<br />

rung, dass er vollkommen aufgenommen ist, obwohl er nicht alle Spiele besucht. Die Auf-<br />

nahmekriterien beschreibt er so, dass nur Leute aufgenommen werden, die sich während<br />

des Spiels um die Gruppe herum aufhalten, allen Mitgliedern bekannt sind, alle Heimspiele<br />

61


<strong>und</strong> regelmässig Auswärtsspiele besuchen. Pro Jahr werden maximal drei neue Mitglieder<br />

aufgenommen. In der Gruppierung gibt es verschiedene Aufgabenbereiche, welche über-<br />

nommen werden müssen. Er hat keine spezielle Position in der Gruppe, er unterstützt wo er<br />

kann, z.B. bei den Choreografien. Er sagt, es ist allgemein so, dass es in der Gruppe keine<br />

stark ausgeprägte Hierarchie gibt. Er sagt von sich, dass er keinen grossen Einfluss auf die<br />

Gruppe ausübt. Die anderen treffen sich oft auch unter der Woche am Abend <strong>und</strong> diskutieren<br />

wichtige Themen. Da er da oft nicht dabei ist, hat er auch weniger Einfluss. Es ist für ihn in<br />

Ordnung wie es ist, er möchte nicht mehr Einfluss nehmen können. Er sucht nicht generell<br />

den Halt im Leben in der Fankurve, sein Leben dreht sich nicht nur um den Verein.<br />

Zum Unterschied ’Ultra’ <strong>und</strong> ’Hooligan’ sagt Ultra F, dass ein Hooligan für ihn ein Fan ist,<br />

welcher dann noch auf die sogenannte dritte Halbzeit hofft. Er kennt selber viele Hooligans,<br />

die an den Spielen sind <strong>und</strong> sich freuen, wenn es ein Tor gibt; wie die Ultras auch. Im Ge-<br />

gensatz zu den Ultras stehen die Hooligans nach dem Spiel aber draussen bereit, um eine<br />

Schlägerei zu provozieren. Ein Ultra wendet seiner Meinung nach nur dann Gewalt an, wenn<br />

er sich verteidigen muss.<br />

Tabelle 2 Erkenntnisse: Eigene Definition (Ultra)<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Der Begriff ‘Ultra’ wird als verwässert bezeichnet, da er mit viel A<br />

Negativem in Verbindung gebracht wird<br />

E -<br />

Als Ultra muss man sich mit dem Verein identifizieren A E F<br />

Als Ultra lebt man für den Verein B C,D,E F<br />

Ein Ultra sollte eigenständig <strong>und</strong> kritisch gegenüber der Vereinsleitung<br />

sein<br />

A E -<br />

Ein Ultra ist an fast jedem Spiel dabei A,B C,D F<br />

Ein Ultra unterstützt den Verein leidenschaftlich optisch <strong>und</strong> akustisch<br />

während 90 Minuten<br />

A,B C,D,E F<br />

Politik gehört nicht in die Kurve A, C,E F<br />

Fankurven wollen sich miteinander messen - C,D,E -<br />

Bei anderen Fankurven interessieren vor allem Choreo- <strong>und</strong> Pyro- A,B C,D -<br />

Aktionen<br />

Wurde in der Gruppe schnell akzeptiert A,B D -<br />

Hat viel Einfluss auf die Gruppe A,B C<br />

Hat nicht viel Einfluss auf die Gruppe D,E F<br />

Bevor in der Gruppe aufgenommen, schon länger mit der Gruppierung<br />

unterwegs<br />

A,B E F<br />

Die Übernahme von Aufgaben in der Gruppe ist ein wichtiger Teil A,B<br />

der Integration<br />

C,E F<br />

Die Gruppierung ist nicht hierarchisch aufgebaut A,B C,D F<br />

Die Gruppierung ist hierarchisch aufgebaut E<br />

Um in der Gruppierung aufgenommen zu werden, müssen alle B<br />

Mitglieder einverstanden sein<br />

D,E F<br />

Empfindet die starke Organisation der Kurve in gewissen Punkten - E -<br />

als negativen Aspekt<br />

Es kommt vermehrt zu Auseinandersetzungen unter den eigenen -<br />

Fans, da die Kluft zwischen neuen <strong>und</strong> alten Gruppierungen immer<br />

grösser wird<br />

E -<br />

Ultras müssen nicht gewalttätig sein A C,D -<br />

62


Ultras wenden nur dann Gewalt an, wenn sie sich verteidigen<br />

müssen<br />

Ein Ultra steht hinter dem Verein <strong>und</strong> würde alles für ihn tun, Hooligans<br />

möchten sich nur prügeln<br />

6.2.1.3 Selbstregulation<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

A,B C,D -<br />

A,B C,D -<br />

Ultra A sagt von sich selber, dass er Gewalt in der Regel ablehnt. Er diskutiert gerne <strong>und</strong> ist<br />

der Meinung, man kommt in den meisten Fällen um die Gewalt herum. Er findet aber, dass<br />

jemand eine Ohrfeige oder vielleicht sogar einen Faustschlag verdient hat, wenn er einen<br />

grossen Unsinn macht oder austickt. Es kam auch schon mal vor, dass jemand nach einem<br />

Unsinn von den Fans aus dem Stadion geworfen wurde. Die eleganteste Lösung ist, dem<br />

Betreffenden die Meinung zu sagen <strong>und</strong> wenn es wirklich nicht anders geht, eine Ohrfeige zu<br />

geben. Er erachtet es als wichtig, dass es in der Kurve diese Selbstregulation gibt <strong>und</strong> dass<br />

sie auch greift. In seiner Kurve versucht man so integrativ wie möglich zu sein. Das heisst,<br />

es wird versucht, die „schwierigen Fälle“ in die Nähe zu holen <strong>und</strong> zu integrieren, denn da-<br />

durch werden sie kontrollierbar. Wichtig ist, dass man an die Leute herankommt.<br />

Ultra B sagt, dass sie eingreifen, wenn Leute z.B. Sachen aus dem Zug werfen. Das ist bei<br />

ihnen schon einige Male sehr positiv verlaufen <strong>und</strong> auch die Polizei unterstützt diese Selbst-<br />

regulation. Sie greift nicht ein, wenn sie sieht, dass die Fans das unter sich regeln. Die<br />

Selbstregulation läuft so ab, indem man die Leute zuerst zurechtweist. Wenn sie dann ihr<br />

Verhalten nicht ändern, gibt es eine Ohrfeige <strong>und</strong> man sagt ihnen, dass jetzt definitiv Schluss<br />

sei <strong>und</strong> sie sonst aus dem Zug steigen müssten. In der Regel funktioniert das sehr gut. An<br />

einem Spiel hat jemand zweimal hintereinander einen Böller aufs Feld geworfen. Beim ers-<br />

ten Mal konnte man nicht genau sagen, wer es war. Beim zweiten Mal haben dann alle auf<br />

den Übeltäter gezeigt, <strong>und</strong> man hat ihn darauf aus dem Stadion geworfen. Er ist nicht gr<strong>und</strong>-<br />

sätzlich für Gewalt, findet es in dieser Situation jedoch in Ordnung. Es hat auch auf andere<br />

eine abschreckende Wirkung <strong>und</strong> der Übeltäter lernt daraus. Gerade beim Thema „Fackel-<br />

wurf“ ist das extrem wichtig, denn das darf nicht passieren.<br />

63


Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C sagt, dass in seiner Kurve die Selbstregulation gut greift. Man hat die Leute unter<br />

Kontrolle, weil sie wissen, dass sie aus dem Stadion fliegen, wenn sie etwas Verbotenes wie<br />

z.B. einen Fackelwurf machen. Die Selbstregulation funktioniert, indem zuerst der Übeltäter<br />

gepackt <strong>und</strong> zurechtgewiesen wird. Danach bekommt er eine Ohrfeige. Dadurch merkt er,<br />

dass er das besser nicht getan hätte. Problematisch ist es seiner Ansicht nach nur dann,<br />

wenn plötzlich eine Gruppe von 20 Leuten von irgendwo her kommt, die man nicht kennt <strong>und</strong><br />

plötzlich Fackeln zünden. Da kann man nicht viel machen.<br />

Ultra D meint, wenn jemand etwas macht wie z.B. eine Fackel auf das Spielfeld werfen,<br />

kann es gut sein, dass er geschlagen wird <strong>und</strong> man ihn aus dem Stadion wirft. Es kommt<br />

aber immer auch darauf an, wie der Werfer reagiert. Normalerweise genügen Worte. Wenn<br />

er sich aber wehrt ist es gut möglich, dass er Schläge einstecken muss. In einer solchen<br />

Situation sind es immer die gleichen Ultras, die diese Massnahme umsetzen. Es sind in der<br />

Regel die älteren Ultras. Er findet Gewalt als Mittel zur Selbstregulation nicht unbedingt sinn-<br />

voll <strong>und</strong> sofortige Schläge für ein Fackelwerfen übertrieben. Der positive Aspekt im Schlagen<br />

sieht er darin, dass der Betroffene es danach sicher nicht mehr macht.<br />

Ultra E findet es beim Thema Selbstregulation gut, dass die Kurve so straff durchorganisiert<br />

ist. Das hilft, Unsinn zu verhindern. Er sagt, dass sie schliesslich mit dem Zünden der Fa-<br />

ckeln auch eine Verantwortung gegenüber der Sicherheit von anderen Leuten haben. Er<br />

erzählt von einem Beispiel, wo ein Fan eine Fackel auf das Spielfeld geworfen hat. Dieser<br />

wurde sofort gepackt <strong>und</strong> ziemlich traktiert. Das findet er gut, denn so kriegt derjenige gleich<br />

seine Lektion <strong>und</strong> lernt daraus. Ultra E bezeichnet dies als funktionierende Selbstregulie-<br />

rung. Allgemein hat er das Gefühl, dass in seiner Kurve die Selbstregulierung sehr gut funk-<br />

tioniert. Er sagt aber auch, dass es bei 3’000 Leuten schwierig ist sicherzustellen, dass alle<br />

sich korrekt verhalten. Es ist ein hoher Anspruch, von der Fanszene etwas zu erwarten, was<br />

in der Gesellschaft ebenfalls nicht funktioniert.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F erinnert sich an einen Fall, als jemand im Stadion eine Fackel gezündet <strong>und</strong> aufs<br />

Feld geworfen hat. Dieser wurde dann von anderen Fans aus der Kurve geprügelt. Ein weite-<br />

res Beispiel für Selbstregulation sieht er darin, als z.B. nach dem Fackelwurf in Basel eine<br />

ganze Gruppierung aus der Kurve ausgeschlossen wurde.<br />

64


Tabelle 3 Erkenntnisse: Selbstregulation<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Die Selbstregulation in der Kurve funktioniert A,B C,D,E F<br />

Es ist wichtig, dass es die Selbstregulation gibt A, B C,E -<br />

Findet Gewalt als Mittel zur Selbstregulation sinnvoll A,B C,E -<br />

Kann sich an eine Situation erinnern, in der die Selbstregulation A,B<br />

funktioniert hat<br />

C,D,E F<br />

In der Kurve versucht man die schwierigen Fälle zu integrieren, A - -<br />

um sie kontrollieren zu können<br />

Die Selbstregulation im Falle eines Fackelwurfs läuft immer so ab, A,B<br />

dass zuerst mit demjenigen gesprochen wird. Wenn das nicht hilft,<br />

wird er geohrfeigt<br />

D -<br />

Derjenige der die Fackel wirft, wird sofort gepackt <strong>und</strong> traktiert - C,E F<br />

Für die Selbstregulation ist es gut, dass die Kurve straff organisiert<br />

ist<br />

- E -<br />

Die Selbstregulation greift nicht bei einer Gruppierung, die plötzlich<br />

auftaucht <strong>und</strong> Unsinn macht<br />

- C -<br />

Selbstregulation ist keine Garantie, man kann nicht etwas von -<br />

einer Kurve erwarten, was in der Gesellschaft auch nicht funktioniert<br />

E -<br />

6.2.1.4 Kommerzialisierung<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A meint, dass Ultras nicht gegen jeglichen Kommerz sind, sondern lediglich gegen den<br />

meisten Kommerz. Er sagt, dass auch Ultras verstehen, was es braucht. Sie wollten z.B.<br />

auch ein neues Stadion, obwohl sie wussten, dass es dann kommerzieller wird als im alten<br />

Stadion. Seiner Meinung nach wird aber Kommerz zurzeit völlig übertrieben <strong>und</strong> er befürch-<br />

tet, dass es wie in Österreich oder Deutschland wird, wo die Hosen der Spieler zugepflastert<br />

sind mit Werbung <strong>und</strong> Vereinsnamen verkauft werden. Kommerz ist für ihn, wenn ein Spon-<br />

sor in der Pause sein Auto auf den Platz fährt <strong>und</strong> vor dem Spiel H<strong>und</strong>erte von Sponsoren<br />

ihre Artikel präsentieren. Dadurch verliert man den Fokus auf das Wesentliche, nämlich den<br />

Fussball. Ein Problem sieht er darin, dass man – sobald man Geld verdienen will - sich nicht<br />

mehr ein Publikum sucht, welches Fussball schauen möchte, sondern eines, welches das<br />

Geld hat, um sich Fanartikel zu kaufen. Fussball ist nun mal ein Sport, der aus seiner Sicht<br />

für alle da sein soll, für Leute mit viel Geld <strong>und</strong> Leute mit wenig Geld. Durch die Kommerzia-<br />

lisierung wird der Fokus mehr auf vermögende Leute gelegt. Wenn dadurch nicht mehr jeder<br />

zu einem Fussballspiel gehen kann, wird dem Fussball ein Stück weit die Seele geraubt.<br />

Wenn sein Verein den Vereinsnamen wie z.B. Redbull Salzburg abändern würde, wäre er<br />

sofort weg. Sein Verein ist für ihn das Oberste, daran darf nicht gerüttelt werden.<br />

Seiner Meinung nach haben die Ultras wenige Möglichkeiten, dem entgegen zu wirken. Er<br />

65


glaubt, dass es wichtig ist, mit dem Verein zu sprechen. Sie hatten auch schon Erfolgserleb-<br />

nisse, indem sie durch Gespräche mit dem Verein erreichten, dass die Werbung während<br />

der Halbzeitpause auf ein Minimum beschränkt wurde. Ein Problem sieht er darin, dass die<br />

Vereine Geld brauchen. Wenn ein Sponsor kommt <strong>und</strong> grosse Geldbeträge verspricht, dann<br />

lässt sich der Verein meistens darauf ein. Die Ultras sind zwar die, die immer an die Spiele<br />

kommen, aber nicht die, die am meisten bezahlen. Ein mögliches Mittel zur Gegenwehr für<br />

die Ultras ist der Boykott oder der Protest mit Spruchbändern. Er betrachtet die Wahrschein-<br />

lichkeit als gering, dass der Verein deshalb auf grosses Geld verzichten würde. Der Verein<br />

würde es erst merken, wenn die Ultras nicht mehr kommen. Auch dann würden sie vielleicht<br />

denken, dass sie auf die Ultras verzichten können. Wenn auch die aus den Logen nicht mehr<br />

kommen würden, weil es zu langweilig <strong>und</strong> keine Stimmung mehr da ist, würden sie es dann<br />

einsehen. Die Leute in der Schweiz begreifen nicht, dass es in England anders läuft als in<br />

der Schweiz. In England werden die „Problemfans“ aus den Stadien gejagt <strong>und</strong> die Leute<br />

kommen trotzdem noch, weil der Fussball dort so gut ist. In der Schweiz kann man sich die<br />

Fans nicht aussuchen. Das Machtmittel der Ultras sieht er in der Stimmung oder auch in der<br />

Anti-Stimmung. Er sieht für die Ultras auch die Möglichkeit, in den Medien zu protestieren<br />

<strong>und</strong> dadurch beim Verein etwas zu bewirken.<br />

Ultra B meint, Kommerz bedeute für ihn, in jeder Situation Musik abzuspielen <strong>und</strong> im Stadi-<br />

on nur noch sitzen zu dürfen. Für die Reichen wird alles schön gemacht, die Ultras als Fans<br />

hingegen, in seinen Augen das Wichtigste für den Verein, werden aufgr<strong>und</strong> von Sachbe-<br />

schädigungen <strong>und</strong> Pyro-Bussen nur negativ gesehen. Die Ultras sind ihnen sozusagen egal,<br />

deshalb können sie dem nicht viel entgegensetzen. Geld ist Macht. Das Einzige, was Ultras<br />

dagegen tun können, ist sich lautstark oder mit Spruchbänden bemerkbar zu machen.<br />

Manchmal artet es auch in Gewalt aus, da die Ultras mit Negativschlagzeilen auf sich auf-<br />

merksam machen <strong>und</strong> sich so zur Wehr setzen wollen. Seiner Meinung nach ist das kontra-<br />

produktiv. Er sagt, dass es einfach nicht geht, mit dem Verein zu reden. Er versteht aber<br />

auch, dass der Verein auf die Finanzen achten muss. Deshalb findet er es auch logisch,<br />

dass dieser in diesem Punkt nicht auf die Interessen der Ultras achtet.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C erklärt, er sehe das Problem darin, dass Wirtschaftsleute in den Fussballsport ein-<br />

dringen <strong>und</strong> es dann nur noch ums Geld geht. Dadurch wird alles vermarktet, wie bei Redbull<br />

Salzburg, wo sogar der Name des Vereins verkauft wurde. Die Ultras sehen das als Geld-<br />

macherei <strong>und</strong> versuchen zu provozieren, um eine Änderung zu erreichen. Für einen Ultra<br />

wäre es extrem schlimm, wenn der Name des Vereins geändert würde. Ultras leben für den<br />

66


Fussball <strong>und</strong> den Verein. Wenn jemand den Namen seines Vereins ändern würde, wäre es<br />

ein Eingriff in sein Leben. Ihm ist klar, dass der Verein auf Sponsoren angewiesen ist, aber<br />

die Ultras wollen nicht, dass Wirtschaftsleute in die Vereinsleitung eingreifen.<br />

Ultra D findet Redbull Salzburg das schlimmste Beispiel für Kommerz. Er versteht es über-<br />

haupt nicht, wie man sogar den Namen der Mannschaft vermarkten kann. Er empfindet es<br />

als schlimm, wenn z.B. bei jedem Eckball ein Werbeslogan eingespielt wird. Eigentlich geht<br />

es um Fussball, aber das wird vergessen. Ebenso stört ihn im Grossen <strong>und</strong> Ganzen das Ge-<br />

schäft, welches mit dem Fussball betrieben wird. Als einziger Fan kann man gar nichts<br />

machen. Die Leute in der Chefetage entscheiden, was getan wird. Da ist sogar die ganze<br />

Kurve relativ machtlos. Das hat zur Folge, dass man sich immer weniger mit dem Verein<br />

identifizieren kann.<br />

Ultra E beschreibt Kommerz dadurch, dass Fussball zur Nebensache wird <strong>und</strong> stattdessen<br />

eine Show inszeniert wird. Die Spieler sind nur noch auf Erfolg <strong>und</strong> Geld aus, der Zuschauer<br />

wird als K<strong>und</strong>e angesehen, darf sitzen, soll Geld bringen <strong>und</strong> ja nicht kritisieren. Es geht nur<br />

noch um das grosse Geld <strong>und</strong> aus jedem grossen Spiel wird sofort ein riesiger Event ge-<br />

macht. Die Preise werden nach oben getrieben <strong>und</strong> es wird enorm viel in Werbung investiert.<br />

Die Spieler sind mit Werbung zugepflastert. Auch dass für Übertragungsrechte im Fernsehen<br />

soviel Geld bezahlt wird, ist für ihn ein Phänomen der Kommerzialisierung. Dadurch werden<br />

Gefühle nicht mehr zugelassen oder wenn sie zugelassen werden, nicht aufgenommen.<br />

Ultra E sagt, dass dadurch das Authentische im Fussball verloren geht. Ultra E erzählt vom<br />

Ultramanifest der AS Roma <strong>und</strong> findet, dass dieses Manifest seine Einstellung <strong>zum</strong> Kom-<br />

merz widerspiegelt.<br />

Nach Aussage von Ultra E versuchen die Ultras, dieser Entwicklung entgegen zu wirken,<br />

indem sie unabhängig <strong>und</strong> kritisch bleiben <strong>und</strong> nach Möglichkeit versuchen, Druck auszu-<br />

üben. Dies können sie seiner Meinung nach mit Choreos, mit Gesängen oder bei General-<br />

versammlungen des Vereins bewirken. Es gab auch schon Aktionen, bei denen während des<br />

Spiels Unterschriften gesammelt wurden. Letztendlich gibt es noch die Möglichkeit des Boy-<br />

kotts. Bei dieser Massnahme bleiben die Ultras dem Spiel fern, dadurch wird die Stimmung<br />

im Stadion fehlen <strong>und</strong> es wird finanziellen Druck auf den Verein geben.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F sagt, dass er persönlich kein Problem damit habe <strong>und</strong> vertritt deshalb auch keine<br />

Meinung <strong>zum</strong> Thema „Kommerz“. Es steht für ihn nicht im Vordergr<strong>und</strong>. Dies sei auch ein<br />

67


weiterer Gr<strong>und</strong>, weshalb er sich nicht als „richtigen“ Ultra bezeichne. Beim Kauf der Fanarti-<br />

kel zieht er aber mit den Ultras gleich: er würde niemals offizielle Fanartikel kaufen.<br />

Tabelle 4 Erkenntnisse: Kommerzialisierung<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Kommerz ist, wenn Werbung wichtiger wird als der Fussball A,B C,D,E -<br />

Der Fokus der Vereinsleitung wird immer mehr auf vermögende A,B<br />

Leute gelegt<br />

E -<br />

Das Schlimmste was passieren kann ist, wenn der Vereinsname A<br />

verkauft wird<br />

C,D, -<br />

Das beste Beispiel für die Kommerzialisierung ist der Verein Redbull<br />

Salzburg<br />

A C,D -<br />

Ultras verstehen, dass es eine gewisse Vermarktung des Vereins A,B<br />

braucht<br />

C -<br />

Durch die Kommerzialisierung geht das authentische im Fussball -<br />

verloren<br />

E -<br />

Ultras fühlen sich durch den Kommerz im Stadion nicht mehr willkommen<br />

A,B -<br />

Es ist schwierig, dieser Entwicklung entgegen zu halten A,B D -<br />

Die Ultras versuchen sich zu wehren, indem sie provozieren <strong>und</strong> A,B<br />

protestieren<br />

C,E -<br />

Die Stimmung im Stadion ist die Macht der Ultras A E -<br />

Es ist wichtig, mit dem Verein zu sprechen A E -<br />

Es ist nicht möglich, mit dem Verein über das Thema "Kommerz" B<br />

zu sprechen<br />

- -<br />

6.2.2 Pyro<br />

6.2.2.1 Motivation für Pyro <strong>und</strong> Choreografien<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A findet Choreografien schön, weil man für das Einstudieren <strong>und</strong> Planen gemeinsam<br />

Zeit verbringt. Er findet, dass Choreografien in der Kurve einen wahnsinnig eindrücklichen<br />

optischen Effekt geben. Dieser spornt ihn dazu an, noch lauter zu singen <strong>und</strong> er glaubt, dass<br />

auch die Spieler auf dem Platz dadurch angespornt werden.<br />

Mit Pyro verbindet er ähnliche Gefühle. <strong>Eine</strong>n Unterschied sieht er darin, dass man dafür<br />

nicht wochenlang vorbereitet. Pyro-Shows werden für den optischen Support gemacht. Ne-<br />

ben Fahnen oder Choreografien möchte man ein weiteres Element ins Spiel bringen. <strong>Eine</strong>s<br />

das leuchtet oder raucht. Der Reiz des Gegners spielt eine grosse Rolle, ob gezündet wird<br />

oder nicht. Ein weiterer Faktor ist, wie einfach das Material ins Stadion gebracht werden<br />

kann. Teilweise wird Pyro aus Trotz gezündet, z.B. wenn die Ultras das Gefühl haben, vom<br />

Verein hintergangen worden zu sein.<br />

Ultra A ist Befürworter von Pyro, zündet aber nicht mehr, da er häufig mit dem Vorstand<br />

im Kontakt steht. Er sagt, es sei wahrscheinlich für die ganze Szene eher kontraproduktiv.<br />

68


Als er jedoch noch zündete, verspürte er dabei jeweils eine Mischung zwischen Nervosität<br />

<strong>und</strong> Freude.<br />

Ultra B erzählt, dass man an einer Choreografie manchmal wochenlang dran ist <strong>und</strong> wenn<br />

das Produkt fertig ist <strong>und</strong> präsentiert wird, man stolz sagen kann: „Wow, ich habe dabei mit-<br />

geholfen.“ Vor allem aber ist es ein schönes Gefühl <strong>und</strong> es macht ihn stolz, wenn er danach<br />

die Komplimente der Leute hört, die die Choreografie gesehen haben. Er sagt, dass man mit<br />

einer Choreografie die Mannschaft motivieren <strong>und</strong> seinen Verein präsentieren will. Schliess-<br />

lich spricht man von schönen Choreografien in der ganzen Schweiz. Das Material für die<br />

Choreografien bezahlt der Dachverband mit dem Geld von einem freiwilligen Jahresbeitrag<br />

<strong>und</strong> verkauften T- Shirts<br />

Zu Pyro meint Ultra B, er habe früher gezündet, tue dies mittlerweile aber nicht mehr, da er<br />

auch Mitglied im Dachverband ist. Es ist für ihn ein Nervenkitzel, es sieht „geil“ aus <strong>und</strong> die<br />

Mannschaft wird zusätzlich motiviert. Er erzählt, dass man ziemlich nervös ist, bevor man die<br />

Fackel zündet. Während des Zündens ist man die ganze Zeit auf 180 Grad. Danach ist man<br />

immer noch nervös, weil man darüber nachdenkt, wie man die Fackel entsorgt, ohne er-<br />

wischt zu werden. Danach kommt das gute Gefühl. Das Zünden von Pyro gibt einem einen<br />

Kick, einen Adrenalinstoss. Das war für ihn der Reiz. Es war für ihn wie eine kleine Sucht.<br />

Der Kick beginnt schon beim Schmuggeln der Fackeln, bereits da ist der Reiz des Illegalen<br />

spürbar. Wenn Pyro legalisiert werden würde, wäre der Kick nicht mehr in dieser Art <strong>und</strong><br />

Weise da, weil man nicht mehr aufpassen müsste, nicht erwischt zu werden. Er ist über-<br />

zeugt, dass es aber trotzdem noch gemacht werden würde, da es auch legal Spass macht.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra F vergleicht eine Choreografie mit einer Theatervorstellung. Dabei gilt: „Je grösser,<br />

desto besser!“<br />

Ihm bereitet es Spass, den Verein mit <strong>Feuerwerk</strong> zu unterstützen. Es sieht gut aus <strong>und</strong> man<br />

kann mit verschieden Farben <strong>und</strong> Rauch unterschiedliche optische Effekte erzeugen. Bei<br />

Pyro geht es seiner Meinung nach um den optischen <strong>und</strong> akustischen Support des Vereins<br />

<strong>und</strong> es gehört einfach dazu. Je weniger Luft er in der Kurve bekommt, desto besser ist die<br />

Pyro-Show. Ein weiteres Argument für Pyro sieht er darin, dass es ihm einen Kick gibt, wenn<br />

er aufpassen muss, dass er nicht erwischt wird. Und noch ein Gr<strong>und</strong>, Pyro zu zünden, ist für<br />

ihn ist das Messen mit anderen Gruppierungen. Mittlerweile wird das Zünden immer schwie-<br />

riger, da die Sicherheitsvorkehrungen in den neuen Stadien laufend verschärft werden.<br />

Wenn irgendwo Pyro gezündet wird, ist er jedes Mal dabei. Deshalb hat er auch schon sehr<br />

oft gezündet. Wäre Pyro erlaubt, wäre der Reiz nicht mehr so gross <strong>und</strong> vielleicht würde der<br />

69


eine oder andere deshalb gar nicht mehr zünden. Er denkt aber, dass trotzdem gezündet<br />

würde, da es toll aussieht <strong>und</strong> man den Verein unterstützt.<br />

Ultra D findet es ein super Gefühl zuzusehen, wie die ganze Kurve ein Bild ergibt. Dies vor<br />

allem dann, wenn man an den Vorbereitungen mitbeteiligt war.<br />

Pyro hat ihn fasziniert, seit er es <strong>zum</strong> ersten Mal gesehen hat. Als er dann erstmals eine Fa-<br />

ckel in die Hand gedrückt bekam, fühlte er sich geehrt. So ist er nach <strong>und</strong> nach immer wieder<br />

<strong>zum</strong> Zünden gekommen. Mit Pyro verbindet er Adrenalinschübe <strong>und</strong> den Geruch des<br />

Rauchs. Pyro wird seiner Meinung nach zur Unterstützung der Kurve sowie auch der Mann-<br />

schaft gezündet. Er sagt, dass die Stimmung in der Kurve viel besser ist, nachdem Pyro ge-<br />

zündet worden ist. Ob an einem Spiel gezündet wird oder nicht hängt davon ab, wie einfach<br />

es ist, die Fackeln ins Stadion zu schmuggeln <strong>und</strong> abzufeuern. Ebenfalls ein wichtiger Faktor<br />

ob gezündet wird oder nicht, sind die Bussen für den Verein. Diese möchte man schliesslich<br />

in Grenzen halten. Es gab Zeiten, da wurde bei jedem Auswärts- <strong>und</strong> Cupspiel gezündet,<br />

heute nur noch einige Male pro Saison. Fackeln zünden gibt ihm ein gutes Gefühl. Wenn es<br />

vorbei ist, verspürt er Nervosität, aus Angst, erwischt zu werden. Er ist der Überzeugung,<br />

dass die Illegalität des Zündens einen grossen Anreiz schafft. Er denkt aber, dass nicht nur<br />

gezündet wird weil es verboten ist, sondern dass es auch noch andere Gründe dafür gibt.<br />

Ultra E erzählt, mit der Planung der Choreografien werde bereits 2-3 Wochen vor dem Spiel<br />

begonnen. Wichtig dabei ist, dass das Bild, das die Choreografie <strong>zum</strong> Schluss ergibt, sehr<br />

aussagekräftig ist <strong>und</strong> den Verein repräsentiert. Finanziert werden die Choreografien durch<br />

die Ultras, durch den Verkauf von eigenen Markenartikeln <strong>und</strong> Spenden. Der Verein ist<br />

nicht involviert.<br />

Pyro findet Ultra E super. Es hat ihn bereits als kleinen Jungen fasziniert, wenn gezündet<br />

wurde. Pyro ist für ihn ein Ausdruck von Emotionen, <strong>und</strong> das gefällt ihm. Es ist wie die Cho-<br />

reografie eine visuelle Unterstützung. Es entsteht Rauch <strong>und</strong> die Kurve wird elektrisiert.<br />

Teilweise können Pyro-Shows auch ein Bestandteil einer Choreografie sein. Sein erstes Mal<br />

Zünden beschreibt er als cooles Gefühl. Er habe sich extrem gefreut beim Erhalten der Fa-<br />

ckel bis hin <strong>zum</strong> Zünden. Er macht es gerne <strong>und</strong> wird es auf jeden Fall wieder tun. Früher<br />

wurde praktisch in jedem Spiel gezündet. Mittlerweile schaut man darauf, an welchen Spie-<br />

len man zünden möchte. Dies wird vor allem an den wichtigen Spielen oder an Auswärts-<br />

spielen getan. Das Motto ist: lieber ein paar unbedeutende Spiele, an denen nicht gezündet<br />

wird <strong>und</strong> dafür richtig Gas geben, wenn es interessante Spiele sind. Seiner Meinung nach<br />

wird dadurch wird das Zünden viel besser akzeptiert.<br />

70


Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F beschreibt, dass mit Choreografien versucht wird, bei den gegnerischen Fans Ein-<br />

druck zu machen. Ein weiterer Gr<strong>und</strong> ist, die Spieler auf dem Platz zu motivieren. Choreo-<br />

grafien werden nur bei Derbys oder anderen wichtigen Spielen gemacht. Der Verein ist dabei<br />

nicht involviert. Finanziert werden die Choreografien, indem während des Spiels Geld ge-<br />

sammelt wird.<br />

Mit Pyro verbindet er Feuer, Rauch <strong>und</strong> viele Emotionen. Ihm gefällt Pyro <strong>und</strong> für ihn gehört<br />

es <strong>zum</strong> Fussball. Den Sinn sieht er darin, Eindruck zu machen <strong>und</strong> eine schöne Kulisse zu<br />

erzeugen. Das Zünden - so ein Teil in seiner Hand abbrennen zu lassen - beschreibt er als<br />

aufregendes Erlebnis. Pyro wird auch gezündet, um einen Spielabbruch zu erzwingen oder<br />

die Fackeln werden als Waffen benutzt. Dies verurteilt er ganz klar.<br />

Tabelle 5 Erkenntnisse: Motivation für Pyro <strong>und</strong> Choreografien<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Choreografien motivieren die Spieler auf dem Platz A,B - F<br />

Choreografien werden aufwändig vorbereitet B D,E -<br />

Es ist schön, das Ergebnis der Choreografie zu sehen A,B C,D -<br />

Der Verein ist bei den Choreografien nicht involviert B E F<br />

Bei Choreografien <strong>und</strong> Pyro-Shows geht es darum, den Verein zu B<br />

präsentieren <strong>und</strong> sich mit anderen zu messen<br />

C,E F<br />

<strong>Eine</strong> Pyro-Show dient der optischen Unterstützung des Vereins A,B C,D,E -<br />

Es hat schon immer fasziniert, wenn Pyro gezündet wurde - D,E -<br />

Nach der Pyro-Show ist die Stimmung in der Kurve besser <strong>und</strong> A D,E -<br />

das überträgt sich auch auf das Spiel<br />

Ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung ob gezündet wird oder<br />

nicht ist, wie einfach das Material ins Stadion gebracht werden<br />

kann<br />

Es wird vor allem bei wichtigen Spielen gezündet. Es geht um den<br />

Reiz des Gegners<br />

Pyro wird auch <strong>zum</strong> Trotz eingesetzt, wenn sich Ultras vom Verein<br />

hintergangen fühlen<br />

Die Bussen für den Verein haben einen Einfluss, wie oft gezündet<br />

wird<br />

Manchmal wird Pyro auch eingesetzt, um einen Spielabbruch zu<br />

erzwingen<br />

A C,D -<br />

A E -<br />

A - -<br />

- D -<br />

- - F<br />

Zündet mittlerweile nicht mehr A,B - -<br />

Verspürt Nervosität beim Zünden A,B D F<br />

Es ist ein besonderer Kick nicht erwischt zu werden B C,D -<br />

71


6.2.2.2 Handlung (Ablauf) Pyro<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A hat sich nicht <strong>zum</strong> Handlungsablauf des Zündens von pyrotechnischem Material<br />

geäussert.<br />

Ultra B sagt, die Fackeln kämen entweder aus Deutschland oder Italien. Sie werden über die<br />

Grenzen geschmuggelt. Wenn man einen Bootsausweis besitzt, kann man die (See-<br />

nots)Fackeln legal in Fischershops kaufen. Die Fackeln kosten dort cirka 25 Franken, <strong>und</strong><br />

man muss sich ausweisen können. Pyro wird von den verschiedenen Ultragruppierungen<br />

finanziert. Der Dachverband finanziert nicht mit <strong>und</strong> distanziert sich von Pyro, da sie auch<br />

Mitglieder aus den Reihen der normalen Fans haben.<br />

Ultra B beschreibt den weiteren Ablauf so, dass es dann darum geht, die Fackeln ins Stadion<br />

zu bringen, ohne dabei erwischt zu werden. Zu diesem Zweck werden die Fackeln am Vor-<br />

abend im Stadion versteckt oder vergraben. Man muss geeignete Verstecke finden <strong>und</strong> man<br />

muss aufpassen, dass man nicht von den patrouillierenden Securitas erwischt wird. Am<br />

Spieltag werden die Fackeln dann aus dem Versteck geholt. Teilweise gibt es das Problem,<br />

dass die Ware bereits gef<strong>und</strong>en wurde oder dass man von den Sicherheitskräften beobach-<br />

tet <strong>und</strong> gefilmt wird. Können die Fackeln nicht vorher versteckt werden, so gibt es für die<br />

Ultras noch die Variante, den Eingang zu stürmen. Dann geht es mit der Masse ins Stadion.<br />

Teilweise werden sie aber auch über einen Zaun gereicht oder am Körper ins Stadion ge-<br />

bracht. In der Challenge League funktioniert das alles problemlos, da die Stadien nicht sicher<br />

gebaut sind. In der Superleague ist es viel schwieriger, da die Sicherheitsvorkehrungen sehr<br />

hoch sind. Es müssen immer wieder neue Verstecke <strong>und</strong> Möglichkeiten gef<strong>und</strong>en werden,<br />

da die Polizei nicht schläft.<br />

Er berichtet, dass danach die Fackeln im Stadion verteilt werden. Es sind immer etwa die<br />

Gleichen <strong>und</strong> man kennt die Leute. Mit Doppelhaltern wird alles abgedeckt, so dass man<br />

nicht sieht, was dahinter passiert. Beim Einlauf der Spieler oder einem anderen bestimmten<br />

Zeitpunkt halten alle ihre Doppelhalter hoch, <strong>und</strong> man vermummt sich. Auch diejenigen, die<br />

nicht zünden, vermummen sich, damit Verwirrung entsteht. Danach wird gezündet. Im Mo-<br />

ment des Zündens überlegt man sich bereits, wie man danach wegkommt <strong>und</strong> wo man die<br />

Fackel entsorgt, ohne erwischt zu werden. Oberstes Gebot bei den Ultras ist, dass keine<br />

Fackel aufs Feld fliegt. Nach dem Zünden machen die Ultras einen Platzwechsel <strong>und</strong> entfer-<br />

nen die Vermummung. Dies geschieht ebenfalls hinter den Doppelhaltern. Es wird zu jedem<br />

Zeitpunkt darauf geachtet, dass man von den Leuten neben sich gut geschützt wird. Die Leu-<br />

te neben dem zündenden Ultra sind involviert <strong>und</strong> man hat nur Leute um sich, von denen<br />

man weiss, dass sie einem decken. Wenn z.B. ein kleines Kind vor einem Ultra steht, zündet<br />

72


er nicht. Gezündet wird in der Regel in der Mitte. Dort befinden sich normalerweise die Ult-<br />

ras, <strong>und</strong> jeder ist informiert.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C beschreibt den Ablauf des Zündens so, dass man sich beim jeweiligen Stadion über-<br />

legt, wie man das Material hineinbringen <strong>und</strong> verstecken kann. Wenige Tage vor dem Spiel<br />

wird es dann im Stadion versteckt. Wenn das nicht geht, werfen es die Ultras in einem Ruck-<br />

sack über den Zaun oder verstecken es am Körper. Vor dem Spiel werden die Fackeln<br />

aus dem Versteck geholt. Dazu braucht es einige Leute, die Rückendeckung geben <strong>und</strong> ein<br />

bis zwei Personen holen die Fackeln. In den neueren Stadien ist es schwieriger wegen den<br />

Sicherheitsvorkehrungen <strong>und</strong> den hohen Zäunen. Er meint, die Sicherheitskräfte würden<br />

nicht schlafen, wenn man aber wolle, fände man immer einen Weg, die Fackeln ins Stadion<br />

zu bringen.<br />

Gemäss seinen Schilderungen werden die Fackeln dann im Stadion an ausgewählte Leute<br />

verteilt. Vor dem Zünden vermummt man sich, damit man nicht erkannt werden kann <strong>und</strong><br />

beim Zünden gibt einer das Kommando. Vor dem Zünden versucht man, die anderen Leute<br />

weg zu drücken, damit genug Platz da ist. Sobald die Fackel brennt, hat man automatisch<br />

noch mehr Platz. Man hält dann die Fackel eine Minute lang hoch <strong>und</strong> muss dabei aufpas-<br />

sen, dass sie niemanden berührt. Man achtet immer darauf, ob ein Securitas oder ein Poli-<br />

zist in die Kurve kommt. Sobald die Fackel ausgebrannt ist, legt man sie auf den Boden. Da-<br />

nach bückt man sich <strong>und</strong> nimmt die Vermummung wieder ab. Ausserdem zieht man wenn<br />

möglich einen anderen Pullover an, taucht ab <strong>und</strong> steht an einem anderen Ort wieder auf.<br />

Man ist erleichtert, wenn keine Fahne oder Ähnliches gebrannt hat. Erst später bei den Bil-<br />

dern sieht man dann, wie es ausgesehen hat. Seiner Aussage nach werden die Pyro-Shows<br />

von ein paar wenigen Leuten organisiert <strong>und</strong> es gilt, was diese sagen. Es dürfen auf keinen<br />

Fall Fackeln aufs Feld oder auf die Spieler geworfen werden.<br />

Ultra D erzählt, dass die Fackeln bereits am Abend vorher ins Stadion gebracht werden. In<br />

den neuen Stadien ist es immer schwieriger. Es hat überall Kameras im <strong>und</strong> ums Stadion. Es<br />

patrouillieren Securitas. Da alles aus Beton ist, bestehen fast keine Verstecke mehr. Heute<br />

besteht fast nur noch die Möglichkeit Fackeln ins Stadion zu bringen, indem man sie auf sich<br />

trägt oder mittels eines Stadionssturms.<br />

Kurz vor dem Match werden die Fackeln verteilt. Allerdings nur an Leute aus dem engeren<br />

Kreis, da man sie kennt <strong>und</strong> da sie wissen, wie mit den Fackeln umzugehen ist.. Wenn je-<br />

mand nicht will, muss er nicht zünden, Es ist kein Problem „Nein“ zu sagen. Als nächstes<br />

werden die Doppelhalter verteilt, um beim Zünden Sichtschutz vor den Securitas <strong>und</strong> den<br />

73


Kameras zu haben. Danach vermummt man sich, wartet auf das Kommando <strong>und</strong> zündet. Die<br />

Fackeln dürfen nicht geworfen werden. Ausserdem achtet man während des Zündens auf<br />

die Leute in der Nähe <strong>und</strong> darauf, dass man nicht gesehen wird. Nach dem Zünden entsorgt<br />

man die Fackel so schnell wie möglich, der Schal wird vom Gesicht genommen <strong>und</strong> die Ka-<br />

puze heruntergerissen. Wenn möglich wird der Pullover gewechselt oder abgezogen.<br />

Ultra E berichtet, dass die Fackeln zuerst beschafft werden müssen. Viele der Fackeln<br />

kommen aus Italien. Man fährt dafür über die Grenze <strong>und</strong> bringt sie in die Schweiz. In seiner<br />

Kurve wird das Pyro-Material aus der gleichen Kasse bezahlt wie das Choreografiematerial.<br />

Um die Fackeln ins Stadion zu bringen werden manchmal Raufereien inszeniert. So werden<br />

die Sicherheitskräfte abgelenkt. <strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit ist, das Stadion zu stürmen. Seiner<br />

Meinung nach ist das Schmuggeln im Grossen <strong>und</strong> Ganzen nicht schwierig. Es gibt aber<br />

bezüglich der Einfachheit schon Unterschiede von Stadion zu Stadion.<br />

Man trifft sich vor dem Spiel <strong>und</strong> vereinbart, wann gezündet wird <strong>und</strong> wer zündet. Es ist wich-<br />

tig, dass Leute zünden, die eine Ahnung davon haben, denn es muss unbedingt kontrolliert<br />

ablaufen. Im Stadion informiert man die Leute in der Nähe, dass später eine Fackel gezündet<br />

wird. Danach vermummt man sich gut. Zum Beispiel mit einem Schal, so dass das Gesicht<br />

nicht erkannt oder gefilmt werden kann. Zu diesem Zweck werden auch Doppelhalter auf-<br />

gehalten. Danach wartet man auf das Zeichen <strong>zum</strong> Zünden, worauf man dann zündet <strong>und</strong><br />

die Fackel gut ausbrennen lässt. Dabei achtet man darauf, gut zu stehen. Man darf nicht<br />

betrunken sein. Das oberste Gesetz ist, dass keine brennende Fackel irgendwohin geworfen<br />

wird. Wenn sie ausgebrannt ist, wird sie auf den Boden gelegt <strong>und</strong> danach geniesst man das<br />

Spiel weiter.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F berichtet, dass es nicht schwierig ist, Fackeln ins Stadion zu bringen. Es gibt gute<br />

Verstecke, wo die Fackeln vor dem Spiel deponiert werden können. Wenn man die Fackeln<br />

ins Stadion bringen will, dann gelingt dies auch.<br />

Ultra F hat selber einmal Pyro gezündet, als er betrunken war <strong>und</strong> ihm jemand eine Fackel in<br />

die Hand gedrückt hat. Er sagt, dass sich die Leute vermummen, um nicht erwischt zu wer-<br />

den. Auch zünden sie die Fackel deswegen im Verdeckten, z.B. hinter dem Schutz einer<br />

Fahne. Nach dem Zünden tauchen sie in der Menge unter, wechseln Kleider <strong>und</strong> Standort.<br />

Seiner Meinung nach ist die wichtigste Regel beim Zünden, dass die Fackel nicht geworfen<br />

wird. Ausserdem wird nur dann gezündet, wenn es untereinander vereinbart wurde. Er findet<br />

es wichtig, dass das Zünden kontrolliert abläuft.<br />

74


Tabelle 6 Erkenntnisse: Handlung (Ablauf) Pyro<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Die Fackeln werden im Ausland gekauft B E -<br />

Man kann sie auch in der Schweiz kaufen B - -<br />

Pyro wird von den Ultragruppierungen finanziert B E -<br />

Die Fackeln werden vor dem Spiel im Stadion versteckt B C,D F<br />

Die Fackeln aus dem Versteck zu holen oder das Schmuggeln ist B<br />

ziemlich heikel<br />

C,D -<br />

In den neuen Stadien ist es schwieriger die Fackeln zu verstecken B C,D,E -<br />

<strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit die Fackeln ins Stadion zu bringen ist es, B<br />

den Eingang zu stürmen<br />

D,E -<br />

Manchmal werden Fackeln am Körper ins Stadion gebracht B C,D -<br />

Man kann die Fackeln in einem Rucksack über einen Zaun beim B<br />

Stadion werfen<br />

C -<br />

Teilweise werden Raufereien inszeniert, um die Sicherheitskräfte -<br />

abzulenken <strong>und</strong> die Fackeln ins Stadion zu bringen<br />

E -<br />

Das Schmuggeln der Fackeln ist nicht schwierig - E F<br />

Vor dem Spiel werden die Fackeln an ausgewählte Leute verteilt B C,D,E -<br />

Wenn man nicht will, muss man nicht zünden, es gibt keinen -<br />

Zwang<br />

D -<br />

Kurz vor dem Zünden wird mit Doppelhaltern alles abgedeckt B D,E F<br />

Bevor das vereinbarte Zeichen erscheint, vermummt man sich B C,D,E F<br />

Auch Leute, die nicht zünden vermummen sich, damit Verwirrung B<br />

entsteht<br />

- -<br />

Man informiert die Leute in der Nähe, dass man später eine - E -<br />

Fackel zündet<br />

Wenn z.B. ein kleines Kind vor dem Ultra steht, zündet er nicht B - -<br />

Vor dem Zünden drückt man die Leute in der Nähe zur Seite - C -<br />

Die Fackel wird zu einem vereinbarten Kommando gezündet B C,D,E -<br />

Während des Zündens überlegt man sich bereits, wie man wegkommt<br />

<strong>und</strong> wo man die Fackel entsorgt<br />

B - -<br />

Während des Zündens schaut man, dass man niemanden berührt - C,D -<br />

Man achtet darauf, dass man gut steht <strong>und</strong> nicht betrunken ist - E -<br />

Man achtet während des Zündens immer darauf, ob Sicherheitsleute<br />

in den Sektor kommen<br />

- C,D -<br />

Oberstes Gebot ist, die Fackel nicht zu werfen B C,D,E F<br />

Nach dem Zünden legt man die Fackel auf den Boden, entfernt B<br />

die Vermummung, wechselt seine Position, <strong>und</strong> eventuell noch die<br />

Kleider<br />

C,D,E F<br />

6.2.2.3 Gefahren mit Pyro<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A meint, dass Pyro nicht gefährlich ist, wenn es die Richtigen in den Händen halten.<br />

Leute die wissen, was sie machen <strong>und</strong> die Gefahren kennen, können das Risiko minimieren.<br />

Ultra B, spricht bei Pyro vor allem von der Gefahr von Verbrennungen. Er ist der Meinung,<br />

dass diese bei gewissenhafter Anwendung sehr klein ist. Der Zündende weiss, was er tut,<br />

die Leute in seiner Nähe sind informiert <strong>und</strong> passen auf ihn auf. Es kann eine Fehlzündung<br />

75


geben, so dass es anstatt oben unten rauszündet. Ebenfalls gefährlich ist, wenn jemand<br />

mit der Jacke die Fackel berührt. So etwas ist bei ihnen noch nie vorgekommen. Er hat<br />

auch sonst nicht davon gehört, dass es in der Schweiz schlimme Verletzungen mit Pyro ge-<br />

geben hat.<br />

<strong>Eine</strong> Gefahr sieht er vor allem in dem Moment, wenn die Fackel geworfen wird. Dies kann<br />

vorkommen, wenn zwei Gruppierungen ausserhalb des Stadions aufeinander losgehen. Da-<br />

durch hat es bestimmt schon viele Verletzungen gegeben. Das ist aber etwas ganz anderes<br />

als die Pyro-Show im Stadion, <strong>und</strong> hat nichts damit zu tun, die Mannschaft zu unterstützen.<br />

In solchen Situationen wird die Fackel zur Waffe.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C ist der Meinung, dass Pyro vor allem deshalb gefährlich ist, weil man immer<br />

Angst haben muss, von den Sicherheitskräften erwischt zu werden. Man konzentriert sich<br />

deshalb stark darauf anstatt auf die Fackel. <strong>Eine</strong> weitere Gefahr sieht er in den möglichen<br />

Verbrennungen.<br />

Ultra D findet Pyro nur gefährlich, wenn man es nicht richtig anwendet. Da die Fackeln<br />

2000 Grad heiss werden, besteht die Gefahr von schlimmen Verbrennungen. Es braucht<br />

jemanden mit Erfahrung, um die Fackel zu zünden. So ist es nicht mehr gefährlich, da derje-<br />

nige weiss, was er tut.<br />

Ultra E ist der Überzeugung, dass Pyro gefährlich ist, weil die Fackeln sehr heiss werden.<br />

Wenn die Fackeln z.B. in die Leute geworfen werden, kann es schlimme Verletzungen ge-<br />

ben. Man darf auch nicht an einem Ort zünden, an dem es viele Leute hat <strong>und</strong> es sollte auf<br />

keinen Fall jeder Beliebige eine Fackel in die Hand gedrückt bekommen. Seiner Meinung<br />

nach ist es wichtig, dass die Zündenden mit den Fackeln umgehen können <strong>und</strong> dass es ko-<br />

ordiniert abläuft. So ist das Risiko, dass etwas passiert, sehr klein. Überall wo <strong>Feuerwerk</strong><br />

gezündet wird, gibt es ein Restrisiko, auch am 1. August. Gefährlich wäre, wenn jeder seine<br />

Fackel mitbringen <strong>und</strong> zünden würde. Deshalb findet er es gut, dass das Ganze koordiniert<br />

wird. In seiner Gruppierung ist bis jetzt noch nie jemand verletzt worden.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F sieht eine Gefahr in der Illegalität, des Pyro-Zündens. Dadurch sind die Zündenden<br />

gezwungen, es in der Menge ohne ausreichenden Sicherheitsabstand zu tun. Die Fackeln<br />

werden mehr als 2000 Grad heiss, was zu schweren Verbrennungen führen kann. Ausser-<br />

76


dem sprühen aus der Fackel Funken, welche die umstehenden Leute treffen können. Dies<br />

macht das ganze noch gefährlicher. Als er damals die Fackel gezündet hat, hat er sich ein<br />

Loch in die Jacke gebrannt, weil er sich so ungeschickt verhalten hat.<br />

Tabelle 7 Erkenntnisse: Gefahren mit Pyro<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Pyro ist gefährlich A,B C,D,E F<br />

Das Risiko, dass etwas passiert ist sehr klein, da nur ausgewählte A,B<br />

Leute zünden, die wissen, wie man damit umgeht<br />

D,E -<br />

Es besteht vor allem die Gefahr von Verbrennungen B C,D,E F<br />

Es kann passieren, dass es bei der Fackel eine Fehlzündung gibt B - -<br />

Es ist gefährlich, wenn man andere Leute mit der Fackel berührt B - F<br />

Pyro zünden ist gefährlich, weil man immer darauf achten muss, -<br />

nicht erwischt zu werden <strong>und</strong> sich deshalb nicht auf die Fackel<br />

konzentrieren kann<br />

C F<br />

<strong>Eine</strong> Fackel ist vor allem gefährlich, wenn sie geworfen wird B E -<br />

Es muss kontrolliert ablaufen, es währe gefährlich, wenn jeder -<br />

seine eigene Fackel mitbringen würde<br />

E -<br />

In der Gruppierung ist noch nie jemand durch eine Fackel verletzt B<br />

worden<br />

E -<br />

Ihm ist kein Fall bekannt, bei dem jemand trotz korrekter Anwendung<br />

verletzt wurde<br />

B - -<br />

6.2.3 Gewalt<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A sagt, dass er prinzipiell gegen Gewalt ist. Er kann es aber manchmal bei anderen<br />

Leuten verstehen, dass es soweit kommt. Ultras müssen nicht prinzipiell gewalttätig sein.<br />

Ultras stehen so zu Gewalt, dass sie sich verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Es ist<br />

legitim, dass es eine Reaktion gibt, wenn z.B. jemand versucht, die Zaunfahne zu stehlen. Er<br />

findet es jedoch nicht notwendig, dass man von sich aus Gewalt sucht. Für ihn <strong>und</strong> seine<br />

Gruppierung gilt der Gr<strong>und</strong>satz, dass sie den Streit nicht suchen, aber wenn jemand provo-<br />

ziere, sie sich wehren würden.<br />

Ultra B meint, dass Ultras Gewalt anwenden, um sich zu verteidigen, wenn sie z.B. von<br />

gegnerischen Fans angegriffen werden. Es gehört zur Ultramentalität, sich nicht alles gefal-<br />

len zu lassen <strong>und</strong> sich zu verteidigen. Ausserdem sagt er, dass sie ähnliche Regeln haben<br />

wie die Hooligans: Man prügelt nicht weiter, wenn jemand am Boden liegt, sondern sorgt sich<br />

dann sogar um ihn. <strong>Eine</strong> weitere Regel ist, dass man auf keinen Fall Waffen verwendet,<br />

sondern sich mit den Fäusten verteidigt Das einzige, was er im Notfall in Ordnung findet ist<br />

die Anwendung von Pfefferspray. Dies nur, wenn man sich wirklich nicht mehr anders vertei-<br />

77


digen kann. Er sagt, dass sich dies ausserhalb des Stadions abspielt. Im Stadion kommt es,<br />

nur zu Gewalthandlungen zu Selbstregulationszwecken, wenn z.B. jemand eine Fackel aufs<br />

Feld wirft oder ausrastet.<br />

Auf einer Skala von 1-10 (1 = überhaupt nicht gewalttätig; 10 = sehr gewalttätig) würde er<br />

sich bei 5 einstufen. Er sagt, dass bei 5 für ihn die Grenze von „nur verteidigen“ zu „angrei-<br />

fen“ ist. Er war selbst auch schon bei Prügeleien dabei <strong>und</strong> hat schon öfters zugeschlagen.<br />

Es sei jedoch immer nur „verteidigende Gewalt“ gewesen ist.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C ist der Ansicht, dass es bei den Ultras nur Schlägereien gibt, wenn diese angegriffen<br />

werden. Er persönlich rennt nicht davon, wenn er angegriffen wird. Er bleibt stehen <strong>und</strong><br />

schlägt zurück. Wenn er angegriffen wird, verliert er die Kontrolle über sich. Unbegründet<br />

würde er nie jemanden angreifen. Je nach Situation, z.B. wenn er einen schlechten Tag hat,<br />

ist es für ihn Gr<strong>und</strong> genug zuzuschlagen, wenn er oder sein Verein verbal beleidigt oder<br />

durch ein Spruchband provoziert wird. Dies ist auch der Fall, wenn eine Zaunfahne gestoh-<br />

len wird. Er ist der Überzeugung, dass es auch für einige Ultras ein Kick ist, andere zu pro-<br />

vozieren <strong>und</strong> zu zeigen, dass man keine Angst vor ihnen hat. Es geht dann darum, sich un-<br />

tereinander zu messen.<br />

Er schätzt sich selbst als gewaltbereit ein. Sobald ein Fre<strong>und</strong> verprügelt wird, ist er zur Stel-<br />

le. Er sagt, dass in seiner Gruppierung jeder jedem hilft. Auf einer Skala von 1-10 (1 = über-<br />

haupt nicht gewalttätig; 10 = sehr gewalttätig) positioniert er sich bei 6. Nach Schlägereien<br />

fühlt er sich nicht anders als vorher. Er sagt, dass die andern es ja so gewollt haben. Je<br />

mehr Schmerzen der Gegner hat, desto besser, denn dann überlegt der Angreifer das<br />

nächste Mal, ob er wieder angreift oder ob er es sein lässt.<br />

Bei einer Schlacht mit gegnerischen Fans findet Ultra C es in Ordnung, brennende Fackeln<br />

als Gewaltmittel einzusetzen <strong>und</strong> in Richtung der gegnerischen Gruppierung zu werfen. Dies<br />

darf man aber nur in Ausnahmesituationen tun. Z.B. wenn man sieht, dass man gegen die<br />

andere Gruppe keine Chance hat. Er selbst hat dies auch schon getan, als er sich hilflos<br />

gefühlt hat. Man muss dann allerdings damit rechnen, dass die Fackel wieder zurückfliegt. Er<br />

weiss nicht, ob er damals jemanden getroffen hat. Es ist ihm egal, denn die andere Gruppie-<br />

rung hätte sie sonst auch angegriffen <strong>und</strong> ihnen etwas angetan.<br />

Ultra D findet, dass Ultras nicht gr<strong>und</strong>sätzlich gewalttätig sind. Wenn sie aber angegriffen<br />

werden kommt es vor, dass sie Gewalt anwenden. Seiner Meinung nach sollten Leute, die<br />

sich prügeln wollen, dies abseits von der grossen Masse tun, damit es nicht zur Durchmi-<br />

schung von gewalttätigen <strong>und</strong> nicht-gewalttätigen Fans kommt. In letzter Zeit beobachtet er,<br />

78


eine Zunahme der Gewaltbereitschaft bei den Ultras. Seiner Meinung trägt der erhöhte Ko-<br />

kainkonsum unter den <strong>Fussballfans</strong> zu dieser Entwicklung bei. In seiner Gruppierung ist es<br />

unterschiedlich, die Mehrheit ist jedoch gegen Gewalt <strong>und</strong> geht gewalttätigen Situationen aus<br />

dem Weg.<br />

Ein Gr<strong>und</strong> für ihn, Gewalt anzuwenden ist, wenn ein guter Fre<strong>und</strong> von ihm verprügelt wird.<br />

Er sagt, dass er von sich aus nie jemanden angreifen würde. Auf einer Skala zur Gewalt-<br />

bereitschaft von 1-10 (1 = überhaupt nicht gewalttätig; 10 = sehr gewalttätig) schätzt er sich<br />

bei 7 ein.<br />

Ultra E sagt <strong>zum</strong> Thema Gewalt, dass Ultras nur Gewalt anwenden, wenn sie von einer an-<br />

deren Gruppierung angegriffen werden. In dieser Situation laufen sie nicht weg, sondern<br />

leisten aktiven Widerstand. Er betont, dass es aber auch solche gibt, die Gewalt suchen. Es<br />

geht bei den Ultras oft darum, sich gegenseitig Utensilien zu klauen. Dabei kann es manch-<br />

mal ausarten, so dass sich die Polizei <strong>und</strong> andere unbeteiligte Leute in die Situation einmi-<br />

schen. Dadurch verliert man den Überblick <strong>und</strong> es entstehen Strassenschlachten. Er sieht<br />

das Problem darin, dass sich unbeteiligte Leute einmischen, die nur wegen der Gewalt da<br />

sind. Zum Beispiel kommen viele Leute an sogenannte „Risikospiele“, die er nicht kennt <strong>und</strong><br />

noch nie zuvor gesehen hat. Diese Leute kommen nur weil sie hoffen, dass es Ärger gibt.<br />

Sie sind seiner Meinung nach in der Regel gewalttätiger als die Ultras. Solche Leute greifen<br />

z.B. Polizisten an <strong>und</strong> dadurch entstehen Strassenschlachten. Das sind klar keine Ultras <strong>und</strong><br />

auch keine Hooligans. Dadurch wird es extrem schwierig zu differenzieren <strong>und</strong> diese neuen<br />

Gruppierungen einzuordnen. Ihn stört es nicht, wenn zwei Gruppierungen aufeinander<br />

losgehen, solange es ein "sauberer" Kampf ist. Sobald es jedoch brutal wird oder unbe-<br />

teiligte Leute angegriffen werden, findet er es problematisch. Er findet es schlimm, dass es<br />

Chaoten gibt, welche unter dem Deckmantel der Ultragruppierungen ihren Gewalttrieb aus-<br />

leben. In allen Lagern gibt es gewalttätige <strong>und</strong> friedliche Leute. Dies widerspiegelt auch die<br />

ganze Gesellschaft.<br />

Er ist der Meinung, dass es solche Auseinandersetzungen nicht braucht. Es genügt, die<br />

Mannschaft zu unterstützen <strong>und</strong> gemeinsam das Spiel zu geniessen. Er selber sucht keine<br />

gewalttätigen Situationen. Er hat es früher aber auch als spannend empf<strong>und</strong>en, wenn es<br />

irgendwo geknallt hat. Heute sagt er klar, dass er Gewalt nicht befürwortet <strong>und</strong> er ein friedli-<br />

cher Mensch ist. Die einzige Ausnahme, Gewalt anzuwenden, sieht er darin begründet,<br />

wenn unnötige Repressionen von Sicherheitskräften vorgenommen werden. Er würde sich<br />

aber auch dann nicht prügeln, vielmehr würde er aktiv Widerstand leisten. Dies hat er auch<br />

schon getan. Ausserdem erzählt er von einer Situation, in der er an einem Auswärtsspiel<br />

gegnerischen Fans nachgerannt ist, weil seine Gruppierung zuvor angegriffen wurde. Auf<br />

einer Skala von 1-10 zur (1 = überhaupt nicht gewalttätig; 10 = sehr gewalttätig), stuft er sich<br />

79


ei 0 ein, weil er ein friedlicher Mensch ist.<br />

Ultra E berichtet von Situationen, wo Fackeln bei Ausschreitungen ausserhalb des Stadions<br />

geworfen wurden. Dies hat für ihn aber nichts mit Pyro-Zünden zu tun. Wenn jemand eine<br />

brennende Fackel wirft, dann ist das nichts anderes als brutale Gewalt. Man kann alles was<br />

gefährlich ist als Gewaltmittel benutzen, wie etwa ein Brotmesser. Man sieht teilweise auch<br />

ausserhalb vom Fussball, dass solche Fackeln als Gewaltmittel verwendet werden, so <strong>zum</strong><br />

Beispiel bei Demonstrationen. Die Ultras distanzieren sich vom Werfen von Fackeln inner-<br />

halb des Stadions. Ultra E findet es aber schwierig, sich komplett zu distanzieren, da die<br />

Leute, welche im Stadion Fackeln werfen, diese auch von Ultras bekommen haben müssen.<br />

<strong>Eine</strong> Gefahr, dass so etwas wie ein Fackelwurf passiert, sieht er auch in der Leidenschaft<br />

<strong>zum</strong> Spiel. Wenn das Spiel nicht gut läuft ist dieses Gefahr höher.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F sagt, dass Ultras nur gewalttätig sind, wenn sie angegriffen werden <strong>und</strong> sich verteidi-<br />

gen müssen. Es gibt aber auch Leute, welche unter dem Einfluss von Alkohol aggressiv<br />

werden <strong>und</strong> Schlägereien suchen. Dies hat seiner Ansicht nach aber nichts mit Ultras zu tun.<br />

Auf einer Skala von 1-10 (1 = überhaupt nicht gewalttätig; 10 = sehr gewalttätig) stuft er sich<br />

bei 3 ein. Er sagt von sich, ein friedlicher Typ zu sein. Er hatte zwar früher mal eine Phase, in<br />

der er mitgegangen ist, um nahe bei den Schlägereien zu sein. Er war aber nur Mitläufer <strong>und</strong><br />

hat niemals aktiv mitgewirkt. Es hat ihn gereizt, etwas von dieser Stimmung mit zu bekom-<br />

men. Gewalt anzuwenden sieht er nur in Notwehr begründet.<br />

Tabelle 8 Erkenntnisse: Gewalt<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Ultras müssen nicht gewalttätig sein A D -<br />

Ultras wenden nur Gewalt an, wenn sie sich verteidigen müssen A,B C,D,E F<br />

Bezeichnet sich als nicht gewaltbereit A D,E F<br />

Bezeichnet sich als gewaltbereit - C -<br />

Ultras lassen sich nicht alles gefallen A,B - -<br />

Ein Gr<strong>und</strong> Gewalt anzuwenden ist z.B., wenn man einen schlechten<br />

Tag hat <strong>und</strong> jemand den Verein beleidigt<br />

- C -<br />

Ein Gr<strong>und</strong> Gewalt anzuwenden ist bei ungerechtfertigter Repression<br />

- E -<br />

Bei Schlägereien unter Ultras gelten ähnliche Regeln wie bei Hooligans<br />

B - -<br />

Im Stadion kommt es in der Regel nicht zu Gewalthandlungen, B<br />

dies spielt sich nur ausserhalb ab<br />

- -<br />

War schon aktiv bei Schlägereien dabei B C,D -<br />

Es ist für einige Ultras ein Kick zu provozieren <strong>und</strong> zu zeigen, -<br />

dass man keine Angst hat<br />

C,E F<br />

Wenn Fackeln geworfen werden ist dies ein Gewaltakt, der nichts -<br />

mehr mit einer Pyro-Show zu tun hat<br />

E -<br />

Wenn eine andere Gruppierung angreift ist es legitim, Fackeln zu - C -<br />

80


werfen, um sie einzuschüchtern<br />

Zur Verteidigung werden schwere Körperverletzungen des Angreifers<br />

in Kauf genommen<br />

- C -<br />

Die Gewaltbereitschaft bei Ultras ist in letzter Zeit gestiegen - D -<br />

Oft kommt es zur Gewalteskalation, weil sich Unbeteiligte, die nur -<br />

wegen der Gewalt an Risikospiele kommen oder die Polizei einmischen<br />

E -<br />

Es gibt Leute, die unter dem Deckmantel der Ultras ihren Gewalttrieb<br />

ausleben<br />

- E -<br />

Tabelle 9: Einschätzung zur Gewaltbereitschaft in einer Skala von 1-10<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Ultra A - SK<br />

Ultra B 5 SK<br />

Ultra C 6 FH<br />

Ultra D 7 FH<br />

Ultra E 0 FH<br />

Ultra F 3 NS<br />

6.2.4 Sanktionen<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A sagt, dass jeder der zündet weiss, worauf er sich einlässt. Das heisst allerdings<br />

nicht, dass er die Sanktionen gerechtfertigt findet. Stadionverbot ist in 70- 80% der falsche<br />

Weg, weil dadurch die Leute nur wütend gemacht werden. Gemeinnützige Arbeit wie z.B.<br />

das Stadion zu putzen ist sinnvoller als Stadionverbot <strong>und</strong> eine saftige Busse. Ultra A hält im<br />

Zusammenhang mit Pyro nicht viel von Sanktionen. Wenn jemand zünden will, dann macht<br />

er es, egal mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist. <strong>Eine</strong> Sanktion bringt nur dann etwas,<br />

wenn man selber einsieht, dass man etwas falsch gemacht hat.<br />

Als er damals Stadionverbot hatte, war es für ihn extrem schlimm, dass alle seine Fre<strong>und</strong>e<br />

beim Fussball waren <strong>und</strong> er nicht ins Stadion hinein durfte. Er ist dann trotzdem an die Aus-<br />

wärtsspiele mitgegangen oder ist zu Hause in eine Kneipe gesessen. Da war er dann mit<br />

den Leuten zusammen, die mit gewaltvollen Absichten da waren. Er sagt, er sei stark genug<br />

gewesen, sich von diesen Leuten nicht beeinflussen zu lassen. Ein Fünfzehnjähriger in der<br />

gleichen Situation ist wahrscheinlich gr<strong>und</strong>sätzlich etwas labil <strong>und</strong> gerät eher in die Gewalt-<br />

szene rein. Deshalb findet er es sinnvoller, diese Leute im Stadion zu behalten <strong>und</strong> sie ge-<br />

meinnützige Arbeit verrichten zu lassen.<br />

In seinem Verein gab es ein Projekt, bei dem sich Leute mit Stadionverbot bewähren konn-<br />

ten, indem sie gemeinnützige Arbeit verrichteten. Ultra A fand dies ein sehr sinnvolles Pro-<br />

jekt. Das Projekt wurde jedoch wieder abgesetzt, weil einige Leute rückfällig wurden. Der<br />

Verein hat daraufhin das Projekt in Frage gestellt. Zudem gab es eine Auseinandersetzung<br />

zwischen Fans <strong>und</strong> Ordnungskräften, was nicht besonders positiv war für die Zusammenar-<br />

81


eit zwischen Fans <strong>und</strong> Verein.<br />

Ultra B weiss, dass es für das Zünden der Fackeln Stadionverbot für zwei Jahre <strong>und</strong> eine<br />

Busse gibt. Früher haben ihn die Sanktionen nicht interessiert, er hat einfach gezündet. Mitt-<br />

lerweile denkt er etwas anders, weil er gerne Spiele sehen möchte. Ein Ultra, welcher Stadi-<br />

onverbot erhält, verliert auf einen Schlag relativ viel, denn bei ihm dreht sich am Wochenen-<br />

de alles um Fussball. Man kann das Spiel nicht mehr verfolgen, ist nicht mehr beim aktiven<br />

Support dabei <strong>und</strong> alle Fre<strong>und</strong>e sind im Stadion. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten für<br />

Leute mit Stadionverbot: in die Hooliganszene einsteigen, weil sie denken, sie können jetzt<br />

Unsinn machen, da sie sowieso nicht ins Stadion dürfen, oder aber auf Abstand gehen <strong>und</strong><br />

dadurch den Kontakt verlieren.<br />

Bei Pyro fände er es sinnvoll, wenn die Leute eine zweite Chance erhalten würden, d.h. Sta-<br />

dionverbot erst bei wiederholtem Zünden. Wenn der Verein für den Betroffenen wichtig<br />

ist, nimmt er diese Chance wahr <strong>und</strong> verzichtet auf das Zünden, auch wenn es vielleicht<br />

schwer fällt.<br />

Ultra B findet es wichtig, dass man zwischen Pyro <strong>und</strong> anderen Straftaten im Zusammen-<br />

hang mit Fussball differenziert. In seiner Kurve versucht man vor allem bei Stadionverboten,<br />

welche nach der Meinung der Ultras willkürlich ausgesprochen werden, mit den betroffenen<br />

Leuten zu reden. Dabei kommt es darauf an, welchen Einfluss der Betroffene ausübt. Ist<br />

dieser gross <strong>und</strong> wird der Fan bestraft, geht das Chaos richtig los. Wenn das Verbot dann<br />

wirklich ausgesprochen wird, dann muss man es wohl oder übel akzeptieren.<br />

Beim Verein von Ultra B gab es bis vor einiger Zeit ein Projekt für Leute mit Stadionverbot.<br />

Hier konnten sich diese „bewähren“, indem sie an mehreren Spielen gemeinnützige Arbeiten<br />

vor, während <strong>und</strong> nach dem Spiel verrichteten. Dadurch konnten sie zeigen, dass sie koope-<br />

rativ sind <strong>und</strong> bereit sind, etwas zu leisten. Wenn das gut verlief, wurde das Verbot aufgeho-<br />

ben. Bei einem weiteren Verstoss hat es dann gleich drei Jahre Stadionverbot gegeben. Lei-<br />

der wurde das Projekt wieder abgesetzt. Es wurde von vielen Fans genutzt, ob es nachhaltig<br />

war, weiss er nicht.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C berichtet, dass es für das Zünden von Pyro Stadionverbot gibt, manchmal sogar<br />

Rayonverbot, <strong>und</strong> man kommt in die Hoogan Datenbank. Die Sanktionen bewirken bei ihm<br />

nicht viel. Wer zündet weiss, welches Risiko er eingeht <strong>und</strong> soll auch nicht jammern, wenn<br />

er die Sanktion dafür erhält. Die Geldbussen schmerzen ein wenig. Beim Stadionverbot<br />

findet er es hart, dass man draussen bleiben muss, wenn alle im Stadion sind <strong>und</strong> den Ver-<br />

ein unterstützen.<br />

82


Wenn jemandem ein Stadionverbot auferlegt wurde, versuchen Leute aus der Kurve mit den<br />

Verantwortlichen zu verhandeln. Meistens jedoch erfolglos. Früher gab es die Möglichkeit.<br />

dem Verein zu helfen, indem man z.B. auf dem Rasen Löcher stopfte usw. Dort konnte man<br />

mitmachen, wenn man ein Jahr Stadionverbot hinter sich hatte. Meistens wurde das Verbot<br />

damit schneller aufgehoben. Er fand das Projekt aber fragwürdig, da man so während der<br />

Spielpause exponiert wurde <strong>und</strong> alle Leute sehen konnten, wer Stadionverbot hat. Er würde<br />

es sinnvoll finden, wenn man generell mehr miteinander sprechen <strong>und</strong> nicht sofort Stadion-<br />

verbot erteilen würde. Dann würden sie verstehen, wieso die Ultras dies tun <strong>und</strong> was man<br />

unternehmen könnte, damit es weniger gefährlich ist.<br />

Ultra C hat bereits ein Stadionverbot hinter sich. Ihm wurde Landfriedensbruch vorgeworfen.<br />

Die Konsequenzen waren drei Jahre Bewährung, eine Busse von sFr. 1000.- <strong>und</strong> zwei Jahre<br />

gesamtschweizerisches Stadionverbot. Zudem musste er hohe Anwaltskosten bezahlen. Er<br />

hat Rekurs gegen das Urteil eingereicht, weil er es als willkürlich empf<strong>und</strong>en hat. Der Rekurs<br />

wurde jedoch abgelehnt.<br />

Ultra D hat zurzeit seit eineinhalb Jahren Stadionverbot. Er findet die Sanktionen total über-<br />

trieben. Es ist bei ihm bereits das zweite Mal.. Er hält sich vom Stadion fern <strong>und</strong> wird auch<br />

nicht mehr zünden, da er auf keinen Fall mehr negativ auffallen möchte. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

ist er in der Gruppierung nicht mehr so richtig dabei. Er hilft nur noch manchmal bei Choreo-<br />

grafie-Vorbereitungen mit. Es gibt verschiedene Möglichkeiten gibt, wie die Leute mit dem<br />

Stadionverbot umgehen. Es gibt solche, die es geniessen, mit den anderen einen Ausflug<br />

zu machen <strong>und</strong> dort warten, bis das Spiel vorbei ist. Die meisten, die mitgehen, möchten<br />

provozieren <strong>und</strong> suchen aktiv Ärger. Er würde aber nicht sagen, dass Leute mit Stadionver-<br />

bot gefährdeter sind, Hooligans zu werden. Das hat mit der Gr<strong>und</strong>einstellung von jemandem<br />

zu tun.<br />

Er erzählt, dass er das erste Stadionverbot zu Unrecht erhalten hat <strong>und</strong> das Verbot nach<br />

einem halben Jahr wieder aufgehoben wurde. Das Verbot hat er aufgr<strong>und</strong> einer Situation<br />

erhalten, bei der <strong>zum</strong> Schluss wahllos eine Gruppe Fans festgenommen <strong>und</strong> mit Stadionver-<br />

bot sanktioniert wurde. Das erneute Stadionverbot hat er erhalten, weil er im Stadion pyro-<br />

technisches Material gezündet hat. Da er bereits früher mit einem Verbot sanktioniert wurde,<br />

fiel es diesmal härter aus. Er sagt, es interessiere dabei niemanden, dass er damals nach<br />

einem halben Jahr freigesprochen wurde.<br />

Das aktuelle Strafmass sind drei Jahre Stadionverbot, sFr. 500.- Bearbeitungsgebühr für den<br />

Verein, sFr. 400.- von der Polizei <strong>und</strong> sFr. 400.- zusätzlich von der Bewährungsstrafe des<br />

letzten Stadionverbotes. Also insgesamt sFr. 1300.- Kosten.<br />

Er empfindet diese Zeit als extrem hart. Er war bis zu diesem Zeitpunkt an jedem Spiel da-<br />

bei. Plötzlich muss er draussen bleiben <strong>und</strong> zusehen, wie die Fre<strong>und</strong>e ins Stadion gehen,<br />

83


um zu feiern. Seine Fre<strong>und</strong>e sieht er zwar immer noch, aber was ihm extrem fehlt, ist der<br />

Fussball <strong>und</strong> das Zusammenleben mit den anderen Leuten der Kurve.<br />

Für die Zukunft wäre er für die Legalisierung von Pyro oder höchstens für das Aussprechen<br />

von Geldbussen. Man müsste differenzierter zwischen Gewalttat <strong>und</strong> Nicht-Gewalttat unter-<br />

scheiden. Pyro zu zünden ist für ihn keine Gewaltanwendung, denn schliesslich schade er<br />

mit der Fackel niemandem!<br />

Früher gab es in seinem Verein ein Projekt, bei dem man sich nach einem Stadionverbot<br />

bewähren konnte, so dass es eventuell schneller aufgehoben wurde. Er wäre froh, wenn es<br />

das noch geben würde <strong>und</strong> er es nutzen könnte. Er findet es gut, dass man so zeigen kann,<br />

dass einem der Fussball <strong>und</strong> der Verein wichtig sind. Er ist der Ansicht, dass jemand, der<br />

das nicht auf sich nimmt um das Verbot aufzuheben, nie mehr ins Stadion gelassen werden<br />

sollte. Für das Projekt musste man vor, während <strong>und</strong> nach dem Spiel gemeinnützige Arbei-<br />

ten verrichten. Er würde dies sofort tun, um wieder ins Stadion zu dürfen. Es wäre ihm auch<br />

egal, wenn dann die anderen Leute sehen würden, dass er Stadionverbot hat. Ausserdem ist<br />

er der Meinung, dass so ein Einsatz in der Kurve positiv aufgenommen würde.<br />

Bei seinem ersten Stadionverbot hatte er ein Jahr lang zusätzlich an den Spieltagen auch im<br />

Hauptbahnhof der Stadt Rayonverbot. Das war für ihn eine enorm blöde Situation, denn er<br />

hatte damals im Bahnhof gearbeitet. Auch während der Dauer der gesamten EM hatte er für<br />

viele Plätze Rayonverbot erhalten. Zum Beispiel in der UBS Arena, dem Hauptbahnhof, den<br />

Fanmeilen usw. Er hat damals praktisch mitten in einem Rayonverbot gelebt, das ist alles<br />

sehr einschneidend.<br />

Ultra E sagt, dass es für die Verwendung von Pyro Stadionverbote <strong>und</strong> Geldbussen gibt.<br />

Er findet die Sanktionen nicht gut, denn er möchte nicht für etwas bestraft werden, für das er<br />

voll <strong>und</strong> ganz dahinter steht. Für ihn ist jedes Mittel schlecht, welches das Zünden von Pyro<br />

verhindert. Er ist aber der Meinung, dass jemand, der mit den Fackeln Gewalt ausübt oder<br />

sie wirft, mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden soll. Das normale Zünden ist<br />

für ihn keine Gewalt.<br />

Leute, welche ein Stadionverbot erhalten, werden von der Kurve gut unterstützt. Sie haben<br />

ihre eigenen Anwälte, <strong>und</strong> das Gespräch mit dem Verein wird gesucht. In ihrem Verein gibt<br />

es kein Projekt, bei dem Leute mit Stadionverbot sich bewähren können. Er würde so etwas<br />

begrüssen.<br />

Er hatte noch nie Stadionverbot. In der Regel halten sich die Leute mit Stadionverboten dar-<br />

an <strong>und</strong> bleiben draussen. Manchmal kommt einer mit an ein Auswärtsspiel oder er geht auf<br />

die Haupttribüne, wo ihn niemand kennt.<br />

84


Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F erklärt, dass er gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zündet, aus Angst vor einem Stadionverbot. Er<br />

findet die Sanktion ungerecht, wenn beim Abbrennen der Fackel niemandem etwas passiert.<br />

Es gibt bei den Ultras eine Solidarität mit Leuten, welche Stadionverbot haben.<br />

Er kennt keine Möglichkeit, wie sich Leute mit Stadionverbot bewähren können, aber er<br />

weiss von einem Fre<strong>und</strong>, der Stadionverbot hatte. Dieser hat nach cirka 8 Monaten einen<br />

Brief an den SFV geschrieben <strong>und</strong> dann wurde das Verbot aufgehoben.<br />

Tabelle 10 Erkenntnisse: Sanktionen<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Wurde mit Stadionverbot (SV) sanktioniert A C,D -<br />

Wurde wegen Abbrennen von pyrotechnischem Material mit SV -<br />

sanktioniert<br />

D -<br />

Empfand das SV als willkürlich A C,D -<br />

Die möglichen Sanktionen bezüglich dem Abrennen von pyro- A,B C,D,E F<br />

technischem Material sind bewusst<br />

Findet ein SV für das Abrennen von Pyro ungerechtfertigt A,B D,E F<br />

Sieht ein SV als erheblichen Einschnitt in das Leben eines Ultras A,B C,D -<br />

Ist während des SV an Auswärtsfahrten mitgegangen A - -<br />

Leute mit SV werden von der Gruppierung unterstützt B C,E F<br />

Die drohenden Sanktionen halten ihn vor weiterem Zünden ab B D F<br />

Die drohenden Sanktionen halten nicht vor dem Zünden ab A C -<br />

Durch ein SV kommt man vermehrt mit Gewalttätern in Kontakt A,B D -<br />

Gewalt <strong>und</strong> das Zünden von Pyro sollten nicht gleich sanktioniert A,B<br />

werden<br />

D,E -<br />

Findet gemeinnützige Arbeit für den Verein sinnvoller als ein SV A,B D,E -<br />

Findet gemeinnützige Arbeit für den Verein als Sanktion nicht gut - C -<br />

Es sollte mehr miteinander gesprochen werden anstatt nur SV B<br />

erteilen<br />

C -<br />

6.2.5 Vorfall Basel<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A findet diesen Vorfall sehr kontraproduktiv für die Schweizer Fussballszene. Er möch-<br />

te nicht über die Fankurve urteilen. So etwas kann immer passieren, da man nie weiss, ob<br />

<strong>und</strong> wann jemand austickt.<br />

Ultra B kann zu diesem Vorfall nur sagen, dass es absolut schlimm ist. Vor allem findet er es<br />

übel, dass die Fackeln in den Familiensektor geworfen wurden. Das ist seiner Meinung nach<br />

unterste Schublade. Man kann nicht viel dagegen machen, man kann nur aufpassen, dass<br />

das bei ihnen in der Kurve nie passiert. Er würde für seine Kurve die Hand ins Feuer legen,<br />

dass dies nie passieren wird.<br />

85


Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C ärgert sich über die Negativschlagzeilen in den Medien. Für alle anderen Fans, die<br />

sich an die Regeln halten, ist es ein Strich durch die Rechnung. Er kann sich überhaupt nicht<br />

vorstellen, wie man auf die Idee kommen kann, eine Fackel in den Familiensektor zu werfen.<br />

Er denkt, dass man so etwas nicht 100% verhindern kann. Wichtig findet er aber, dass die<br />

Selbstregulation funktioniert <strong>und</strong> die Leute wissen, dass sie aus dem Stadion fliegen, wenn<br />

sie so etwas machen.<br />

Ultra D findet es absolut unnötig, übertrieben <strong>und</strong> dumm, was da getan wurde. Die Situation<br />

in Basel ist nicht förderlich für die Ultrakultur. Er ist überzeugt, dass es betrunkene Ultras<br />

waren. Diese Personen entsprechen aber nicht dem Gesamtbild der Ultras, leider wird das<br />

jetzt in der Öffentlichkeit aber so wahrgenommen. So etwas ist überall möglich, vor allem<br />

wenn jemand betrunken ist oder andere Drogen konsumiert hat <strong>und</strong> dann nicht mehr weiss,<br />

was er tut.<br />

Ultra E war von der ganzen Sache damals schockiert. Was da passierte, ist für ihn nicht Py-<br />

ro zünden, sondern rohe Gewalt. Dieser Vorfall hat die Pyro-Akzeptanz um cirka 5-6 Jahre<br />

zurückgeworfen. Es hätten dabei Leute verletzt werden können <strong>und</strong> es gibt keinen Gr<strong>und</strong>,<br />

weshalb man so etwas hätte tun sollen. Er ist sich aber sicher, dass es Leute gibt, die diese<br />

Aktion toll fanden.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F findet diesen Vorfall sehr schlimm <strong>und</strong> sagt, dass das nie hätte passieren dürfen. Er<br />

würde den Leuten, die auf diese Art Fackeln werfen, lebenslängliches Stadionverbot geben.<br />

Was ihn ärgert ist, dass die Öffentlichkeit es als eine alltägliche Situation wahrnimmt.<br />

Tabelle 11 Erkenntnisse: Vorfall Basel<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Verurteilt diesen Vorfall <strong>und</strong> distanziert sich von solchen Aktionen A,B C,D,E F<br />

Dieser Vorfall hatte negative Auswirkungen auf die gesamte Fan- A C,D,E F<br />

szene<br />

So etwas lässt sich nicht zu 100% verhindern A,B C,D -<br />

So etwas würde in seiner Kurve nicht passieren B - -<br />

86


6.2.6 Subsysteme<br />

6.2.6.1 Private Sicherheitskräfte / Polizei / Hoogan / Staat<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A meint, dass das Verhältnis der Ultras zu den Ordnungskräften mal besser <strong>und</strong> mal<br />

schlechter ist. Es besteht immer eine gewisse Spannung. Bei den Sicherheitskräften <strong>und</strong> der<br />

Polizei gibt es ein paar wenige Leute, denen man vertraut. Mehrheitlich ist man skeptisch<br />

<strong>und</strong> sehr kritisch, weil sie schon zu viel erlebt haben. Nach einer Auseinandersetzung zwi-<br />

schen Fans <strong>und</strong> Polizei, welche seiner Ansicht nach von der Polizei provoziert wurde, indem<br />

diese bereits in der 85. Minute in Vollmontur im Strafraum ihres Vereins stand, wurde den<br />

Ultras vorgeworfen, sie hätten das Gespräch verweigert. Sie seien jedoch nie für ein Ge-<br />

spräch angefragt worden. Auch sind sie aufgr<strong>und</strong> der vielen ungerechtfertigten Stadionver-<br />

boten, welche von den Ordnungskräften ausgesprochen werden, skeptisch<br />

Bei der Selbstregulation in der Kurve finde er nicht gut, dass jemand, der von den Fans aus<br />

dem Stadion geworfen wurde, direkt der Polizei in die Arme läuft. Das wollen sie nicht <strong>und</strong><br />

deshalb behalten sie die Leute lieber im Stadion.<br />

Die Hoogan Datenbank kennt er sehr gut. In seinen Augen wäre so eine Datenbank von Vor-<br />

teil, wenn man das Gesetz dafür anders ausgestaltet hätte. Im Moment ist es jedoch mit vie-<br />

len Gummiparagraphen, wie z.B. Landsfriedensbruch, ausgestattet. Es gibt bereits Hoogan-<br />

Einträge, wenn man angezeigt wird, ohne dass die <strong>Untersuchung</strong> abgeschlossen ist. Es<br />

reicht, wenn ein Securitas sagt, dass man gewalttätig gewesen ist. Auch das Fackeln <strong>und</strong><br />

Gewalt gleich abgehandelt werden, findet er nicht in Ordnung.<br />

Ultra B sagt, dass die Überwachung im Stadion durch Kameras <strong>und</strong> Zivilpolizei immer stär-<br />

ker wird <strong>und</strong> dadurch auch das Risiko, erwischt zu werden. Das Verhältnis zu den Sicher-<br />

heitskräften beschreibt er so, dass man sich kennt, aber nicht mehr. Man kann ihnen nicht<br />

trauen, deshalb auch kein offenes Gespräch führen <strong>und</strong> geht ihnen besser aus dem Weg.<br />

Er erzählt von einer Situation während einem sehr wichtigen Spiel, welche die Fans als äus-<br />

serst ungerecht <strong>und</strong> provozierend empf<strong>und</strong>en haben. Die Polizei sei bereits in der 80. Spiel-<br />

minute einmarschiert, in den Strafraum gestanden <strong>und</strong> habe mit Tränengas in die Kurve ge-<br />

schossen. Die Polizei habe dadurch der Mannschaft die Chance genommen, das Spiel zu<br />

wenden. Sie habe den Fans die Chance genommen, die Mannschaft anzufeuern. Dies er-<br />

zeugte einen riesigen Hass auf die Polizei, was schlussendlich zur Eskalation führte.<br />

87


Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C findet, dass das Verhältnis zu den Ordnungskräften sehr schlecht ist. Er erzählt<br />

von einer Situation, wo sie nach dem Spiel zu einer Mannschaft wollten, mit denen sie eine<br />

Fan- Fre<strong>und</strong>schaft haben. Die Polizei sei aber provokativ dazwischen gestanden. Dadurch<br />

entwickelte sich eine Schlacht mit der Polizei, welche mit einem „Saubannerzug“ durch die<br />

Stadt endete.<br />

Ultra D sagt, dass sein Verhältnis zu den Ordnungskräften nicht gut ist, da er oft negative<br />

Erfahrungen mit ihnen gemacht hat. Er hat dadurch eine negative Gr<strong>und</strong>einstellung entwi-<br />

ckelt. Die Ultras lassen sich nicht gerne von der Polizei dazu zwingen, etwas zu tun. Das<br />

provoziert sie extrem. Der Druck auf die Ultras wird immer grösser, sie werden immer mehr<br />

kontrolliert <strong>und</strong> können sich nicht mehr frei bewegen. Er erzählt von einer Situation, wo nach<br />

einem Spiel mehr als 20 Leute verhaftet <strong>und</strong> von der Polizei verprügelt wurden. Danach<br />

mussten sie st<strong>und</strong>enlang in einer Zelle ausharren. Dadurch macht man immer wieder die<br />

Erfahrung von ungerechtfertigter Repression <strong>und</strong> das prägt die Ultras!<br />

Bei der Hoogan-Datenbank finde er es übertrieben, dass man so schnell darin landet. Er<br />

sagt von sich, jetzt offiziell ein Hooligan zu sein, denn er ist jauch in dieser Datenbank einge-<br />

tragen worden, nachdem er eine Fackel gezündet hat. Es gibt Leute, die noch weniger<br />

schlimme Sachen gemacht haben als er <strong>und</strong> ebenfalls dort eingetragen sind. Dabei muss<br />

man bedenken, dass diese Daten für 10 Jahre gespeichert bleiben. Seiner Meinung nach<br />

gleicht unser Staat immer mehr einem Polizeistaat, in dem alles registriert wird.<br />

Ultra E ärgert sich vor allem über die Willkür der Sicherheitskräfte. Viele von ihnen<br />

seien „Rambos“, welche selber Action erleben möchten <strong>und</strong> deshalb sehr schnell auf die<br />

Leute einprügeln. Sie haben zwar die gleichen Rechte wie andere Leute, nehmen sich aber<br />

oft zu wichtig <strong>und</strong> handeln unverhältnismässig <strong>und</strong> provokativ. Das ist etwas, was ihn ag-<br />

gressiv macht.<br />

Er erzählt von einer Situation, bei der die Sicherheitsvorkehrungen bereits vor dem Spiel<br />

extrem gross waren. Seine Mannschaft hat das Spiel gewonnen <strong>und</strong> als sie friedlich aus dem<br />

Stadion kamen, waren dort die Polizisten bereits formiert <strong>und</strong> man bekam das Gefühl, dass<br />

es ihnen nur darum ging, irgendjemanden festnehmen zu können. Dies haben sie dann auch<br />

getan, haben sich einen Fan gegriffen <strong>und</strong> Ultra E hat auch eine Ladung Tränengas abbe-<br />

kommen. Das einzige was dieser Aktion vorausgegangen war, waren ein paar dumme<br />

Sprüche von den Ultras. Es wirkte, als müsse die Polizei rechtfertigen, weshalb ein so gros-<br />

ses Polizeiaufgebot vor Ort war. Schliesslich müssen sie sich auch gegenüber der Politik<br />

sinnvoll präsentieren.<br />

88


Zusätzlich ärgert ihn das Vorgehen der Ordnungsinstanzen. Sie wollen neue Gesetze erlas-<br />

sen, mit denen sie Leute nur schon durch Verdacht festnehmen können. Er sagt, egal wer,<br />

alle Fans werden gefilmt <strong>und</strong> die Daten registriert. Diese Daten werden dann privaten Si-<br />

cherheitskräften zur Verfügung gestellt. Was alles mit den Daten passiert, kann kein Mensch<br />

mehr nachvollziehen. Das ist für ihn ein grosses politisches Problem. Seiner Meinung<br />

nach wird alles an einer kleinen Gruppierung getestet, damit man es später in der grossen<br />

Masse anwenden kann. Deshalb erachtet er es als wichtig, dass man dies bereits im Ur-<br />

sprung bekämpft.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F sagt, dass von einem Verhältnis zu der Polizei <strong>und</strong> den Sicherheitskräften keine Re-<br />

de sein kann. Sie kennen die Hooligan-Beauftragten, <strong>und</strong> der eine oder andere ist mit ihnen<br />

per Du. Teilweise probieren die Sicherheitskräfte die Zündenden aus der Kurve heraus zu<br />

holen. In der Regel schaffen sie es aber nicht, da die Leute von den anderen gut gedeckt<br />

werden. Seiner Meinung nach ist das eine schlechte Lösung, denn das gibt meistens Ärger.<br />

Tabelle 12 Erkenntnisse: Private Sicherheitskräfte / Polizei / Hoogan / Staat<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Beschreibt das Verhältnis zur Polizei <strong>und</strong> den Sicherheitskräften A,B<br />

als angespannt <strong>und</strong> negativ<br />

C,D,E F<br />

Vertraut wenigen Polizisten <strong>und</strong> Sicherheitskräften A - -<br />

Hatte negative Erlebnisse mit Polizei <strong>und</strong> Sicherheitskräften A,B C,D,E F<br />

Erlebte das Handeln der Polizei <strong>und</strong> Sicherheitskräfte <strong>zum</strong> Teil als A,B C,D,E F<br />

willkürlich <strong>und</strong> ungerechtfertigt<br />

Empfindet die Polizei z.T. als provokativ A,B C,D,E F<br />

Repressive Massnahmen haben zugenommen A,B D,E -<br />

Hoogan-Datenbank ist unverhältnismässig A D,E -<br />

6.2.6.2 Medien<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A stört es, dass der Begriff Ultras durch die Medien stark verwässert wurde. Er wird oft<br />

mit Hooligan gleichgesetzt. Früher glaubte er die Dinge, welche in der Zeitung standen.<br />

Wenn man dann aber Beispiele aus dem Fussballalltag kennt, ändert sich dies. Das Problem<br />

ist, dass die normalen Bürger nur mitbekommen, was in den Medien steht <strong>und</strong> sich so ihre<br />

Meinung bilden.<br />

Ultra A findet, dass die Medien speziell beim Thema Pyro eher kontraproduktiv sind. Die Bil-<br />

der von Pyro eignen sich optimal für die Presse, wenn es bei einer Schlagzeile um Aus-<br />

89


schreitungen geht. Die Bilder leuchten <strong>und</strong> stechen sofort ins Auge. Somit werden Pyro, Ge-<br />

walt <strong>und</strong> Sachbeschädigungen miteinander verknüpft. Seiner Meinung nach sind die Medien<br />

mitschuldig, dass sich das Bild von Pyro über die Zeit gewandelt hat. Früher war Pyro weit-<br />

aus akzeptiert. Auf Youtube.com gibt es einen Zusammenschnitt der zeigt, dass es sich ir-<br />

gendwann gewandelt hat <strong>und</strong> Pyro heute verteufelt wird. Ihn ärgert, dass die Öffentlichkeit<br />

die Unterscheidung zwischen Pyro als Vereinsunterstützung <strong>und</strong> Pyro als Waffe nicht macht.<br />

Ultra B sagt, dass die Medien vor allem Einfluss durch Angstmacherei ausüben. Es stört ihn,<br />

dass die Medien für verschiedene Sachen oft Pyro-Bilder als Hintergr<strong>und</strong>bilder oder zur De-<br />

koration verwenden, aber dann nur negativ darüber berichten. Vorfälle, wie z.B. in Basel,<br />

sind ein gef<strong>und</strong>enes Fressen für die Medien. Die Ultras distanzieren sich ganz klar von die-<br />

ser Tat <strong>und</strong> es ist schlimm für sie, wenn alles in einen Topf geworfen wird. Für Leute die<br />

nichts mit Ultras zu tun haben, ist es dann schwierig zu differenzieren, denn sie sind durch<br />

die Medien voreingenommen. Er wird dadurch sogar von seinen Verwandten abgestempelt<br />

<strong>und</strong> in den gleichen Topf wie die Fackelwerfer geworfen.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C meint, dass in den Medien nur alles Negative gezeigt wird, wenn über Pyro berichtet<br />

wird. Sie schreiben nur, wenn irgendwo eine Fackel geworfen wurde. Pyro sollte auch von<br />

der positiven Seite her betrachtet werden, was man damit alles machen kann <strong>und</strong> wie schön<br />

es aussieht. Man sollte in den Medien mehr die Sicht der Fans berücksichtigen. Die Medien<br />

wollen nur Schlagzeilen machen <strong>und</strong> es geht nur ums Geld. Ihn stört ausserdem, dass da-<br />

durch die Öffentlichkeit dies auch so sieht. Sie befasst sich nicht mit Pyro <strong>und</strong> glaubt, was sie<br />

in den Medien liest <strong>und</strong> hört.<br />

Er berichtet von einer Situation, in der es Ausschreitungen gegeben hat, weil sich Polizisten<br />

im Strafraum formierten, wo das Ganze bereits im Voraus von den Medien hochgeschaukelt<br />

worden war. Es gab bereits vor dem Spiel Berichte in denen stand, dass das Spielfeld nicht<br />

gestürmt werden darf <strong>und</strong> dass ein riesiges Polizeiaufgebot vor Ort sein wird..<br />

Ultra D stört, dass durch die Medien der Begriff der Ultras immer mehr verwässert wird. Sie<br />

werden in den Medien mit Hooligans gleichgestellt <strong>und</strong> dadurch wird ein falsches Bild vermit-<br />

telt. Er ist der Meinung, dass <strong>zum</strong> Thema Pyro nur berichtet wird, wenn irgendwo eine Fackel<br />

in den Family-Corner fliegt. Dadurch wird das Thema extrem aufgeputscht. Auch im Allge-<br />

meinen hört, liest <strong>und</strong> sieht man in den Medien nur Negatives über die Ultraszene. Deshalb<br />

ist es für ihn logisch, dass die meisten "Normalbürger" auch nicht wissen, wie das mit dem<br />

Pyro abläuft. Sie sehen nur, was im Fernseher gezeigt wird <strong>und</strong> bilden sich so ihre Meinung.<br />

90


Daher w<strong>und</strong>ert er sich nicht darüber, dass die meisten Leute eine schlechte Meinung über<br />

Pyro haben. Er erzählt, dass er in seiner Verwandtschaft oft hört, er solle aufhören sich mit<br />

diesen Leuten abzugeben, das seien doch alles asoziale Idioten. Wenn seine Verwandten<br />

einen Einblick in die Szene bekommen würden, würden sie ihre Meinung schnell relativieren.<br />

Ultra E sagt, dass das Wort ’Ultras’ in den Medien oft mit allem Schlechten verb<strong>und</strong>en wird.<br />

Dadurch steht dieses Wort für den „Normalbürger“ für alles Schlechte, was im Fussball pas-<br />

siert. Er ist der Meinung, dass durch die Negativschlagzeilen <strong>zum</strong> Thema Pyro mittlerweile<br />

auch der Verein <strong>und</strong> die breite Öffentlichkeit gegen Pyro sind. Er sieht das Problem darin,<br />

dass die Medien oft nur Polizeiberichte abdrucken. Dies tun sie, weil es interessant ist zu<br />

berichten, was die Polizei schreibt, <strong>und</strong> es sorgt für gute Schlagzeilen. Ausserdem denkt er,<br />

dass es mit Sparmassnahmen der Zeitungen zu tun haben könnte, da es zuviel Aufwand<br />

bedeuten würde, das Ganze gründlich zu recherchieren. Sie geben sich keine Mühe, eine<br />

differenzierte Sicht zu erhalten. Das findet er schade, denn die Medien haben ja ihre Leute<br />

vor Ort.<br />

Er schildert Beispiel, als ein Fan seiner Gruppierung verhaftet wurde <strong>und</strong> nach Diskussionen<br />

mit der Polizei wieder freigelassen wurde. In den Medien hiess es später, dass ein Fan ver-<br />

haftet worden sei <strong>und</strong> es grosse Ausschreitungen gegeben habe. Diese Undifferenziertheit<br />

ärgert ihn. Es stört ihn ausserdem, wie mit dem Thema Pyro in den Medien umgegangen<br />

wird. Kürzlich, bei einem Skispringen, wurden mitten in den Leuten bengalische Fackeln ge-<br />

zündet. In der Nähe befanden sich auch Frauen <strong>und</strong> Kinder. Dieses Verhalten wird in den<br />

Medien als besonders gute Stimmung gerühmt. Wenn dann in einem vollbesetzten Stadion<br />

gezündet wird, wird von unverbesserlichen Idioten gesprochen.<br />

Er ist der Meinung, dass die Medien unabhängig <strong>und</strong> differenziert berichten <strong>und</strong> ein reales<br />

Bild der Situation wiedergeben sollen. Er hat viele Situationen erlebt, welche von den Medien<br />

verdreht <strong>und</strong> überhaupt nicht so wiedergegeben wurden, wie sie wirklich passiert waren. Er<br />

sieht ein, dass es aufgr<strong>und</strong> der vielen - mit Werbung zugepflasterten - Gratiszeitungen für<br />

Zeitungen schwierig ist, unabhängig zu bleiben.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F ist der Meinung, dass die Medien eine grosse Rolle beim Thema Pyro spielen, da sie<br />

die ganze Situation dramatisieren. Es wird sehr oft gezündet <strong>und</strong> es passiert nie etwas. Sei-<br />

ner Meinung nach haben die Medien vor allem negativen Einfluss.<br />

91


Tabelle 13 Erkenntnisse: Medien<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Die Medien haben vor allem negativen Einfluss A,B C,D,E F<br />

Der Begriff ‘Ultra’ wird durch die Medien stark verwässert <strong>und</strong> mit A,B<br />

Hooligans gleichgesetzt<br />

D,E -<br />

Durch die negativen Medienberichte werden die breite Öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> auch der Verein beeinflusst<br />

A,B C,E -<br />

Medien verwenden Pyro-Bilder, weil sie sich gut für Schlagzeilen A,B<br />

eignen<br />

D -<br />

Medien drucken häufig nur Polizeiberichte ab - E -<br />

Die Berichterstattung der Medien ist oft widersprüchlich B E -<br />

Durch die Medien wird Pyro generell mit Gewalt in einen Topf A,B<br />

geworfen, z.B beim Vorfall in Basel<br />

- -<br />

Durch die Negativschlagzeilen wird er von Verwandten <strong>zum</strong> Teil A,B<br />

als Gewalttäter abgestempelt<br />

D -<br />

Medien sollten objektiv berichten - C,E -<br />

Den Medien geht es nur um das grosse Geld - C -<br />

Hat eine Situation erlebt, bei der in den Medien falsch berichtet A<br />

wurde<br />

C,E -<br />

6.2.6.3 Sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A findet sozioprofessionelle Fanarbeit einen guten Ansatz. In seinem Verein ist das<br />

jedoch nicht so gefragt. Die Fans sind gegenüber aussenstehenden Leuten skeptisch <strong>und</strong><br />

momentan würde es auch am Geld scheitern, da der Verein keines besitzt. Der Vereinsprä-<br />

sident hat vor kurzem gesagt, er verstehe nicht, weshalb man einem Psychologen Geld zah-<br />

len soll, um die Erziehung der Eltern, die falsch gelaufen sei, zu reparieren.<br />

Er hat sich selbst schon überlegt, ob er versuchen soll, Fanarbeit anzuziehen. Aber sobald<br />

man in der Szene drin ist geht das nicht, da man gegenüber den anderen nicht genug neutral<br />

ist. Deshalb müsste dies von jemandem von ausserhalb der Szene gemacht werden.<br />

Für Fans ist es wichtig, dass ein Sozialpädagoge zuhört <strong>und</strong> sie ernst nimmt. Wenn die Fans<br />

merken, dass da jemand ist, der zuhört, sie für voll nimmt, der zudem ihre Anliegen aufnimmt<br />

<strong>und</strong> sich Gedanken darüber macht, würde er schnell akzeptiert. Auf keinen Fall darf er Leute<br />

verpfeifen. Er sollte sich für die Fans einsetzen.<br />

Ultra B kennt die sozioprofessionelle Fanarbeit nicht. Als ihm erklärt wird, was es ist, meint<br />

er, dass dies in seiner Kurve bereits so gemacht werde, auch ohne Fanarbeiter. Er denkt,<br />

dass ein Fanarbeiter beim Thema Pyro keinen Einfluss auf die Kurve haben könnte, da er<br />

dann schnell nicht mehr akzeptiert wäre. Er würde sofort in dieselbe Kategorie wie die Polizei<br />

<strong>und</strong> die Sicherheitsleute geraten. Vor allem, wenn es fremde Personen sind.<br />

92


Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C kennt die sozioprofessionelle Fanarbeit nicht. Als ihm erklärt wird, was es ist, sagt er,<br />

dass ein Fanarbeiter seiner Meinung nach keinen Einfluss auf die Pyro-Problematik haben<br />

könnte, da er bei der Liga vermutlich keinen Stellenwert hat. Das einzige, was er sich vorstel-<br />

len kann ist, dass der Fanarbeiter zwischen Fans <strong>und</strong> der Liga verhandeln würde. Bei ihnen<br />

gibt es bereits solche Leute.<br />

Ultra D kennt die sozioprofessionelle Fanarbeit nicht, dafür die Fanbeauftragten <strong>und</strong> die Si-<br />

cherheitsbeauftragten. Er stellt sich einen Fanarbeiter als eine Person vor, die zwischen Po-<br />

lizei, Verein <strong>und</strong> Fans agiert mit dem Auftrag, verschiedenen Meinungen zusammenzubrin-<br />

gen <strong>und</strong> dafür zu sorgen, dass miteinander gesprochen wird. <strong>Eine</strong> solche Person könnte<br />

auch als Anlaufstelle für die verschiedenen Parteien dienen. Um in der Kurve akzeptiert zu<br />

werden, müsste der Fanarbeiter mit einer gewissen Distanz auf die Fans zugehen. Ausser-<br />

dem müssten die Fans Vertrauen zu ihm entwickeln, indem sie sehen, dass es ihm wirklich<br />

darum geht, die Kommunikation zu fördern.<br />

Ultra E teilt mit, dass bei ihnen im Verein seit kurzem Fanarbeit geleistet wird. Früher gab es<br />

einfach die Leute aus der Kurve, welche immer dabei waren <strong>und</strong> für diese Dinge zuständig<br />

waren. Die neuen Fanarbeiter sind aber noch nicht in der Kurve integriert <strong>und</strong> er persönlich<br />

kennt sie nicht. Ein Nutzen der Fanarbeit könnte sein, die Ultras bei der Kommunikation<br />

mit dem Verein zu unterstützen. Es ist wichtig, dass die Fanarbeiter in der Kurve akzeptiert<br />

sind, nur dann kann die Zusammenarbeit gut funktionieren. Bei seinem Verein wird es ein<br />

langer Prozess sein, bis sich die Leute etabliert haben. Es ist aber auf jeden Fall einen Ver-<br />

such wert.<br />

Um als Fanarbeiter die Akzeptanz in der Kurve zu erreichen braucht es Nähe, eine Vergan-<br />

genheit in der Kurve, oder es soll jemand sein, der selbst auch Fan ist. Der Fanarbeiter muss<br />

das Leben in der Kurve <strong>und</strong> das gesamte soziale Umfeld kennen. Er muss sich mit Fussball<br />

auskennen <strong>und</strong> eine sehr hohe soziale Kompetenz haben, das heisst auf Leute zugehen <strong>und</strong><br />

gut vermitteln können. Es muss auch jemand sein, der sich mit dem Verein identifiziert.<br />

Wichtig ist aber auch, dass der Fanarbeiter vom Vereins anerkannt ist. Auch sollte er einen<br />

guten Draht zu den Sicherheitskräften haben.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F kennt die sozioprofessionelle Fanarbeit nicht. Als ihm erklärt wurde, was Fanarbeit<br />

ist, sieht er durchaus Potenzial darin, um damit vorwärts zu kommen. Vorausgesetzt dass es<br />

93


dem Fanarbeiter gelingt, zu allen Parteien einen guten Kontakt zu pflegen. Es braucht eine<br />

Person, die das Problem thematisiert.<br />

Tabelle 14 Erkenntnisse: Sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Kennt die sozioprofessionelle Fanarbeit (FA) nicht B C,D F<br />

FA ist ein guter Ansatz A E F<br />

FA ist in seinem Verein nicht gefragt A - -<br />

In seinem Verein ist zurzeit kein Geld für FA vorhanden A - -<br />

In seinem Verein wird Fanarbeit betrieben - E -<br />

Die Aufgaben, welche die FA übernehmen würden, übernehmen B<br />

die Fans jetzt schon<br />

C,E -<br />

FA sollte von Aussenstehenden betrieben werden, um neutral A<br />

sein zu können<br />

- -<br />

Fanarbeiter brauchen eine Vergangenheit in der Kurve - E -<br />

Der Fanarbeiter muss auch beim Verein <strong>und</strong> den Sicherheitskräften<br />

akzeptiert sein<br />

- E -<br />

FA darf keine Leute verpfeifen A - -<br />

Zwischen dem Fanarbeiter <strong>und</strong> den Fans muss zuerst das Vertrauen<br />

aufgebaut werden<br />

A D,E -<br />

Die Fanarbeiter in seinem Verein kennt er nicht, sie sind nicht - E -<br />

integriert<br />

Zum Thema Pyro kann die FA keinen Einfluss nehmen B C -<br />

Die FA könnte eine Vermittlerfunktion einnehmen - C,D,E F<br />

6.2.6.4 Verein / Spieler<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A ärgert sich über Sitzungen mit dem Vorstand an denen er merkt, dass die Leute vom<br />

Verein ihn nicht verstehen oder teilweise Abmachungen nicht einhalten. Er kann jedoch auch<br />

von diversen Erfolgserlebnissen berichten. So konnte beispielsweise mit dem Verein ausge-<br />

handelt werden, dass sie im Stadion eigene Fanartikel verkaufen dürfen. Dies gilt jedoch<br />

mittlerweile nicht mehr, da die Trikot-Herstellungsfirma etwas dagegen hatte. Er unterstützt<br />

den Verein als übergeordnetes Konstrukt bedingungslos. Es gibt nichts, was über die Farben<br />

seines Vereins hinausgeht. Das heisst für ihn jedoch nicht, dass man alles unterstützt, was<br />

vom Vereinsvorstand kommt oder was die Mannschaft macht. Es ist für ihn ein nicht fassba-<br />

res Konstrukt, für das die Unterstützung gr<strong>und</strong>sätzlich da sein muss.<br />

Seit sein Verein in der Challenge League spielt, hat sich die Kommunikation zwischen Fans<br />

<strong>und</strong> Verein verändert. Man merkt, dass der Verein vermehrt auf die Fans angewiesen ist.<br />

Ausserdem haben sie einen neuen Präsidenten, mit dem sie sehr gut kommunizieren kön-<br />

nen. Was auch zur Entspannung beigetragen hat ist, dass es kaum mehr Ausschreitungen<br />

gibt. Wenn man praktisch keine gegnerischen Fans hat, kann auch nichts passieren. Beim<br />

94


Thema Pyro hat es ebenfalls eine Lockerung gegeben. Ultra A sieht den Gr<strong>und</strong> darin, dass<br />

seine Gruppierung in der Challenge League teilweise Sicherheitsaufgaben übernimmt. In<br />

den älteren Stadien passen sie z.B. auf, dass die Leute nicht das Spielfeld betreten. So sieht<br />

auch die Vereinsleitung, dass seine Gruppierung sicherstellt, dass nichts Schlimmes passie-<br />

ren kann. Deshalb wird nun von der Vereinsseite im Bereich Pyro keine grosse Kampagne<br />

mehr gegen sie gefahren. Jedenfalls, solange es im Rahmen bleibt.<br />

Die Spieler sind beim Thema Pyro geteilter Meinung. Die einen haben sicher Freude daran<br />

<strong>und</strong> andere eher weniger. Von einem Spieler weiss er aber, dass er es toll findet.<br />

Ultra B findet die Kommunikation mit der neuen Vereinsspitze relativ gut. Er bedauert je-<br />

doch, dass vieles über die Leute läuft, welche Geld in den Verein eingeschossen haben. Die<br />

Ultras wollten z.B. über eine Werbetafel ein Spruchband von sich hängen. Das wurde jedoch<br />

vom betroffenen Investor abgelehnt.<br />

Zum Thema Pyro erlebt er den Verein zwiespältig. Man hört viel hinter dem Rücken, dass<br />

gewisse Leute vom Verein die Pyro-Shows gut finden. Da es von der Swiss Football League<br />

aber verboten ist, ist klar, dass sie in der Öffentlichkeit strikt dagegen sind. Sie sind auch<br />

relativ scharf darauf, Leute, die zünden, aus dem Sektor zu holen <strong>und</strong> zu bestrafen.<br />

Wenn man die Spieler privat trifft, sagen sie manchmal, dass die Pyro-Shows gut ausgese-<br />

hen haben. Es gibt aber auch Spieler, die dagegen sind. Wenn man aber <strong>zum</strong> Beispiel<br />

ein Meistervideo ansieht <strong>und</strong> sieht, dass alle Spieler eine Fackel in der Hand haben, ist<br />

das schon etwas widersprüchlich. Daraus schliesst Ultra B, dass es die meisten Spieler<br />

gut finden.<br />

Seit sein Verein in der Challenge League ist, das Verhältnis zu den Spielern näher geworden<br />

ist. Nach jedem Spiel kommen sie vor die Kurve <strong>und</strong> bedanken sich. Sogar der Trainer ge-<br />

sellt sich dazu. Das hat es vorher nie gegeben. Dadurch merkt man, dass diesen Spielern<br />

der Verein etwas bedeutet. Sie haben nicht mehr so viele teure Stars, sondern Leute, die<br />

dieselbe Einstellung <strong>zum</strong> Verein haben wie die Fans.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C ist mit dem Verhältnis zur neuen Vereinsführung zufrieden. Er wünscht sich, dass<br />

betreffend Pyro-Zünden eine Lösung mit dem Verein gef<strong>und</strong>en werden könnte. Vom Verein<br />

heisst es aber, dass dies in der jetzigen Situation nicht ginge. Die Ultras wären auch bereit<br />

sich einzuschränken <strong>und</strong> sich evtl. auf einen Kompromiss einzulassen.<br />

Ultra C denkt, dass die Spieler die Pyro-Shows gut finden. Man sieht immer wieder, dass<br />

einer klatscht. Und an der Siegesfeier hat man auch Spieler gesehen, welche Fackeln ge-<br />

zündet haben. Er sagt, dass man in der Kurve gemerkt hat, dass es oft kurz nach den Pyro-<br />

95


Shows ein Tor gegeben hat. Deshalb denken sie, dass es die Spieler motiviert.<br />

Ultra D kann sich immer weniger mit dem Verein identifizieren. Die Spieler wechseln sehr oft<br />

die Vereine <strong>und</strong> gehen, sobald sie ein besseres Angebot erhalten. Deshalb sind für ihn die<br />

Spieler wichtig, die dem Verein treu sind. Solche Spieler sind seiner Meinung nach Sympa-<br />

thieträger <strong>und</strong> Identifikationsfiguren für den Verein.<br />

Er fügt jedoch an, dass sich diese Situation in den letzten Monaten ins Positive verändert<br />

hat. Es scheint, als hätte die neue Vereinsleitung verstanden, dass man auf die Fans zuge-<br />

hen <strong>und</strong> mehr mit ihnen sprechen sollte. Seit dies so ist, wird der Verein im voraus informiert,<br />

wenn eine Pyro-Show geplant ist. Dadurch ist das Ganze kontrollierter <strong>und</strong> kommt nicht so<br />

überraschend für den Verein.<br />

Gemäss Ultra D zeigen die wenigsten Spieler eine Reaktion auf die Pyro-Shows, es gibt je-<br />

doch einige wenige, die manchmal klatschen.<br />

Ultra E schildert das Verhältnis <strong>zum</strong> Verein so, dass Ultras niemals Geld vom Verein<br />

nehmen würden. Würden sie dies tun, wären sie durch den Verein erpressbar <strong>und</strong> nicht<br />

mehr autonom.<br />

Er erzählt, dass früher Pyro-Shows beim Verein kein Thema waren, obwohl es schon immer<br />

Bussen für die Vereine gegeben hat. Erst seit das Thema in den Medien aufgegriffen wurde<br />

distanzierten sich die Vereine davon. Der Verein bezahlt die Bussen <strong>und</strong> nimmt dies ganz<br />

bestimmt nicht mit einem breiten Lachen auf. Die Kurve bedeutet für den Verein viel Gutes,<br />

aber sie hat auch einiges Negatives. Er weiss von Personen vom Verein, welche Pyro gut<br />

finden, aber es ist klar, dass sie nicht öffentlich dazu stehen können.<br />

Ultra E geht davon aus, dass den Spielern die Pyro-Shows gefallen. Er hat manchmal auch<br />

schon bei Spielen in den Medien gehört, dass sie etwas in dieser Art durchsickern liessen.<br />

Aber offiziell dürfen sie natürlich auch nicht dazu stehen, denn sie haben ja schliesslich eine<br />

Vorbildfunktion. Ausserdem sagt er, dass die einen Spieler selbst schon gezündet haben,<br />

z.B. an der Meisterfeier.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F sagt, dass sein Verein auf jeden Fall gegen das Zünden von Pyro ist. Der Verein<br />

muss diese Haltung einnehmen, da es gesetzlich verboten ist.<br />

96


Tabelle 15 Erkenntnisse: Verein / Spieler<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Die Kommunikation mit dem Verein funktioniert zurzeit gut A,B C,D -<br />

Es ist schade, dass vieles im Verein von Leuten bestimmt wird, B<br />

die ’nur’ Geld bringen<br />

- -<br />

Ultras nehmen niemals Geld vom Verein - E -<br />

Unterstützt den Verein als übergeordnetes Konstrukt bedingungslos,<br />

unterstützt aber nicht alles, was die Vereinsleitung macht<br />

A - -<br />

Kann sich aufgr<strong>und</strong> der Kommerzialisierung mit dem Verein immer<br />

weniger identifizieren<br />

- D -<br />

Seit dem Abstieg in die Challenge League hat sich die Distanz A,B<br />

zwischen Verein, Spielern <strong>und</strong> Fans deutlich verringert<br />

- -<br />

Spieler, welche dem Verein treu bleiben, sind für Ultras wichtig - D -<br />

Ultras übernehmen teilweise auch sicherheitsrelevante Aufgaben A<br />

für den Verein<br />

- -<br />

Seitdem die Ultras den Verein auch bei Sicherheitsfragen unterstützen,<br />

geht der Verein lockerer mit der Pyro- Diskussion um<br />

A - -<br />

Der Verein wird informiert, wenn es eine Pyro-Show gibt - D -<br />

Im Verein gibt es Leute, die Pyro gut finden, sie zeigen es aber B<br />

nicht in der Öffentlichkeit<br />

E F<br />

Der Verein ist gegen das Zünden von Pyro - E F<br />

Der Verein sagt, zurzeit ist eine Einigung für das Pyro-Zünden -<br />

nicht möglich<br />

C -<br />

In der Challenge League ist der Verein stärker auf die Fans angewiesen<br />

A - -<br />

Viele Spieler finden Pyro gut, schliesslich zünden sie an der Meis- B C,E -<br />

terfeier selber Fackeln<br />

Es gibt Spieler, die gegen Pyro sind A,B - -<br />

Es gibt Spieler, die bei Pyro-Shows klatschen - C,D -<br />

6.2.7 Lösungen<br />

Ultras aus dem Szenekern:<br />

Ultra A betrachtet die Legalisierung von Pyro als sinnvollsten Weg bezüglich Sicherheit. Es<br />

kann so geordneter durchgeführt werden <strong>und</strong> muss nicht im Versteckten ablaufen wie jetzt.<br />

Es darf aber auch nicht sein, dass sich jeder 15-jährige Fackeln kaufen <strong>und</strong> im Stadion zün-<br />

den kann. Man müsste es so regeln, dass nur ausgewählte Leute die Fackeln kaufen könn-<br />

ten. Das wäre dann aber ein Kompromiss, der für beide Seiten schwierig wäre. <strong>Eine</strong>rseits<br />

glaubt er nicht, dass sich die Liga darauf einlassen würde <strong>und</strong> andererseits müssten die Ult-<br />

ras vermutlich zu viele Eingeständnisse machen. Wenn man in einem abgesperrten Sektor<br />

stehen müsste, um zu zünden, wäre es für die Ultras nicht mehr so wie es sein sollte. <strong>Eine</strong><br />

Lösungsmöglichkeit sieht er darin, wenn man erreichen könnte, dass das Zünden erlaubt ist<br />

<strong>und</strong> Sandeimer bereit stehen. Damit wäre aus seiner Sicht die Sicherheit besser gewährleis-<br />

tet. Er meint, dass es schlussendlich immer Pyro, geben wird, auch wenn es verboten ist.<br />

Und wenn man etwas nicht vollkommen verbieten kann, soll man es so machen, dass es so<br />

sicher wie möglich ist.<br />

97


Zur Frage ob kontrolliertes Zünden möglich wäre, findet er, es komme darauf an, was „kon-<br />

trolliert“ genau heisst. Wenn man seinen Namen angeben müsste, dann wäre es sicher nicht<br />

möglich. Wenn man fünf Minuten vor Spielbeginn vor die Kurve stehen müsste, wäre es<br />

auch nicht möglich. Wenn aber kontrolliert bedeutet, dass ein Vertreter der Kurve vor dem<br />

Spiel bekannt gibt, wie viele Fackeln gezündet werden <strong>und</strong> wenn dafür mit Sand gefüllte Ei-<br />

mer bereit gestellt würden, würde es bestimmt funktionieren. Das Problem ist, dass die Liga<br />

mehr Kompromisse verlangt, als die Fans bereit sind einzugehen.<br />

Ultra B denkt, dass sich am Kick des Pyro-Zündens mit der Legalisierung etwas ändern<br />

würde. Es würde aber auch dann noch dazu gehören <strong>und</strong> Spass machen. Seiner Meinung<br />

nach ist das Zünden von Pyro kontrolliert genug. Er denkt nicht, dass sich in naher Zukunft<br />

etwas an der Pyro-Problematik verändern wird, da die Fronten zu verhärtet sind <strong>und</strong> zwei<br />

Welten aufeinander treffen. Er könnte sich vorstellen, dass die Ultras Zugeständnisse ma-<br />

chen. Meistens werden von den Ultras grosse Veränderungen verlangt, die anderen bewe-<br />

gen sich kaum. Er sieht die Möglichkeit eines Kontingents. Die Ultras dürfen wann <strong>und</strong> wo<br />

zünden wie sie möchten, es würde aber festgelegt wie oft. So kommt man sich entgegen <strong>und</strong><br />

zündet z.B. pro Saison legal 5-6 Mal. Er kann sich vorstellen, dass es vielleicht auch Person<br />

gibt, die dafür verantwortlich ist.<br />

Ultras aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy User:<br />

Ultra C spricht sich für das Legalisieren von Pyro aus. Damit würden weniger Unfälle passie-<br />

ren <strong>und</strong> man könnte es organisierter zünden, ohne die Angst, dafür Stadionverbot zu erhal-<br />

ten. Er wäre bereit, mit dem Verein zu kommunizieren <strong>und</strong> ab<strong>zum</strong>achen, dass mit Mass ge-<br />

zündet wird. Er sieht eine Lösung darin, dass man es auf einem halb-legalen Weg machen<br />

könnte, zusammen mit dem Verein. Dies sei früher bereits möglich gewesen.<br />

Um Pyro kontrolliert zünden zu können, müsste man mit dem Verein einen Weg suchen,<br />

dass keine Stadionverbote mehr ausgesprochen würden. Ohne Angst vor einem Stadionver-<br />

bot müssten sie es nicht im Versteckten machen <strong>und</strong> es wäre dadurch viel sicherer. Er wäre<br />

auch offen dafür, mit dem Verein über einen Sektor zu verhandeln, indem sie zünden dürfen.<br />

Er denkt, dass damit der Kick des Verbotenen nicht mehr so gross wäre <strong>und</strong> deshalb der<br />

eine oder andere nicht mehr zünden würde. Aber er ist sich sicher, dass trotzdem noch ge-<br />

zündet werden würde. Vielleicht einfach ein bisschen weniger oft.<br />

Ultra D findet, die Liga <strong>und</strong> die verschiedenen Clubs sollten mit den Fans Abmachungen<br />

treffen, dass zünden erlaubt ist. Er ist überzeugt, dass man geregelt zünden kann <strong>und</strong> somit<br />

niemandem etwas passiert. In Österreich gibt es Clubs, die das mit den Fans geregelt ha-<br />

98


en. Da ist genau festgelegt, wann <strong>und</strong> wie sie zünden dürfen. Das klappt problemlos. Wild<br />

durcheinander zu zünden, wie es jetzt in der Schweiz der Fall ist, findet er schwierig. Man<br />

weiss nicht wer zündet <strong>und</strong> was gezündet wird. Früher ist Zünden vor der Kurve vom Verein<br />

bewilligt worden, man hatte sich nur vorher anmelden müssen. Das wurde dann zwei,<br />

drei Mal pro Saison gemacht. Es ist aber nicht dasselbe wie heute, wo die ganze Kurve<br />

brennt. Wenn es inmitten der Massen passiert, hat es eine andere Wirkung. Ein Zünden zu<br />

realisieren, ohne dass die Sicherheit gefährdet ist, wäre bestimmt möglich. Er sieht das<br />

Problem eher darin, dass der Verein vermutlich extreme Auflagen geben <strong>und</strong> es daran schei-<br />

tern würde.<br />

Ultra D würde Pyro nicht allen erlauben. Es wäre leichtsinnig, wenn jeder mit einer Fackel im<br />

Stadion herumrennen würde. Er ist der Meinung, dass man es ein paar Mal pro Saison zu-<br />

lassen sollte. Wichtig dabei ist, dass es mit dem Verein abgesprochen ist <strong>und</strong> dass nur aus-<br />

gewählte Leute zünden. Solche mit Erfahrung <strong>und</strong> die wissen, was sie tun. Alle Fans welche<br />

zünden würden, müssten das dann in der vordersten Reihe tun. Dann müsste auch niemand<br />

etwas befürchten, da transparent wäre, wer zündet <strong>und</strong> wann gezündet wird. So würde die<br />

ganze Situation komplett anders aussehen. Bei dieser Idee sieht er jedoch das Problem,<br />

dass die Ultras vermutlich auf einen solchen Deal nicht eingehen würden, da es dann nicht<br />

mehr das Gleiche wäre wie jetzt.<br />

Ultra E sieht eine mögliche Lösung in abgesperrten Bereichen, in denen gezündet werden<br />

darf. Er ist sich ziemlich sicher, dass sich die Ultras in seiner Kurve nicht daran halten wür-<br />

den <strong>und</strong> er würde es schade finden für das Bild. Er ist der Ansicht, dass entweder in der<br />

ganzen Kurve gezündet werden darf oder gar nicht. Er sieht keine Möglichkeit, das Gesetz<br />

abzuändern <strong>und</strong> solche Bereiche zu legalisieren. <strong>Eine</strong> bessere Lösung wäre für ihn, wenn<br />

nur im unteren oder nur im oberen Teil der Kurve gezündet werden darf. Es sollte jedoch<br />

nicht zu sehr eingegrenzt werden, da die Kreativität in der Kurve verloren ginge. Er schätzt<br />

die Umsetzung dieser Idee als ziemlich unrealistisch ein.<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger:<br />

Ultra F ist der Meinung, dass kontrolliertes Zünden bestens funktionieren würde <strong>und</strong> er ist<br />

dafür, so etwas auszuprobieren. Man könnte einen bestimmten Sektor schaffen, wo das<br />

Zünden erlaubt wäre. Es müsste ein genügender Sicherheitsabstand vorhanden sein <strong>und</strong> es<br />

sollten zur Entsorgung der Fackeln Wassereimer bereitstehen. Wer Fackeln zünden will,<br />

muss nach vorne gehen <strong>und</strong> dann wird gemeinsam gezündet. Wenn das so gemacht würde,<br />

wäre das kein Problem. Er denkt, dass sich die Leute daran halten würden, da sie es immer<br />

wieder machen möchten. Seiner Meinung nach müssten sich die Vereine, die Ordnungs- <strong>und</strong><br />

99


Kontrollinstanzen <strong>und</strong> die Fans zusammensetzen <strong>und</strong> eine Einigung finden. Dann bräuchte<br />

es dafür Verantwortliche in allen Schweizer Vereinen, die sich gemeinsam um eine gesamt-<br />

hafte Lösung bemühen. Jetzt sitzen die Leute zwar auch schon zusammen, aber es passiert<br />

nicht viel.<br />

Tabelle 16 Erkenntnisse: Lösungen<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Aussage SK (2) FH (3) NS (1)<br />

Ist für eine Legalisierung von Pyro A,B C,D,E F<br />

Pyro sollte nicht für jeden zugänglich sein A D,E<br />

Nur ausgewählte Leute sollten Fackeln kaufen können A -<br />

Die Liga wird sich vermutlich nicht auf Kompromisse einlassen A,B<br />

oder verlangt sehr viel dafür<br />

D,E<br />

Die Ultras würden sich vermutlich nicht auf Kompromisse einlassen,<br />

weil zuviel verlangt wird<br />

A,B D,E<br />

Wenn man nur in einem abgesperrten Bereich zünden darf, ist es A<br />

nicht mehr dasselbe<br />

D,E<br />

Pyro wird immer gezündet werden A,B C<br />

Der Kick zu Zünden wäre nicht mehr derselbe, wenn Pyro legalisiert<br />

würde<br />

B C<br />

Es wird bereits jetzt kontrolliert gezündet B -<br />

<strong>Eine</strong> Lösung wäre, Anmeldung vor dem Spiel beim Verein durch A<br />

einen Vertreter der Kurve (Anzahl Fackeln) <strong>und</strong> beim Spiel bereitstehende<br />

Sandeimer (Entsorgung)<br />

-<br />

Die Lösung wäre ein Kontingent vom Verein (wie viel Mal pro Saison<br />

gezündet werden darf <strong>und</strong> jemand wäre verantwortlich dafür)<br />

B C,D<br />

<strong>Eine</strong> Lösung wäre, dass diejenigen die zünden wollen, nach vorne -<br />

gehen <strong>und</strong> dort Wassereimer bereitstehen<br />

- F<br />

Ein abgesperrter Sektor wäre eine Lösung - C,D,E F<br />

Es darf nicht zu sehr eingegrenzt werden, sonst geht die Kreativität<br />

verloren<br />

- E -<br />

Die Ultras würden sich nicht daran halten, in einem abgesperrten<br />

Bereich zu zünden<br />

D,E<br />

Die Ultras würden sich an den Sektor halten - - F<br />

100


IV Schlussteil<br />

Im Schlussteil der Arbeit werden zuerst unter ’Diskussion <strong>und</strong> Interpretation der Ergebnisse’<br />

die im Forschungsteil ausgearbeiteten, zusammengefassten <strong>und</strong> verdichteten Erkenntnisse<br />

im Hinblick auf die Fragestellung zusammen mit Theorien aus dem Hauptteil verknüpft<br />

<strong>und</strong> bewertet.<br />

In einem zweiten Schritt werden unter ’Schlussfolgerungen’ die aus dieser Arbeit hervorge-<br />

gangenen Empfehlungen für die einzelnen Subsysteme im sozialen System Fussball vorge-<br />

stellt <strong>und</strong> Vorschläge gemacht, wie die Systeme sich verhalten könnten, um zu einer Linde-<br />

rung oder Lösung des Problems beizutragen.<br />

Da im Forschungsteil die Erkenntnisse bereits in Tabellenform transparent gemacht wurden,<br />

welche Ultras sich wie zu einem Thema geäussert haben <strong>und</strong> da an eine <strong>qualitative</strong> Studie<br />

nicht der Anspruch der Repräsentativität 20 gestellt wird, wird im Schlussteil nicht jedes Mal<br />

beschrieben, wie viele Ultras eine Aussage gemacht haben. Es wird jedoch hervorgehoben,<br />

falls dies als notwendig erachtet wird.<br />

7. Diskussion <strong>und</strong> Interpretation der Ergebnisse<br />

7.1 Die Ultraszene im mehrdimensionalen Modell<br />

Nun werden anhand der Aussagen der Interviewten die Ultras nach dem Modell der mehrdi-<br />

mensionalen Fankultur gegliedert (vgl. Kap. 3.1.3). Damit wird die Frage beantwortet, wer<br />

pyrotechnisches Material in Fussballstadien zündet.<br />

Die Sport-Dimension:<br />

Wie stark ist das Sportinteresse ausgeprägt?<br />

Alle interviewten Ultras sagten, dass sie seit ihrer Kindheit Fussballspiele besuchen. Fünf<br />

davon sind mit ihrem Vater an die Fussballspiele gegangen. Daran wird ersichtlich, dass die<br />

Verb<strong>und</strong>enheit <strong>zum</strong> Fussballsport sehr stark <strong>und</strong> die Sportdimension entsprechend stark<br />

ausgeprägt ist. Ein Ultra sagte allerdings auch, dass ihn zwischenzeitlich der Fussball nicht<br />

mehr interessierte <strong>und</strong> er erst später wieder ’auf den Geschmack gekommen’ sei, als er Leu-<br />

te aus der Szene kennen gelernt habe. Daraus kann interpretiert werden, dass die neuen<br />

Fre<strong>und</strong>e eine grössere Rolle gespielt haben als der Fussballsport an sich oder er hat seine<br />

alte Leidenschaft für den Fussball wieder entdeckt; oder beide Faktoren spielten eine Rolle.<br />

20 Repräsentativ bedeutet, wenn man von den in der Stichprobe vorgef<strong>und</strong>enen Merkmalen auf die Merkmale der<br />

Gr<strong>und</strong>gesamtheit schliessen kann. Repräsentativ kann auch als allgemeingültig umschrieben werden. (Schaffer,<br />

2002, S. 145)<br />

101


Ein weiteres Merkmal für die hohe Ausprägung der Sport-Dimension ist, dass die Ultras sich<br />

klar gegen die Kommerzialisierung des Fussballs aussprechen. Der Fussball ist für sie<br />

die Hauptsache, deswegen wollen sie weder eine Inszenierung noch eine Ausschlachtung<br />

zu Werbezwecken.<br />

Die Aktivitäten-Dimension<br />

Wie stark sind die Aktivitäten ausserhalb der Spielzeiten?<br />

Die Identifikation der befragten Ultras mit ihrer Gruppierung <strong>und</strong> dem Verein als theoreti-<br />

schem Konstrukt ist enorm. Sie sprechen von Liebe, Ersatzreligion <strong>und</strong> Familie. Fünf der<br />

befragten Ultras sagten, dass der Verein bzw. das Fansein ihr Leben auch abseits des Sta-<br />

dions bestimmt. Sie leben für den Verein <strong>und</strong> betreiben in ihrer Freizeit einen grossen Auf-<br />

wand für die Vorbereitung der Spiele, <strong>zum</strong> Beispiel beim Entwickeln <strong>und</strong> Ausgestalten der<br />

Choreografien oder der Organisation r<strong>und</strong> um die Fussballspiele. Die Personen aus der<br />

Gruppierung sind gleichzeitig ihr Fre<strong>und</strong>eskreis. <strong>Eine</strong>r sagte sogar, er könne sich ein Leben<br />

ohne sie nicht mehr vorstellen. <strong>Eine</strong> wichtige Komponente des sozialen Austauschs bieten<br />

die Auswärtsfahrten mit der Bahn oder in Bussen.<br />

Die Kreativitäts-Dimension<br />

Wie hoch sind die kreativen Einflüsse auf die Aktivitäten während des Spiels?<br />

Für alle befragten Ultras steht die leidenschaftliche <strong>und</strong> aktive Unterstützung ihres Vereins<br />

während des Spiels im Mittelpunkt. Dazu setzen sie sowohl optische als auch akustische<br />

Akzente. Sie wollen sich mit den gegnerischen Fans messen <strong>und</strong> wollen besser sein. Dazu<br />

lassen sie sich auch von anderen Fans inspirieren, ohne jedoch deren Aktionen zu kopieren.<br />

Ihre aufwändigen Choreografien müssen stets den Charakter der eigenen Fankurve wider-<br />

spiegeln <strong>und</strong> sie wollen sich immer weiter entwickeln. Diese Merkmale sprechen für eine<br />

besonders hohe Kreativität dieser <strong>Fussballfans</strong>. Im Widerspruch dazu hat ein Ultra kritisiert,<br />

dass durch die Organisation der Gruppierungen die Kreativität <strong>und</strong> die Persönlichkeit ein<br />

Stück weit verloren geht. Diese Aussage wird folgendermassen interpretiert: Die Kreativität<br />

der Ultras ist zwar hoch, allerdings handelt es sich nicht um eine wilde oder spontane,<br />

sondern um eine organisierte Kreativität. Diese organisierte Kreativität entsteht allerdings<br />

oft auch durch spontane Ideen. Durch den Prozess der Organisation geht jedoch ein Teil<br />

davon verloren.<br />

102


Die Erlebnis-Dimension<br />

Wie stark ist die Erlebnis-Orientierung (im Sinne von emotionaler Stimulierung) ausgeprägt?<br />

Die in der Kreativitäts-Dimension beschriebenen Merkmale sprechen dafür, dass ein Fuss-<br />

ballspiel für die befragten Ultras ein besonderes Erlebnis ist. Das Leidenschaftliche, das E-<br />

motionale, fasziniert die Ultras. Sie geraten bei der Schilderung besonders schöner Erlebnis-<br />

se mit ihrem Verein ins Schwärmen, <strong>zum</strong> Beispiel über eine besonders gelungene Choreo-<br />

grafie. Dies ist während den Interviews auch anhand ihrer Körpersprache aufgefallen. Die<br />

Begeisterung für das Erlebnis Fussballspiel ist sehr gross. Das kam in der Darstellung über<br />

den Ablauf des Zündens von Pyro ebenfalls deutlich <strong>zum</strong> Ausdruck. Pyro ist ein Erlebnis-<br />

Faktor. Sie verspüren grosse Nervosität <strong>und</strong> empfinden das Zünden selbst als ein schönes<br />

Gefühl. Die Hälfte der befragten Ultras gab an, dass die Illegalität den Kick verstärken würde.<br />

Die Gewalt-Dimension<br />

Wie stark ist die verbale <strong>und</strong> physische Gewaltbereitschaft ausgeprägt?<br />

Gegenstand der Forschungsarbeit ist nicht Gewalt unter <strong>Fussballfans</strong>. Da allerdings auch die<br />

Gewalt-Dimension zur Differenzierung der Fanszene beiträgt <strong>und</strong> diese beschrieben werden<br />

sollte, wurden einige Teilaspekte analysiert. Auf die verbale Gewaltbereitschaft wird nicht<br />

eingegangen. Aus Kapitel 3.2.2 geht allerdings hervor, dass beispielsweise sexistische <strong>und</strong><br />

homophobe Sprüche <strong>und</strong> Lieder <strong>zum</strong> Standartrepertoire der Ultras gehören. Zur physischen<br />

Gewaltbereitschaft gab die Mehrheit an, sie seien nicht gewaltbereit. Alle Befragten sagten<br />

ausserdem, dass Ultras nur dann Gewalt anwenden würden, wenn sie sich verteidigen müs-<br />

sen, weil sie angegriffen werden. Die Hälfte war schon bei Prügeleien aktiv dabei. Über die<br />

Gründe, Gewalt zur Verteidigung anzuwenden, machten sie unterschiedliche Aussagen.<br />

Diese reichen von der Hilfe gegenüber Fre<strong>und</strong>en über ungerechtfertigte Repression bis hin<br />

zur Beleidigung des Vereins. Die Gewalt ist also immer reaktiv, was nicht heisst, dass sie<br />

gerechtfertigt ist. Besonders im letzten Beispiel scheint der Gr<strong>und</strong> beinahe als Vorwand, be-<br />

trachtet man die Tatsache, dass Beleidigungen in Fankreisen stark verbreitet sind. Diese<br />

Aussage machte derjenige, der sich selbst als gewaltbereit bezeichnete. Diese Haltung ist in<br />

der <strong>Untersuchung</strong> die Ausnahme. Allerdings darf man auch die reaktiven Gewaltformen nicht<br />

verharmlosen. Diese haben einen engen Zusammenhang mit den Werten. Die Ultras wollen<br />

Stärke zeigen, man hat keine Angst <strong>und</strong> will Macht demonstrieren. Dies tun sie primär verbal<br />

- wenn es sein muss jedoch auch in körperlichen Auseinandersetzungen. Hinzu kommt die<br />

hohe Solidarität <strong>und</strong> der Zusammenhalt innerhalb der Gruppierung oder der ganzen Szene.<br />

Ultras lassen sich nicht alles gefallen. Ein Ultra sagte, dass die Gewaltbereitschaft gestiegen<br />

sei. Ein anderer wies darauf hin, dass es <strong>zum</strong> Teil zu Gewalteskalationen komme, weil Per-<br />

sonen nur der Gewalt wegen <strong>und</strong> unter dem Deckmantel Ultra an ’Risikospiele’ kämen, um<br />

dabei ihre Gewalt auszuleben. Berücksichtigt man die hohe, in einem solchen Fall vermutlich<br />

103


falsche Solidarität der Ultras <strong>und</strong> die Unüberschaubarkeit von Gewalteskalationen, so<br />

scheint diese Vermutung für einen Teil der Gewalteskalationen als möglich.<br />

Die Loyalitäts-Dimension<br />

Wie stark ist die Loyalität <strong>und</strong> Nähe zur Vereinsführung ausgeprägt?<br />

Die Loyalität <strong>zum</strong> Verein als theoretisches Konstrukt ist bei den befragten Ultras extrem<br />

hoch. Dies kommt besonders stark in der Aussage <strong>zum</strong> Ausdruck, dass der Verein einer<br />

Ersatzreligion gleich kommt. Diese Verb<strong>und</strong>enheit ist allerdings klar von der Loyalität gegen-<br />

über den Personen der Vereinsleitung zu unterscheiden. Deren Handlungen beobachten die<br />

Ultras sehr kritisch <strong>und</strong> hinterfragen ihre Aktivitäten. Wenn sie damit nicht einverstanden<br />

sind, äussern sie ihren Unmut deutlich.<br />

Da die befragten Ultras aus dem Szenekern mit der Vereinsleitung kommunizieren, ist eine<br />

gewisse Nähe feststellbar. Hingegen besteht zwischen den anderen beiden Falltypen <strong>und</strong><br />

der Vereinsleitung eine enorme Distanz.<br />

Die Treue-Dimension<br />

Wie hoch ist die Präsenz in den Stadien <strong>und</strong> die Treue <strong>zum</strong> Verein bei Misserfolgen?<br />

Die befragten Ultras aus dem Szenekern <strong>und</strong> aus dem Bereich der Friends <strong>und</strong> Heavy-User<br />

besuchen - ausser sie haben Stadionverbot - beinahe jedes Fussballspiel ihres Vereins. Ei-<br />

ner erzählte uns stolz, er habe schon einmal eine perfekte Saison geschafft. Das bedeutet,<br />

dass er während eines Jahres an jedem Spiel dabei war, sogar an allen Testspielen. Nur der<br />

Ultra aus dem Bereich der normalen Szenegänger ist nicht bei allen Auswärtsspielen dabei.<br />

Der Verein einiger Befragten ist im letzten Jahr abgestiegen. Dies hatte allerdings keine Aus-<br />

wirkungen auf die Häufigkeit ihrer Spielbesuche. Im Gegenteil, einer sieht die Auswärtsfahr-<br />

ten, die sich durch den Abstieg <strong>und</strong> die neue Liga ergaben, als positive Begleiterscheinung.<br />

Die befragten Ultras betonten jeweils sehr stark, dass sie immer zu ihrem Verein halten, in<br />

guten wie in schlechten Zeiten. Die Treue-Dimension ist demnach sehr stark ausgeprägt.<br />

Die Konsum-Dimension<br />

Wie stark ist die Konsumorientierung ausgeprägt?<br />

Die Konsumorientierung zielt auf die Frage ab, ob die Fans sich nur die sportlichen High-<br />

lights aussuchen. Dies ist bei den befragten Ultras ganz klar nicht der Fall, wie dies schon<br />

aus der Interpretation der Treue-Dimension hervorgeht. Nur bei Falltyp 3, der nicht an jedes<br />

Auswärtsspiel fährt, ist eine geringfügige Konsumorientierung festzustellen.<br />

104


Grafische Darstellung der Dimensionen<br />

Nachfolgend wurden die Ausprägungen der acht Dimensionen der befragten Ultras grafisch<br />

dargestellt. Die Zuordnung der einzelnen Werte einer Dimension erfolgte durch die Autoren<br />

aufgr<strong>und</strong> der Aussagen aus den Interviews. Dabei wurde zwischen den drei Falltypen unter-<br />

schieden.<br />

Sportinteresse<br />

Kreative Aktivität<br />

Loyalität <strong>und</strong> Nähe zur Vereinsleitung<br />

Abb. 8: Dimensionen in der Ultraszene<br />

Quelle: in Anlehnung an Zimmermann (2009)<br />

Erlebnisorientierung<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Aktivität<br />

Präsenz <strong>und</strong> Treue<br />

Gewaltbereitschaft<br />

Szenekern Friends <strong>und</strong> Heavy Users normale Szenegänger<br />

Konsumorientierung<br />

7.2 Analyse <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse zur Pyro-Thematik<br />

Die Motivationen für Ultras, Pyro zu zünden, lässt sich in extrinsische <strong>und</strong> intrinsische Moti-<br />

vationen 21 einteilen.<br />

Mehrere Aussagen der Ultras lassen sich der extrinsischen Motivation zuordnen. Sie erzäh-<br />

len, dass sie Pyro-Shows veranstalten, um die Mannschaft auf dem Platz optisch zu unter-<br />

stützen. Ausserdem möchten sie damit den Verein präsentieren <strong>und</strong> sich mit anderen mes-<br />

sen. Die Ultras geben an, dass nach der Pyro-Show die Stimmung in der Kurve besser ist<br />

<strong>und</strong> sich auf das Spiel überträgt. Zwei Ultras geben an, dass Pyro teilweise auch <strong>zum</strong> Trotz<br />

eingesetzt wird, um beispielsweise einen Spielabbruch zu erzwingen oder um zu provozie-<br />

ren, wenn sie sich vom Verein hintergangen fühlen.<br />

21 Intrinsische Motivation heisst, sich einer Tätigkeit um ihrer Selbstwillen zu widmen (z.B. Joggen, weil man es<br />

gut findet). Extrinsische Motivation bedeutet, sich einer Tätigkeit der Konsequenzen wegen zu widmen (z.B.<br />

Hausreinigung vornehmen, weil sonst Schwierigkeiten mit den Vermietern folgen) (W<strong>und</strong>er, 2005, S. 31).<br />

105


Die Ultras erwähnen, dass vor allem bei wichtigen Spielen gezündet wird, wobei ein zusätzli-<br />

cher Faktor ist, wie einfach das pyrotechnische Material ins Stadion gebracht werden kann.<br />

Zur intrinsischen Motivation geben die Ultras an, dass sie schon immer von <strong>Feuerwerk</strong> faszi-<br />

niert waren. Ihnen gefällt der optische Effekt <strong>und</strong> sie verbinden die Pyro-Shows mit Emotio-<br />

nen. Sie sind während des Zündens nervös <strong>und</strong> es gibt ihnen einen zusätzlichen ’Kick’ auf-<br />

zupassen, nicht erwischt zu werden.<br />

Bei den Sanktionen fällt auf, dass nur ein Ultra erwähnt hat, dass Bussen für den Verein den<br />

Umstand beeinflussen, ob gezündet wird oder nicht. Bei Sanktionen, welche die Ultras selber<br />

betreffen, sieht dies anders aus. Alle gaben an, dass sie sich den Sanktionen in Bezug auf<br />

die Verwendung von pyrotechnischem Material bewusst sind. Die befragten Ultras, welche<br />

bereits einmal sanktioniert wurden, gaben an, dass die Sanktion zwar gewirkt hat <strong>und</strong> die<br />

meisten ihr Verhalten geändert hätten. Sie erleben die Sanktion jedoch als willkürlich, über-<br />

trieben <strong>und</strong> nicht gerechtfertigt. Vor allem die Gleichstellung von Pyro-Zünden mit einer Ge-<br />

walttat empfinden sie als ungerecht. Ausserdem bezeichnen sie die Sanktion als tiefen Ein-<br />

schnitt in ihr Leben. <strong>Eine</strong> weitere Gefahr bei Stadionverboten besteht darin, dass sanktionier-<br />

te Leute erst recht mit gewalttätigen Personen in Kontakt kommen. <strong>Eine</strong> Möglichkeit für eine<br />

bessere Sanktion als Stadionverbot sehen sie darin, gemeinnützige Arbeit für den Verein zu<br />

verrichten. Ein Ultra lehnt diese Sanktion jedoch aus Stigmatisierungsgründen ab. Generell<br />

sind die Ultras der Meinung, dass mehr kommuniziert statt bestraft werden sollte.<br />

Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist besonders aufgefallen, dass sich die Aussagen der<br />

Ultras zu den Sanktionen sehr stark mit den Aussagen aus der Studie von Pilz (2006) de-<br />

cken (vgl. Kap. 3.2.). Die Situation, wie zurzeit mit Stadionverboten umgegangen wird, darf<br />

als nicht befriedigend bezeichnet werden. Die Verbote erzielen zwar eine gewisse Wirkung,<br />

aber die Paragraphen können willkürlich ausgelegt werden. Ausserdem wird nicht zwischen<br />

Abbrennen von pyrotechnischem Material <strong>und</strong> Gewalttat differenziert. Für die befragten Ult-<br />

ras bedeutet diese Sanktion einen enormen Einschnitt in ihr Leben, weil man ihnen das<br />

Wichtigste im Leben nimmt. Die Tatsache, dass trotz harter Strafen oft gezündet wird zeigt,<br />

dass nach anderen Lösungen gesucht werden sollte. In einigen Vereinen wurden bereits<br />

Projekte gestartet, bei denen die Betroffenen gemeinnützige Arbeiten verrichten konnten, um<br />

somit ihr Stadionverbot zu reduzieren. Leider wurde das Projekt wieder abgesetzt, da es zu<br />

Differenzen zwischen Verein <strong>und</strong> Fans gekommen ist. Dieser Umstand ist bedauerlich, denn<br />

solche Projekte wären eine Möglichkeit, um sinnvoll mit Sanktionen umzugehen. Dies sehen<br />

auch die Ultras so <strong>und</strong> wären offen für weitere Versuche <strong>und</strong> Gespräche.<br />

Im Bezug auf die Falltypen fällt auf, dass beide Ultras aus dem Szenekern, welche auch mit<br />

der Vereinsleitung im Kontakt stehen, mittlerweile nicht mehr zünden. Daraus kann ge-<br />

schlossen werden, dass Ultras, welche in einer engen Beziehung <strong>zum</strong> Verein stehen, nicht<br />

mehr zünden, weil zwischen ihnen <strong>und</strong> dem Verein eine Verbindlichkeit entstanden ist. Sie<br />

106


haben ihre Anonymität verloren <strong>und</strong> würden durch erneutes Zünden ihre Position <strong>und</strong> das<br />

Image der Ultraszene gefährden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird es als wichtig erachtet, dass der<br />

Verein eine nahe (<strong>und</strong> gute) Beziehung zu den Fans pflegt. Dadurch kann er viel mehr Ein-<br />

fluss auf das Geschehen in der Kurve nehmen <strong>und</strong> die Fans würden sich unterstützt <strong>und</strong><br />

ernst genommen fühlen. Es würde sich dabei um eine win-win Situation handeln.<br />

Bei der Auswertung hat sich gezeigt, dass die Ultras einige Verhaltenscodes im Umgang <strong>und</strong><br />

beim Ablauf des Zündens von pyrotechnischem Material haben. Finanziert wird das Material<br />

von den Ultragruppierungen. Die Fackeln kommen in der Regel aus dem Ausland <strong>und</strong> wer-<br />

den vor dem Spieltag im Stadion versteckt oder am Spieltag selber ins Stadion geschmug-<br />

gelt. Das Schmuggeln bezeichnen die Ultras als nicht besonders schwierig <strong>und</strong> sie kennen<br />

viele Methoden. Die neuen Stadien sind zwar sicherer gebaut <strong>und</strong> es ist für die Ultras<br />

schwieriger geworden, das Material ins Stadion zu bringen, dennoch werden von ihnen noch<br />

genügend Möglichkeiten gef<strong>und</strong>en. Die Fackeln werden nur von ausgewählten Leuten ge-<br />

zündet. Ein Ultra gab an, dass das Zünden immer freiwillig ist. Kurz vor dem Zünden ver-<br />

mummen sich die Ultras <strong>und</strong> die Sicht auf die Zündenden wird mit Doppelhaltern verdeckt.<br />

Die Fackeln werden immer nach einem vereinbarten Zeichen gezündet. Während des Ab-<br />

brennens wird darauf geachtet, dass niemand berührt wird <strong>und</strong> dass die Polizei nicht in den<br />

Sektor kommt. Oberstes Gebot bei allen befragten Ultras ist, dass die Fackel nicht geworfen<br />

wird. Nach dem Zünden wird die Fackel auf den Boden gelegt <strong>und</strong> es erfolgt ein Positions-<br />

<strong>und</strong> Kleiderwechsel.<br />

Über die Falltypen hinweg wurde festgestellt, dass die Aussagen der Ultras unabhängig der<br />

Position innerhalb der Szene fast wörtlich übereinstimmen. Deshalb kann davon ausgegan-<br />

gen werden, dass diese Verhaltenscodes auch in vielen anderen Kurven <strong>und</strong> Gruppierungen<br />

bekannt sind <strong>und</strong> sich beim Abbrennen von pyrotechnischem Material eine Art Ehrenkodex<br />

entwickelt hat, an den sich alle Ultras halten. Dadurch wird versucht, kontrolliertes Zünden zu<br />

ermöglichen <strong>und</strong> das Risiko eines Fackelwurfs zu minimieren. Ausserdem zeigt die ’Profes-<br />

sionalität’, mit der die Ultras beim Schmuggeln, Verstecken <strong>und</strong> Zünden vorgehen, dass trotz<br />

Gesetzesverschärfungen weiter gezündet wird <strong>und</strong> ständig neue Vorgehensweisen entwi-<br />

ckelt werden, das Gesetz zu umgehen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sollten rein repressive Massnah-<br />

men in Frage gestellt <strong>und</strong> andere Methoden in Betracht gezogen werden.<br />

Alle Ultras bezeichnen die Benützung von pyrotechnischem Material gr<strong>und</strong>sätzlich als ge-<br />

fährlich. Es besteht die Gefahr, dass schwere Verbrennungen erlitten werden. Zwei Ultras<br />

gaben an, dass das Zünden von pyrotechnischem Material vor allem dadurch gefährlich ist,<br />

weil man es im Verdeckten tut <strong>und</strong> sich ständig darauf konzentrieren muss, nicht erwischt zu<br />

werden. Die Ultras sagen, dass sie neben dem Fall des Fackelwerfens (vgl. Kap. 4.2) keinen<br />

Fall kennen, bei dem jemand trotz korrekter Anwendung der Fackel verletzt wurde. Sie be-<br />

zeichnen es als wichtig, dass die Pyro-Shows kontrolliert ablaufen. Das Risiko, dass etwas<br />

107


passiert, bezeichnen sie als sehr klein, weil nur ausgewählte Leute zünden, die mit den Fa-<br />

ckeln umgehen können. Ein weiterer Punkt, weshalb die Ultras das Risiko als sehr gering<br />

einschätzen ist die Tatsache, dass es in den Fankurven Selbstregulierungsprozesse gibt, mit<br />

denen sie unter anderem sicherstellen wollen, dass keine Pyro-Aktionen von einzelnen Per-<br />

sonen ausgehen. Die Selbstregulation im Bezug auf das Abbrennen von pyrotechnischem<br />

Material orientiert sich dabei an den bereits genannten Verhaltenscodes. Verstösst bei-<br />

spielsweise jemand gegen den Code des Fackelwerfens, kommt es in der Gruppe zu einem<br />

Prozess, der jedes Mal gleich abläuft. Die Gruppierung geht sofort auf diesen zu <strong>und</strong> weist<br />

ihn verbal zurecht. Je nach Schwere des Verstosses bekommt er die Möglichkeit, im Stadion<br />

zu bleiben <strong>und</strong> sich an die Regeln zu halten oder, im Falle eines groben Verstosses, wird er<br />

von den Fans aus dem Stadion verwiesen <strong>und</strong> somit der Polizei übergeben. Ein Ultra aus<br />

dem Szenekern erklärte, dass in der Regel versucht wird, ’Abtrünnige’ im Stadion zu behal-<br />

ten, da von den Ultras ein integrativer Ansatz verfolgt wird <strong>und</strong> ’schwierige Fälle’ auch lieber<br />

in der Nähe behalten werden, damit sie besser kontrolliert werden können. Wenn sich je-<br />

mand weiterhin nicht nach den Verhaltenscodes verhält, kann es so weit kommen, dass kör-<br />

perliche Gewalt eingesetzt wird um demjenigen klar zu machen, dass sein Verhalten nicht<br />

erwünscht ist. Dieses Sanktionierungsmittel steht unserer Ansicht nach im Widerspruch zur<br />

’nur verteidigenden’ Gewalt der Ultras. An ihre Grenzen stösst die Selbstregulierung dann,<br />

wenn eine grössere Gruppe auftaucht, welche gegen die Verhaltenscodes der Ultras ver-<br />

stösst. In diesem Fall greifen die Mechanismen nicht mehr <strong>und</strong> es kann dadurch zu Gewalt-<br />

eskalationen kommen. Ein Beispiel für die Grenzen der Selbstregulation ist der Vorfall vom<br />

2. Mai 2008 in Basel, als eine Gruppierung von Zürcher Fans unerwartet brennende Fackeln<br />

in den Familiensektor der Basler Fans geworfen hat. Die Gruppierung hatte bereits zuvor<br />

mehrmals gegen die selbst auferlegten Codes innerhalb der Zürcher Südkurve verstossen.<br />

Deshalb gab es mehrmals Auseinandersetzungen in den eigenen Reihen, worauf die<br />

Gruppierung von der Kurve ausgeschlossen wurde. Die darauf folgende Abspaltung von<br />

dieser mündete schliesslich im Vorfall in Basel. Die Tat hatte negative Auswirkungen auf<br />

die gesamte Fanszene. Unsere Befragten haben sich alle klar von diesem Vorfall distan-<br />

ziert <strong>und</strong> ihn verurteilt. Sie sind der Ansicht, dass auch in Zukunft der Ausschluss eines der-<br />

artigen Vorkommnisses nicht garantiert werden kann. Ein Ultra bezeichnet den Anspruch<br />

der Gesellschaft, dass solche Taten in einer Fankurve nicht passieren dürfen, als unrealis-<br />

tisch, da man von einer Fankurve nicht erwarten darf, was in der Gesellschaft ebenfalls<br />

nicht funktioniert.<br />

Über die Falltypen hinweg betrachtet fällt auf, dass die Ultras sich den Gefahren von pyro-<br />

technischem Material bewusst sind <strong>und</strong> eine differenzierte Meinung zu diesem Thema ha-<br />

ben. Durch den oben beschriebenen Verhaltenscodex wird deutlich, dass versucht wird, dem<br />

Problem gegenüberzutreten <strong>und</strong> das Risiko einzudämmen. Jedoch stösst auch dieses Sys-<br />

108


tem an seine Grenzen <strong>und</strong> bietet keine absolute Sicherheit. Aufgr<strong>und</strong> der Illegalität werden<br />

die Fackeln im Verdeckten mitten in der Masse gezündet, was mit sich bringt, dass weniger<br />

Konzentration auf die allgemeine Sicherheit gelegt wird. Die reine Kriminalisierung dieses<br />

Verhaltens (also des Zündens) ist aus erwähnten Gründen nicht die Lösung, es muss diffe-<br />

renziert <strong>und</strong> nach einer Lösung gesucht werden, welche alle Beteiligten zufrieden stellt. Mit<br />

dem Fokus auf die Ultras fällt auf, dass sie trotz des Wahrnehmens der Gefahren dazu nei-<br />

gen, ihr Handeln zu bagatellisieren. Sie sagen, dass es genügt, wenn erfahrene Leute zün-<br />

den <strong>und</strong> dass die Selbstregulation in der Kurve reicht. Diese Tendenz wirkt bei der Suche<br />

nach Lösungsmöglichkeiten als zusätzlich erschwerend, da die Ultras die Notwendigkeit ei-<br />

ner eigenen Veränderung nicht sehen wollen.<br />

Auf Lösungsvorschläge angesprochen haben sich alle Ultras für eine Legalisierung von pyro-<br />

technischem Material ausgesprochen. Pyro wird ihrer Meinung nach immer gezündet wer-<br />

den, unabhängig davon ob es legalisiert wird oder nicht. Zwei Ultras gaben an, dass vermut-<br />

lich der Kick zu Zünden geringer wäre, falls es legal würde, da dann der Reiz des Verbote-<br />

nen wegfalle. Die Hälfte der Befragten gab an, dass pyrotechnisches Material nicht für jeden<br />

zugänglich sein dürfe, da es gefährlich wäre, wenn jeder im Stadion mit einer Fackel ’herum-<br />

rennen’ würde. Sie sind sich einig, dass das Zünden kontrolliert ablaufen müsse <strong>und</strong> haben<br />

einige Lösungsvorschläge gemacht, wie sie sich das vorstellen würden:<br />

1. Vier der Ultras sagten, ein vom Verein abgesperrter Sektor, in dem von Ultras gezün-<br />

det werden dürfte, wäre eine vorstellbare Lösung. Dadurch wären alle anderen Per-<br />

sonen geschützt <strong>und</strong> die Gefahr würde reduziert werden, da die Ultras sich nicht ver-<br />

stecken müssten.<br />

2. Die Hälfte der Ultras hat sich dafür ausgesprochen, dass für sie ein Kontingent die<br />

beste Lösung wäre, indem mit dem Verein vereinbart würde, wie oft sie zünden dür-<br />

fen. In der Kurve gäbe es eine Person, welche für die Kommunikation mit dem Verein<br />

verantwortlich ist <strong>und</strong> die Pyro-Shows strukturiert.<br />

3. Ein Ultra machte den Vorschlag, dass vor dem Spiel ein Verantwortlicher aus der<br />

Kurve dem Verein mitteilen würde, wie viele Fackeln sie zünden. Der Verein stellt<br />

dann mit Sand gefüllte Eimer bereit, welche in die Kurve gegeben werden, um die<br />

ausgebrannten Fackeln zu entsorgen.<br />

4. Ein Ultra hatte die Idee, dass alle, die zünden möchten, an den unteren Rand der<br />

Kurve gehen müssten. Dort würden dann vom Verein mit Wasser gefüllte Eimer be-<br />

reitstehen, um die Fackeln zu entsorgen.<br />

109


Einige Ultras gaben jedoch an, dass diese Lösungsvorschläge auch negative Aspekte ha-<br />

ben. Wenn nur in einem Sektor oder im unteren Teil der Kurve gezündet werden dürfe, gehe<br />

die Kreativität in der Kurve verloren <strong>und</strong> das Bild sei weniger schön, wenn nicht die ganze<br />

Kurve für die Pyro-Show genutzt werden kann. Ein Grossteil der Befragten betrachtet die<br />

Umsetzung der Lösungsvorschläge als unrealistisch, da sie davon ausgehen, dass vermut-<br />

lich seitens der Liga zu viele Kompromisse verlangt würden <strong>und</strong> die Ultras sich nicht auf die-<br />

se einlassen werden. Zwei Ultras gehen ausserdem davon aus, dass sich die Ultras nicht<br />

daran halten würden, nur in einem abgesperrten Sektor zu zünden <strong>und</strong> die Idee mit dem<br />

Sektor deshalb scheitern könnte.<br />

Über die Falltypen hinweg betrachtet kann man sagen, dass sich die Ultras intensiv mit der<br />

Pyro-Problematik auseinandersetzen, eine differenzierte Meinung dazu haben <strong>und</strong> versu-<br />

chen, Lösungsvorschläge zu finden. Aus Sicht der Verfasser sind jedoch viele ihrer Aussa-<br />

gen widersprüchlich <strong>und</strong> zeigen eine gewisse Verzweiflung im Umgang mit dieser Thematik<br />

auf. Sie möchten zwar Lösungsvorschläge machen, haben jedoch das Vertrauen in die Ver-<br />

handlungspartner nicht <strong>und</strong> gehen davon aus, dass die Leute aus ihren Reihen sich nicht an<br />

die Abmachungen halten würden. <strong>Eine</strong> komplette Legalisierung steht im Widerspruch <strong>zum</strong><br />

kontrollierten Zünden, welches die Ultras anstreben. Die Schaffung von Sektoren steht im<br />

Widerspruch zu Eigenständigkeit, Unabhängigkeit <strong>und</strong> Kreativität. Zuletzt darf man auch<br />

nicht vergessen, dass das Verbot zur Nutzung von pyrotechnischem Material im Gesetz ver-<br />

ankert ist <strong>und</strong> deshalb eine sofortige Legalisierung nicht möglich ist. Besonders auffallend ist<br />

die Tatsache, dass vor allem die Ultras aus dem Szenekern sich nicht für die Schaffung ei-<br />

nes Sektors ausgesprochen haben <strong>und</strong> die Umsetzung von verschiedenen Lösungsmöglich-<br />

keiten als unrealistisch betrachten. Die von den Ultras gemachten Lösungsvorschläge sind<br />

zwar kreativ, <strong>zum</strong> jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht umsetzbar. Zuvor müsste definitiv eine<br />

Vertrauensbasis zwischen Fans, Vereinen <strong>und</strong> der Liga geschaffen werden. Es müsste eine<br />

Annäherung der verschiedenen Akteure stattfinden, um die Spannungsfelder des gegensei-<br />

tigen Misstrauens zu durchbrechen. Solange eine Legalisierung durch das Gesetz verhindert<br />

wird, sollte <strong>zum</strong>indest die Möglichkeit einer Tolerierung in Betracht gezogen werden. Dies<br />

weil sich das Abbrennen von pyrotechnischem Material mit Verboten <strong>und</strong> repressiven Mitteln<br />

nicht verhindern lässt <strong>und</strong> die Kluft zwischen den Ultras <strong>und</strong> den Vereinen mit jeder Strafe<br />

<strong>und</strong> jedem Polizeieinsatz vergrössert wird. Die Fronten verhärten sich je länger je mehr.<br />

110


7.3 Ergebnisse zu den Subsystemen im sozialen System Fussball<br />

7.3.1 Ergebnisse <strong>zum</strong> Verein<br />

Die befragten Ultras betonten in ihren Aussagen, dass sie im allgemeinen den Handlungen<br />

der Vereinsleitung kritisch <strong>und</strong> skeptisch gegenüber stehen. Dieses Misstrauen basiert auf<br />

schlechten Erfahrungen, in denen sich die Vereinsleitung beispielsweise nicht an Abma-<br />

chungen gehalten hat. Ausserdem werfen sie der Vereinsleitung einen grossen Anteil an der<br />

Entwicklung zu mehr Kommerzialisierung des Fussballsports vor. Gegen weitere Entwick-<br />

lungen in diese Richtung versuchen sie sich zu wehren, indem sie provozieren <strong>und</strong> protestie-<br />

ren. Sie bezeichnen die Stimmung im Stadion als Macht- <strong>und</strong> Druckmittel. Der Einsatz dieser<br />

Macht kann im äussersten Fall bis zu einem Boykott gehen. Solche Boykottandrohungen<br />

haben in der Schweiz eine höhere Wirkung, da die Vereine stärker auf die Ultras als zahlen-<br />

de Zuschauer angewiesen sind. Im Ausland, wo attraktiverer Fussball gespielt wird <strong>und</strong> Ein-<br />

trittstickets begehrter sind, ist die Wirkung geringer. Die befragten Ultras wiesen jedoch dar-<br />

auf hin, dass sie dieses Mittel nur selten <strong>und</strong> gezielt einsetzen können, da es sonst an Wir-<br />

kungskraft verliere <strong>und</strong> es auch sehr wichtig sei, mit dem Verein zu sprechen <strong>und</strong> so zu einer<br />

Einigung in kontroversen Themen zu gelangen. Ein Ultra sagte allerdings auch, dass dies<br />

nicht möglich sei. Daran <strong>und</strong> an der Tatsache, über Boykottdrohungen kommunizieren zu<br />

müssen, wird eine grosse Distanz zwischen dem Verein <strong>und</strong> den Ultras erkannt. Die Distanz<br />

schafft Misstrauen. Dies gilt es abzubauen. Durch Nähe kann Vertrauen aufgebaut werden<br />

<strong>und</strong> es kann eine Beziehung entstehen. Dadurch entsteht wiederum Verbindlichkeit.<br />

Des Weiteren haben Ultras ein ausgesprochenes Bedürfnis nach Autonomie <strong>und</strong> Eigenstän-<br />

digkeit. Aus diesem Gr<strong>und</strong> würden sie vom Verein auch keine finanziellen Mittel für die Her-<br />

stellung von Choreografien annehmen, da dadurch die Abhängigkeit grösser werden würde.<br />

Der Verein mehrerer befragten Ultras ist vor kurzem abgestiegen. Durch diesen Umstand<br />

sowie personelle Wechsel in der Vereinsleitung wird die Distanz <strong>zum</strong> Verein von den Ultras<br />

als geringer empf<strong>und</strong>en. Sie gaben an, die Kommunikation mit dem Verein funktioniere mitt-<br />

lerweile gut. Diese erfreuliche Entwicklung steht im Zusammenhang mit dem kleineren Si-<br />

cherheitsdispositiv <strong>und</strong> dem schlechteren Zustand der Stadien in der Challenge League.<br />

Dadurch haben die Ultras die Möglichkeit erhalten, sicherheitsrelevante Aufgaben zu über-<br />

nehmen, was einen positiven Einfluss auf das Bild der Vereinsleitung über die Ultras hat.<br />

Dadurch haben die Ultras wiederum mehr Raum <strong>und</strong> Gehör für ihre Anliegen erhalten <strong>und</strong><br />

die Repressionen gegen das Abbrennen von pyrotechnischem Material werden weniger<br />

stark umgesetzt.<br />

Die Distanz zwischen Spielern <strong>und</strong> Ultras hat sich ebenfalls verringert. Die Ultras berichten<br />

davon, dass sowohl die Spieler als auch der Trainer nach dem Spiel öfter <strong>und</strong> länger in die<br />

111


Kurve kämen <strong>und</strong> sich bei ihnen bedankten. Dadurch hat sich der Einfluss der Spieler auf die<br />

Ultras verstärkt. Generell sind den Ultras diejenigen Spieler wichtig, die ihrem Verein treu<br />

sind, da dies für sie ebenfalls ein bedeutsamer Wert ist. Diese Spieler haben also auch einen<br />

grösseren Einfluss auf die Ultras. Dieser Einfluss kann sowohl positiv als auch negativ aus-<br />

fallen. Dass Spieler an Meisterfeiern des öfteren selber Fackeln abbrennen oder während<br />

eines Spiels zu einer Pyro-Show klatschen, wie uns die befragten Ultras erzählten, steht im<br />

Widerspruch zur allgemeinen Haltung des Vereins gegenüber des Abbrennens von pyro-<br />

technischem Material.<br />

7.3.2 Ergebnisse zu den Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen<br />

Wie bereits in Kapitel 4.1.4 aufgezeigt wurde, ist das Machtgefälle zwischen Ordnungsin-<br />

stanzen <strong>und</strong> <strong>Fussballfans</strong> besonders hoch <strong>und</strong> birgt die Gefahr von Willkürhandlungen. Alle<br />

befragten Ultras empfinden das Handeln der Polizei <strong>und</strong> der Sicherheitskräfte <strong>zum</strong> Teil als<br />

willkürlich, ungerechtfertigt <strong>und</strong> provokativ. Nur ein Ultra erwähnte, dass er einigen Personen<br />

dieser Instanzen vertraut. Alle Befragten erzählten uns mehrere negative Erlebnisse. Solche<br />

Erlebnisse verstärken das negative Bild, welches die Ultras von der Polizei <strong>und</strong> den privaten<br />

Sicherheitsdiensten haben. Deshalb beschreiben auch alle das Verhältnis zu ihnen als an-<br />

gespannt <strong>und</strong> beklagen sich über die Zunahme der repressiven Massnahmen. Bei der Aus-<br />

wertung der Aussagen über die Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen ist eine hohe Übereinstim-<br />

mung zwischen den befragten Ultras ersichtlich geworden. So fielen dann auch die State-<br />

ments zur Hoogan-Datenbank sehr einseitig negativ aus.<br />

Die Situation eines der befragten Ultras ist besonders aufgefallen. Er erzählt, dass er das<br />

erste Stadionverbot zu Unrecht erhalten habe <strong>und</strong> darum das Verbot nach einem halben<br />

Jahr wieder aufgehoben worden sei. Gegen ihn wurde damals unter anderem ein Rayonver-<br />

bot ausgesprochen. Da sich sein Arbeitsplatz in diesem Rayon befand <strong>und</strong> das Rayon wäh-<br />

rend der Europameisterschaft 2008 zusätzlich ausgeweitet worden war, war dies für ihn eine<br />

besonders unangenehme <strong>und</strong> einschneidende Situation. Aufgr<strong>und</strong> dieses Beispiels kann die<br />

Verhältnismässigkeit seitens des Gesetzgebers in Frage gestellt werden. Die zweite Sank-<br />

tion gegen ihn, diesmal wegen des Abbrennens von pyrotechnischem Material, hatte eine<br />

härtere Strafe zur Folge, da er als Wiederholungstäter galt, obwohl die erste Sanktion aufge-<br />

hoben worden war. Dieses Vorgehen lässt Gerechtigkeit vermissen.<br />

112


7.3.3 Medien<br />

Wie bereits aufgezeigt wurde, sprechen sich Ultras gr<strong>und</strong>sätzlich gegen eine weitere Kom-<br />

merzialisierung des Fussballs aus. Da sie den Medien einen grossen Anteil dieser Entwick-<br />

lung zuschreiben, ist das Verhältnis generell ungünstig. Zusätzlich kritisieren die befragten<br />

Ultras die Art <strong>und</strong> Weise der Berichterstattung, die sie als (oft) einseitig, <strong>und</strong>ifferenziert, un-<br />

wahr <strong>und</strong> widersprüchlich bezeichnen. Indem der Begriff ’Ultra’ häufig mit Hooligan gleichge-<br />

setzt wurde, sei er verwässert worden. Schlagzeilen zu Gewalteskalationen werden oft mit<br />

Fotos von Pyro-Shows untermauert <strong>und</strong> zwischen dem Gebrauch einer Fackel als Waffe <strong>und</strong><br />

dem Gebrauch zur Unterstützung der eigenen Mannschaft <strong>und</strong> als Ausdruck von Emotionen<br />

wird in den Medien nicht unterschieden. Durch die regelrechten Kampagnen einiger Medien<br />

wird nach Angaben der Ultras das Bild in der Öffentlichkeit über sie sowie die aktuelle Pyro-<br />

Diskussion negativ beeinflusst. Die Hälfte der befragten Ultras berichten davon, dass eigene<br />

Verwandte über ihr Fansein Vorurteile hatten. Diesen Umstand führen sie auf die Negativ-<br />

schlagzeilen zurück. Besonders verärgert sind die UItras auch darüber, dass in den Medien<br />

teilweise Pyro-Bilder verwendet werden, um die gute Stimmung eines Anlasses zu un-<br />

terstreichen. Hingegen wird das pyrotechnische Material im Fussballstadion verteufelt. Zur<br />

Ursache dieser widersprüchlichen Behandlung des Themas befragt, sind die Ultras der Mei-<br />

nung, dass für die Medien das blosse Abdrucken von Polizeiberichten bessere Schlagzeilen<br />

ergäbe <strong>und</strong> somit lukrativer sei. Sie fordern, dass die Medien ein objektives Bild der Situation<br />

darstellen sollten. Ein Ultra fügte dazu an, dass er das Gefühl habe, den Medien gehe es nur<br />

um das grosse Geld.<br />

Über die Falltypen hinweg betrachtet fällt auf, dass sich die Ultras unabhängig der Szenezu-<br />

gehörigkeit einig sind, dass die Medien sich auf sie <strong>und</strong> ihr Bild in der Öffentlichkeit vor allem<br />

negativ auswirken. Unter Kapitel 7.2 wurde aufgezeigt, dass die Ultras teilweise dazu neigen,<br />

im Bezug auf Pyro zu bagatellisieren. Von den Medien wird diesbezüglich das Gegenteil ge-<br />

tan. Die Pyro-Thematik wird hochgeschaukelt <strong>und</strong> es wird ein Bild vermittelt, welches nur<br />

teilweise der Realität entspricht. Die Ultras werden von den Medien - ohne zu differenzieren -<br />

mit Gewalttätern in einen Topf geworfen <strong>und</strong> dadurch stigmatisiert. In der Öffentlichkeit gibt<br />

es dadurch das Bild des ’bösen’ Ultras. Dieses Vorgehen der Medien nimmt den Ultras die<br />

Möglichkeit, sich von einer kreativen <strong>und</strong> konstruktiven Seite zu präsentieren <strong>und</strong> schürt da-<br />

mit die Wut bei ihnen. Da die Ultras dies so wahrnehmen, haben sie weniger Motivation, die-<br />

se andere Seite zu zeigen <strong>und</strong> nutzen somit die Medien vor Allem dazu, Negativschlagzeilen<br />

zu machen. Somit werden durch die Schlagzeilen gewalttätige junge Leute geradezu ani-<br />

113


miert, an Fussballspiele zu gehen <strong>und</strong> dort ihre Aggressionen auszulassen 22 . Es wurde von<br />

mehreren Ultras berichtet, dass an Risikospiele teilweise Leute mitkämen, die nur auf eine<br />

Gewalteskalation hofften. Dies führt letztendlich zu einer gefährlichen Negativspirale. An<br />

diesem Punkt sollte dringend eine Lösung gef<strong>und</strong>en werden, wie man dieser Spirale entge-<br />

genwirken kann.<br />

7.3.4 Sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

Besonders auffällig ist, dass vier der befragten Ultras sagten, dass sie die sozioprofessionel-<br />

le Fanarbeit nicht kannten <strong>und</strong> dies, obwohl in einem der Vereine seit cirka einem halben<br />

Jahr Fanarbeit betrieben wird. Die zwei Ultras, welche die sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

kannten, äusserten sich positiv dazu <strong>und</strong> gaben an, dass sie dies einen guten <strong>und</strong> notwendi-<br />

gen Ansatz fänden. Als den anderen Ultras erklärt wurde, was die sozioprofessionelle Fan-<br />

arbeit sei, gaben einige an, dass sie sich gut vorstellen könnten, dass ein Fanarbeiter eine<br />

Vermittlungsfunktion in der Pyro-Diskussion <strong>und</strong> anderen Problemfeldern einnehmen könnte.<br />

Im Widerspruch dazu stehen jedoch die Aussagen von drei Ultras, dass die Aufgaben, wel-<br />

che ein Fanarbeiter übernehmen könnte, bei ihnen bereits von Leuten aus der Gruppierung<br />

übernommen werden. Ausserdem sagten zwei Ultras, dass sie aus zwei Gründen nicht glau-<br />

ben, dass ein Fanarbeiter Einfluss in der Pyro-Diskussion haben könne. Erstens, weil er,<br />

sobald er versuche, im Bezug auf Pyro-Shows auf die Ultras einzuwirken, von ihnen mit den<br />

Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen gleichgesetzt würde <strong>und</strong> zweitens glauben sie nicht daran,<br />

dass ein Fanarbeiter bei der Liga einen Stellenwert habe <strong>und</strong> dort etwas für sie <strong>und</strong> ihre Sa-<br />

che erreichen könne.<br />

Die befragten Ultras erachten es als wichtig, dass ein Fanarbeiter zuerst das Vertrauen in<br />

der Kurve aufbaue. Die Fanarbeiter müssten ihrer Ansicht nach <strong>zum</strong> Verein <strong>und</strong> den Ord-<br />

nungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen ein gutes Verhältnis haben <strong>und</strong> dürften aber auf keinen Fall<br />

jemanden ’verpfeifen’. Bis die Fanarbeiter in der Kurve integriert seien, ist nach Meinung der<br />

Ultras ein langer Prozess notwendig. Ein Ultra sagte, Fanarbeit solle von Aussenstehenden<br />

betrieben werden, während ein zweiter Ultra angab, dass ein Fanarbeiter eine Vergangen-<br />

heit in der Kurve brauche.<br />

Die Aussagen der Befragten zeigen deutlich auf, dass die sozioprofessionelle Fanarbeit in<br />

der Schweiz noch in den Kinderschuhen steckt <strong>und</strong> noch viel Aufklärungs- <strong>und</strong> Beziehungs-<br />

arbeit notwendig ist. Man muss bei dieser Aussage jedoch relativieren, dass nur mit Ultras<br />

22 Ähnliches kann man an der Entwicklung der 1. Mai-Demonstration beobachten. Auch dort haben die Medien mit<br />

ihrem Gewaltfokus vor allem erreicht, dass primär gewaltorientierte Kreise den Tag nutzen, um Gewalt auszuleben<br />

<strong>und</strong> blindwütig alles zu zerstören.<br />

114


gesprochen wurde, bei denen keine oder erst seit kurzer Zeit Fanarbeit betrieben wird. Was<br />

aus ihren Aussagen hervorgeht, ist, dass durchaus Personen erwünscht wären, die mit den<br />

verschiedenen Instanzen kommunizieren <strong>und</strong> dabei eine neutrale Position einnehmen. Zur-<br />

zeit glauben die Ultras jedoch nicht daran, dass dies möglich sei. Der Ansatz der soziopro-<br />

fessionellen Fanarbeit sollte auf jeden Fall anerkannt <strong>und</strong> etabliert werden. Es ist auch wich-<br />

tig, dass hier bei den Vereinen ein Umdenken stattfindet <strong>und</strong> sie sich für solche Projekte aus-<br />

sprechen, denn es fehlen im sozialen System Fussball zurzeit definitiv Leute, welche die<br />

Kommunikation unter den einzelnen Akteuren fördern.<br />

8 Schlussfolgerung<br />

In der Schlussfolgerung werden Empfehlungen an die verschiedenen Subsysteme im sozia-<br />

len System Fussball abgegeben, die zu einer Verbesserung der aktuellen Situation beitragen<br />

können. Im Weiteren wird die Arbeit reflektiert <strong>und</strong> die Fragestellung überprüft sowie offen<br />

gebliebene Fragen zu weiterführenden Überlegungen gestellt.<br />

8.1 Empfehlungen an die Ultraszene<br />

• Die Ultraszene sollte eine klare Dialogbereitschaft signalisieren. Durch den (sehr ho-<br />

hen) Anspruch, alle Probleme selbst lösen zu wollen, wird diese Bereitschaft gr<strong>und</strong>-<br />

sätzlich abgelehnt.<br />

• Im Dialog mit dem Verein <strong>und</strong> unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten könn-<br />

ten Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. Es könnten Regeln mit den anderen Sub-<br />

systemen erarbeitet werden (wie sie <strong>zum</strong> Teil bereits bestehen), die verbindlich sind<br />

<strong>und</strong> durch Selbstregulierungsmechanismen aufrecht erhalten bleiben.<br />

• Die Ultraszene sollte auch sich selbst gegenüber kritisch sein. Durch Solidarisie-<br />

rungseffekte mit gewaltbereiten Fans stellt sie sich selbst ins Abseits.<br />

• Von Gewalthandlungen sollte sie sich distanzieren <strong>und</strong> Selbstregulierungsmechanis-<br />

men unterstützen.<br />

• Die Ultraszene sollte Bagatellisierungen in Bezug auf die Gefahren des Abbrennens<br />

von pyrotechnischem Material vermeiden <strong>und</strong> die Notwendigkeit einer Veränderung<br />

des eigenen Verhaltens einsehen.<br />

• Die Ultraszene sollte Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen differenziert betrachten, wie<br />

auch sie es von diesen erwarten. Pauschalisierungen verstärken die Feindbilder <strong>und</strong><br />

verunmöglichen somit einen pragmatischen Umgang.<br />

115


8.2 Empfehlungen an die Vereine<br />

• Die Vereine sollten die Treue der Ultras <strong>und</strong> ihr grosses Engagement für den Verein<br />

anerkennen <strong>und</strong> ihnen dafür Wertschätzung entgegen bringen, sie mit ihren Anliegen<br />

ernst nehmen <strong>und</strong> ihr Bedürfnis nach Autonomie berücksichtigen.<br />

• Für die Lösung verschiedener Probleme, unter anderem dasjenige der Pyro-<br />

Thematik, ist eine Dialogbereitschaft unumgänglich. Es würde Sinn machen, die Fans<br />

bzw. Ultras für die Lösung von Problemen miteinzubeziehen. Dadurch entsteht bei<br />

möglichen Konsensen eine gewisse Verbindlichkeit.<br />

• Gr<strong>und</strong>lage für die Lösung von Problemen ist eine solide Vertrauensbasis zwischen<br />

den Fans <strong>und</strong> der Vereinsleitung. Dazu muss die Distanz zwischen den Parteien ver-<br />

ringert <strong>und</strong> echte Dialogbereitschaft signalisiert werden.<br />

• Zur Überwindung der Distanz könnten auch Spieler <strong>und</strong> Trainer ermutigt <strong>und</strong> einge-<br />

setzt werden. Dazu gilt es zusätzlich, die Werte der Ultras zu beachten. Treue Spieler<br />

sind für Ultras glaubwürdiger <strong>und</strong> können einen grossen Einfluss auf sie ausüben.<br />

Diese ’Ressource’ könnte viel häufiger genutzt werden.<br />

• Die Spieler sollten ihre Vorbildfunktion <strong>und</strong> die damit zusammenhängende Verant-<br />

wortung wahrnehmen. Solange das Abbrennen von pyrotechnischem Material nicht<br />

toleriert wird, gilt es, widersprüchliche Handlungen zu vermeiden.<br />

• Die Verhältnismässigkeit der Sanktionen bezüglich des Abbrennens von pyrotechni-<br />

schem Material sollte überdacht werden, andere Sanktionsformen überprüft <strong>und</strong> die<br />

Möglichkeiten einer maximal umsetzbaren Selbstregulation innerhalb der Fanszene<br />

unterstützt werden.<br />

• Die Vereine sollten präventive Massnahmen wie die sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

anerkennen <strong>und</strong> fördern.<br />

8.3 Empfehlungen an die Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen<br />

• Es würde Sinn machen, wenn die Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstanzen sich intensiv mit<br />

der Ultrakultur auseinandersetzen <strong>und</strong> die Werte der Ultras kennen <strong>und</strong> respektieren,<br />

um gezielt auf sie einwirken zu können.<br />

• Das Bewusstsein über ihre Machtposition, ihre äussere Erscheinung <strong>und</strong> die<br />

evtl. provokative Wirkung auf die Ultras sollte bei den Ordnungs- <strong>und</strong> Kontrollinstan-<br />

zen vorhanden sein. Ein dementsprechend zurückhaltendes Auftreten ist ausdrück-<br />

lich erwünscht.<br />

116


• Wichtig ist, im ständigen Kontakt mit den Ultras zu bleiben <strong>und</strong> ihnen ihr Vorgehen<br />

erklären oder anzukündigen. Somit würde das Handeln weniger als ’Willkürhandlung’<br />

wahrgenommen.<br />

• Die repressiven Mittel sollten der Situation angepasst ’sinnvoll’ eingesetzt werden.<br />

Unüberlegtes oder zu schnelles Handeln sollte vermieden werden.<br />

• Aus politischer Sicht könnte es von grösserem Erfolg geprägt sein, wen die Verhält-<br />

nismässigkeit der repressiven Massnahmen überprüft <strong>und</strong> angepasst würde. Präven-<br />

tion <strong>und</strong> Repression können sich sinnvoll ergänzen, dazu müssen aber beide gleich<br />

stark gewichtet werden.<br />

8.4 Empfehlungen an die Medien<br />

• Die Medien sollten unabhängig <strong>und</strong> objektiv von Situationen berichten <strong>und</strong> ein reales<br />

Bild des Geschehenen wiedergeben.<br />

• Es ist wichtig, dass die Medien sich ihrer Macht <strong>und</strong> den Auswirkungen auf das so-<br />

ziale System Fussball bewusst sind <strong>und</strong> dementsprechend vorsichtig mit Schlagzei-<br />

len umgehen.<br />

• Differenzierte Berichte über die Ultrakultur stärken die Motivation der Fans, sich von<br />

ihrer konstruktiven Seite zu zeigen <strong>und</strong> würden zu einer Entspannung des Verhältnis-<br />

ses zwischen Ultras <strong>und</strong> Medien beitragen.<br />

8.5 Empfehlungen an die sozioprofessionelle Fanarbeit<br />

• Die sozioprofessionelle Fanarbeit könnte als Mediatorin zwischen den verschiedenen<br />

Akteuren agieren <strong>und</strong> die Kommunikation untereinander fördern.<br />

• Wichtig ist, dass die soziprofessionelle Fanarbeit ihren Bekanntheitsgrad in der Fan-<br />

szene steigert, Öffentlichkeitsarbeit betreibt <strong>und</strong> auf problematische Situationen im<br />

sozialen System Fussball hinweist.<br />

• Innerhalb der Fankurve sollten die Fanarbeiter dafür sorgen, dass sie eine Vertrau-<br />

ensbasis zu den Ultras aufbauen können <strong>und</strong> akzeptiert werden.<br />

• In der Pyro-Thematik sollten sie die Interessen der beteiligten Akteure wahrnehmen<br />

<strong>und</strong> darauf hinarbeiten, Lösungen zu finden, welche für alle Beteiligten akzeptierbar<br />

sind.<br />

117


• In der Fanszene könnten sie Aufklärungsarbeit zu den Gefahren von Pyro betreiben<br />

<strong>und</strong> die Ultras dahingehend sensibilisieren, das Abbrennen von pyrotechnischem Ma-<br />

terial gewissenhaft zu tun <strong>und</strong> nicht zu bagatellisieren.<br />

• Die Selbstregulierungsprozesse in der Fankurve sollten weiterhin gefördert <strong>und</strong> ge-<br />

stärkt werden.<br />

8.6 Überprüfung der Fragestellung<br />

Um nochmals einen reflektierenden Blick auf die Fragestellung zu werfen, wird nachfolgend<br />

beschrieben, in welchen Teilen der Arbeit die verschiedenen Teilfragen beantwortet wurden.<br />

Aus welchen Subsystemen setzt sich das soziale System Fussball zusammen <strong>und</strong> welche<br />

Spannungsfelder bestehen?<br />

� Diese Frage wird im Hauptteil im Kapitel 4 bearbeitet, indem das soziale System<br />

Fussball vorgestellt <strong>und</strong> auf die verschiedenen Subsysteme sowie die Spannungsfel-<br />

der vertieft eingegangen wird.<br />

Wer zündet in Fussballstadien pyrotechnisches Material <strong>und</strong> welche Motivation liegt dieser<br />

Handlung zugr<strong>und</strong>e?<br />

� Auf den ersten Teil der Frage wird im Hauptteil unter Kapitel 3.2 Ultras bereits einge-<br />

gangen. Im Schlussteil wird die Frage in Kapitel 6.1 Ultraszene im mehrdimensiona-<br />

len Modell <strong>und</strong> in Kapitel 6.2 Analyse <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse zur Pyro-<br />

Thematik beantwortet, indem die Ultras als zündende Akteure vorgestellt werden so-<br />

wie ihre Motivationen <strong>zum</strong> Zünden beschrieben werden.<br />

Welche Subsysteme im sozialen System Fussball beeinflussen das Spannungsfeld ’Pyro’<br />

<strong>und</strong> welche Probleme entstehen dadurch?<br />

� Diese Frage wird in Kapitel 4 im Theorieteil angeschnitten <strong>und</strong> im Schlussteil unter<br />

Kapitel 6.2 Analyse <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse zur Pyro-Thematik <strong>und</strong> Kapitel<br />

6.3 Ergebnisse zu den Subsystemen im sozialen System Fussball beantwortet.<br />

Wie erleben die Ultras als Hauptakteure die Spannungsfelder? Welche Lösungsvorschläge<br />

bieten sie <strong>und</strong> wie realistisch sind sie?<br />

� Diese Frage wird im Forschungsteil intensiv betrachtet, indem die Ultras durch die<br />

Interviews zu Wort kommen <strong>und</strong> ihre Sicht der Dinge darlegen können. Ausserdem<br />

118


werden im Schlussteil in Kapitel 6.2 ihre Lösungsvorschläge vorgestellt <strong>und</strong> die Rea-<br />

lisierbarkeit diskutiert.<br />

Wie kann die sozioprofessionelle Fanarbeit auf die verschiedenen Spannungsfelder Einfluss<br />

nehmen, um die Probleme zu verhindern, zu lindern oder zu lösen?<br />

� Auf diese Frage wird im Theorieteil eingegangen, indem die sozioprofessionelle Fan-<br />

arbeit im Kapitel 4.1.8 vorgesellt <strong>und</strong> ihre Handlungsmöglichkeiten erläutert werden.<br />

Im Schlussteil werden in Kapitel 6.3.4 die Erkenntnisse aus dem Forschungsteil dis-<br />

kutiert <strong>und</strong> unter Kapitel 7 Schlussfolgerung werden Empfehlungen abgegeben.<br />

8.7 Offene Fragen <strong>und</strong> weiterführende Überlegungen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich können alle hier vorliegenden Ergebnisse mittels quantitativer Methoden über-<br />

prüft werden. Unserer Ansicht nach würde dies vor allem beim Modell der mehrdimensiona-<br />

len Fankultur Sinn machen, da es sich an den Ressourcen der Fans orientiert <strong>und</strong> dadurch<br />

für die sozioprofessionelle Fanarbeit von Bedeutung sein kann. Ausserdem wäre sowohl ein<br />

städteübergreifender wie auch ein länderübergreifender Vergleich interessant, da sich<br />

die Fanszenen von Ort zu Ort unterscheiden. Dies wurde in dieser Arbeit nicht getan.<br />

Ein weiteres Thema, das in dieser Forschungsarbeit völlig vernachlässigt wurde, ist der<br />

Gender-Aspekt.<br />

Wir haben die These aufgestellt, dass Spieler einen unterschiedlichen Einfluss auf die<br />

Fans haben können. Wie hoch dieser ist, wie stark er variiert <strong>und</strong> welche Möglichkeiten<br />

sich daraus ergeben könnten, wäre für eine effiziente Ressourcennutzung von besonderem<br />

Interesse.<br />

In unserer Forschung befassen wir uns ausschliesslich mit den Ultras. Für eine umfassende<br />

Analyse wären die Sichtweisen anderer Fans sowie Akteuren aus anderen Subsystemen des<br />

sozialen Systems Fussball von Bedeutung.<br />

9 Schlusswort<br />

Aus der Analyse der Ergebnisse geht hervor, dass die Kommunikation zwischen den einzel-<br />

nen Subsystemen im sozialen System Fussball mangelhaft ist <strong>und</strong> eine Verbesserung dies-<br />

bezüglich wünschenswert wäre. Basis dazu wäre eine Dialogbereitschaft aller Beteiligten<br />

sowie der sozioprofessionellen Fanarbeit als Mediatorin. <strong>Eine</strong> Lösung der momentanen<br />

Problematik <strong>und</strong> eine Verbesserung der aktuellen Situation ist nur durch eine Zusammenar-<br />

beit aller betroffenen Subsysteme möglich. Der Umstand, dass Vieles auf eine sich im Fort-<br />

119


schreiten befindende Negativspirale hinweist, verstärkt die Forderung nach raschem <strong>und</strong><br />

kompromissbereitem Handeln. Diese Kompromisse sind notwendig. Die Ultras sind daran<br />

gescheitert, weil sie auftretende Probleme alleine lösen wollten <strong>und</strong> auf seiten der Vereine<br />

<strong>und</strong> Ordnungsinstanzen ist die Argumentation, Pyro zu bekämpfen, weil es verboten ist, rein<br />

legalistisch <strong>und</strong> lässt jegliche lösungsorientierte <strong>und</strong> ethische Komponente vermissen. Es<br />

müsste also unter Einbezug aller Subsysteme ein Code erarbeitet werden, der eine Toleranz<br />

voraussetzt. Die Lösungsansätze der Ultraszene gehen klar in diese Richtung (allerdings<br />

unter Ausschluss der anderen Subsysteme). Es findet also bereits eine Ritualisierung <strong>und</strong><br />

Anpassung statt. Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass unter günstigen Umständen<br />

relativ schnell eine Lösung in der Pyro-Thematik gef<strong>und</strong>en werden könnte. Falls dies erfolgt,<br />

ist allerdings anzunehmen, dass an deren Stelle neue problematische Verhaltensformen<br />

auftauchen, wie das Beispiel des Vorfalls vom 2. Mai 2008 in Basel zeigt. Der Anspruch, das<br />

gesellschaftlich überall auftauchende Problem der Gewalt im Subsystem Fussball lösen zu<br />

können, darf als Illusion bezeichnet werden. Rein repressive Massnahmen alleine werden<br />

auch hier das Problem nicht zu lösen vermögen. <strong>Eine</strong> mündige Fanszene, welche die Gefah-<br />

ren von pyrotechnischem Material anerkennt <strong>und</strong> einen vernünftigen Umgang damit pflegt,<br />

setzt der gewaltsamen Verwendung von pyrotechnischem Material effektivere Grenzen, als<br />

dies der repressive Druck erreicht hat. Dies geht (auch) aus dieser <strong>Untersuchung</strong> hervor. Die<br />

Notwendigkeit von Repression als Mittel der Ordnungsinstanzen ist unbestritten, diejenige<br />

von Prävention jedoch ebenfalls. Ein Paradigmenwechsel scheint also unumgänglich. Be-<br />

trachten wir das soziale System Fussball als Subsystem der Gesamtgesellschaft, in der mit<br />

immer mehr Härte <strong>und</strong> Entschlossenheit gegen non-konformes Verhalten vorgegangen wird,<br />

so stellen wir fest, dass ein Paradigmenwechsel sogar Signalwirkung im Bezug auf andere<br />

Felder ausstrahlen könnte.<br />

120


Quellenverzeichnis<br />

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Unveröff. Darstellung.<br />

124


Anhang 1


Richtlinien des Komitees SFL betr. den Erlass von Stadionverboten<br />

vom 3. Februar 2006<br />

(revidierte Fassung vom 25.01.2008)<br />

____________________________________________________________<br />

Gestützt auf Art. 8 Abs. 4 <strong>und</strong> Art. 20 des Sicherheitsreglementes SFL (SiRegl).<br />

Kapitel I Allgemeine Bestimmungen<br />

Artikel 1 – Reglementarische Gr<strong>und</strong>lage<br />

Zur Gewährleistung der Sicherheit vor, während <strong>und</strong> nach den Spielen sind die Klubs der SFL<br />

gemäss Art. 8 Abs. 4 des Sicherheitsreglementes verpflichtet, den für ihr gewalttätiges oder<br />

hetzerisches Verhalten bekannten Personen sowie Personen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss<br />

den Zugang <strong>zum</strong> Stadion zu verwehren.<br />

Artikel 2 – Hausrecht<br />

Das in diesen Richtlinien geregelte Stadionverbot wird aufgr<strong>und</strong> des Hausrechts des Klubs als<br />

Eigentümer, Mieter des Stadiongeländes oder als Matchveranstalter ausgesprochen. Das<br />

Stadionverbot ist deshalb keine Disziplinarmassnahme gemäss Art. 3 des Reglements über das<br />

Disziplinarwesen der SFL, gegen die Beschwerde geführt werden kann.<br />

Kapitel II Definition, Zweck <strong>und</strong> Folge<br />

Artikel 3 - Definition<br />

Das Stadionverbot ist eine Massnahme gegen eine natürliche Person, die namentlich<br />

a) im Rahmen einer internationalen oder nationalen Sportveranstaltung die Stadionordnung<br />

verletzt hat, oder<br />

b) von der aufgr<strong>und</strong> ihres Verhaltens erwartet werden muss, dass sie die Stadionordnung<br />

künftig verletzt, oder<br />

c) für ihr gewalttätiges oder hetzerisches Verhalten bekannt ist, oder<br />

d) unter Alkohol- oder Drogeneinfluss den Zutritt <strong>zum</strong> Stadion verlangt.<br />

Artikel 4 – Zweck<br />

Zweck des Stadionverbots ist es, die Stadionordnung <strong>und</strong> die Sicherheit der Zuschauer<br />

anlässlich von Fussballspielen mit Beteiligung von SFL-Klubs besser zu gewährleisten.<br />

Artikel 5 – Folge<br />

Der Person, gegen die ein Stadionverbot ausgesprochen worden ist, ist für eine bestimmte<br />

Dauer der Besuch sämtlicher durchgeführten Wettbewerbs- <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaftsspiele mit<br />

Beteiligung eines SFL-Klubs untersagt.


Artikel 6 – Erklärung der Klubs <strong>und</strong> der SFL<br />

2<br />

Das Stadionverbot wird von der SFL oder von einem ihrer Klubs ausgesprochen. Die Klubs <strong>und</strong><br />

die SFL bevollmächtigen sich hierzu gegenseitig durch eine gesonderte schriftliche Erklärung.<br />

Die Erklärung ist vor jeder Saison neu auszufertigen <strong>und</strong> wird beim Sekretariat der SFL<br />

hinterlegt.<br />

Kapitel III Tatbestände<br />

Artikel 7 – Ordentliche Fälle<br />

In den folgenden Fällen (keine abschliessende Aufzählung) von Fehlverhalten im<br />

Zusammenhang mit der Durchführung einer internationalen oder nationalen Sportveranstaltung<br />

wird gegen eine Person ein Stadionverbot ausgesprochen:<br />

a) Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen Leib <strong>und</strong> Leben sowie bei<br />

Sachbeschädigung mit der Folge eines nicht unerheblichen Schadens<br />

b) Verbrechen <strong>und</strong> Vergehen gegen den öffentlichen Verkehr<br />

c) Nötigung<br />

d) Verstösse gegen das Waffengesetz<br />

e) Verstösse gegen das Sprengstoffgesetz (u.a. Mitführen <strong>und</strong> / oder Abbrennen von<br />

pyrotechnischen Gegenständen)<br />

f) Landfriedensbruch<br />

g) Hausfriedensbruch<br />

h) Raub- <strong>und</strong> Diebstahldelikte<br />

i) Verstösse gegen das Antirassismusgesetz <strong>und</strong> bei Handlungen mit rassistischem,<br />

sexistischem, provokativem, beleidigendem oder pietätlosem Inhalt<br />

j) Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz<br />

k) unerwünschtes Überklettern bzw. Überschreiten der Umzäunung zwischen<br />

Zuschauerraum <strong>und</strong> Terrain sowie Betreten des Spielfeldes<br />

l) Vorliegen hinreichender Gründe anlässlich der Eintritts- bzw. Personenkontrolle, die die<br />

Annahme rechtfertigen, dass eine Person eine Tat gemäss dieser lit. a) bis k) begangen<br />

hat, begehen wollte oder begehen will<br />

m) sonstigen schweren Straftaten im Zusammenhang mit der Durchführung eines SFL-<br />

Spiels<br />

n) sonstigen schwerwiegenden oder wiederholten Verstössen gegen die Stadionordnung.<br />

Artikel 8 – Ausserordentliche Fälle<br />

Fällt ein Fehlverhalten einer Person im Zusammenhang mit der Durchführung einer<br />

Sportveranstaltung nicht unter Artikel 7 hievor <strong>und</strong> ist diese Person bisher nicht<br />

sicherheitsgefährdend aufgefallen, so obliegt es dem Klub, entweder<br />

• ein auf jene Örtlichkeiten begrenztes Stadionverbot auszusprechen, für die der Klub oder<br />

der Stadioneigner das Hausrecht ausübt, oder<br />

• von der Aussprechung eines Stadionverbotes abzusehen, wenn die fehlbare Person<br />

tätige Reue zeigt (Ausübung von Fronarbeit).


Kapitel IV Zuständigkeit<br />

Artikel 9 – Zuständigkeit des Klubs<br />

Für die Aussprechung des Stadionverbots ist der Klub zuständig, wenn ein Fehlverhalten:<br />

3<br />

• im Stadion erfolgt, in welchem er seine Heimspiele austrägt oder<br />

• im Zusammenhang mit der Austragung des Heimspiels in der Umgebung ausserhalb des<br />

Stadions erfolgt, oder<br />

• bei einem Fussballspiel des Klubs im Ausland erfolgt, oder<br />

• gemäss Kapitel III, Artikel 8 vorliegt.<br />

Für ein Stadionverbot, das vom Klub ausgesprochen wird, ist der Sicherheitsverantwortliche des<br />

Klubs zuständig. Er orientiert die Klubleitung über die aktuellen Verbote.<br />

Will der Sicherheitsverantwortliche eines Klubs ein Stadionverbot gegen eine Person<br />

aussprechen, die allenfalls einem andern Klub zuzurechnen ist, so orientiert er telefonisch den<br />

Sicherheitsverantwortlichen des andern Klubs am ersten Arbeitstag nach der fehlbaren<br />

Handlung <strong>und</strong> der Identifikation des Zuschauers über das geplante Stadionverbot. Der<br />

orientierte Klub wiederum teilt dem das Stadionverbot aussprechenden Klub im Normalfall innert<br />

zwei Arbeitstagen per Mail mit, ob er mit dem Stadionverbot einverstanden ist. Wird diese<br />

Einwilligung verweigert, leitet der Klub, der das Stadionverbot aussprechen will, sämtliche<br />

Unterlagen zur Prüfung an den Sicherheitsbeauftragten der SFL. Dieser kann gestützt auf seine<br />

Prüfung ein Stadionverbot im strittigen Fall aussprechen.<br />

Die Klubs <strong>und</strong> die SFL sind gehalten, Personen, denen ein strafrechtlich relevantes<br />

Fehlverhalten vorgeworfen wird, bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde anzuzeigen.<br />

Artikel 10 – Zuständigkeit der SFL<br />

Für die Aussprechung des Stadionverbots ist die SFL zuständig, wenn:<br />

• die Zuständigkeit eines Klubs nicht gegeben oder unklar ist, oder<br />

• im strittigen Fall gemäss Art. 9 Abs. 3, oder<br />

• ein Fehlverhalten bei einem Fussballländerspiel im In- <strong>und</strong> Ausland oder bei einer<br />

internationalen oder nationalen Sportveranstaltung ausserhalb des Fussballsports<br />

erfolgt.<br />

Für ein Stadionverbot, das von der SFL ausgesprochen wird, ist der Sicherheitsbeauftragte der<br />

SFL zuständig. Er entscheidet in alleiniger Kompetenz <strong>und</strong> orientiert den Präsidenten der<br />

Sicherheitskommission SFL regelmässig über die neu ausgesprochenen Verbote.<br />

Kapitel V Dauer<br />

Artikel 11 – Prinzip<br />

Das Stadionverbot dauert zwei Jahre.<br />

Liegt ein besonders schweres oder rücksichtsloses Fehlverhalten vor oder ist die sanktionierte<br />

Person uneinsichtig, dauert das Stadionverbot mindestens drei Jahre. Bei triftigen Gründen kann<br />

die das Stadionverbot aussprechende Stelle das Verbot verlängern.


Artikel 12 – Beginn der Dauer<br />

Die Dauer des Stadionverbots läuft ab dem Datum, an welchem das Verbot durch die<br />

zuständige Stelle ausgesprochen wurde. Die Wirksamkeit des Stadionverbots wird nicht durch<br />

den Erwerb einer Eintrittskarte oder den Besitz eines anderen Berechtigungsnachweises<br />

aufgehoben.<br />

Artikel 13 – Vorzeitige Aufhebung<br />

4<br />

Das Stadionverbot kann nach Ablauf der Hälfte der Dauer von der Stelle, die das Stadionverbot<br />

ausgesprochen hat, – gegebenenfalls unter Festsetzung besonderer Auflagen –<br />

ausnahmsweise vorzeitig aufgehoben oder in seiner Dauer reduziert werden. Dies setzt voraus,<br />

dass seitens der Person, gegen die das Stadionverbot ausgesprochen wurde, ein schriftlicher<br />

Antrag vorliegt <strong>und</strong> eine eingehende Prüfung die Prognose ergibt, dass sie sich künftig an die<br />

Stadionordnung hält.<br />

Das Stadionverbot kann ferner aufgehoben werden, wenn die Person, gegen die das<br />

Stadionverbot ausgesprochen wurde, nachweist, dass dieses Verbot wegen erwiesener<br />

Unschuld dieser Person aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht gerechtfertigt ist.<br />

Hebt ein Klub ein Stadionverbot vorzeitig auf, so hat er dies dem Sicherheitsbeauftragten der<br />

SFL umgehend schriftlich mitzuteilen.<br />

Kapitel VI Form<br />

Artikel 14 – Formalien<br />

Das Stadionverbot soll gr<strong>und</strong>sätzlich sofort nach Abklärung des Sachverhalts <strong>und</strong> der<br />

Identifikation der fehlbaren Person erfolgen. Bei Bedarf kann die fehlbare Person angehört<br />

werden.<br />

Das Stadionverbot kann mündlich oder schriftlich ausgesprochen werden. Ein mündlich<br />

ausgesprochenes Stadionverbot ist innert zehn Tagen schriftlich zu bestätigen. Es ist hiefür das<br />

Formular „Stadionverbot“ der SFL zu verwenden. Das ausgefüllte Formular ist - nach<br />

Möglichkeit - der Person, gegen die das Stadionverbot ausgesprochen wird, sofort vor Ort<br />

auszuhändigen. Der Erhalt des Formulars ist von der fehlbaren Person zu quittieren. Wird die<br />

postalische Übermittlung des Stadionverbots erforderlich, erfolgt diese per Einschreiben.<br />

Spricht ein Klub das Stadionverbot aus, so hat er dem Sicherheitsbeauftragten der SFL eine<br />

Kopie des Formulars zu übersenden. Spricht die SFL das Stadionverbot aus, so hat sie dem<br />

Klub, dem die fehlbare Person allenfalls zuzurechnen ist, eine Kopie des Formulars zu<br />

übersenden.<br />

Die SFL ist besorgt, dass die SFL-Klubs laufend über die ausgesprochenen Stadionverbote<br />

orientiert sind.


Kapitel VII Datenschutz<br />

Art. 15 – Gr<strong>und</strong>satz<br />

Die SFL, die Klubs der SFL sowie alle Personen <strong>und</strong> Organisationen, die auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

dieser Richtlinien personenbezogene Daten beschaffen, aufbewahren, verwenden <strong>und</strong><br />

weitergeben, sind verpflichtet, die Vorschriften des B<strong>und</strong>esgesetzes über den Datenschutz<br />

(DSG) zu beachten. Für die Verwendung <strong>und</strong> Bearbeitung von Daten des Informationssystem<br />

HOOGAN kommt die „Richtlinie für die Verwendung <strong>und</strong> Bearbeitung von Daten des<br />

Informationssystem HOOGAN durch die Organisatoren von Sportveranstaltungen <strong>und</strong> deren<br />

Sicherheitsverantwortliche“ des B<strong>und</strong>esamtes für Polizei zur Anwendung.<br />

Art. 16 – Zweckbindung<br />

Daten über Personen, welche im Zusammenhang mit dem Erlass von Stadionverboten<br />

bearbeitet werden, dürfen ausschliesslich nur für den Erlass <strong>und</strong> den Vollzug von<br />

Stadionverboten benutzt werden.<br />

Art. 17 – Datenkatalog<br />

Es dürfen die folgenden Angaben über Personen bearbeitet werden:<br />

- Name/Vorname<br />

- Geschlecht<br />

- Geburtsdatum/Geburtsort<br />

- Heimatort<br />

- Wohnadresse<br />

- Massnahme<br />

- Gr<strong>und</strong> der Massnahme<br />

- Verstösse gegen Massnahme<br />

- Bildaufzeichnungen<br />

- Zugehörigkeit zu Organisationen (z.B. Fanorganisationen).<br />

Art. 18 – Benutzer<br />

5<br />

Die SFL <strong>und</strong> die Klubs der SFL sorgen dafür, dass nur solche Personen Zugriff auf diese Daten<br />

haben, die Informationen für den Erlass <strong>und</strong> die Durchsetzung der Stadionverbote zwingend<br />

benötigen, wie die Strafverfolgungsbehörden, die Sicherheitsverantwortlichen der Klubs <strong>und</strong> der<br />

Stadien, die Fanverantwortlichen der Klubs, der Sicherheitsbeauftragte SFV/SFL <strong>und</strong> das<br />

Sicherheitspersonal, das mit den Personenkontrollen vor Ort betraut ist.<br />

Art. 19 – Richtigkeit der Daten<br />

Es liegt in der Verantwortung der SFL sowie der Klubs, dafür zu sorgen, dass die<br />

Personendaten korrekt sind, d.h. inhaltlich richtig, aktuell <strong>und</strong> entsprechend dem<br />

Bearbeitungszweck vollständig.<br />

Art. 20 – Aufbewahrungsdauer <strong>und</strong> Vernichtung<br />

Personendaten zu den Stadionverboten dürfen nur so lange aufbewahrt werden, wie sie für den<br />

Erlass <strong>und</strong> die Durchsetzung eines Stadionverbotes erforderlich sind.<br />

Es gelten die folgenden Fristen:


6<br />

- Stadionverbotsliste der SFL: bis <strong>zum</strong> Erscheinen einer neuen Stadionverbotsliste der<br />

SFL<br />

- Bildaufzeichnungen: 100 Tage ab Erstelldatum<br />

- Andere Daten: 3 Jahre nach Ablauf des zuletzt verfügten Stadionverbotes<br />

Informationen auf Papier <strong>und</strong> in elektronischer Form, deren Aufbewahrungsdauer abgelaufen ist,<br />

sind sicher zu vernichten. Daten auf elektronischen Speichermedien sind so zu löschen, dass<br />

mit den allgemein verfügbaren technischen Mitteln nicht mehr auf sie zugegriffen werden kann.<br />

Art. 21 – Vertraulichkeit<br />

Personendaten mit Angaben über Stadionverbote sind besonders schützenswert <strong>und</strong> müssen<br />

daher vertraulich behandelt werden. Dritten dürfen solche Daten nur bekannt gegeben werden,<br />

sofern dies gesetzlich vorgesehen ist oder soweit es für die Durchsetzung von<br />

Rechtsansprüchen notwendig ist.<br />

Art. 22 – Rechte der Betroffenen<br />

Die datenschutzrechtlichen Ansprüche, insbesondere das Recht auf Auskunft über die eigenen<br />

Daten, sind zu gewährleisten. Betroffenen Personen ist auf deren schriftliches Gesuch hin nach<br />

den Vorschriften des Datenschutzgesetzes innert 30 Tagen kostenlos Einsicht in ihre Daten zu<br />

gewähren bzw. ihnen schriftlich Auskunft darüber zu erteilen, ob <strong>und</strong> welche Daten über sie<br />

gespeichert sind.<br />

Art. 23 – Kontrollen<br />

Die SFL hat das Recht, die Einhaltung dieser Vorschriften durch die Klubs der SFL <strong>und</strong> durch<br />

die von den Klubs beauftragten Organisationen oder Personen jederzeit zu überprüfen oder<br />

überprüfen zu lassen.<br />

Kapitel VIII Schlussbestimmungen<br />

Die vorliegenden Richtlinien wurden vom Komitee der SFL anlässlich einer Sitzung vom<br />

3.2.2006 angenommen. Sie treten per Rückr<strong>und</strong>enbeginn vom 12.2.2006 in Kraft.<br />

Die Änderungen von Art. 5, 10, 13 <strong>und</strong> 15 – 23 wurden vom Komitee der SFL am 25.01.2008<br />

gutgeheissen.


Anhang 2


Das Manifest der Ultras der AS Roma:<br />

Es ist Zeit, dass alle <strong>Fussballfans</strong> verstehen, was die UEFA, die FIFA <strong>und</strong> die<br />

Fernsehanstalten unter tatkräftiger Mithilfe der nationalen Verbände mit unserem<br />

Fussballsport veranstalten. Die Bestrebungen der Spitzenclubs gehen dahin, eine Europaliga<br />

einzurichten, die diesen Clubs vorbehalten ist, im Endeffekt den finanzstarken Vereinen der<br />

einzelnen Verbände. Dies würde diesen Vereinen auf Gr<strong>und</strong> der Vermarktung der TV-Rechte<br />

enorme Einnahmen sichern, gleichermassen wären die Stadien ausverkauft, die kleineren<br />

Vereine würden ausgeschlossen <strong>und</strong> auf lange Sicht in den Ruin getrieben. Die Anzahl der<br />

Fernsehzuschauer würde sicherlich steigen, während der Stadionfussball in seiner<br />

ursprünglichen Form nach <strong>und</strong> nach verschwinden wird. In ein paar Jahren wird selbst der<br />

Rasen in den Stadien mit Sponsorenwerbung verunstaltet werden <strong>und</strong> Choreografien<br />

werden verboten, weil sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer am Bildschirm von den<br />

Werbetafeln abziehen. Es werden h<strong>und</strong>erte Ordner in den Blöcken stehen, die Fans werden<br />

im ganzen Stadionbereich von Videokameras aufgenommen, um zu verhindern, dass grosse<br />

Fahnen, Transparente oder <strong>Feuerwerk</strong>skörper ins Stadion gelangen können. Und in ein paar<br />

Jahren werden selbst die Leibchen unserer Spieler aussehen, wie die Anzüge von Formel-1<br />

Piloten, jeder Fleck von Werbung besetzt.<br />

In den Köpfen der Funktionäre nimmt die Zukunft bereits Gestalt an: es wird der gezähmte<br />

Fan erwünscht, der moderate Stimmung verbreitet, aber nur soviel, wie als<br />

Hintergr<strong>und</strong>einspielung für die Fernsehübertragung notwendig ist, der brav applaudiert, wenn<br />

man es verlangt <strong>und</strong> ansonsten still auf seinem Platz sitzt. Es wird keinen Platz mehr für<br />

Ultras geben.<br />

Es gibt eine UEFA-Richtlinie, die besagt, dass die Fans sitzen müssen, man will keine Fans,<br />

die aktiv am Spiel teilhaben, man will die Art von Zuschauer, die man in einem Kino oder<br />

einem Theater antrifft. Diese Menschen verstehen nicht, dass Fussball unser Leben ist, dass<br />

wir für unseren Verein leben, dass wir unsere Schals <strong>und</strong> unsere Kleidung tragen, die unsere<br />

Stadt oder Region repräsentiert. All die "Kurven" ("curva") dieser Welt sollten in diesem Fall<br />

zusammen-<br />

halten <strong>und</strong> eine mächtige Einheit gegen die Fussball-Fabrik bilden.<br />

Ultramanifest:<br />

Echte Fans wollen diese Fussballregeln:<br />

1. Spielertransfers sollten in den Saisonpausen abgewickelt werden, nicht während der<br />

Saison;<br />

2. Die Freiheit für die Spieler, ihre Freude nach einem Tor auszudrücken, es ist nun möglich,<br />

diese Zeit nachspielen zu lassen.<br />

3. <strong>Eine</strong> Beschränkung der ausländischen Spieler, um den heimischen Nachwuchs zu<br />

fördern.<br />

4. <strong>Eine</strong> Sperre von einem Jahr von Spielern, die ihren Vertrag nicht erfüllt haben, weil ein<br />

anderer Verein mehr Geld geboten hat.<br />

5. Die Beschränkung, dass Funktionäre eines Vereines nicht in einem zweiten Verein tätig<br />

sein dürfen, damit die Unmöglichkeit von Farm Teams<br />

6. Die Wiederherstellung des alten Landesmeisterpokales mit einem automatisch<br />

qualifizierten Meister aus jedem Verband, anstelle einer Liga, in der der Ligavierte eines<br />

Landes Champions League Sieger werden kann.<br />

2


7. Das Verbot, dass Clubs oder Verbände Tickets für Auswärtsspiele exklusiv an<br />

Reiseveranstalter weitergeben dürfen.<br />

Ultras sollten:<br />

1. Jeden unnötigen Kontakt oder Hilfe durch die Vereine verweigern.<br />

2. Jede Hilfe durch die Polizei verweigern.<br />

3. untereinander besser zusammenarbeiten.<br />

4. in Eigenorganisation zu Auswärtsspielen reisen.<br />

5. mit den Ultras anderer Vereine zusammenarbeiten, um die "Ware TV-Fussball"<br />

unattraktiver zu machen.<br />

6. sich nicht von den Autoritäten unterdrücken lassen <strong>und</strong> an Spielen unbedingt Präsenz<br />

zeigen.<br />

Unterstützt die Ultra-Bewegung <strong>und</strong> baut ein Manifest auf Eurer Homepage ein oder<br />

schliesst Euch unserem Manifest an.<br />

3


Anhang 3


Hand- Out für die Befragten:<br />

Als Erstes möchten wir Dir herzlich danken, dass Du dich für dieses Interview <strong>zum</strong> Thema<br />

’<strong>Fussballfans</strong> <strong>und</strong> <strong>Feuerwerk</strong>’ zur Verfügung stellst.<br />

Dich interessiert sicher, was mit deinen Antworten passiert <strong>und</strong> wozu wir das Interview<br />

brauchen. Der Gr<strong>und</strong> weshalb wir mit dir ein Interview führen möchten ist, weil wir es für eine<br />

schriftliche Forschungsarbeit für den Abschluss zu unserem Bachelor Studium in Sozialer<br />

Arbeit benötigen. Wir möchten mit unserer Arbeit vor allem die Sicht der Ultras <strong>zum</strong> Thema<br />

Pyro beleuchten <strong>und</strong> führen deshalb Befragungen mit verschiedenen Ultras zu diesem<br />

Thema durch. Deine Antworten werden wir später aufschreiben, um sie auswerten zu<br />

können. Wir werden dazu die Antworten in thematische Gruppen gliedern <strong>und</strong> im<br />

Forschungsteil der Arbeit in allgemeiner Form wiedergeben, ohne dass man jedoch merkt,<br />

wer die interviewte Person ist.<br />

Deine persönlichen Daten werden anonym behandelt <strong>und</strong> nicht veröffentlicht. Alle Angaben<br />

die du machst bleiben bei uns <strong>und</strong> werden nur, wie oben bereits genannt anonym in unserer<br />

Arbeit veröffentlicht. Des Weiteren kannst du, falls du es wünschst, <strong>zum</strong> Schluss das<br />

geschriebene Interview vor der Auswertung nochmals lesen <strong>und</strong> Änderungen verlangen,<br />

wenn du mit etwas nicht einverstanden bist.<br />

Zum Ablauf des Interviews:<br />

Das Interview ist in vier Themenbereiche aufgeteilt. Zuerst werden wir dich etwas <strong>zum</strong> Bezug<br />

zu deinem Verein Fragen, danach kommen einige Fragen <strong>zum</strong> Thema Ultras. Anschliessend<br />

werden wir uns mit Fragen <strong>zum</strong> Thema Pyro vertiefen <strong>und</strong> <strong>zum</strong> Schluss kommen noch einige<br />

Fragen <strong>zum</strong> Thema Gewalt <strong>und</strong> zur sozioprofessionellen Fanarbeit.<br />

Nach dem Hauptteil des Interviews, für den wir cirka dreiviertel St<strong>und</strong>en vorgesehen haben,<br />

werden wir dir einen Fragebogen <strong>zum</strong> ausfüllen geben. Es geht dabei um die Angaben zu<br />

deiner Person.<br />

Danach werden wir Dich kurz fragen, wie das Interview für dich war <strong>und</strong> wie es dir während<br />

dem Interview ergangen ist.<br />

Damit uns keine Informationen verloren gehen, werden wir das Interview mit einem<br />

Aufnahmegerät aufzeichnen. Wenn die Interviews niedergeschrieben sind, werden wir die<br />

Aufnahmen wieder löschen.<br />

Hast du nun noch Fragen zu dem, was wir dir gerade erklärt haben? Falls nicht können wir<br />

jetzt mit dem Interview starten.


Anhang 4


I. Bezug <strong>zum</strong> Verein<br />

Interviewleitfaden:<br />

Hauptfrage: Wie würdest du deinen Bezug <strong>zum</strong> Verein X beschreiben?<br />

a) Warum X? Was macht ihn anders? Was zeichnet ihn aus?<br />

b) Wie oft gehst du an die Spiele? (Heim/Auswärts)<br />

c) Gibt es verschiedene Fangruppen? Wie unterscheiden sie sich?<br />

d) Welchem Fanclub, welcher Fangruppierung gehörst du an? Name der Gruppierung,<br />

<strong>und</strong> was steht hinter diesem Namen?<br />

e) Fällt dir noch weiteres ein, was es <strong>zum</strong> Bezug <strong>zum</strong> Verein zu sagen gibt?<br />

II. Ultra<br />

Hauptfrage: Was fällt dir ein wenn du den Begriff ’Ultras’ hörst?<br />

a) Wann <strong>und</strong> wie bist du zu deiner Gruppierung gestossen?<br />

b) Gab es ein Aufnahmeverfahren, musstest du Prüfungen bestehen? Hat es lange<br />

gedauert, bis du in der Gruppe akzeptiert wurdest?<br />

c) Was war der Gr<strong>und</strong>, weshalb du dich dieser Gruppierung angeschlossen hast?<br />

d) Wie siehst du deine Position in der Gruppe? Welchen Einfluss übst du auf die Gruppe<br />

aus?<br />

e) Bei welchen Aktivitäten bringst du dich besonders ein in die Gruppe? (Choreos,<br />

Capo, Pyro) Warum?<br />

f) Was ist ein Ultra? Welche Eigenschaften braucht für dich ein richtiger Ultra?<br />

Unterschied zu Hooligan?<br />

g) Was bedeutet dir deine Ultra-Gruppierung? Was gefällt dir daran? Was würdest du<br />

ändern?<br />

h) Seit wann gibt es diese Gruppierung? Wie hat sie sich entwickelt?<br />

i) Wie ist eure Gruppe intern aufgebaut? Aufgaben, Ämter, Positionen…<br />

j) Wie positioniert sich deine Gruppierung politisch?<br />

k) Was weißt du über die Geschichte der Ultras?<br />

l) Welche anderen Ultras faszinieren dich <strong>und</strong> warum?<br />

m) Ultras sind gegen jeglichen Kommerz in Fussballstadien. Kannst du hier konkreter<br />

werden? Was ist für dich Kommerz? Wie tretet ihr dem gegenüber?<br />

n) Es hat Veränderungen im Fussball gegeben in den letzten Jahren, bezüglich der<br />

Kommerzialisierung der Vereine. Was bedeutet das für die Ultras bzw. wie stehst du<br />

dazu?<br />

o) Gibt es sonst noch etwas, was man <strong>zum</strong> Thema Ultras noch erwähnen müsste?<br />

III. Pyro/Choreo<br />

Hauptfragen: Welche Gefühle verbindest du mit dem Wort Choreo?<br />

Welche Gefühle verbindest du mit Pyro?<br />

Pyro:<br />

a) Was weisst du über die Geschichte von Pyro?<br />

b) Weshalb wird an einem Spiel Pyro gezündet? Welche Faktoren spielen eine Rolle?<br />

2


c) Wie oft hast du schon selber gezündet oder anderen beim zünden geholfen? Wie<br />

kam es dazu?<br />

d) Erkläre uns den genauen Ablauf des Zündens. Was geschieht vor, während <strong>und</strong> nach<br />

dem Zünden?<br />

e) Was fühlst du in dem Moment, indem du die Fackel zündest?<br />

f) Was tust du um nicht erwischt zu werden? Welche Risiken nimmst du in Kauf?<br />

g) Hast du schon mal Fackeln ins Stadion geschmuggelt? Ist es schwierig das<br />

pyrotechnische Material ins Stadion zu schmuggeln?<br />

h) Ist Pyro gefährlich? Wenn ja, weshalb?<br />

i) Ist das zünden der Fackeln im Fussballstadion nur ein Mittel sich im Stadion kreativ<br />

zu präsentieren oder gibt es auch noch andere Hintergründe? (Gewalt usw.)<br />

j) Welche Sanktionen kennst du, die es gibt im Bezug auf das Zünden der Fackeln?<br />

k) Was hältst du von den Sanktionen? Was bewirken sie bei dir?<br />

l) Was hältst du von der Hoogan-Datenbank?<br />

m) Was wären für dich sinnvolle Sanktionen?<br />

n) Gibt es bei euch interne Abmachungen, an die sich alle halten müssen bezüglich<br />

Pyro (z.B. Ehrenkodex)?<br />

o) Was passiert wenn sich jemand nicht daran hält (Selbstregulation)? Wie reagieren<br />

dann die Fans?<br />

p) Hast du schon mal eine Situation erlebt in der die Fans einen anderen Fan<br />

sanktioniert haben?<br />

q) Findest du Gewalt als Selbstregulation sinnvoll?<br />

r) Wie erlebst du den Verein beim Thema Pyro?<br />

s) Wie erlebst du die Spieler <strong>zum</strong> Thema Pyro?<br />

t) Was ist die Meinung der anderen Fans <strong>zum</strong> Thema Pyro? Sind sie eher dafür oder<br />

dagegen? Was ist deine Einschätzung?<br />

u) Wie wird mit Leuten umgegangen, die vom Gesetzgeber erwischt wurden <strong>und</strong> / oder<br />

mit Stadionverboten belegt wurden?<br />

v) Gibt es Möglichkeiten, wie bestrafte Personen sich bewähren können, um somit das<br />

Stadionverbot aufzuheben? Bleiben diese Leute auch draussen?<br />

w) Wie denkst du über die Rolle der Medien bei diesem Thema? Wie üben die Medien<br />

Einfluss aus? Wie sollten sie sich deiner Meinung nach verhalten?<br />

x) Was denkst du über den Vorfall in Basel, als FCZ-Fans brennende Fackeln auf<br />

Basler Zuschauer warfen?<br />

y) Siehst du eine Möglichkeit Pyro so zu zünden, ohne dass die Sicherheit gefährdet<br />

ist?<br />

z) Ist ein kontrolliertes Zünden überhaupt möglich von Seiten der Ultras?<br />

aa) Würden sich alle Ultras daran halten?<br />

bb) Was müsste unternommen werden um ein kontrolliertes Zünden zu ermöglichen?<br />

cc) Kennst du die sozioprofessionelle Fanarbeit? Was könnten die Fanarbeiter für eine<br />

Rolle spielen?<br />

dd) Was gibt es sonst noch <strong>zum</strong> Thema Pyro zu erwähnen?<br />

IV. Gewalt<br />

Hauptfrage: Was denkst du <strong>zum</strong> Thema Gewalt im <strong>und</strong> ums Fussballstadion?<br />

a) Sind Ultras gewalttätig?<br />

b) Wie stehst du <strong>und</strong> deine Gruppierung <strong>zum</strong> Thema Gewalt?<br />

c) Wie gewaltbereit schätzt du dich ein auf einer Skala von 1 – 10?<br />

3


d) Was ist für dich ein Gr<strong>und</strong> Gewalt gegenüber Mitmenschen anzuwenden?<br />

e) Warst du als Ultra schon Teil von Ausschreitungen? Wenn ja, wie ist es dazu<br />

gekommen?<br />

f) Wie ist euer Verhältnis zu der Polizei <strong>und</strong> Sicherheitskräften?<br />

V. Soziodemographische Angaben<br />

Geschlecht<br />

a) Alter<br />

b) Wohnort/Kreis<br />

c) Bildung<br />

d) Arbeit<br />

VI. Reflektion über das Interview:<br />

a) Wie ging es dir während des Interviews?<br />

b) Was meinst Du zu unseren Fragen?<br />

c) Gibt es noch wichtige Aspekte des Themas, die man ergänzen müsste oder die dir<br />

noch besonders wichtig sind?<br />

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