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20. Jahrgang 2/2005<br />
Fachzeitschrift und offizielles Organ der<br />
DEUTSCHEN<br />
ULTRAIVIARATHON·<br />
VEREINIGUNG<br />
E.V. [DUVl
Start/Ziel:<br />
Sonntag, 30. Oktober 2005<br />
7. BOTTROPER<br />
Ultramarathon (50 km)<br />
Letzter Lauf im 50-km-Cup der DUV mit anschließender Siegerehrung der Cupsieger<br />
Anmeldung:<br />
Start:<br />
Startgeld:<br />
Zeitmessung:<br />
Altersklassen:<br />
Laufstrecke:<br />
UmkleidenlDuschen:<br />
Auszeichnungen:<br />
Siegerehrung:<br />
Übernachtung:<br />
Herbstwaldlauf:<br />
Veranstalter:<br />
Auskunft:<br />
Auf dem Gelände des noch fOrdernden Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop-Fuhlenbrock,<br />
rernewaldstraßc.<br />
bis Freitag, den 21.10.2005' Anmeldevordrucke und Online-Anmeldungen unter<br />
www.adler-Ianglauf.de<br />
Dort gibt es auch vollständige due Ausschreibung, den Streckenplan sowie Anfahrtskarten.<br />
Fax-Anmeldung: 020411706888<br />
09.15 Uhr Zielschluss nach 6 Stunden.<br />
25,- C<br />
Champion-Chip. Leihchip am Veranstaltungstag gegen eine Leihgebühr (28 C zahlen und 25 E nach<br />
Rückgabe zurück) erhältlich.<br />
Nach LAO alle 5 Jahre.<br />
Unsere vom LVN vermessene, nicht ganz ebene, aber größtenteils windgeschützte, Zwei-Runden Strecke<br />
führt nur durch den grünen Bottroper Norden und hat 5 Verpflegungsstellen je Runde. Jeder Kilometer ist<br />
ausgeschildert. Streckenbestzeiten: Männer 2:59:09 Std., Frauen 3:54:26 Std.<br />
In den Kauen der Bergleute mit warmem Wasser bis zum Schluss'<br />
Alle erhalten Urkunden nach der Siegerehrung. Ergebnislisten im Internet.<br />
Die jeweils drei Ersten (Frauen und Männer) des Gesamteinlaufs sowie die drei Ersten einer Altersklasse<br />
erhalten entweder Pokale, Gutscheine oder Sachpreise.<br />
l)iese findet um ca. 15:30 Uhr im Lichthof auf dem Bergwerksgelände statt.<br />
Sportlerheim (25 Betten) mit Küchenbenutzung u. Bettwäsche: 12,50 r<br />
Turnhalle mit Luftmatratze auf Anfrage; Hotels unter www.bottrop.de<br />
Am gleichen Tag und Ort findet ab 09.40 Uhr der 33. Bottroper Herbstwaldlauf über 25 km, 10 und<br />
5,4 km statt. Anmeldungen bis zum 2 LI 0.2005. Nachmeldungen am 29.10. von 16 bis 18 Uhr und am<br />
30.10.2005 bis 30 min. gegen Zusatzgebühr vor dem Start möglich<br />
ADLER-Langlauf Bottrop<br />
Jürgen Liebert, Im Fuhlenbrock 102,46242 Bottrop, Tel.: 02041152230<br />
oder jliebert@gelsenneLde<br />
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Ultramarathon 2/2005<br />
Inhaltsangabe in geordneter Reihenfolge Seite<br />
Anzeige Bottrop . 02<br />
Impressum . 03<br />
Inhaltsangabe (sortiert nach Reihenfolge der Beiträge bzw. nach Wettkampfchronologie ) .. 04/05<br />
Die Seite des Pressewartes (Dietmar Knies) .. 06<br />
Darum geht es! (Volkmar Mühl) . 07<br />
Aus der Geschäftsstelle . 08<br />
Vier amtierende Ultrameister am Start (Volkmar Mühl) . 09<br />
Das erste Radrennen durch die Sandwüste (Stefan Schlett) .. 10/11<br />
Silvester wie Phönix aus der Asche (Martina Hausmann) . 12/13<br />
Wo die Sonne niemals scheint (Helmut Linzbichler) . 14/15<br />
Besinnliches (Leo Stierhof) .. . 15<br />
Kühles warm up in die neue Ultrasaison (llona Schlegel) .. 16/17<br />
Im weißen Winterwald (Jürgen Roscher) .. 17<br />
Drei Stunden Walking (Angelika Roedder) . 17-19<br />
Rekorde mit Stöcken (Reinhard Butzek) . 19<br />
Yukon Arctic Ultra (Tom Wolter) .. 20-23<br />
Mein eiskaltes Yukon-Abenteuer (Peter Meyer) . 23-27<br />
Beliebtes Frankreich (Gudrun Gratz-Fister) . 28/29<br />
Uewersauer ganz in Weiß (Jürgen Roscher) . 29<br />
Die Revanche (Wolfgang Olbrich-Beilig) . 30-32<br />
Mitternacht in Lyon (Rainer Satzinger) . 32<br />
Fußschmerzen und kein Ende (Jörg Linder) . 33-39<br />
Kein Geheimtipp mehr (llona Schlegel) . 40 .<br />
Der Stern von Atacama (Dr. Sigrid Lomsky) . 41/42<br />
Wer nicht zählen kann (Günter Klitsch) .. 42<br />
Alle Jahre wieder (Dieter Ullrich) .. 43<br />
DUV-Novize Dirk Bohne berichtet (Dirk Bohne) . 44<br />
Ein flotter Dreier (Werner Selch) .. 45/46<br />
Zu Besuch bei Kaiser Barbarossa (Wolfram Brunnmeier) .. 46/47<br />
Sittenverfall- eine frei erfundene Geschichte (Dietmar Knies) . 47<br />
Kleinanzeigenkupon / Läufergeburtstage . 48/49<br />
In Planung: interessante Erlebnisläufe (Wolfram Brunnmeier) . 50<br />
Warten bei Currywurst und Pommes (Wolfram Brunnmeier) .. 51<br />
Der erste 24-Stunden-Lauf Griechenlands ist Geschichte (Martina Hausmann) . 52/53<br />
Erste Gehversuche (Gudrun Müller) . 53<br />
Schwerpunktthema: Ernährungstipps für Marathon und mehr (Dr. Thomas Prochnow) .. 54<br />
Schwerpunktthema: Ich will so essen wie ich bin (llona Schlegel) ; .. 55<br />
Schwerpunktthema: Aus dem eigenen Gewächshaus (Dr. Stefan Weigelt) .. 55/56<br />
Schwerpunktthema: Ernährung, wie sie im Buche steht (Wolfgang Olbrich-Beilig) .. 56<br />
Schwerpunktthema: Denkanstoß zur Lebensqualität (Bernd Seitz) .. 57<br />
Schwerpunktthema: Schleimige Angelegenheit (Dietmar Knies) .. 58<br />
Schwerpunktthema: Nahrungsergänzung im Ausdauersport (Dr. Dr. Lutz Aderhold) . 59/60<br />
Schwerpunktthema: Neulich bei MäcDoof (Mattin Becker) . 61<br />
Schwerpunktthema: Ausgewählte Aspekte der Ernährung (Prof. Ge<strong>org</strong> Neumann) .. 62-64<br />
Das Abenteuer, sich selbst herauszufinden (Apaga Renner im Interview mit Paula Mairer) . 65/66<br />
Lebens-Lauf (Günther Bergs)<br />
Neue DUV-Mitglieder v<strong>org</strong>estellt<br />
.. 67-69<br />
4<br />
Der Vielstarter aus Hamburg (Frank Berka) .. 70<br />
Aller Anfang ist schwer (Martina Görz) .. 71-72<br />
Mario meinte, wir müssen uns unbedingt bewegen (Kerstin Fuhrmann) . 72<br />
Laufen ist das Letzte (Günter Klitsch) . 72/73<br />
Bruno war's (Barbara Späth) : . 73/74
Dietmar Knies<br />
Ja, es hat gekracht im Präsidium der<br />
DUV, ganz gewaltig sogar. Doch das<br />
kommt bekanntlich in den besten Familien<br />
vor. Jeder Posten stand plötzlich zur<br />
Disposition, freiwillige oder erzwungene<br />
Rücktrittsforderungen waren auf der Tagesordnung.<br />
Da konnte auf einmal der<br />
mit dem nicht (mehr), wurden fiktive<br />
Grüppchen gebildet, um diese anderntags<br />
wieder aufzulösen. Schuldzuweisungen<br />
machten die Runde, und von<br />
"menschlichen Enttäuschungen" war die<br />
Rede. Aber man hat sich wieder halbwegs<br />
zusammengerauft, hat einige Änderungen<br />
im Präsidium und dem Geschäftsverteilungsplan<br />
beschlossen und<br />
ist mittlerweile - Gott sei Dank - im Prinzip<br />
ohne Gesichtsverlust wieder zur Tagesordnung<br />
zurückgekehrt. Weißer<br />
Rauch stieg also auf am Krötenbad 45<br />
in Gelnhausen an jenem 10. April, und<br />
nur das zählt!<br />
Doch einige Zeitgenossen, die "das<br />
Treiben des neuen Präsidiums" (Originalzitat<br />
einer Mail, die erst unlängst an<br />
alle Präsidiumskollegen verschickt wur:<br />
de - der Absender ist demzufolge auch<br />
bekannt) schon geraume Zeit argwöhnisch<br />
beäugt haben und um (unqualifizierte)<br />
Meinungsäußerungen nie verlegen<br />
waren, werden nun natürlich auf<br />
den Plan gerufen. Anstatt uns mit helfender<br />
Kritik zur Seite zu stehen, wird<br />
noch Öl ins Feuer gegossen. Leute,<br />
wisst ihr eigentlich, wie viel Freizeit jeder<br />
von uns in die ehrenamtliche DUV-Arbeit<br />
hineinsteckt? Aber da werden Stellungnahmen<br />
auf der Homepage und in<br />
UM gefordert oder werden nichtveröffentlichte<br />
Berichte fast schon eingeklagt<br />
(zum Glück ist das bisher die Ausnahme).<br />
Letzteres aber nicht etwa vom Autoren<br />
selbst, sondern einer (ihm nahestehenden?)<br />
dritten Person, die in meiner<br />
bisherigen Amtszeit als Pressewart<br />
aber noch nicht einen Bericht für UM geliefert<br />
hat. Soll vielleicht künftig auch<br />
noch der Schriftverkehr innerhalb des<br />
Präsidiums oder der des Präsidenten<br />
mit dem DLV in Sachen Nationalteam<br />
veröffentlicht werden? Ja, wo leben wir<br />
denn eigentlich? Müssen wir denn über<br />
jede kleinste Regung im Präsidium Rechenschaft<br />
ablegen? Für derlei Dinge ist<br />
bisher immer noch die Jahreshauptversammlung<br />
da.<br />
Gern komme ich an dieser Stelle noch<br />
einmal auf die schon im Impressum<br />
erwähnten längeren Berichte zurück.<br />
Manch einer mag sich vielleicht fragen,<br />
ob es Sinn macht, subjektiv gefärbte<br />
Erlebnisberichte - und dann wie beim<br />
Yukon Arctic gar noch zwei von der<br />
6<br />
Die Seite des Pressewartes<br />
gleichen Veranstaltung - auf vier und<br />
mehr Seiten zu veröffentlichen.<br />
Zunächst war auch ich (positiv) erschrocken,<br />
als ich, nachdem der Bericht<br />
des Tom Wolter schon vorlag, von Peter<br />
Meyer einen dicken Umschlag mit einer<br />
liebevoll beschriebenen und reichlich<br />
bebilderten Reportage seiner bisher<br />
wohl größten sportlichen Herausforderung<br />
in den Händen hielt. Nein, beim<br />
besten Willen, das kann man nicht alles<br />
in UM bringen, war mein erster Gedan<br />
ke, denn nur so zum Spaß sendet man<br />
dem Pressewart ja in der Regel nichts<br />
zu. Wo also mit dem Kürzen beginnen?<br />
Beim Einstieg ging es schlecht, denn<br />
eine gewisse Hinführung zum eigentlichen<br />
Event, noch dazu gekoppelt mit einer<br />
Beschreibung des obligatorischen<br />
Kurses zum Selbstschutz aller <strong>Teil</strong>nehmer,<br />
musste sein. Der Mittelteil war viel<br />
zu spannend erzählt, um dort etwas<br />
wegzunehmen, und am Ende wiederum<br />
sollte den Lesern nicht vorenthalten bleiben,<br />
wie sich der 57-Jährige im Feld der<br />
deutlich Jüngeren denn nun geschlagen<br />
hat. Fazit: der gesamte Bericht ist lesenswert<br />
und wurde somit, aufgelockert<br />
durch drei gemeinsam herausgesuchte<br />
Fotos, ungekürzt übernommen.<br />
Ähnlich verhielt es sich mit dem Rad<br />
Klassiker Paris-Brest-Paris, den Jörg<br />
Linder, übrigens erst kürzlich der DUV<br />
beigetreten, in seinem ihm eigenen Stil<br />
auf immerhin sieben (!) Druckseiten<br />
kommentiert hat. Inspiriert wurde er dazu<br />
übrigens von Stefan Schlett, der in<br />
der letzten Ausgabe von UM den Stein<br />
durch seinen Report vom Schweizer<br />
Radmarathon quasi ins Rollen gebracht<br />
hat. Befürchtungen, dass sich UM nun<br />
vielleicht zu einem verkappten Radsport-Magazin<br />
wandeln könne, möchte<br />
ich hiermit jedoch energisch entgegentreten.<br />
Beim Schwerpunktthema haben wir uns<br />
diesmal, natürlich auch auf Grund des<br />
Angebotes der Beiträge, auf die mehr<br />
oder weniger sportgerechte Ernährung<br />
konzentriert. Das ist ein weites Feld und<br />
man könnte, rege Meinungsäußerungen<br />
der Leserschaft vorausgesetzt, damit sicher<br />
noch die eine oder andere Fortsetzung<br />
bringen. Die Auswahl der privaten<br />
Meinungen (liona Schlegel, Wolfgang<br />
Olbrich-Beilig, Bernd Seitz und Stefan<br />
Weigelt) sind keineswegs repräsentativ,<br />
aber auf die Schnelle war an weitere aktive<br />
Läufer und Läuferinnen schlecht<br />
heranzukommen. Doch es gibt sicher<br />
zahlreiche Aktive, die - im Gegensatz<br />
zu den drei genannten Autoren - aus ihren<br />
Essgewohnheiten eine wahre Wissenschaft<br />
machen - und dennoch mit ihren<br />
sportlichen Leistungen nicht zufrieden<br />
sind.<br />
Und auch das Thema "Haferschleim"<br />
(siehe gleiche Rubrik in UM 3/2004)<br />
konnte nun einem guten Ende zugeführt<br />
werden. Wenngleich meine Recherchen<br />
zur Rezeptur schon in einer anderen<br />
Fachzeitschrift nachzulesen waren,<br />
möchte ich sie nun ebenso den Lesern<br />
von UM und insbesondere dem Urheber<br />
der'Frage nicht vorenthalten. Denn der<br />
nächste (lange) Wettkampf kommt bestimmt.<br />
In dieser Ausgabe wird man seit langem<br />
auf den Bericht eines Stamm-Autoren<br />
verzichten müssen: Werner Sonntags<br />
Bücherfundgrube ist diesmal (offensichtlich<br />
mangels literarischen Angeboten?)<br />
nicht vertreten. Doch dabei hätte ich um<br />
ein Haar fast selbst eine Kritik verfasst <br />
die von Stephane Frankes neuestem<br />
Laufbuch nämlich. Wer Stephane nicht<br />
(mehr) kennen sollte - er war in der Ära<br />
eines Dieter Baumann ein recht erfolgreicher<br />
Langstreckler und Marathonläufer<br />
mit Bestzeiten von 27:48,88 bzw.<br />
2: 11 :25. Und solch eine Person hat seiner<br />
Nachwelt ja natürlich allerhand zu<br />
sa-gen. Deshalb ging ich anlässlich der<br />
Leipziger Buchmesse auch mit Spannung<br />
und Vorfreude zur angekündigten<br />
Lesung und Besprechung, um vom<br />
Meister höchstpersönlich in sein Werk<br />
eingeführt zu werden. Da störten mich<br />
selbst die recht bescheiden wirkenden<br />
20 erschienenen Zuhörer wenig, denn<br />
die Enttäuschung bot dann ·der Autor<br />
selbst. Nahm man seine verzweifelten<br />
Versuche, Laptop und Beamer in Gang<br />
zu bringen, noch geduldig hin, schieden<br />
sich die Geister dann beim Inhalt. Denn<br />
kurzerhand disponierte der Meister um<br />
und präsentierte dem staunenden Publikum<br />
stattdessen einen mehr oder minder<br />
gut gelungenen Vortrag zur Trainingsmethodik.<br />
Da habe ich mir aus<br />
Protest dann den Kauf seines Buches<br />
glatt verkniffen, und so muss der geneigte<br />
Leser nun - siehe oben - diesmal<br />
gänzlich ohne kritische Worte zur aktuellen<br />
Literaturszene auskommen. _
Darum geht es!<br />
Von DUV-Präsident Volkmar Mühl<br />
Liebe DUV-Mitglieder, liebe Freunde des Ultramarathonlaufs,<br />
die DUV wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Eiri passender<br />
Anlass, einmal zu überlegen, ob und inwieweit die Ziele bei<br />
der Gründung am 29.12.2005 als erreicht betrachtet werden<br />
können und was aus den Vorstellungen Mitte der achtziger<br />
Jahre geworden ist.<br />
Welche bestimmenden Überlegungen haben die Gründungsväter<br />
seinerzeit in Rodenbach zusammengeführt?<br />
Der Straßenlauf hatte begonnen, sich in der offiziellen Leichtathletik zu etablieren. Die Marathonläufe<br />
- auch in Deutschland - begannen zu boomen. Im Sog dieser Entwicklung waren zahlreiche<br />
Läuferinnen und Läufer der längeren Strecken bereit, sich neue Ziele zu setzen - und hierfür drängte<br />
sich der Ultramarathonlauf geradezu auf. Ultramarathonsport war damals fÜr die Meisten der 100-km<br />
Lauf, und auf diesem Sektor hatte sich im benachbarten europäischen Ausland gerade einiges getan.<br />
So hatte es in Frankreich, Österreich, Belgien und Italien be'reits 1983 die ersten nationalen 100-km<br />
Meisterschaften gegeben, ein weiterer Impuls ergab sich durch die Gründung der lAU (International<br />
Association of Ultrarunners) im Sommer 1984.<br />
Wie sah es in Deutschland aus? Bereits im Jahr 1969, genauer am 25.0ktober, war der erste 100-km<br />
Lauf als Volkslauf in Unna ausgetragen worden. 450 <strong>Teil</strong>nehmer hatten sich zu dieser Premierenveranstaltung<br />
eingefunden - heute träumen Veranstalter von 100-km-Meisterschaften in Deutschland von<br />
derartigen <strong>Teil</strong>nehmerfeldern. Die Sieger hießen übrigens Helmut Urbach (8:59:10 h) sowie Eva-Maria<br />
Westphal (13:19:40), "beide sollten diese Veranstaltung auch in den darauf folgenden Jahren beherrschen.<br />
Also setzten sich die DUV-Gründer um den ersten DUV-Vorsitzenden Karl Lennartz, den ersten DUV<br />
Sportwart Harry Arndt sowie Statistiker Heinz Klatt das Ziel, offensiv beim DLV für die Einführung einer<br />
Deutschen Meisterschaft über die 100-km-Distanz einzutreten. Bemerkenswert, wie schnell dieses<br />
Unterfangen von Erfolg gekrönt war - bereits im 1987er Jahrgang von ULTRAMARATHON (damals<br />
noch im Format DIN A 5!) konnte Karl Lennartz im Vorwort stolz verkünden:<br />
"Liebe Ultraläufer! Wir haben es geschafft! Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat auf seinem 33.<br />
Verbandstag am 28.129. März 1987 in Bad Mergentheim beschlossen, die Deutsche Meisterschaft<br />
über 100 Kilometer (Männer, Frauen, Mannschaften) einzuführen. Unsere Organisation hat damit ihr<br />
erstes und Hauptziel erreicht. .. "<br />
Dieser schnelle Erfolg war in wesentlichen <strong>Teil</strong>en auf die Aktivitäten und Bemühungen des damaligen<br />
Sportwarts, späteren Vorsitzenden/Präsidenten und heutigen Ehrenpräsidenten Harry Arndt zurückzuführen,<br />
der auch in den folgenden Jahren die Entwicklung auf dem nationalen und internationalen<br />
Sektor maßgeblich mit beeinflussen sollte und heute noch in der lAU als Wettkampfsportwart tätig ist.<br />
Im Jahre 1989 kam die Einführung einer DUV-Meisterschaft im 24-h-Lauf mit der Premiere in Mörlenbach<br />
hinzu, Bahnmeisterschaften über zunächst 100 km, später auch 50 km wurden ins DUV-Programm<br />
aufgenommen. In den neunzigerjahren begannen sich die kürzeren Zeitläufe über 6- bzw. 12<br />
Stunden zu etablieren, 1995 wurde die erste DUV-50-km-Meisterschaft in Rodenbach veranstaltet.<br />
Die DUV hatte zu Beginn entscheidenden Anteil daran, dass der DLV zunächst im 100-km-Lauf (bereits<br />
1989), später auch im 24-h-Lauf (ab 1992) Nationalmannschaften zu internationalen Meisterschaften<br />
entsandte. .<br />
Auch wenn aus heutiger Sicht nicht alle Ergebnisse der vielfältigen Aktivitäten der DUV dauerhaft Bestand<br />
haben konnten - wir haben in der Entwicklung unseres Sports sehr viel erreicht und werden<br />
auch weiter "am Ball bleiben". Denn nach wie vor gibt es im Ultralauf eine Menge für uns zu tun.<br />
7
Aus der Geschäftsstelle<br />
Liebe DUV-Mitglieder,<br />
liebe Freunde des Ultralanglaufs,<br />
Anfang April 2005<br />
wie bereits im Vorjahr hat auch dieses Jahr der Einzug der Mitgliedsbeiträge nicht zum gewünschten<br />
vollen Erfolg geführt. So ist für 65 Mitglieder der Bankeinzug fehlgeschlagen,<br />
weil entweder die Bankleitzahl oder das Konto nicht mehr stimmten, das Konto inzwischen<br />
aufgelöst war oder sonstige Gründe (z.B. nicht ausreichend Deckung auf dem Konto o.ä.) auftraten.<br />
Nicht nur, dass dadurch für die Geschäftsführung erheblich mehr Arbeit (Zurückbuchung<br />
des Beitrags, Fertigung von Mahnungen), sondern für die DUV auch erhebliche Kosten<br />
(jede nicht eingelöste Banklastschrift wird mit Kosten von 4 € in Rechnung gestellt; das Porto<br />
für die Mahnungen beträgt auch noch einmal 0,55 €) entstehen.<br />
Ich bitte euch daher, in Zukunft darauf zu achten, dass sowohl eure Kontonummer als auch<br />
die Bankleitzahl auf de'm neuesten Stand sind (insbesondere wenn durch Bankenfusionen<br />
neue Banken entstehen).<br />
Und nun möchte ich noch alle Selbstzahler, die bisher ihren bis zum<br />
31.03.05<br />
fälligen Beitrag noch nicht überwiesen oder als Bargeld geschickt haben, bitten, dies spätestens<br />
unmittelbar nach Erhalt dieses Heftes zu erledigen. Bitte vermeidet auch hier unnötige<br />
Arbeit (Überwachung, Mahnung) und Kosten!<br />
Auf Grund von Anfragen möchte ich darauf hinweisen, dass unser Beitrag für das KALEN<br />
DERJAHR erhoben und nicht anteilig abgebucht oder erstattet wird; dafür ist aber auch keine<br />
Aufnahmegebühr zu entrichten.<br />
Als Neumitglieder möchten wir folgende Läuferinnen und Läufer ganz herzlich begrüßen:<br />
.Jochen Kümpel Dirk Bohne Axel Rymarcewicz<br />
Peter Wagner Thomas Illing Alexander Henneberg<br />
Frank Berka Werner Ehret Peter Schär<br />
Heinz Behrmann Gernot Hauke Hans-Jürgen Schlotter<br />
Dieter Stemme Dörte Schwalbe Florian Reus<br />
Hans-Joachim Westphal Thomas Hess Helmut Kimmerle<br />
Elke Streicher Bärbel Krapp Mathias Reichardt<br />
Johannes Schulz Marianne Albert Klaus Dieter Hellweg<br />
Heiner Wettinger Andreas Butz Michael Vanicek<br />
Daniela Ahrberg Erhan Göktan Heinz Eisenbletter<br />
Martina Görz Heinz Hürth Uwe Tünnermann<br />
8<br />
DUV-Geschäftsjiihrung: Jürgen Liebert, 1m Fuhlenbrock 102, D 46242 Bottrop<br />
Tel. 02041152230, Fax 020411706888<br />
E-Mail huj.liebert@t-online.deund)liebert@gelsennet.de<br />
Vereinskonto: Volksbank Gießen Friedberg, BLZ 51390000, Konto Nr. 0085817400<br />
BIe GENODE51GIl, 1BAN DE 34513900000085817400
09.04.05<br />
DUV-Meisterschaften<br />
im 50 km-Lauf in Marburg<br />
Volkmar Mühl<br />
Der Ultra-Sport-Club Marburg mit Klaus<br />
Hoffmann an der Spitze des Organisationsteams<br />
richtet schon traditionell seit<br />
1993 einen 60-km-Ultramarathon "Rund<br />
um das Landschulheim" etwas außerhalb<br />
von Marburg, einem Mittelzentrum<br />
im Herzen von Hessen gelegen, aus.<br />
Aus Anlass der Austragung von Deutschen<br />
Meisterschaften wird die Strecke<br />
auf 50 km verkürzt, dies war in diesem<br />
Jahr nach 1996 und 2001 bereits zum<br />
dritten Mal der Fall. Gelaufen wird auf<br />
einer weitestgehend flachen asphaltierten<br />
10-km-Runde mit<br />
Start und Ziel am Landschulheim,<br />
die grundsätzlich schnelle Zeiten<br />
zulässt, aber leider in <strong>Teil</strong>bereichen<br />
recht windanfällig ist.<br />
Und mit diesem Problem hatten<br />
die Athletinnen und Athleten diesmal<br />
besonders zu kämpfen. Zum<br />
Start um 10.00 Uhr bei Temperaturen<br />
um 6° C hatten sich 115<br />
DM-Starter sowie 20 <strong>Teil</strong>nehmer<br />
am offenen Lauf eingefunden und<br />
machten sich gemeinsam mit den<br />
Marathon- und Halbmarathonläufern<br />
auf den interessanten und<br />
abwechslungsreich{m Kurs.<br />
Bei den Männern war das seltene<br />
Phänomen zu beobachten, dass<br />
alle vier amtierenden Deutschen<br />
Meister an der Startlinie standen:<br />
Michael Sommer, 100-km-Meister von<br />
Kienbaum 2004, Jens Lukas, 24-h-Meister<br />
von Hamburg 2004, Rainer Koch als<br />
Sieger der DM im Cross- und Landschaftslauf<br />
bei der Harzquerung 2004<br />
und - last but not least - Jochen Kümpel,<br />
der sich als 50-km-Meister der letzten<br />
beiden Jahre nicht nur die Verteidigung<br />
seines Titels, sondern damit auch<br />
einen Hattrick als Ziel gesetzt hatte. Im<br />
Frauenbereich war die etablierte nationale<br />
Elite nicht am Start. So traute man<br />
Ulrike Steeger, einer starken 100-km<br />
Läuferin früherer Jahre, sowie Elke Melzer<br />
nach ihrer guten Leistung beim 6-h<br />
Lauf in Troisdorf im November vergangenen<br />
Jahres zu, in der Frauenwertung<br />
ganz vorne mitzumischen.<br />
Jochen Kümpel zeigte schon mit Beendigung<br />
der ersten Runde, dass ihm die<br />
Titelverteidigung ein ernstes Anliegen<br />
war. Ca. 36:30 Minuten zeigte die Uhr<br />
an, eine Klassezeit angesichts der<br />
Vier amtierende Ultrameister am Start<br />
Windböen auf der Strecke. Michael<br />
Sommer und Michael Becker folgten<br />
gleichauf ca. 40 Sekunden dahinter.<br />
An diesem Abstand sollte sich bis km 40<br />
nichts ändern. In der letzten Runde allerdings<br />
übernahm Michael Sommer die<br />
Initiative. Bemerkenswert, wie der Routinier<br />
am Ende mit 3:08:40 h noch fast<br />
eine Minute Vorsprung auf den Zweitplatzierten,<br />
Jochen Kümpel (3:09:37 h),<br />
herauslief. Der konnte sich allerdings<br />
damit trösten, unter diesen schwierigen<br />
Bedingungen eine neue persönliche<br />
Bestzeit erzielt zu haben. Nach eigenem<br />
Bekunden machte diese hervorragende<br />
Leistung den Titelverlust mehr als wett.<br />
Dritter wurde Michael Becker in einer<br />
ebenfalls ausgezeichneten persönlichen<br />
Bestzeit von 3:10:50 h.<br />
Michael Becker, Jochen Kümpel, Michael Sommer und<br />
DUV-Präsident Volkmar Mühl (v. r. n. 1.)<br />
Der Läufer von der LG Leipzig-Grünau<br />
machte im letzten Jahr beim Leipziger<br />
100-km-Lauf erstmals mit einer 100-km<br />
Zeit unter 7:20 h auf sich aufmerksam<br />
und empfahl sich damit für das diesjährige<br />
100-km-Nationalteam. Mit der Marburger<br />
Leistung hat er diese Empfehlung<br />
nachhaltig untermauert und wird <br />
vorbehaltlich der abschließenden Nominierung<br />
durch den DLV - beim 100-km<br />
World Cup in Lake Saroma/Japan am<br />
26.06.2005 im Nationalteam an den<br />
Start gehen.<br />
Einer seiner Mannschaftskameraden<br />
wird Michael Sommer sein. Der<br />
Schwaikheimer hat aktuell mit der intensiven<br />
Vorbereitung auf die WM begonnen,<br />
die aller Voraussicht nach für ihn<br />
der letzte Einsatz im DLV-Nationalteam<br />
sein wird. Für den August hat er sich<br />
dann noch einmal die Deutsche Meisterschaft<br />
über 100 km als Ziel gesetzt <br />
wenn es bis dahin gut läuft.<br />
Sehr interessante Einblicke in seine Philosophie<br />
vom Laufen gab Michael Sommer,<br />
der seine internationale Karriere<br />
beim 100-km-WC in Japan 1994 begonnen<br />
hat, im Rahmen der Siegerehrung.<br />
Dabei hob er besonders die Bedeutung<br />
einer ausreichenden und konsequenten<br />
Regeneration hervor.<br />
Bei den Frauen blieb Verena Walter als<br />
einzige mit 3:59:26 h unter der begehrten<br />
4-Stunden-Marke, gefolgt von Antje<br />
Krause mit 4:03: 11 hund Ulrike Steeger<br />
in 4:04:25 h.<br />
Bemerkenswert ist, dass die neue DUV<br />
Meisterin gerade 23 Jahre alt ist und bereits<br />
im zweiten Ultramarathonlauf eine<br />
solch gute Leistung erzielte.<br />
Für Vizemeisterin Antje Krause, Lokalmatadorin<br />
vom TSV<br />
06 Cappel, war es<br />
der erste Ultralauf<br />
überhaupt. Bis km 30<br />
noch vor Verena Walter<br />
gelegen, musste<br />
sie ab diesem Zeitpunkt<br />
die spätere<br />
Siegerin ziehen lassen.<br />
Auch sie kann<br />
mit 32 Jahren noch<br />
zum Nachwuchs auf<br />
den langen Distanzen<br />
gerechnet werden.<br />
Auf die weitere Leistungsentwicklungdieser<br />
Läuferinnen darf<br />
man jedenfalls gespannt<br />
sein!<br />
Starke Leistungen<br />
wurden auch in den<br />
Altersklassen geboten,<br />
insbesondere in der M60 mit Sieger<br />
Gerhard Timmermann in 3:52:48 sowie<br />
in der M65, die Armand Nerger mit<br />
4:01 :50 h gewann. In der Mannschaftswertung<br />
der Frauen siegte der TSV Berkersheim<br />
in der Besetzung Gabriele<br />
Ehls, Petra Piel und Beate Listmann in<br />
13:37:16 h, bei den Männern war die<br />
DJK Schwäbisch Gmünd mit Ralf Knodei,<br />
Ralf Gross und Harry Olf Schaal in<br />
10:57:17 h erfolgreich.<br />
Angesichts der guten Leistungen der<br />
Athletinnen und Athleten fällt es leicht,<br />
ein positives Fazit dieser Meisterschaft<br />
zu ziehen.<br />
Die einzelnen Ergebnisse finden sich<br />
auf der Website des USC Marburg unter<br />
www.ultra-marburg.de. -<br />
Foto: Tinschert<br />
9
Das erste Radrennen durch die größte zusammenhängende Sandwüste der Welt<br />
06./07.11.04<br />
,,1. Race across Taklamakan"<br />
über 523 km per Rad<br />
Stefan Schlett<br />
Der Sonnenball kriecht hinter den riesigen<br />
Sandmassen empor, steigt bedächtig<br />
höher und bringt langsam wieder Leben<br />
in unsere steif gefrorenen Glieder.<br />
Der Start im ersten Tageslicht, bei Temperaturen<br />
um den Gefrierpunkt, war wie<br />
eine Fahrt in den Tiefkühlschrank. Nun<br />
entfacht die erotische Ästhetik, welche<br />
Millionen von Sanddünen ausstrahlen,<br />
nahezu ein Feuer in unseren Herzen.<br />
Das schwarze Asphaltband, welches<br />
sich wie ein Rettungsanker durch die<br />
monumentale Dünenlandschaft zieht,<br />
und der stahlblaue, wolkenlose Himmel<br />
setzen Reize, denen sich der<br />
moderne Abenteurer kaum<br />
entziehen kann. Der zweite<br />
<strong>Teil</strong> des Radrennens durch<br />
die Taklamakan-Wüste beginnt<br />
für die 10 <strong>Teil</strong>nehmer<br />
verheißungsvoll.<br />
Die Taklamakan ist die rauheste,<br />
lebensfeindlichste und<br />
am wenigsten erforschte<br />
Sandwüste der Welt. Mit ihrer<br />
Fläche von 338.000<br />
Quadratkilometern wird sie<br />
einzig von der Rub-al-Khali<br />
Arabiens übertroffen: Die im<br />
Durchschnitt 1.300 m hoch<br />
gelegene Wüste erstreckt<br />
sich über 1.200 km von West<br />
nach Ost und 550 km von<br />
Nord nach Süd - ein Sandkasten,<br />
so groß wie ganz<br />
Deutschland! Der lebensfeindliche<br />
Charakter der Taklamakan<br />
äußert sich auch in ihrem Namen, der<br />
übersetzt lautet: "Wer sie betritt, wird sie<br />
nicht wieder verlassen". Denn viele Karawanen<br />
mit kostbarer Seide wurden in<br />
früheren Jahrhunderten vom berüchtigten<br />
"Kara Buran", den schwarzen Orkanen,<br />
ausgelöscht. Sie liegt in der Autonomen<br />
Uigurischen Region Xinjiang, der<br />
größten chinesischen Provinz, die auch<br />
als Chinesisch-Turkestan bekannt ist, im<br />
äußersten Westen Chinas. Eingebettet<br />
von Pamir und Hindukusch im Westen,<br />
Kunlun Shan im Süden, Bei Shan und<br />
Nan Shan im Osten und dem Tian Shan<br />
(Himmelsgebirge) im Norden ist das Tarim<br />
Becken, in dem die Taklamakan<br />
liegt, auf allen Seiten von 4.000 bis<br />
7.000 m hohen Gebirgszügen umgeben<br />
und von den regenträchtigen Winden<br />
völlig abgeschirmt. Die Folge ist ein ex<br />
10<br />
trem kontinentales, arides Klima mit wenig<br />
Niederschlägen und großen Tempe<br />
Taturschwankungen, die im Juli 50° C im<br />
Schatten erreichen und im Winter auf<br />
minus 30° C sinken. Da im Frühjahr äußerst<br />
heftige, tagelange Sandstürme<br />
über die Wüste fegen, deren Dünen bis<br />
zu 300 m hoch werden, bietet einzig der<br />
Spätherbst ein Zeitfenster für Expeditionen<br />
bzw. extremsportliche Aktivitäten.<br />
Diese riesige, eiförmige, leere, gelbe<br />
Ausdehnung mit ihrer erhabenen Einsamkeit<br />
inmitten Zentralasiens beflügelte<br />
von jeher die Fantasien von Entdeckern<br />
und Abenteurern. Allen voran<br />
Sven Hedin und Sir Aurel Stein, die gegen<br />
Ende des 19. Jahrhunderts mehrere<br />
Forschungsreisen unternahmen. In der<br />
Neuzeit war das Betreten der Wüste<br />
wegen der Atomversuche (am Lop-Nur<br />
Salzsee zündeten die Chinesen 1956 ihre<br />
erste Atombombe) jahrelang verboten.<br />
In den 90er Jahren geriet die Tak-<br />
Einer der zehn <strong>Teil</strong>nehmer war der Kieler Karl-Heinz Jost<br />
lamakan erstmals in die Aufmerksamkeit<br />
der breiten Weltöffentlichkeit, nachdem<br />
große Erdölreserven unter dem Sandmeer<br />
entdeckt wurden. Die Taklamakan<br />
galt plötzlich als Chinas Naher Osten<br />
und Hoffnungsträger für den gigantischen<br />
Energiebedarf im Reich der Mitte.<br />
Um das schwarze Gold zu erschließen<br />
und den immer größeren Hunger der rasant<br />
wachsenden chinesischen Wirtschaft<br />
zu stillen, wurde der 523 km lange<br />
Desert Highway quer durch die ungeheuren<br />
Sandmassen der Taklamakan<br />
gebaut. Das Mammutprojekt war eine<br />
technische Herausforderung für die Ingenieure<br />
und verschlang pro Kilometer<br />
Asphalt 10 Millionen Euro. In drei Jahren<br />
Bauzeit war die teuerste Straße der Welt<br />
fertiggestellt. 6 Milliarden Euro ließ sich<br />
das aufstrebende und vom Wirtschaftsboom<br />
verwöhnte China dieses Projekt<br />
kosten. Die Strecke von Luntai nach<br />
Minfeng verband somit die nördliche mit<br />
der südlichen Seidenstraße - jenen alten<br />
Handelsweg, der seit dem 3. Jahrhundert<br />
nicht nur den Warenfluss, sondern<br />
auch den philosophischen, technischen<br />
und religiösen Austausch zwischen dem<br />
Orient und dem Okzident sicherstellte.<br />
Beide führen um die Wüste Taklamakan<br />
herum und treffen in Kashgar, uralte<br />
Handelsstadt im dunklen Herzen Asiens<br />
und westlichste Stadt Chinas, wieder zusammen.<br />
Vorspiel<br />
Als Wolfgang Kulow und Stefan Schlett<br />
unter reger Anteilnahme der einheimischen<br />
Bevölkerung und der Medien im<br />
September 2003 die erste läuferische<br />
Durchquerung der Taklamakan gelang,<br />
kam erstmals die Idee auf, die in erstklassigem<br />
Zustand befindliche, 523 km<br />
lange Wüstenstraße mit dem Rennrad<br />
zu durchqueren. Dank Wolfgang's Initiative<br />
und dem professionellen<br />
Engagement von<br />
China Tours in Hamburg<br />
war es schon 14 Monate<br />
später soweit. Die bürokratische<br />
Ausdauer der<br />
beteiligten Extremsportier<br />
wurde bereits im Vorfeld<br />
auf die Probe gestellt.<br />
Zwei russische Visa, chinesisches<br />
Gruppenvisum,<br />
spezielle Auslandskrankenversicherung<br />
für Russland,<br />
schriftliche Deklaration<br />
des Fahrrads für den<br />
chinesischen Zoll, waren<br />
der Wüstendurchquerung<br />
erster Akt. Bei China<br />
Tours in Hamburg.<br />
wurde derweil ständig<br />
kontrolliert, ob alle notwendigen<br />
Angaben vorhanden<br />
waren. Außerdem musste den<br />
Partnern vor Ort vermittelt werden, was<br />
die Extremsportier eigentlich wollten und<br />
vor allem, was diese an Betreuung benötigen<br />
würden. Extremsport ist 'oftmals<br />
auch mit extremen Reiseaktivitäten verbunden:<br />
nach Flügen von Hamburg und<br />
Frankfurt trafen sich die zehn <strong>Teil</strong>nehmer<br />
am ,,1. Race Across Taklamakan" in<br />
Moskau Scheremetjewo. Dort Weiterflug<br />
mit China Southern Airlines nach Urumqi,<br />
Haupt- und Millionenstadt der Riesenprovinz<br />
Xinjiang. Noch am gleichen<br />
Tag ging es mit dem Nachtzug 700 km<br />
Richtung Süden nach Luntai, einer<br />
Kleinstadt an der nördlichen Seidenstraße.<br />
Stimulation<br />
Nachdem alle Beteiligten sowie Gepäck<br />
und Räder komplett und ohne Beschädigung<br />
am Ausgangspunkt angekom
men und die Rennboliden wieder zusammen<br />
gebaut waren, stieg die Spannung<br />
auf das bevorstehende Abenteuer.<br />
Die fantastische Landschaft sowie die<br />
ersten Eindrücke der fremdartigen Kultur<br />
und Lebensweise stimulierten zusätzlich.<br />
Zunächst jedoch gab es nach je einer<br />
Nacht im Flieger und im Zug noch<br />
einmal ein bequemes Hotelbett. Bei<br />
knackigen 1,5 0<br />
Celsius versammelten<br />
wir uns dick vermummt im ersten Tageslicht<br />
an dem Straßenbogen, der den Beginn<br />
der Wüstenstraße und somit den<br />
Start des Rennens markierte. 295 km<br />
grandiose Wüstenlandschaft waren auf<br />
der 1. Etappe zu bewältigen. Da aufgrund<br />
der fortgeschrittenen Jahreszeit<br />
(Spätherbst) nur 11 Stunden Tageslicht<br />
zur Verfügung standen, musste jeder<br />
Fahrer sein Rennrad mit Beleuchtungssystemen<br />
ausrüsten. Vier Fahrzeuge<br />
und ein halbes Dutzend chinesische<br />
Helfer von China Tours stellten die Vers<strong>org</strong>ung<br />
auf der Strecke sicher.<br />
Wüsten<strong>org</strong>asmus<br />
Noch in der Kälte des M<strong>org</strong>ens passierten<br />
wir riesige Baumwollfelder, mit denen<br />
der Nordrand der Wüste kultiviert<br />
wird. Mit der Wärme der Sonne ging<br />
diese Landschaft in flache Dünenpassagen<br />
über, die immer größer wurden.<br />
Nach knapp 100 km waren wir von monumentalen<br />
Sanddünen umgeben, die<br />
sich unendlich bis zum Horizont erstreckten.<br />
Stimmung, Atmosphäre,<br />
Licht- und Farbkontraste vor dieser<br />
grandiosen Kulisse waren ein einziger<br />
Sinnesrausch! Der Zauber der Wüste<br />
und die Symphonie des Sandes bestimmten<br />
in diesen Momenten unser<br />
Seelenleben - Biker's high! Der Verkehr<br />
auf der Trasse, die sich in ständigem<br />
Auf und Ab über die Sandberge zieht, ist<br />
gering. Wasserbohrstellen und vereinzelte<br />
Wüstencamps, die von Arbeitern,<br />
Ingenieuren und Geologen bewohnt<br />
wurden, sind die einzigen Anzeichen<br />
von Leben in der Einsamkeit der Wüste.<br />
Zwischen 11:46 und 15:26 Stunden erreichten<br />
alle 10 <strong>Teil</strong>nehmer die Siedlung<br />
Tazhong Siyoutian, ein gottverlassenes<br />
Nest im Herzen .der Taklamakan. Nach<br />
einem klassischen chinesischen Dinner<br />
am runden Tisch und einigen wenigen<br />
Stunden Schlaf wurde die Traumreise<br />
durch den größten Sandkasten der Welt<br />
fortgesetzt. 228 km lang befanden sich<br />
Seele, Geist und Körper im Ausnahmezustand.<br />
Wer einmal die Wüste mit allen<br />
Sinnen gerochen, geschmeckt, gefühlt,<br />
gesehen und gehört hat, will diese Landschaft<br />
immer wieder erleben! Als am<br />
späten Nachmittag die schneebedeckten<br />
6.000er des Kunlun-Shan-Gebirges<br />
am Horizont auftauchten, wussten wir,<br />
dass der Südrand der Taklamakan bald<br />
erreicht war. Schilf, vereinzelte Bäume<br />
und Sträucher, Kühe und Eselgespanne<br />
kündeten von der Nähe der südlichen<br />
Seidenstraße, in die der Desert Highway<br />
mündet. Diesmal erreichten fast alle<br />
<strong>Teil</strong>nehmer das Ziel noch im letzten Tageslicht<br />
und wurden sogleich nach Minfeng<br />
transportiert, einer alten Oasenstadt<br />
an der südlichen Seidenstraße.<br />
Nachspiel<br />
Vor dem 600 km langen Rücktransport<br />
nach Luntai <strong>org</strong>anisierte die Mannschaft<br />
von China Tours am nächsten M<strong>org</strong>en<br />
eine stilvolle Siegerehrung an dem<br />
Straßenbogen, der das Ende des Desert<br />
Highways markiert. Der erste Platz ging<br />
an Uwe Krohne in 21 :51 Std., Zweiter<br />
wurde Joachim Rintsch in 22:35 Std.<br />
Bemerkenswert der 3. Platz unseres 74<br />
Jahre jungen Oldies Friedhelm Lixenfeld,<br />
in einer Gesamtzeit von 23:53 Std.<br />
Alle Finisher erhielten eine Urkunde und<br />
ein Erinnerungsgeschenk. Noch in der<br />
gleichen Nacht ging es mit dem Zug zurück<br />
nach Urumqi, wo mittlerweile eine<br />
Temperatur von -10 0<br />
Celsius herrschte<br />
und es Schnee gegeben hatte. Trotz der<br />
widrigen Bedingungen erwartete uns vor<br />
dem Bahnhof ein Empfangskomitee. Ein<br />
halbes Dutzend Pressevertreter der lokalen<br />
TV- und Printmedien waren neugierig<br />
auf die Taklamakan-Radpioniere.<br />
Und ein Dutzend attraktive Chinesinnen<br />
überreichten uns Blumensträuße und<br />
Küsschen. Da waren Muskelkater und<br />
wund gefahrene Hintern schnell vergessen<br />
...<br />
Ein Galadinner war dann der abschließende<br />
Höhepunkt. des Tages. Am<br />
nächsten Tag ging es via Moskau wieder<br />
zurück· nach Deutschland. Den Geschmack<br />
der Wüste trugen wir alle in<br />
uns.<br />
Die Taklamakan macht süchtig - ich<br />
komme wieder!<br />
Infos<br />
China Tours in Hamburg will im Jahre<br />
2005 voraussichtlich je ein Rennen zU<br />
Fuß und auf dem Rennrad durch die<br />
Taklamakan <strong>org</strong>anisieren. Der Chinaspezialist<br />
hat dafür extra einen Mitarbeiter<br />
eingestellt, der sich um solche Spezialreisen<br />
kümmert.<br />
<strong>Teil</strong>nehmer<br />
Friedhelm Lixenfeld, Uwe Krohne, Joachim<br />
Rintsch, Karl Heinz Jost, Peter Becker,<br />
Holger Doose, Stefan Schlett,<br />
Wolfgang Mund, Wolfgang Kulow und<br />
Hermann Karle<br />
Kontaktadresse:<br />
China Tours Hamburg GmbH<br />
Rehkoppel7<br />
22119 Hamburg<br />
Tel.: 040-81 97380<br />
Fax: 040-81 973888<br />
Email: info@china-tours.de<br />
Website: www.china-tours.de <br />
**********************************************<br />
Am 11.01.05 erhielt der Pressewart vom<br />
Weltenbummler eine Kurzmail mit folgendem<br />
Inhalt: "Der Schlett versucht<br />
seinen 4. Kontinent mit eigener Muskelkraft<br />
zu durchqueren. Vom 15.01.<br />
14.05.05 geht es per Mountain Bike von<br />
Kairo nach Kapstadt, über 11.500 km in<br />
100 Tagesetappen durch 10 afrikanische<br />
Länder. Mehr Infos gibfs unter:<br />
www.tourdafrique.com ..<br />
Dort also gleich mal nachgeschaut, und<br />
da konnte man folgendes lesen:<br />
On January 15th, 2005, in the gentle<br />
mist of the African dawn, a group of intrepid<br />
and strong-willed men and women<br />
will begin a journey of both body and<br />
soul as they pedal towards a bold new<br />
frontier of cycling adventure. Welcome<br />
to the third annual Tour d'Afrique, an<br />
11.500 kilometer bicycle expedition<br />
across the world's most exotic and alluring<br />
continent. The Cairo to Cape Town<br />
. route will challenge you physically and<br />
mentally Iike no other - and reward you<br />
as you have never been rewarded before,<br />
with scenes of unsurpassed splendor<br />
and an incomparable feeling· of accomplishment.<br />
The mandate is threefold:<br />
first, to create an athletic event for<br />
both amateurs and professionals; second,<br />
to foster international goodwill; and<br />
third, raise funds to promote bikes in Africa<br />
through our foundation.<br />
TRAVELS AND TRIBULATIONS<br />
Riders will start each day at sunrise for a<br />
day of teeth-gritting physical and mental<br />
challenge. Expedition riders will cycle at<br />
their own pace, testing themselves<br />
against the rugged terrain and the most<br />
extreme elements. You will travel<br />
through 10 countries in all, cycling past<br />
ancient temples, through game reserves<br />
teeming with wildlife, across the foothilIs<br />
of legendary Mount Kilimanjaro, alongside<br />
the rugged and biblical landscape of<br />
Ethiopia's Simians Mountains, and the<br />
edge of Botswana's magnificent Kalahari.<br />
FACTS AND FIGURES<br />
.The program features 100 cycling days,<br />
averaging 115 km each, broken up by<br />
20 rest days and sightseeing. Support<br />
trucks will collect and pack equipment<br />
and travel ahead to set up camp. Individual<br />
entry fees are $8,000 U.S, which<br />
will cover your basic needs throughout<br />
the tour. Participants will be responsible<br />
for their own transportation to and from<br />
Africa. Those who complete the event<br />
will savor the triumph of conquering the<br />
longest and most difficult bike race in<br />
the history of sport. Commemorative<br />
festivities, special medals await victorious<br />
cyclists. We look forward to celebrating<br />
with you. -<br />
Ein Bericht folgt im nächsten Heft!<br />
11
Laufbahn. Kleine Wasserdampfwölkchen<br />
steigen auf. Dampfbad in der Wüste!<br />
Während ich mich akklimatisiere,<br />
mampfe ich leckere Frühstückspfannkuchen<br />
mit Schokolade. 22 Frischlinge im<br />
48 Stunden-Lauf bereichern die Bahn<br />
mit munterem Geschwätz. Allen voran<br />
saust der Japaner Aki Inoue. Dieser erstaunliche<br />
Bursche traf in der Nacht zuvor<br />
ein, joggte einige Runden auf der<br />
Piste und lief sich im M<strong>org</strong>engrauen<br />
schon mal warm! Nichtsdestotrotz oder<br />
deswegen (???) wird er sein Rennen mit<br />
304 km gewinnen.<br />
Nach ca. 30 Stunden im Rennen fühle<br />
auch ich mich gut eingelaufen. Es rollt!<br />
Automatisch spähe ich tiefer in meine<br />
kleine Welt um mich hinein. Runde um<br />
Runde entdecke ich neue Einzelheiten;<br />
sei es eine einzelne dicke Oleanderknospe<br />
im Gebüsch. Ich fühle dieses<br />
aufblühende Leben der Blume in mir<br />
und drifte meditativ ab. Die mystische<br />
Musik von "Aquaria" im Ohr tut ihr übriges.<br />
Zeitlos meine ich dahinzuschweben.<br />
Untermalt wird alles von lautem<br />
Geschlurfe, das mich dezent an den körnigen<br />
Boden der Tatsachen erinnert.<br />
Niemals vergesse ich, meine Runden<br />
per Druck auf die Uhr mitzuzählen und<br />
die benötigte Zeit zu kontrollieren. Ambivalentes<br />
Leben, Traum und Wirklichkeit,<br />
scheinbare Gegensätze vereinen<br />
sich im Inneren zu harmonischer Ganzheit.<br />
Ich fühle mich endlich widerspruchsfrei<br />
eingewoben in meinen Mikrokosmos<br />
auf Zeit. Jäh verflüchtigt sich<br />
die Traum-Seite meiner Welt. Irgendwas<br />
hat sich unterm Sonnenhut verfangen.<br />
Etwas sticht. Carlos Dias, der brasilianische<br />
Läufer, kommt von hinten und<br />
nimmt mich zur Seite. Ein aufmerksamer<br />
Blick, ein Griff unters Ohr, und schon hat<br />
er den Wespenstachel in der Hand. Andy<br />
schaut mich vom Verpflegungsstand<br />
wie ein Fragezeichen an. "Alles in Ordnung.<br />
Nur ein Wespenstich". Hundert<br />
Meter weiter werden Hände wie Füße<br />
dick und heiß. Verflixt...lch beschreibe<br />
Andy die "Wespe" genauer. "Ach, ein<br />
Yellow Jacket! Eine ganz gewöhnliche<br />
Wespenart hier." Gleich erhalte ich ein<br />
Gegengift, das sofort wirkt. Hier ist wirklich<br />
an alles gedacht. Phantastisch!<br />
Der zweite Abend mit einer neuen, womöglich<br />
noch leckereren Fuhre Tortillas<br />
naht. Mit dem vollen Magen kann ich<br />
mich kaum mehr rühren, und ich flüchte<br />
ins Zelt zur halbstündigen Umkleidepause.<br />
Insgesamt werde ich auf sieben<br />
solch entspannender Kurzpausen kommen.<br />
Mittlerweile achte ich schon auf die<br />
Platzierung. Mein zweiter Gesamtplatz<br />
scheint einzementiert; über 20 km ist<br />
Tony Celentano zurück. Aber irgendjemand<br />
wetzt hier zu nachtschlafender<br />
Zeit auf Treibjagd seine Runden ab!<br />
Haarsträubendes Tempo nach über 40<br />
Stunden! Schon seit längerer Zeit geht<br />
das so zu. Selbst John läuft dagegen in<br />
ruhigem Tempo. Wer könnte das sein?<br />
Ha! Tony! Es haute mich vom Hocker,<br />
hätte ich denn einen. Unauffällig erkundige<br />
ich mich genauer nach Tonys Vorleistungen.<br />
Marathonbestzeit 2: 19?!<br />
Sehr witzig. Zu nah darf ich ihn also<br />
nicht herankommen lassen. Gegen 2<br />
Uhr früh wirken seine Überrundungen<br />
endlich eine Spur müder. Beim Blick auf<br />
die Stundenprotokolle stoßen wir zusammen.<br />
Er schmunzelt neckisch. Bereits<br />
7 km Vorsprung habe ich eingebüßt!<br />
Ich beschließe, für eine Runde in<br />
seinem Schlepptau zu bleiben. Verblüfft<br />
schaut er zurück. Nach über 42 Stunden<br />
schaffe ich so mit 3:34 Minuten meine<br />
schnellste Runde des ganzen Rennens!<br />
Ich löse mich von ihm zur Erholung und<br />
erwarte ihn wieder zur nächsten Überrundung<br />
seinerseits. Jedoch der<br />
Schreck sitzt, und er legt sich schlafen.<br />
Zuletzt wird er seinen dritten Platz noch<br />
an Ulli, den Geher, abtreten müssen.<br />
Jedenfalls kann ich unbehelligt meinem<br />
Ultraschlappschritt frönen. Für meinen<br />
zweiten Lauftag kommen 115 km zusammen.<br />
Als ich von meiner m<strong>org</strong>endlichen Kurzpause<br />
aus dem Zelt auftauche, hat sich<br />
die Stimmung total gewandelt. Die 43<br />
Sprinter sind jetzt da! Überschäumende<br />
Energie und frischer Körperduft umwehen<br />
die Piste. Ruckzuck bin ich von all<br />
dem fröhlichen Treiben angesteckt.<br />
Schließlich fallen mir William Sichel und<br />
Carolyn Smith auf, die nach vielen<br />
Stunden in ihrem Rennen immer noch in<br />
hohem Tempo vorbeisausen. Sie werden<br />
auf den Plätzen eins bzw. zwei landen<br />
und über 200 km erreichen. Nicht<br />
nur wegen meinem ökonomisch lahmen<br />
Auch das ist Arizona ...<br />
Schlurfschritt werde ich Überhaupt nicht<br />
müde! Bereits am frühen Abend unterhalten<br />
wir uns aufgeregt über die bevorstehende<br />
Silvesterparty. Die erste sternenklare<br />
Nacht erwartet uns. Restfeuchtigkeit<br />
durchwebt das Land in dünnen<br />
bodennahen Nebelschleiern. Es wird sofort<br />
bitterkalt, und ich ziehe alles übereinander,<br />
was ich habe. Unmöglich kann<br />
ich so schnell laufen, wie ich friere! Vor<br />
Mitternacht wird die Strecke hübsch mit<br />
Luftballons dekoriert. Wir bedienen uns<br />
am Überraschungstisch mit Zylinder,<br />
Halsketten, Tröten und mehr. Das ausgelassene<br />
Kichern ob der neckischen<br />
Verkleidungen und der Höllenlärm der<br />
Pfeifen verteilt sich in Windeseile rund<br />
um die Piste. "Aah!"..."Ooohh!! ... Das<br />
Feuerwerk beginnt mit Böllerschüssen<br />
vor dem Lustschlösschen. Die Nebel<br />
scheinen, vermischt mit dem Rauch, mit<br />
uns um die Bahn zu zirkulieren .. Ausgelassen<br />
besaufen wir uns mit Sekt alkoholfrei.<br />
Ich kann nicht begreifen, dass<br />
ich schon 63 Stunden quasi nonstop unterwegs<br />
bin!<br />
Die lächerlichen letzten 9 Stunden will<br />
ich gemütlich ausklingen lassen. Schlurf,<br />
schlurf, schlapp. Und es beschwert sich<br />
doch tatsächlich jemand, dass ich in<br />
diesem Jahr keinen Fight biete! "Fang<br />
mich ein, dann bekommst Du Deinen<br />
Fight", witzele ich, durchaus froh, dass<br />
John weit voraus ist und Ulli weit.hinter<br />
mir. Trotzdem laufe ich in den verbliebenen<br />
Stunden noch 45,5 km. Im letzten<br />
Jahr war es ein Kilometer weniger, trotz<br />
(verlorenem) legendärem Kampf mit Jan<br />
Ryerse um den gesamtersten Platz.<br />
Auch im Jahr 2000 hatte es einen solchen<br />
Kampf gegeben, auch den hatte<br />
ich verloren - damals gegen Antonio de<br />
Freitas.<br />
Unser letztes Stündlein hat geschlagen.<br />
Wie viele Runden noch hineinpassen<br />
mögen? Bekanntlich wird überall auf der<br />
Welt bei solch langen Zeitläufen auf<br />
Kurzrunden die letzte innerhalb der v<strong>org</strong>egebenen<br />
Zeit absolvierte volle Runde<br />
gezählt. So kann diese, je nach verbliebener<br />
Restzeit, halsbrecherisch oder<br />
supergemütlich sein. Am Start-Ziel<br />
Strich sind schließlich noch satte 5 Minuten<br />
für mich übrig; zuviel für eine<br />
Runde und erst recht zu wenig für zwei.<br />
Glück gehabt! Mental verabschiede ich<br />
mich ausführlich vom faszinierenden<br />
Mikrokosmos, der mir einmal mehr Gelegenheit<br />
bot, völlig hinein- und über<br />
mich selbst hinauszuwachsen. Körperlich<br />
reduziere ich weiter das Tempo, um<br />
Muskelspannung langsam auf Erholung<br />
einzustellen. Trotzdem erreiche ich die<br />
Start-Ziellinie fast eine Minute zu früh<br />
und kann schon mal allen möglichen<br />
Leuten dort freudig um den Hals fallen.<br />
Ich habe schließlich, mit 117 km am<br />
letzten Tag, insgesamt 377 km erreicht<br />
und kann mich über einen silbernen<br />
beltbuckle freuen. John Geesler erhält<br />
für seine 300 Meilen die goldene Gürtelschnalle.<br />
Eine großartige Feier vor Ort<br />
beschließt unsere "lange Reise".<br />
PS: Wer sich für weitere Einzelheiten,<br />
Ergebnislisten, Geschichte der Rennen,<br />
viele Fotos und mehr interessiert,<br />
schaue auf der erstklassigen Internetseite<br />
nach: www.acrosstheyears.com -<br />
Anmerkung: Die beiden Bilder sind o.g.<br />
Website entnommen!<br />
13
11.12.04-3. Unter-Tage<br />
Marathon in<br />
Sondershausen<br />
Helmut Linzbichler<br />
"Untertagemarathon", was ist denn das<br />
schon wieder, ja, spinnt denn die (Läufer-)<br />
Welt schon komplett? Reicht es<br />
wirklich nicht mehr, dass wir im Juli<br />
durch Death Valley (Badwater, ca. 220<br />
km) in Kalifornien laufen, dass Kontinente<br />
rennmäßig durchquert werden, dass<br />
Nord- und Südpol bereits herhalten<br />
mussten, muss es jetzt auch noch ins<br />
Erdinnere gehen? Okay, ich hab den<br />
Badwater Lauf durchlitten, ich durchquerte<br />
die USA und war auch beim<br />
Nordpol dabei, aber da durch irgend so<br />
ein lausiges Bergwerk im Erdinnern zu<br />
hirschen, das muss doch wirklich nicht<br />
sein, oder doch?<br />
Naja, wer schon so viele verrückte Rennen<br />
hinter sich gebracht hat, der hat ja<br />
fast eine Verpflichtung, auch da mitzumachen,<br />
was sollten denn die Leute<br />
glauben? Was, da gibt es so einen meschuggen<br />
Lauf, und du warst nicht dabei?<br />
Du wirst doch nicht etwa alt werden.<br />
Was blieb mir übrig, ich rief halt mal an<br />
und hoffte insgeheim eine Antwort zu<br />
bekommen, die es mir leicht machen<br />
würde zu sagen: "Ach so ist das, nein<br />
danke, ich bin doch nicht verrückt."<br />
Keine Stunde später war ich bereits angemel
29.01.05<br />
Rodgau<br />
50 km (Lauf um den DUV-Cup)<br />
110"8 Schlegel<br />
Inzwischen ist es ja kein Geheimnis<br />
mehr: zum Jahresanfang trifft sich die<br />
Ultrafamilie in Rodgau auf der 50-km<br />
Strecke. Konsequenterweise zeichnete<br />
sich bei den Voranmeldungen deshalb<br />
auch 2005 ein <strong>Teil</strong>nahmerekord ab. Der<br />
hatte sicher viele Gründe: Frankfurt liegt<br />
recht zentral in der Republik und ist gut<br />
zu erreichen, die 5-km-Runde ist flach,<br />
kurzweilig und, witterungsbedingte Einschränkungen<br />
abgerechnet, auch<br />
schnell, die Infrastruktur mit einer großen<br />
Turnhalle inklusive Übernachtungsmöglichkeit,<br />
Fruhstück und reichhaltigem<br />
Buffet hinterher, die vielen bekannten<br />
Gesichter, die man ganz sicher trifft<br />
und - last but not least - die insgesamt<br />
erstklassige Organisation der RLT Rodgau.<br />
Die 50 km sind daher ein guter Einstand,<br />
um eine lange Trainingseinheit zu<br />
absolvieren oder um die Frühform zu<br />
testen. Die Tatsache, dass der Finisherzahl<br />
von 328 eine recht hohe Ausstiegsquote<br />
gegenüber steht, ist nicht nur auf<br />
die erschwerten winterlichen Bedingungen<br />
zurückzuführen, sondern auch darauf,<br />
dass viele schon vor dem Start<br />
wussten, dass sie nicht die volle Distanz<br />
laufen. Durch die 5-km-Runde kann man<br />
auch eine Traiilingseinheit von 30 bis 40<br />
km absolvieren und trifft hier garantiert<br />
Laufbegleitung. Doch vor dem Stehenbleiben<br />
muss man ja erst mal loslaufen.<br />
Und dazu muss man anreisen. Elke und<br />
ich reisen diesmal schon am Freitagabend<br />
an, um uns mit Marianne Dahl,<br />
Marion und Wolfgang Braun zu treffen.<br />
Außerdem ist die konstituierende Sitzung<br />
des neuen Sportausschusses im<br />
Vorfeld angesetzt. Das Wetter ist winterlich,<br />
d. h. für verweichlichte Rheinländerinnen<br />
sau kalt. Da es in den Vortagen<br />
geschneit hat, ist auch nicht mit rutschfreiem<br />
Boden zu rechnen, aber der<br />
Samstag verheißt Sonnenschein. Zunächst<br />
treffen wir in der Turnhalle, die<br />
wir noch nicht beziehen können, weil ein<br />
Einradkurs in vollem Gange ist, Manfred<br />
Rau, den Organisator des 6-Stunden<br />
Laufs in Ottobrunn. Es kommen weitere<br />
Läufer, die erst einmal die Runde ablaufen.<br />
Wir gehen stattdessen direkt in das<br />
italienische Ristorante im Ort, das wir<br />
auf dem Hinweg entdeckt haben. Dort<br />
dann für mich der erste Schock: außer<br />
Manfred und mir bestellen alle Mineralwasser<br />
oder Apfelschorle. Natürlich<br />
weiß ich die Zeichen der Zeit zu deuten<br />
16<br />
Kühles warm up in die neue Ultrasaison<br />
und somit, dass das Motto für m<strong>org</strong>en<br />
"Das muss kesseln" lautet. Da Ernährungsfehler<br />
zwangsläufig bestraft werden,<br />
lasse ich mich aber nicht irritieren<br />
und riskiere keine unbekannten Getränke.<br />
Ich glaube an mein Hefeweizen. Etwas<br />
später kommt mit Peter Wasser und<br />
Paul Engels noch die Delegation der<br />
LLG Kevelaer, die nach ihrem Veranstaltungserfolg<br />
beim Honigkuchenmarathon<br />
(Top-Wetter, Top-Stimmung, Top<br />
Organisation) nun mal wieder auf der<br />
anderen Seite der Veranstaltung steht.<br />
Sie bestellen zumindest Pils, so dass<br />
das Gleichgewicht zwischen Sportgetränken<br />
und provokanter Abstinenz hergestellt<br />
ist. Gut gesättigt gehe ich dann<br />
zur Sportausschusssitzung. Die anderen<br />
sind schon da, und auf dem Tisch sehe<br />
ich drei Hefeweizen. Das sieht doch<br />
schon besser aus. Hier bin ich Läuferin,<br />
hier darf ich sein. Allerdings habe ich an<br />
den zwei Hefeweizen vom Essen eigentlich<br />
genug. Nachdem ich mich in meiner<br />
vita für die DUV-Homepage schon als<br />
bekennende Weizentrinkerin geoutethabe,<br />
traue ich mich aber nicht, eine Apfelschorle<br />
zu bestellen. Wie sieht das<br />
denn aus? Verbissen und unautenthisch.<br />
Außerdem sind aller guten Dinge<br />
drei. Bettschwere ist ohnehin ratsam bei<br />
der Turnhallenübernachtung, denn mindestens<br />
einer schnarcht immer (und<br />
komischerweise liege ich immer in unmittelbarer<br />
Nähe\<br />
Die Sitzung geht zügig voran. Die Ausschussmitglieder<br />
sind sich erfreulich einig,<br />
und so gehe ich gegen 22:15 Uhrin<br />
die Turnhalle. Das Licht ist zwar noch<br />
an, aber die anderen liegen schon in<br />
den Schlafsäcken. In der Kneipe gegenüber<br />
der Turnhalle waren sie auch nicht.<br />
Jetzt wird mir doch leicht flau. Was soll<br />
da m<strong>org</strong>en abgehen? Nur gut, dass ich<br />
bestens gerüstet bin. Erstens bin ich in<br />
exzellenter Laufform und -laune und<br />
1 Um gehässige Bemerkungen gleich vorweg<br />
zu nehmen: nein, ich leide nicht an Schlafstörungen,<br />
weil ich mich selber schnarchen höre!<br />
zweitens (was mich weitaus zuversichtlicher<br />
stimmt) habe ich mir mein Spezialfrühstück<br />
für Ultraläufe mitgebracht:<br />
Frankfurter Kranz. Dies gebietet nicht<br />
nur die Hochachtung vor dem regionalen<br />
Veranstalter, sondern die Buttercreme<br />
reicht energiemäßig auch über Marathon.<br />
Ich gebe das Geheimnis jetzt<br />
einfach mal leichtsinnig preis. Zwei<br />
Stück zum Frühstück, wobei der Veranstalter<br />
natürlich auch ein Frühstücksbuffet<br />
mit sogar drei Teesorten bietet (aber<br />
ohne Frankfurter Kranz, da hatte ich<br />
schon richtig gelegen). Das dritte Stück<br />
werde ich nicht los. Wolfgang Olbrich<br />
Beilig hätte lieber ein kaltes Kotelett.<br />
Damit kann ich nun nicht dienen. Beim<br />
Start haben wir -9 Grad, aber es ist eindeutig,<br />
dass uns klares, sonniges Winterwetter<br />
erwartet. Die Halle ist bis ca.<br />
15 Minuten vor dem Start voll wie nie.<br />
Es zieht niemanden so richtig in die Kälte.<br />
Trotz Einlaufen finde ich die ersten<br />
Meter schwer, die Betriebstemperatur ist<br />
noch nicht da. Dafür geht es von Kilometer<br />
1 bis 2 über gefrorenen, platt getretenen<br />
Schnee. Es besteht keine Gefahr<br />
auszurutschen, aber der unebene,<br />
glatte Belag macht das Laufen kraftraubend.<br />
Im Wald dann ein dumpfer Knall.<br />
Ist die Jagdsaison eröffnet? Nein, am<br />
Rand hinter einem hohen Zaun werden<br />
Bäume gefällt. Prima, dieser fällt genau<br />
in die uns entgegengesetzte Richtung.<br />
In der zweiten Runde gibt es dann aber<br />
eine Überraschung: Auf einer Leiter<br />
steht ein Mann, der uns unmissverständlich<br />
zu verstehen gibt, dass wir<br />
stehen bleiben müssen. Sollte der Baum<br />
in die falsche Richtung fallen, wäre das<br />
Rennen ohnehin beendet, denn dann<br />
wäre der Weg versperrt. Also muss man<br />
nicht auch noch drunter liegen, und eine<br />
kleine Läuferansammlung bildet sich. Da<br />
stehen wir nun und warten, dass der<br />
Baum fällt. Tut er auch, und zwar so wie<br />
geplant auf die andere Seite des Zauns.<br />
Wir dürfen also weiter. Carmen Hildebrand<br />
findet's amüsant, andere fluchen.<br />
Harry Arndt kommt angelaufen und wird<br />
sich sicher darum kümmern, dass unsere<br />
Ambitionen nicht von Holzschlagaktivitäten<br />
gehemmt werden. Sollte ich ein<br />
Tempo erwischen, das dem Rhythmus<br />
des Baumfällens exakt entspricht und<br />
immer an die Gefahrenstelle kommen,<br />
wenn ein Baum in Begriff ist, der Motorsäge<br />
zum Opfer zu fallen, dann könnte<br />
ich hintertTer wirklich sagen: schnell,<br />
aber saudumm gelaufen. Wenn es indessen<br />
im unsteten Rhythmus im Laufe<br />
der zehn Runden jede Tempogruppe<br />
mal trifft, wäre es natürlich wieder fair.<br />
Doch der Rest ist schnell erzählt: keine<br />
Bäume hindern mehr den Lauf, und<br />
während andere nach 20 Kilometern<br />
oder später die Powergels und sonstige<br />
Energienahrung auspacken, habe ich
noch immer genug Energie, um ohne<br />
Nahrungsaufnahme nur mit ein wenig<br />
Tee durchzupowern. Allerdings merke<br />
ich nach 40 km, dass es mit der Power<br />
langsam zu Ende geht, und das Streckenstück<br />
über den glatten Schnee geht<br />
jetzt richtig in die Beine. Nicht wirklich<br />
verwunderlich. Die letzte Runde bringt<br />
aber wieder eine empfundene und reale<br />
Steigerung, und ich laufe persönliche<br />
Bestzeit. Mit Hefeweizen und Frankfurter<br />
Kranz, das gebe .ich ganz offen zu.<br />
Denn wie heißt es bei den Steppenhahnsprüchen:<br />
Oft gewinnt nicht der<br />
Bessere, sonder der, der die wenigsten<br />
Fehler macht. Allerdings kann ich in diesem<br />
Jahr keine Runde mehr auslaufen.<br />
Ein paar Meter trabe ich an, dann merke<br />
ich, dass es zu kalt ist und die Muskulatur<br />
mir nach diesem Geläuf vorübergehend<br />
die Freundschaft aufkündigt (verständlich).<br />
Das apres ist wie immer in<br />
Rodgau (deshalb sind wir ja hier): Nettes<br />
Beisammensein in der schönen warmen<br />
Halle, üppiges Buffet (ich glaube,<br />
das erwähnte ich bereits; Läuferinnen<br />
denken eben immer nur an eins), die<br />
Ergebnislisten hängen schnell aus (mit<br />
5-km-splits - gnadenlos) und eine zügige<br />
Siegerehrung bilden den angenehmen<br />
Ausklang des Ultraeinstands 2005.<br />
Die 50 km von Rodgau sind auch der<br />
einzige deutsche Lauf der IAU-50-km<br />
Trophy. Ein würdiges Sahnehäubchen<br />
für eine hochwertige Veranstaltung. <br />
Es folgt Rodgau, die Zweite!<br />
Im weißen Winterwald<br />
Jürgen Roscher<br />
Nach drei Starts beim Fünfziger des LG<br />
Stade Nord und einem seuchenbedingten<br />
Ausfall war es an der Zeit, die längere<br />
Reise zu den ebenfalls 10 Runden über 5<br />
km des LT Rodgau zu unternehmen. Dort .<br />
war zwar wegen wesentlich größerer<br />
Beteiligung für mich bestenfalls ein 4.<br />
Platz in der AK möglich, aber darauf<br />
kommt es ja nicht unbedingt an. Rodgau<br />
fehlte noch in meiner Sammlung.<br />
Bei der Anreise zeigte die örtliche<br />
Sparkasse digitale 28.34 Uhr und -9 oe<br />
an; von der Temperatur brauchte man<br />
allerdings nicht ebenfalls 20 abzuziehen,<br />
um auf den wahren Wert zu kommen.<br />
Angenehm warm war. dagegen die<br />
Atmosphäre in der Turnhalle, wo jeder<br />
viele alte Bekannte traf, denn es ist<br />
tatsächlich ein bundesweiter Treffpunkt<br />
geworden, auch die LLG Kevelaer war<br />
aus Norddeutschland angereist.<br />
Entsprechend der Kälte begaben sich alle<br />
440 erst kurz vorher zum Start,<br />
größtenteils unter Verstoß gegen das<br />
Vermummungsverbot. Eigentlich sah es<br />
dort ganz romantisch aus, fast erwartete<br />
man, ein Reh aus dem weißen<br />
Winterwald hervortreten zu sehen.<br />
Die größte Aufmerksamkeit galt allerdings<br />
dem Untergrund, dessen Beschaffenheit<br />
sich im Lauf der Runden veränderte. Am<br />
Anfang war es eine einheitliche Schneeglätte,<br />
daraus wurde im Wald allmählich<br />
ein sandähnlicher Grieß. Die Feldwege<br />
vereisten zunehmend, schmolzen allerdings<br />
dort, wo der Untergrund Asphalt<br />
war. Ganz kritisch wurde der Wendepunkt<br />
bei Start und Ziel, wo der Veranstalter<br />
zuerst Erde streute, später aber ein<br />
Taumittel einsetzte und den entstehenden<br />
Matsch zur -Seite schob, so dass er<br />
schließlich völlig eisfrei war. Die Zeitanzeige<br />
dort half beim Rundenzählen, weil<br />
man immer vorwärts rechnen konnte. Die<br />
imaginären 5 Stunden vor Augen, hatte<br />
ich für die erste Runde mehr als zwei<br />
Minuten über das Soll gebraucht, doch<br />
diese Differenz schwand immer mehr. Da<br />
ich sowieso genügend Flüssigkeit<br />
v<strong>org</strong>elegt hatte und außerdem wegen<br />
einer alten Verletzung ein Stoppen<br />
möglichst vermeiden wollte, nahm ich den<br />
ersten Becher Tee erst nach der 6.<br />
Runde, entschied dabei aber, für die Zeit<br />
keinesfalls ein Risiko eingehen zu wollen.<br />
Die Sonne schien zur Mittagsstunde sehr<br />
wohltuend vom nur wenig bewölkten<br />
Himmel, dagegen wirkte das Wiederein-<br />
tauchen in den Schatten des Waldes wie<br />
ein Schlag. Allmählich dünnte sich auch<br />
das Feld aus, weil genau ein Viertel<br />
vorher ausstieg, aber auch die ersten als<br />
Sieger das Rundenkarussell verließen.<br />
Und dann verlor auch die Sonne schon<br />
wieder ihre Kraft.<br />
Nach dem Zieleinlauf war der Asphalt zu<br />
den Duschen des Sportzentrums im<br />
Schatten der Böschung schon wieder<br />
überfroren. Die Siegerehrung begann<br />
pünktlich, die ersten drei aller Altersklassen<br />
bekamen Urkunden und Medaillen,<br />
allerdings war ich, wie vorausgesehen,<br />
auf dem 4. Platz gelandet. Auf jeden<br />
Fall war der Eintritt in die M65 bei meiner<br />
250. (verschiedenen) Veranstaltung' sehr<br />
schön und schön gleichmäßig abgelaufen.<br />
Für jeden waren alle 5-km-Zeiten<br />
festgehalten worden und erscheinen so<br />
auch auf den Urkunden, die jeder aus<br />
dem Internet ausdrucken kann. Sofern er<br />
einen Anschluss hat oder jemanden<br />
kennt, der einen hat. _<br />
Und noch einmal Rodgau<br />
Drei Stunden Walking<br />
Angelika Roedder<br />
Das Läuferfeld im herrlichen Winterwald<br />
Angereist sind wir bereits einen Tag<br />
vorher. So haben wir in Ruhe alles erkundet<br />
und uns schon mit Start und Ziel<br />
beschäftigt. Nach dem Frühstück (ich<br />
bin aufgeregt und befürchte, als Letzte<br />
den Lauf zu beenden) gehe ich zur<br />
Turnhalle, um meine Startunterlagen zu<br />
holen. Hugo packt derweil unser Auto<br />
und bereitet alles vor für die Getränkezubereitung.<br />
In der Turnhalle wird eine Ansprache<br />
gehalten und Hinweise auf den Lauf gegeben.<br />
"So ein Sch ...., kein Radio erlaubt."<br />
Radio und Walkman gehören zu<br />
den unerlaubten Hilfsmitteln und sind<br />
laut Statuten untersagt. Kann ich zwar<br />
nicht nachvollziehen, aber ich halte mich<br />
dran. Gleiche Bedingungen für alle.<br />
Hugo ist rechtzeitig da und begleitet<br />
mich zum Start. Karin Scheer will mit mir<br />
zusammen laufen, und wir stellen uns<br />
gemeinsam im hinteren Bereich der<br />
Starter auf. Es geht los - und weg ist die<br />
Karin. Na gut, dann soll sie laufen. Ist<br />
sicherlich auch für mich besser, schließlich<br />
liebe ich es, mein Rennen alleine zu<br />
17
Laufe des Rennens immer wieder vom<br />
Verpflegungsbereich zu unserem Auto<br />
auf dem Parkplatz an der Turnhalle gewalkt,<br />
hat mein Getränk zubereitet und<br />
ist dann wieder zum Verpflegungsbereich<br />
zurück gewalkt. Und das hat er<br />
neunmal gemacht. Herausgekommen ist<br />
dabei für ihn eine Walkingstrecke von<br />
ca. 3 Stunden. So ist er auch zu seinem<br />
Sport gekommen. -<br />
Rekorde mit<br />
Stöcken<br />
Hans-Peter Burger souverän beim<br />
Austria Walking Day in Bad Tatzmannsdorf<br />
Bad Tatzmannsdorf ist eine Reise wert <br />
hier setzt man auf Qualität. Beim 2.<br />
Austria Walking Day s<strong>org</strong>te sich Organisationschef<br />
Michael Mayrhofer mit seinem<br />
Mitarbeiterstab ebenso darum wie<br />
die engsten Partner vom Reiter's Burgenland<br />
Resort-Hotels. Genau zwischen<br />
den beiden voll auf Fitness ausgerichteten<br />
Dreisterne-Herbergen befand sich<br />
das Start- und Zielgelände des Austria<br />
Nordic Walk. Mit mehr als 700 aktiven<br />
Walkerinnen und Walkern wurde eine<br />
fast 30-prozentige Steigerung der <strong>Teil</strong>nehmerzahlen<br />
erreicht.<br />
Im Mittelpunkt der zahlreich erschienenen<br />
Medien stand allerdings der neue<br />
24-Stunden-Weltrekord, für den Hans<br />
Peter Burger verantwortlich zeichnete.<br />
Der 48-Jährige war angetreten, die aktuelle<br />
Weltbestmarke des Schweizers<br />
Rene Nüesch (131,259 Kilometer) zu<br />
brechen. Bereits am zweiten Wettkampftag<br />
kurz nach· 13 Uhr und nach<br />
rund 20,5 Stunden drückte seine Frau<br />
den Ausdauerspezialisten, denn da war<br />
die alte Weltbestmarke schon Makulatur.<br />
Danach packte der Chef eines kleinen<br />
Fernsehmechaniker-Unternehmens<br />
noch drei Runden drauf und schraubte<br />
die neue Höchstmarke auf stattliche 153<br />
Kilometer. Die Organisatoren waren vor<br />
Freude schier aus dem Häuschen, präsentierten<br />
ihm quasi zwischendurch<br />
nach dem gepurzelten Weltrekord ein<br />
Gläschen Sekt, das der Ausdauermatador<br />
allerdings nur zur Hälfte austrank,<br />
um weiterzuziehen. Dabei wurde er zu<br />
seinem Leidwesen von einem österreichischen<br />
Fernsehteam aufgehalten, das<br />
den neuen Champ unbedingt noch interviewen<br />
musste. Als er dann kurz vor<br />
16.30 Uhr ins Ziel stürmte, stöhnte er<br />
nur: "Die unterschiedlichsten TV-Moderatoren<br />
haben mich mindestens eine<br />
Runde gekostet." Also sieben Kilometer!<br />
Der Mann, der auch den Austria-Rekord<br />
im 144-Stunden-Lauf mit 653,78 Kilome<br />
tern hält, war voll des Lobes über die<br />
Veranstaltung: "Bestens <strong>org</strong>anisiert, eine<br />
abwechslungsreiche Strecke. Das<br />
hat richtig Spaß gemacht. Im Herbst<br />
2005 will ich wiederkommen."<br />
In der Anfangsphase störte zwar der<br />
strömende Regen, aber er ließ sich davon<br />
nicht beirren, wechselte noch nicht<br />
einmal die Kleidung. Begründung: "Das<br />
trocknet doch von alleine." In der stockfinsteren<br />
Nacht, als er über eine beleuchtete<br />
7-km-Schleife durch Bad Tatzmannsdorf<br />
zog, da bekam er zweimal<br />
Müdigkeitsprobleme. "Ja, da war ich für<br />
vielleicht jeweils zehn Minuten weg,<br />
schlief fast wie ein Soldat beim Marschieren,<br />
doch ich riss mich zusammen,<br />
trank etwas Tee, dann Cola, und dann<br />
war ich wieder frisch", schildert er seine<br />
schwersten Walking-Phasen.<br />
Danach lief für ihn alles planmäßig, ja<br />
generalstabsmäßig. Ehefrau Helga und<br />
Betreuer Franz Alfanz kümmerten sich<br />
liebevoll um den Recken, kochten zwi<br />
schenzeitlich zweimal Kaffee, um ihm<br />
wieder Lebensgeist einzuflößen.<br />
Hans-Peter Burger ist in Läuferkreisen<br />
kein Unbekannter, zeigt vor allem bei<br />
mehrtägigen Veranstaltungen erstaunliches<br />
Durchhaltevermögen. Zum Ausflug<br />
in den Walking-Bereich hatte ihn ein<br />
Vereinskamerad bewegt. Einige Wochen<br />
zuvor versuchte er sich mit den<br />
Stöcken und zog dann beim Wettkampf<br />
sofort stramm los, um der Konkurrenz<br />
zu zeigen, wer der Chef "im Ring" ist.<br />
Gelaufen, oder besser: leicht getrabt ist<br />
er allerdings auch, jedoch nur bei extrem<br />
abschüssigen Stellen. Ansonsten<br />
bemühte er sich erfolgreich, den sauberen<br />
Walkingschritt einzuhalten. <br />
(Nach einer Information von LAUFZEIT<br />
Kollegen Reinhard Butzek)<br />
Foto: Der Weltrekordler im 24-h-Walking<br />
Hans-Peter Burger aus Österreich.<br />
19
und Schokolade und nicht tonnenweise<br />
Riegel, wie ich sie dabei hatte. Aber<br />
man lernt ja dazu ...<br />
Am M<strong>org</strong>en des 14. Februar war es<br />
dann so weit: Um 10.33 Uhr hieß es<br />
"Go, go, go!", und das illustre Starterfeld<br />
setzte sich in Bewegung. Mit -18°C war<br />
es schon mal schön "chilly", und ich war<br />
deutlich zu kühl angezogen. Denn der<br />
Distanz entsprechend war nicht etwa<br />
Laufen, sondern schnelles Gehen angesagt,<br />
und da war meine Laufhose dann<br />
doch etwas zu dünn. Erst auf dem gefrorenen<br />
Yukon River, dann etwas später<br />
auf dem Takhini River, ging es bei stahlblauem<br />
Himmel schön flach und auf<br />
einem hervorragenden Trail gut vorwärts.<br />
Das Ziehen der Pulka hatte ich<br />
vorher noch nicht wirklich intensiv geübt<br />
und war daher angenehm überrascht,<br />
dass es mir recht leicht fiel. Überhaupt<br />
war ich mit meiner Eigenkonstruktion<br />
aus Kinderbob (12 €), selbst gebasteltem<br />
Zuggestell (18 €) und Hüftgurt (55<br />
€) sehr zufrieden; vor allem, wenn man<br />
bedenkt, dass eine Pulka aus dem Laden<br />
gut und gerne 500 € kosten kann<br />
und ich mir durch den Kauf von Gestell<br />
und Bob in Kanada sämtliche Sperrgepäckzuschläge<br />
der Lufthansa erspart<br />
habe!<br />
Nach 6,5 Stunden und 42 km war dann<br />
der erste (und kürzeste) Abschnitt auch<br />
schon geschafft, und wir konnten es uns<br />
am Lagerfeuer des ersten Checkpoints<br />
auf Ingrid und Rolfs North Country<br />
Ranch gemütlich machen. Das deutsche<br />
Ehepaar hat es in die kanadische Wildnis<br />
verschlagen, und es bietet mit seiner<br />
Ranch nun allen Kanadafans die ideale<br />
Ausgangsbasis für sommerliche wie<br />
winterliche Touren zu Pferd, Kanu oder<br />
Fuß. Einmal im Jahr räumt Ralf seine<br />
Garage, um einer Handvoll verrückter<br />
Läufer, Skilangläufer und Biker ein warmes<br />
Heim für vier Stunden zu bieten. So<br />
lange ist hier nämlich Pflichtaufenthalt<br />
für alle, und während dieser Zeit werden<br />
Schlafsack und Kocher durch die Organisatoren<br />
geprüft. Nur wer entsprechend<br />
ausgestattet ist, darf auch weiter. Die<br />
Marathonis dürfen auf das Equipment<br />
verzichten; sie haben hier bereits das<br />
Ziel erreicht! Um 21.10 Uhr ging's dann<br />
gestärkt weiter in die erste Nacht. Ich<br />
war gut drauf und hatte mir v<strong>org</strong>enommen,<br />
die erste Nacht durchzulaufen. Es<br />
ging noch ein ganzes Stück auf dem<br />
Takhini River dahin. Das Feld war noch<br />
recht eng zusammen, und so traf ich<br />
recht bald auf Andy, der zwar gemütlich<br />
aber sehr konstant unterwegs war. Mittlerweile<br />
war es doch kalt geworden (ca.<br />
-22°C), und ich wollte eigentlich nur meine<br />
Überhandschuhe aus der Tasche<br />
holen, als es passierte: Trotz gut<br />
eingefettetem Reißverschluss der<br />
wasserdichten Packtasche genügte ein<br />
kurzes Ziehen, und der Schlitten des<br />
Reißverschlusses brach auseinander!<br />
Da waren also gerade mal 10% der Gesamtdistanz<br />
vorbei, und ich lief mit<br />
sperrangelweit offener Tasche durch die<br />
Gegend. Etwas zu verlieren (Handschuhe,<br />
Kocher!) hätte fatale Folgen haben<br />
können, und so schnürte ich die Tasche<br />
recht und schlecht zu. Als es später<br />
. stark zu schneien begann, legte ich<br />
noch meine Gore-Tex-Hose über die<br />
Öffnung und kam so ganz gut klar.<br />
23 Stunden nach dem Start hatte ich<br />
dann schon 101 km geschafft und um<br />
9.30 Uhr den Checkpoint am Dog Grave<br />
Lake erreicht. Die letzten 5 km vor dem<br />
Checkpoint, die durch ein Schild signalisiert<br />
wurden, zogen sich zwar so zäh<br />
wie -35°C kalter Kaugummi, und alle<br />
waren sich einig, dass es mindestens 5<br />
Meilen gewesen sein müssten. Aber eigentlich<br />
war es ja auch egal. 515 km<br />
waren es bis zum Ziel, und das war (zu<br />
diesem Zeitpunkt noch) das Einzige,<br />
was mich interessierte. Der Checkpoint<br />
lag recht abgelegen und war nur mit<br />
dem Skidoo zu erreichen. Dennoch war<br />
er perfekt <strong>org</strong>anisiert (es gab ein Essens-<br />
und ein Schlafzelt, beide angenehm<br />
"klimatisiert"), und Mike und Jessica<br />
Simon betreuten die Athleten liebevoll.<br />
Ich freue mich jetzt schon wieder<br />
auf die Cookies, die es dort gab. Nachdem<br />
ich gut gegessen, geschlafen und<br />
meine mittlerweile anschauliche Blasensammlung<br />
vers<strong>org</strong>t hatte, ging es gegen.<br />
14 Uhr weiter. Die folgenden 58 km<br />
nach Braeburn, dem Ziel für die 100<br />
Meilen-Läufer, wollte ich so schnell wie<br />
möglich erledigen. Das ging auch halbwegs<br />
gut, nur der Schlaf holte mich ab<br />
und zu ein. So auch gegen 22 Uhr, als<br />
ich noch eine Fleecehose überziehen<br />
wollte und dabei tatsächlich auf meinem<br />
Schlitten einschlief! Mich hat es vielleicht<br />
gerissen, als ich wieder aufwachte<br />
und Don mit seinem knatternden Skidoo<br />
vor mir stand! Aber seine aufmunternden<br />
Worte motivierten mich, und<br />
gegen 01.30 Uhr, also nach genau 39<br />
Stunden, war ich in Braeburn und konnte<br />
am dortigen Truckstop, der zugleich<br />
unser Checkpoint war, einen gigantischen<br />
Burger genießen. Danach war ich<br />
so voll und müde, dass ich mich entschloss,<br />
mich etwas hinzulegen. Stefano<br />
war gerade wieder aufgestanden, und<br />
ich nahm gleich sein Bett in Beschlag.<br />
Aus den geplanten vier Stunden wurden<br />
dann acht, und erst gegen 12 Uhr mittags<br />
verließ ich bei strahlendem Sonnenschein<br />
den Checkpoint.<br />
Vor mir lag eine Landschaft wie aus<br />
dem Bilderbuch, und so war es verständlich,<br />
dass auch die Engländerin<br />
Katherine Hay-Heddle wieder ins Rennen<br />
einstieg. Sie musste leider aufgrund<br />
von Magenproblemen vor Braeburn aufgeben<br />
und einen <strong>Teil</strong> der Strecke mit<br />
dem Skidoo zurücklegen. Doch in Braeburn<br />
ging es ihr wieder besser, und so<br />
beschloss sie, weiter zu machen und<br />
das Abenteuer zu genießen. Da hat die<br />
junge Engländerin, die bereits mehrfach<br />
am Marathon des Sables (Marokko) sowie<br />
an weiteren Abenteuerrennen teilgenommen<br />
hat, echten Sportsgeist bewiesen!<br />
Ich denke mal, da könnte sich<br />
so mancher Mann eine Scheibe davon<br />
abschneiden...<br />
Der nächste Abschnitt war lang, aber<br />
doch recht schnell: Zum Großteil ging es<br />
über die Chain-Lakes, eine Kette aus<br />
Seen. Hier kann man richtig Gas geben,<br />
denn es geht sehr flach und auf mehr<br />
oder weniger festem Untergrund fast nur<br />
geradeaus. Leider musste ich gegen 19<br />
Uhr, als es schon recht dunkel war, eine<br />
unfreiwillige Rast von 30 min. einlegen,<br />
weil ich meine Stirnlampe nicht fand!<br />
Nach mehrfachem Durchwühlen der Tasche<br />
war dann doch Ausräumen angesagt,<br />
und ich hielt die Lampe in den<br />
Händen. Solche Kleinigkeiten übt man<br />
zu Hause wirklich nicht und doch können<br />
sie viel Zeit und Nerven kosten.<br />
Leider wollte der 5-km-Marker, der den<br />
Checkpoint am Ken Lake ankündigte,<br />
einfach nicht auftauchen, und nachdem<br />
mich auch meine Sinne schön langsam<br />
verließen (ich war sicher, das Checkpoint-Lagerfeuer<br />
direkt vor mir zu sehen;<br />
nachdem ich ein paar Kilometer auf dem<br />
See zurückgelegt und eine Halbinsel<br />
umrundet hatte, musste ich dann leider<br />
erkennen, dass es der Mond hinter<br />
leichten Wolken war, der da so gelb<br />
leuchtete!), biwakierte ich dann doch<br />
noch und hatte erst am 17.02. gegen<br />
15.15 Uhr 230 km hinter mir Am Ken<br />
Lake war ich dann dafür so gut drauf,<br />
dass Shelley und ihr Mann fast etwas irritiert<br />
schienen. Nach 2 Tellern Suppe<br />
mit 4 Bockwürsten und 3 Semmeln sowie<br />
zwei Tassen heißer Schokolade mit<br />
viel Zucker verließ ich deshalb die Hütte<br />
am See auch schon wieder und machte<br />
mich auf in Richtung Carmacks, einem<br />
für mich wichtigen Punkt. Bis hierher<br />
wollte ich "durchziehen" und dann meine<br />
weitere Strategie überdenken. Schließlich<br />
hatte ich bisher max. 213 km (48-h<br />
Lauf Köln 2004) am Stück zurückgelegt.<br />
Gesagt, getan: Nach gut einer Stunde<br />
war ich wieder auf dem See und voller<br />
Schwung für die nächste Etappe von 70<br />
km - dachte ich! Nach einem weiteren<br />
langen See (Mandanna Lake) ging es<br />
durch einen mustergültigen Zauberwald<br />
recht flott zurück Richtung Yukon River.<br />
Irgendwann waren noch mal ein paar<br />
Stunden Biwak angesagt, und bald war<br />
ich wieder auf dem Fluss. Die Brücke<br />
von Carmacks war schon in Sichtweite,<br />
da kam mir ein Läufer entgegen: Es war<br />
der Österreicher Klaus, der die 100 Meilen<br />
erfolgreich bewältigt hatte und nun<br />
mit der Organisationscrew das Feld begleitete.<br />
Auf meine Nachfrage, wie es<br />
ihm gehe, leuchteten seine Augen, und<br />
ich werde so schnell nicht vergessen,<br />
wie er förmlich schwor: "Nächstes Jahr<br />
mache ich die 300!". Kurz nach diesem<br />
Treffen hatte ich Carmacks erreicht und<br />
21
legen für ihre aufmunternden Worte und<br />
Mails. Robert, dem Veranstalter, und all<br />
seinen Helferinnen und Helfern für die<br />
rundum gelungene Organisation und<br />
schließlich den Athleten, die sich wahrhaft<br />
sportlich benommen haben und mit<br />
denen ich eine fantastische Zeit in einer<br />
fantastischen Gegend verbringen konnte.<br />
Ein besonderes Dankeschön geht an<br />
.Angela Ngamkam, die mir mit ihren<br />
Tipps und Hinweisen viel Nervosität genommen<br />
hat und die als YAU-erfahrene<br />
Sportlerin ihren Segen zu meiner <strong>Teil</strong>nahme<br />
gegeben hat. Wir sehen uns<br />
nächstes Jahr in Whitehorse, Angie!! Allen<br />
Läufern kann ich die <strong>Teil</strong>nahme am<br />
YAU nur dringendst ans Herz legen. Natürlich<br />
"Iäuft's"im Yukon Territory etwas<br />
anders als auf der Schwäbischen Alb<br />
oder im Thüringer Wald, aber laufen wir<br />
nicht deshalb, um - egal, ob physisch<br />
oder psychisch - dorthin zu kommen, wo<br />
wir noch nicht waren? _<br />
Und auch Peter Meyer aus Frankenthai<br />
trieb es in jenen Februar-Tagen<br />
just zum Yukon Arctic ...<br />
Mein eiskaltes<br />
Yukon-Abenteuer<br />
Peter Meyer<br />
Robert Pollhammer, Renndirektor und<br />
Veranstalter des Yukon Arclic Ultra, bezeichnet<br />
den Lauf als den härtesten und<br />
kältesten Ultra der Welt. Nun soll man ja<br />
mit Superlativen vorsichtig umgehen,<br />
aber jetzt, nachdem ich alles hinter mir<br />
habe, muss auch ich sagen, dass all<br />
meine bisherigen Ultras zu Spaziergängen<br />
degradiert worden sind - egal, ob<br />
es Hochgebirgs- oderWüstenläufe waren.<br />
Robert hat also nicht übertrieben,<br />
und das werden alle anderen <strong>Teil</strong>nehmer<br />
ebenso sehen. Leider wird es aber·<br />
bestätigt· durch eine bemerkenswert hohe<br />
Ausfallqllote.<br />
Bevor ich aus meiner Sicht das Erlebte<br />
schildere, vielleicht erst einmal für jene,<br />
die nichts von diesem Lauf wissen, seine<br />
Besonderheiten: "Wenn du einen<br />
Elch siehst oder Wölfe, dann bleibe stehen<br />
und verhalte dich ruhig", so der<br />
Veranstalter. "Solltest du durchs Eis brechen,<br />
verliere nicht die Nerven. Trage<br />
ein Messer griffbereit, um dich mit wenigen<br />
Schnitten von Schlitten und Rucksack<br />
trennen zu können, die dich unters<br />
Wasser ziehen könnten. Es wird vermutlich<br />
dunkel sein, und du bist ganz allein<br />
auf dich gestellt. Wenn du bei 40 bis 50<br />
Grad Kälte mit nasser Kleidung aus dem<br />
Wasser kommst, zählt jede Minute.<br />
Dann musst du genau wissen, was du<br />
zu tun hast." Derartige Instruktionen des<br />
Veranstalters machen eigentlich schon<br />
deutlich, was diesen Lauf so anders sein<br />
lässt. Es sind die vielen Unwägbarkei<br />
ten, Eventualitäten und Gefahren. "Bären<br />
wurden bisher während der Rennen<br />
nicht gesichtet." Das ist zwar tröstlich,<br />
aber statistisch untermauert ist es noch<br />
nicht so sehr, denn als Robert das<br />
schrieb, hatte es den Lauf erst zweimal<br />
gegeben. "Sollte doch einer auftauchen,<br />
weil er vor Hunger aus seinem Winterschlaf<br />
erwacht ist, dann musst du dein<br />
Verhalten der jeweiligen Situation anpassen:<br />
tot stellen, Lärm machen, weglaufen<br />
oder kämpfen." Na prima!<br />
.Dieser so ganz andere Laufwettbewerb<br />
findet im Nordwesten Kanadas statt, im<br />
Yukon-Territorium nahe der Grenze zu<br />
Alaska. Gestartet wird in Whitehorse.·<br />
Tag und Nacht sind die <strong>Teil</strong>nehmer unterwegs<br />
durch eine weglose, menschenleere,<br />
eiskalte Wildnis. Jeder von ihnen<br />
hat einen mit Ausrüstung beladenen<br />
Schlitten am Gürtel hängen, den er nicht<br />
nur 35 Meilen weit auf zugefrorenen<br />
Flüssen (Yukon- und Takhini-River) entlangziehen<br />
muss, sondern auch meilenweite<br />
stundenlange Steigungen hinauf.<br />
Auf dem Schlitten befindet sich Verpflegung<br />
für drei Tage, Biwacksack,<br />
Schlafsack bis minus 40 Grad, Kochtopf,<br />
Benzinkocher usw. Jedes <strong>Teil</strong> ist lebenswiehtig.<br />
So auch der Kocher, denn<br />
das Wasser kann nicht auf dem Schlitten<br />
mitgenommen werden. Es würde gefrieren<br />
und muss deshalb während des<br />
Rennens aus Schnee bereitet werden.<br />
Es kommt dann in den Trinkrucksack,<br />
'der unter den Kleidungsschichteh auf<br />
der Unterwäsche getragen werden<br />
muss. Lebenswichtig ist auch die wasserdicht<br />
verpackte Ersatzkleidung für<br />
den Fall, dass man durchs Eis bricht<br />
oder in ein Overflow (Mulden, in denen<br />
Wasser bis zu einem. Meter Tiefe auf<br />
dem Eis steht) gerät.<br />
So viel zu den Besonderheiten des Laufes.<br />
Er wird auf drei Distanzen und in<br />
drei Disziplinen ausgetragen: Marathon,<br />
100 Meilen und 300 Meilen zu Fuß, auf<br />
Skiern und auf dem Mountainbike. Auf<br />
der Marathondistanz waren fünf zu Fuß<br />
und zwei auf Skiern. Sie mussten keinen<br />
Schlitten ziehen, weil sie auf der kurzen<br />
Strecke keine Ausrüstung benötigten.<br />
Auf die 100 Meilen begaben sich acht<br />
(alle zu Fuß) und auf die 300 Meilen 17<br />
<strong>Teil</strong>nehmer. Unter letzteren befanden<br />
sich zwei Skiläufer und ein Mountainbiker.<br />
Um es vorwegzunehmen: von 'den sieben<br />
Marathonis kamen alle sieben ins<br />
Ziel. Platz eins belegt mit Richard Malz<br />
Heyne der einzige Deutsche mit 4: 13<br />
Stunden. Auf der 100-Meilen-Strecke<br />
schafften es sieben von acht, und auf<br />
der 300-Meilen-Strecke waren sieben<br />
von 17 erfolgreich, so auch der Deutsche<br />
Thomas Muhler, der auf seinem<br />
Mountainbike den zweiten Platz belegte<br />
(6 Tage, 5 Stunden, 7 Minuten). Die anderen<br />
sechs waren Läufer, unter ihnen<br />
der Deutsche Joachim Rintsch mit 7 Tage,<br />
21 Stunden, 37 Minuten).<br />
Aber zurück zum 12. Februar. Zwei Tage<br />
vor dem Start beganR ein zweitägiger<br />
Kurs. Während dieser Zeit wurden wir<br />
mit den Gefahren und den Eventualitäten<br />
vertraut gemacht und auch damit,<br />
wie man ihnen zu begegnen oder wie<br />
man sich zu verhalten hat. Zum Beispiel<br />
beim Einbruch durchs. Eis oder bei der<br />
Begegnung mit Tieren, wie und mit weichen<br />
Hilfsmitteln man im Notfall ein<br />
Feuer entfachen kann, wie man sich gegebenenfalls<br />
bei Schneesturm mit<br />
Schlafsack und Biwak in Schnee eingräbt,<br />
um nicht zu erfrieren. Man wird<br />
darauf vorbereitet, dass man - herv<strong>org</strong>erufen<br />
durch totale Erschöpfung - in<br />
den Nächten mit Halluzinationen rechnen<br />
muss und dass die Gefahr des<br />
Sichverlaufens besteht. Der Kurs bestand<br />
aus einem theoretischen, aber<br />
auch aus einem praktischen <strong>Teil</strong>: mehrstündiges<br />
nächtliches Marschieren und<br />
Campieren mit gesamter Ausrüstung,<br />
Feuer entfachen, Schlafsystem testen,<br />
auch die Funktion des Benzinkochers<br />
usw. Und dann war es soweit. Am 14.<br />
Februar standen wir in Whitehorse an<br />
der Stelle, an der 24 Stunden vorher die<br />
Hundegespanne des legendären 1000<br />
Meilen-Rennens "Yukon Quest" gestartet<br />
waren. Der Yukon Arctic Ultra verläuft<br />
auf dem Trail des Yukon Quest. Wir<br />
liefen sozusagen den Hunden hinterher.<br />
Mit gemischten Gefühlen warteten wir<br />
auf den Startschuss. Insgesamt waren<br />
es 32 <strong>Teil</strong>nehmer für die drei erwähnten<br />
Distanzen. Ich gehörte zu den acht Leuten,<br />
die 100 Meilen von Whitehorse<br />
nach Braeburn vor sich hatten. Während<br />
ich wartete, ging mir durch den Kopf,<br />
was uns im Kurs gesagt wurde; "Elche<br />
sind gefährlicher als Wölfe, und sie verwenden<br />
mit Vorliebe die festen Trails,<br />
statt sich im Tiefschnee fortzubewegen."<br />
Na bloß nicht, dachte ich, und da krachte<br />
auch schon der Schuss. Ein letzter<br />
Blick zu meiner fotografierenden Frau.<br />
"Mache doch ein kleines bisschen<br />
Frühstück oder nimm wenigstens diese<br />
Kekse mit", hatte sie noch im Hotel gesagt.<br />
"Nein", war meine Antwort, "ich<br />
habe genug im Camelbag, in Wasser<br />
gelöste Kohlenhydrate, das wird mein<br />
Frühstück sein. Gleich nach dem Start<br />
werde ich mit dem Trinken beginnen."<br />
So gesagt, wollte ich es nun auch tun,<br />
nahm den Schlauch in den Mund und<br />
war geschockt: kein Tropfen kam aus<br />
dem Mundstück! Gefroren konnte es<br />
nicht sein, es war nur 20 Grad kalt, und<br />
den Trinkrucksack trug ich unter der<br />
Kleidung. Aber ich ahnte, was los war.<br />
Ich hatte außer den gut löslichen Kohlenhydraten<br />
auch Eiweißpulver ins Wasser<br />
gegeben, und das löste sich gar<br />
nicht gut, hat wohl einen Bodensatz gebildet<br />
und nun den Schlauch verstopft.<br />
23
Bei all dem achtete ich mit Argusaugen<br />
darauf, ob mich ein 100er überholte. An<br />
den Startnummern konnte man 100- und<br />
300-Meilen-<strong>Teil</strong>nehmer unterscheiden.<br />
Einmal überholte mich einer, dessen<br />
Nummer auf dem Schlitten teilweise<br />
verdeckt war. Ich erschrak, war mir im<br />
Unklaren, holte ihn später wieder ein<br />
und stellte fest, dass es zwei Skier waren,<br />
die auf dem Schlitten quer über die<br />
Startnummer lagen. Als er die Bretter<br />
vom Schlitten nahm, um sie wieder anzulegen,<br />
sah ich mit Beruhigung, dass<br />
es eine 300er Nummer war.<br />
... und das sind die sichtbaren Auswirkungen eines solchen Wettbewerbes<br />
So brachte ich die Nacht herum,<br />
schimpft mit meinem Schlitten, fotografierte<br />
ab und zu, wurde in den vielen<br />
Stunden drei- oder viermal überholt,<br />
überholte auch selbst viermal in der<br />
Weise, dass ich an gefüllten Schlafsäcken<br />
vorbeikam. Überlegte, wie viele<br />
<strong>Teil</strong>nehmer vor mir sein könnten. Die<br />
Marathoner waren ja weg, ein 100er hatte<br />
mich bisher nicht überholt, es konnten<br />
also nur ein paar 300er vor mir sein.<br />
Ich versuchte, trotz meiner ..Einstöckigkeil"<br />
und trotz meiner gar nicht mehr<br />
starren Zugvorrichtung die Nacht zu genießen.<br />
Eigentlich hätte ich ja noch viel<br />
mehr passieren können. Ich war froh,<br />
die einerseits angenehm flachen, aber<br />
andererseits nicht ungefährlichen Flüsse<br />
hinter mir zu haben,. Aufgrund von Strömung<br />
und Turbulenzen, aber auch wegen<br />
Zuflüssen aus warmen Quellen,<br />
kommt es selbst bei großer Kälte vor,<br />
dass die Eisdecke stellenweise Risse<br />
und Löcher aufweist oder aber nur sehr<br />
dünn ist - unzureichend dünn. Deshalb<br />
bestand auch die schon erwähnte Gefahr<br />
des Einbrechens.<br />
Irgendwann war die lange Nacht herum,<br />
aber es dauerte noch den ganzen Vormittag,<br />
bis ich endlich um 12.27 Uhr ein<br />
Zelt sah: Kontrollpunkt 2. Auch auf die<br />
sem Streckenabschnitt (etwa 60 km)<br />
hatte ich mein Planziel nicht einhalten<br />
können. Statt der erhofften 13 Stunden<br />
waren es zwei mehr. Und da der letzte<br />
nun vor mir liegende Abschnitt ebenfalls<br />
ca. 60 km lang ist, so überlegte ich,<br />
werden es auch da mindestens 15<br />
Stunden sein. Mit so vielen Steigungen<br />
hatte ich einfach nicht gerechnet, und<br />
meine ursprünglich 37 Gesamtstunden<br />
sind nun schon um zweimal zwei Stunden<br />
und um die 45 Minuten von der Marathon-Etappe<br />
überzogen. Also rund<br />
fünf Stunden mehr, nämlich mindestens<br />
42, werde ich brauchen, wenn nicht<br />
noch mehr.<br />
Aber die Gesamtzeit war mir jetzt eigentlich<br />
nicht mehr so wichtig, nachdem<br />
ich wusste, dass ich in Führung lag. Eine<br />
Situation, an die ich mich erst gewöhnen<br />
musste. Bei meinen Überlegungen<br />
in Deutschland hatte ich eine Platzierung<br />
in der Mitte des kleinen Feldes<br />
für überaus gut angesehen. Und ob ich<br />
mit beinahe 67 Jahren so kühn sein<br />
durfte, eine solche Platzierung tatsächlich<br />
auch anzustreben, sie sozusagen<br />
als Wunschtraum im hintersten Hinterkopf<br />
zu haben, darüber war ich sehr im<br />
Zweifel. Und nun das!<br />
Ich war der Sechste von 25, der am KP<br />
2 eintraf. Meine vorsichtige Frage, ob<br />
auch schon ein 100er da sei, wurde verneint.<br />
Ich erledigte alles so schnell wie<br />
möglich: einen Teller Suppe, zwei Becher<br />
Tee und die Bereitung einiger Liter<br />
meiner Kohlenhydrat-Brühe, sie ich<br />
schon nicht mehr riechen konnte. Schon<br />
nach einer Stunde, um 13:31 Uhr, zog<br />
ich weiter. Robert Pollhammer beschrieb<br />
das später in seinem Abschlussbericht<br />
mit folgenden Worten: ..... mit nur einer<br />
Stunde Pause ist er geradezu durch den<br />
zweiten Checkpoint gestürmt ...... Der<br />
am KP 1 zweitplatzierte Andrew Reynolds<br />
war auch bis jetzt noch nicht am<br />
KP 2 eingetroffen. Also hatte ich - so<br />
viel war zu diesem Zeitpunkt klar - den<br />
Abstand von 30 Minuten erheblich ausbauen<br />
können. Heute weiß ich es genauer:<br />
Andrew Reynolds traf erst um<br />
14.59 Uhr am KP 2 ein, und er wird als<br />
Letzter ins Ziel kommen. Etwas vor ihm<br />
kamen seine beiden Landsleute Ken<br />
Byrne (14.22 Uhr) und John O'Regan<br />
(14.27 Uhr). Die beiden jetzt Zweitplatzierten<br />
verließen den KP 2 gemeinsam<br />
um 22.15 Uhr - knapp neun Stunden<br />
später als ich. Ich hatte einen gewaltigen<br />
Vorsprung. Aber zu diesem Zeitpunkt<br />
wusste ich das alles nicht. Ich<br />
machte mich mit meinem einen mir noch<br />
verbliebenen Stock auf die letzten 60.Kilometer.<br />
Ich dachte an die vergangenen<br />
15 Stunden, an die 60 km zwischen KP<br />
1 und KP 2, an die endlose Nacht und<br />
den ebenso endlosen Vormittag. Die<br />
Vorstellung, jetzt noch einmal das Ganze<br />
bewältigen zu müssen, war nicht gerade<br />
aufbauend, zumal sich schon seit<br />
dem Vormittag ein unangenehmes Gefühl<br />
in meine Schuhe geschlichen hatte.<br />
Diese Schmerzen wurden von Stunde<br />
zu Stunde größer und machten irgendwann<br />
jeden Schritt zu einer Qual. Selbst<br />
auf flachen oder leicht abfallenden Streckenabschnitten<br />
konnte ich nur verhalten<br />
marschieren, weil ich dem Schmerz<br />
auszuweichen versuchte.<br />
Im Laufe des Nachmittags zeigten sich<br />
erste Ermüdungserscheinungen. Mein<br />
Hirn ließ mich Dinge wahrnehmen, die<br />
es akustisch und optisch nicht gab. Aber<br />
damit kommt man gut zurecht, denn<br />
sehr schnell hat man die betrügerischen<br />
Machenschaften des Gehirns durchschaut<br />
und ordnet diese Wahrnehmungen<br />
richtig ein. Man weiß: was man da<br />
gerade sieht bzw. hört, das existiert<br />
nicht, auch wenn man es überdeutlich<br />
zu sehen oder hören glaubt. Nur noch<br />
ganz selten ließ ich mich herumkriegen.<br />
Wenn ich das Rufen gar so deutlich hörte,<br />
dann blieb ich eben doch mal stehen.<br />
Aber sowie daraufhin der ständige Geräuschpegel<br />
meines gleitenden Schlittens,<br />
meiner stapfenden Schritte, meines<br />
in den Boden stechenden Stockes<br />
weg war, empfing mich absolute Stille,<br />
und der Ruf wiederholte sich nicht. So<br />
war es auch optisch. Wenn mein Blick<br />
nach vorn fiel; sah ich in 100 bzw. 150<br />
m Entfernung irgendetwas stehen, meistens<br />
Menschen, ein oder zwei Personen,<br />
manchmal stand noch ein Schneemobil<br />
daneben. Aber ich wusste ja<br />
längst: was du da vorne auch siehst, es<br />
ist nicht vorhanden. Gleich wirst du es<br />
wieder erleben - das Schneemobil entpuppt<br />
sich als Strauch, die beiden Fahrer<br />
sind zwei Baumstämme. So war es<br />
dann auch. Ich hatte es also gut im Griff.<br />
Mit einer solchen Macke kann man doch<br />
leben! Bedenklich wäre es nur gewesen,<br />
wenn ich dann im Vorbeigehen die<br />
Bäume gegrüßt hätte.<br />
25
zwölf Kilometer waren es bis zum Ziel.<br />
Mir blieb nichts anderes übrig, als den<br />
Schlafsack vom Schlitten zu holen. Notgedrungen<br />
legte ich mich an das Ufer<br />
des Sees, der mich vom nahen Ziel<br />
trennte. Ich musste warten - auf irgendetwas<br />
und hoffte natürlich, dass es ein<br />
Schneemobil sein würde.<br />
Welche Kuriosität: der mit - wie sich<br />
später herausstellt - großem Abstand<br />
Führende kann das Ziel nicht finden,<br />
muss warten, bis nach Stunden die Verfolger<br />
kommen. Denn so war es leider!<br />
Gegen acht Uhr, es wurd'e gerade hell,<br />
holte ich meine Schuhe in den Sack, um<br />
sie etwas aufzutauen. Um 8.30 Uhr<br />
plötzlich ein Geräusch: leider nicht das<br />
erhoffte Schneemobil, sondern drei Verfolger.<br />
Wer waren diese drei? Ich hatte<br />
einen einzigen erwartet. Einer von ihnen<br />
trug die irische Flagge auf dem Schlitten.<br />
Wie es aussah, hatte sich der ursprünglich<br />
zweitplatzierte Ire mit zwei<br />
anderen <strong>Teil</strong>nehmern zusammengetan <br />
so dachte ich in diesem Moment - vermutlich<br />
mit zwei Landsleuten. "Where is<br />
the way?" Ich konnte nur die Schultern<br />
hochziehen und über den See deuten.<br />
Wie kann man mich fragen, ausgerechnet<br />
mich! Warum liege ich denn hier<br />
herum! Und während wir noch palaverten,<br />
näherte sich ein Geräusch, auf das<br />
ich so lange gewartet hatte, das jetzt<br />
aber für mich zu spät kam. Vom Ziel her<br />
kam tatsächlich ein Schneemobil! Es<br />
näherte sich von rechts. Diese Richtung<br />
hätte ich also vor fünfeinhalb Stunden<br />
einschlagen müssen. Die drei machten<br />
sich davon, folgten der Spur des Fahrzeugs,<br />
die sie dorthin führte, wo der<br />
Trail auf den See ging. Sie waren schon<br />
nicht mehr zu sehen, da mühte ich mich<br />
noch immer damit ab, meine blutenden<br />
Füße in die knochenhart gefrorenen<br />
Schuhe zu zwängen, für die der Aufenthalt<br />
im Schlafsack viel zu kurz war.<br />
Meine drei Verfolger (die ICH nun verfolgte)<br />
erreichten das Ziel gemeinsam<br />
nach 48:38 Stunden. Ich folgte - ziemlich<br />
lustlos und kaum noch motiviert <br />
nach 50:08 Stunden. Im Ziel stellte ich<br />
fest, dass es sich tatsächlich um drei irische<br />
<strong>Teil</strong>nehmer handelte,' aber erst<br />
jetzt - zwei Wochen danach - entnehme<br />
ich dem Internet, das einer von ihnen<br />
auf der 300er Strecke lief, d.h. innerhalb<br />
der 100-Meilen-Wertung waren nur zwei<br />
vor mir: Ken Byrne (29) und John<br />
O'Regan (35). Die beiden teilten sich<br />
den ersten Platz.<br />
Nun, wie auch immer, ich bin mit meinem<br />
Beinahesieg bei einem so schweren<br />
Rennen überaus zufrieden. 50<br />
Stunden hatte ich benötigt, einschließlich<br />
der wetterbedingten fünfeinhalbstündigen<br />
Wartezeit kurz vor dem Ziel.<br />
Beinahe wären es also nur 44 Stunden<br />
gewesen. Als das Ziel nach 72 Stunden<br />
geschlossen wurde, hatte ich bereits die<br />
Rocky Mountains überflogen und setzte<br />
zu einer Zwischenlandung in Vancouver<br />
an. Nicht ganz ohne Risiko, aber überaus<br />
zuversichtlich hatte ich einen so frühen<br />
Rückflug gebucht.<br />
Die 160 Kilometer durch die Wildnis<br />
Nordkanadas waren so hart, wie sie von<br />
Robert Poilhammer, dem Veranstalter,<br />
angekündigt waren. Er hatte nicht übertrieben.<br />
Aber es war auch ein unbeschreibliches,<br />
ein großes Erlebnis, das<br />
ich nicht missen möchte. -<br />
Resultate<br />
1. Ken Byrne (Irland), 29 Jahre<br />
48:38 Std.<br />
1. John O'Regan (Irland), 35 Jahre<br />
48:38 Std.<br />
3. Peter Meyer (Deutschland), 66 Jahre<br />
50:08 Std.<br />
4. Klaus Schweinberger (Österr.), 42 Jahre<br />
53:30 Std.<br />
5. Tarnmy Reis (Kananda), 32 Jahre<br />
54:39<br />
6. Nic Karonias (England), 54 Jahre<br />
55:23<br />
7. Andrew Reynolds (Irland), 34 Jahre<br />
58:50<br />
Fergus Hughes (Irland) ausgeschieden<br />
Auszüge aus dem Abschlussbericht<br />
des Veranstalters<br />
Carmacks, den 17.02.05<br />
Peter Meyer konnte gestern nach unseren<br />
Jungs aus Irland erfolgreich das<br />
100-Meilen-Rennen beenden. Er hat<br />
sich gefreut, war aber auch gleichzeitig<br />
ein wenig enttäuscht. Denn er hatte einen<br />
großen Vorsprung und hätte eigentlich<br />
gewinnen können. Leider ist Peter<br />
nachts an den Braeburn Lake gekommen,<br />
und· es hat stark geschneit. Das<br />
machte die Orientierung schwierig. So<br />
hatte der erfahrene Ultraläufer sich entschieden,<br />
bessere Bedingungen abzuwarten.<br />
Während er wartete, wurde er<br />
überholt. ...<br />
Tirol, den 01.03.05<br />
Wieder einmal ist ein Yukon Arctic Ultra<br />
beendet. Und als Organisator freue ich<br />
mich sehr, dass alle <strong>Teil</strong>nehmer gesund<br />
wieder nach Hause geflogen sind. Natürlich<br />
gab es viele Blasen, geschwollene<br />
Füße und Entzündungen. Aber niemand<br />
hat Erfrierungen davongetragen<br />
oder sich ernsthaft verletzt. Außerdem<br />
war das Feedback der Athleten durch<br />
die Bank positiv. Dabei konnten wir einige<br />
Verbesserungen umsetzen, welche<br />
die <strong>Teil</strong>nehmer gar nicht bemerkt haben.<br />
So hat unsere eigene 24-Stun-den<br />
Notrufnummer bzw. Koordinationsstelle'<br />
in Whitehorse hervorragend funktionier.<br />
Dort waren Dave und Mike immer informiert,<br />
wo sich alle Beteiligten aufhalten,<br />
Der Informationsfluss klappte perfekt,<br />
und so konnte die Sicherheit noch einmal<br />
verbessert werden. Denn nur, wenn<br />
eine zentrale Stelle über alle Bewegungen<br />
und Ereignisse informiert ist, kann<br />
im Notfall optimal reagiert werden.<br />
Auch für die Ski-doo-Guides war es eine<br />
Erleichterung bei der Planung ihrer Touren.<br />
Sie mussten nicht mehr versuchen,<br />
von Sateilliten-Telefon zu Satelliten-Telefon<br />
zu kommunizieren. Garry, Murray,<br />
John und Don konnten stattdessen eine<br />
Festnetznummer wählen. Dadurch<br />
konnten sie Zeit sparen und effizienter<br />
arbeiten. ... Viele wollen 2006 noch<br />
. einmal antreten. Das ganze YAU-Team<br />
freut sich schon auf ein Wiedersehen<br />
und wünscht allen eine erfolgreiche und<br />
gesunde Vorbereitungszeit! -<br />
Und wie es der Zufall will, hat Gerhard<br />
Rath ein Gedicht verfasst, das <br />
ohne dass es der Autor geahnt hat <br />
in Kurzform genau die Dinge widerspiegelt,<br />
die Peter Meyer rund 50 einsame<br />
Stunden lang erlebt hat: Unvorstellbares,<br />
Stimulanzien,' Gleichgesinnte.<br />
Nur anstelle des (goldenen)<br />
Kalbes sollten man sich vielleicht einen<br />
(brauen) Bär oder einen (dunklen)<br />
Elch vorstellen ..,<br />
Rund ums Goldene Kalb<br />
Auf der Suche nach Mehr<br />
finde ich jenseits von Marathon<br />
Unvorstellbares<br />
Ohne Aufregung rund ums<br />
Goldene Kalb kreisen<br />
Stimulanzien kanalisieren<br />
Allein die Uhr schlägt den Takt<br />
im Gleichklang meines Schritts<br />
Runde für Runde<br />
Den inneren Weg finden<br />
Ruhe und Geduld einatmen<br />
inmitten Gleichgesinnter<br />
(von Gerhard Roth)<br />
27
05.12.04<br />
Sainte Lyon über 68 km<br />
von St. Etienne nach Lyon (F)<br />
Gudrun Gratz-Fister<br />
Aus einer durch einen Bericht des einzigen<br />
deutschen <strong>Teil</strong>nehmers im Jahr<br />
2003 entstandenen Idee wird in der<br />
Nacht zum 5. Dezember Realität: Ich<br />
stehe um 0.00 Uhr am Start in St. Etienne<br />
und nehme teil am 51. Sainte Lyon.<br />
68 Kilometer Trail-, Berg- und Ultralangstreckenlauf<br />
enden nach über 1.300<br />
Höhenmetern irgendwann am nächsten<br />
M<strong>org</strong>en am Ziel im Palais des Sports in<br />
Lyon.<br />
Gegen Vorlage des zwingend v<strong>org</strong>eschriebenen<br />
Gesundheitszeugnisses erhalte<br />
ich am 04.12. im Palais des Sports<br />
die Start-Nummer und die Busfahrkarte<br />
für den Transfer nach St. Etienne am<br />
Abend. Michael Milch, der Autor des Artikels<br />
aus 2003, der mich mit allen Unterlagen<br />
und wichtigen Tipps über diesen<br />
"Doyenne de I'Ultra" vers<strong>org</strong>t hat,<br />
steht mir auch hier helfend zur Seite (on<br />
ne parle pas allemand), und wir werden<br />
uns gegen 1'9.00 Uhr am Bus nach St.<br />
Etienne treffen.<br />
Mittags versuche ich zu schlafen, was<br />
nur kurz gelingt. Die Anspannung verhindert<br />
einen längeren Tiefschlaf. Die<br />
Gedanken kreisen um die nächsten<br />
Stunden. Füße abkleben, warme Kleidung<br />
in einen Beutel, Wasserflaschen,<br />
Bananen, Stirnlampe, Notdecke und<br />
Handy überprüfen. Da die Läufer zwischen<br />
den Stationen (alle 8 km) in der<br />
Nacht alleine sind, ist die Mitnahme eines<br />
Handys für Notfälle sinnvoll.<br />
Seit Mittag nieselt es leicht, aber mit SOC<br />
ist es nicht sehr kalt. Während der etwa<br />
einstündigen Fahrt nach St. Etienne<br />
schlafen einige, andere unterhalten sich<br />
leise. Die Anspannung ist auch im Bus<br />
zu spüren.<br />
Die große Halle des Park Expo füllt sich<br />
langsam. Läufer schlafen auf mitgebrachten<br />
Matten oder in Schlafsäcken.<br />
Andere essen aus Thermosbehältern<br />
Nudeln oder Reis, um die Kohlehydratspeicher<br />
nochmals aufzufüllen. Ich sehe<br />
mir diese Extremspezialisten an, esse<br />
meine Banane und ein Brötchen und<br />
trinke so viel Wasser wie möglich. Der<br />
Hallensprecher gibt die Wetterverhältnisse<br />
auf der Strecke bekannt: wenig<br />
Nebel und 2-3°C in den Bergen.<br />
28<br />
Beliebtes Frankreich<br />
Um 23.30 Uhr wird es lebendig, einige<br />
massieren die Beine mit Öl oder' verteilen<br />
Vaseline bzw. Hirschtalg an reibungsempfindlichen<br />
Stellen. Ich überlege,<br />
dass mir durch meine 100-km-Biel<br />
Erfahrung weniger die Länge der Strecke<br />
S<strong>org</strong>e macht. Es stellt sich hier nur<br />
die Frage nach der Beschaffenheit der<br />
Wege und der Höhendifferenz (1.300 m<br />
im Aufstieg und 1.800 m im Abstieg).<br />
Mütze auf den Kopf, Stirnlampe drüber,<br />
Startnummer um, Bauchtasche anschnallen,<br />
Handschuhe an und auf<br />
geht's. Michael Milch und ich wünschen<br />
uns ein gesundes Ankommen, und um<br />
0.00 Uhr geht es pünktlich los. Die ersten<br />
Kilometer führen auf der Straße nur<br />
leicht bergauf bis La Talaudiere. Hier<br />
kommt's dann schon richtig stramm;<br />
steil bis zum Kirchturm - fast alle müssen<br />
hier gehen. Kurz danach zweigt der<br />
Weg ab ins Gelände. Die Regenfälle der<br />
letzten Tage haben Matsch und Pfützen<br />
hinterlassen, später gibt es im Wald einige<br />
riesige Schlammlöcher, die entweder<br />
durchwatet oder umgangen werden<br />
müssen..<br />
Feld- und Ackerwege führen bergauf<br />
und bergab. Die Stirnlampe ist wichtig,<br />
um auf den unregelmäßigen, von tiefen<br />
Furchen der Traktoren durchzogenen<br />
Feldwegen nicht zu stolpern. Wir laufen<br />
durch Dörfer mit 3 - 4 Häusern, die oft<br />
nur von einer einzelnen Straßenlaterne<br />
erhellt werden und um diese Nachtzeit<br />
im tiefen Schlaf liegen. Auf einigen Passagen<br />
ist Laufen nicht möglich, es ist zu<br />
glitschig, fetter Lehm umhüllt die Schuhe,<br />
bergab bilden Baumwurzeln, Felsbrocken<br />
oder tiefe Löcher Stolperfallen.<br />
Hinter Bäumen und Sträuchern, die vom<br />
liChtkegel der Stirnlampe erfasst werden,<br />
vermute ich Elfen, Gnome und die<br />
Tiere des Waldes, die uns heimlich bei<br />
unserem Treiben zusehen.<br />
Die Strecke ist bestens durch reflektierende<br />
Pfeile markiert und durch 3 Kontroll-<br />
und 7 Verpflegungsstationen unterbrochen.<br />
Das Verpflegungsangebot<br />
ist äußerst reichhaltig, al'ler für robustere<br />
Läufermägen als meinen gedacht (kandierte<br />
Fruchtstücke, Backpflaumen, Kekse,<br />
Sandkuchen, Salzkräcker, kleine<br />
Streichkäseecken, Salamischeiben,<br />
Mandarinen, Äpfel und erst an der letzten<br />
Station Bananen). Das Getränkeangebot<br />
reicht von Wasser über Menthe,<br />
Cola bis Zitronentee. Ich halte mich<br />
nach den Erfahrungen an der ersten<br />
Station (warmer Zitronentee = kurz danach<br />
durchschlagende Wirkung = ab ins<br />
Gebüsch) nur noch an kaltes Wasser<br />
und teile mir eine mitgenommene Banane<br />
in drei eisige Stücke auf der gesamten<br />
Strecke ein.<br />
Bergauf- und steile Bergab-Passagen<br />
wechseln sich ab. Ich sehe hoch über.<br />
mir ein gelbes Licht auf einer Bergspitze.<br />
Eine einsame Straßenlaterne steht<br />
über mir wie ein heller Stern. Ich bin sicher,<br />
dass ich diese Laterne noch genauer<br />
sehen werde, und ich habe recht,<br />
der Weg führt geradewegs nach oben<br />
bis zur Laterne, die zwei einsame Bauernhöfe<br />
bewacht.<br />
Um 04.00 Uhr kräht in der Ferne ein früher<br />
Hahn. Müdigkeit kommt nicht auf, zu<br />
sehr ist die Konzentration auf die<br />
schwierigen Wegbedingungen gerichtet.<br />
Es wird immer einsamer. Vereinzelt sind<br />
vor mir reflektierende Rückenschilder<br />
auszumachen und beim Umdrehen erkenne<br />
ich wippende Lichter weit hinter<br />
mir. Beruhigt stelle ich fest, dass ich<br />
noch nicht ganz alleine unterwegs bin.<br />
In den nun auftretenden Nebelschwaden<br />
brauche ich neben der Stirnlampe meine<br />
Taschenlampe, um besser zu sehen.<br />
Nach 7.00 Uhr wird der Himmel langsam<br />
heller, und ich laufe teilweise ohne Licht<br />
und genieße die kühle, feuchte Luft und<br />
freue mich auf den neuen Tag. Völlig<br />
losgelöst tappe ich in ein tiefes Schlagloch,<br />
fange mich gerade noch und knipse<br />
die Stirnlampe schnell wieder an. Die<br />
Beine werden müde. Den mitgenommenen<br />
Kraftriegel muss ich vor dem Abbeißen<br />
erst warmlutschen, um mir nicht<br />
die Zähne auszubeißen. Die Bergaufpassagen<br />
marschiere ich nun und jogge<br />
bergab, um Kraft zu sparen, da ich nicht<br />
weiß, was die Strecke noch an Überraschungen<br />
bereit hält und keine Ahnung<br />
habe, wieviele Kilometer noch zu absolvieren<br />
sind. An der nächsten Kontrollstabon<br />
um 7.45 Uhr wird die Frage beantwortet:<br />
Arrivee Lyon 22 km. Gottseidank,<br />
nur noch ein Halbmarathon, und<br />
die Wege werden immer besser. An der<br />
Verpflegungsstation esse ich nur einige<br />
Salzkräcker und trinke kaltes Wasser.<br />
Die heiße Brühe halte ich für Zitronentee<br />
und verpasse damit wichtige Kraftnahrung.<br />
Ein französischer Läufer marschiert neben<br />
mir. Mit Jeans, weißem gebügelten<br />
Hemd und einem beigen grobgestrickten<br />
Pullover und ohne sonstige Utensilien<br />
könnte er geradewegs zum Frühschoppen<br />
unterwegs sein. Nur seine dreckigen<br />
Trailschuhe und die bis in Kniehöhe<br />
matschverspritzten Hosenbeine weisen<br />
ihn als Mitläufer aus. Wir unterhalten<br />
uns in deutsch-französischem Kauderwelsch,<br />
marschieren und traben zusammen.<br />
Kurz nach der letzten Verpflegungsstation<br />
(Arrivee 11 km) führt die<br />
Straße mit 45% Steigung in den Himmel,<br />
und der Aufstieg nimmt kein Ende.<br />
Die Nasenspitze berührt die Straße, der
Asphalt kommt mir entgegen. Der Plan,<br />
unter 10 Stunden zu bleiben, wird hier<br />
aufgeben.<br />
Die letzten 10 Kilometer bis Lyon werden<br />
einzeln angezeigt, der Weg führt<br />
nun bergab, was den geschundenen<br />
Muskeln nicht gerade gut tut. Plötzlich<br />
werden meine Knie weich, und mein<br />
Kreislauf schlägt Purzelbäume. An Laufen<br />
ist nicht zu denken, ich schlurfe und<br />
versuche, nicht umzufallen. Mein französischer<br />
Begleiter bleibt trotz meines<br />
Angebotes, mich hinter sich zu lassen,<br />
bei mir. Aus der Glasscheibe einer Bushaltestelle<br />
blickt mich ein kalkweißes<br />
Gesicht mit bläulichen Lippen an. Dank<br />
eines letzten Müsliriegels, den ich mit<br />
zittrigen Händen aus der Bauchtasche<br />
gekramt und gegessen habe in der<br />
Hoffnung, nicht kurz vor dem Ziel aufgeben<br />
zu müssen, fühle ich 10 Minuten<br />
später, dass die Kraft zurückkehrt und<br />
die Beine wieder sicher werden. Joggen<br />
ist wieder möglich. Mein Begleiter gibt<br />
die Restkilometer an und lenkt mich mit<br />
kleinen Geschichten über Lyon und die<br />
Dörfer der Umgebung ab. Auf der Sa6ne<br />
reiht sich Boot an Boot (zum <strong>Teil</strong> sehr<br />
alte, ausgemusterte Exemplare), und<br />
am Ufer wechseln sich Fabrikhallen mit<br />
Schrottplätzen ab. Kreischende Möwen<br />
und die Aussicht auf den baldigen Zieleinlauf<br />
geben diesem <strong>Teil</strong> des Weges<br />
einen besonderen Reiz. Um die Spitze<br />
der Presqu'lIe herum, an der die Sa6ne<br />
in die Rhöne mündet, über eine weitere<br />
Brücke geht's in den Park Gerland.<br />
Wir beschließen, den letzten Kilometer<br />
bis ins Ziel zu laufen. Es ist nun kurz<br />
nach 10.00 Uhr, und wir werden auf jeden<br />
Fall vor 10.30 Uhr ankommen. Das<br />
Gänsehaut-Feeling erreicht seinen Höhepunkt<br />
auf den letzten 200 Metern, die<br />
mit vielen blauen Fahnen "Rh6ne-Alpes"<br />
die Richtung ins Ziel weisen. Die Kontrollmatte<br />
fiept ein letztes Mal; wir laufen<br />
durch bis in die Halle, gratulieren uns<br />
gegenseitig, und ich bedanke mich sehr<br />
für die Begleitung, ohne die ich diese<br />
tolle Zeit (10:19) nicht geschafft hätte.<br />
Ein Helfer nimmt mir den Zeitmesser<br />
vom Knöchel (total verdreckt), damit ich<br />
mich nicht bücken muss (dieser Service<br />
verhindert, dass ein Notarzt umfallende<br />
Läufer aufheben muss). Ein T-Shirt "Finisher<br />
Saintelyon" wird mir in die Hand<br />
gedrückt. Ich will mich setzen, brauche<br />
etwas zu trinken und vor allem zu essen.<br />
Aber vorher benutze ich das durch<br />
halb Frankreich getragene Handy und<br />
rufe meinen Mann an.<br />
Ich mache mich auf die Suche nach<br />
Nahrung: Für jeden gibt es eine Tüte.<br />
Darin: 1 kleine Flasche Wasser, 1 Banane<br />
(hier sind sie also!), 1 Mandarine,<br />
1 Brötchen, eine Kräuterkäseecke, 1<br />
Flan Caramel. Am nächsten Tisch werden<br />
glühend heiße Nudeln mit Gemüsesoße<br />
und frisch geriebenem Käse ausgeteilt.<br />
Ich suche mir einen freien Platz<br />
und sitze wieder meinem Laufpartner<br />
gegenüber. Wir essen gemeinsam, bewundern<br />
bei der ab 10.30 Uhr stattfindenden<br />
Siegerehrung die Zeiten der<br />
Ersten (5:00 für den ersten Mann, 6:20<br />
für die erste Frau - unglaublich!!!).<br />
Die heißen Nudeln, der süße Pudding<br />
und das Wasser lassen die Lebensgeister<br />
schnell wieder zurückkommen, dennoch<br />
fröstele ich in der kalten Halle. Ich<br />
verabschiede mich nun endgültig von<br />
meinem Läuferkollegen und mache mich<br />
auf die Suche nach meinem Kleidersack.<br />
Mit Vlieshose und -jacke über den<br />
feuchten Laufkleidern fühle ich mich<br />
gleich besser. Dann hole ich mein "Diplome"<br />
ab und beklatsche am Ziel die<br />
Läufer, die teilweise total fertig humpelnd<br />
oder schlurfend ankommen.<br />
Mein Mann ist da - er beglückwünscht<br />
mich und bedauert, dass er mich beim<br />
Zieleinlauf nicht gesehen hat, weil ich<br />
mit mindestens 12 Stunden Einlaufzeit<br />
gerechnet hatte. Ich kann noch gar nicht<br />
realisieren, dass ich diesen Doyenne de<br />
I'Ultra wirklich gelaufen bin. Danke an<br />
Michael Milch und seine Unterstützung<br />
und danke an meinen Mann, der meine<br />
Trainingsvorbereitung ohne Murren hingenommen<br />
hat. Ohne die beiden hätte<br />
ich meine erste Idee wahrscheinlich<br />
doch nicht in die Tat umgesetzt. -<br />
Uewersauer ganz in<br />
Weiß<br />
L- ---'<br />
21.11.04 - Ultra-Trail in<br />
Luxemburg über 47 km<br />
Jürgen Roseher<br />
Beim Monschau-Marathon kursierten kopierte<br />
Handzettel, die für den 21.11.04<br />
den 2. Trail Uewersauer über 47 km in<br />
Luxemburg ankündigten, und das passte<br />
eigentlich ganz gut in meinen Terminkalender.<br />
Uewersauer ist Letzeburgisch und<br />
bedeutet etwas Ähnliches wie Oberrhein,<br />
nur ist es hier eben der Oberlauf des<br />
Flusses Sauer, der später in die Mosel<br />
mündet. Dabei galt es vor allem einen<br />
Widerspruch aufzuklären: Führt er nUn,<br />
wie angekündigt, "über gute Waldwege" <br />
oder ist es ein TraiI? Die erste Schwierigkeit<br />
bestand schon darin, eine Unterkunft<br />
zu finden, denn in Heiderscheid gibt<br />
es keine, "das ist hier ein Dorf'. Mit 3 km<br />
Fußweg machte ich dann ein Hotel in<br />
Eschdorf ausfindig, die Anreise gelang mit<br />
der Bahn bis Ettelbrück und anschließend<br />
einem Bus. Nach einem sonnigen Tag<br />
war es am Vorabend bitter kalt.<br />
Die Distanz hatte sich inzwischen auf<br />
korrekte 48,2 km gemausert, die neben<br />
Dreier-Staffeln auch als Dog Trail für<br />
Mensch-mit-Hund-Mannschaften bzw.<br />
solcherart Hundschaften offen stand. Kürzere<br />
Abschnitte waren für Walking und<br />
Nordic Walking v<strong>org</strong>esehen. Nicht viel zu<br />
sehen gab es allerdings wegen der<br />
Witterung, denn die Landschaft lag bei<br />
Temperaturen unter dem Nullpunkt in<br />
einem Eisnebel, aus dem die Stengel der<br />
Windräder ins Ungewisse ragten. Zwar<br />
war die Eintönigkeit mehr weiß als grau,<br />
aber eben feucht und konturenlos. Nach 2<br />
km bergab folgte eine Steigung von 2,5<br />
km auf gar nicht so guten Waldwegen.<br />
Wasser plätscherte darauf oder quer<br />
darüber, und was unter dem Laub<br />
verb<strong>org</strong>en war, musste ertastet werden,<br />
an anderen Stellen waren Gras oder<br />
Unebenheiten überfroren. Das war beste<br />
Trail-Strecke, die auch den Gelenken und<br />
Sehnen alles abverlangte! Die Kreidepfeile<br />
auf dem nassen Laub wurden<br />
schnell unkenntlich und zertrampelt, da<br />
musste man schon manchmal suchen.<br />
Bestimmt ist das hier eine sehr schöne<br />
Landschaft, von der nur eben kaum etwas<br />
zu sehen war. Vor dem dritten der sechs<br />
Verpflegungspunkte gab es tatsächlich<br />
ein Stück Feldweg, der richtig normal<br />
belaufen werden konnte, und nach dem<br />
kurzen Boxenstopp mit Keks-Knabbern<br />
klappte schon der zweite Schritt nicht<br />
mehr. Etwas war kaputt, wovon ich beim<br />
Laufen nichts gemerkt hatte, zurück<br />
humpelte ich drei Schritte. Als kurz darauf<br />
das Fahrzeug zurn Abtransport ankam,<br />
waren wir schon drei.<br />
Ist es unehrenhaft, über etwas zu<br />
berichten, das man selbst nicht zu Ende<br />
gelaufen ist? Bisher habe ich es noch nie<br />
getan, aber hier muss es sein. Denn dieser<br />
Trail ist so abenteuerlich und so eine<br />
große - bei anderer Witterung sicher auch<br />
schöne - Herausforderung, dass sie unbedingt<br />
weiter bekannt gemacht werden<br />
sollte. Peters Sports hat die Telefonnummer<br />
00352/36 06 55 und ein Signet,<br />
das von den "25 km von Berlin" - äh - naja,<br />
jedenfalls ist es sehr ähnlich. Im Startgeld<br />
ist unter anderem ein hochwertiger<br />
Trail-Rucksack enthalten.<br />
Sieger war der einheimische Jose Azevedo<br />
in 3:33:27 vor Rene Strosny aus<br />
Deutschland mit 3:46: 15 und seinem<br />
Landsmann Frank Muller mit 3:53:34.<br />
Auch die Siegerin Simone Kayser mit<br />
4:32:56 stammte aus Luxemburg (im vorigen<br />
Jahr betrug ihre Siegerzeit 4:22:21),<br />
gefolgt von ihrer Landsfrau Malou Unfer<br />
mit 4:48:53 und der deutschen Elke Streicher<br />
mit 4:49:17. Insgesamt kamen 110<br />
Männer und 19 Frauen ins Ziel. Einen<br />
deutschen Sieger gab es bei der Sonderwertung<br />
Dog Trail durch Robert Feiler mit<br />
4:10:35 vor sechs einheimischen sechsbeinigen<br />
Konkurrenten. <br />
29
27. - 29.08.04<br />
Ultra-Trail um den Mont Blanc<br />
über 155 km in 8.500 Höhenmetern<br />
DER MINI-KLASSIKER<br />
Wolfgang Olbrich-Beilig<br />
Erst nach einigen Monaten komme ich<br />
dazu, meinen absoluten Jahreshöhepunkt<br />
2004 zu beschreiben. Die Gründe<br />
sind sehr vielfältig. Aber besser spät als<br />
nie! Viel Spaß dennoch beim Lesen!<br />
Nach einem Jahr Warten geht es endlich<br />
wieder nach Chamonix.<br />
Frank, Walter und ich fahren<br />
am Mittwoch m<strong>org</strong>en in Köln<br />
los. Nachdem Frank letztes<br />
Jahr bei Kilometer 117 in<br />
Champex Lac und ich bei Kilometer<br />
42 in Les Chapieux<br />
ausgestiegen waren, wollten<br />
wir es diesmal endlich schaffen,<br />
die Gesamtstrecke unter<br />
die Füße zu nehmen. Walter<br />
hatte sich auch in diesem Jahr<br />
wieder bereit erklärt, uns während<br />
des Laufes zu betreuen.<br />
Nach langer Fahrt erreichten<br />
wir gegen Abend unsere Unterkunft<br />
in Chamonix. Frank<br />
hatte sich wieder einmal als<br />
Quartiermeister herv<strong>org</strong>etan<br />
und ein günstiges Appartement<br />
im Innenstadtbereich <strong>org</strong>anisiert.<br />
Wir bezogen die Zimmer und betrachteten<br />
ehrfürchtig den Mont Blanc<br />
und die phantastische Gebirgswelt. Das<br />
erste mulmige Gefühl beschlich mich.<br />
Nachdem wir vom letzten Jahr her<br />
wussten, wie teuer das Leben in Chamonix<br />
ist, hatten wir diesmal besser<br />
v<strong>org</strong>es<strong>org</strong>t und sämtliche Lebensmittel<br />
für eine Woche mitgebracht. Natürlich<br />
inklusive dem wichtigsten Grundnahrungsmittel,<br />
dem Kölsch!<br />
Am nächsten Tag konnte man bereits im<br />
Eiszentrum von Chamonix die Startunterlagen<br />
abholen. Nachdem wir am<br />
Vormittag mit Walter die einzelnen<br />
Treffpunkte abgefahren waren, an denen<br />
er während des Rennes auf uns<br />
warten sollte, fuhren wir zur Startkartenausgabe.<br />
In diesem Jahr erfolgte eine<br />
Kontrolle der Pflichtausrüstung, bevor<br />
man sich die Startnummer abholen durfte.<br />
Glücklicherweise hatte uns. das Kunibert<br />
Schmitz vorab telefonisch mitgeteilt,<br />
ansonsten hätten wir noch mal zur Unterkunft<br />
gemusst, da davon nichts in der<br />
Ausschreibung stand.<br />
30<br />
Die Revanche<br />
Bei der Ausgabe wurde wieder ein T<br />
Shirt ausgeteilt. Man kann wirklich sagen,<br />
dass bei diesem Wettkampf das<br />
Preis-leistungs-Verhältnis mehr als gegeben<br />
ist. Für die 70 Euro werden 44<br />
Stunden Verpflegung und Streckenservice<br />
geboten sowie ein ansprechendes<br />
Finishergeschenk von "The North Face"<br />
(hochwertig) an den jeweiligen Etappenorten.<br />
In diesem Jahr gab es sogar<br />
eine elektronische Zeit- und Kontrolinahme<br />
durch einen Chip auf der Rückseite<br />
der Startnummer. Nach der Kontrolle<br />
und Vollzähligkeit der Ausrüstung<br />
musste man noch unterschreiben, dass<br />
man keine Dopingmittel (Wie war das<br />
jetzt mit dem importierten Kölsch?) genommen<br />
hat und die' Pflichtausrüstung<br />
Welch herrliche Landschaft!<br />
auch im Wettkampf mitführt. Dann zur<br />
Startnummernausgabe, Startnummer<br />
und letzte Infos abgeholt, T-Shirt anprobiert<br />
und noch schnell die Mini<br />
Laufmesse begutachtet.<br />
Am nächsten Tag langes Schlafen, noch<br />
schnell mal les Houches besichtigt (erste<br />
Verpflegungsstelle), Mittagessen im<br />
Appartement und einen ausgiebigen Mittagsschlaf.<br />
So langsam wurden wir nervös.<br />
Das offizielle Briefing wollten wir<br />
uns schenken. Edgar Kluge, der seit<br />
gestern bei uns wohnte, ging hin, und<br />
das war auch gut so. Denn wir erfuhren,<br />
dass vor dem Start jeder <strong>Teil</strong>nehmer<br />
gescannt werden musste und daher ein<br />
entsprechender Vorlauf nötig sei. Also<br />
nichts wie hin zu den Briefings!<br />
Wir machten uns langsam fertig, packten<br />
die Beutel für die beiden Etappenorte,<br />
zu denen diese transportiert werden<br />
würden (Courmayeur bei km 72 und<br />
Champex lac bei km 117). Die Beutel<br />
abgeben und anschließend zum Start.<br />
Der fand in diesem Jahr direkt vor dem<br />
Tourismusbüro statt, ca. 150 Meter von<br />
der Stelle des letzten Jahres entfernt.<br />
Mit Walter hatten wir verabredet, dass er<br />
erst in La Fouly da sein müsse. Das wäre<br />
dann bei km 100. Frank und icb waren<br />
der Meinung, dass es bis dahin aus<br />
eigener Kraft klappen müsse, um eine<br />
realistische Chance zu haben, den lauf<br />
zu finishen. Ich war zunächst etwas<br />
skeptisch, da im letzten Jahr die Verpflegungsstellen<br />
zum <strong>Teil</strong> schlecht bestückt<br />
waren. Aber was soll's, Frank<br />
hatte wohl Recht. Also hatte Walter<br />
nach dem Start erstmal bis zum späten<br />
Nachmittag des Folgetages Zeit und<br />
wollte diese für eine Bergtour nutzen.<br />
Wir kalkulierten ca. 20 Stunden bis La<br />
Fouly.<br />
Dann standen wir am<br />
Start. Mit ca. 5 Minuten<br />
Verspätung erfolgte der<br />
Startschuss, und wir setzten<br />
uns langsam in Bewegung.<br />
Frank und ich<br />
wollten versuchen, die<br />
erste Nacht zusammen zu<br />
laufen, wobei wir verabredeten,<br />
dass jeder sein<br />
Ding machen müsse,<br />
wenn das Tempo des anderen<br />
nicht passt.<br />
Es . war schon beeindruckend:<br />
Weit über tausend<br />
Starter, die sich in der<br />
Abenddämmerung in Bewegung<br />
setzten. Frank<br />
und ich genossen den<br />
Start. Es ging durch<br />
Chamonix und dann in Richtung Les<br />
Houches. Hier sollte die erste VerpflegungssteIle<br />
sein, und wir wussten, dass<br />
es unmittelbar danach das erste Mal<br />
steil bergan gehen sollte. Also ganz ruhig<br />
angehen, denn da macht man definitiv<br />
keine Zeit gut. Während dieser Strecke<br />
überholten uns Stefan, Markus und<br />
Wolli aus Köln. Auch Stefans Frau Andrea<br />
lief mit, wollte aber nur eine <strong>Teil</strong>wertung<br />
laufen. Wolli hatte sich die 117 km<br />
bis Champex lac v<strong>org</strong>enommen. Wir<br />
begrüßten uns fröhlich und ließen es<br />
laufen.<br />
Nach der ersten Verpflegung mussten<br />
dann auf 5 km ca. positive 650 Hm bewältigt<br />
werden. Ich freute mich schon<br />
beim Beginn der Steigung auf die erstklassig<br />
ausgestattete Verpflegungsstelle<br />
auf dem Col de Voza (ca. 1.653 Meter<br />
über NN). Echt lecker! Frank war am<br />
Berg einfach zu stark, und der Gedanke,<br />
zusammen die erste Nacht durchzulaufen,<br />
verabschiedete sich. Frank zog mit<br />
seinem Tempo davon, und ich krabbelte<br />
den Berg hinauf!
Vom Col des Voza ging es dann runter<br />
nach Les Contamines (km 24), auf ca.<br />
1.121 Meter über NN. Dort war die 2.<br />
große Verpflegungsstelle, und es gab<br />
dort das erste Zeitfenster, welches man<br />
einzuhalten hatte (bis 02.00 Uhr). Hier<br />
hatte ich ein absolut mulmiges Gefühl,<br />
da ich mir im vergangenen Jahr hier die<br />
Bänder gerissen hatte und bei km 42<br />
dann aussteigen musste. Kurz vor Les<br />
Contamines überholte mich Andrea. Ihr<br />
schien es gut zu gehen, und sie lief<br />
leichtfüßig und fröhlich an mir vorbei. An<br />
der Verpflegungsstelle selbst wartete<br />
Frank, und wir wollten doch versuchen,<br />
wieder ein paar Kilometer zusammen zu<br />
laufen. Andrea schloss sich an, und es<br />
ging weiter. Bis km 28 läuft man entspannt<br />
flach an einem Bach entlang. Die<br />
beiden waren mir eindeutig einen Tick<br />
zu schnell, und so ließ ich sie ziehen.<br />
Schließlich wusste ich ja, was gleich<br />
kommen sollte. Ab km 28 waren auf einer<br />
Länge von ca. 9 km weitere positive<br />
1.250 Höhenmeter zu überwinden. Also<br />
Wolfgang, bleib locker!<br />
Die dritte größere Verpflegungsstelle in<br />
La Balme bei Kilometer 32 wurde wieder<br />
ausgiebig genossen. Hier hatte man einen<br />
herrlichen Nachtblick auf die mit<br />
Stirnlampen ausgestatteten <strong>Teil</strong>nehmer.<br />
Mein Gott, so viele Verrückte! Der Blick<br />
nach oben war dann allerdings eher ernüchternd!<br />
Bei Kilometer 37 war dann Croix Bonhomme<br />
erreicht (ca. 2.479 Meter über<br />
NN). Im letzten Jahr habe ich mir in der<br />
dortigen Hütte ein. heißes Süppchen genehmigt,<br />
weil es damals s.....ehr kalt<br />
gewesen ist. Aber mir ging es diesmal<br />
richtig gut, und ich wollte nach der dortigen<br />
Kontrolle gleich weiter. Es ging nun<br />
bergab nach Les Chapieux, bei km 42<br />
(ca. 1.549 Meter über NN). Dort musste<br />
ich letztes Jahr aussteigen. Aber auch<br />
das hatte zurückblickend sein Gutes,<br />
lernte ich doch dort Elisabeth und Bernhard<br />
kennen. Dieses Jahr genoss ich<br />
den "Einlauf" dort und labte mich an<br />
warmem Essen und, ja genau, leckerem<br />
Bier! .<br />
Aber was ist, wenn man wieder die ganzen<br />
Höhenmeter ruriter gelaufen ist?<br />
Genau, jetzt ging es wieder bergauf zum<br />
Col de la Seigne (ca. 2.516 Meter über<br />
NN), diesmal als positive knapp 1.000<br />
HM auf ca. 11 km. Der Col de la Seigne<br />
ist gleichzeitig die Grenze nach Italien.<br />
Beim Bergablaufen wurde es langsam<br />
wieder Tag, und es bot sich ein berauschendes<br />
Panorama. Bis Lac Combal,<br />
bei km 59, ging es wieder ca. 500 HM<br />
herunter auf 1.975 Meter über NN. Dort<br />
war die nächste größere VerpflegungssteIle.<br />
Der Nachteil: danach ging es auf<br />
ca. 2 km wieder hoch auf ca. 2.435 Meter<br />
über NN zu Arete Mont Favre. Aua!<br />
Jetzt ging es bis km 72 (Courmayeur)<br />
bergab. Einziger Wermutstropfen bei idealem<br />
Laufwetter und Bergsicht: Die<br />
Verpflegungsstelle am Col Chtkroui.<br />
Dort gab es neben der üblichen Läufernahrung<br />
noch eine Ansammlung verschiedener<br />
italienischer Weine, Brot und<br />
mindestens 6 verschiedene Käsesorten.<br />
Ich nahm jedenfalls erstmal Platz! Meine<br />
Güte, hat das Überwindung gekostet,<br />
hier wieder weg zu gehen. Folter pur!!!<br />
Dann kam Courmayeur. Da man hier<br />
auch mit Wertung aussteigen konnte,<br />
war das quasi der erste Zieleinlauf. Alles<br />
war super vorbereitet. Ich fand schnell<br />
meinen hier hinterlegten Sack mit<br />
Duschzeug .und Wechselklamotten und<br />
genoss die Dusche und die frischen Sachen.<br />
Auch war ich froh, andere Laufschuhe<br />
anziehen und die abgetapten<br />
Stellen neu pflastern zu können und die<br />
Scheuerstellen mit Vaseline neu einzu-<br />
Wolfgang im Ziel<br />
reiben. Frisch geduscht ging es dann<br />
zur Verpflegung! Oh Mann, alleine dafür<br />
musste man den Lauf einfach mitmachen!<br />
In diesem Jahr gab es wirklich<br />
nichts an der Verpflegung auszusetzen!<br />
Einfach Klasse. Zwei kleine Flaschen<br />
Bier hinterher und der Elektrolythaushalt<br />
stimmte wieder!<br />
Es ging mitten durch den Ort, und die<br />
Leute klatschten und riefen uns Mut zu.<br />
War richtig zum Genießen! Dann sollte<br />
aber mit dem Genuss schnell wieder<br />
Schluss sein. Denn nun ging es von<br />
1.226 Meter über NN auf 3 km hoch auf<br />
2.022 Meter über NN. Die ganze Frische<br />
der neuen Klamotten und der Dusche<br />
waren dahin! Auf Refuge Bertone bei Kilometer<br />
75 wurde noch mal ausgiebig<br />
Wasser getankt, und dann ging es recht<br />
wellig durch die schöne Bergwelt Italiens.<br />
Ab Lavachey (km 83) ging es<br />
dann von 1.690 Meter über NN auf<br />
2.537 Meter über NN auf den Grand Col<br />
Ferret bei km 90. Hier wurde die Grenze<br />
zur Schweiz passiert. Die nächsten 10<br />
km ging es ständig stark bis leicht berg-<br />
ab nach La Fouly. Ich freute mich auf<br />
schon auf Walter, der dort auf mich warten<br />
sollte. Mir ging es immer noch ausgezeichnet,<br />
und ich genoss das Wetter<br />
und die herrliche Aussicht. In La Fouly<br />
traute ich meinen Augen nicht. Nicht" nur<br />
Walter war dort, sondern auch Frank. Er<br />
musste bei km 80 aussteigen, weil er<br />
sich eine starke Knochenhautreizung<br />
zugezogen hatte und nicht mehr laufen<br />
konnte.<br />
Die beiden machten mir ein paar leckere<br />
Spaghetti auf dem Gaskocher, und es<br />
gab diverse mitgebrachte Leckereien.<br />
Und weiter ging es in Richtung Issert,<br />
weitere 10 km bergab. Also, im Nachhinein<br />
waren das die angenehmsten 20<br />
Kilometer des ganzen Laufes. Hier wurde<br />
es langsam dunkel, und die nächsten<br />
Anstiege folgten. Von Issert aus waren<br />
auf 4 km ca. 400 positive HM zu überwinden.<br />
Hier überholte ich Anke Drescher,<br />
die scheinbar ein paar Probleme<br />
hatte, aber dennoch den Lauf finishte. In<br />
Champex d'en Bas war die nächste<br />
Möglichkeit, den Lauf mit Wertung zu<br />
beenden. Es war mittlerweile stockduster,<br />
und ich war plötzlich ziemlich müde.<br />
Trotzdem wollte ich mich nicht hinlegen.<br />
Ich duschte mich hier und zog mir frische<br />
und wärmere Klamotten für die<br />
Nacht an. Denn es gab ab hier wieder<br />
einige Pässe zu "erklimmen". Und ich<br />
traf hier meine wohl beste Entscheidung<br />
des Laufes. Ich zog mir richtige Wanderschuhe<br />
an und beschloss, die ganze<br />
Nacht nur noch zu wandern.<br />
Also weiter! Angefeuert und motiviert<br />
durch Frank und Walter durch die zweite<br />
lange Nacht. Auf den nächsten 5 km<br />
zum Fermes de Bovine waren erneut ca.<br />
700 HM zu überwinden. Es ging über<br />
sehr schwer gehbare Wanderwege, und<br />
es gab auch mal den einen oder anderen<br />
Gebirgsbach zu überwinden. Aufgrund<br />
der Müdigkeit und der Wege war<br />
das hier wohl das anspruchvollste<br />
Stück. Auf fermes de Bovine bei km 122<br />
gab es heiße Suppe, welche während<br />
der Nacht meine Lieblingsverpflegung<br />
werden sollte, Es war recht kalt, und die<br />
heiße Suppe tat richtig gut. Dann ging<br />
es von 1.987 Meter über NN auf 7 km<br />
wieder runter auf 1.279 Meter über NN,<br />
nach Trient bei km 129. Hier erfolgte bei<br />
Trient wohl das ätzendste Stück der<br />
Strecke: es ging querfeldein auf einer<br />
Wiese runter. Ich rutschte ca. 100 HM<br />
auf dem Hosenboden nach unten, um<br />
dann dort unten zur Verpflegungsstelle<br />
nach Trient zurück zu wandern!<br />
Was habe ich mich hier geärgert! Das<br />
war wirklich nicht nötig und außerdem<br />
auch noch gefährlich. In Trient wartete<br />
Walter und baute mich wieder etwas<br />
auf. Ich war mir mittlerweile sicher, dass<br />
ich den Lauf finishen konnte. Ich war gut<br />
4 Stunden vor den Cut offs und nur noch<br />
31
26 km bis ins Ziel. Nach Trient ging es<br />
mal wieder bergauf. Hier waren auf ca. 5<br />
km etwa 700 positive HM zu überwinden.<br />
Die taten mittlerweile richtig weh!<br />
Auf dem Weg nach unten wurde in Les<br />
Essert bei km 136 wieder die Grenze<br />
nach Frankreich passiert.<br />
Es ging nun weiter bergab nach Vallorcine<br />
bei km 139 auf 1.260 Meter über<br />
NN. Walter wartete hier wieder auf mich,<br />
und da es mittlerweile schon hell war,<br />
wechselte ich auf die Laufschuhe zurück.<br />
Es ging nun nur noch einmal über eine<br />
Höhe von 1.670 Meter über NN, bei km<br />
148 (Sentier des Gardes). Ich weiß ja<br />
nicht, aber ich bin der Meinung, dass<br />
man sich bei den letzten 15 km irgendwie<br />
mit dem Profil vertan haben muss.<br />
Bis dahin konnte man sich darauf wirklich<br />
gut verlassen! Aber der Rest ...<br />
Naja, was soll's. Dann ging es irgendwann<br />
runter nach Chamonix. Ich war<br />
mittlerweile total platt. Am Ortseingang<br />
durchlief mich ein Kribbeln, wie ich es<br />
noch nie erlebt hatte. Ich begann zu<br />
laufen, und überall wurde gejubelt.<br />
Vor dir keiner, hinter dir keiner! Alle<br />
jubelten dir zu. Ich lief gegen Mittag<br />
ein, und die Stadt war dementsprechend<br />
voll. Brust raus, Bauch rein und<br />
genießen. Noch nie hatte ich ein solches<br />
Glücksgefühl beim Zieleinlauf!<br />
Besser als der erste Marathon oder das<br />
Finish in Biel. Alle waren da: Kuni, Frank<br />
und Walter. Im· Ziel wurde der Name<br />
aufgerufen, Offizielle umarmen und be<br />
glückwünschen dich, einfach geil (ich<br />
nochmals:<br />
Sainte Lyon<br />
Mitternacht in Lyon<br />
Rainer Satzinger<br />
Man kann sich entweder in St. Etienne<br />
am Startort einquartieren oder in Lyon.<br />
Maria und ich entscheiden uns für Lyon.<br />
Die Stadt ist bekannt für die beste Küche<br />
in Frankreich, die man in vielen Restaurants<br />
in der Altstadt genießen kann.<br />
Im Hotel Ibis Pont Pasteur, 6 Metrostationen<br />
vom Zentrum entfernt, haben wir<br />
nur knapp einen Kilometer zu Fuß zum<br />
Palais des Sports. Dort befinden sich die<br />
Startnummernausgabe, die Abfahrt der<br />
Shuttlebusse nach St. Etienne und das<br />
Ziel.<br />
Bereits u'm 21 Uhr sind wir in St. Etienne.<br />
Noch 3 Stunden bis zum Start! Viel<br />
leicht hätten wir doch lieber in St. Etienne<br />
bleiben und am nächsten Tag mit<br />
dem Zug zurück fahren sollen. Nächstes<br />
Mal. In der Halle im Parc Expo gibt es<br />
Kaffee, Tee, Kuchen und Süßigkeiten.<br />
Wir sitzen auf einer Tribüne und warten<br />
kurze Abstiege. Als wir die erste Anhöhe<br />
erreicht haben, liegt St. Etienne hinter<br />
uns im Tal, vor uns ein malerisches Dorf<br />
am Berghang. Damit ist eigentlich schon<br />
alles erzählt, was wir bis zum M<strong>org</strong>en zu<br />
sehen bekamen.<br />
Die erste Verpflegungsstelle bei Kilometer<br />
7 ist, wie häufig, dem Ansturm nicht<br />
ganz gewachsen. Aber wie die meisten<br />
anderen Läufer haben auch wir unseren<br />
Trinkrucksack dabei und müssen uns<br />
nicht aufhalten. Weiter geht es steiler<br />
bergauf, wir gehen jetzt viel. Die kurzen<br />
Abstiege haben es wirklich in sich. Häufig<br />
sind die Wege ausgewaschen und<br />
felsig und dann wieder matschig mit<br />
großen Pfützen. Man muss sehr aufpassen<br />
und einigermaßen trittsicher sein.<br />
Meistens laufen wir Hand in Hand, solange<br />
der Weg breit genug ist. Manchmal<br />
stolpern wir, kommen aber gut<br />
durch. Einige Mitläufer rutschen aus,<br />
ohne dass jedoch etwas Ernsthaftes<br />
passiert. Zeitweise nieselt es, und als<br />
wir oben auf über 900 m Meereshöhe<br />
sind, ist es so nebelig, dass man nur ein<br />
paar Meter weit sehen kann: Durch das<br />
Licht der Stirnlampen wird der Nebel direkt<br />
vor den Augen hell erleuchtet, so<br />
dass der Effekt noch verstärkt wird.<br />
Nebelscheinwerfer wären jetzt nicht<br />
schlecht.<br />
Von nun ab führt der Weg, durch kurze<br />
Anstiege unterbrochen, 46 km bergab<br />
bis ins Ziel in Lyon auf 200 m Meereshöhe.<br />
Insgesamt kommen so 1.000 Höhenmeter<br />
im Anstieg und 1.300 m im<br />
Abstieg zusammen. An den HauptverpflegungssteIlen<br />
werden wir ausrei<br />
benutze diesen Ausdruck sonst chend mit warnie!)!!!<br />
Ich bekam mein Finisher men und kalten<br />
Sweat-Shirt, trank noch die bei Getränken, Saden<br />
leckersten Biere meines Le lami, Käse,<br />
bens und wankte zur Unterkunft. Weißbrot, Ku-<br />
Am Abend erfolgten in einem der chen und Obst<br />
besten Hotels am Platze das offi vers<strong>org</strong>t. Bei der<br />
zielle Abschlussbuffet und die letzen Verpfle-<br />
Siegerehrung. I;ssen und Trinken gung ist es<br />
vom Feinsten und stolz ge schon hell geschwellte<br />
Brust meinerseits. worden. Jetzt<br />
schmeckt der<br />
Fazit: Ein absolutes Berghigh Kaffee besonlight!!!<br />
Ich habe mich noch nie ders gut. Noch<br />
über 40 Stunden am Stück so einmal ein giftig<br />
quälen müssen und habe beim steiler Anstieg,<br />
Lauf noch nie ein solches Glücksgefühl<br />
erlebt wie teilweise auf der Strecke<br />
und noch nie so sehr wie beim dortigen<br />
Zieleinlauf. Die Organisation war<br />
nahezu perfekt und die Verpflegung<br />
klasse. Nur etwa 30 Prozent der Starter<br />
erreichten das Ziel! Gewonnen hat Vincent<br />
Delebarre in 21:12 h vor dem Vorjahressieger<br />
Dachhiri-Dawa Sherpa und<br />
bei den Damen Colette Borcard in 26:14<br />
h vor Martina Juda.<br />
Und nach dem derzeitigen Stand werde<br />
ich wohl auch 2005 gemeinsam mit<br />
Frank wieder am Start stehen! -<br />
32<br />
wärend sich die Halle nach und nach<br />
füllt. Insgesamt sind fast 4.000 <strong>Teil</strong>nehmer<br />
dabei, davon 1.600 Einzelläufer und<br />
der Rest in 2er-, 3er- und 4er-Staffeln.<br />
Endlich, 15 min vor dem Start um Mitternacht,<br />
gehen wir hinaus in die Kälte,<br />
es dürften so 5°C gewesen sein. Die<br />
Staffelläufer sind gerade gestartet.<br />
Zum Warmwerden geht es durch St.<br />
Etienne und dann leicht beginnend, später<br />
steiler in den insgesamt 22 km langen<br />
Anstieg mit ca. 600 Höhenmetern,<br />
immer wieder unterbrochen durch einige<br />
dann liegt "uns<br />
Lyon zu Füßen, und nach ein paar Kilometern<br />
laufen wir im Palais des Sports<br />
ein. Für die Medaillen, die es bis 8:15 h<br />
gibt, sind wir zu langsam gewesen, ein<br />
Finisher T-Shirt bekommen aber alle<br />
Läufer. Zum Abschluss gibt es noch ein<br />
Lunchpaket und richtig gute Nudeln. Als<br />
fast 6 Stunden nach uns der letzte Läufer<br />
am Hotel vorbei marschiert, haben<br />
wir schon wieder ausgeschlafen. _<br />
Die beiden Piktogramme wurde der Internetseite<br />
vorn Sainte Lyon entnommen!