Befreiung aus tyrannischer Gefangenschaft - Carlos Watzka
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370 Elisabeth Pauli<br />
jeweils über 200 Befreiten; der „Preis“ pro Freigekauftem lag nun aber im<br />
Durchschnitt bei 250 Gulden, während er bei der ersten Redemption<br />
1690/91 noch ziemlich genau die Hälfte betragen hatte. In den 1720er<br />
Jahren gelang auch die Gründung einer eigenen Trinitarier-Niederlassung<br />
in Konstantinopels Vorstadt Pera; dieser Stützpunkt erlaubte es, in<br />
der osmanischen Hauptstadt kontinu ierlich nach Gefangenen <strong>aus</strong> der<br />
Habsburgermonarchie oder dem Heiligen Römischen Reich Ausschau zu<br />
halten und entsprechende Frei kaufaktionen gezielt vorzubereiten. Der<br />
Niederlassung war sogar eine La teinschule angegliedert, die von Christen<br />
verschiedener Konfessionen frequentiert wurde. Aufgrund ihrer vielfältigen<br />
Sprachkenntnisse, die auch oft das Türkische einschlossen, erfreuten<br />
sich die Trinitarierpatres ebendort sowohl als Lehrer, als auch als Seelsorger<br />
für Angehörige der mit Rom unierten Kirchen großen Ansehens. 54<br />
Die überraschende Niederlassungserlaubnis für die österreichischen<br />
Trinitarier durch die osmanische Regierung war im Zusammenhang mit<br />
einer kulturellen Öffnung des Osmanischen Reiches während der kurzen,<br />
sogenannten „Lale-Zeit“ („Tulpenzeit“) unter der Regierung Sultan<br />
Ahmeds III. (reg. 1703–1730) erfolgt. Seit dieser Phase wurden die politischen<br />
Beziehungen zwischen der Hohen Pforte und den christlichen<br />
Mächten aber auch langfristig stärker durch die Regeln des europäischen<br />
Völkerrechts bestimmt; Gesandtschaften, Handels- und Freundschaftsverträge<br />
gewannen neben den fortbestehenden Konflikten und gegenseitigen<br />
Kriegshandlungen an Wichtigkeit. 55<br />
Die Verbesserungen der diplomatischen Beziehungen zwischen der<br />
Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich, von denen auch die<br />
Trinitarier in der Verfolgung ihrer Ziele sehr profitierten, bedeutete letztendlich<br />
aber auch, dass der Aust<strong>aus</strong>ch und die Rückholung von (Kriegs-)<br />
Gefangenen immer mehr zu einer Aufgabe des Staates wurde, der im<br />
Laufe des 18. Jahrhunderts im Zuge der Aufklärung zudem ja generell<br />
sehr viele Agenden übernahm, die bis dahin Ordensgemeinschaften und<br />
andere kirchliche Institutionen inne gehabt hatten. 56 Erste Kompetenzstreitigkeiten<br />
zwischen Trinitariern und staatlichen Behörden lassen sich<br />
schon im frühen 18. Jahrhundert, also nur kurz nach der Etablierung des<br />
54 Vgl. ebd., S. 762.<br />
55 Vgl. Josef MATUZ, Das Osmanische Reich, Darmstadt 3 1996, S. 191–198.<br />
56 Vgl. zu mentalitätsgeschichtlich-kulturellen Veränderungen im Habsburgerreich des<br />
18. Jahrhunderts: Karl VOCELKA, Glanz und Untergang der höfischen Welt, Wien 2004,<br />
bes. S. 235–247, S. 374–380.