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Teil 1 - duv.org

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20. Jahrgang 2/2005<br />

Fachzeitschrift und offizielles Organ der<br />

DEUTSCHEN<br />

ULTRAIVIARATHON·<br />

VEREINIGUNG<br />

E.V. [DUVl


Start/Ziel:<br />

Sonntag, 30. Oktober 2005<br />

7. BOTTROPER<br />

Ultramarathon (50 km)<br />

Letzter Lauf im 50-km-Cup der DUV mit anschließender Siegerehrung der Cupsieger<br />

Anmeldung:<br />

Start:<br />

Startgeld:<br />

Zeitmessung:<br />

Altersklassen:<br />

Laufstrecke:<br />

UmkleidenlDuschen:<br />

Auszeichnungen:<br />

Siegerehrung:<br />

Übernachtung:<br />

Herbstwaldlauf:<br />

Veranstalter:<br />

Auskunft:<br />

Auf dem Gelände des noch fOrdernden Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop-Fuhlenbrock,<br />

rernewaldstraßc.<br />

bis Freitag, den 21.10.2005' Anmeldevordrucke und Online-Anmeldungen unter<br />

www.adler-Ianglauf.de<br />

Dort gibt es auch vollständige due Ausschreibung, den Streckenplan sowie Anfahrtskarten.<br />

Fax-Anmeldung: 020411706888<br />

09.15 Uhr Zielschluss nach 6 Stunden.<br />

25,- C<br />

Champion-Chip. Leihchip am Veranstaltungstag gegen eine Leihgebühr (28 C zahlen und 25 E nach<br />

Rückgabe zurück) erhältlich.<br />

Nach LAO alle 5 Jahre.<br />

Unsere vom LVN vermessene, nicht ganz ebene, aber größtenteils windgeschützte, Zwei-Runden Strecke<br />

führt nur durch den grünen Bottroper Norden und hat 5 Verpflegungsstellen je Runde. Jeder Kilometer ist<br />

ausgeschildert. Streckenbestzeiten: Männer 2:59:09 Std., Frauen 3:54:26 Std.<br />

In den Kauen der Bergleute mit warmem Wasser bis zum Schluss'<br />

Alle erhalten Urkunden nach der Siegerehrung. Ergebnislisten im Internet.<br />

Die jeweils drei Ersten (Frauen und Männer) des Gesamteinlaufs sowie die drei Ersten einer Altersklasse<br />

erhalten entweder Pokale, Gutscheine oder Sachpreise.<br />

l)iese findet um ca. 15:30 Uhr im Lichthof auf dem Bergwerksgelände statt.<br />

Sportlerheim (25 Betten) mit Küchenbenutzung u. Bettwäsche: 12,50 r<br />

Turnhalle mit Luftmatratze auf Anfrage; Hotels unter www.bottrop.de<br />

Am gleichen Tag und Ort findet ab 09.40 Uhr der 33. Bottroper Herbstwaldlauf über 25 km, 10 und<br />

5,4 km statt. Anmeldungen bis zum 2 LI 0.2005. Nachmeldungen am 29.10. von 16 bis 18 Uhr und am<br />

30.10.2005 bis 30 min. gegen Zusatzgebühr vor dem Start möglich<br />

ADLER-Langlauf Bottrop<br />

Jürgen Liebert, Im Fuhlenbrock 102,46242 Bottrop, Tel.: 02041152230<br />

oder jliebert@gelsenneLde<br />

************************************************************************************


Ultramarathon 2/2005<br />

Inhaltsangabe in geordneter Reihenfolge Seite<br />

Anzeige Bottrop . 02<br />

Impressum . 03<br />

Inhaltsangabe (sortiert nach Reihenfolge der Beiträge bzw. nach Wettkampfchronologie ) .. 04/05<br />

Die Seite des Pressewartes (Dietmar Knies) .. 06<br />

Darum geht es! (Volkmar Mühl) . 07<br />

Aus der Geschäftsstelle . 08<br />

Vier amtierende Ultrameister am Start (Volkmar Mühl) . 09<br />

Das erste Radrennen durch die Sandwüste (Stefan Schlett) .. 10/11<br />

Silvester wie Phönix aus der Asche (Martina Hausmann) . 12/13<br />

Wo die Sonne niemals scheint (Helmut Linzbichler) . 14/15<br />

Besinnliches (Leo Stierhof) .. . 15<br />

Kühles warm up in die neue Ultrasaison (llona Schlegel) .. 16/17<br />

Im weißen Winterwald (Jürgen Roscher) .. 17<br />

Drei Stunden Walking (Angelika Roedder) . 17-19<br />

Rekorde mit Stöcken (Reinhard Butzek) . 19<br />

Yukon Arctic Ultra (Tom Wolter) .. 20-23<br />

Mein eiskaltes Yukon-Abenteuer (Peter Meyer) . 23-27<br />

Beliebtes Frankreich (Gudrun Gratz-Fister) . 28/29<br />

Uewersauer ganz in Weiß (Jürgen Roscher) . 29<br />

Die Revanche (Wolfgang Olbrich-Beilig) . 30-32<br />

Mitternacht in Lyon (Rainer Satzinger) . 32<br />

Fußschmerzen und kein Ende (Jörg Linder) . 33-39<br />

Kein Geheimtipp mehr (llona Schlegel) . 40 .<br />

Der Stern von Atacama (Dr. Sigrid Lomsky) . 41/42<br />

Wer nicht zählen kann (Günter Klitsch) .. 42<br />

Alle Jahre wieder (Dieter Ullrich) .. 43<br />

DUV-Novize Dirk Bohne berichtet (Dirk Bohne) . 44<br />

Ein flotter Dreier (Werner Selch) .. 45/46<br />

Zu Besuch bei Kaiser Barbarossa (Wolfram Brunnmeier) .. 46/47<br />

Sittenverfall- eine frei erfundene Geschichte (Dietmar Knies) . 47<br />

Kleinanzeigenkupon / Läufergeburtstage . 48/49<br />

In Planung: interessante Erlebnisläufe (Wolfram Brunnmeier) . 50<br />

Warten bei Currywurst und Pommes (Wolfram Brunnmeier) .. 51<br />

Der erste 24-Stunden-Lauf Griechenlands ist Geschichte (Martina Hausmann) . 52/53<br />

Erste Gehversuche (Gudrun Müller) . 53<br />

Schwerpunktthema: Ernährungstipps für Marathon und mehr (Dr. Thomas Prochnow) .. 54<br />

Schwerpunktthema: Ich will so essen wie ich bin (llona Schlegel) ; .. 55<br />

Schwerpunktthema: Aus dem eigenen Gewächshaus (Dr. Stefan Weigelt) .. 55/56<br />

Schwerpunktthema: Ernährung, wie sie im Buche steht (Wolfgang Olbrich-Beilig) .. 56<br />

Schwerpunktthema: Denkanstoß zur Lebensqualität (Bernd Seitz) .. 57<br />

Schwerpunktthema: Schleimige Angelegenheit (Dietmar Knies) .. 58<br />

Schwerpunktthema: Nahrungsergänzung im Ausdauersport (Dr. Dr. Lutz Aderhold) . 59/60<br />

Schwerpunktthema: Neulich bei MäcDoof (Mattin Becker) . 61<br />

Schwerpunktthema: Ausgewählte Aspekte der Ernährung (Prof. Ge<strong>org</strong> Neumann) .. 62-64<br />

Das Abenteuer, sich selbst herauszufinden (Apaga Renner im Interview mit Paula Mairer) . 65/66<br />

Lebens-Lauf (Günther Bergs)<br />

Neue DUV-Mitglieder v<strong>org</strong>estellt<br />

.. 67-69<br />

4<br />

Der Vielstarter aus Hamburg (Frank Berka) .. 70<br />

Aller Anfang ist schwer (Martina Görz) .. 71-72<br />

Mario meinte, wir müssen uns unbedingt bewegen (Kerstin Fuhrmann) . 72<br />

Laufen ist das Letzte (Günter Klitsch) . 72/73<br />

Bruno war's (Barbara Späth) : . 73/74


Dietmar Knies<br />

Ja, es hat gekracht im Präsidium der<br />

DUV, ganz gewaltig sogar. Doch das<br />

kommt bekanntlich in den besten Familien<br />

vor. Jeder Posten stand plötzlich zur<br />

Disposition, freiwillige oder erzwungene<br />

Rücktrittsforderungen waren auf der Tagesordnung.<br />

Da konnte auf einmal der<br />

mit dem nicht (mehr), wurden fiktive<br />

Grüppchen gebildet, um diese anderntags<br />

wieder aufzulösen. Schuldzuweisungen<br />

machten die Runde, und von<br />

"menschlichen Enttäuschungen" war die<br />

Rede. Aber man hat sich wieder halbwegs<br />

zusammengerauft, hat einige Änderungen<br />

im Präsidium und dem Geschäftsverteilungsplan<br />

beschlossen und<br />

ist mittlerweile - Gott sei Dank - im Prinzip<br />

ohne Gesichtsverlust wieder zur Tagesordnung<br />

zurückgekehrt. Weißer<br />

Rauch stieg also auf am Krötenbad 45<br />

in Gelnhausen an jenem 10. April, und<br />

nur das zählt!<br />

Doch einige Zeitgenossen, die "das<br />

Treiben des neuen Präsidiums" (Originalzitat<br />

einer Mail, die erst unlängst an<br />

alle Präsidiumskollegen verschickt wur:<br />

de - der Absender ist demzufolge auch<br />

bekannt) schon geraume Zeit argwöhnisch<br />

beäugt haben und um (unqualifizierte)<br />

Meinungsäußerungen nie verlegen<br />

waren, werden nun natürlich auf<br />

den Plan gerufen. Anstatt uns mit helfender<br />

Kritik zur Seite zu stehen, wird<br />

noch Öl ins Feuer gegossen. Leute,<br />

wisst ihr eigentlich, wie viel Freizeit jeder<br />

von uns in die ehrenamtliche DUV-Arbeit<br />

hineinsteckt? Aber da werden Stellungnahmen<br />

auf der Homepage und in<br />

UM gefordert oder werden nichtveröffentlichte<br />

Berichte fast schon eingeklagt<br />

(zum Glück ist das bisher die Ausnahme).<br />

Letzteres aber nicht etwa vom Autoren<br />

selbst, sondern einer (ihm nahestehenden?)<br />

dritten Person, die in meiner<br />

bisherigen Amtszeit als Pressewart<br />

aber noch nicht einen Bericht für UM geliefert<br />

hat. Soll vielleicht künftig auch<br />

noch der Schriftverkehr innerhalb des<br />

Präsidiums oder der des Präsidenten<br />

mit dem DLV in Sachen Nationalteam<br />

veröffentlicht werden? Ja, wo leben wir<br />

denn eigentlich? Müssen wir denn über<br />

jede kleinste Regung im Präsidium Rechenschaft<br />

ablegen? Für derlei Dinge ist<br />

bisher immer noch die Jahreshauptversammlung<br />

da.<br />

Gern komme ich an dieser Stelle noch<br />

einmal auf die schon im Impressum<br />

erwähnten längeren Berichte zurück.<br />

Manch einer mag sich vielleicht fragen,<br />

ob es Sinn macht, subjektiv gefärbte<br />

Erlebnisberichte - und dann wie beim<br />

Yukon Arctic gar noch zwei von der<br />

6<br />

Die Seite des Pressewartes<br />

gleichen Veranstaltung - auf vier und<br />

mehr Seiten zu veröffentlichen.<br />

Zunächst war auch ich (positiv) erschrocken,<br />

als ich, nachdem der Bericht<br />

des Tom Wolter schon vorlag, von Peter<br />

Meyer einen dicken Umschlag mit einer<br />

liebevoll beschriebenen und reichlich<br />

bebilderten Reportage seiner bisher<br />

wohl größten sportlichen Herausforderung<br />

in den Händen hielt. Nein, beim<br />

besten Willen, das kann man nicht alles<br />

in UM bringen, war mein erster Gedan­<br />

ke, denn nur so zum Spaß sendet man<br />

dem Pressewart ja in der Regel nichts<br />

zu. Wo also mit dem Kürzen beginnen?<br />

Beim Einstieg ging es schlecht, denn<br />

eine gewisse Hinführung zum eigentlichen<br />

Event, noch dazu gekoppelt mit einer<br />

Beschreibung des obligatorischen<br />

Kurses zum Selbstschutz aller <strong>Teil</strong>nehmer,<br />

musste sein. Der Mittelteil war viel<br />

zu spannend erzählt, um dort etwas<br />

wegzunehmen, und am Ende wiederum<br />

sollte den Lesern nicht vorenthalten bleiben,<br />

wie sich der 57-Jährige im Feld der<br />

deutlich Jüngeren denn nun geschlagen<br />

hat. Fazit: der gesamte Bericht ist lesenswert<br />

und wurde somit, aufgelockert<br />

durch drei gemeinsam herausgesuchte<br />

Fotos, ungekürzt übernommen.<br />

Ähnlich verhielt es sich mit dem Rad­<br />

Klassiker Paris-Brest-Paris, den Jörg<br />

Linder, übrigens erst kürzlich der DUV<br />

beigetreten, in seinem ihm eigenen Stil<br />

auf immerhin sieben (!) Druckseiten<br />

kommentiert hat. Inspiriert wurde er dazu<br />

übrigens von Stefan Schlett, der in<br />

der letzten Ausgabe von UM den Stein<br />

durch seinen Report vom Schweizer<br />

Radmarathon quasi ins Rollen gebracht<br />

hat. Befürchtungen, dass sich UM nun<br />

vielleicht zu einem verkappten Radsport-Magazin<br />

wandeln könne, möchte<br />

ich hiermit jedoch energisch entgegentreten.<br />

Beim Schwerpunktthema haben wir uns<br />

diesmal, natürlich auch auf Grund des<br />

Angebotes der Beiträge, auf die mehr<br />

oder weniger sportgerechte Ernährung<br />

konzentriert. Das ist ein weites Feld und<br />

man könnte, rege Meinungsäußerungen<br />

der Leserschaft vorausgesetzt, damit sicher<br />

noch die eine oder andere Fortsetzung<br />

bringen. Die Auswahl der privaten<br />

Meinungen (liona Schlegel, Wolfgang<br />

Olbrich-Beilig, Bernd Seitz und Stefan<br />

Weigelt) sind keineswegs repräsentativ,<br />

aber auf die Schnelle war an weitere aktive<br />

Läufer und Läuferinnen schlecht<br />

heranzukommen. Doch es gibt sicher<br />

zahlreiche Aktive, die - im Gegensatz<br />

zu den drei genannten Autoren - aus ihren<br />

Essgewohnheiten eine wahre Wissenschaft<br />

machen - und dennoch mit ihren<br />

sportlichen Leistungen nicht zufrieden<br />

sind.<br />

Und auch das Thema "Haferschleim"<br />

(siehe gleiche Rubrik in UM 3/2004)<br />

konnte nun einem guten Ende zugeführt<br />

werden. Wenngleich meine Recherchen<br />

zur Rezeptur schon in einer anderen<br />

Fachzeitschrift nachzulesen waren,<br />

möchte ich sie nun ebenso den Lesern<br />

von UM und insbesondere dem Urheber<br />

der'Frage nicht vorenthalten. Denn der<br />

nächste (lange) Wettkampf kommt bestimmt.<br />

In dieser Ausgabe wird man seit langem<br />

auf den Bericht eines Stamm-Autoren<br />

verzichten müssen: Werner Sonntags<br />

Bücherfundgrube ist diesmal (offensichtlich<br />

mangels literarischen Angeboten?)<br />

nicht vertreten. Doch dabei hätte ich um<br />

ein Haar fast selbst eine Kritik verfasst ­<br />

die von Stephane Frankes neuestem<br />

Laufbuch nämlich. Wer Stephane nicht<br />

(mehr) kennen sollte - er war in der Ära<br />

eines Dieter Baumann ein recht erfolgreicher<br />

Langstreckler und Marathonläufer<br />

mit Bestzeiten von 27:48,88 bzw.<br />

2: 11 :25. Und solch eine Person hat seiner<br />

Nachwelt ja natürlich allerhand zu<br />

sa-gen. Deshalb ging ich anlässlich der<br />

Leipziger Buchmesse auch mit Spannung<br />

und Vorfreude zur angekündigten<br />

Lesung und Besprechung, um vom<br />

Meister höchstpersönlich in sein Werk<br />

eingeführt zu werden. Da störten mich<br />

selbst die recht bescheiden wirkenden<br />

20 erschienenen Zuhörer wenig, denn<br />

die Enttäuschung bot dann ·der Autor<br />

selbst. Nahm man seine verzweifelten<br />

Versuche, Laptop und Beamer in Gang<br />

zu bringen, noch geduldig hin, schieden<br />

sich die Geister dann beim Inhalt. Denn<br />

kurzerhand disponierte der Meister um<br />

und präsentierte dem staunenden Publikum<br />

stattdessen einen mehr oder minder<br />

gut gelungenen Vortrag zur Trainingsmethodik.<br />

Da habe ich mir aus<br />

Protest dann den Kauf seines Buches<br />

glatt verkniffen, und so muss der geneigte<br />

Leser nun - siehe oben - diesmal<br />

gänzlich ohne kritische Worte zur aktuellen<br />

Literaturszene auskommen. _


Darum geht es!<br />

Von DUV-Präsident Volkmar Mühl<br />

Liebe DUV-Mitglieder, liebe Freunde des Ultramarathonlaufs,<br />

die DUV wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Eiri passender<br />

Anlass, einmal zu überlegen, ob und inwieweit die Ziele bei<br />

der Gründung am 29.12.2005 als erreicht betrachtet werden<br />

können und was aus den Vorstellungen Mitte der achtziger<br />

Jahre geworden ist.<br />

Welche bestimmenden Überlegungen haben die Gründungsväter<br />

seinerzeit in Rodenbach zusammengeführt?<br />

Der Straßenlauf hatte begonnen, sich in der offiziellen Leichtathletik zu etablieren. Die Marathonläufe<br />

- auch in Deutschland - begannen zu boomen. Im Sog dieser Entwicklung waren zahlreiche<br />

Läuferinnen und Läufer der längeren Strecken bereit, sich neue Ziele zu setzen - und hierfür drängte<br />

sich der Ultramarathonlauf geradezu auf. Ultramarathonsport war damals fÜr die Meisten der 100-km­<br />

Lauf, und auf diesem Sektor hatte sich im benachbarten europäischen Ausland gerade einiges getan.<br />

So hatte es in Frankreich, Österreich, Belgien und Italien be'reits 1983 die ersten nationalen 100-km­<br />

Meisterschaften gegeben, ein weiterer Impuls ergab sich durch die Gründung der lAU (International<br />

Association of Ultrarunners) im Sommer 1984.<br />

Wie sah es in Deutschland aus? Bereits im Jahr 1969, genauer am 25.0ktober, war der erste 100-km­<br />

Lauf als Volkslauf in Unna ausgetragen worden. 450 <strong>Teil</strong>nehmer hatten sich zu dieser Premierenveranstaltung<br />

eingefunden - heute träumen Veranstalter von 100-km-Meisterschaften in Deutschland von<br />

derartigen <strong>Teil</strong>nehmerfeldern. Die Sieger hießen übrigens Helmut Urbach (8:59:10 h) sowie Eva-Maria<br />

Westphal (13:19:40), "beide sollten diese Veranstaltung auch in den darauf folgenden Jahren beherrschen.<br />

Also setzten sich die DUV-Gründer um den ersten DUV-Vorsitzenden Karl Lennartz, den ersten DUV­<br />

Sportwart Harry Arndt sowie Statistiker Heinz Klatt das Ziel, offensiv beim DLV für die Einführung einer<br />

Deutschen Meisterschaft über die 100-km-Distanz einzutreten. Bemerkenswert, wie schnell dieses<br />

Unterfangen von Erfolg gekrönt war - bereits im 1987er Jahrgang von ULTRAMARATHON (damals<br />

noch im Format DIN A 5!) konnte Karl Lennartz im Vorwort stolz verkünden:<br />

"Liebe Ultraläufer! Wir haben es geschafft! Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat auf seinem 33.<br />

Verbandstag am 28.129. März 1987 in Bad Mergentheim beschlossen, die Deutsche Meisterschaft<br />

über 100 Kilometer (Männer, Frauen, Mannschaften) einzuführen. Unsere Organisation hat damit ihr<br />

erstes und Hauptziel erreicht. .. "<br />

Dieser schnelle Erfolg war in wesentlichen <strong>Teil</strong>en auf die Aktivitäten und Bemühungen des damaligen<br />

Sportwarts, späteren Vorsitzenden/Präsidenten und heutigen Ehrenpräsidenten Harry Arndt zurückzuführen,<br />

der auch in den folgenden Jahren die Entwicklung auf dem nationalen und internationalen<br />

Sektor maßgeblich mit beeinflussen sollte und heute noch in der lAU als Wettkampfsportwart tätig ist.<br />

Im Jahre 1989 kam die Einführung einer DUV-Meisterschaft im 24-h-Lauf mit der Premiere in Mörlenbach<br />

hinzu, Bahnmeisterschaften über zunächst 100 km, später auch 50 km wurden ins DUV-Programm<br />

aufgenommen. In den neunzigerjahren begannen sich die kürzeren Zeitläufe über 6- bzw. 12­<br />

Stunden zu etablieren, 1995 wurde die erste DUV-50-km-Meisterschaft in Rodenbach veranstaltet.<br />

Die DUV hatte zu Beginn entscheidenden Anteil daran, dass der DLV zunächst im 100-km-Lauf (bereits<br />

1989), später auch im 24-h-Lauf (ab 1992) Nationalmannschaften zu internationalen Meisterschaften<br />

entsandte. .<br />

Auch wenn aus heutiger Sicht nicht alle Ergebnisse der vielfältigen Aktivitäten der DUV dauerhaft Bestand<br />

haben konnten - wir haben in der Entwicklung unseres Sports sehr viel erreicht und werden<br />

auch weiter "am Ball bleiben". Denn nach wie vor gibt es im Ultralauf eine Menge für uns zu tun.<br />

7


Aus der Geschäftsstelle<br />

Liebe DUV-Mitglieder,<br />

liebe Freunde des Ultralanglaufs,<br />

Anfang April 2005<br />

wie bereits im Vorjahr hat auch dieses Jahr der Einzug der Mitgliedsbeiträge nicht zum gewünschten<br />

vollen Erfolg geführt. So ist für 65 Mitglieder der Bankeinzug fehlgeschlagen,<br />

weil entweder die Bankleitzahl oder das Konto nicht mehr stimmten, das Konto inzwischen<br />

aufgelöst war oder sonstige Gründe (z.B. nicht ausreichend Deckung auf dem Konto o.ä.) auftraten.<br />

Nicht nur, dass dadurch für die Geschäftsführung erheblich mehr Arbeit (Zurückbuchung<br />

des Beitrags, Fertigung von Mahnungen), sondern für die DUV auch erhebliche Kosten<br />

(jede nicht eingelöste Banklastschrift wird mit Kosten von 4 € in Rechnung gestellt; das Porto<br />

für die Mahnungen beträgt auch noch einmal 0,55 €) entstehen.<br />

Ich bitte euch daher, in Zukunft darauf zu achten, dass sowohl eure Kontonummer als auch<br />

die Bankleitzahl auf de'm neuesten Stand sind (insbesondere wenn durch Bankenfusionen<br />

neue Banken entstehen).<br />

Und nun möchte ich noch alle Selbstzahler, die bisher ihren bis zum<br />

31.03.05<br />

fälligen Beitrag noch nicht überwiesen oder als Bargeld geschickt haben, bitten, dies spätestens<br />

unmittelbar nach Erhalt dieses Heftes zu erledigen. Bitte vermeidet auch hier unnötige<br />

Arbeit (Überwachung, Mahnung) und Kosten!<br />

Auf Grund von Anfragen möchte ich darauf hinweisen, dass unser Beitrag für das KALEN­<br />

DERJAHR erhoben und nicht anteilig abgebucht oder erstattet wird; dafür ist aber auch keine<br />

Aufnahmegebühr zu entrichten.<br />

Als Neumitglieder möchten wir folgende Läuferinnen und Läufer ganz herzlich begrüßen:<br />

.Jochen Kümpel Dirk Bohne Axel Rymarcewicz<br />

Peter Wagner Thomas Illing Alexander Henneberg<br />

Frank Berka Werner Ehret Peter Schär<br />

Heinz Behrmann Gernot Hauke Hans-Jürgen Schlotter<br />

Dieter Stemme Dörte Schwalbe Florian Reus<br />

Hans-Joachim Westphal Thomas Hess Helmut Kimmerle<br />

Elke Streicher Bärbel Krapp Mathias Reichardt<br />

Johannes Schulz Marianne Albert Klaus Dieter Hellweg<br />

Heiner Wettinger Andreas Butz Michael Vanicek<br />

Daniela Ahrberg Erhan Göktan Heinz Eisenbletter<br />

Martina Görz Heinz Hürth Uwe Tünnermann<br />

8<br />

DUV-Geschäftsjiihrung: Jürgen Liebert, 1m Fuhlenbrock 102, D 46242 Bottrop<br />

Tel. 02041152230, Fax 020411706888<br />

E-Mail huj.liebert@t-online.deund)liebert@gelsennet.de<br />

Vereinskonto: Volksbank Gießen Friedberg, BLZ 51390000, Konto Nr. 0085817400<br />

BIe GENODE51GIl, 1BAN DE 34513900000085817400


09.04.05<br />

DUV-Meisterschaften<br />

im 50 km-Lauf in Marburg<br />

Volkmar Mühl<br />

Der Ultra-Sport-Club Marburg mit Klaus<br />

Hoffmann an der Spitze des Organisationsteams<br />

richtet schon traditionell seit<br />

1993 einen 60-km-Ultramarathon "Rund<br />

um das Landschulheim" etwas außerhalb<br />

von Marburg, einem Mittelzentrum<br />

im Herzen von Hessen gelegen, aus.<br />

Aus Anlass der Austragung von Deutschen<br />

Meisterschaften wird die Strecke<br />

auf 50 km verkürzt, dies war in diesem<br />

Jahr nach 1996 und 2001 bereits zum<br />

dritten Mal der Fall. Gelaufen wird auf<br />

einer weitestgehend flachen asphaltierten<br />

10-km-Runde mit<br />

Start und Ziel am Landschulheim,<br />

die grundsätzlich schnelle Zeiten<br />

zulässt, aber leider in <strong>Teil</strong>bereichen<br />

recht windanfällig ist.<br />

Und mit diesem Problem hatten<br />

die Athletinnen und Athleten diesmal<br />

besonders zu kämpfen. Zum<br />

Start um 10.00 Uhr bei Temperaturen<br />

um 6° C hatten sich 115<br />

DM-Starter sowie 20 <strong>Teil</strong>nehmer<br />

am offenen Lauf eingefunden und<br />

machten sich gemeinsam mit den<br />

Marathon- und Halbmarathonläufern<br />

auf den interessanten und<br />

abwechslungsreich{m Kurs.<br />

Bei den Männern war das seltene<br />

Phänomen zu beobachten, dass<br />

alle vier amtierenden Deutschen<br />

Meister an der Startlinie standen:<br />

Michael Sommer, 100-km-Meister von<br />

Kienbaum 2004, Jens Lukas, 24-h-Meister<br />

von Hamburg 2004, Rainer Koch als<br />

Sieger der DM im Cross- und Landschaftslauf<br />

bei der Harzquerung 2004<br />

und - last but not least - Jochen Kümpel,<br />

der sich als 50-km-Meister der letzten<br />

beiden Jahre nicht nur die Verteidigung<br />

seines Titels, sondern damit auch<br />

einen Hattrick als Ziel gesetzt hatte. Im<br />

Frauenbereich war die etablierte nationale<br />

Elite nicht am Start. So traute man<br />

Ulrike Steeger, einer starken 100-km­<br />

Läuferin früherer Jahre, sowie Elke Melzer<br />

nach ihrer guten Leistung beim 6-h­<br />

Lauf in Troisdorf im November vergangenen<br />

Jahres zu, in der Frauenwertung<br />

ganz vorne mitzumischen.<br />

Jochen Kümpel zeigte schon mit Beendigung<br />

der ersten Runde, dass ihm die<br />

Titelverteidigung ein ernstes Anliegen<br />

war. Ca. 36:30 Minuten zeigte die Uhr<br />

an, eine Klassezeit angesichts der<br />

Vier amtierende Ultrameister am Start<br />

Windböen auf der Strecke. Michael<br />

Sommer und Michael Becker folgten<br />

gleichauf ca. 40 Sekunden dahinter.<br />

An diesem Abstand sollte sich bis km 40<br />

nichts ändern. In der letzten Runde allerdings<br />

übernahm Michael Sommer die<br />

Initiative. Bemerkenswert, wie der Routinier<br />

am Ende mit 3:08:40 h noch fast<br />

eine Minute Vorsprung auf den Zweitplatzierten,<br />

Jochen Kümpel (3:09:37 h),<br />

herauslief. Der konnte sich allerdings<br />

damit trösten, unter diesen schwierigen<br />

Bedingungen eine neue persönliche<br />

Bestzeit erzielt zu haben. Nach eigenem<br />

Bekunden machte diese hervorragende<br />

Leistung den Titelverlust mehr als wett.<br />

Dritter wurde Michael Becker in einer<br />

ebenfalls ausgezeichneten persönlichen<br />

Bestzeit von 3:10:50 h.<br />

Michael Becker, Jochen Kümpel, Michael Sommer und<br />

DUV-Präsident Volkmar Mühl (v. r. n. 1.)<br />

Der Läufer von der LG Leipzig-Grünau<br />

machte im letzten Jahr beim Leipziger<br />

100-km-Lauf erstmals mit einer 100-km­<br />

Zeit unter 7:20 h auf sich aufmerksam<br />

und empfahl sich damit für das diesjährige<br />

100-km-Nationalteam. Mit der Marburger<br />

Leistung hat er diese Empfehlung<br />

nachhaltig untermauert und wird ­<br />

vorbehaltlich der abschließenden Nominierung<br />

durch den DLV - beim 100-km­<br />

World Cup in Lake Saroma/Japan am<br />

26.06.2005 im Nationalteam an den<br />

Start gehen.<br />

Einer seiner Mannschaftskameraden<br />

wird Michael Sommer sein. Der<br />

Schwaikheimer hat aktuell mit der intensiven<br />

Vorbereitung auf die WM begonnen,<br />

die aller Voraussicht nach für ihn<br />

der letzte Einsatz im DLV-Nationalteam<br />

sein wird. Für den August hat er sich<br />

dann noch einmal die Deutsche Meisterschaft<br />

über 100 km als Ziel gesetzt ­<br />

wenn es bis dahin gut läuft.<br />

Sehr interessante Einblicke in seine Philosophie<br />

vom Laufen gab Michael Sommer,<br />

der seine internationale Karriere<br />

beim 100-km-WC in Japan 1994 begonnen<br />

hat, im Rahmen der Siegerehrung.<br />

Dabei hob er besonders die Bedeutung<br />

einer ausreichenden und konsequenten<br />

Regeneration hervor.<br />

Bei den Frauen blieb Verena Walter als<br />

einzige mit 3:59:26 h unter der begehrten<br />

4-Stunden-Marke, gefolgt von Antje<br />

Krause mit 4:03: 11 hund Ulrike Steeger<br />

in 4:04:25 h.<br />

Bemerkenswert ist, dass die neue DUV­<br />

Meisterin gerade 23 Jahre alt ist und bereits<br />

im zweiten Ultramarathonlauf eine<br />

solch gute Leistung erzielte.<br />

Für Vizemeisterin Antje Krause, Lokalmatadorin<br />

vom TSV<br />

06 Cappel, war es<br />

der erste Ultralauf<br />

überhaupt. Bis km 30<br />

noch vor Verena Walter<br />

gelegen, musste<br />

sie ab diesem Zeitpunkt<br />

die spätere<br />

Siegerin ziehen lassen.<br />

Auch sie kann<br />

mit 32 Jahren noch<br />

zum Nachwuchs auf<br />

den langen Distanzen<br />

gerechnet werden.<br />

Auf die weitere Leistungsentwicklungdieser<br />

Läuferinnen darf<br />

man jedenfalls gespannt<br />

sein!<br />

Starke Leistungen<br />

wurden auch in den<br />

Altersklassen geboten,<br />

insbesondere in der M60 mit Sieger<br />

Gerhard Timmermann in 3:52:48 sowie<br />

in der M65, die Armand Nerger mit<br />

4:01 :50 h gewann. In der Mannschaftswertung<br />

der Frauen siegte der TSV Berkersheim<br />

in der Besetzung Gabriele<br />

Ehls, Petra Piel und Beate Listmann in<br />

13:37:16 h, bei den Männern war die<br />

DJK Schwäbisch Gmünd mit Ralf Knodei,<br />

Ralf Gross und Harry Olf Schaal in<br />

10:57:17 h erfolgreich.<br />

Angesichts der guten Leistungen der<br />

Athletinnen und Athleten fällt es leicht,<br />

ein positives Fazit dieser Meisterschaft<br />

zu ziehen.<br />

Die einzelnen Ergebnisse finden sich<br />

auf der Website des USC Marburg unter<br />

www.ultra-marburg.de. -<br />

Foto: Tinschert<br />

9


Das erste Radrennen durch die größte zusammenhängende Sandwüste der Welt<br />

06./07.11.04<br />

,,1. Race across Taklamakan"<br />

über 523 km per Rad<br />

Stefan Schlett<br />

Der Sonnenball kriecht hinter den riesigen<br />

Sandmassen empor, steigt bedächtig<br />

höher und bringt langsam wieder Leben<br />

in unsere steif gefrorenen Glieder.<br />

Der Start im ersten Tageslicht, bei Temperaturen<br />

um den Gefrierpunkt, war wie<br />

eine Fahrt in den Tiefkühlschrank. Nun<br />

entfacht die erotische Ästhetik, welche<br />

Millionen von Sanddünen ausstrahlen,<br />

nahezu ein Feuer in unseren Herzen.<br />

Das schwarze Asphaltband, welches<br />

sich wie ein Rettungsanker durch die<br />

monumentale Dünenlandschaft zieht,<br />

und der stahlblaue, wolkenlose Himmel<br />

setzen Reize, denen sich der<br />

moderne Abenteurer kaum<br />

entziehen kann. Der zweite<br />

<strong>Teil</strong> des Radrennens durch<br />

die Taklamakan-Wüste beginnt<br />

für die 10 <strong>Teil</strong>nehmer<br />

verheißungsvoll.<br />

Die Taklamakan ist die rauheste,<br />

lebensfeindlichste und<br />

am wenigsten erforschte<br />

Sandwüste der Welt. Mit ihrer<br />

Fläche von 338.000<br />

Quadratkilometern wird sie<br />

einzig von der Rub-al-Khali<br />

Arabiens übertroffen: Die im<br />

Durchschnitt 1.300 m hoch<br />

gelegene Wüste erstreckt<br />

sich über 1.200 km von West<br />

nach Ost und 550 km von<br />

Nord nach Süd - ein Sandkasten,<br />

so groß wie ganz<br />

Deutschland! Der lebensfeindliche<br />

Charakter der Taklamakan<br />

äußert sich auch in ihrem Namen, der<br />

übersetzt lautet: "Wer sie betritt, wird sie<br />

nicht wieder verlassen". Denn viele Karawanen<br />

mit kostbarer Seide wurden in<br />

früheren Jahrhunderten vom berüchtigten<br />

"Kara Buran", den schwarzen Orkanen,<br />

ausgelöscht. Sie liegt in der Autonomen<br />

Uigurischen Region Xinjiang, der<br />

größten chinesischen Provinz, die auch<br />

als Chinesisch-Turkestan bekannt ist, im<br />

äußersten Westen Chinas. Eingebettet<br />

von Pamir und Hindukusch im Westen,<br />

Kunlun Shan im Süden, Bei Shan und<br />

Nan Shan im Osten und dem Tian Shan<br />

(Himmelsgebirge) im Norden ist das Tarim<br />

Becken, in dem die Taklamakan<br />

liegt, auf allen Seiten von 4.000 bis<br />

7.000 m hohen Gebirgszügen umgeben<br />

und von den regenträchtigen Winden<br />

völlig abgeschirmt. Die Folge ist ein ex­<br />

10<br />

trem kontinentales, arides Klima mit wenig<br />

Niederschlägen und großen Tempe­<br />

Taturschwankungen, die im Juli 50° C im<br />

Schatten erreichen und im Winter auf<br />

minus 30° C sinken. Da im Frühjahr äußerst<br />

heftige, tagelange Sandstürme<br />

über die Wüste fegen, deren Dünen bis<br />

zu 300 m hoch werden, bietet einzig der<br />

Spätherbst ein Zeitfenster für Expeditionen<br />

bzw. extremsportliche Aktivitäten.<br />

Diese riesige, eiförmige, leere, gelbe<br />

Ausdehnung mit ihrer erhabenen Einsamkeit<br />

inmitten Zentralasiens beflügelte<br />

von jeher die Fantasien von Entdeckern<br />

und Abenteurern. Allen voran<br />

Sven Hedin und Sir Aurel Stein, die gegen<br />

Ende des 19. Jahrhunderts mehrere<br />

Forschungsreisen unternahmen. In der<br />

Neuzeit war das Betreten der Wüste<br />

wegen der Atomversuche (am Lop-Nur­<br />

Salzsee zündeten die Chinesen 1956 ihre<br />

erste Atombombe) jahrelang verboten.<br />

In den 90er Jahren geriet die Tak-<br />

Einer der zehn <strong>Teil</strong>nehmer war der Kieler Karl-Heinz Jost<br />

lamakan erstmals in die Aufmerksamkeit<br />

der breiten Weltöffentlichkeit, nachdem<br />

große Erdölreserven unter dem Sandmeer<br />

entdeckt wurden. Die Taklamakan<br />

galt plötzlich als Chinas Naher Osten<br />

und Hoffnungsträger für den gigantischen<br />

Energiebedarf im Reich der Mitte.<br />

Um das schwarze Gold zu erschließen<br />

und den immer größeren Hunger der rasant<br />

wachsenden chinesischen Wirtschaft<br />

zu stillen, wurde der 523 km lange<br />

Desert Highway quer durch die ungeheuren<br />

Sandmassen der Taklamakan<br />

gebaut. Das Mammutprojekt war eine<br />

technische Herausforderung für die Ingenieure<br />

und verschlang pro Kilometer<br />

Asphalt 10 Millionen Euro. In drei Jahren<br />

Bauzeit war die teuerste Straße der Welt<br />

fertiggestellt. 6 Milliarden Euro ließ sich<br />

das aufstrebende und vom Wirtschaftsboom<br />

verwöhnte China dieses Projekt<br />

kosten. Die Strecke von Luntai nach<br />

Minfeng verband somit die nördliche mit<br />

der südlichen Seidenstraße - jenen alten<br />

Handelsweg, der seit dem 3. Jahrhundert<br />

nicht nur den Warenfluss, sondern<br />

auch den philosophischen, technischen<br />

und religiösen Austausch zwischen dem<br />

Orient und dem Okzident sicherstellte.<br />

Beide führen um die Wüste Taklamakan<br />

herum und treffen in Kashgar, uralte<br />

Handelsstadt im dunklen Herzen Asiens<br />

und westlichste Stadt Chinas, wieder zusammen.<br />

Vorspiel<br />

Als Wolfgang Kulow und Stefan Schlett<br />

unter reger Anteilnahme der einheimischen<br />

Bevölkerung und der Medien im<br />

September 2003 die erste läuferische<br />

Durchquerung der Taklamakan gelang,<br />

kam erstmals die Idee auf, die in erstklassigem<br />

Zustand befindliche, 523 km<br />

lange Wüstenstraße mit dem Rennrad<br />

zu durchqueren. Dank Wolfgang's Initiative<br />

und dem professionellen<br />

Engagement von<br />

China Tours in Hamburg<br />

war es schon 14 Monate<br />

später soweit. Die bürokratische<br />

Ausdauer der<br />

beteiligten Extremsportier<br />

wurde bereits im Vorfeld<br />

auf die Probe gestellt.<br />

Zwei russische Visa, chinesisches<br />

Gruppenvisum,<br />

spezielle Auslandskrankenversicherung<br />

für Russland,<br />

schriftliche Deklaration<br />

des Fahrrads für den<br />

chinesischen Zoll, waren<br />

der Wüstendurchquerung<br />

erster Akt. Bei China<br />

Tours in Hamburg.<br />

wurde derweil ständig<br />

kontrolliert, ob alle notwendigen<br />

Angaben vorhanden<br />

waren. Außerdem musste den<br />

Partnern vor Ort vermittelt werden, was<br />

die Extremsportier eigentlich wollten und<br />

vor allem, was diese an Betreuung benötigen<br />

würden. Extremsport ist 'oftmals<br />

auch mit extremen Reiseaktivitäten verbunden:<br />

nach Flügen von Hamburg und<br />

Frankfurt trafen sich die zehn <strong>Teil</strong>nehmer<br />

am ,,1. Race Across Taklamakan" in<br />

Moskau Scheremetjewo. Dort Weiterflug<br />

mit China Southern Airlines nach Urumqi,<br />

Haupt- und Millionenstadt der Riesenprovinz<br />

Xinjiang. Noch am gleichen<br />

Tag ging es mit dem Nachtzug 700 km<br />

Richtung Süden nach Luntai, einer<br />

Kleinstadt an der nördlichen Seidenstraße.<br />

Stimulation<br />

Nachdem alle Beteiligten sowie Gepäck<br />

und Räder komplett und ohne Beschädigung<br />

am Ausgangspunkt angekom­


men und die Rennboliden wieder zusammen<br />

gebaut waren, stieg die Spannung<br />

auf das bevorstehende Abenteuer.<br />

Die fantastische Landschaft sowie die<br />

ersten Eindrücke der fremdartigen Kultur<br />

und Lebensweise stimulierten zusätzlich.<br />

Zunächst jedoch gab es nach je einer<br />

Nacht im Flieger und im Zug noch<br />

einmal ein bequemes Hotelbett. Bei<br />

knackigen 1,5 0<br />

Celsius versammelten<br />

wir uns dick vermummt im ersten Tageslicht<br />

an dem Straßenbogen, der den Beginn<br />

der Wüstenstraße und somit den<br />

Start des Rennens markierte. 295 km<br />

grandiose Wüstenlandschaft waren auf<br />

der 1. Etappe zu bewältigen. Da aufgrund<br />

der fortgeschrittenen Jahreszeit<br />

(Spätherbst) nur 11 Stunden Tageslicht<br />

zur Verfügung standen, musste jeder<br />

Fahrer sein Rennrad mit Beleuchtungssystemen<br />

ausrüsten. Vier Fahrzeuge<br />

und ein halbes Dutzend chinesische<br />

Helfer von China Tours stellten die Vers<strong>org</strong>ung<br />

auf der Strecke sicher.<br />

Wüsten<strong>org</strong>asmus<br />

Noch in der Kälte des M<strong>org</strong>ens passierten<br />

wir riesige Baumwollfelder, mit denen<br />

der Nordrand der Wüste kultiviert<br />

wird. Mit der Wärme der Sonne ging<br />

diese Landschaft in flache Dünenpassagen<br />

über, die immer größer wurden.<br />

Nach knapp 100 km waren wir von monumentalen<br />

Sanddünen umgeben, die<br />

sich unendlich bis zum Horizont erstreckten.<br />

Stimmung, Atmosphäre,<br />

Licht- und Farbkontraste vor dieser<br />

grandiosen Kulisse waren ein einziger<br />

Sinnesrausch! Der Zauber der Wüste<br />

und die Symphonie des Sandes bestimmten<br />

in diesen Momenten unser<br />

Seelenleben - Biker's high! Der Verkehr<br />

auf der Trasse, die sich in ständigem<br />

Auf und Ab über die Sandberge zieht, ist<br />

gering. Wasserbohrstellen und vereinzelte<br />

Wüstencamps, die von Arbeitern,<br />

Ingenieuren und Geologen bewohnt<br />

wurden, sind die einzigen Anzeichen<br />

von Leben in der Einsamkeit der Wüste.<br />

Zwischen 11:46 und 15:26 Stunden erreichten<br />

alle 10 <strong>Teil</strong>nehmer die Siedlung<br />

Tazhong Siyoutian, ein gottverlassenes<br />

Nest im Herzen .der Taklamakan. Nach<br />

einem klassischen chinesischen Dinner<br />

am runden Tisch und einigen wenigen<br />

Stunden Schlaf wurde die Traumreise<br />

durch den größten Sandkasten der Welt<br />

fortgesetzt. 228 km lang befanden sich<br />

Seele, Geist und Körper im Ausnahmezustand.<br />

Wer einmal die Wüste mit allen<br />

Sinnen gerochen, geschmeckt, gefühlt,<br />

gesehen und gehört hat, will diese Landschaft<br />

immer wieder erleben! Als am<br />

späten Nachmittag die schneebedeckten<br />

6.000er des Kunlun-Shan-Gebirges<br />

am Horizont auftauchten, wussten wir,<br />

dass der Südrand der Taklamakan bald<br />

erreicht war. Schilf, vereinzelte Bäume<br />

und Sträucher, Kühe und Eselgespanne<br />

kündeten von der Nähe der südlichen<br />

Seidenstraße, in die der Desert Highway<br />

mündet. Diesmal erreichten fast alle<br />

<strong>Teil</strong>nehmer das Ziel noch im letzten Tageslicht<br />

und wurden sogleich nach Minfeng<br />

transportiert, einer alten Oasenstadt<br />

an der südlichen Seidenstraße.<br />

Nachspiel<br />

Vor dem 600 km langen Rücktransport<br />

nach Luntai <strong>org</strong>anisierte die Mannschaft<br />

von China Tours am nächsten M<strong>org</strong>en<br />

eine stilvolle Siegerehrung an dem<br />

Straßenbogen, der das Ende des Desert<br />

Highways markiert. Der erste Platz ging<br />

an Uwe Krohne in 21 :51 Std., Zweiter<br />

wurde Joachim Rintsch in 22:35 Std.<br />

Bemerkenswert der 3. Platz unseres 74<br />

Jahre jungen Oldies Friedhelm Lixenfeld,<br />

in einer Gesamtzeit von 23:53 Std.<br />

Alle Finisher erhielten eine Urkunde und<br />

ein Erinnerungsgeschenk. Noch in der<br />

gleichen Nacht ging es mit dem Zug zurück<br />

nach Urumqi, wo mittlerweile eine<br />

Temperatur von -10 0<br />

Celsius herrschte<br />

und es Schnee gegeben hatte. Trotz der<br />

widrigen Bedingungen erwartete uns vor<br />

dem Bahnhof ein Empfangskomitee. Ein<br />

halbes Dutzend Pressevertreter der lokalen<br />

TV- und Printmedien waren neugierig<br />

auf die Taklamakan-Radpioniere.<br />

Und ein Dutzend attraktive Chinesinnen<br />

überreichten uns Blumensträuße und<br />

Küsschen. Da waren Muskelkater und<br />

wund gefahrene Hintern schnell vergessen<br />

...<br />

Ein Galadinner war dann der abschließende<br />

Höhepunkt. des Tages. Am<br />

nächsten Tag ging es via Moskau wieder<br />

zurück· nach Deutschland. Den Geschmack<br />

der Wüste trugen wir alle in<br />

uns.<br />

Die Taklamakan macht süchtig - ich<br />

komme wieder!<br />

Infos<br />

China Tours in Hamburg will im Jahre<br />

2005 voraussichtlich je ein Rennen zU<br />

Fuß und auf dem Rennrad durch die<br />

Taklamakan <strong>org</strong>anisieren. Der Chinaspezialist<br />

hat dafür extra einen Mitarbeiter<br />

eingestellt, der sich um solche Spezialreisen<br />

kümmert.<br />

<strong>Teil</strong>nehmer<br />

Friedhelm Lixenfeld, Uwe Krohne, Joachim<br />

Rintsch, Karl Heinz Jost, Peter Becker,<br />

Holger Doose, Stefan Schlett,<br />

Wolfgang Mund, Wolfgang Kulow und<br />

Hermann Karle<br />

Kontaktadresse:<br />

China Tours Hamburg GmbH<br />

Rehkoppel7<br />

22119 Hamburg<br />

Tel.: 040-81 97380<br />

Fax: 040-81 973888<br />

Email: info@china-tours.de<br />

Website: www.china-tours.de ­<br />

**********************************************<br />

Am 11.01.05 erhielt der Pressewart vom<br />

Weltenbummler eine Kurzmail mit folgendem<br />

Inhalt: "Der Schlett versucht<br />

seinen 4. Kontinent mit eigener Muskelkraft<br />

zu durchqueren. Vom 15.01.­<br />

14.05.05 geht es per Mountain Bike von<br />

Kairo nach Kapstadt, über 11.500 km in<br />

100 Tagesetappen durch 10 afrikanische<br />

Länder. Mehr Infos gibfs unter:<br />

www.tourdafrique.com ..<br />

Dort also gleich mal nachgeschaut, und<br />

da konnte man folgendes lesen:<br />

On January 15th, 2005, in the gentle<br />

mist of the African dawn, a group of intrepid<br />

and strong-willed men and women<br />

will begin a journey of both body and<br />

soul as they pedal towards a bold new<br />

frontier of cycling adventure. Welcome<br />

to the third annual Tour d'Afrique, an<br />

11.500 kilometer bicycle expedition<br />

across the world's most exotic and alluring<br />

continent. The Cairo to Cape Town<br />

. route will challenge you physically and<br />

mentally Iike no other - and reward you<br />

as you have never been rewarded before,<br />

with scenes of unsurpassed splendor<br />

and an incomparable feeling· of accomplishment.<br />

The mandate is threefold:<br />

first, to create an athletic event for<br />

both amateurs and professionals; second,<br />

to foster international goodwill; and<br />

third, raise funds to promote bikes in Africa<br />

through our foundation.<br />

TRAVELS AND TRIBULATIONS<br />

Riders will start each day at sunrise for a<br />

day of teeth-gritting physical and mental<br />

challenge. Expedition riders will cycle at<br />

their own pace, testing themselves<br />

against the rugged terrain and the most<br />

extreme elements. You will travel<br />

through 10 countries in all, cycling past<br />

ancient temples, through game reserves<br />

teeming with wildlife, across the foothilIs<br />

of legendary Mount Kilimanjaro, alongside<br />

the rugged and biblical landscape of<br />

Ethiopia's Simians Mountains, and the<br />

edge of Botswana's magnificent Kalahari.<br />

FACTS AND FIGURES<br />

.The program features 100 cycling days,<br />

averaging 115 km each, broken up by<br />

20 rest days and sightseeing. Support<br />

trucks will collect and pack equipment<br />

and travel ahead to set up camp. Individual<br />

entry fees are $8,000 U.S, which<br />

will cover your basic needs throughout<br />

the tour. Participants will be responsible<br />

for their own transportation to and from<br />

Africa. Those who complete the event<br />

will savor the triumph of conquering the<br />

longest and most difficult bike race in<br />

the history of sport. Commemorative<br />

festivities, special medals await victorious<br />

cyclists. We look forward to celebrating<br />

with you. -<br />

Ein Bericht folgt im nächsten Heft!<br />

11


Laufbahn. Kleine Wasserdampfwölkchen<br />

steigen auf. Dampfbad in der Wüste!<br />

Während ich mich akklimatisiere,<br />

mampfe ich leckere Frühstückspfannkuchen<br />

mit Schokolade. 22 Frischlinge im<br />

48 Stunden-Lauf bereichern die Bahn<br />

mit munterem Geschwätz. Allen voran<br />

saust der Japaner Aki Inoue. Dieser erstaunliche<br />

Bursche traf in der Nacht zuvor<br />

ein, joggte einige Runden auf der<br />

Piste und lief sich im M<strong>org</strong>engrauen<br />

schon mal warm! Nichtsdestotrotz oder<br />

deswegen (???) wird er sein Rennen mit<br />

304 km gewinnen.<br />

Nach ca. 30 Stunden im Rennen fühle<br />

auch ich mich gut eingelaufen. Es rollt!<br />

Automatisch spähe ich tiefer in meine<br />

kleine Welt um mich hinein. Runde um<br />

Runde entdecke ich neue Einzelheiten;<br />

sei es eine einzelne dicke Oleanderknospe<br />

im Gebüsch. Ich fühle dieses<br />

aufblühende Leben der Blume in mir<br />

und drifte meditativ ab. Die mystische<br />

Musik von "Aquaria" im Ohr tut ihr übriges.<br />

Zeitlos meine ich dahinzuschweben.<br />

Untermalt wird alles von lautem<br />

Geschlurfe, das mich dezent an den körnigen<br />

Boden der Tatsachen erinnert.<br />

Niemals vergesse ich, meine Runden<br />

per Druck auf die Uhr mitzuzählen und<br />

die benötigte Zeit zu kontrollieren. Ambivalentes<br />

Leben, Traum und Wirklichkeit,<br />

scheinbare Gegensätze vereinen<br />

sich im Inneren zu harmonischer Ganzheit.<br />

Ich fühle mich endlich widerspruchsfrei<br />

eingewoben in meinen Mikrokosmos<br />

auf Zeit. Jäh verflüchtigt sich<br />

die Traum-Seite meiner Welt. Irgendwas<br />

hat sich unterm Sonnenhut verfangen.<br />

Etwas sticht. Carlos Dias, der brasilianische<br />

Läufer, kommt von hinten und<br />

nimmt mich zur Seite. Ein aufmerksamer<br />

Blick, ein Griff unters Ohr, und schon hat<br />

er den Wespenstachel in der Hand. Andy<br />

schaut mich vom Verpflegungsstand<br />

wie ein Fragezeichen an. "Alles in Ordnung.<br />

Nur ein Wespenstich". Hundert<br />

Meter weiter werden Hände wie Füße<br />

dick und heiß. Verflixt...lch beschreibe<br />

Andy die "Wespe" genauer. "Ach, ein<br />

Yellow Jacket! Eine ganz gewöhnliche<br />

Wespenart hier." Gleich erhalte ich ein<br />

Gegengift, das sofort wirkt. Hier ist wirklich<br />

an alles gedacht. Phantastisch!<br />

Der zweite Abend mit einer neuen, womöglich<br />

noch leckereren Fuhre Tortillas<br />

naht. Mit dem vollen Magen kann ich<br />

mich kaum mehr rühren, und ich flüchte<br />

ins Zelt zur halbstündigen Umkleidepause.<br />

Insgesamt werde ich auf sieben<br />

solch entspannender Kurzpausen kommen.<br />

Mittlerweile achte ich schon auf die<br />

Platzierung. Mein zweiter Gesamtplatz<br />

scheint einzementiert; über 20 km ist<br />

Tony Celentano zurück. Aber irgendjemand<br />

wetzt hier zu nachtschlafender<br />

Zeit auf Treibjagd seine Runden ab!<br />

Haarsträubendes Tempo nach über 40<br />

Stunden! Schon seit längerer Zeit geht<br />

das so zu. Selbst John läuft dagegen in<br />

ruhigem Tempo. Wer könnte das sein?<br />

Ha! Tony! Es haute mich vom Hocker,<br />

hätte ich denn einen. Unauffällig erkundige<br />

ich mich genauer nach Tonys Vorleistungen.<br />

Marathonbestzeit 2: 19?!<br />

Sehr witzig. Zu nah darf ich ihn also<br />

nicht herankommen lassen. Gegen 2<br />

Uhr früh wirken seine Überrundungen<br />

endlich eine Spur müder. Beim Blick auf<br />

die Stundenprotokolle stoßen wir zusammen.<br />

Er schmunzelt neckisch. Bereits<br />

7 km Vorsprung habe ich eingebüßt!<br />

Ich beschließe, für eine Runde in<br />

seinem Schlepptau zu bleiben. Verblüfft<br />

schaut er zurück. Nach über 42 Stunden<br />

schaffe ich so mit 3:34 Minuten meine<br />

schnellste Runde des ganzen Rennens!<br />

Ich löse mich von ihm zur Erholung und<br />

erwarte ihn wieder zur nächsten Überrundung<br />

seinerseits. Jedoch der<br />

Schreck sitzt, und er legt sich schlafen.<br />

Zuletzt wird er seinen dritten Platz noch<br />

an Ulli, den Geher, abtreten müssen.<br />

Jedenfalls kann ich unbehelligt meinem<br />

Ultraschlappschritt frönen. Für meinen<br />

zweiten Lauftag kommen 115 km zusammen.<br />

Als ich von meiner m<strong>org</strong>endlichen Kurzpause<br />

aus dem Zelt auftauche, hat sich<br />

die Stimmung total gewandelt. Die 43<br />

Sprinter sind jetzt da! Überschäumende<br />

Energie und frischer Körperduft umwehen<br />

die Piste. Ruckzuck bin ich von all<br />

dem fröhlichen Treiben angesteckt.<br />

Schließlich fallen mir William Sichel und<br />

Carolyn Smith auf, die nach vielen<br />

Stunden in ihrem Rennen immer noch in<br />

hohem Tempo vorbeisausen. Sie werden<br />

auf den Plätzen eins bzw. zwei landen<br />

und über 200 km erreichen. Nicht<br />

nur wegen meinem ökonomisch lahmen<br />

Auch das ist Arizona ...<br />

Schlurfschritt werde ich Überhaupt nicht<br />

müde! Bereits am frühen Abend unterhalten<br />

wir uns aufgeregt über die bevorstehende<br />

Silvesterparty. Die erste sternenklare<br />

Nacht erwartet uns. Restfeuchtigkeit<br />

durchwebt das Land in dünnen<br />

bodennahen Nebelschleiern. Es wird sofort<br />

bitterkalt, und ich ziehe alles übereinander,<br />

was ich habe. Unmöglich kann<br />

ich so schnell laufen, wie ich friere! Vor<br />

Mitternacht wird die Strecke hübsch mit<br />

Luftballons dekoriert. Wir bedienen uns<br />

am Überraschungstisch mit Zylinder,<br />

Halsketten, Tröten und mehr. Das ausgelassene<br />

Kichern ob der neckischen<br />

Verkleidungen und der Höllenlärm der<br />

Pfeifen verteilt sich in Windeseile rund<br />

um die Piste. "Aah!"..."Ooohh!! ... Das<br />

Feuerwerk beginnt mit Böllerschüssen<br />

vor dem Lustschlösschen. Die Nebel<br />

scheinen, vermischt mit dem Rauch, mit<br />

uns um die Bahn zu zirkulieren .. Ausgelassen<br />

besaufen wir uns mit Sekt alkoholfrei.<br />

Ich kann nicht begreifen, dass<br />

ich schon 63 Stunden quasi nonstop unterwegs<br />

bin!<br />

Die lächerlichen letzten 9 Stunden will<br />

ich gemütlich ausklingen lassen. Schlurf,<br />

schlurf, schlapp. Und es beschwert sich<br />

doch tatsächlich jemand, dass ich in<br />

diesem Jahr keinen Fight biete! "Fang<br />

mich ein, dann bekommst Du Deinen<br />

Fight", witzele ich, durchaus froh, dass<br />

John weit voraus ist und Ulli weit.hinter<br />

mir. Trotzdem laufe ich in den verbliebenen<br />

Stunden noch 45,5 km. Im letzten<br />

Jahr war es ein Kilometer weniger, trotz<br />

(verlorenem) legendärem Kampf mit Jan<br />

Ryerse um den gesamtersten Platz.<br />

Auch im Jahr 2000 hatte es einen solchen<br />

Kampf gegeben, auch den hatte<br />

ich verloren - damals gegen Antonio de<br />

Freitas.<br />

Unser letztes Stündlein hat geschlagen.<br />

Wie viele Runden noch hineinpassen<br />

mögen? Bekanntlich wird überall auf der<br />

Welt bei solch langen Zeitläufen auf<br />

Kurzrunden die letzte innerhalb der v<strong>org</strong>egebenen<br />

Zeit absolvierte volle Runde<br />

gezählt. So kann diese, je nach verbliebener<br />

Restzeit, halsbrecherisch oder<br />

supergemütlich sein. Am Start-Ziel­<br />

Strich sind schließlich noch satte 5 Minuten<br />

für mich übrig; zuviel für eine<br />

Runde und erst recht zu wenig für zwei.<br />

Glück gehabt! Mental verabschiede ich<br />

mich ausführlich vom faszinierenden<br />

Mikrokosmos, der mir einmal mehr Gelegenheit<br />

bot, völlig hinein- und über<br />

mich selbst hinauszuwachsen. Körperlich<br />

reduziere ich weiter das Tempo, um<br />

Muskelspannung langsam auf Erholung<br />

einzustellen. Trotzdem erreiche ich die<br />

Start-Ziellinie fast eine Minute zu früh<br />

und kann schon mal allen möglichen<br />

Leuten dort freudig um den Hals fallen.<br />

Ich habe schließlich, mit 117 km am<br />

letzten Tag, insgesamt 377 km erreicht<br />

und kann mich über einen silbernen<br />

beltbuckle freuen. John Geesler erhält<br />

für seine 300 Meilen die goldene Gürtelschnalle.<br />

Eine großartige Feier vor Ort<br />

beschließt unsere "lange Reise".<br />

PS: Wer sich für weitere Einzelheiten,<br />

Ergebnislisten, Geschichte der Rennen,<br />

viele Fotos und mehr interessiert,<br />

schaue auf der erstklassigen Internetseite<br />

nach: www.acrosstheyears.com -<br />

Anmerkung: Die beiden Bilder sind o.g.<br />

Website entnommen!<br />

13


11.12.04-3. Unter-Tage­<br />

Marathon in<br />

Sondershausen<br />

Helmut Linzbichler<br />

"Untertagemarathon", was ist denn das<br />

schon wieder, ja, spinnt denn die (Läufer-)<br />

Welt schon komplett? Reicht es<br />

wirklich nicht mehr, dass wir im Juli<br />

durch Death Valley (Badwater, ca. 220<br />

km) in Kalifornien laufen, dass Kontinente<br />

rennmäßig durchquert werden, dass<br />

Nord- und Südpol bereits herhalten<br />

mussten, muss es jetzt auch noch ins<br />

Erdinnere gehen? Okay, ich hab den<br />

Badwater Lauf durchlitten, ich durchquerte<br />

die USA und war auch beim<br />

Nordpol dabei, aber da durch irgend so<br />

ein lausiges Bergwerk im Erdinnern zu<br />

hirschen, das muss doch wirklich nicht<br />

sein, oder doch?<br />

Naja, wer schon so viele verrückte Rennen<br />

hinter sich gebracht hat, der hat ja<br />

fast eine Verpflichtung, auch da mitzumachen,<br />

was sollten denn die Leute<br />

glauben? Was, da gibt es so einen meschuggen<br />

Lauf, und du warst nicht dabei?<br />

Du wirst doch nicht etwa alt werden.<br />

Was blieb mir übrig, ich rief halt mal an<br />

und hoffte insgeheim eine Antwort zu<br />

bekommen, die es mir leicht machen<br />

würde zu sagen: "Ach so ist das, nein<br />

danke, ich bin doch nicht verrückt."<br />

Keine Stunde später war ich bereits angemel


29.01.05<br />

Rodgau<br />

50 km (Lauf um den DUV-Cup)<br />

110"8 Schlegel<br />

Inzwischen ist es ja kein Geheimnis<br />

mehr: zum Jahresanfang trifft sich die<br />

Ultrafamilie in Rodgau auf der 50-km­<br />

Strecke. Konsequenterweise zeichnete<br />

sich bei den Voranmeldungen deshalb<br />

auch 2005 ein <strong>Teil</strong>nahmerekord ab. Der<br />

hatte sicher viele Gründe: Frankfurt liegt<br />

recht zentral in der Republik und ist gut<br />

zu erreichen, die 5-km-Runde ist flach,<br />

kurzweilig und, witterungsbedingte Einschränkungen<br />

abgerechnet, auch<br />

schnell, die Infrastruktur mit einer großen<br />

Turnhalle inklusive Übernachtungsmöglichkeit,<br />

Fruhstück und reichhaltigem<br />

Buffet hinterher, die vielen bekannten<br />

Gesichter, die man ganz sicher trifft<br />

und - last but not least - die insgesamt<br />

erstklassige Organisation der RLT Rodgau.<br />

Die 50 km sind daher ein guter Einstand,<br />

um eine lange Trainingseinheit zu<br />

absolvieren oder um die Frühform zu<br />

testen. Die Tatsache, dass der Finisherzahl<br />

von 328 eine recht hohe Ausstiegsquote<br />

gegenüber steht, ist nicht nur auf<br />

die erschwerten winterlichen Bedingungen<br />

zurückzuführen, sondern auch darauf,<br />

dass viele schon vor dem Start<br />

wussten, dass sie nicht die volle Distanz<br />

laufen. Durch die 5-km-Runde kann man<br />

auch eine Traiilingseinheit von 30 bis 40<br />

km absolvieren und trifft hier garantiert<br />

Laufbegleitung. Doch vor dem Stehenbleiben<br />

muss man ja erst mal loslaufen.<br />

Und dazu muss man anreisen. Elke und<br />

ich reisen diesmal schon am Freitagabend<br />

an, um uns mit Marianne Dahl,<br />

Marion und Wolfgang Braun zu treffen.<br />

Außerdem ist die konstituierende Sitzung<br />

des neuen Sportausschusses im<br />

Vorfeld angesetzt. Das Wetter ist winterlich,<br />

d. h. für verweichlichte Rheinländerinnen<br />

sau kalt. Da es in den Vortagen<br />

geschneit hat, ist auch nicht mit rutschfreiem<br />

Boden zu rechnen, aber der<br />

Samstag verheißt Sonnenschein. Zunächst<br />

treffen wir in der Turnhalle, die<br />

wir noch nicht beziehen können, weil ein<br />

Einradkurs in vollem Gange ist, Manfred<br />

Rau, den Organisator des 6-Stunden­<br />

Laufs in Ottobrunn. Es kommen weitere<br />

Läufer, die erst einmal die Runde ablaufen.<br />

Wir gehen stattdessen direkt in das<br />

italienische Ristorante im Ort, das wir<br />

auf dem Hinweg entdeckt haben. Dort<br />

dann für mich der erste Schock: außer<br />

Manfred und mir bestellen alle Mineralwasser<br />

oder Apfelschorle. Natürlich<br />

weiß ich die Zeichen der Zeit zu deuten<br />

16<br />

Kühles warm up in die neue Ultrasaison<br />

und somit, dass das Motto für m<strong>org</strong>en<br />

"Das muss kesseln" lautet. Da Ernährungsfehler<br />

zwangsläufig bestraft werden,<br />

lasse ich mich aber nicht irritieren<br />

und riskiere keine unbekannten Getränke.<br />

Ich glaube an mein Hefeweizen. Etwas<br />

später kommt mit Peter Wasser und<br />

Paul Engels noch die Delegation der<br />

LLG Kevelaer, die nach ihrem Veranstaltungserfolg<br />

beim Honigkuchenmarathon<br />

(Top-Wetter, Top-Stimmung, Top­<br />

Organisation) nun mal wieder auf der<br />

anderen Seite der Veranstaltung steht.<br />

Sie bestellen zumindest Pils, so dass<br />

das Gleichgewicht zwischen Sportgetränken<br />

und provokanter Abstinenz hergestellt<br />

ist. Gut gesättigt gehe ich dann<br />

zur Sportausschusssitzung. Die anderen<br />

sind schon da, und auf dem Tisch sehe<br />

ich drei Hefeweizen. Das sieht doch<br />

schon besser aus. Hier bin ich Läuferin,<br />

hier darf ich sein. Allerdings habe ich an<br />

den zwei Hefeweizen vom Essen eigentlich<br />

genug. Nachdem ich mich in meiner<br />

vita für die DUV-Homepage schon als<br />

bekennende Weizentrinkerin geoutethabe,<br />

traue ich mich aber nicht, eine Apfelschorle<br />

zu bestellen. Wie sieht das<br />

denn aus? Verbissen und unautenthisch.<br />

Außerdem sind aller guten Dinge<br />

drei. Bettschwere ist ohnehin ratsam bei<br />

der Turnhallenübernachtung, denn mindestens<br />

einer schnarcht immer (und<br />

komischerweise liege ich immer in unmittelbarer<br />

Nähe\<br />

Die Sitzung geht zügig voran. Die Ausschussmitglieder<br />

sind sich erfreulich einig,<br />

und so gehe ich gegen 22:15 Uhrin<br />

die Turnhalle. Das Licht ist zwar noch<br />

an, aber die anderen liegen schon in<br />

den Schlafsäcken. In der Kneipe gegenüber<br />

der Turnhalle waren sie auch nicht.<br />

Jetzt wird mir doch leicht flau. Was soll<br />

da m<strong>org</strong>en abgehen? Nur gut, dass ich<br />

bestens gerüstet bin. Erstens bin ich in<br />

exzellenter Laufform und -laune und<br />

1 Um gehässige Bemerkungen gleich vorweg<br />

zu nehmen: nein, ich leide nicht an Schlafstörungen,<br />

weil ich mich selber schnarchen höre!<br />

zweitens (was mich weitaus zuversichtlicher<br />

stimmt) habe ich mir mein Spezialfrühstück<br />

für Ultraläufe mitgebracht:<br />

Frankfurter Kranz. Dies gebietet nicht<br />

nur die Hochachtung vor dem regionalen<br />

Veranstalter, sondern die Buttercreme<br />

reicht energiemäßig auch über Marathon.<br />

Ich gebe das Geheimnis jetzt<br />

einfach mal leichtsinnig preis. Zwei<br />

Stück zum Frühstück, wobei der Veranstalter<br />

natürlich auch ein Frühstücksbuffet<br />

mit sogar drei Teesorten bietet (aber<br />

ohne Frankfurter Kranz, da hatte ich<br />

schon richtig gelegen). Das dritte Stück<br />

werde ich nicht los. Wolfgang Olbrich­<br />

Beilig hätte lieber ein kaltes Kotelett.<br />

Damit kann ich nun nicht dienen. Beim<br />

Start haben wir -9 Grad, aber es ist eindeutig,<br />

dass uns klares, sonniges Winterwetter<br />

erwartet. Die Halle ist bis ca.<br />

15 Minuten vor dem Start voll wie nie.<br />

Es zieht niemanden so richtig in die Kälte.<br />

Trotz Einlaufen finde ich die ersten<br />

Meter schwer, die Betriebstemperatur ist<br />

noch nicht da. Dafür geht es von Kilometer<br />

1 bis 2 über gefrorenen, platt getretenen<br />

Schnee. Es besteht keine Gefahr<br />

auszurutschen, aber der unebene,<br />

glatte Belag macht das Laufen kraftraubend.<br />

Im Wald dann ein dumpfer Knall.<br />

Ist die Jagdsaison eröffnet? Nein, am<br />

Rand hinter einem hohen Zaun werden<br />

Bäume gefällt. Prima, dieser fällt genau<br />

in die uns entgegengesetzte Richtung.<br />

In der zweiten Runde gibt es dann aber<br />

eine Überraschung: Auf einer Leiter<br />

steht ein Mann, der uns unmissverständlich<br />

zu verstehen gibt, dass wir<br />

stehen bleiben müssen. Sollte der Baum<br />

in die falsche Richtung fallen, wäre das<br />

Rennen ohnehin beendet, denn dann<br />

wäre der Weg versperrt. Also muss man<br />

nicht auch noch drunter liegen, und eine<br />

kleine Läuferansammlung bildet sich. Da<br />

stehen wir nun und warten, dass der<br />

Baum fällt. Tut er auch, und zwar so wie<br />

geplant auf die andere Seite des Zauns.<br />

Wir dürfen also weiter. Carmen Hildebrand<br />

findet's amüsant, andere fluchen.<br />

Harry Arndt kommt angelaufen und wird<br />

sich sicher darum kümmern, dass unsere<br />

Ambitionen nicht von Holzschlagaktivitäten<br />

gehemmt werden. Sollte ich ein<br />

Tempo erwischen, das dem Rhythmus<br />

des Baumfällens exakt entspricht und<br />

immer an die Gefahrenstelle kommen,<br />

wenn ein Baum in Begriff ist, der Motorsäge<br />

zum Opfer zu fallen, dann könnte<br />

ich hintertTer wirklich sagen: schnell,<br />

aber saudumm gelaufen. Wenn es indessen<br />

im unsteten Rhythmus im Laufe<br />

der zehn Runden jede Tempogruppe<br />

mal trifft, wäre es natürlich wieder fair.<br />

Doch der Rest ist schnell erzählt: keine<br />

Bäume hindern mehr den Lauf, und<br />

während andere nach 20 Kilometern<br />

oder später die Powergels und sonstige<br />

Energienahrung auspacken, habe ich


noch immer genug Energie, um ohne<br />

Nahrungsaufnahme nur mit ein wenig<br />

Tee durchzupowern. Allerdings merke<br />

ich nach 40 km, dass es mit der Power<br />

langsam zu Ende geht, und das Streckenstück<br />

über den glatten Schnee geht<br />

jetzt richtig in die Beine. Nicht wirklich<br />

verwunderlich. Die letzte Runde bringt<br />

aber wieder eine empfundene und reale<br />

Steigerung, und ich laufe persönliche<br />

Bestzeit. Mit Hefeweizen und Frankfurter<br />

Kranz, das gebe .ich ganz offen zu.<br />

Denn wie heißt es bei den Steppenhahnsprüchen:<br />

Oft gewinnt nicht der<br />

Bessere, sonder der, der die wenigsten<br />

Fehler macht. Allerdings kann ich in diesem<br />

Jahr keine Runde mehr auslaufen.<br />

Ein paar Meter trabe ich an, dann merke<br />

ich, dass es zu kalt ist und die Muskulatur<br />

mir nach diesem Geläuf vorübergehend<br />

die Freundschaft aufkündigt (verständlich).<br />

Das apres ist wie immer in<br />

Rodgau (deshalb sind wir ja hier): Nettes<br />

Beisammensein in der schönen warmen<br />

Halle, üppiges Buffet (ich glaube,<br />

das erwähnte ich bereits; Läuferinnen<br />

denken eben immer nur an eins), die<br />

Ergebnislisten hängen schnell aus (mit<br />

5-km-splits - gnadenlos) und eine zügige<br />

Siegerehrung bilden den angenehmen<br />

Ausklang des Ultraeinstands 2005.<br />

Die 50 km von Rodgau sind auch der<br />

einzige deutsche Lauf der IAU-50-km­<br />

Trophy. Ein würdiges Sahnehäubchen<br />

für eine hochwertige Veranstaltung. ­<br />

Es folgt Rodgau, die Zweite!<br />

Im weißen Winterwald<br />

Jürgen Roscher<br />

Nach drei Starts beim Fünfziger des LG<br />

Stade Nord und einem seuchenbedingten<br />

Ausfall war es an der Zeit, die längere<br />

Reise zu den ebenfalls 10 Runden über 5<br />

km des LT Rodgau zu unternehmen. Dort .<br />

war zwar wegen wesentlich größerer<br />

Beteiligung für mich bestenfalls ein 4.<br />

Platz in der AK möglich, aber darauf<br />

kommt es ja nicht unbedingt an. Rodgau<br />

fehlte noch in meiner Sammlung.<br />

Bei der Anreise zeigte die örtliche<br />

Sparkasse digitale 28.34 Uhr und -9 oe<br />

an; von der Temperatur brauchte man<br />

allerdings nicht ebenfalls 20 abzuziehen,<br />

um auf den wahren Wert zu kommen.<br />

Angenehm warm war. dagegen die<br />

Atmosphäre in der Turnhalle, wo jeder<br />

viele alte Bekannte traf, denn es ist<br />

tatsächlich ein bundesweiter Treffpunkt<br />

geworden, auch die LLG Kevelaer war<br />

aus Norddeutschland angereist.<br />

Entsprechend der Kälte begaben sich alle<br />

440 erst kurz vorher zum Start,<br />

größtenteils unter Verstoß gegen das<br />

Vermummungsverbot. Eigentlich sah es<br />

dort ganz romantisch aus, fast erwartete<br />

man, ein Reh aus dem weißen<br />

Winterwald hervortreten zu sehen.<br />

Die größte Aufmerksamkeit galt allerdings<br />

dem Untergrund, dessen Beschaffenheit<br />

sich im Lauf der Runden veränderte. Am<br />

Anfang war es eine einheitliche Schneeglätte,<br />

daraus wurde im Wald allmählich<br />

ein sandähnlicher Grieß. Die Feldwege<br />

vereisten zunehmend, schmolzen allerdings<br />

dort, wo der Untergrund Asphalt<br />

war. Ganz kritisch wurde der Wendepunkt<br />

bei Start und Ziel, wo der Veranstalter<br />

zuerst Erde streute, später aber ein<br />

Taumittel einsetzte und den entstehenden<br />

Matsch zur -Seite schob, so dass er<br />

schließlich völlig eisfrei war. Die Zeitanzeige<br />

dort half beim Rundenzählen, weil<br />

man immer vorwärts rechnen konnte. Die<br />

imaginären 5 Stunden vor Augen, hatte<br />

ich für die erste Runde mehr als zwei<br />

Minuten über das Soll gebraucht, doch<br />

diese Differenz schwand immer mehr. Da<br />

ich sowieso genügend Flüssigkeit<br />

v<strong>org</strong>elegt hatte und außerdem wegen<br />

einer alten Verletzung ein Stoppen<br />

möglichst vermeiden wollte, nahm ich den<br />

ersten Becher Tee erst nach der 6.<br />

Runde, entschied dabei aber, für die Zeit<br />

keinesfalls ein Risiko eingehen zu wollen.<br />

Die Sonne schien zur Mittagsstunde sehr<br />

wohltuend vom nur wenig bewölkten<br />

Himmel, dagegen wirkte das Wiederein-<br />

tauchen in den Schatten des Waldes wie<br />

ein Schlag. Allmählich dünnte sich auch<br />

das Feld aus, weil genau ein Viertel<br />

vorher ausstieg, aber auch die ersten als<br />

Sieger das Rundenkarussell verließen.<br />

Und dann verlor auch die Sonne schon<br />

wieder ihre Kraft.<br />

Nach dem Zieleinlauf war der Asphalt zu<br />

den Duschen des Sportzentrums im<br />

Schatten der Böschung schon wieder<br />

überfroren. Die Siegerehrung begann<br />

pünktlich, die ersten drei aller Altersklassen<br />

bekamen Urkunden und Medaillen,<br />

allerdings war ich, wie vorausgesehen,<br />

auf dem 4. Platz gelandet. Auf jeden<br />

Fall war der Eintritt in die M65 bei meiner<br />

250. (verschiedenen) Veranstaltung' sehr<br />

schön und schön gleichmäßig abgelaufen.<br />

Für jeden waren alle 5-km-Zeiten<br />

festgehalten worden und erscheinen so<br />

auch auf den Urkunden, die jeder aus<br />

dem Internet ausdrucken kann. Sofern er<br />

einen Anschluss hat oder jemanden<br />

kennt, der einen hat. _<br />

Und noch einmal Rodgau<br />

Drei Stunden Walking<br />

Angelika Roedder<br />

Das Läuferfeld im herrlichen Winterwald<br />

Angereist sind wir bereits einen Tag<br />

vorher. So haben wir in Ruhe alles erkundet<br />

und uns schon mit Start und Ziel<br />

beschäftigt. Nach dem Frühstück (ich<br />

bin aufgeregt und befürchte, als Letzte<br />

den Lauf zu beenden) gehe ich zur<br />

Turnhalle, um meine Startunterlagen zu<br />

holen. Hugo packt derweil unser Auto<br />

und bereitet alles vor für die Getränkezubereitung.<br />

In der Turnhalle wird eine Ansprache<br />

gehalten und Hinweise auf den Lauf gegeben.<br />

"So ein Sch ...., kein Radio erlaubt."<br />

Radio und Walkman gehören zu<br />

den unerlaubten Hilfsmitteln und sind<br />

laut Statuten untersagt. Kann ich zwar<br />

nicht nachvollziehen, aber ich halte mich<br />

dran. Gleiche Bedingungen für alle.<br />

Hugo ist rechtzeitig da und begleitet<br />

mich zum Start. Karin Scheer will mit mir<br />

zusammen laufen, und wir stellen uns<br />

gemeinsam im hinteren Bereich der<br />

Starter auf. Es geht los - und weg ist die<br />

Karin. Na gut, dann soll sie laufen. Ist<br />

sicherlich auch für mich besser, schließlich<br />

liebe ich es, mein Rennen alleine zu<br />

17


Laufe des Rennens immer wieder vom<br />

Verpflegungsbereich zu unserem Auto<br />

auf dem Parkplatz an der Turnhalle gewalkt,<br />

hat mein Getränk zubereitet und<br />

ist dann wieder zum Verpflegungsbereich<br />

zurück gewalkt. Und das hat er<br />

neunmal gemacht. Herausgekommen ist<br />

dabei für ihn eine Walkingstrecke von<br />

ca. 3 Stunden. So ist er auch zu seinem<br />

Sport gekommen. -<br />

Rekorde mit<br />

Stöcken<br />

Hans-Peter Burger souverän beim<br />

Austria Walking Day in Bad Tatzmannsdorf<br />

Bad Tatzmannsdorf ist eine Reise wert ­<br />

hier setzt man auf Qualität. Beim 2.<br />

Austria Walking Day s<strong>org</strong>te sich Organisationschef<br />

Michael Mayrhofer mit seinem<br />

Mitarbeiterstab ebenso darum wie<br />

die engsten Partner vom Reiter's Burgenland<br />

Resort-Hotels. Genau zwischen<br />

den beiden voll auf Fitness ausgerichteten<br />

Dreisterne-Herbergen befand sich<br />

das Start- und Zielgelände des Austria<br />

Nordic Walk. Mit mehr als 700 aktiven<br />

Walkerinnen und Walkern wurde eine<br />

fast 30-prozentige Steigerung der <strong>Teil</strong>nehmerzahlen<br />

erreicht.<br />

Im Mittelpunkt der zahlreich erschienenen<br />

Medien stand allerdings der neue<br />

24-Stunden-Weltrekord, für den Hans<br />

Peter Burger verantwortlich zeichnete.<br />

Der 48-Jährige war angetreten, die aktuelle<br />

Weltbestmarke des Schweizers<br />

Rene Nüesch (131,259 Kilometer) zu<br />

brechen. Bereits am zweiten Wettkampftag<br />

kurz nach· 13 Uhr und nach<br />

rund 20,5 Stunden drückte seine Frau<br />

den Ausdauerspezialisten, denn da war<br />

die alte Weltbestmarke schon Makulatur.<br />

Danach packte der Chef eines kleinen<br />

Fernsehmechaniker-Unternehmens<br />

noch drei Runden drauf und schraubte<br />

die neue Höchstmarke auf stattliche 153<br />

Kilometer. Die Organisatoren waren vor<br />

Freude schier aus dem Häuschen, präsentierten<br />

ihm quasi zwischendurch<br />

nach dem gepurzelten Weltrekord ein<br />

Gläschen Sekt, das der Ausdauermatador<br />

allerdings nur zur Hälfte austrank,<br />

um weiterzuziehen. Dabei wurde er zu<br />

seinem Leidwesen von einem österreichischen<br />

Fernsehteam aufgehalten, das<br />

den neuen Champ unbedingt noch interviewen<br />

musste. Als er dann kurz vor<br />

16.30 Uhr ins Ziel stürmte, stöhnte er<br />

nur: "Die unterschiedlichsten TV-Moderatoren<br />

haben mich mindestens eine<br />

Runde gekostet." Also sieben Kilometer!<br />

Der Mann, der auch den Austria-Rekord<br />

im 144-Stunden-Lauf mit 653,78 Kilome­<br />

tern hält, war voll des Lobes über die<br />

Veranstaltung: "Bestens <strong>org</strong>anisiert, eine<br />

abwechslungsreiche Strecke. Das<br />

hat richtig Spaß gemacht. Im Herbst<br />

2005 will ich wiederkommen."<br />

In der Anfangsphase störte zwar der<br />

strömende Regen, aber er ließ sich davon<br />

nicht beirren, wechselte noch nicht<br />

einmal die Kleidung. Begründung: "Das<br />

trocknet doch von alleine." In der stockfinsteren<br />

Nacht, als er über eine beleuchtete<br />

7-km-Schleife durch Bad Tatzmannsdorf<br />

zog, da bekam er zweimal<br />

Müdigkeitsprobleme. "Ja, da war ich für<br />

vielleicht jeweils zehn Minuten weg,<br />

schlief fast wie ein Soldat beim Marschieren,<br />

doch ich riss mich zusammen,<br />

trank etwas Tee, dann Cola, und dann<br />

war ich wieder frisch", schildert er seine<br />

schwersten Walking-Phasen.<br />

Danach lief für ihn alles planmäßig, ja<br />

generalstabsmäßig. Ehefrau Helga und<br />

Betreuer Franz Alfanz kümmerten sich<br />

liebevoll um den Recken, kochten zwi­<br />

schenzeitlich zweimal Kaffee, um ihm<br />

wieder Lebensgeist einzuflößen.<br />

Hans-Peter Burger ist in Läuferkreisen<br />

kein Unbekannter, zeigt vor allem bei<br />

mehrtägigen Veranstaltungen erstaunliches<br />

Durchhaltevermögen. Zum Ausflug<br />

in den Walking-Bereich hatte ihn ein<br />

Vereinskamerad bewegt. Einige Wochen<br />

zuvor versuchte er sich mit den<br />

Stöcken und zog dann beim Wettkampf<br />

sofort stramm los, um der Konkurrenz<br />

zu zeigen, wer der Chef "im Ring" ist.<br />

Gelaufen, oder besser: leicht getrabt ist<br />

er allerdings auch, jedoch nur bei extrem<br />

abschüssigen Stellen. Ansonsten<br />

bemühte er sich erfolgreich, den sauberen<br />

Walkingschritt einzuhalten. ­<br />

(Nach einer Information von LAUFZEIT­<br />

Kollegen Reinhard Butzek)<br />

Foto: Der Weltrekordler im 24-h-Walking<br />

Hans-Peter Burger aus Österreich.<br />

19


und Schokolade und nicht tonnenweise<br />

Riegel, wie ich sie dabei hatte. Aber<br />

man lernt ja dazu ...<br />

Am M<strong>org</strong>en des 14. Februar war es<br />

dann so weit: Um 10.33 Uhr hieß es<br />

"Go, go, go!", und das illustre Starterfeld<br />

setzte sich in Bewegung. Mit -18°C war<br />

es schon mal schön "chilly", und ich war<br />

deutlich zu kühl angezogen. Denn der<br />

Distanz entsprechend war nicht etwa<br />

Laufen, sondern schnelles Gehen angesagt,<br />

und da war meine Laufhose dann<br />

doch etwas zu dünn. Erst auf dem gefrorenen<br />

Yukon River, dann etwas später<br />

auf dem Takhini River, ging es bei stahlblauem<br />

Himmel schön flach und auf<br />

einem hervorragenden Trail gut vorwärts.<br />

Das Ziehen der Pulka hatte ich<br />

vorher noch nicht wirklich intensiv geübt<br />

und war daher angenehm überrascht,<br />

dass es mir recht leicht fiel. Überhaupt<br />

war ich mit meiner Eigenkonstruktion<br />

aus Kinderbob (12 €), selbst gebasteltem<br />

Zuggestell (18 €) und Hüftgurt (55<br />

€) sehr zufrieden; vor allem, wenn man<br />

bedenkt, dass eine Pulka aus dem Laden<br />

gut und gerne 500 € kosten kann<br />

und ich mir durch den Kauf von Gestell<br />

und Bob in Kanada sämtliche Sperrgepäckzuschläge<br />

der Lufthansa erspart<br />

habe!<br />

Nach 6,5 Stunden und 42 km war dann<br />

der erste (und kürzeste) Abschnitt auch<br />

schon geschafft, und wir konnten es uns<br />

am Lagerfeuer des ersten Checkpoints<br />

auf Ingrid und Rolfs North Country<br />

Ranch gemütlich machen. Das deutsche<br />

Ehepaar hat es in die kanadische Wildnis<br />

verschlagen, und es bietet mit seiner<br />

Ranch nun allen Kanadafans die ideale<br />

Ausgangsbasis für sommerliche wie<br />

winterliche Touren zu Pferd, Kanu oder<br />

Fuß. Einmal im Jahr räumt Ralf seine<br />

Garage, um einer Handvoll verrückter<br />

Läufer, Skilangläufer und Biker ein warmes<br />

Heim für vier Stunden zu bieten. So<br />

lange ist hier nämlich Pflichtaufenthalt<br />

für alle, und während dieser Zeit werden<br />

Schlafsack und Kocher durch die Organisatoren<br />

geprüft. Nur wer entsprechend<br />

ausgestattet ist, darf auch weiter. Die<br />

Marathonis dürfen auf das Equipment<br />

verzichten; sie haben hier bereits das<br />

Ziel erreicht! Um 21.10 Uhr ging's dann<br />

gestärkt weiter in die erste Nacht. Ich<br />

war gut drauf und hatte mir v<strong>org</strong>enommen,<br />

die erste Nacht durchzulaufen. Es<br />

ging noch ein ganzes Stück auf dem<br />

Takhini River dahin. Das Feld war noch<br />

recht eng zusammen, und so traf ich<br />

recht bald auf Andy, der zwar gemütlich<br />

aber sehr konstant unterwegs war. Mittlerweile<br />

war es doch kalt geworden (ca.<br />

-22°C), und ich wollte eigentlich nur meine<br />

Überhandschuhe aus der Tasche<br />

holen, als es passierte: Trotz gut<br />

eingefettetem Reißverschluss der<br />

wasserdichten Packtasche genügte ein<br />

kurzes Ziehen, und der Schlitten des<br />

Reißverschlusses brach auseinander!<br />

Da waren also gerade mal 10% der Gesamtdistanz<br />

vorbei, und ich lief mit<br />

sperrangelweit offener Tasche durch die<br />

Gegend. Etwas zu verlieren (Handschuhe,<br />

Kocher!) hätte fatale Folgen haben<br />

können, und so schnürte ich die Tasche<br />

recht und schlecht zu. Als es später<br />

. stark zu schneien begann, legte ich<br />

noch meine Gore-Tex-Hose über die<br />

Öffnung und kam so ganz gut klar.<br />

23 Stunden nach dem Start hatte ich<br />

dann schon 101 km geschafft und um<br />

9.30 Uhr den Checkpoint am Dog Grave<br />

Lake erreicht. Die letzten 5 km vor dem<br />

Checkpoint, die durch ein Schild signalisiert<br />

wurden, zogen sich zwar so zäh<br />

wie -35°C kalter Kaugummi, und alle<br />

waren sich einig, dass es mindestens 5<br />

Meilen gewesen sein müssten. Aber eigentlich<br />

war es ja auch egal. 515 km<br />

waren es bis zum Ziel, und das war (zu<br />

diesem Zeitpunkt noch) das Einzige,<br />

was mich interessierte. Der Checkpoint<br />

lag recht abgelegen und war nur mit<br />

dem Skidoo zu erreichen. Dennoch war<br />

er perfekt <strong>org</strong>anisiert (es gab ein Essens-<br />

und ein Schlafzelt, beide angenehm<br />

"klimatisiert"), und Mike und Jessica<br />

Simon betreuten die Athleten liebevoll.<br />

Ich freue mich jetzt schon wieder<br />

auf die Cookies, die es dort gab. Nachdem<br />

ich gut gegessen, geschlafen und<br />

meine mittlerweile anschauliche Blasensammlung<br />

vers<strong>org</strong>t hatte, ging es gegen.<br />

14 Uhr weiter. Die folgenden 58 km<br />

nach Braeburn, dem Ziel für die 100­<br />

Meilen-Läufer, wollte ich so schnell wie<br />

möglich erledigen. Das ging auch halbwegs<br />

gut, nur der Schlaf holte mich ab<br />

und zu ein. So auch gegen 22 Uhr, als<br />

ich noch eine Fleecehose überziehen<br />

wollte und dabei tatsächlich auf meinem<br />

Schlitten einschlief! Mich hat es vielleicht<br />

gerissen, als ich wieder aufwachte<br />

und Don mit seinem knatternden Skidoo<br />

vor mir stand! Aber seine aufmunternden<br />

Worte motivierten mich, und<br />

gegen 01.30 Uhr, also nach genau 39<br />

Stunden, war ich in Braeburn und konnte<br />

am dortigen Truckstop, der zugleich<br />

unser Checkpoint war, einen gigantischen<br />

Burger genießen. Danach war ich<br />

so voll und müde, dass ich mich entschloss,<br />

mich etwas hinzulegen. Stefano<br />

war gerade wieder aufgestanden, und<br />

ich nahm gleich sein Bett in Beschlag.<br />

Aus den geplanten vier Stunden wurden<br />

dann acht, und erst gegen 12 Uhr mittags<br />

verließ ich bei strahlendem Sonnenschein<br />

den Checkpoint.<br />

Vor mir lag eine Landschaft wie aus<br />

dem Bilderbuch, und so war es verständlich,<br />

dass auch die Engländerin<br />

Katherine Hay-Heddle wieder ins Rennen<br />

einstieg. Sie musste leider aufgrund<br />

von Magenproblemen vor Braeburn aufgeben<br />

und einen <strong>Teil</strong> der Strecke mit<br />

dem Skidoo zurücklegen. Doch in Braeburn<br />

ging es ihr wieder besser, und so<br />

beschloss sie, weiter zu machen und<br />

das Abenteuer zu genießen. Da hat die<br />

junge Engländerin, die bereits mehrfach<br />

am Marathon des Sables (Marokko) sowie<br />

an weiteren Abenteuerrennen teilgenommen<br />

hat, echten Sportsgeist bewiesen!<br />

Ich denke mal, da könnte sich<br />

so mancher Mann eine Scheibe davon<br />

abschneiden...<br />

Der nächste Abschnitt war lang, aber<br />

doch recht schnell: Zum Großteil ging es<br />

über die Chain-Lakes, eine Kette aus<br />

Seen. Hier kann man richtig Gas geben,<br />

denn es geht sehr flach und auf mehr<br />

oder weniger festem Untergrund fast nur<br />

geradeaus. Leider musste ich gegen 19<br />

Uhr, als es schon recht dunkel war, eine<br />

unfreiwillige Rast von 30 min. einlegen,<br />

weil ich meine Stirnlampe nicht fand!<br />

Nach mehrfachem Durchwühlen der Tasche<br />

war dann doch Ausräumen angesagt,<br />

und ich hielt die Lampe in den<br />

Händen. Solche Kleinigkeiten übt man<br />

zu Hause wirklich nicht und doch können<br />

sie viel Zeit und Nerven kosten.<br />

Leider wollte der 5-km-Marker, der den<br />

Checkpoint am Ken Lake ankündigte,<br />

einfach nicht auftauchen, und nachdem<br />

mich auch meine Sinne schön langsam<br />

verließen (ich war sicher, das Checkpoint-Lagerfeuer<br />

direkt vor mir zu sehen;<br />

nachdem ich ein paar Kilometer auf dem<br />

See zurückgelegt und eine Halbinsel<br />

umrundet hatte, musste ich dann leider<br />

erkennen, dass es der Mond hinter<br />

leichten Wolken war, der da so gelb<br />

leuchtete!), biwakierte ich dann doch<br />

noch und hatte erst am 17.02. gegen<br />

15.15 Uhr 230 km hinter mir Am Ken<br />

Lake war ich dann dafür so gut drauf,<br />

dass Shelley und ihr Mann fast etwas irritiert<br />

schienen. Nach 2 Tellern Suppe<br />

mit 4 Bockwürsten und 3 Semmeln sowie<br />

zwei Tassen heißer Schokolade mit<br />

viel Zucker verließ ich deshalb die Hütte<br />

am See auch schon wieder und machte<br />

mich auf in Richtung Carmacks, einem<br />

für mich wichtigen Punkt. Bis hierher<br />

wollte ich "durchziehen" und dann meine<br />

weitere Strategie überdenken. Schließlich<br />

hatte ich bisher max. 213 km (48-h­<br />

Lauf Köln 2004) am Stück zurückgelegt.<br />

Gesagt, getan: Nach gut einer Stunde<br />

war ich wieder auf dem See und voller<br />

Schwung für die nächste Etappe von 70<br />

km - dachte ich! Nach einem weiteren<br />

langen See (Mandanna Lake) ging es<br />

durch einen mustergültigen Zauberwald<br />

recht flott zurück Richtung Yukon River.<br />

Irgendwann waren noch mal ein paar<br />

Stunden Biwak angesagt, und bald war<br />

ich wieder auf dem Fluss. Die Brücke<br />

von Carmacks war schon in Sichtweite,<br />

da kam mir ein Läufer entgegen: Es war<br />

der Österreicher Klaus, der die 100 Meilen<br />

erfolgreich bewältigt hatte und nun<br />

mit der Organisationscrew das Feld begleitete.<br />

Auf meine Nachfrage, wie es<br />

ihm gehe, leuchteten seine Augen, und<br />

ich werde so schnell nicht vergessen,<br />

wie er förmlich schwor: "Nächstes Jahr<br />

mache ich die 300!". Kurz nach diesem<br />

Treffen hatte ich Carmacks erreicht und<br />

21


legen für ihre aufmunternden Worte und<br />

Mails. Robert, dem Veranstalter, und all<br />

seinen Helferinnen und Helfern für die<br />

rundum gelungene Organisation und<br />

schließlich den Athleten, die sich wahrhaft<br />

sportlich benommen haben und mit<br />

denen ich eine fantastische Zeit in einer<br />

fantastischen Gegend verbringen konnte.<br />

Ein besonderes Dankeschön geht an<br />

.Angela Ngamkam, die mir mit ihren<br />

Tipps und Hinweisen viel Nervosität genommen<br />

hat und die als YAU-erfahrene<br />

Sportlerin ihren Segen zu meiner <strong>Teil</strong>nahme<br />

gegeben hat. Wir sehen uns<br />

nächstes Jahr in Whitehorse, Angie!! Allen<br />

Läufern kann ich die <strong>Teil</strong>nahme am<br />

YAU nur dringendst ans Herz legen. Natürlich<br />

"Iäuft's"im Yukon Territory etwas<br />

anders als auf der Schwäbischen Alb<br />

oder im Thüringer Wald, aber laufen wir<br />

nicht deshalb, um - egal, ob physisch<br />

oder psychisch - dorthin zu kommen, wo<br />

wir noch nicht waren? _<br />

Und auch Peter Meyer aus Frankenthai<br />

trieb es in jenen Februar-Tagen<br />

just zum Yukon Arctic ...<br />

Mein eiskaltes<br />

Yukon-Abenteuer<br />

Peter Meyer<br />

Robert Pollhammer, Renndirektor und<br />

Veranstalter des Yukon Arclic Ultra, bezeichnet<br />

den Lauf als den härtesten und<br />

kältesten Ultra der Welt. Nun soll man ja<br />

mit Superlativen vorsichtig umgehen,<br />

aber jetzt, nachdem ich alles hinter mir<br />

habe, muss auch ich sagen, dass all<br />

meine bisherigen Ultras zu Spaziergängen<br />

degradiert worden sind - egal, ob<br />

es Hochgebirgs- oderWüstenläufe waren.<br />

Robert hat also nicht übertrieben,<br />

und das werden alle anderen <strong>Teil</strong>nehmer<br />

ebenso sehen. Leider wird es aber·<br />

bestätigt· durch eine bemerkenswert hohe<br />

Ausfallqllote.<br />

Bevor ich aus meiner Sicht das Erlebte<br />

schildere, vielleicht erst einmal für jene,<br />

die nichts von diesem Lauf wissen, seine<br />

Besonderheiten: "Wenn du einen<br />

Elch siehst oder Wölfe, dann bleibe stehen<br />

und verhalte dich ruhig", so der<br />

Veranstalter. "Solltest du durchs Eis brechen,<br />

verliere nicht die Nerven. Trage<br />

ein Messer griffbereit, um dich mit wenigen<br />

Schnitten von Schlitten und Rucksack<br />

trennen zu können, die dich unters<br />

Wasser ziehen könnten. Es wird vermutlich<br />

dunkel sein, und du bist ganz allein<br />

auf dich gestellt. Wenn du bei 40 bis 50<br />

Grad Kälte mit nasser Kleidung aus dem<br />

Wasser kommst, zählt jede Minute.<br />

Dann musst du genau wissen, was du<br />

zu tun hast." Derartige Instruktionen des<br />

Veranstalters machen eigentlich schon<br />

deutlich, was diesen Lauf so anders sein<br />

lässt. Es sind die vielen Unwägbarkei­<br />

ten, Eventualitäten und Gefahren. "Bären<br />

wurden bisher während der Rennen<br />

nicht gesichtet." Das ist zwar tröstlich,<br />

aber statistisch untermauert ist es noch<br />

nicht so sehr, denn als Robert das<br />

schrieb, hatte es den Lauf erst zweimal<br />

gegeben. "Sollte doch einer auftauchen,<br />

weil er vor Hunger aus seinem Winterschlaf<br />

erwacht ist, dann musst du dein<br />

Verhalten der jeweiligen Situation anpassen:<br />

tot stellen, Lärm machen, weglaufen<br />

oder kämpfen." Na prima!<br />

.Dieser so ganz andere Laufwettbewerb<br />

findet im Nordwesten Kanadas statt, im<br />

Yukon-Territorium nahe der Grenze zu<br />

Alaska. Gestartet wird in Whitehorse.·<br />

Tag und Nacht sind die <strong>Teil</strong>nehmer unterwegs<br />

durch eine weglose, menschenleere,<br />

eiskalte Wildnis. Jeder von ihnen<br />

hat einen mit Ausrüstung beladenen<br />

Schlitten am Gürtel hängen, den er nicht<br />

nur 35 Meilen weit auf zugefrorenen<br />

Flüssen (Yukon- und Takhini-River) entlangziehen<br />

muss, sondern auch meilenweite<br />

stundenlange Steigungen hinauf.<br />

Auf dem Schlitten befindet sich Verpflegung<br />

für drei Tage, Biwacksack,<br />

Schlafsack bis minus 40 Grad, Kochtopf,<br />

Benzinkocher usw. Jedes <strong>Teil</strong> ist lebenswiehtig.<br />

So auch der Kocher, denn<br />

das Wasser kann nicht auf dem Schlitten<br />

mitgenommen werden. Es würde gefrieren<br />

und muss deshalb während des<br />

Rennens aus Schnee bereitet werden.<br />

Es kommt dann in den Trinkrucksack,<br />

'der unter den Kleidungsschichteh auf<br />

der Unterwäsche getragen werden<br />

muss. Lebenswichtig ist auch die wasserdicht<br />

verpackte Ersatzkleidung für<br />

den Fall, dass man durchs Eis bricht<br />

oder in ein Overflow (Mulden, in denen<br />

Wasser bis zu einem. Meter Tiefe auf<br />

dem Eis steht) gerät.<br />

So viel zu den Besonderheiten des Laufes.<br />

Er wird auf drei Distanzen und in<br />

drei Disziplinen ausgetragen: Marathon,<br />

100 Meilen und 300 Meilen zu Fuß, auf<br />

Skiern und auf dem Mountainbike. Auf<br />

der Marathondistanz waren fünf zu Fuß<br />

und zwei auf Skiern. Sie mussten keinen<br />

Schlitten ziehen, weil sie auf der kurzen<br />

Strecke keine Ausrüstung benötigten.<br />

Auf die 100 Meilen begaben sich acht<br />

(alle zu Fuß) und auf die 300 Meilen 17<br />

<strong>Teil</strong>nehmer. Unter letzteren befanden<br />

sich zwei Skiläufer und ein Mountainbiker.<br />

Um es vorwegzunehmen: von 'den sieben<br />

Marathonis kamen alle sieben ins<br />

Ziel. Platz eins belegt mit Richard Malz­<br />

Heyne der einzige Deutsche mit 4: 13<br />

Stunden. Auf der 100-Meilen-Strecke<br />

schafften es sieben von acht, und auf<br />

der 300-Meilen-Strecke waren sieben<br />

von 17 erfolgreich, so auch der Deutsche<br />

Thomas Muhler, der auf seinem<br />

Mountainbike den zweiten Platz belegte<br />

(6 Tage, 5 Stunden, 7 Minuten). Die anderen<br />

sechs waren Läufer, unter ihnen<br />

der Deutsche Joachim Rintsch mit 7 Tage,<br />

21 Stunden, 37 Minuten).<br />

Aber zurück zum 12. Februar. Zwei Tage<br />

vor dem Start beganR ein zweitägiger<br />

Kurs. Während dieser Zeit wurden wir<br />

mit den Gefahren und den Eventualitäten<br />

vertraut gemacht und auch damit,<br />

wie man ihnen zu begegnen oder wie<br />

man sich zu verhalten hat. Zum Beispiel<br />

beim Einbruch durchs. Eis oder bei der<br />

Begegnung mit Tieren, wie und mit weichen<br />

Hilfsmitteln man im Notfall ein<br />

Feuer entfachen kann, wie man sich gegebenenfalls<br />

bei Schneesturm mit<br />

Schlafsack und Biwak in Schnee eingräbt,<br />

um nicht zu erfrieren. Man wird<br />

darauf vorbereitet, dass man - herv<strong>org</strong>erufen<br />

durch totale Erschöpfung - in<br />

den Nächten mit Halluzinationen rechnen<br />

muss und dass die Gefahr des<br />

Sichverlaufens besteht. Der Kurs bestand<br />

aus einem theoretischen, aber<br />

auch aus einem praktischen <strong>Teil</strong>: mehrstündiges<br />

nächtliches Marschieren und<br />

Campieren mit gesamter Ausrüstung,<br />

Feuer entfachen, Schlafsystem testen,<br />

auch die Funktion des Benzinkochers<br />

usw. Und dann war es soweit. Am 14.<br />

Februar standen wir in Whitehorse an<br />

der Stelle, an der 24 Stunden vorher die<br />

Hundegespanne des legendären 1000­<br />

Meilen-Rennens "Yukon Quest" gestartet<br />

waren. Der Yukon Arctic Ultra verläuft<br />

auf dem Trail des Yukon Quest. Wir<br />

liefen sozusagen den Hunden hinterher.<br />

Mit gemischten Gefühlen warteten wir<br />

auf den Startschuss. Insgesamt waren<br />

es 32 <strong>Teil</strong>nehmer für die drei erwähnten<br />

Distanzen. Ich gehörte zu den acht Leuten,<br />

die 100 Meilen von Whitehorse<br />

nach Braeburn vor sich hatten. Während<br />

ich wartete, ging mir durch den Kopf,<br />

was uns im Kurs gesagt wurde; "Elche<br />

sind gefährlicher als Wölfe, und sie verwenden<br />

mit Vorliebe die festen Trails,<br />

statt sich im Tiefschnee fortzubewegen."<br />

Na bloß nicht, dachte ich, und da krachte<br />

auch schon der Schuss. Ein letzter<br />

Blick zu meiner fotografierenden Frau.<br />

"Mache doch ein kleines bisschen<br />

Frühstück oder nimm wenigstens diese<br />

Kekse mit", hatte sie noch im Hotel gesagt.<br />

"Nein", war meine Antwort, "ich<br />

habe genug im Camelbag, in Wasser<br />

gelöste Kohlenhydrate, das wird mein<br />

Frühstück sein. Gleich nach dem Start<br />

werde ich mit dem Trinken beginnen."<br />

So gesagt, wollte ich es nun auch tun,<br />

nahm den Schlauch in den Mund und<br />

war geschockt: kein Tropfen kam aus<br />

dem Mundstück! Gefroren konnte es<br />

nicht sein, es war nur 20 Grad kalt, und<br />

den Trinkrucksack trug ich unter der<br />

Kleidung. Aber ich ahnte, was los war.<br />

Ich hatte außer den gut löslichen Kohlenhydraten<br />

auch Eiweißpulver ins Wasser<br />

gegeben, und das löste sich gar<br />

nicht gut, hat wohl einen Bodensatz gebildet<br />

und nun den Schlauch verstopft.<br />

23


Bei all dem achtete ich mit Argusaugen<br />

darauf, ob mich ein 100er überholte. An<br />

den Startnummern konnte man 100- und<br />

300-Meilen-<strong>Teil</strong>nehmer unterscheiden.<br />

Einmal überholte mich einer, dessen<br />

Nummer auf dem Schlitten teilweise<br />

verdeckt war. Ich erschrak, war mir im<br />

Unklaren, holte ihn später wieder ein<br />

und stellte fest, dass es zwei Skier waren,<br />

die auf dem Schlitten quer über die<br />

Startnummer lagen. Als er die Bretter<br />

vom Schlitten nahm, um sie wieder anzulegen,<br />

sah ich mit Beruhigung, dass<br />

es eine 300er Nummer war.<br />

... und das sind die sichtbaren Auswirkungen eines solchen Wettbewerbes<br />

So brachte ich die Nacht herum,<br />

schimpft mit meinem Schlitten, fotografierte<br />

ab und zu, wurde in den vielen<br />

Stunden drei- oder viermal überholt,<br />

überholte auch selbst viermal in der<br />

Weise, dass ich an gefüllten Schlafsäcken<br />

vorbeikam. Überlegte, wie viele<br />

<strong>Teil</strong>nehmer vor mir sein könnten. Die<br />

Marathoner waren ja weg, ein 100er hatte<br />

mich bisher nicht überholt, es konnten<br />

also nur ein paar 300er vor mir sein.<br />

Ich versuchte, trotz meiner ..Einstöckigkeil"<br />

und trotz meiner gar nicht mehr<br />

starren Zugvorrichtung die Nacht zu genießen.<br />

Eigentlich hätte ich ja noch viel<br />

mehr passieren können. Ich war froh,<br />

die einerseits angenehm flachen, aber<br />

andererseits nicht ungefährlichen Flüsse<br />

hinter mir zu haben,. Aufgrund von Strömung<br />

und Turbulenzen, aber auch wegen<br />

Zuflüssen aus warmen Quellen,<br />

kommt es selbst bei großer Kälte vor,<br />

dass die Eisdecke stellenweise Risse<br />

und Löcher aufweist oder aber nur sehr<br />

dünn ist - unzureichend dünn. Deshalb<br />

bestand auch die schon erwähnte Gefahr<br />

des Einbrechens.<br />

Irgendwann war die lange Nacht herum,<br />

aber es dauerte noch den ganzen Vormittag,<br />

bis ich endlich um 12.27 Uhr ein<br />

Zelt sah: Kontrollpunkt 2. Auch auf die­<br />

sem Streckenabschnitt (etwa 60 km)<br />

hatte ich mein Planziel nicht einhalten<br />

können. Statt der erhofften 13 Stunden<br />

waren es zwei mehr. Und da der letzte<br />

nun vor mir liegende Abschnitt ebenfalls<br />

ca. 60 km lang ist, so überlegte ich,<br />

werden es auch da mindestens 15<br />

Stunden sein. Mit so vielen Steigungen<br />

hatte ich einfach nicht gerechnet, und<br />

meine ursprünglich 37 Gesamtstunden<br />

sind nun schon um zweimal zwei Stunden<br />

und um die 45 Minuten von der Marathon-Etappe<br />

überzogen. Also rund<br />

fünf Stunden mehr, nämlich mindestens<br />

42, werde ich brauchen, wenn nicht<br />

noch mehr.<br />

Aber die Gesamtzeit war mir jetzt eigentlich<br />

nicht mehr so wichtig, nachdem<br />

ich wusste, dass ich in Führung lag. Eine<br />

Situation, an die ich mich erst gewöhnen<br />

musste. Bei meinen Überlegungen<br />

in Deutschland hatte ich eine Platzierung<br />

in der Mitte des kleinen Feldes<br />

für überaus gut angesehen. Und ob ich<br />

mit beinahe 67 Jahren so kühn sein<br />

durfte, eine solche Platzierung tatsächlich<br />

auch anzustreben, sie sozusagen<br />

als Wunschtraum im hintersten Hinterkopf<br />

zu haben, darüber war ich sehr im<br />

Zweifel. Und nun das!<br />

Ich war der Sechste von 25, der am KP<br />

2 eintraf. Meine vorsichtige Frage, ob<br />

auch schon ein 100er da sei, wurde verneint.<br />

Ich erledigte alles so schnell wie<br />

möglich: einen Teller Suppe, zwei Becher<br />

Tee und die Bereitung einiger Liter<br />

meiner Kohlenhydrat-Brühe, sie ich<br />

schon nicht mehr riechen konnte. Schon<br />

nach einer Stunde, um 13:31 Uhr, zog<br />

ich weiter. Robert Pollhammer beschrieb<br />

das später in seinem Abschlussbericht<br />

mit folgenden Worten: ..... mit nur einer<br />

Stunde Pause ist er geradezu durch den<br />

zweiten Checkpoint gestürmt ...... Der<br />

am KP 1 zweitplatzierte Andrew Reynolds<br />

war auch bis jetzt noch nicht am<br />

KP 2 eingetroffen. Also hatte ich - so<br />

viel war zu diesem Zeitpunkt klar - den<br />

Abstand von 30 Minuten erheblich ausbauen<br />

können. Heute weiß ich es genauer:<br />

Andrew Reynolds traf erst um<br />

14.59 Uhr am KP 2 ein, und er wird als<br />

Letzter ins Ziel kommen. Etwas vor ihm<br />

kamen seine beiden Landsleute Ken<br />

Byrne (14.22 Uhr) und John O'Regan<br />

(14.27 Uhr). Die beiden jetzt Zweitplatzierten<br />

verließen den KP 2 gemeinsam<br />

um 22.15 Uhr - knapp neun Stunden<br />

später als ich. Ich hatte einen gewaltigen<br />

Vorsprung. Aber zu diesem Zeitpunkt<br />

wusste ich das alles nicht. Ich<br />

machte mich mit meinem einen mir noch<br />

verbliebenen Stock auf die letzten 60.Kilometer.<br />

Ich dachte an die vergangenen<br />

15 Stunden, an die 60 km zwischen KP<br />

1 und KP 2, an die endlose Nacht und<br />

den ebenso endlosen Vormittag. Die<br />

Vorstellung, jetzt noch einmal das Ganze<br />

bewältigen zu müssen, war nicht gerade<br />

aufbauend, zumal sich schon seit<br />

dem Vormittag ein unangenehmes Gefühl<br />

in meine Schuhe geschlichen hatte.<br />

Diese Schmerzen wurden von Stunde<br />

zu Stunde größer und machten irgendwann<br />

jeden Schritt zu einer Qual. Selbst<br />

auf flachen oder leicht abfallenden Streckenabschnitten<br />

konnte ich nur verhalten<br />

marschieren, weil ich dem Schmerz<br />

auszuweichen versuchte.<br />

Im Laufe des Nachmittags zeigten sich<br />

erste Ermüdungserscheinungen. Mein<br />

Hirn ließ mich Dinge wahrnehmen, die<br />

es akustisch und optisch nicht gab. Aber<br />

damit kommt man gut zurecht, denn<br />

sehr schnell hat man die betrügerischen<br />

Machenschaften des Gehirns durchschaut<br />

und ordnet diese Wahrnehmungen<br />

richtig ein. Man weiß: was man da<br />

gerade sieht bzw. hört, das existiert<br />

nicht, auch wenn man es überdeutlich<br />

zu sehen oder hören glaubt. Nur noch<br />

ganz selten ließ ich mich herumkriegen.<br />

Wenn ich das Rufen gar so deutlich hörte,<br />

dann blieb ich eben doch mal stehen.<br />

Aber sowie daraufhin der ständige Geräuschpegel<br />

meines gleitenden Schlittens,<br />

meiner stapfenden Schritte, meines<br />

in den Boden stechenden Stockes<br />

weg war, empfing mich absolute Stille,<br />

und der Ruf wiederholte sich nicht. So<br />

war es auch optisch. Wenn mein Blick<br />

nach vorn fiel; sah ich in 100 bzw. 150<br />

m Entfernung irgendetwas stehen, meistens<br />

Menschen, ein oder zwei Personen,<br />

manchmal stand noch ein Schneemobil<br />

daneben. Aber ich wusste ja<br />

längst: was du da vorne auch siehst, es<br />

ist nicht vorhanden. Gleich wirst du es<br />

wieder erleben - das Schneemobil entpuppt<br />

sich als Strauch, die beiden Fahrer<br />

sind zwei Baumstämme. So war es<br />

dann auch. Ich hatte es also gut im Griff.<br />

Mit einer solchen Macke kann man doch<br />

leben! Bedenklich wäre es nur gewesen,<br />

wenn ich dann im Vorbeigehen die<br />

Bäume gegrüßt hätte.<br />

25


zwölf Kilometer waren es bis zum Ziel.<br />

Mir blieb nichts anderes übrig, als den<br />

Schlafsack vom Schlitten zu holen. Notgedrungen<br />

legte ich mich an das Ufer<br />

des Sees, der mich vom nahen Ziel<br />

trennte. Ich musste warten - auf irgendetwas<br />

und hoffte natürlich, dass es ein<br />

Schneemobil sein würde.<br />

Welche Kuriosität: der mit - wie sich<br />

später herausstellt - großem Abstand<br />

Führende kann das Ziel nicht finden,<br />

muss warten, bis nach Stunden die Verfolger<br />

kommen. Denn so war es leider!<br />

Gegen acht Uhr, es wurd'e gerade hell,<br />

holte ich meine Schuhe in den Sack, um<br />

sie etwas aufzutauen. Um 8.30 Uhr<br />

plötzlich ein Geräusch: leider nicht das<br />

erhoffte Schneemobil, sondern drei Verfolger.<br />

Wer waren diese drei? Ich hatte<br />

einen einzigen erwartet. Einer von ihnen<br />

trug die irische Flagge auf dem Schlitten.<br />

Wie es aussah, hatte sich der ursprünglich<br />

zweitplatzierte Ire mit zwei<br />

anderen <strong>Teil</strong>nehmern zusammengetan ­<br />

so dachte ich in diesem Moment - vermutlich<br />

mit zwei Landsleuten. "Where is<br />

the way?" Ich konnte nur die Schultern<br />

hochziehen und über den See deuten.<br />

Wie kann man mich fragen, ausgerechnet<br />

mich! Warum liege ich denn hier<br />

herum! Und während wir noch palaverten,<br />

näherte sich ein Geräusch, auf das<br />

ich so lange gewartet hatte, das jetzt<br />

aber für mich zu spät kam. Vom Ziel her<br />

kam tatsächlich ein Schneemobil! Es<br />

näherte sich von rechts. Diese Richtung<br />

hätte ich also vor fünfeinhalb Stunden<br />

einschlagen müssen. Die drei machten<br />

sich davon, folgten der Spur des Fahrzeugs,<br />

die sie dorthin führte, wo der<br />

Trail auf den See ging. Sie waren schon<br />

nicht mehr zu sehen, da mühte ich mich<br />

noch immer damit ab, meine blutenden<br />

Füße in die knochenhart gefrorenen<br />

Schuhe zu zwängen, für die der Aufenthalt<br />

im Schlafsack viel zu kurz war.<br />

Meine drei Verfolger (die ICH nun verfolgte)<br />

erreichten das Ziel gemeinsam<br />

nach 48:38 Stunden. Ich folgte - ziemlich<br />

lustlos und kaum noch motiviert ­<br />

nach 50:08 Stunden. Im Ziel stellte ich<br />

fest, dass es sich tatsächlich um drei irische<br />

<strong>Teil</strong>nehmer handelte,' aber erst<br />

jetzt - zwei Wochen danach - entnehme<br />

ich dem Internet, das einer von ihnen<br />

auf der 300er Strecke lief, d.h. innerhalb<br />

der 100-Meilen-Wertung waren nur zwei<br />

vor mir: Ken Byrne (29) und John<br />

O'Regan (35). Die beiden teilten sich<br />

den ersten Platz.<br />

Nun, wie auch immer, ich bin mit meinem<br />

Beinahesieg bei einem so schweren<br />

Rennen überaus zufrieden. 50<br />

Stunden hatte ich benötigt, einschließlich<br />

der wetterbedingten fünfeinhalbstündigen<br />

Wartezeit kurz vor dem Ziel.<br />

Beinahe wären es also nur 44 Stunden<br />

gewesen. Als das Ziel nach 72 Stunden<br />

geschlossen wurde, hatte ich bereits die<br />

Rocky Mountains überflogen und setzte<br />

zu einer Zwischenlandung in Vancouver<br />

an. Nicht ganz ohne Risiko, aber überaus<br />

zuversichtlich hatte ich einen so frühen<br />

Rückflug gebucht.<br />

Die 160 Kilometer durch die Wildnis<br />

Nordkanadas waren so hart, wie sie von<br />

Robert Poilhammer, dem Veranstalter,<br />

angekündigt waren. Er hatte nicht übertrieben.<br />

Aber es war auch ein unbeschreibliches,<br />

ein großes Erlebnis, das<br />

ich nicht missen möchte. -<br />

Resultate<br />

1. Ken Byrne (Irland), 29 Jahre<br />

48:38 Std.<br />

1. John O'Regan (Irland), 35 Jahre<br />

48:38 Std.<br />

3. Peter Meyer (Deutschland), 66 Jahre<br />

50:08 Std.<br />

4. Klaus Schweinberger (Österr.), 42 Jahre<br />

53:30 Std.<br />

5. Tarnmy Reis (Kananda), 32 Jahre<br />

54:39<br />

6. Nic Karonias (England), 54 Jahre<br />

55:23<br />

7. Andrew Reynolds (Irland), 34 Jahre<br />

58:50<br />

Fergus Hughes (Irland) ausgeschieden<br />

Auszüge aus dem Abschlussbericht<br />

des Veranstalters<br />

Carmacks, den 17.02.05<br />

Peter Meyer konnte gestern nach unseren<br />

Jungs aus Irland erfolgreich das<br />

100-Meilen-Rennen beenden. Er hat<br />

sich gefreut, war aber auch gleichzeitig<br />

ein wenig enttäuscht. Denn er hatte einen<br />

großen Vorsprung und hätte eigentlich<br />

gewinnen können. Leider ist Peter<br />

nachts an den Braeburn Lake gekommen,<br />

und· es hat stark geschneit. Das<br />

machte die Orientierung schwierig. So<br />

hatte der erfahrene Ultraläufer sich entschieden,<br />

bessere Bedingungen abzuwarten.<br />

Während er wartete, wurde er<br />

überholt. ...<br />

Tirol, den 01.03.05<br />

Wieder einmal ist ein Yukon Arctic Ultra<br />

beendet. Und als Organisator freue ich<br />

mich sehr, dass alle <strong>Teil</strong>nehmer gesund<br />

wieder nach Hause geflogen sind. Natürlich<br />

gab es viele Blasen, geschwollene<br />

Füße und Entzündungen. Aber niemand<br />

hat Erfrierungen davongetragen<br />

oder sich ernsthaft verletzt. Außerdem<br />

war das Feedback der Athleten durch<br />

die Bank positiv. Dabei konnten wir einige<br />

Verbesserungen umsetzen, welche<br />

die <strong>Teil</strong>nehmer gar nicht bemerkt haben.<br />

So hat unsere eigene 24-Stun-den­<br />

Notrufnummer bzw. Koordinationsstelle'<br />

in Whitehorse hervorragend funktionier.<br />

Dort waren Dave und Mike immer informiert,<br />

wo sich alle Beteiligten aufhalten,<br />

Der Informationsfluss klappte perfekt,<br />

und so konnte die Sicherheit noch einmal<br />

verbessert werden. Denn nur, wenn<br />

eine zentrale Stelle über alle Bewegungen<br />

und Ereignisse informiert ist, kann<br />

im Notfall optimal reagiert werden.<br />

Auch für die Ski-doo-Guides war es eine<br />

Erleichterung bei der Planung ihrer Touren.<br />

Sie mussten nicht mehr versuchen,<br />

von Sateilliten-Telefon zu Satelliten-Telefon<br />

zu kommunizieren. Garry, Murray,<br />

John und Don konnten stattdessen eine<br />

Festnetznummer wählen. Dadurch<br />

konnten sie Zeit sparen und effizienter<br />

arbeiten. ... Viele wollen 2006 noch<br />

. einmal antreten. Das ganze YAU-Team<br />

freut sich schon auf ein Wiedersehen<br />

und wünscht allen eine erfolgreiche und<br />

gesunde Vorbereitungszeit! -<br />

Und wie es der Zufall will, hat Gerhard<br />

Rath ein Gedicht verfasst, das ­<br />

ohne dass es der Autor geahnt hat ­<br />

in Kurzform genau die Dinge widerspiegelt,<br />

die Peter Meyer rund 50 einsame<br />

Stunden lang erlebt hat: Unvorstellbares,<br />

Stimulanzien,' Gleichgesinnte.<br />

Nur anstelle des (goldenen)<br />

Kalbes sollten man sich vielleicht einen<br />

(brauen) Bär oder einen (dunklen)<br />

Elch vorstellen ..,<br />

Rund ums Goldene Kalb<br />

Auf der Suche nach Mehr<br />

finde ich jenseits von Marathon<br />

Unvorstellbares<br />

Ohne Aufregung rund ums<br />

Goldene Kalb kreisen<br />

Stimulanzien kanalisieren<br />

Allein die Uhr schlägt den Takt<br />

im Gleichklang meines Schritts<br />

Runde für Runde<br />

Den inneren Weg finden<br />

Ruhe und Geduld einatmen<br />

inmitten Gleichgesinnter<br />

(von Gerhard Roth)<br />

27


05.12.04<br />

Sainte Lyon über 68 km<br />

von St. Etienne nach Lyon (F)<br />

Gudrun Gratz-Fister<br />

Aus einer durch einen Bericht des einzigen<br />

deutschen <strong>Teil</strong>nehmers im Jahr<br />

2003 entstandenen Idee wird in der<br />

Nacht zum 5. Dezember Realität: Ich<br />

stehe um 0.00 Uhr am Start in St. Etienne<br />

und nehme teil am 51. Sainte Lyon.<br />

68 Kilometer Trail-, Berg- und Ultralangstreckenlauf<br />

enden nach über 1.300<br />

Höhenmetern irgendwann am nächsten<br />

M<strong>org</strong>en am Ziel im Palais des Sports in<br />

Lyon.<br />

Gegen Vorlage des zwingend v<strong>org</strong>eschriebenen<br />

Gesundheitszeugnisses erhalte<br />

ich am 04.12. im Palais des Sports<br />

die Start-Nummer und die Busfahrkarte<br />

für den Transfer nach St. Etienne am<br />

Abend. Michael Milch, der Autor des Artikels<br />

aus 2003, der mich mit allen Unterlagen<br />

und wichtigen Tipps über diesen<br />

"Doyenne de I'Ultra" vers<strong>org</strong>t hat,<br />

steht mir auch hier helfend zur Seite (on<br />

ne parle pas allemand), und wir werden<br />

uns gegen 1'9.00 Uhr am Bus nach St.<br />

Etienne treffen.<br />

Mittags versuche ich zu schlafen, was<br />

nur kurz gelingt. Die Anspannung verhindert<br />

einen längeren Tiefschlaf. Die<br />

Gedanken kreisen um die nächsten<br />

Stunden. Füße abkleben, warme Kleidung<br />

in einen Beutel, Wasserflaschen,<br />

Bananen, Stirnlampe, Notdecke und<br />

Handy überprüfen. Da die Läufer zwischen<br />

den Stationen (alle 8 km) in der<br />

Nacht alleine sind, ist die Mitnahme eines<br />

Handys für Notfälle sinnvoll.<br />

Seit Mittag nieselt es leicht, aber mit SOC<br />

ist es nicht sehr kalt. Während der etwa<br />

einstündigen Fahrt nach St. Etienne<br />

schlafen einige, andere unterhalten sich<br />

leise. Die Anspannung ist auch im Bus<br />

zu spüren.<br />

Die große Halle des Park Expo füllt sich<br />

langsam. Läufer schlafen auf mitgebrachten<br />

Matten oder in Schlafsäcken.<br />

Andere essen aus Thermosbehältern<br />

Nudeln oder Reis, um die Kohlehydratspeicher<br />

nochmals aufzufüllen. Ich sehe<br />

mir diese Extremspezialisten an, esse<br />

meine Banane und ein Brötchen und<br />

trinke so viel Wasser wie möglich. Der<br />

Hallensprecher gibt die Wetterverhältnisse<br />

auf der Strecke bekannt: wenig<br />

Nebel und 2-3°C in den Bergen.<br />

28<br />

Beliebtes Frankreich<br />

Um 23.30 Uhr wird es lebendig, einige<br />

massieren die Beine mit Öl oder' verteilen<br />

Vaseline bzw. Hirschtalg an reibungsempfindlichen<br />

Stellen. Ich überlege,<br />

dass mir durch meine 100-km-Biel­<br />

Erfahrung weniger die Länge der Strecke<br />

S<strong>org</strong>e macht. Es stellt sich hier nur<br />

die Frage nach der Beschaffenheit der<br />

Wege und der Höhendifferenz (1.300 m<br />

im Aufstieg und 1.800 m im Abstieg).<br />

Mütze auf den Kopf, Stirnlampe drüber,<br />

Startnummer um, Bauchtasche anschnallen,<br />

Handschuhe an und auf<br />

geht's. Michael Milch und ich wünschen<br />

uns ein gesundes Ankommen, und um<br />

0.00 Uhr geht es pünktlich los. Die ersten<br />

Kilometer führen auf der Straße nur<br />

leicht bergauf bis La Talaudiere. Hier<br />

kommt's dann schon richtig stramm;<br />

steil bis zum Kirchturm - fast alle müssen<br />

hier gehen. Kurz danach zweigt der<br />

Weg ab ins Gelände. Die Regenfälle der<br />

letzten Tage haben Matsch und Pfützen<br />

hinterlassen, später gibt es im Wald einige<br />

riesige Schlammlöcher, die entweder<br />

durchwatet oder umgangen werden<br />

müssen..<br />

Feld- und Ackerwege führen bergauf<br />

und bergab. Die Stirnlampe ist wichtig,<br />

um auf den unregelmäßigen, von tiefen<br />

Furchen der Traktoren durchzogenen<br />

Feldwegen nicht zu stolpern. Wir laufen<br />

durch Dörfer mit 3 - 4 Häusern, die oft<br />

nur von einer einzelnen Straßenlaterne<br />

erhellt werden und um diese Nachtzeit<br />

im tiefen Schlaf liegen. Auf einigen Passagen<br />

ist Laufen nicht möglich, es ist zu<br />

glitschig, fetter Lehm umhüllt die Schuhe,<br />

bergab bilden Baumwurzeln, Felsbrocken<br />

oder tiefe Löcher Stolperfallen.<br />

Hinter Bäumen und Sträuchern, die vom<br />

liChtkegel der Stirnlampe erfasst werden,<br />

vermute ich Elfen, Gnome und die<br />

Tiere des Waldes, die uns heimlich bei<br />

unserem Treiben zusehen.<br />

Die Strecke ist bestens durch reflektierende<br />

Pfeile markiert und durch 3 Kontroll-<br />

und 7 Verpflegungsstationen unterbrochen.<br />

Das Verpflegungsangebot<br />

ist äußerst reichhaltig, al'ler für robustere<br />

Läufermägen als meinen gedacht (kandierte<br />

Fruchtstücke, Backpflaumen, Kekse,<br />

Sandkuchen, Salzkräcker, kleine<br />

Streichkäseecken, Salamischeiben,<br />

Mandarinen, Äpfel und erst an der letzten<br />

Station Bananen). Das Getränkeangebot<br />

reicht von Wasser über Menthe,<br />

Cola bis Zitronentee. Ich halte mich<br />

nach den Erfahrungen an der ersten<br />

Station (warmer Zitronentee = kurz danach<br />

durchschlagende Wirkung = ab ins<br />

Gebüsch) nur noch an kaltes Wasser<br />

und teile mir eine mitgenommene Banane<br />

in drei eisige Stücke auf der gesamten<br />

Strecke ein.<br />

Bergauf- und steile Bergab-Passagen<br />

wechseln sich ab. Ich sehe hoch über.<br />

mir ein gelbes Licht auf einer Bergspitze.<br />

Eine einsame Straßenlaterne steht<br />

über mir wie ein heller Stern. Ich bin sicher,<br />

dass ich diese Laterne noch genauer<br />

sehen werde, und ich habe recht,<br />

der Weg führt geradewegs nach oben<br />

bis zur Laterne, die zwei einsame Bauernhöfe<br />

bewacht.<br />

Um 04.00 Uhr kräht in der Ferne ein früher<br />

Hahn. Müdigkeit kommt nicht auf, zu<br />

sehr ist die Konzentration auf die<br />

schwierigen Wegbedingungen gerichtet.<br />

Es wird immer einsamer. Vereinzelt sind<br />

vor mir reflektierende Rückenschilder<br />

auszumachen und beim Umdrehen erkenne<br />

ich wippende Lichter weit hinter<br />

mir. Beruhigt stelle ich fest, dass ich<br />

noch nicht ganz alleine unterwegs bin.<br />

In den nun auftretenden Nebelschwaden<br />

brauche ich neben der Stirnlampe meine<br />

Taschenlampe, um besser zu sehen.<br />

Nach 7.00 Uhr wird der Himmel langsam<br />

heller, und ich laufe teilweise ohne Licht<br />

und genieße die kühle, feuchte Luft und<br />

freue mich auf den neuen Tag. Völlig<br />

losgelöst tappe ich in ein tiefes Schlagloch,<br />

fange mich gerade noch und knipse<br />

die Stirnlampe schnell wieder an. Die<br />

Beine werden müde. Den mitgenommenen<br />

Kraftriegel muss ich vor dem Abbeißen<br />

erst warmlutschen, um mir nicht<br />

die Zähne auszubeißen. Die Bergaufpassagen<br />

marschiere ich nun und jogge<br />

bergab, um Kraft zu sparen, da ich nicht<br />

weiß, was die Strecke noch an Überraschungen<br />

bereit hält und keine Ahnung<br />

habe, wieviele Kilometer noch zu absolvieren<br />

sind. An der nächsten Kontrollstabon<br />

um 7.45 Uhr wird die Frage beantwortet:<br />

Arrivee Lyon 22 km. Gottseidank,<br />

nur noch ein Halbmarathon, und<br />

die Wege werden immer besser. An der<br />

Verpflegungsstation esse ich nur einige<br />

Salzkräcker und trinke kaltes Wasser.<br />

Die heiße Brühe halte ich für Zitronentee<br />

und verpasse damit wichtige Kraftnahrung.<br />

Ein französischer Läufer marschiert neben<br />

mir. Mit Jeans, weißem gebügelten<br />

Hemd und einem beigen grobgestrickten<br />

Pullover und ohne sonstige Utensilien<br />

könnte er geradewegs zum Frühschoppen<br />

unterwegs sein. Nur seine dreckigen<br />

Trailschuhe und die bis in Kniehöhe<br />

matschverspritzten Hosenbeine weisen<br />

ihn als Mitläufer aus. Wir unterhalten<br />

uns in deutsch-französischem Kauderwelsch,<br />

marschieren und traben zusammen.<br />

Kurz nach der letzten Verpflegungsstation<br />

(Arrivee 11 km) führt die<br />

Straße mit 45% Steigung in den Himmel,<br />

und der Aufstieg nimmt kein Ende.<br />

Die Nasenspitze berührt die Straße, der


Asphalt kommt mir entgegen. Der Plan,<br />

unter 10 Stunden zu bleiben, wird hier<br />

aufgeben.<br />

Die letzten 10 Kilometer bis Lyon werden<br />

einzeln angezeigt, der Weg führt<br />

nun bergab, was den geschundenen<br />

Muskeln nicht gerade gut tut. Plötzlich<br />

werden meine Knie weich, und mein<br />

Kreislauf schlägt Purzelbäume. An Laufen<br />

ist nicht zu denken, ich schlurfe und<br />

versuche, nicht umzufallen. Mein französischer<br />

Begleiter bleibt trotz meines<br />

Angebotes, mich hinter sich zu lassen,<br />

bei mir. Aus der Glasscheibe einer Bushaltestelle<br />

blickt mich ein kalkweißes<br />

Gesicht mit bläulichen Lippen an. Dank<br />

eines letzten Müsliriegels, den ich mit<br />

zittrigen Händen aus der Bauchtasche<br />

gekramt und gegessen habe in der<br />

Hoffnung, nicht kurz vor dem Ziel aufgeben<br />

zu müssen, fühle ich 10 Minuten<br />

später, dass die Kraft zurückkehrt und<br />

die Beine wieder sicher werden. Joggen<br />

ist wieder möglich. Mein Begleiter gibt<br />

die Restkilometer an und lenkt mich mit<br />

kleinen Geschichten über Lyon und die<br />

Dörfer der Umgebung ab. Auf der Sa6ne<br />

reiht sich Boot an Boot (zum <strong>Teil</strong> sehr<br />

alte, ausgemusterte Exemplare), und<br />

am Ufer wechseln sich Fabrikhallen mit<br />

Schrottplätzen ab. Kreischende Möwen<br />

und die Aussicht auf den baldigen Zieleinlauf<br />

geben diesem <strong>Teil</strong> des Weges<br />

einen besonderen Reiz. Um die Spitze<br />

der Presqu'lIe herum, an der die Sa6ne<br />

in die Rhöne mündet, über eine weitere<br />

Brücke geht's in den Park Gerland.<br />

Wir beschließen, den letzten Kilometer<br />

bis ins Ziel zu laufen. Es ist nun kurz<br />

nach 10.00 Uhr, und wir werden auf jeden<br />

Fall vor 10.30 Uhr ankommen. Das<br />

Gänsehaut-Feeling erreicht seinen Höhepunkt<br />

auf den letzten 200 Metern, die<br />

mit vielen blauen Fahnen "Rh6ne-Alpes"<br />

die Richtung ins Ziel weisen. Die Kontrollmatte<br />

fiept ein letztes Mal; wir laufen<br />

durch bis in die Halle, gratulieren uns<br />

gegenseitig, und ich bedanke mich sehr<br />

für die Begleitung, ohne die ich diese<br />

tolle Zeit (10:19) nicht geschafft hätte.<br />

Ein Helfer nimmt mir den Zeitmesser<br />

vom Knöchel (total verdreckt), damit ich<br />

mich nicht bücken muss (dieser Service<br />

verhindert, dass ein Notarzt umfallende<br />

Läufer aufheben muss). Ein T-Shirt "Finisher<br />

Saintelyon" wird mir in die Hand<br />

gedrückt. Ich will mich setzen, brauche<br />

etwas zu trinken und vor allem zu essen.<br />

Aber vorher benutze ich das durch<br />

halb Frankreich getragene Handy und<br />

rufe meinen Mann an.<br />

Ich mache mich auf die Suche nach<br />

Nahrung: Für jeden gibt es eine Tüte.<br />

Darin: 1 kleine Flasche Wasser, 1 Banane<br />

(hier sind sie also!), 1 Mandarine,<br />

1 Brötchen, eine Kräuterkäseecke, 1<br />

Flan Caramel. Am nächsten Tisch werden<br />

glühend heiße Nudeln mit Gemüsesoße<br />

und frisch geriebenem Käse ausgeteilt.<br />

Ich suche mir einen freien Platz<br />

und sitze wieder meinem Laufpartner<br />

gegenüber. Wir essen gemeinsam, bewundern<br />

bei der ab 10.30 Uhr stattfindenden<br />

Siegerehrung die Zeiten der<br />

Ersten (5:00 für den ersten Mann, 6:20<br />

für die erste Frau - unglaublich!!!).<br />

Die heißen Nudeln, der süße Pudding<br />

und das Wasser lassen die Lebensgeister<br />

schnell wieder zurückkommen, dennoch<br />

fröstele ich in der kalten Halle. Ich<br />

verabschiede mich nun endgültig von<br />

meinem Läuferkollegen und mache mich<br />

auf die Suche nach meinem Kleidersack.<br />

Mit Vlieshose und -jacke über den<br />

feuchten Laufkleidern fühle ich mich<br />

gleich besser. Dann hole ich mein "Diplome"<br />

ab und beklatsche am Ziel die<br />

Läufer, die teilweise total fertig humpelnd<br />

oder schlurfend ankommen.<br />

Mein Mann ist da - er beglückwünscht<br />

mich und bedauert, dass er mich beim<br />

Zieleinlauf nicht gesehen hat, weil ich<br />

mit mindestens 12 Stunden Einlaufzeit<br />

gerechnet hatte. Ich kann noch gar nicht<br />

realisieren, dass ich diesen Doyenne de<br />

I'Ultra wirklich gelaufen bin. Danke an<br />

Michael Milch und seine Unterstützung<br />

und danke an meinen Mann, der meine<br />

Trainingsvorbereitung ohne Murren hingenommen<br />

hat. Ohne die beiden hätte<br />

ich meine erste Idee wahrscheinlich<br />

doch nicht in die Tat umgesetzt. -<br />

Uewersauer ganz in<br />

Weiß<br />

L- ---'<br />

21.11.04 - Ultra-Trail in<br />

Luxemburg über 47 km<br />

Jürgen Roseher<br />

Beim Monschau-Marathon kursierten kopierte<br />

Handzettel, die für den 21.11.04<br />

den 2. Trail Uewersauer über 47 km in<br />

Luxemburg ankündigten, und das passte<br />

eigentlich ganz gut in meinen Terminkalender.<br />

Uewersauer ist Letzeburgisch und<br />

bedeutet etwas Ähnliches wie Oberrhein,<br />

nur ist es hier eben der Oberlauf des<br />

Flusses Sauer, der später in die Mosel<br />

mündet. Dabei galt es vor allem einen<br />

Widerspruch aufzuklären: Führt er nUn,<br />

wie angekündigt, "über gute Waldwege" ­<br />

oder ist es ein TraiI? Die erste Schwierigkeit<br />

bestand schon darin, eine Unterkunft<br />

zu finden, denn in Heiderscheid gibt<br />

es keine, "das ist hier ein Dorf'. Mit 3 km<br />

Fußweg machte ich dann ein Hotel in<br />

Eschdorf ausfindig, die Anreise gelang mit<br />

der Bahn bis Ettelbrück und anschließend<br />

einem Bus. Nach einem sonnigen Tag<br />

war es am Vorabend bitter kalt.<br />

Die Distanz hatte sich inzwischen auf<br />

korrekte 48,2 km gemausert, die neben<br />

Dreier-Staffeln auch als Dog Trail für<br />

Mensch-mit-Hund-Mannschaften bzw.<br />

solcherart Hundschaften offen stand. Kürzere<br />

Abschnitte waren für Walking und<br />

Nordic Walking v<strong>org</strong>esehen. Nicht viel zu<br />

sehen gab es allerdings wegen der<br />

Witterung, denn die Landschaft lag bei<br />

Temperaturen unter dem Nullpunkt in<br />

einem Eisnebel, aus dem die Stengel der<br />

Windräder ins Ungewisse ragten. Zwar<br />

war die Eintönigkeit mehr weiß als grau,<br />

aber eben feucht und konturenlos. Nach 2<br />

km bergab folgte eine Steigung von 2,5<br />

km auf gar nicht so guten Waldwegen.<br />

Wasser plätscherte darauf oder quer<br />

darüber, und was unter dem Laub<br />

verb<strong>org</strong>en war, musste ertastet werden,<br />

an anderen Stellen waren Gras oder<br />

Unebenheiten überfroren. Das war beste<br />

Trail-Strecke, die auch den Gelenken und<br />

Sehnen alles abverlangte! Die Kreidepfeile<br />

auf dem nassen Laub wurden<br />

schnell unkenntlich und zertrampelt, da<br />

musste man schon manchmal suchen.<br />

Bestimmt ist das hier eine sehr schöne<br />

Landschaft, von der nur eben kaum etwas<br />

zu sehen war. Vor dem dritten der sechs<br />

Verpflegungspunkte gab es tatsächlich<br />

ein Stück Feldweg, der richtig normal<br />

belaufen werden konnte, und nach dem<br />

kurzen Boxenstopp mit Keks-Knabbern<br />

klappte schon der zweite Schritt nicht<br />

mehr. Etwas war kaputt, wovon ich beim<br />

Laufen nichts gemerkt hatte, zurück<br />

humpelte ich drei Schritte. Als kurz darauf<br />

das Fahrzeug zurn Abtransport ankam,<br />

waren wir schon drei.<br />

Ist es unehrenhaft, über etwas zu<br />

berichten, das man selbst nicht zu Ende<br />

gelaufen ist? Bisher habe ich es noch nie<br />

getan, aber hier muss es sein. Denn dieser<br />

Trail ist so abenteuerlich und so eine<br />

große - bei anderer Witterung sicher auch<br />

schöne - Herausforderung, dass sie unbedingt<br />

weiter bekannt gemacht werden<br />

sollte. Peters Sports hat die Telefonnummer<br />

00352/36 06 55 und ein Signet,<br />

das von den "25 km von Berlin" - äh - naja,<br />

jedenfalls ist es sehr ähnlich. Im Startgeld<br />

ist unter anderem ein hochwertiger<br />

Trail-Rucksack enthalten.<br />

Sieger war der einheimische Jose Azevedo<br />

in 3:33:27 vor Rene Strosny aus<br />

Deutschland mit 3:46: 15 und seinem<br />

Landsmann Frank Muller mit 3:53:34.<br />

Auch die Siegerin Simone Kayser mit<br />

4:32:56 stammte aus Luxemburg (im vorigen<br />

Jahr betrug ihre Siegerzeit 4:22:21),<br />

gefolgt von ihrer Landsfrau Malou Unfer<br />

mit 4:48:53 und der deutschen Elke Streicher<br />

mit 4:49:17. Insgesamt kamen 110<br />

Männer und 19 Frauen ins Ziel. Einen<br />

deutschen Sieger gab es bei der Sonderwertung<br />

Dog Trail durch Robert Feiler mit<br />

4:10:35 vor sechs einheimischen sechsbeinigen<br />

Konkurrenten. ­<br />

29


27. - 29.08.04<br />

Ultra-Trail um den Mont Blanc<br />

über 155 km in 8.500 Höhenmetern<br />

DER MINI-KLASSIKER<br />

Wolfgang Olbrich-Beilig<br />

Erst nach einigen Monaten komme ich<br />

dazu, meinen absoluten Jahreshöhepunkt<br />

2004 zu beschreiben. Die Gründe<br />

sind sehr vielfältig. Aber besser spät als<br />

nie! Viel Spaß dennoch beim Lesen!<br />

Nach einem Jahr Warten geht es endlich<br />

wieder nach Chamonix.<br />

Frank, Walter und ich fahren<br />

am Mittwoch m<strong>org</strong>en in Köln<br />

los. Nachdem Frank letztes<br />

Jahr bei Kilometer 117 in<br />

Champex Lac und ich bei Kilometer<br />

42 in Les Chapieux<br />

ausgestiegen waren, wollten<br />

wir es diesmal endlich schaffen,<br />

die Gesamtstrecke unter<br />

die Füße zu nehmen. Walter<br />

hatte sich auch in diesem Jahr<br />

wieder bereit erklärt, uns während<br />

des Laufes zu betreuen.<br />

Nach langer Fahrt erreichten<br />

wir gegen Abend unsere Unterkunft<br />

in Chamonix. Frank<br />

hatte sich wieder einmal als<br />

Quartiermeister herv<strong>org</strong>etan<br />

und ein günstiges Appartement<br />

im Innenstadtbereich <strong>org</strong>anisiert.<br />

Wir bezogen die Zimmer und betrachteten<br />

ehrfürchtig den Mont Blanc<br />

und die phantastische Gebirgswelt. Das<br />

erste mulmige Gefühl beschlich mich.<br />

Nachdem wir vom letzten Jahr her<br />

wussten, wie teuer das Leben in Chamonix<br />

ist, hatten wir diesmal besser<br />

v<strong>org</strong>es<strong>org</strong>t und sämtliche Lebensmittel<br />

für eine Woche mitgebracht. Natürlich<br />

inklusive dem wichtigsten Grundnahrungsmittel,<br />

dem Kölsch!<br />

Am nächsten Tag konnte man bereits im<br />

Eiszentrum von Chamonix die Startunterlagen<br />

abholen. Nachdem wir am<br />

Vormittag mit Walter die einzelnen<br />

Treffpunkte abgefahren waren, an denen<br />

er während des Rennes auf uns<br />

warten sollte, fuhren wir zur Startkartenausgabe.<br />

In diesem Jahr erfolgte eine<br />

Kontrolle der Pflichtausrüstung, bevor<br />

man sich die Startnummer abholen durfte.<br />

Glücklicherweise hatte uns. das Kunibert<br />

Schmitz vorab telefonisch mitgeteilt,<br />

ansonsten hätten wir noch mal zur Unterkunft<br />

gemusst, da davon nichts in der<br />

Ausschreibung stand.<br />

30<br />

Die Revanche<br />

Bei der Ausgabe wurde wieder ein T­<br />

Shirt ausgeteilt. Man kann wirklich sagen,<br />

dass bei diesem Wettkampf das<br />

Preis-leistungs-Verhältnis mehr als gegeben<br />

ist. Für die 70 Euro werden 44<br />

Stunden Verpflegung und Streckenservice<br />

geboten sowie ein ansprechendes<br />

Finishergeschenk von "The North Face"<br />

(hochwertig) an den jeweiligen Etappenorten.<br />

In diesem Jahr gab es sogar<br />

eine elektronische Zeit- und Kontrolinahme<br />

durch einen Chip auf der Rückseite<br />

der Startnummer. Nach der Kontrolle<br />

und Vollzähligkeit der Ausrüstung<br />

musste man noch unterschreiben, dass<br />

man keine Dopingmittel (Wie war das<br />

jetzt mit dem importierten Kölsch?) genommen<br />

hat und die' Pflichtausrüstung<br />

Welch herrliche Landschaft!<br />

auch im Wettkampf mitführt. Dann zur<br />

Startnummernausgabe, Startnummer<br />

und letzte Infos abgeholt, T-Shirt anprobiert<br />

und noch schnell die Mini­<br />

Laufmesse begutachtet.<br />

Am nächsten Tag langes Schlafen, noch<br />

schnell mal les Houches besichtigt (erste<br />

Verpflegungsstelle), Mittagessen im<br />

Appartement und einen ausgiebigen Mittagsschlaf.<br />

So langsam wurden wir nervös.<br />

Das offizielle Briefing wollten wir<br />

uns schenken. Edgar Kluge, der seit<br />

gestern bei uns wohnte, ging hin, und<br />

das war auch gut so. Denn wir erfuhren,<br />

dass vor dem Start jeder <strong>Teil</strong>nehmer<br />

gescannt werden musste und daher ein<br />

entsprechender Vorlauf nötig sei. Also<br />

nichts wie hin zu den Briefings!<br />

Wir machten uns langsam fertig, packten<br />

die Beutel für die beiden Etappenorte,<br />

zu denen diese transportiert werden<br />

würden (Courmayeur bei km 72 und<br />

Champex lac bei km 117). Die Beutel<br />

abgeben und anschließend zum Start.<br />

Der fand in diesem Jahr direkt vor dem<br />

Tourismusbüro statt, ca. 150 Meter von<br />

der Stelle des letzten Jahres entfernt.<br />

Mit Walter hatten wir verabredet, dass er<br />

erst in La Fouly da sein müsse. Das wäre<br />

dann bei km 100. Frank und icb waren<br />

der Meinung, dass es bis dahin aus<br />

eigener Kraft klappen müsse, um eine<br />

realistische Chance zu haben, den lauf<br />

zu finishen. Ich war zunächst etwas<br />

skeptisch, da im letzten Jahr die Verpflegungsstellen<br />

zum <strong>Teil</strong> schlecht bestückt<br />

waren. Aber was soll's, Frank<br />

hatte wohl Recht. Also hatte Walter<br />

nach dem Start erstmal bis zum späten<br />

Nachmittag des Folgetages Zeit und<br />

wollte diese für eine Bergtour nutzen.<br />

Wir kalkulierten ca. 20 Stunden bis La<br />

Fouly.<br />

Dann standen wir am<br />

Start. Mit ca. 5 Minuten<br />

Verspätung erfolgte der<br />

Startschuss, und wir setzten<br />

uns langsam in Bewegung.<br />

Frank und ich<br />

wollten versuchen, die<br />

erste Nacht zusammen zu<br />

laufen, wobei wir verabredeten,<br />

dass jeder sein<br />

Ding machen müsse,<br />

wenn das Tempo des anderen<br />

nicht passt.<br />

Es . war schon beeindruckend:<br />

Weit über tausend<br />

Starter, die sich in der<br />

Abenddämmerung in Bewegung<br />

setzten. Frank<br />

und ich genossen den<br />

Start. Es ging durch<br />

Chamonix und dann in Richtung Les<br />

Houches. Hier sollte die erste VerpflegungssteIle<br />

sein, und wir wussten, dass<br />

es unmittelbar danach das erste Mal<br />

steil bergan gehen sollte. Also ganz ruhig<br />

angehen, denn da macht man definitiv<br />

keine Zeit gut. Während dieser Strecke<br />

überholten uns Stefan, Markus und<br />

Wolli aus Köln. Auch Stefans Frau Andrea<br />

lief mit, wollte aber nur eine <strong>Teil</strong>wertung<br />

laufen. Wolli hatte sich die 117 km<br />

bis Champex lac v<strong>org</strong>enommen. Wir<br />

begrüßten uns fröhlich und ließen es<br />

laufen.<br />

Nach der ersten Verpflegung mussten<br />

dann auf 5 km ca. positive 650 Hm bewältigt<br />

werden. Ich freute mich schon<br />

beim Beginn der Steigung auf die erstklassig<br />

ausgestattete Verpflegungsstelle<br />

auf dem Col de Voza (ca. 1.653 Meter<br />

über NN). Echt lecker! Frank war am<br />

Berg einfach zu stark, und der Gedanke,<br />

zusammen die erste Nacht durchzulaufen,<br />

verabschiedete sich. Frank zog mit<br />

seinem Tempo davon, und ich krabbelte<br />

den Berg hinauf!


Vom Col des Voza ging es dann runter<br />

nach Les Contamines (km 24), auf ca.<br />

1.121 Meter über NN. Dort war die 2.<br />

große Verpflegungsstelle, und es gab<br />

dort das erste Zeitfenster, welches man<br />

einzuhalten hatte (bis 02.00 Uhr). Hier<br />

hatte ich ein absolut mulmiges Gefühl,<br />

da ich mir im vergangenen Jahr hier die<br />

Bänder gerissen hatte und bei km 42<br />

dann aussteigen musste. Kurz vor Les<br />

Contamines überholte mich Andrea. Ihr<br />

schien es gut zu gehen, und sie lief<br />

leichtfüßig und fröhlich an mir vorbei. An<br />

der Verpflegungsstelle selbst wartete<br />

Frank, und wir wollten doch versuchen,<br />

wieder ein paar Kilometer zusammen zu<br />

laufen. Andrea schloss sich an, und es<br />

ging weiter. Bis km 28 läuft man entspannt<br />

flach an einem Bach entlang. Die<br />

beiden waren mir eindeutig einen Tick<br />

zu schnell, und so ließ ich sie ziehen.<br />

Schließlich wusste ich ja, was gleich<br />

kommen sollte. Ab km 28 waren auf einer<br />

Länge von ca. 9 km weitere positive<br />

1.250 Höhenmeter zu überwinden. Also<br />

Wolfgang, bleib locker!<br />

Die dritte größere Verpflegungsstelle in<br />

La Balme bei Kilometer 32 wurde wieder<br />

ausgiebig genossen. Hier hatte man einen<br />

herrlichen Nachtblick auf die mit<br />

Stirnlampen ausgestatteten <strong>Teil</strong>nehmer.<br />

Mein Gott, so viele Verrückte! Der Blick<br />

nach oben war dann allerdings eher ernüchternd!<br />

Bei Kilometer 37 war dann Croix Bonhomme<br />

erreicht (ca. 2.479 Meter über<br />

NN). Im letzten Jahr habe ich mir in der<br />

dortigen Hütte ein. heißes Süppchen genehmigt,<br />

weil es damals s.....ehr kalt<br />

gewesen ist. Aber mir ging es diesmal<br />

richtig gut, und ich wollte nach der dortigen<br />

Kontrolle gleich weiter. Es ging nun<br />

bergab nach Les Chapieux, bei km 42<br />

(ca. 1.549 Meter über NN). Dort musste<br />

ich letztes Jahr aussteigen. Aber auch<br />

das hatte zurückblickend sein Gutes,<br />

lernte ich doch dort Elisabeth und Bernhard<br />

kennen. Dieses Jahr genoss ich<br />

den "Einlauf" dort und labte mich an<br />

warmem Essen und, ja genau, leckerem<br />

Bier! .<br />

Aber was ist, wenn man wieder die ganzen<br />

Höhenmeter ruriter gelaufen ist?<br />

Genau, jetzt ging es wieder bergauf zum<br />

Col de la Seigne (ca. 2.516 Meter über<br />

NN), diesmal als positive knapp 1.000<br />

HM auf ca. 11 km. Der Col de la Seigne<br />

ist gleichzeitig die Grenze nach Italien.<br />

Beim Bergablaufen wurde es langsam<br />

wieder Tag, und es bot sich ein berauschendes<br />

Panorama. Bis Lac Combal,<br />

bei km 59, ging es wieder ca. 500 HM<br />

herunter auf 1.975 Meter über NN. Dort<br />

war die nächste größere VerpflegungssteIle.<br />

Der Nachteil: danach ging es auf<br />

ca. 2 km wieder hoch auf ca. 2.435 Meter<br />

über NN zu Arete Mont Favre. Aua!<br />

Jetzt ging es bis km 72 (Courmayeur)<br />

bergab. Einziger Wermutstropfen bei idealem<br />

Laufwetter und Bergsicht: Die<br />

Verpflegungsstelle am Col Chtkroui.<br />

Dort gab es neben der üblichen Läufernahrung<br />

noch eine Ansammlung verschiedener<br />

italienischer Weine, Brot und<br />

mindestens 6 verschiedene Käsesorten.<br />

Ich nahm jedenfalls erstmal Platz! Meine<br />

Güte, hat das Überwindung gekostet,<br />

hier wieder weg zu gehen. Folter pur!!!<br />

Dann kam Courmayeur. Da man hier<br />

auch mit Wertung aussteigen konnte,<br />

war das quasi der erste Zieleinlauf. Alles<br />

war super vorbereitet. Ich fand schnell<br />

meinen hier hinterlegten Sack mit<br />

Duschzeug .und Wechselklamotten und<br />

genoss die Dusche und die frischen Sachen.<br />

Auch war ich froh, andere Laufschuhe<br />

anziehen und die abgetapten<br />

Stellen neu pflastern zu können und die<br />

Scheuerstellen mit Vaseline neu einzu-<br />

Wolfgang im Ziel<br />

reiben. Frisch geduscht ging es dann<br />

zur Verpflegung! Oh Mann, alleine dafür<br />

musste man den Lauf einfach mitmachen!<br />

In diesem Jahr gab es wirklich<br />

nichts an der Verpflegung auszusetzen!<br />

Einfach Klasse. Zwei kleine Flaschen<br />

Bier hinterher und der Elektrolythaushalt<br />

stimmte wieder!<br />

Es ging mitten durch den Ort, und die<br />

Leute klatschten und riefen uns Mut zu.<br />

War richtig zum Genießen! Dann sollte<br />

aber mit dem Genuss schnell wieder<br />

Schluss sein. Denn nun ging es von<br />

1.226 Meter über NN auf 3 km hoch auf<br />

2.022 Meter über NN. Die ganze Frische<br />

der neuen Klamotten und der Dusche<br />

waren dahin! Auf Refuge Bertone bei Kilometer<br />

75 wurde noch mal ausgiebig<br />

Wasser getankt, und dann ging es recht<br />

wellig durch die schöne Bergwelt Italiens.<br />

Ab Lavachey (km 83) ging es<br />

dann von 1.690 Meter über NN auf<br />

2.537 Meter über NN auf den Grand Col<br />

Ferret bei km 90. Hier wurde die Grenze<br />

zur Schweiz passiert. Die nächsten 10<br />

km ging es ständig stark bis leicht berg-<br />

ab nach La Fouly. Ich freute mich auf<br />

schon auf Walter, der dort auf mich warten<br />

sollte. Mir ging es immer noch ausgezeichnet,<br />

und ich genoss das Wetter<br />

und die herrliche Aussicht. In La Fouly<br />

traute ich meinen Augen nicht. Nicht" nur<br />

Walter war dort, sondern auch Frank. Er<br />

musste bei km 80 aussteigen, weil er<br />

sich eine starke Knochenhautreizung<br />

zugezogen hatte und nicht mehr laufen<br />

konnte.<br />

Die beiden machten mir ein paar leckere<br />

Spaghetti auf dem Gaskocher, und es<br />

gab diverse mitgebrachte Leckereien.<br />

Und weiter ging es in Richtung Issert,<br />

weitere 10 km bergab. Also, im Nachhinein<br />

waren das die angenehmsten 20<br />

Kilometer des ganzen Laufes. Hier wurde<br />

es langsam dunkel, und die nächsten<br />

Anstiege folgten. Von Issert aus waren<br />

auf 4 km ca. 400 positive HM zu überwinden.<br />

Hier überholte ich Anke Drescher,<br />

die scheinbar ein paar Probleme<br />

hatte, aber dennoch den Lauf finishte. In<br />

Champex d'en Bas war die nächste<br />

Möglichkeit, den Lauf mit Wertung zu<br />

beenden. Es war mittlerweile stockduster,<br />

und ich war plötzlich ziemlich müde.<br />

Trotzdem wollte ich mich nicht hinlegen.<br />

Ich duschte mich hier und zog mir frische<br />

und wärmere Klamotten für die<br />

Nacht an. Denn es gab ab hier wieder<br />

einige Pässe zu "erklimmen". Und ich<br />

traf hier meine wohl beste Entscheidung<br />

des Laufes. Ich zog mir richtige Wanderschuhe<br />

an und beschloss, die ganze<br />

Nacht nur noch zu wandern.<br />

Also weiter! Angefeuert und motiviert<br />

durch Frank und Walter durch die zweite<br />

lange Nacht. Auf den nächsten 5 km<br />

zum Fermes de Bovine waren erneut ca.<br />

700 HM zu überwinden. Es ging über<br />

sehr schwer gehbare Wanderwege, und<br />

es gab auch mal den einen oder anderen<br />

Gebirgsbach zu überwinden. Aufgrund<br />

der Müdigkeit und der Wege war<br />

das hier wohl das anspruchvollste<br />

Stück. Auf fermes de Bovine bei km 122<br />

gab es heiße Suppe, welche während<br />

der Nacht meine Lieblingsverpflegung<br />

werden sollte, Es war recht kalt, und die<br />

heiße Suppe tat richtig gut. Dann ging<br />

es von 1.987 Meter über NN auf 7 km<br />

wieder runter auf 1.279 Meter über NN,<br />

nach Trient bei km 129. Hier erfolgte bei<br />

Trient wohl das ätzendste Stück der<br />

Strecke: es ging querfeldein auf einer<br />

Wiese runter. Ich rutschte ca. 100 HM<br />

auf dem Hosenboden nach unten, um<br />

dann dort unten zur Verpflegungsstelle<br />

nach Trient zurück zu wandern!<br />

Was habe ich mich hier geärgert! Das<br />

war wirklich nicht nötig und außerdem<br />

auch noch gefährlich. In Trient wartete<br />

Walter und baute mich wieder etwas<br />

auf. Ich war mir mittlerweile sicher, dass<br />

ich den Lauf finishen konnte. Ich war gut<br />

4 Stunden vor den Cut offs und nur noch<br />

31


26 km bis ins Ziel. Nach Trient ging es<br />

mal wieder bergauf. Hier waren auf ca. 5<br />

km etwa 700 positive HM zu überwinden.<br />

Die taten mittlerweile richtig weh!<br />

Auf dem Weg nach unten wurde in Les<br />

Essert bei km 136 wieder die Grenze<br />

nach Frankreich passiert.<br />

Es ging nun weiter bergab nach Vallorcine<br />

bei km 139 auf 1.260 Meter über<br />

NN. Walter wartete hier wieder auf mich,<br />

und da es mittlerweile schon hell war,<br />

wechselte ich auf die Laufschuhe zurück.<br />

Es ging nun nur noch einmal über eine<br />

Höhe von 1.670 Meter über NN, bei km<br />

148 (Sentier des Gardes). Ich weiß ja<br />

nicht, aber ich bin der Meinung, dass<br />

man sich bei den letzten 15 km irgendwie<br />

mit dem Profil vertan haben muss.<br />

Bis dahin konnte man sich darauf wirklich<br />

gut verlassen! Aber der Rest ...<br />

Naja, was soll's. Dann ging es irgendwann<br />

runter nach Chamonix. Ich war<br />

mittlerweile total platt. Am Ortseingang<br />

durchlief mich ein Kribbeln, wie ich es<br />

noch nie erlebt hatte. Ich begann zu<br />

laufen, und überall wurde gejubelt.<br />

Vor dir keiner, hinter dir keiner! Alle<br />

jubelten dir zu. Ich lief gegen Mittag<br />

ein, und die Stadt war dementsprechend<br />

voll. Brust raus, Bauch rein und<br />

genießen. Noch nie hatte ich ein solches<br />

Glücksgefühl beim Zieleinlauf!<br />

Besser als der erste Marathon oder das<br />

Finish in Biel. Alle waren da: Kuni, Frank<br />

und Walter. Im· Ziel wurde der Name<br />

aufgerufen, Offizielle umarmen und be­<br />

glückwünschen dich, einfach geil (ich<br />

nochmals:<br />

Sainte Lyon<br />

Mitternacht in Lyon<br />

Rainer Satzinger<br />

Man kann sich entweder in St. Etienne<br />

am Startort einquartieren oder in Lyon.<br />

Maria und ich entscheiden uns für Lyon.<br />

Die Stadt ist bekannt für die beste Küche<br />

in Frankreich, die man in vielen Restaurants<br />

in der Altstadt genießen kann.<br />

Im Hotel Ibis Pont Pasteur, 6 Metrostationen<br />

vom Zentrum entfernt, haben wir<br />

nur knapp einen Kilometer zu Fuß zum<br />

Palais des Sports. Dort befinden sich die<br />

Startnummernausgabe, die Abfahrt der<br />

Shuttlebusse nach St. Etienne und das<br />

Ziel.<br />

Bereits u'm 21 Uhr sind wir in St. Etienne.<br />

Noch 3 Stunden bis zum Start! Viel­<br />

leicht hätten wir doch lieber in St. Etienne<br />

bleiben und am nächsten Tag mit<br />

dem Zug zurück fahren sollen. Nächstes<br />

Mal. In der Halle im Parc Expo gibt es<br />

Kaffee, Tee, Kuchen und Süßigkeiten.<br />

Wir sitzen auf einer Tribüne und warten<br />

kurze Abstiege. Als wir die erste Anhöhe<br />

erreicht haben, liegt St. Etienne hinter<br />

uns im Tal, vor uns ein malerisches Dorf<br />

am Berghang. Damit ist eigentlich schon<br />

alles erzählt, was wir bis zum M<strong>org</strong>en zu<br />

sehen bekamen.<br />

Die erste Verpflegungsstelle bei Kilometer<br />

7 ist, wie häufig, dem Ansturm nicht<br />

ganz gewachsen. Aber wie die meisten<br />

anderen Läufer haben auch wir unseren<br />

Trinkrucksack dabei und müssen uns<br />

nicht aufhalten. Weiter geht es steiler<br />

bergauf, wir gehen jetzt viel. Die kurzen<br />

Abstiege haben es wirklich in sich. Häufig<br />

sind die Wege ausgewaschen und<br />

felsig und dann wieder matschig mit<br />

großen Pfützen. Man muss sehr aufpassen<br />

und einigermaßen trittsicher sein.<br />

Meistens laufen wir Hand in Hand, solange<br />

der Weg breit genug ist. Manchmal<br />

stolpern wir, kommen aber gut<br />

durch. Einige Mitläufer rutschen aus,<br />

ohne dass jedoch etwas Ernsthaftes<br />

passiert. Zeitweise nieselt es, und als<br />

wir oben auf über 900 m Meereshöhe<br />

sind, ist es so nebelig, dass man nur ein<br />

paar Meter weit sehen kann: Durch das<br />

Licht der Stirnlampen wird der Nebel direkt<br />

vor den Augen hell erleuchtet, so<br />

dass der Effekt noch verstärkt wird.<br />

Nebelscheinwerfer wären jetzt nicht<br />

schlecht.<br />

Von nun ab führt der Weg, durch kurze<br />

Anstiege unterbrochen, 46 km bergab<br />

bis ins Ziel in Lyon auf 200 m Meereshöhe.<br />

Insgesamt kommen so 1.000 Höhenmeter<br />

im Anstieg und 1.300 m im<br />

Abstieg zusammen. An den HauptverpflegungssteIlen<br />

werden wir ausrei­<br />

benutze diesen Ausdruck sonst chend mit warnie!)!!!<br />

Ich bekam mein Finisher­ men und kalten<br />

Sweat-Shirt, trank noch die bei­ Getränken, Saden<br />

leckersten Biere meines Le­ lami, Käse,<br />

bens und wankte zur Unterkunft. Weißbrot, Ku-<br />

Am Abend erfolgten in einem der chen und Obst<br />

besten Hotels am Platze das offi­ vers<strong>org</strong>t. Bei der<br />

zielle Abschlussbuffet und die letzen Verpfle-<br />

Siegerehrung. I;ssen und Trinken gung ist es<br />

vom Feinsten und stolz ge­ schon hell geschwellte<br />

Brust meinerseits. worden. Jetzt<br />

schmeckt der<br />

Fazit: Ein absolutes Berghigh­ Kaffee besonlight!!!<br />

Ich habe mich noch nie ders gut. Noch<br />

über 40 Stunden am Stück so einmal ein giftig<br />

quälen müssen und habe beim steiler Anstieg,<br />

Lauf noch nie ein solches Glücksgefühl<br />

erlebt wie teilweise auf der Strecke<br />

und noch nie so sehr wie beim dortigen<br />

Zieleinlauf. Die Organisation war<br />

nahezu perfekt und die Verpflegung<br />

klasse. Nur etwa 30 Prozent der Starter<br />

erreichten das Ziel! Gewonnen hat Vincent<br />

Delebarre in 21:12 h vor dem Vorjahressieger<br />

Dachhiri-Dawa Sherpa und<br />

bei den Damen Colette Borcard in 26:14<br />

h vor Martina Juda.<br />

Und nach dem derzeitigen Stand werde<br />

ich wohl auch 2005 gemeinsam mit<br />

Frank wieder am Start stehen! -<br />

32<br />

wärend sich die Halle nach und nach<br />

füllt. Insgesamt sind fast 4.000 <strong>Teil</strong>nehmer<br />

dabei, davon 1.600 Einzelläufer und<br />

der Rest in 2er-, 3er- und 4er-Staffeln.<br />

Endlich, 15 min vor dem Start um Mitternacht,<br />

gehen wir hinaus in die Kälte,<br />

es dürften so 5°C gewesen sein. Die<br />

Staffelläufer sind gerade gestartet.<br />

Zum Warmwerden geht es durch St.<br />

Etienne und dann leicht beginnend, später<br />

steiler in den insgesamt 22 km langen<br />

Anstieg mit ca. 600 Höhenmetern,<br />

immer wieder unterbrochen durch einige<br />

dann liegt "uns<br />

Lyon zu Füßen, und nach ein paar Kilometern<br />

laufen wir im Palais des Sports<br />

ein. Für die Medaillen, die es bis 8:15 h<br />

gibt, sind wir zu langsam gewesen, ein<br />

Finisher T-Shirt bekommen aber alle<br />

Läufer. Zum Abschluss gibt es noch ein<br />

Lunchpaket und richtig gute Nudeln. Als<br />

fast 6 Stunden nach uns der letzte Läufer<br />

am Hotel vorbei marschiert, haben<br />

wir schon wieder ausgeschlafen. _<br />

Die beiden Piktogramme wurde der Internetseite<br />

vorn Sainte Lyon entnommen!

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