Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
zwölf Kilometer waren es bis zum Ziel.<br />
Mir blieb nichts anderes übrig, als den<br />
Schlafsack vom Schlitten zu holen. Notgedrungen<br />
legte ich mich an das Ufer<br />
des Sees, der mich vom nahen Ziel<br />
trennte. Ich musste warten - auf irgendetwas<br />
und hoffte natürlich, dass es ein<br />
Schneemobil sein würde.<br />
Welche Kuriosität: der mit - wie sich<br />
später herausstellt - großem Abstand<br />
Führende kann das Ziel nicht finden,<br />
muss warten, bis nach Stunden die Verfolger<br />
kommen. Denn so war es leider!<br />
Gegen acht Uhr, es wurd'e gerade hell,<br />
holte ich meine Schuhe in den Sack, um<br />
sie etwas aufzutauen. Um 8.30 Uhr<br />
plötzlich ein Geräusch: leider nicht das<br />
erhoffte Schneemobil, sondern drei Verfolger.<br />
Wer waren diese drei? Ich hatte<br />
einen einzigen erwartet. Einer von ihnen<br />
trug die irische Flagge auf dem Schlitten.<br />
Wie es aussah, hatte sich der ursprünglich<br />
zweitplatzierte Ire mit zwei<br />
anderen <strong>Teil</strong>nehmern zusammengetan <br />
so dachte ich in diesem Moment - vermutlich<br />
mit zwei Landsleuten. "Where is<br />
the way?" Ich konnte nur die Schultern<br />
hochziehen und über den See deuten.<br />
Wie kann man mich fragen, ausgerechnet<br />
mich! Warum liege ich denn hier<br />
herum! Und während wir noch palaverten,<br />
näherte sich ein Geräusch, auf das<br />
ich so lange gewartet hatte, das jetzt<br />
aber für mich zu spät kam. Vom Ziel her<br />
kam tatsächlich ein Schneemobil! Es<br />
näherte sich von rechts. Diese Richtung<br />
hätte ich also vor fünfeinhalb Stunden<br />
einschlagen müssen. Die drei machten<br />
sich davon, folgten der Spur des Fahrzeugs,<br />
die sie dorthin führte, wo der<br />
Trail auf den See ging. Sie waren schon<br />
nicht mehr zu sehen, da mühte ich mich<br />
noch immer damit ab, meine blutenden<br />
Füße in die knochenhart gefrorenen<br />
Schuhe zu zwängen, für die der Aufenthalt<br />
im Schlafsack viel zu kurz war.<br />
Meine drei Verfolger (die ICH nun verfolgte)<br />
erreichten das Ziel gemeinsam<br />
nach 48:38 Stunden. Ich folgte - ziemlich<br />
lustlos und kaum noch motiviert <br />
nach 50:08 Stunden. Im Ziel stellte ich<br />
fest, dass es sich tatsächlich um drei irische<br />
<strong>Teil</strong>nehmer handelte,' aber erst<br />
jetzt - zwei Wochen danach - entnehme<br />
ich dem Internet, das einer von ihnen<br />
auf der 300er Strecke lief, d.h. innerhalb<br />
der 100-Meilen-Wertung waren nur zwei<br />
vor mir: Ken Byrne (29) und John<br />
O'Regan (35). Die beiden teilten sich<br />
den ersten Platz.<br />
Nun, wie auch immer, ich bin mit meinem<br />
Beinahesieg bei einem so schweren<br />
Rennen überaus zufrieden. 50<br />
Stunden hatte ich benötigt, einschließlich<br />
der wetterbedingten fünfeinhalbstündigen<br />
Wartezeit kurz vor dem Ziel.<br />
Beinahe wären es also nur 44 Stunden<br />
gewesen. Als das Ziel nach 72 Stunden<br />
geschlossen wurde, hatte ich bereits die<br />
Rocky Mountains überflogen und setzte<br />
zu einer Zwischenlandung in Vancouver<br />
an. Nicht ganz ohne Risiko, aber überaus<br />
zuversichtlich hatte ich einen so frühen<br />
Rückflug gebucht.<br />
Die 160 Kilometer durch die Wildnis<br />
Nordkanadas waren so hart, wie sie von<br />
Robert Poilhammer, dem Veranstalter,<br />
angekündigt waren. Er hatte nicht übertrieben.<br />
Aber es war auch ein unbeschreibliches,<br />
ein großes Erlebnis, das<br />
ich nicht missen möchte. -<br />
Resultate<br />
1. Ken Byrne (Irland), 29 Jahre<br />
48:38 Std.<br />
1. John O'Regan (Irland), 35 Jahre<br />
48:38 Std.<br />
3. Peter Meyer (Deutschland), 66 Jahre<br />
50:08 Std.<br />
4. Klaus Schweinberger (Österr.), 42 Jahre<br />
53:30 Std.<br />
5. Tarnmy Reis (Kananda), 32 Jahre<br />
54:39<br />
6. Nic Karonias (England), 54 Jahre<br />
55:23<br />
7. Andrew Reynolds (Irland), 34 Jahre<br />
58:50<br />
Fergus Hughes (Irland) ausgeschieden<br />
Auszüge aus dem Abschlussbericht<br />
des Veranstalters<br />
Carmacks, den 17.02.05<br />
Peter Meyer konnte gestern nach unseren<br />
Jungs aus Irland erfolgreich das<br />
100-Meilen-Rennen beenden. Er hat<br />
sich gefreut, war aber auch gleichzeitig<br />
ein wenig enttäuscht. Denn er hatte einen<br />
großen Vorsprung und hätte eigentlich<br />
gewinnen können. Leider ist Peter<br />
nachts an den Braeburn Lake gekommen,<br />
und· es hat stark geschneit. Das<br />
machte die Orientierung schwierig. So<br />
hatte der erfahrene Ultraläufer sich entschieden,<br />
bessere Bedingungen abzuwarten.<br />
Während er wartete, wurde er<br />
überholt. ...<br />
Tirol, den 01.03.05<br />
Wieder einmal ist ein Yukon Arctic Ultra<br />
beendet. Und als Organisator freue ich<br />
mich sehr, dass alle <strong>Teil</strong>nehmer gesund<br />
wieder nach Hause geflogen sind. Natürlich<br />
gab es viele Blasen, geschwollene<br />
Füße und Entzündungen. Aber niemand<br />
hat Erfrierungen davongetragen<br />
oder sich ernsthaft verletzt. Außerdem<br />
war das Feedback der Athleten durch<br />
die Bank positiv. Dabei konnten wir einige<br />
Verbesserungen umsetzen, welche<br />
die <strong>Teil</strong>nehmer gar nicht bemerkt haben.<br />
So hat unsere eigene 24-Stun-den<br />
Notrufnummer bzw. Koordinationsstelle'<br />
in Whitehorse hervorragend funktionier.<br />
Dort waren Dave und Mike immer informiert,<br />
wo sich alle Beteiligten aufhalten,<br />
Der Informationsfluss klappte perfekt,<br />
und so konnte die Sicherheit noch einmal<br />
verbessert werden. Denn nur, wenn<br />
eine zentrale Stelle über alle Bewegungen<br />
und Ereignisse informiert ist, kann<br />
im Notfall optimal reagiert werden.<br />
Auch für die Ski-doo-Guides war es eine<br />
Erleichterung bei der Planung ihrer Touren.<br />
Sie mussten nicht mehr versuchen,<br />
von Sateilliten-Telefon zu Satelliten-Telefon<br />
zu kommunizieren. Garry, Murray,<br />
John und Don konnten stattdessen eine<br />
Festnetznummer wählen. Dadurch<br />
konnten sie Zeit sparen und effizienter<br />
arbeiten. ... Viele wollen 2006 noch<br />
. einmal antreten. Das ganze YAU-Team<br />
freut sich schon auf ein Wiedersehen<br />
und wünscht allen eine erfolgreiche und<br />
gesunde Vorbereitungszeit! -<br />
Und wie es der Zufall will, hat Gerhard<br />
Rath ein Gedicht verfasst, das <br />
ohne dass es der Autor geahnt hat <br />
in Kurzform genau die Dinge widerspiegelt,<br />
die Peter Meyer rund 50 einsame<br />
Stunden lang erlebt hat: Unvorstellbares,<br />
Stimulanzien,' Gleichgesinnte.<br />
Nur anstelle des (goldenen)<br />
Kalbes sollten man sich vielleicht einen<br />
(brauen) Bär oder einen (dunklen)<br />
Elch vorstellen ..,<br />
Rund ums Goldene Kalb<br />
Auf der Suche nach Mehr<br />
finde ich jenseits von Marathon<br />
Unvorstellbares<br />
Ohne Aufregung rund ums<br />
Goldene Kalb kreisen<br />
Stimulanzien kanalisieren<br />
Allein die Uhr schlägt den Takt<br />
im Gleichklang meines Schritts<br />
Runde für Runde<br />
Den inneren Weg finden<br />
Ruhe und Geduld einatmen<br />
inmitten Gleichgesinnter<br />
(von Gerhard Roth)<br />
27