Befreiung aus tyrannischer Gefangenschaft - Carlos Watzka
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Erschienen in:<br />
ArchivfürKulturgeschichte<br />
90, Heft2<br />
(2008), S. 351-378<br />
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
Der Trinitarierorden in der Habsburgermonarchie und die<br />
Rückführung christlicher Sklaven <strong>aus</strong> dem<br />
Osmanischen Reich und seinen Vasallenstaaten (1688–1783)<br />
von Elisabeth Pauli<br />
Der Ordo Sanctissimae Trinitate de redemptione captivorum (OSST), zu<br />
Deutsch „Orden der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zur Erlösung Gefangener“,<br />
kurz allgemein Trinitarier-Orden genannt, wurde 1198 in Cerfroid<br />
in Frankreich von Johannes de Matha (1154–1213) und Felix von Valois<br />
(1127–1212), einem Einsiedler, die beide später heilig gesprochen wurden,<br />
gegründet. 1 Er war im Zusammenhang mit der mittelalterlichen Kreuz-<br />
1 Der vorliegende Aufsatz basiert auf der Diplomarbeit der Verfasserin: Elisabeth PAULI,<br />
Die Trinitarier in Österreich von 1688 bis 1783, Graz (geisteswissenschaftliche Diplom -<br />
arbeit) 2004, sowie Ergebnissen weiterer Forschungstätigkeit zu diesem Thema im Rahmen<br />
des FWF-geförderten Projekts „Karitative religiöse Orden im frühneuzeitlichen Mittel -<br />
europa“ an der Universität Graz und eines ROM-Stipendiums der Österreichischen Akademie<br />
der Wissenschaften am Istituto Storico Austriaco in Rom. Die wichtigsten Übersichtswerke<br />
zur Geschichte der Trinitarier sind: Anthony O. D’ERRICO, The Trinitarians,<br />
o.O. o.J. [Rom 2002], Thierry KNECHT, Les Trinitaires. Huit siècles d’ histoire, Saint-<br />
Michel 1993; die <strong>Befreiung</strong>stätigkeit speziell behandelt umfassend: Bonifacio PORRES<br />
ALONSO, Libertad a los cautivos. Actividad redentora da la Orden Trinitaria, Córdoba-<br />
Salamanca 1997/1998 (2 Bände), zwei aufschlussreiche Sammelbände sind weiters: Giulio<br />
Cipollone (Hg.), La Liberazione dei ‚Captivi‘ tra Christianità e Islam. Oltre la Crociata e il<br />
¢ihád. Tolleranza e servizio umanitario, Città del Vaticano 2000 (Collectanea Archivi<br />
Vaticani 46), Marisa Forcina, Nicola Rocca (Hg.), Tolleranza e convivenza tra Cristianità<br />
ed Islam. L’Ordine dei Trinitari (1198–1998), Lecce 1998. Die wichtigste Literatur zur<br />
Geschichte des Trinitarierordens in der Habsburgermonarchie ist: Moritz GMELIN, Die<br />
Trinitarier oder Weißspanier in Österreich, in: Österreichische Vierteljahresschrift für<br />
katholische Theo logie 10 (1871), S. 339–406; Richard von KRALIK, Geschichte des Trini -<br />
tarierordens. Von seiner Gründung bis zur seiner zweiten Niederlassung in Österreich,<br />
Wien–Innsbruck–München o.J. (um 1920); Quirin DE LEEUW, Die Trinitarier. Ein alter<br />
Orden mit jungem Herzen, Mödling 1984; Ruth KOBLIZEK, Die erste Niederlassung des<br />
Ordens der unbeschuhten Trinitarier in Wien, Wien (geisteswissenschaftliche Diplomarbeit)<br />
1995; Franz BUHL, Die Wiederkehr der Trinitarier nach Österreich, Wien (theologische<br />
Diplomarbeit) 1997.
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zugsbewegung entstanden und zugleich ein Teil jener christlichen Erneuerungsbewegung,<br />
die im 12. und 13. Jahrhundert Europa erfasst und auch<br />
so bedeutende Reformorden wie die Franziskaner, Dominikaner oder<br />
Zisterzienser hervorgebracht hatte. 2<br />
Der Trinitarierorden und seit 1223 auch der Mercedarierorden widmeten<br />
sich dabei von ihrer Gründung an dem aufgrund der „Kreuzzüge“<br />
verstärkt auftretenden Problem der Gefangennahme von Christen durch<br />
Muslime bei kriegerischen Auseinandersetzungen, indem sie sich um die<br />
<strong>Befreiung</strong> der Betroffenen, im Allgemeinen durch Lösegeldzahlung oder<br />
Gefangenen<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch, bemühten. Vor ihrer Existenz waren zwar auch<br />
schon immer wieder Gefangene, besonders Personen von höherem Rang<br />
und Ansehen freigekauft oder <strong>aus</strong>get<strong>aus</strong>cht worden, aber es hatte, zu -<br />
mindest im christlichen Bereich, keine Organisationen gegeben, die sich<br />
vorrangig dieser Aufgabe angenommen hätten. Die bis ins Hochmittel -<br />
alter relativ geringe Beachtung dieser Problematik, die lange auch die<br />
Muslime betraf, steht dabei in auffallendem Ge gensatz zur Entwicklung<br />
im Judentum, wo, wohl schon aufgrund der Mino ritäten-Situation und<br />
der daher stärkeren inneren Solidarität, die <strong>Befreiung</strong> von gefangenen<br />
Glaubensgenossen <strong>aus</strong> der Gewalt von „Ungläubigen“ seit der Antike<br />
eine bedeutende Tradition hatte. 3<br />
Die Entwicklung des Trinitarierordens<br />
bis ins 17. Jahrhundert<br />
Für alle drei „Religionen des Buches“ scheint der Hauptgrund der <strong>Befreiung</strong><br />
„ihrer“ Gefangenen in der Absicht zu liegen, sie vor der Apostasie,<br />
dem Abfall vom jeweiligen eigenen Glauben im Feindesland zu bewahren.<br />
So ging es vorrangig darum, die Seelen jener Gefangenen zu retten,<br />
und erst zweitrangig um die „irdische“, körperliche <strong>Befreiung</strong> der Betrof-<br />
2 Vgl. Peter Dinzelbacher, James Lester Hogg (Hg.), Kulturgeschichte der christlichen<br />
Orden in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1997.<br />
3 Vgl. Yvonne FRIEDMANN, The „Great Precept“ of Ransom. The Jewish Perspective,<br />
in: Cipollone (Hg.), Liberazione dei ‚Captivi‘ (wie Anm. 1), S. 161–165. Die Autorin verweist<br />
auch auf die besondere Stellung der kollektiven „<strong>Gefangenschaft</strong>“ als traumatische<br />
Erfahrung in der jüdischen Geschichte.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
fenen und ihre Rückführung in die eigene Gesellschaft. 4 Denn der<br />
Umstand der Unfreiheit allein galt noch nicht als ein <strong>aus</strong>reichender<br />
Grund, jemanden „erlösen“ zu müssen, lebte doch der Großteil der Be -<br />
völkerung in den mittelalterlichen Gesellschaften in verschiedenen Varianten<br />
und Graden der Abhängigkeit. Dem Trinitarierorden ging es so<br />
auch nicht darum, den europäischen Sklavenhandel insgesamt in Frage zu<br />
stellen, der seit dem 8. Jahrhundert wieder zugenommen hatte und vorwiegend<br />
Menschen <strong>aus</strong> Osteuropa betraf, die über die reichen Handelszentren<br />
des südlichen und westlichen Europa nach Ägypten und den<br />
Nahen Osten weiterverkauft wurden. 5 Denn obwohl es seit dem Konzil<br />
von Venedig im Jahr 1179 Juden verboten war, Christen als Sklaven zu<br />
halten oder an Muslime zu verkaufen, galt dieses Verbot nicht für die<br />
lateinisch-katholischen Christen selbst, und mit versklavten, meist slawisch-orthodoxen<br />
Christen wurde ein schwunghafter Handel in den Vorderen<br />
Orient und nach Nordafrika betrieben. 6<br />
Der neu gegründete Orden beschränkte sich als römisch-katholische<br />
Ge meinschaft zunächst auf die <strong>Befreiung</strong> katholischer Gefangener,<br />
wobei bald die einzelnen Ordensprovinzen für die Zurückholung von<br />
Verschleppten <strong>aus</strong> ihrer Gegend hauptverantwortlich wurden. Sehr<br />
rasch, nämlich noch im Jahr 1198, geschah mit der Bulle „Operante di -<br />
vinae dispositionis“ die päpstliche Approbation der neuen geistlichen<br />
Gemeinschaft. 7 Die dabei bestätigten Re geln waren vom Bischof von<br />
Paris, Odo von Sully, und dem Abt von St. Victor in Paris, Absalon, verfasst<br />
worden, was darauf hinweist, dass von Beginn an erhebliche Unterstützung<br />
der hohen Geistlichkeit für dieses neue, der caritas gewidmete<br />
Projekt vorlag. 8 Aufgrund enger Beziehungen zu den Augustiner-Chorherrn<br />
von St. Victor wurden die Trinitarier zunächst auch den Augustiner-Chorherren<br />
zugerechnet, schon bald aber war ihr Status der eines<br />
Mendikanten-Ordens. 9 Johannes de Matha wurde nach der Bestätigung<br />
4 Vgl. hierzu, für den christlichen Bereich, Joannes a S. FELICE, Triumphus Misericordiae,<br />
id est Sacrum Ordinis SSS. Trinitatis Institutum Redemptio Captivorum [...], Wien<br />
1704, S. 116.<br />
5 2 Vgl. Uwe WESEL, Geschichte des Rechts, München 2001, S. 310 f.<br />
6 Vgl. WESEL, Recht (wie Anm. 5), S. 311.<br />
7 Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 1), S. 5.<br />
8 Vgl. Georg DENZLER, Carl ANDRESEN, Wörterbuch Kirchengeschichte, München<br />
1997, S. 593.<br />
9 Vgl. Kurt Galling (Hg.), Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6, Tübingen<br />
31962, S. 1041.<br />
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354 Elisabeth Pauli<br />
des Ordens sogleich mit Aufgaben im Kirchenstaat betraut, sodass nicht<br />
er, sondern die beiden englischen Trinitarier John Anglik und William<br />
Scot die erste „Redemption“ (also „Erlösung“), wie die konkreten Unternehmungen<br />
zur Gefangenenbefreiung genannt wurden, durchführten.<br />
Mit einem Empfehlungsschreiben von Papst Innozenz III. an „Miramolin“,<br />
den damaligen König von Marokko, machten sich die beiden schon<br />
1199 auf den Weg nach Nordafrika und feierten einen großen Erfolg, als<br />
sie wenig später mit 186 befreiten Christen wieder in Marseille an Land<br />
gingen. 10 Während sich Jo hannes de Matha in der Folge eher den Re -<br />
demptionsaktivitäten widmete, organisierte Felix de Valois Seelsorge und<br />
Krankenpflege für die Befreiten, indem er „Häuser der Barmherzigkeit“<br />
gründete. Im Jahr 1209 existierten insgesamt bereits 30 Niederlassungen<br />
des Ordens, wobei zehn davon mit einem derartigen Hospital <strong>aus</strong>gestattet<br />
waren. 11 Die Rechtmäßigkeit des Ordens wurde durch Papst Hono -<br />
rius III. 1217 abermals bestätigt, außerdem wurde allen Bischöfen und<br />
Prälaten geraten, seine Ausbreitung zu unterstützen, was dieselbe sicher<br />
erleichterte. Der Höhepunkt der Ausdehnung war im 15. Jahrhundert<br />
mit angeblich 800 Niederlassungen erreicht. 12<br />
Hierauf folgte ein gewisser „Niedergang“, wie er ja im Ordenswesen<br />
jener Zeit generell zu beobachten war. Die Trinitarier zählten nun zu den<br />
„etablierten“ Ordensgemeinschaften, und sowohl die konkreten Ziele der<br />
Gefangenenbefreiung als auch die – wegen des Charakters als Bettelorden<br />
– strenge religiöse Disziplin wurden vielfach vernachlässigt. Im Spätmittelalter<br />
bestanden Ordensniederlassungen in Frankreich, Spanien,<br />
Flandern, Luxemburg, Portugal, Italien, England, Schottland, Irland,<br />
Griechenland und Palästina. 13 In Frankreich hatte die Anteilnahme<br />
König Ludwigs IX., des Heiligen, der 1250 von den Trinitariern <strong>aus</strong> muslimischer<br />
<strong>Gefangenschaft</strong> freigekauft worden war, zu einem besonders<br />
großen Erfolg des Ordens beigetragen. 1259 stiftete Ludwig das berühmte<br />
Kloster Fontainebleau und schenkte den Trinitariern einen „Dorn <strong>aus</strong><br />
der Dornenkrone Jesu“; außerdem wurde er persönlich Mitglied des<br />
10 Vgl. Max HEIMBUCHER, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche,<br />
Bd. 1, Paderborn 31933, S. 450.<br />
11 Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (wie Anm. 1), S. 16.<br />
12 Vgl. Joseph HERGENRÖTHER, Franz KAULEN, Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon<br />
[...], Bd. 12, Freiburg 1901, S. 84–90.<br />
13 Vgl. GMELIN, Weißspanier (wie. Anm. 1), S. 345.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
Dritten Ordens der Trinitarier. 14 Wegen des Trinitarier klosters zum Hl.<br />
Mathurin in Paris nannte man den Orden in Frankreich im Übrigen auch<br />
Maturiner. Aber auch der Name „Eselsbrüder“ war bis ins Spätmittel -<br />
alter üblich, weil den Mönchen beim Sammeln von Spenden für ihre<br />
Aktivitäten zunächst nur die Fortbewegung auf Eseln, nicht aber auf<br />
Pferden gestattet war. Diese Einschränkung wurde aber bald durch einen<br />
Dispens von Papst Honorius III. aufgehoben. 15<br />
Aus nahe liegenden Gründen trachteten die Ordensmitglieder schon<br />
früh, direkt im Vorderen Orient sowie in Ost- und Südosteuropa Niederlassungen<br />
zu errichten. Während der Existenz der christlichen Kreuzfahrerstaaten<br />
bis zum Ende des 13. Jahrhunderts bestanden Stützpunkte der<br />
Trinitarier in Jerusalem, in Nazareth sowie vielleicht auch in Bethlehem.<br />
Danach gestaltete sich die Präsenz „vor Ort“ natürlich ungleich schwieriger.<br />
Auch im Einfluss bereich der orthodoxen Kirche waren dauerhafte<br />
Niederlassungen katholischer Geistlicher kaum möglich. Nach der Kirchenunion<br />
zwischen Papst Eugen IV. und dem byzantinischen Kaiser<br />
Johann VII. im Jahre 1441 wurde die Gelegenheit dazu von den Trinitariern<br />
aber rasch ergriffen und ein Or densh<strong>aus</strong> in Konstantinopel eingerichtet,<br />
das aber nur bis zur Eroberung der Stadt 1453 bestand.<br />
Die Ordensorganisation der Unbeschuhten Trinitarier<br />
Mit dem Konzil von Trient (1545–1563), das die zukünftige Gestalt der<br />
rö misch-katholischen Kirche für die konfessionelle Auseinandersetzung<br />
festlegte, wurde auch ein Umgestaltungsprozess bei den Orden in Gang<br />
gesetzt, der bei den meisten katholischen Ordensgemeinschaften Reformzweige<br />
entstehen ließ, welche die „älteren Oboedienzen“, also diejenigen<br />
Teile der Or densorganisationen, die am status quo festhalten wollten, oft<br />
in den Hintergrund drängten, manchmal – so auch bei den Trinitariern –<br />
fast gänzlich verdrängten.<br />
Sowohl in Frankreich als auch in Spanien entstanden im 16. Jahrhundert<br />
Reformzweige des Ordens; in Frankreich verlor sich diese Reformbewegung<br />
aber in drei verschiedenen Richtungen und konnte daher<br />
14 Vgl. KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 24–29.<br />
15 Vgl. HEIMBUCHER, Orden (wie Anm. 10), Bd. 1, S. 452.<br />
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356 Elisabeth Pauli<br />
außerhalb Frankreichs keinen Einfluss <strong>aus</strong>üben. 16 Grundlegend anders<br />
verlief die Reform des Ordens in Spanien, wo sie nach anfänglichen<br />
Schwierigkeiten von großem Erfolg gekrönt war. Der spanische Reformzweig<br />
stieg rasch zum dominierenden Teil innerhalb Spaniens auf und<br />
breitete sich ab dem späten 17. Jahrhundert auch außerhalb der Iberischen<br />
Halbinsel stark <strong>aus</strong>, insbesondere in Italien, Polen und der Habsburgermonarchie.<br />
„Motor“ der spanischen Reform war Juan Baptist de<br />
la Concepcion (1561–1613); angeregt durch die allgemeine innerkirch -<br />
liche Reformbewegung sowie bereits gegründete „Reformorden“ – wie<br />
Jesuiten, Theatiner und Barmherzige Brüder – wollte er seinen Orden an<br />
die „neuen Zeiterfordernisse“ anpassen, wobei dies vor allem durch eine<br />
Rückkehr zur Befolgung der ursprünglichen hochmittelalterlichen Or -<br />
densregel erreicht werden sollte, die in der Zwischenzeit in zahlreichen<br />
und wichtigen Punkten abgeändert worden war. Erst nach langen Aus -<br />
einandersetzungen innerhalb des Ordens und mit Unterstützung der<br />
schon „reformierten“ unbeschuhten Karmeliten sowie der Jesuiten ge -<br />
lang es ihm, seinen Reformansatz zumindest in einem Teil der bestehenden<br />
spanischen Trinitarierklöster zu verwirklichen. Der nach dem Verbot,<br />
andere Schuhe als Sandalen zu tragen, gleichfalls „unbeschuht“<br />
genannte Reformzweig bestand beim Tod seines Gründers 1613 <strong>aus</strong><br />
23 Klöstern. Vor allem die Werbung von Novizen an den berühmten<br />
Universitäten von Alcalá, Salamanca und Baeza sowie die Unterstützung<br />
eines der mächtigsten Politiker im Spanien Philipps III., des Grafen Lerma,<br />
hatte den entscheidenden Erfolg gebracht. 17 Der spanische Zweig der<br />
Unbeschuhten Trinitarier wurde zunächst 1599 von Papst Clemens VIII.<br />
mit der Bulle Ad militans ecclesiae regimen bestätigt; 1631 wurden neue<br />
Statuten approbiert und dem Reformzweig auch ein eigener General<br />
zugestanden, womit er kirchenrechtlich und administrativ vollständig<br />
vom Trinitarierorden der alten Observanz getrennt wurde. 18<br />
Dieser neue „Ordo Sanctissimae Trinitatis de Redemptione captivorum<br />
excalceatorum“ (teils auch: „... discalceatorum“) beschränkte sich<br />
zunächst auf Spanien, breitete sich bald aber auch in anderen katho -<br />
lischen Ländern <strong>aus</strong>. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts existierten<br />
16 Diese Ordenszweige erloschen schließlich während der französischen Revolution.<br />
Vgl. D’ERRICO, The Trinitarians (wie Anm. 1), S. 225–233.<br />
17 Vgl. Juan PUJANA, Hl. Johannes Baptist von der Empfängnis, Rom 1975, S. 5–56.<br />
18 Vgl. HEIMBUCHER, Orden (wie Anm. 10), Bd. 1, S. 452.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
schließlich sechs Provinzen, drei in Spanien, eine in Italien, eine in Polen<br />
und eine in der Habsburgermonarchie. Alle Klöster, auch die des Re -<br />
formzweigs, fielen aber – mit Ausnahme der Niederlassungen in Rom –<br />
zwischen dem Ende des 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts den politischen<br />
und sozialen Veränderungen zum Opfer, in Österreich dem „aufgeklärten<br />
Absolutismus“ (1783), in Frankreich der Revolution (1792/93),<br />
in Spanien den Säkularisierungsmaßnahmen durch die Liberale Partei<br />
(1835), in Polen den Russifizierungsmaßnahmen unter Zar Alexander II.<br />
(1863). Das einzige Ordensh<strong>aus</strong>, das durchgehend – bis heute – Bestand<br />
hatte, ist das römische Kloster „San Carlo alle quattro fontane“. 19<br />
Die Unbeschuhten Trinitarier legten besonderen Wert darauf, dass<br />
unter den Ordensmitgliedern möglichst Gleichheit herrsche; auf Titel<br />
musste gänzlich verzichtet werden. Ein mönchisches Leben in Mäßigung,<br />
in Armut, Keuschheit und Gehorsam, häufiger Kontemplation, aber<br />
auch intensiver gelehrter Bildung sollte optimale Bedingungen für die<br />
Durchführung des karitativen Ordensauftrags schaffen. Auch strikte<br />
Disziplinierung im sozialen Umgang gehörte zu den Erfordernissen. Die<br />
Trinitarier sollten sich – generell, und natürlich erst recht auf ihren<br />
<strong>Befreiung</strong>sfahrten im ‚Feindesland‘ – neutral und zurückhaltend verhalten:<br />
„[Die Brüder sollen] niemanden schief oder fixiert ansehen oder mit<br />
gerunzeltem Auge, [...] [sondern] ein ernstes, bescheidenes, freundliches<br />
Gesicht zeigen, den Blick auf die Erde oder das Kreuz gerichtet [...] nicht<br />
affektiert sprechen, [aber auch] keine Familiarität zeigen [...].“ 20<br />
Insbesondere auch die zwischenzeitlich wenig beachtete, schon in den<br />
ursprünglichen Regeln aber vorgesehene Dreiteilung aller Einkünfte<br />
wurde bei den reformierten Trinitariern wieder beachtet, 21 wie <strong>aus</strong> den<br />
erneuerten Ordensregeln hervorgeht, die Papst Urban VIII. 1631 erlassen<br />
hatte: „Alle Dinge, woher sie auch erlaubtermaßen kommen mögen, sind<br />
in drei gleiche Teile zu teilen, und so viel zwei Teile davon <strong>aus</strong>reichen,<br />
sollen davon Werke der Barmherzigkeit <strong>aus</strong>geführt werden, wie auch der<br />
mäßige Lebensunterhalt ihrer selbst [der Trinitarierbrüder] und der ihnen<br />
notwendigen Gehilfen [bestritten]. Der dritte Teil aber muss für die Erlö-<br />
19 Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 1), S. 15.<br />
20 KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 43.<br />
21 Vgl. Oktavian SCHMUCKI, Die Regel des Johannes von Matha und die Regeln des<br />
Franziskus von Assisi, in: Cipollone (Hg.), La Liberazione dei ‚Captivi‘ (wie Anm. 1),<br />
S. 240.<br />
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sung der Gefangenen reserviert werden, die wegen des Christlichen Glaubens<br />
von den Heiden eingekerkert sind, und zwar für die Erlösung derselben<br />
mittels der Bezahlung eines vernünftigen Preises, oder auch durch<br />
den Freikauf gefangener Heiden für einen späteren vernunftgemäßen<br />
Aust<strong>aus</strong>ch, wobei ein Christ gegen einen Heiden, gemäß den Verdiensten<br />
und dem Stand der Personen, eingelöst werden soll.“ 22<br />
Die Vorschriften der Regula Primitiva wurden im Jahr 1676 durch ein<br />
Breve von Papst Clemens X. in Vielem ergänzt, wobei die detailreichen<br />
Constitutiones generales auch einige in den Ordensregeln gänzlich unerörtert<br />
gebliebene Thematiken behandelten: 23 So wurde, was die Sammlungstätigkeit<br />
betrifft, angeordnet, dass kein Ordensmitglied seine Stellung<br />
dazu nutzen dürfe, für Verwandte oder andere ihm nahe stehende<br />
Personen Almosen zu sammeln. Im Falle des Eintretens besonderer<br />
Bedürftigkeit von Familienangehörigen von Ordensleuten würde der<br />
jeweilige Provinzial (der Vorsteher der betroffenen Ordensprovinz)<br />
Unterstützungsleistungen veranlassen. 24 Auch die „Freizeitbetätigungen“<br />
wurden in den Constitutiones erörtert, wobei die vorgesehenen Beschränkungen<br />
– zumindest auf den ersten Blick – teils recht seltsam anmuten:<br />
„Bei der Rekreation sollen sich alle mit Mäßigkeit und ehrbarer Würde<br />
betragen. Es möge ein spiritueller Text gelesen werden, oder über eine<br />
solche Sache gesprochen, aber nur über unanstößige Dinge, nicht aber<br />
über Genealogien, Herkünfte, Nationen, Länder sowie Nachrichten und<br />
Gerüchte, die zur Erbauung und Vervollkommnung der Seelen unnütz<br />
sind. [...] Zu keiner Zeit dürfen unsere Religiosen Komödien oder andere<br />
Sch<strong>aus</strong>piele, seien es auch geistliche, aufführen.“ 25 Gerade der Hinweis<br />
22 Antonius a Conceptione (Hg.), Regula Primitiva et Constitutiones Patrum Discalceatorum<br />
Ordinis SS. Trinitati Redemptionis Captivorum, Rom 1851, S. 14: „Omnes res<br />
undecumque licite veniant, in tres partes dividant aequales, et in quantum duae partes sufficient,<br />
exequantur ex illis opera misericordiae, cum sui ipsorum, et eis necessario famulantium<br />
moderata sustentatione. Tertia vero pars reservetur ad Redemptionem Captivorum,<br />
qui sunt incarcerati pro Fide Christi a paganis, vel dato pretio rationabili pro redemptione<br />
ipsorum, vel pro redemptione paganorum captivorum, ut postea rationabili commutatione,<br />
et bona fide, redimatur Christianus pro pagano, secundum merita, et statum personarum.“<br />
23 Vgl. ebd., S. 25–225.<br />
24 Vgl. ebd., S. 54.<br />
25 Regula Primitiva (wie Anm. 22), S. 77: „In recreationibus omnes cum modestia et<br />
honesta gravitate se gerant. Legatur ibi res aliqua spiritualis, vel de illa agatur, et saltem de<br />
rebus indifferentibus; non vero de genealogiis, stirpibus, nationibus, patriis, nuntiis et<br />
rumoribus inutilibus ad aedificationem, et profectum animarum; […] Nullo tempore Religiosi<br />
nostri comoedias, aliosve actus, tametsi spirituales, agant“.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
auf die Begriffe der „Genealogien“ und „Herkünfte“ kann aber die In -<br />
ten tionen dieser Vorschrift schon deutlich machen: Unnützes Gerede<br />
oder eben gar „Vorrangstreitigkeiten“ zwischen Brüdern unterschied -<br />
licher sozialer, ethnischer oder geographischer Herkunft sollten unterbleiben.<br />
Auch über die vorgesehene Ausbildung der Ordensmitglieder machen<br />
die Constitutiones generales nähere Angaben, <strong>aus</strong> denen hervorgeht, dass<br />
für die Priester des Ordens eine insgesamt achtjährige Studiendauer vorgesehen<br />
war. Mit diesem „Rahmenprogramm“ für die Ausbildung der<br />
Priesterbrüder war ein für die Maßstäbe der Frühen Neuzeit zweifellos<br />
sehr hohes Anspruchsniveau gegeben. Die zentralen Anforderungen an<br />
die Lehrenden der ordenseigenen Kollegien, die natürlich selbst Trinitarier<br />
sein mussten, wurden in den Konstitutionen wie folgt beschrieben:<br />
„Der Pater General wähle die Lektoren der Philosophie wie der scholastischen,<br />
expositiven und moralischen Theologie, und dies möge ihnen<br />
sechs Monate vor dem Kurs mitgeteilt werden, damit sie sich vorbereiten,<br />
und er möge immer gelehrte, gehorsame und mit Liebe erfüllte Personen<br />
dazu bestimmen, die Lehre des Heiligen Thomas [von Aquin] zu lehren,<br />
und nicht unnütze oder gefährliche Fragestellungen.“ 26<br />
Auch Zulassungsbedingungen für die Aufnahme in den Orden fanden<br />
in die Konstitutionen Eingang, wobei hier besonders deutlich zum Ausdruck<br />
kommt, dass für die katholische Kirche der Frühen Neuzeit die<br />
Zugehörigkeit zu Judentum oder Islam als „Verbrechen“ galt – und zwar<br />
als so schwerwiegendes, dass sogar die Nachkommen derart „Unreiner“<br />
von einer Aufnahme in Eliten-Formationen, wie sie geistliche Orden darstellten,<br />
<strong>aus</strong>geschlossen blieben: „Es wird auch kein Neophyt zugelassen,<br />
und keiner, der in direkter Linie (in welchem Grad auch immer) von<br />
Juden, Mauren oder Maurisken abstammt, ebenso keiner, dessen Vorfahren<br />
in direkter Linie [...] wegen Verbrechen des Judaismus oder (Zugehörigkeit<br />
zu) Mohammedanischer Sekte von Inquisitoren [...] bestraft<br />
worden waren.“ 27<br />
26 Ebd., S. 121: „Pater Generalis eligat Lectores tam Philosophiae, quam Theologiae<br />
scholasticae, expositivae et moralis, praeveniatque eos sex mensibus ante Cursum, ut se<br />
praeparent, semperque deputet Personas doctas, observantes, amantes docere doctrinam<br />
Sancti Thomae, non quaestiones inutiles, seu periculosas.“<br />
27 Regula Primitiva (wie Anm. 22), S. 205: „Nec admittatur Neophytus; nec qui descenderit<br />
per lineam rectam (in quodlibet gradu) a Judaeis, Mauris, vel Mauriscis; nec ullus,<br />
cuius Praedecessores per lineam etiam rectam [...] ob Judaismi, vel sectae Mahometanae<br />
crimina puniti fuerint ab [...] Inquisitoribus.“<br />
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360 Elisabeth Pauli<br />
Dass dieselbe Regelung prinzipiell auch für Angehörige christlicher<br />
„Sekten“ und deren Nachkommen galt, geht <strong>aus</strong> einer Anmerkung hierzu<br />
hervor, und wurde in einem gesonderten Dekret von Papst Innozenz<br />
XII. <strong>aus</strong> dem Jahr 1692 nochmals betont. 28 Solche Beschränkungen galten<br />
im 17. und 18. Jahrhundert aber nicht nur für den Trinitarierorden,<br />
sondern waren durch das Papsttum in dieser oder ähnlicher Weise generell<br />
für alle Ordensgemeinschaften festgelegt worden. Zulassungskriterien<br />
betrafen nicht nur Aspekte der Konfession, sondern es gab auch eine<br />
ganze Reihe anderer Ausschlussgründe, insbesondere ansteckende oder<br />
schwere chronische Krankheiten, erhebliche Behinderungen sowie ehemalige<br />
oder bestehende Leibeigenschaft.<br />
Die Etablierung der Trinitarier in der Habsburgermonarchie<br />
Hintergrund der Niederlassung des Ordens in Österreich war der neuerliche<br />
Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und der Habsburgermonarchie<br />
ab 1683. Während der Großoffensive des osmanischen Heeres,<br />
welches in sehr kurzer Zeit die Reste des habsburgisch beherrschten<br />
Westungarns sowie be trächtliche Teile des östlichen Österreichs überrannte,<br />
wurden zehnt<strong>aus</strong>ende Einwohner der betroffenen Regionen getötet<br />
oder verschleppt, wobei insbesondere tatarische Hilfstruppen gezielt<br />
„Sklavenjagd“ betrieben. 29<br />
Noch vor der Niederlassung der Trinitarier in Österreich gelang aber<br />
ihre Etablierung in Polen; dort war die Bevölkerung im späten 17. Jahrhundert<br />
kontinuierlichen Überfällen <strong>aus</strong> den angrenzenden tatarischen<br />
Gebieten <strong>aus</strong>gesetzt. Aus diesem Grunde wurde der Trinitarierorden<br />
durch König Jan Sobieski III. selbst 1685 ins Land gerufen. Im Zuge der<br />
Gründung des polnischen Ordenszweiges reisten zwei Trinitarier durch<br />
Wien und sprachen hierbei den Wunsch <strong>aus</strong>, auch in Österreich eine Niederlassung<br />
errichten zu wollen. Nach der Fertigstellung der ersten trini-<br />
28 Vgl. ebd., S. 226–235.<br />
29 Allein in Hainburg wurden sämtliche über 8400 Einwohner entweder getötet oder<br />
verschleppt. Die Gesamtzahl der <strong>aus</strong> Niederösterreich und der Steiermark in die Sklaverei<br />
weggeführten Menschen wurde von Zeitgenossen auf über 80.000 geschätzt. Vgl. etwa<br />
Walter Kleindel et al. (Hg.), Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur, Wien 1995,<br />
S. 153–155.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
tarischen Niederlassung im pol nischen Lemberg wurde vom Orden auch<br />
ein Prokurator für Ordensgründungen in der Habsburgermonarchie<br />
bestellt. „Fürsprecher“ für die Ansiedlung des spanischen Reformzweigs<br />
der Trinitarier in Wien waren der päpstliche Nuntius Francesco Buon -<br />
visi, Graf Ferdinand Bonaventura Harrach (1637–1706), der damalige<br />
Botschafter Österreichs in Spanien, und dessen Gemahlin Johanna,<br />
sowie Kardinal Leopold Karl Graf Kollonitsch (1631–1707), Erzbischof<br />
von Kálocsa und Primas von Ungarn, der selbst bereits verschiedentlich<br />
einen Gefangenen<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch zwischen den Kriegsparteien initiiert hatte. 30<br />
Zunächst wurde auf Anraten von Kollonitsch erwogen, das Haupth<strong>aus</strong><br />
im Habsburgerreich in Ungarn zu errichten und in Wien nur ein<br />
kleineres Hospiz, damit sich die Zentrale einer künftigen Ordensprovinz<br />
näher am Kriegsgeschehen befände; diese Idee wurde jedoch wieder verworfen.<br />
31 Obwohl das öffentliche Klima für die Trinitarier in Österreich<br />
angesichts der geschilderten Umstände in den 1680er Jahren sehr günstig<br />
war, verzögerten administrative Probleme und politische Gegnerschaften<br />
die Etablierung des Ordens in Wien zunächst: Das erste Ansuchen um<br />
Niederlassungserlaubnis in Wien wurde von den landesfürstlich-habsburgischen<br />
Behörden sowie vom Magistrat der Stadt Wien abgelehnt,<br />
und zwar mit der Begründung, dass in der Hauptstadt schon eine zu hohe<br />
Dichte an katholischen Orden bestünde. Allerdings war die Sache damit<br />
noch nicht abgetan, sondern wurde von Seiten des Trinitarierordens dem<br />
Fürstbischof von Wien, Ernest Graf Trautson (1633–1702), einem Befürworter<br />
der Ordensziele, vorgetragen, welcher daraufhin ein förmliches<br />
Gutachten in dieser Sache von den bereits in Wien ansässigen Orden einholte.<br />
Hierbei waren es vor allem die Jesuiten, die Karmeliter-Barfüßer<br />
und die Kapuziner, die sich für die Niederlassung der Trinitarier in<br />
Österreich <strong>aus</strong>sprachen. 32<br />
Am 19. November 1688 wurde schließlich der endgültige landesfürstliche<br />
Konsens erteilt. Auch die Suche nach einer geeigneten Lokalität für den<br />
Orden gestaltete sich schwierig; ein Haupthindernis war dabei, dass die Trinitarier,<br />
die anfangs alle Spanier waren und noch kaum Deutsch sprachen,<br />
die pfarrliche Seelsorge in einem Pfarrsprengel zunächst nicht übernehmen<br />
30 Vgl. KRALIK, Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 58.<br />
31 Vgl. ebd.<br />
32 Vgl. Mathias FUHRMANN, Historische Beschreibung und kurz gefasste Nachricht<br />
von der Römisch. Kaiserlich und Königlichen Residenz-Stadt Wien und ihren Vorstädten,<br />
Wien 1766, Teil 2, Bd. 1, S. 514 f.<br />
361
362 Elisabeth Pauli<br />
konnten. Schließlich fanden die Ordensbrüder ein geeignetes Grundstück in<br />
der Alßherr-Gassen (heute: Alsergasse). 33 Schon im Jahr 1689 lebten 13 Or -<br />
densbrüder, allesamt Spanier oder Italiener, im neuen Ordensh<strong>aus</strong>. Aufgrund<br />
ihrer nationalen Herkunft und des auffälligen Ordenskleides wurden<br />
die Trinitarier volkstümlich bald „Weißspanier“ genannt. 34<br />
In der Folge trachtete der Orden, rasch ein „Netz“ von – allerdings<br />
kleiner dimensionierten – Ordenshäusern in der Habsburgermonarchie<br />
anzulegen, wobei nahe liegender Weise vor allem an den zentralen Verkehrswegen<br />
Richtung Ost- und Südosteuropa ordenseigene Niederlassungen<br />
installiert wurden, zweifelsohne um für die zu unternehmenden<br />
Gefangenenbefreiungsaktionen sichere und auch kostengünstige Reisestationen<br />
zu schaffen, denn bei den Rückreisen mussten eventuell ja nicht<br />
nur die <strong>aus</strong>führenden Patres selbst, sondern auch dutzende oder gar hunderte<br />
befreite Gefangene versorgt werden.<br />
Von den insgesamt 17 Ordenshäusern, die der „Deutschen Ordensprovinz“<br />
des Unbeschuhten Trinitarierordens bis zu ihrer Auflösung<br />
1783 an gehörten, lagen neun, also mehr als die Hälfte, im Königreich<br />
Ungarn, eines im 1718 bis 1739 „österreichischen“ Belgrad, eines in Konstantinopel,<br />
vier in Böhmen und Mähren und nur zwei in den „österreichischen<br />
Erblanden“. Im Jahr 1728, als das Generalkapitel des Ordens in<br />
Rom beschloss, die Klöster im habsburgischen Gebiet zu einer eigenständigen<br />
Provinz mit dem Titel „St. Joseph“ zusammenzufassen, be -<br />
standen 12 Ordenshäuser; 35 nach 1728 traten noch fünf weitere Niederlassungen<br />
hinzu. 36 Abgesehen vom Konvent in Belgrad bestanden alle<br />
33 Vgl. FUHRMANN, Historische Beschreibung (wie Anm. 32), Teil 2, Bd. 1, S. 517.<br />
34 Vgl. GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 1). Man kannte daneben auch die „Schwarzspanier“,<br />
womit der Orden der spanischen Benediktiner von Montserrat gemeint war.<br />
35 Vgl. Joannes a S. FELICE, Annalium Provinciae Sancti Josephi Ordinis Excalceatorum<br />
Sanctissimae Trinitatis Redemptionis Captivorum Libri Decem, [...], Wien 1739, S. 814 f.<br />
Die polnischen Ordenshäuser, die mit den österreichischen in einem engen Naheverhältnis<br />
standen, wurden 1726 zur Provinz St. Joachim zusammengefasst. Im polnischen Königreich<br />
bestanden folgende Konvente und Klöster: Warschau, Krakau, Krotoszyn, Lublin<br />
und Tomaszow im heutigen Polen, Lemberg, Lwow, Stanislaw, Luzk, Kremenec, Berestetschko<br />
und Kamenec-Poselski in der heutigen Ukraine, Brest, Witebsk, Orscha und<br />
Mlodetschko im heutigen Weißrußland, sowie Vilnius im heutigen Litauen. Vgl. de LEEUW,<br />
Trinitarier (wie Anm. 1), S. 21.<br />
36 Kralik nennt noch eine Niederlassung der Trinitarier, welche in den 1780er Jahren<br />
von Österreich <strong>aus</strong> in Preußen – nämlich in „Emmerich“ – etabliert worden sei. Vgl. KRALIK,<br />
Trinitarierorden (wie Anm. 1), S. 69. Zur Grazer Niederlassung vgl. bes. Helga SCHULLER,<br />
Das Kloster der Trinitarier zu Graz, in: Blätter für Heimatkunde 53 (1979), S. 77 f.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
diese – umseitig mit den jeweiligen Gründungsdaten aufgelisteten – Nieder<br />
lassungen bis zur Aufhebung des Ordens in der Habsburger -<br />
monarchie im Jahr 1783.<br />
Konvente und Residenzen des Trinitarierordens<br />
in der Habsburger monarchie 1688–1783<br />
Ort Region heute in Gründungsjahr<br />
Status 1728<br />
Wien Österreich Österreich 1688/89 Mutterh<strong>aus</strong> der<br />
ProvinzA Illava Oberungarn Rumänien 1695 Größerer Konvent<br />
Pressburg/<br />
Bratislava<br />
Oberungarn Slowakei 1697 Größerer Konvent<br />
Prag/Praha Böhmen Tschechien 1707 Größerer Konvent<br />
Tyrnau/Trnava Oberungarn Slowakei 1712 Größerer Konvent<br />
Komorn/Komá- Ungarn Ungarn/ 1714 Konvent<br />
rom/Komárno Slowakei<br />
Belgrad/Beograd Nordserbien Serbien 1718B Konvent<br />
Zaschau/Zasová Mähren Tschechien 1724 Konvent<br />
Karlsburg/<br />
Alba Julia<br />
Siebenbürgen Rumänien 1716 Niederlassung<br />
Erlau/Eger/Agria Ungarn Ungarn 1717 Niederlassung<br />
Pera<br />
(Konstantinopel)<br />
Osm. Reich Türkei 1723 Niederlassung<br />
Sárospatak Ungarn Ungarn 1728 Niederlassung<br />
Ofen/Buda Ungarn Ungarn 1738 (spätere<br />
Niederlassung)<br />
Holleschau/ Mähren Tschechien 1748 (spätere<br />
Holesov Niederlassung)<br />
Maria-Eich Ungarn Ungarn 1749 (spätere<br />
Niederlassung)<br />
Stienowitz/ Böhmen Tschechien 1753 (spätere<br />
Stfnovice Niederlassung)<br />
Graz Steiermark Österreich 1756 (spätere<br />
Niederlassung)<br />
A Von Wien <strong>aus</strong> begannen die Redemptionen gewöhnlich und hier endeten sie meist auch<br />
feierlich.<br />
B Der Konvent musste 1739, als die Stadt wieder an die Osmanen fiel, aufgegeben werden.<br />
363
364 Elisabeth Pauli<br />
Die Gefangenenbefreiungen durch die österreichischen<br />
Trinitarier („Redemptionen“)<br />
Über den konkreten Ablauf der von den Trinitariern durchgeführten<br />
<strong>Befreiung</strong>sfahrten, der so genannten „Redemptionen“, haben sich betreffend<br />
den österreichischen Raum zwei zentrale Quellenbestände erhalten:<br />
zum einen <strong>aus</strong>führliche Berichte über die Redemptionen der Jahre 1690<br />
bis 1728, welche in den „Annales Provinciae St. Josephi“ des Trinitarierpaters<br />
Joannes a S. Felice (1676–1744), der selbst Redemptor war und<br />
einen Teil dieser <strong>Befreiung</strong>saktionen persönlich durchgeführt hatte, in<br />
lateinischer Sprache publiziert wurden; 37 zum anderen Redemptionsverzeichnisse,<br />
mit kurzen Begleittexten versehene „Rechenschafts- und Leistungsberichte“<br />
über die einzelnen <strong>Befreiung</strong>sunternehmen, in denen die<br />
jeweils „erlösten“ Christen mit Namen, be zahlter Lösegeldsumme und<br />
Ort des Freikaufs, vielfach auch mit Angaben zu Herkunft, Stand, Alter,<br />
u. ä. verzeichnet sind. 38 Anhand dieser Redemptionslisten lassen sich<br />
zwar nicht Details des Ablaufs der jeweiligen „Reisen“ rekonstruieren,<br />
wohl aber deren Eckdaten – Redemptor (verantwortlicher Trinitarierpater),<br />
Zeitspanne, Zielorte, Zahl der Befreiten, Gesamtsumme des Lösegeldes<br />
–, und es lässt sich ein ziemlich genaues Bild der sozialen Merkmale<br />
der Befreiten zeichnen. 39<br />
Die Durchführung von Redemptionsreisen soll im Folgenden anhand<br />
der in den „Annales Provinciae“ gut dokumentierten ersten zwölf <strong>Befreiung</strong>sfahrten<br />
der Jahre 1690 bis 1728 näher vorgestellt werden. In diesem<br />
Zeit abschnitt wurden viele der <strong>aus</strong> den habsburgischen Ländern verschleppten<br />
Menschen in Konstantinopel und den türkischen Küstenstädten<br />
gefangen gehalten, wohl noch mehr aber in den tatarischen Khanaten<br />
37 S. FELICE, Annales (wie Anm. 35).<br />
38 Bislang systematisch <strong>aus</strong>gewertet werden konnten die Redemptionslisten der Jahre<br />
1760 bis 1783: Giovanni Constanzo Caracciolo (Hg.), Catalogo de Christiani schiavi riscattati<br />
[...], Roma 1764, [Daniel a Resurrectione Domini], Verzeichniß der gefangenen<br />
Christen [...], Wien o.J. [1768/69], [Benedictus a S. Felice], Verzeichniß der gefangenen<br />
Christen [...], Wien o.J. [1771/72], [Bernardinus a Beata Virgine], Verzeichniß der gefangenen<br />
Christen [...], Wien o.J. [1773/74], [Bartholomeus a S. Nicolao], Catalogus Captivorum<br />
Christianorum [...], Wien o.J. [1776/77], [Anselmus a S. P. Joanne de Matha], Verzeichniß<br />
der Gefangenen Christen [...], Wien o.J. [1780/81], [Engelbertus a Matre Dei], Catalogus<br />
Christianorum [...], Wien o.J. [1783].<br />
39 Siehe dazu weiter unten.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
an der Schwarzmeerküste. Das lag daran, dass die meisten Betroffenen<br />
nicht vom osmanischen Hauptheer, das ja mit den eigentlichen Kriegsaktivitäten<br />
beschäftigt war, gefangen genommen worden waren, sondern<br />
von zu einem beträchtlichen Teil eben <strong>aus</strong> Tataren bestehenden Hilfstruppen<br />
von leichter Reiterei. Die Verschleppten wurden vor allem in die<br />
Gebiete Budschak, Jedisan, und Krim gebracht.<br />
Sowohl in den „Annales Provinciae Sancti Josephi“ als auch in dem<br />
ebenfalls vom Trinitarierpater Joannes a San Felice verfassten „Triumphus<br />
Misericordiae“ von 1704 werden „Turcia“ und „Tartaria“ auch<br />
sehr <strong>aus</strong>führlich topographisch und ethnographisch beschrieben. 40 Die<br />
dabei vorgenommene Beurteilung fällt für die Türken als „Erbfeinde<br />
christlichen Namens“, 41 noch mehr aber für die Tataren nicht gerade<br />
günstig <strong>aus</strong>, sondern bestätigt die damals in Europa, insbesondere aber in<br />
den von den wechselseitigen Kriegshandlungen direkt betroffenen Regionen<br />
Mittel- und Südeuropas, ohnehin vorherrschende Meinung, dass es<br />
sich bei diesen Völkern um besonders gr<strong>aus</strong>ame, skrupellose, unberechenbare,<br />
wollüstige Menschen handle; es gibt kaum einen Lebens -<br />
bereich, zu dem ein abschätziges Urteil für die entsprechenden „Sitten“<br />
der Türken und Tataren fehlen würde. 42<br />
Neben der ideologischen und politischen Konfrontationslage zwischen<br />
Habsburgermonarchie und Osmanischem Reich und den sie be -<br />
gleitenden Stereotypen ist bei der Frage nach dem Zustandekommen<br />
dieser Sichtweise wohl auch in Rechnung zu stellen, dass die Trinitarierpatres<br />
auf ihren Reisen vor allem mit berufsmäßigen Sklavenhaltern und<br />
Sklavenhändlern zu tun hatten, die schon aufgrund ihrer Profession wohl<br />
nur selten jenem Ideal der Nächstenliebe verpflichtet waren, welches die<br />
Geistlichen in ihrer Tätigkeit zu befördern trachteten. Für die Erhärtung<br />
seiner Behauptung, dass die allermeisten Tartaren von „bösem“ Charakter<br />
wären, bedient sich Pater Joannes aber nicht nur moralischer Argumente,<br />
sondern auch der Kontrastierung von körperlichen Merkmalen:<br />
„Ihre gesamte Physiognomie unterscheidet sich schließlich völlig von<br />
jener der Christen; sie sind sehr ähnlich den amerikanischen Indern, die<br />
40 S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. FELICE, Triumphus Misericordiae (wie Anm. 4).<br />
41 Vgl. Maximilian GROTHAUS, Der ‚Erbfeindt christlichen Namens‘. Studien zum Türken-Feindbild<br />
in der Kultur der Habsburgermonarchie zwischen 16. und 17. Jahrhundert,<br />
Graz (geisteswissenschaftliche Dissertation) 1986.<br />
42 Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 157–168.<br />
365
366 Elisabeth Pauli<br />
am Fluss Maragonia wohnen, und jenen, die Kariben oder Kannibalen<br />
genannt werden.“ 43<br />
Auch die topographischen Gegebenheiten in der damaligen „Tar tarei“<br />
werden sehr <strong>aus</strong>führlich beschrieben, was insofern von besonderem Interesse<br />
ist, da den Trinitariern bei ihren Redemptionsreisen von osmanischen<br />
und tatarischen Amtsträgern des Öfteren der Vorwurf gemacht wurde, dass<br />
sie deren Gebiete auch für militärische Zwecke <strong>aus</strong>kundschaften würden.<br />
Angesichts der sehr detailreichen Schilderungen der „Annales“, die auch<br />
Angaben zu Befestigungsanlagen, Häfen, der Anzahl der Häuser und Einwohner<br />
größerer Orte u. ä. beinhalten, 44 kann die These, dass die Reisen<br />
der Patres zumindest indirekt auch der „Spionage“ dienten, nämlich durch<br />
die Weitergabe der von ihnen gesammelten Informationen an interessierte<br />
Stellen im habsburgischen Staatswesen, wohl kaum entkräftet werden, und<br />
dies umso weniger, als der Trinitarierorden ja enge Kontakte mit der österreichischen<br />
Botschaft in Konstantinopel, mit den Wiener Regierungsbehörden<br />
und insbesondere mit dem Hofkriegsrat unterhielt.<br />
Am meisten und unmittelbarsten dienten diese Beschreibungen aber<br />
sicherlich dem Orden selbst, besonders künftigen Redemptoren. Die<br />
gefährlichen und beschwerlichen Reisen führte der „Pater Redemptor“<br />
meist gemeinsam mit einem Begleiter und Helfer <strong>aus</strong> den Reihen des<br />
Ordens, dem so genannten „Socius“ <strong>aus</strong>. Die Reiseroute führte gewöhnlich<br />
zuerst nach Osten über das relativ sichere, habsburgisch beherrschte<br />
Oberungarn (am Weg befanden sich schon bald etliche Ordensnieder -<br />
lassungen), dann entweder in die Moldaufürstentümer, nach Jassy,<br />
Fokschani u. a., und weiter ostwärts in den Budschak, oder aber zuerst<br />
südwärts nach Siebenbürgen über Kl<strong>aus</strong>enburg, Karlsburg, Kronstadt,<br />
und danach in die „Große Walachei“, nach Tergovist und/oder Bukarest<br />
zum dortigen christlich-orthodoxen Groß fürsten, der in politischer<br />
Abhängigkeit zum Sultan stand. Der Großfürst der Walachei, Constantin<br />
II. Brankowan (reg. 1688–1714), war dessen ungeachtet einer der<br />
größten Förderer der „österreichischen“ Trinitarier: Er unterstützte –<br />
ab der <strong>Befreiung</strong>sreise von 1698 – die Trinitarier sehr und versah die<br />
Redemptoren bei Bedarf mit Empfehlungsschreiben und Wachen, stellte<br />
Unterkunft und Verpflegung und vermittelte vertrauenswürdige Über-<br />
43 Ebd., S. 159: „Toto denique coelo physiognomia eorum a Christianis dissidet; similimi<br />
sunt Indis Americanis circa Maragonium fluvium habitantibus, hisque, qui Caraibes,<br />
sive Cannibali appellantur.”<br />
44 Ebd., bes. S. 148–158.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
setzer. 45 Schon bei der ersten von Wien <strong>aus</strong> veranstalteten Redemptionsreise,<br />
jener von 1690/91, hatte in ähnlicher Weise der christliche Statthalter<br />
von Moldau zum Gelingen des Unternehmens beigetragen. 46 In einem<br />
moldauischen Grenzort konnte bei der ersten <strong>Befreiung</strong>sreise auch ein<br />
erheblicher Teil des mitgeführten Lösegeldes deponiert werden, bis es zur<br />
Gefangenenübergabe kam. Vor dem Betreten der tatarischen Gebiete<br />
wurden meist durch Boten Erkundigungen eingeholt, unter anderem<br />
darüber, ob es für die Redemptoren überhaupt ohne akute Lebensgefahr<br />
möglich sei, sich zu Verhandlungen dorthin zu begeben. Während der<br />
Kriegshandlungen des Jahres 1698 etwa hatten die osmanischen und<br />
tatarischen Gesandten am Hof des walachischen Groß fürsten explizit<br />
von einer solchen Reise abgeraten, die über Mittelsmänner losgekauften<br />
Gefangenen wurden den Patres in der Walachei übergeben. 47<br />
Wenn die osmanischen und/oder tatarischen Gebiete tatsächlich<br />
betreten wurden, konnten die <strong>Befreiung</strong>sunternehmen auch über ein Jahr<br />
dauern, da nur sehr vorsichtig und unter genauer Berücksichtigung der<br />
politischen und sozialen Verhältnisse vorgegangen werden konnte. Insbesondere<br />
die Tartaren-Gebiete waren ein sehr schwieriges, undurchsichtiges<br />
Terrain, da sie zwar Vasallenstaaten des Osmanischen Reiches<br />
waren, aber eine relativ eigenständige Politik betrieben, sodass für den<br />
Umgang mit Fremden und Andersgläubigen dort weit weniger Verbindlichkeiten<br />
bestanden als im Os manischen Reich selbst. Einen besonders<br />
deutlichen Einblick in diese Um stände gibt die Beschreibung der dritten<br />
Redemption der österreichischen Trinitarier in den Jahren 1692/93, die<br />
die Ordensleute erstmals in die Krim führte. Dieses <strong>Befreiung</strong>sunternehmen<br />
entwickelte sich für den Redemptor, P. Maurus a Conceptione, und<br />
seinen Socius, P. Michael a SS. Sacramento, zu einem wahren Labyrinth<br />
von Korruption, Erpressung und Willkür, <strong>aus</strong> dem die beiden nach mehreren<br />
gegen sie gerichteten fremdenfeindlichen Angriffen und mehrmonatiger<br />
Gefängnishaft nur mit Müh und Not, unter Aufbietung diplomatischer<br />
Maßnahmen bis hin zur Einschaltung des polnischen Königs und<br />
des Kaisers selbst, wieder entkamen, mit dem bescheidenen, aber doch<br />
vorhandenen Ergebnis der <strong>Befreiung</strong> von 34 auf der Krim gefangen<br />
gehaltenen Christen. 48<br />
45 Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 243–248.<br />
46 Vgl. ebd., S. 100 f.<br />
47 Vgl. ebd., S. 247 f.<br />
48 Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 124–148.<br />
367
368 Elisabeth Pauli<br />
Die Rückreise der Trinitarier mit den befreiten Gefangenen erfolgte<br />
üblicherweise über Siebenbürgen und Oberungarn. Die <strong>aus</strong> diesen Regionen<br />
stammenden Befreiten wurden gleich in ihre Heimatgebiete „ent -<br />
lassen“, die übrigen zogen mit den Redemptoren weiter nach Wien, wo<br />
Trini tarier und Befreite stets „ingenti hominum appl<strong>aus</strong>u & laetitia“,<br />
„unter riesigem Appl<strong>aus</strong> und Freude der Menschen“, empfangen wurden.<br />
Aus Anlass der gelungenen <strong>Befreiung</strong> wurde gemäß der Tradition des<br />
Ordens in Wien eine große Dankprozession durchgeführt. 49 Oft wurden<br />
bei diesen spektakulären Feierlichkeiten die vom Orden Befreiten von als<br />
Engel verkleideten Kindern flankiert, die als Symbol der ehemaligen<br />
<strong>Gefangenschaft</strong> die Befreiten während des Umzugs mit goldenen Ketten<br />
fest hielten.<br />
Nach der ersten Redemption wurden in einer Broschüre „zur Nachricht<br />
an die Nachwelt“ Namen, Alter, Herkunft, Geschlecht, Stand und<br />
Lösegeld der Befreiten in drei Sprachen, nämlich Latein, Deutsch und<br />
Spanisch, beschrieben, eine Maßnahme der „Öffentlichkeitsarbeit“, die<br />
in der Folge fortgesetzt wurde. Leider konnten bislang nicht für alle<br />
<strong>Befreiung</strong>sfahrten der österreichischen Ordensprovinz Redemptionslisten<br />
aufgefunden werden. So liegen für die ersten fünf Redemptionen, die<br />
in den 1690er Jahren stattfanden, bislang nur die zusammenfassenden<br />
Angaben vor, welche in den Annales Provinciae enthalten sind: Die<br />
Anzahl der freigekauften Christen war hierbei durchwegs noch relativ<br />
gering und belief sich auf insgesamt etwa 150 Personen; darunter waren<br />
mehrere Dutzend im Krieg in <strong>Gefangenschaft</strong> geratene Soldaten des kaiserlichen<br />
Heeres, aber auch andere Verschleppte, einschließlich Frauen<br />
und Kinder, <strong>aus</strong> den verschiedensten Teilen der Habsburgermonarchie<br />
und – was vor allem Soldaten betraf – des Heiligen Römischen Reiches. 50<br />
Besonders erfolgreich in quantitativer Hinsicht waren aber in der Folge<br />
gemeinsame Unternehmungen österreichischer Gesandtschaftsdelegationen<br />
und der Trinitarier. Anlässe dazu waren die beiden Friedensschlüsse<br />
von Karlowitz 1699 und Passarowitz 1718. Das hinsichtlich des<br />
Rechtsstatus von Kriegsgefangenen in den Auseinandersetzungen zwischen<br />
dem Osmanischen Reich und den christlichen Staaten Bahn bre-<br />
49 Vgl. ebd., S. 101.<br />
50 Explizit genannt werden die Regionen: Böhmen, Bayern, Belgien, Brandenburg,<br />
Franken, Mähren, Österreich (im engeren Sinn des Erzherzogtums), Sachsen, Steiermark,<br />
Schwaben, Ungarn, Vogtland und Westfalen. Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 96,<br />
S. 116, S. 146 f.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
chende Vertragswerk von Karlowitz enthielt erstmals auch klare Vereinbarungen<br />
für eine verpflichtende wechselseitige Entlassung der Gefan -<br />
genen gegen Lösegeldzahlung oder durch Gefangenen<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch nach<br />
Abschluss eines Friedensvertrags. 51 So konnten bei den „großen Re -<br />
demptionen“ der Jahre 1699/1700 und 1719/20 durch die Trinitarier<br />
allein etwa 1000 Menschen – diese Male vor allem in Konstantinopel –<br />
freigekauft werden, die „staatlichen“ österreichischen Ge sandten befreiten<br />
etwa ebenso viele Gefangene. 52<br />
Große Schwierigkeiten bereitete dabei aber die <strong>Befreiung</strong> von Ga -<br />
leeren sklaven, die in den Küstenstädten der Türkei einschließlich Konstantinopels<br />
die Mehrzahl der Gefangenen <strong>aus</strong>machten. Trotz der gegenseitigen<br />
Verpflichtungen durch den erwähnten Friedensvertrag und der<br />
Bereitschaft der Österreicher zur Bezahlung hoher „Verkaufspreise“<br />
weigerten sich die zu ständigen osmanischen Flottenbefehlshaber, eine<br />
größere Anzahl derselben freizulassen, denn Rudersklaven waren schwer<br />
zu ersetzen, und es herrschte Mangel an Gefangenen, die zu diesen<br />
schwersten körperlichen Arbeiten einsetzbar waren. Interessant ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass gerade die „deutschen“ (die deutschsprachigen)<br />
Gefangenen bei ihren „Besitzern“ an scheinend sehr „beliebt“ waren;<br />
jedenfalls berichtet Joannes a S. Felice, dass man dieselben noch weniger<br />
als christliche Gefangene anderer Nationen wieder verkaufen wollte, da<br />
sie in jeglichen Arbeitssparten (Galeerendienst, Feldarbeit, Handwerk<br />
usw.) als „mäßiger, willfähriger und zu Mühen bereiter den Gefangenen<br />
anderer Nationen vorgezogen“ würden. 53 Nichtsdestoweniger gelang so -<br />
wohl 1700 als auch 1720 schließlich die <strong>Befreiung</strong> jeweils mehrerer hundert<br />
Gefangener durch die österreichischen Trinitarier; auch in den drei<br />
dazwischen liegenden „kleineren“ Redemptionen verbesserte sich die<br />
„Leistungsbilanz“ auf jeweils zwischen 100 und 130 Befreite, wobei aber<br />
höhere Lösegeld-Summen bezahlt werden mussten, und zwar nicht nur<br />
absolut, sondern auch pro Kopf.<br />
In den 1720er Jahren, als der Autor der Annales Provinciae, Joannes<br />
a. S. Felice, selbst Redemptor war, gelangen dann zwei weitere Redemptionsfahrten<br />
in den Budschak, an die Krim und nach Konstantinopel mit<br />
51 Vgl. ebd., S. 279.<br />
52 Vgl. ebd., S. 292–294, S. 661–705.<br />
53 S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 327: „quos Germanos tanquam modestiores<br />
magisque morigeros & ad labores prompiores cunctis aliarum Nationum mancipiis praeferre.“<br />
369
370 Elisabeth Pauli<br />
jeweils über 200 Befreiten; der „Preis“ pro Freigekauftem lag nun aber im<br />
Durchschnitt bei 250 Gulden, während er bei der ersten Redemption<br />
1690/91 noch ziemlich genau die Hälfte betragen hatte. In den 1720er<br />
Jahren gelang auch die Gründung einer eigenen Trinitarier-Niederlassung<br />
in Konstantinopels Vorstadt Pera; dieser Stützpunkt erlaubte es, in<br />
der osmanischen Hauptstadt kontinu ierlich nach Gefangenen <strong>aus</strong> der<br />
Habsburgermonarchie oder dem Heiligen Römischen Reich Ausschau zu<br />
halten und entsprechende Frei kaufaktionen gezielt vorzubereiten. Der<br />
Niederlassung war sogar eine La teinschule angegliedert, die von Christen<br />
verschiedener Konfessionen frequentiert wurde. Aufgrund ihrer vielfältigen<br />
Sprachkenntnisse, die auch oft das Türkische einschlossen, erfreuten<br />
sich die Trinitarierpatres ebendort sowohl als Lehrer, als auch als Seelsorger<br />
für Angehörige der mit Rom unierten Kirchen großen Ansehens. 54<br />
Die überraschende Niederlassungserlaubnis für die österreichischen<br />
Trinitarier durch die osmanische Regierung war im Zusammenhang mit<br />
einer kulturellen Öffnung des Osmanischen Reiches während der kurzen,<br />
sogenannten „Lale-Zeit“ („Tulpenzeit“) unter der Regierung Sultan<br />
Ahmeds III. (reg. 1703–1730) erfolgt. Seit dieser Phase wurden die politischen<br />
Beziehungen zwischen der Hohen Pforte und den christlichen<br />
Mächten aber auch langfristig stärker durch die Regeln des europäischen<br />
Völkerrechts bestimmt; Gesandtschaften, Handels- und Freundschaftsverträge<br />
gewannen neben den fortbestehenden Konflikten und gegenseitigen<br />
Kriegshandlungen an Wichtigkeit. 55<br />
Die Verbesserungen der diplomatischen Beziehungen zwischen der<br />
Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich, von denen auch die<br />
Trinitarier in der Verfolgung ihrer Ziele sehr profitierten, bedeutete letztendlich<br />
aber auch, dass der Aust<strong>aus</strong>ch und die Rückholung von (Kriegs-)<br />
Gefangenen immer mehr zu einer Aufgabe des Staates wurde, der im<br />
Laufe des 18. Jahrhunderts im Zuge der Aufklärung zudem ja generell<br />
sehr viele Agenden übernahm, die bis dahin Ordensgemeinschaften und<br />
andere kirchliche Institutionen inne gehabt hatten. 56 Erste Kompetenzstreitigkeiten<br />
zwischen Trinitariern und staatlichen Behörden lassen sich<br />
schon im frühen 18. Jahrhundert, also nur kurz nach der Etablierung des<br />
54 Vgl. ebd., S. 762.<br />
55 Vgl. Josef MATUZ, Das Osmanische Reich, Darmstadt 3 1996, S. 191–198.<br />
56 Vgl. zu mentalitätsgeschichtlich-kulturellen Veränderungen im Habsburgerreich des<br />
18. Jahrhunderts: Karl VOCELKA, Glanz und Untergang der höfischen Welt, Wien 2004,<br />
bes. S. 235–247, S. 374–380.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
Ordens in Österreich, beobachten: Anlässlich der Rückkehr der neunten<br />
Redemption im Jahr 1710 forderte die österreichische Regierung, dass<br />
die Trinitarier alle ehemaligen Gefangenen, die nicht unmittelbar den<br />
österreichischen Erblanden entstammten, nicht bis nach Wien zur feier -<br />
lichen Prozession mitnehmen sollen. Obwohl auch bei früheren Redemptionen,<br />
zum Beispiel bei Knappheit der materiellen Ressourcen, befreite<br />
Siebenbürger und Ungarn schon verschiedentlich während der Durchreise<br />
durch ihre Heimatländer entlassen worden waren, entsprach dies<br />
nicht den Wünschen der Trinitarier, die ja dem „Publikum“ in Wien eine<br />
große Menge von Befreiten als Resultat ihrer Bemühungen präsentieren<br />
wollten und den großen öffentlichen Empfang, der den Befreiten in der<br />
Hauptstadt bereitet wurde, wohl als Genugtuung für befreiten „Mitchristen“<br />
und als „Lohn“ für den Orden selbst betrachteten. 57<br />
Ein nicht unwesentlicher Aspekt war dabei sicher auch die „Werbung“<br />
für den katholischen Glauben. Auch <strong>aus</strong> diesem Grund legte der<br />
Orden im frühneuzeitlichen Österreich besonderen Wert darauf, nicht<br />
nur Katholiken, sondern auch Angehörige protestantischer und orthodoxer<br />
Kirchen, die <strong>aus</strong> der Habsburgermonarchie oder dem Heiligen<br />
Römischen Reich stammten, zu befreien. 58 Natürlich wurde in diesem<br />
Zusammenhang versucht, die Betroffenen für den „wahren“, katholischen<br />
Glauben „zurück zu gewinnen“, was angesichts der oft sicher<br />
erheblichen Dankbarkeit der Befreiten und des engen Kontakts bei der<br />
monatelangen gemeinsamen Rückreise mit den Trinitarierpatres auch oft<br />
gelang. Muslime wurden insbesondere in der Habsburgermonarchie<br />
selbst freigekauft, wenn sie hier als Kriegsgefangene festgehalten wurden.<br />
Auch bei ihnen wurden dann Bekehrungsversuche unternommen, der<br />
Hauptzweck ihres „Erwerbs“ bestand aber darin, dass sie als künftige<br />
„T<strong>aus</strong>chobjekte“ für christliche Gefangene dienen sollten. Zum katholischen<br />
Glauben konvertierte Muslime – was gelegentlich vorkam – wurden<br />
aber natürlich nicht mehr <strong>aus</strong>get<strong>aus</strong>cht; bei ihnen handelte es sich ja fortan<br />
um Mitglieder der „Christenheit“, die in Freiheit zu entlassen waren. 59<br />
Wie die Redemptionen nach 1728, dem Jahr, als die Niederlassungen<br />
der Trinitarier in der Habsburgermonarchie zu einer eigenen Ordensprovinz<br />
zu sammengelegt wurden, abgewickelt wurden, ist leider nicht in<br />
57 Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 473–477.<br />
58 Vgl. ebd., S. 117.<br />
59 Vgl. S. FELICE, Annales (wie Anm. 35), S. 207.<br />
371
372 Elisabeth Pauli<br />
jener Detailliertheit bekannt wie die erste Phase der Ordenstätigkeit, da<br />
der über 800 Seiten starke Bericht der Annales Provinciae 1728 endet. Für<br />
die 1730er und 1740er Jahre fehlen auch noch nähere Bearbeitungen der<br />
erhaltenen Redemptionslisten; klar ist aber, dass sich die <strong>Befreiung</strong>sfahrten<br />
jener Jahrzehnte weiterhin hauptsächlich nach dem Osmanischen<br />
Reich richteten – die Habsburgermonarchie lag 1735 bis 1739 erneut im<br />
Krieg mit der Hohen Pforte –, nun aber stärker auf den osmanisch regierten<br />
Balkan und vereinzelt bereits nach Nordafrika. In den insgesamt<br />
sieben Redemptionsfahrten zwischen 1734 und 1750 wurden zusammen<br />
etwas mehr als 1.000 gefangen gewesene „kaiserliche Untertanen“ be -<br />
freit, zu einem Preis von durchschnittlich etwa 230 Gulden pro Kopf. 60<br />
Danach nahm die Zahl der von österreichischen Trinitariern <strong>aus</strong> mus -<br />
limischen Ländern „erlösten“ Christen deutlich ab, was zweifellos in<br />
Zusammenhang mit dem kontinuierlichen Friedenszustand zwischen<br />
Habsburgermonarchie und Osmanischem Reich in der Zeit von 1739 bis<br />
1787 zusammenhängt. Dementsprechend verlagerten sich die Tätigkeiten<br />
der Ordensleute immer mehr in den Mittelmeer-Raum, wo angesichts<br />
der fortdauernden Piraterie der „Barbareskenstaaten“, der in einem<br />
beträchtlichen Ausmaß auf Seeräuberei und Sklavenhaltung gegründeten<br />
muslimischen Staatswesen in Nordafrika, weiterhin Bedarf für die karitativen<br />
Dienste der Trinitarier bestand. 61 Auch Konstantinopel als ein<br />
Zentrum des mittelmeerischen Sklavenhandels im 18. Jahrhundert blieb<br />
natürlich weiterhin Reisedestination.<br />
In den 1750er Jahren wurden insgesamt etwas mehr als 250 gefangen<br />
gehaltene Christen durch die „Deutsche Provinz“ der Trinitarier losgekauft,<br />
in den 1760er Jahren knapp 200, im folgenden Jahrzehnt aber wieder<br />
deutlich mehr, fast 270. Auch kurz vor seiner Auflösung in Österreich<br />
war der Orden durch<strong>aus</strong> noch sehr aktiv: In den vier Jahren von 1780 bis<br />
1783 kaufte der letzte Redemptor Engelbertus a Matre Dei, in Konstantinopel,<br />
Tripolis und Algier 135 Menschen frei. Insgesamt hatte der<br />
österreichische Zweig des Trinitarierordens während der nicht ganz hundert<br />
Jahre seines ersten Bestandes 62 knapp 4000 Menschen <strong>aus</strong> der<br />
60 Nach der Zusammenfassung in: PORRES ALONSO, Libertad (wie Anm. 1), S. 597–617.<br />
61 Vgl. Robert DAVIES, Christian Slaves, Muslim Masters. White Slavery in the Mediterranean,<br />
the Barbary Coast and Italy, 1500–1800, New York 2004.<br />
62 Um 1900 wurde der Orden in Österreich neu begründet; heute bestehen Häuser in<br />
Wien und Mödling.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
<strong>Gefangenschaft</strong> freigekauft, einget<strong>aus</strong>cht oder – in sehr seltenen Fällen –<br />
geschmuggelt; an Lösegeldern hatten die Fratres hierfür über 1.000.000<br />
Gulden aufgewandt. 63<br />
Für die Finanzierung des Gefangenenfreikaufs sah die Ordensregel<br />
der Trinitarier ja die Verwendung eines Drittels aller Einkünfte vor; neben<br />
dem Drittelertrag <strong>aus</strong> allgemeinen Einkünften, wie zum Beispiel <strong>aus</strong><br />
Arbeits- und Kapitalerträgen und den regelmäßigen Almosensammlungen,<br />
bemühte man sich aber auch um „Sondereinnahmen“ für diesen<br />
Zweck. Gezielt wurden vermögende Kreise, insbesondere das Herrscherh<strong>aus</strong><br />
selbst und der katholische Hochadel, um „Großspenden“ gebeten,<br />
deren Bewilligung sich dann auch in den gedruckten Redemptionsverzeichnissen<br />
in Form von Hinweisen und Widmungen niederschlug. Teils<br />
wurden sogar gesonderte Stiftungen für den Zweck der Gefangenen -<br />
befreiung zugunsten des Trinitarierordens eingerichtet, so nennen die<br />
Redemptionsverzeichnisse der 1760er und 1770er Jahre neben dem – nur<br />
<strong>aus</strong> hochadeligen Mitgliedern bestehenden – Sternkreuz orden Stiftungen<br />
der Adelsfamilien der Batthyány, Christalnig, Decorei, Harrach,<br />
Kohary, Nemay, Rottal, Spork, Savoy-Liechtenstein, Szeszeny, Szirmay,<br />
Th<strong>aus</strong>zy, Zadolsky und Zichy – also vornehmlich ungarische Geschlechter<br />
– als „Sponsoren“ für die Lösegelder von insgesamt 363 Gefangenen;<br />
im selben Zeitraum konnten mit staatlichen Hilfsgeldern lediglich<br />
50 Menschen freigekauft werden, mit den „Almosen der Provinz“, also<br />
den Ergebnissen der allgemeinen Sammeltätigkeit, immerhin 120.<br />
Weiters gab es in mehreren Orten in Österreich, aber auch in anderen<br />
katholischen Reichsterritorien, trinitarische Bruderschaften, die dem<br />
Orden verbunden waren, und sich nicht zuletzt durch Sammelaktionen<br />
an dessen Aktivitäten beteiligten. In der breiteren „Öffentlichkeit“ wurde<br />
durch besondere Redemptions-Predigten vor geplanten <strong>Befreiung</strong>sreisen<br />
gesammelt. 64 Wenn die Destinationen der Redemptionsreise feststanden,<br />
erging sogar per öffentlichem Anschlag in größeren Städten der<br />
Habsburgermonarchie die Anfrage, ob jemandem über christliche Gefangene<br />
in dieser Region etwas Näheres bekannt sei, und wenn Nachrichten<br />
63 Vgl. PORRES ALONSO, Libertad (wie Anm. 1), S. FELICE, Annales (wie Anm. 35)<br />
sowie die in Anm. 38 genannten Redemptionslisten.<br />
64 Als Vorlagen für die Predigten dienten hauptsächlich die populären Schriften und<br />
die Reiseberichte der Trinitarier, welche mit Schilderungen der furchtbaren Lebensbedingungen<br />
der Christensklaven nicht sparten. Vgl. hierzu: GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 1),<br />
S. 374.<br />
373
374 Elisabeth Pauli<br />
über dort konkret gefangen ge haltene Personen vorlagen, versuchten die<br />
Ordensleute auch gezielt, von deren Verwandten, Nachbarn, Obrigkeiten<br />
usw. Beiträge zum Lösegeld zu erhalten. 65 In jeder Provinz wurden pro<br />
Redemption zwei Prokuratoren bestimmt, welche die Almosensammlung<br />
zu organisieren hatten; kurzfristig konnten zur Durchführung von<br />
Sammlungen gemäß den Ordensregeln auch Laien als zusätzliche Mitarbeiter<br />
angestellt werden, wobei sowohl H<strong>aus</strong>sammlungen veranstaltet<br />
wurden, als auch an zentralen öffentlichen Plätzen um Almosen gebeten<br />
wurde; in Wien wurden dafür Sammelbüchsen beim Stephansdom, beim<br />
Schottenkloster und bei den Klöstern der Jesuiten, Barnabiten, Hieronymiten<br />
und Minoriten aufgestellt. 66<br />
Wie schon erwähnt wurde, enthalten die Redemptionslisten vielfach<br />
Daten zum sozialen Status der Gefangenen (Geschlecht, Alter, Stand,<br />
Beruf) und über die <strong>Gefangenschaft</strong> selbst. Im Folgenden soll eine Übersicht<br />
über die bisherigen Ergebnisse statistischer Auswertungen dieser<br />
Informationen gegeben werden, welche für die Redemptionen des Zeitraums<br />
von 1760 bis 1783, also die letzte Phase der Ordenstätigkeit in der<br />
Habsburgermonarchie, vorgenommen werden konnten. 67<br />
Die sieben Redemptionen jener Jahrzehnte richteten sich immer noch<br />
nach Konstantinopel, Kleinasien, Südosteuropa und zur Schwarzmeerküste,<br />
in größerem Ausmaß nun aber auch nach Nordafrika, wo die<br />
Städte Algier (jedes Mal), Tripolis, Salé (mindestens zwei- oder dreimal),<br />
Tunis und Mascara (je mindestens einmal) angesteuert wurden. Von den<br />
insgesamt genau 600 in den Redemptionsverzeichnissen genannten Ge -<br />
fangenen wurden dabei über 350 an zwei Orten erlöst, nämlich Algier<br />
(über 200) und Konstantinopel (ca. 150). Keine andere der angefahrenen<br />
Städte war demgegenüber – im späten 18. Jahrhundert – auch nur an -<br />
nähernd so bedeutsam für den Sklavenfreikauf von Mitteleuropäern. Die<br />
bei den Redemptionen der Jahre 1765 bis 1783 bezahlten Lösegelder<br />
waren gegenüber denen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eklatant<br />
angestiegen, und zwar auf durchschnittlich 715 Gulden pro Kopf. Hierbei<br />
müssen aber starke „Preisunterschiede“ in den einzelnen Regionen<br />
festgestellt werden: Die „Sklavenpreise“ in Nordafrika waren mit Ab -<br />
65 Vgl. BUHL, Wiederkehr (wie Anm. 1), S. 10.<br />
66 Vgl. hierzu: GMELIN, Weißspanier (wie Anm. 1), S. 369.<br />
67 Die Redemptionslisten für diesen Zeitraum (wie Anm. 38) sind im Archiv des Trinitarierkonvents<br />
in Mödling vorhanden, und konnten dort eingesehen werden, wofür die Verfasserin<br />
auch an dieser Stelle nochmals herzlich danken möchte.
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
stand am höchsten; hier mussten die Redemptoren mit durchschnittlich<br />
862 Gulden pro Gefangenem drei- bis viermal so viel Lösegeld bezahlen<br />
wie im Osmanischen Reich oder der „Tartarei“.<br />
Die Ursachen für diese so großen Unterschiede müssten noch näher<br />
untersucht werden; sicher spielte aber die „Abgelegenheit“ der „Barbareskenstaaten“,<br />
die noch im späten 18. Jahrhundert sowohl eine Flucht<br />
der Gefangenen als auch politisch-militärische Interventionen der europäischen<br />
Mächte vergleichsweise schwierig machten, hierfür eine wich -<br />
tige Rolle. Außerdem basierte die Wirtschaftstätigkeit in jenen nordafrikanischen<br />
Gebieten zu jener Zeit viel stärker auf Sklavenarbeit, als<br />
dies im Osmanischen Reich der Fall war. 68 Innerhalb der „Barbareskenstaaten“<br />
herrschte aber keineswegs ein „Einheitspreis“; wie eine detaillierte<br />
Auswertung zeigt, waren die in Tripolis bezahlten Lösegeldsummen<br />
denen im Osmanischen Reich ähnlich (im Durchschnitt 325 Gulden),<br />
während in Algier, wo die meisten <strong>Befreiung</strong>en stattfanden, im Mittel<br />
882 Gulden bezahlt werden mussten, in Maschera über 1.000, und in den<br />
„Piratenstaaten“ Salé und Marokko (von wo aber nur 12 Personen<br />
„erlöst“ wurden) sogar über 1.600 fl. pro Person! Hinsichtlich der Dauer<br />
der <strong>Gefangenschaft</strong> ist vor allem bemerkenswert, dass von den 522 Be -<br />
troffenen, für die entsprechende Angaben überliefert sind, 127, also etwa<br />
ein Viertel, „schon“ nach einigen Monaten, spätestens aber nach einem<br />
Jahr freikam. Maximal drei Jahre waren insgesamt 295 dieser Verschleppten<br />
in <strong>Gefangenschaft</strong>. Diese Zahlen sprechen für eine gewisse<br />
Effizienz der karitativen Bemühungen des Trinitarierordens, wenn auch<br />
sicher manche Versklavte niemals mehr freigekauft werden konnten, und<br />
andere erst nach mehrjähriger, ja jahrzehntelanger Sklaverei: Etwa ein<br />
Fünftel der Befreiten war länger als fünf Jahre gefangen gewesen, rund<br />
10 % sogar länger als 10 Jahre. Einige Unglückliche hatten erst nach 25,<br />
30 oder mehr Jahren die Freiheit wiedererlangt. 69<br />
Im Hinblick auf die sozialen Merkmale der Befreiten enthalten die<br />
Redemptionslisten vor allem Angaben über die geographische Herkunft,<br />
den Stand, das Alter und – anhand der Vornamen – das Geschlecht. Hinsichtlich<br />
des letzteren ist zu konstatieren, dass sich unter den 600 von<br />
1760 bis 1783 befreiten Personen nur neun Frauen befanden, was wahr-<br />
68 Vgl. Gustave von Grunebaum (Hg.), Die islamischen Reiche nach dem Fall von<br />
Konstantinopel, Frankfurt am Main 2003, bes. Bd. 2, S. 398–410.<br />
69 Redemptionslisten der Jahre 1760 bis 1783 (wie Anm. 38).<br />
375
376 Elisabeth Pauli<br />
scheinlich daran liegt, dass sich Frauen den Gefahren, die bei Schifffahrten<br />
oder auch an ungeschützten Küsten am Mittelmeer im 18. Jahrhundert<br />
noch lauerten, nur bei äußerster Notwendigkeit <strong>aus</strong>setzten. 70 In<br />
Bezug der Herkunft der Befreiten zeigt sich dagegen eine ziemlich überraschende<br />
Vielfalt:<br />
Herkunft der von den „österreichischen“ Trinitariern<br />
befreiten Gefangenen 1760–1783<br />
I. Habsburgische Länder II. Reich III. Andere<br />
ohne nähere Angabe 12 Italien o.n.A. 13<br />
öst. KüstenlandA 67 Bayern 15 Venedig 11<br />
Österreich 17 Schwaben und Baden 8 Genua 17<br />
Steiermark und<br />
Kärnten<br />
6 Elsaß und Lothringen 3 Piemont 2<br />
Tirol 33 Kurpfalz 11 Parma 4<br />
Breisgau 4 Westfalen, Berg,<br />
Jülich<br />
5 Kirchenstaat 9<br />
Böhmen 19 Franken 2 Neapel und Kalabrien 2<br />
Mähren 4 Hessen 4 Korsika 2<br />
Ungarn 41 Sachsen 6 Sardinien, Sizilien 3<br />
Kroatien 30 Schlesien 7 Ragusa 3<br />
Banat 5 Bremen, Lübeck,<br />
Holstein<br />
3 Malta 4<br />
Transsilvanien 14 Brandenburg-<br />
Preußen<br />
4 Spanien 24<br />
B<br />
öst. Niederlande 14 Bst. Fulda 4 Portugal 2<br />
Mailand 62 Bst. Würzburg 8 Frankreich 3<br />
Mantua 18 Bst. Konstanz 5 Schweiz 9<br />
Toskana 16 Ebst. Köln 4 Polen 5<br />
Ebst. Mainz 9 Russland, Georgien 2<br />
Ebst. Trier 7 Osmanisches ReichC 6<br />
Summe 350 Summe 117 Summe 121<br />
A Triest, Fiume, Görz, österreichisch Istrien<br />
B Preußen ist dem Reich zugerechnet<br />
C vor allem in <strong>Gefangenschaft</strong> geborene Kinder von Christen<br />
70 Vgl. dazu: DAVIES, Christian Slaves (wie Anm. 62).
<strong>Befreiung</strong> <strong>aus</strong> <strong>tyrannischer</strong> <strong>Gefangenschaft</strong><br />
Die Trinitarierprovinz der Habsburgermonarchie befreite, wie <strong>aus</strong> der obigen<br />
Tabelle zu ersehen, also keineswegs nur „Österreicher“ oder kaiserliche<br />
Untertanen. Ihrer Herkunft nach sind in den Redemptionslisten nur<br />
350 von 600 Befreiten (58 %) dem habsburgischen Herrschaftsbereich zugeordnet<br />
und weitere 114 (19 %) dem „Reich“ (den nicht-habsburgischen<br />
Reichsterritorien). Mehr als ein Fünftel der Befreiten stammte dagegen <strong>aus</strong><br />
anderen Ländern, vor allem <strong>aus</strong> nicht-habsburgischen Teilen Italiens und<br />
<strong>aus</strong> Spanien; aber auch Portugiesen, Malteser, Franzosen, Schweizer,<br />
Polen, ja sogar je weils ein Russe, Georgier und Perser waren unter den von<br />
der österreichischen Trinitarierprovinz losgekauften christlichen Gefangenen.<br />
Dass unter den befreiten habsburgischen Untertanen Bewohner des<br />
„Litorale“ (Triest, Grafschaften Görz und Istrien, Fiume), Italiener (Mailänder,<br />
Mantuaner, Einwohner der Toskana) und Einwohner der zur ungarischen<br />
Krone gehörigen Regionen (Ungarn, Kroaten usw.) besonders<br />
große Anteile stellten, ist nicht weiter verwunderlich, da diese Regionen<br />
durch ihre Nachbarschaft zum Osmanischen Reich oder durch starke<br />
Beteiligung an der Mittelmeer-Schifffahrt besonders gefährdet waren.<br />
Was das Alter der Befreiten angeht, ergibt die Auswertung der Re -<br />
demp tionslisten für das späte 18. Jahrhundert ein Überwiegen von Personen<br />
mittleren Alters – etwa zwei Drittel der gefangen gehaltenen Christen<br />
waren bei ihrer <strong>Befreiung</strong> zwischen 25 und 45 Jahre alt, nur 20 %<br />
jünger und nur 17 % älter. Eine Betrachtung der angegebenen Berufsbzw.<br />
Standesbezeichnungen – diese sind nur in 237 der 600 Fälle bekannt<br />
– zeigt, dass (wenig überraschend für diese Periode) die Seeleute<br />
einen ganz beträchtlichen Anteil der Verschleppten darstellten, nämlich<br />
106 Personen (45 %), gefolgt von Militärangehörigen (Soldaten, Offizieren)<br />
mit 55 Befreiten (23 %), sowie 33 Handwerkern (14 %), 20 Handelsleuten<br />
(8 %) und acht Geistlichen (3 %). Weitere, selten vorkommende Bezeichnungen<br />
verweisen auf Neuansiedler im Banat, Bedienstete und Verwalter<br />
(je zwei Fälle); als Adelige sind nur zwei Freigekaufte erkennbar.<br />
Die jeweilige Standeszugehörigkeit schlug sich (soweit für die Verkäufer<br />
erkennbar) natürlich auch auf die Lösegeldsummen nieder, was ein<br />
statistischer Mittelwertvergleich belegen kann: Die höchsten Lösegelder<br />
mussten (sieht man vom Sonderfall der adeligen Gefangenen ab) allerdings<br />
nicht für Soldaten oder Seeleute, sondern für Handwerker gezahlt<br />
werden, nämlich im Durchschnitt 860 Gulden (gegenüber 426 bzw. 595). 71<br />
71 Redemptionslisten der Jahre 1760 bis 1783 (wie Anm. 38).<br />
377
378 Elisabeth Pauli<br />
Die Aufhebung des Trinitarierordens<br />
in der Habsburgermonarchie 1783<br />
Wie schon erwähnt wurde, stand der Trinitarierorden der staatlichen Ob -<br />
sorge für verschleppte Untertanen immer mehr im Wege, sodass der<br />
Orden trotz seiner zweifellos karitativen Tätigkeit von Joseph II. am<br />
21. November 1783 durch ein Hofdekret aufgehoben wurde. Begründet<br />
wurde diese Entscheidung mit dem Argument, dass die <strong>Befreiung</strong> von<br />
gefangenen Christen auch auf andere, „zweckdienlichere“ Art geschehen<br />
könnte. Schon am 25. Februar desselben Jahres waren die Trinitarierklöster<br />
in Galizien, das ja seit 1772 der Habsburgermonarchie zugehörte,<br />
aufgehoben worden. Im Wiener Konvent befanden sich zum Zeitpunkt<br />
der Aufhebung insgesamt 46 Personen, 32 Priester, zwölf Laienbrüder<br />
und zwei Studenten. Die dem Wiener Trinitarierkonvent zugedachten<br />
Stiftungen, mit Kapitalien im sehr beachtlichen Ausmaß von etwa<br />
800.000 Gulden gingen auf den von der Regierung administrierten „Religionsfond“<br />
über. 72 Dabei waren bereits die letzten Jahre des Bestandes<br />
des Trinitarierordens in Österreich – wie bei etlichen anderen Orden<br />
auch – gekennzeichnet durch gezielte Diffamierung in der Öffentlichkeit,<br />
was u. a. durch die staatlichen Behörden betrieben wurde, die damit die<br />
Klosteraufhebungen vorbereiteten. In diesen Jahren entstanden etliche<br />
Schmähschriften, die sich u. a. auch gegen die Trinitarier richteten. Be -<br />
sonders ein Zitat von einem Grazer Anonymus <strong>aus</strong> dem Jahr 1792 illustriert<br />
eindrücklich, auf welches Unverständnis die Trinitarier in manchen<br />
Teilen der Bevölkerung gestoßen waren. Aus dem einfachen Grund, weil<br />
die Ordensleute in der Ausübung ihrer <strong>Befreiung</strong>saktivitäten mit den<br />
„Türken“ in Beziehung traten, vermutete man eine Allianz mit denselben:<br />
„Sie [die Trinitarier] schleppten sogar unser bares Geld zu den türkischen<br />
Despoten und führten dafür <strong>aus</strong>ländische elende Krüppel oder<br />
abgefeimte Spitzbuben ins Land.“ 73<br />
72 Vgl. KOBLIZEK, Niederlassung (Anm. 1) 61.<br />
73 Zit. in: DE LEEUW, Trinitarier (Anm. 1), 26.