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Teil 1 - duv.org

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und Schokolade und nicht tonnenweise<br />

Riegel, wie ich sie dabei hatte. Aber<br />

man lernt ja dazu ...<br />

Am M<strong>org</strong>en des 14. Februar war es<br />

dann so weit: Um 10.33 Uhr hieß es<br />

"Go, go, go!", und das illustre Starterfeld<br />

setzte sich in Bewegung. Mit -18°C war<br />

es schon mal schön "chilly", und ich war<br />

deutlich zu kühl angezogen. Denn der<br />

Distanz entsprechend war nicht etwa<br />

Laufen, sondern schnelles Gehen angesagt,<br />

und da war meine Laufhose dann<br />

doch etwas zu dünn. Erst auf dem gefrorenen<br />

Yukon River, dann etwas später<br />

auf dem Takhini River, ging es bei stahlblauem<br />

Himmel schön flach und auf<br />

einem hervorragenden Trail gut vorwärts.<br />

Das Ziehen der Pulka hatte ich<br />

vorher noch nicht wirklich intensiv geübt<br />

und war daher angenehm überrascht,<br />

dass es mir recht leicht fiel. Überhaupt<br />

war ich mit meiner Eigenkonstruktion<br />

aus Kinderbob (12 €), selbst gebasteltem<br />

Zuggestell (18 €) und Hüftgurt (55<br />

€) sehr zufrieden; vor allem, wenn man<br />

bedenkt, dass eine Pulka aus dem Laden<br />

gut und gerne 500 € kosten kann<br />

und ich mir durch den Kauf von Gestell<br />

und Bob in Kanada sämtliche Sperrgepäckzuschläge<br />

der Lufthansa erspart<br />

habe!<br />

Nach 6,5 Stunden und 42 km war dann<br />

der erste (und kürzeste) Abschnitt auch<br />

schon geschafft, und wir konnten es uns<br />

am Lagerfeuer des ersten Checkpoints<br />

auf Ingrid und Rolfs North Country<br />

Ranch gemütlich machen. Das deutsche<br />

Ehepaar hat es in die kanadische Wildnis<br />

verschlagen, und es bietet mit seiner<br />

Ranch nun allen Kanadafans die ideale<br />

Ausgangsbasis für sommerliche wie<br />

winterliche Touren zu Pferd, Kanu oder<br />

Fuß. Einmal im Jahr räumt Ralf seine<br />

Garage, um einer Handvoll verrückter<br />

Läufer, Skilangläufer und Biker ein warmes<br />

Heim für vier Stunden zu bieten. So<br />

lange ist hier nämlich Pflichtaufenthalt<br />

für alle, und während dieser Zeit werden<br />

Schlafsack und Kocher durch die Organisatoren<br />

geprüft. Nur wer entsprechend<br />

ausgestattet ist, darf auch weiter. Die<br />

Marathonis dürfen auf das Equipment<br />

verzichten; sie haben hier bereits das<br />

Ziel erreicht! Um 21.10 Uhr ging's dann<br />

gestärkt weiter in die erste Nacht. Ich<br />

war gut drauf und hatte mir v<strong>org</strong>enommen,<br />

die erste Nacht durchzulaufen. Es<br />

ging noch ein ganzes Stück auf dem<br />

Takhini River dahin. Das Feld war noch<br />

recht eng zusammen, und so traf ich<br />

recht bald auf Andy, der zwar gemütlich<br />

aber sehr konstant unterwegs war. Mittlerweile<br />

war es doch kalt geworden (ca.<br />

-22°C), und ich wollte eigentlich nur meine<br />

Überhandschuhe aus der Tasche<br />

holen, als es passierte: Trotz gut<br />

eingefettetem Reißverschluss der<br />

wasserdichten Packtasche genügte ein<br />

kurzes Ziehen, und der Schlitten des<br />

Reißverschlusses brach auseinander!<br />

Da waren also gerade mal 10% der Gesamtdistanz<br />

vorbei, und ich lief mit<br />

sperrangelweit offener Tasche durch die<br />

Gegend. Etwas zu verlieren (Handschuhe,<br />

Kocher!) hätte fatale Folgen haben<br />

können, und so schnürte ich die Tasche<br />

recht und schlecht zu. Als es später<br />

. stark zu schneien begann, legte ich<br />

noch meine Gore-Tex-Hose über die<br />

Öffnung und kam so ganz gut klar.<br />

23 Stunden nach dem Start hatte ich<br />

dann schon 101 km geschafft und um<br />

9.30 Uhr den Checkpoint am Dog Grave<br />

Lake erreicht. Die letzten 5 km vor dem<br />

Checkpoint, die durch ein Schild signalisiert<br />

wurden, zogen sich zwar so zäh<br />

wie -35°C kalter Kaugummi, und alle<br />

waren sich einig, dass es mindestens 5<br />

Meilen gewesen sein müssten. Aber eigentlich<br />

war es ja auch egal. 515 km<br />

waren es bis zum Ziel, und das war (zu<br />

diesem Zeitpunkt noch) das Einzige,<br />

was mich interessierte. Der Checkpoint<br />

lag recht abgelegen und war nur mit<br />

dem Skidoo zu erreichen. Dennoch war<br />

er perfekt <strong>org</strong>anisiert (es gab ein Essens-<br />

und ein Schlafzelt, beide angenehm<br />

"klimatisiert"), und Mike und Jessica<br />

Simon betreuten die Athleten liebevoll.<br />

Ich freue mich jetzt schon wieder<br />

auf die Cookies, die es dort gab. Nachdem<br />

ich gut gegessen, geschlafen und<br />

meine mittlerweile anschauliche Blasensammlung<br />

vers<strong>org</strong>t hatte, ging es gegen.<br />

14 Uhr weiter. Die folgenden 58 km<br />

nach Braeburn, dem Ziel für die 100­<br />

Meilen-Läufer, wollte ich so schnell wie<br />

möglich erledigen. Das ging auch halbwegs<br />

gut, nur der Schlaf holte mich ab<br />

und zu ein. So auch gegen 22 Uhr, als<br />

ich noch eine Fleecehose überziehen<br />

wollte und dabei tatsächlich auf meinem<br />

Schlitten einschlief! Mich hat es vielleicht<br />

gerissen, als ich wieder aufwachte<br />

und Don mit seinem knatternden Skidoo<br />

vor mir stand! Aber seine aufmunternden<br />

Worte motivierten mich, und<br />

gegen 01.30 Uhr, also nach genau 39<br />

Stunden, war ich in Braeburn und konnte<br />

am dortigen Truckstop, der zugleich<br />

unser Checkpoint war, einen gigantischen<br />

Burger genießen. Danach war ich<br />

so voll und müde, dass ich mich entschloss,<br />

mich etwas hinzulegen. Stefano<br />

war gerade wieder aufgestanden, und<br />

ich nahm gleich sein Bett in Beschlag.<br />

Aus den geplanten vier Stunden wurden<br />

dann acht, und erst gegen 12 Uhr mittags<br />

verließ ich bei strahlendem Sonnenschein<br />

den Checkpoint.<br />

Vor mir lag eine Landschaft wie aus<br />

dem Bilderbuch, und so war es verständlich,<br />

dass auch die Engländerin<br />

Katherine Hay-Heddle wieder ins Rennen<br />

einstieg. Sie musste leider aufgrund<br />

von Magenproblemen vor Braeburn aufgeben<br />

und einen <strong>Teil</strong> der Strecke mit<br />

dem Skidoo zurücklegen. Doch in Braeburn<br />

ging es ihr wieder besser, und so<br />

beschloss sie, weiter zu machen und<br />

das Abenteuer zu genießen. Da hat die<br />

junge Engländerin, die bereits mehrfach<br />

am Marathon des Sables (Marokko) sowie<br />

an weiteren Abenteuerrennen teilgenommen<br />

hat, echten Sportsgeist bewiesen!<br />

Ich denke mal, da könnte sich<br />

so mancher Mann eine Scheibe davon<br />

abschneiden...<br />

Der nächste Abschnitt war lang, aber<br />

doch recht schnell: Zum Großteil ging es<br />

über die Chain-Lakes, eine Kette aus<br />

Seen. Hier kann man richtig Gas geben,<br />

denn es geht sehr flach und auf mehr<br />

oder weniger festem Untergrund fast nur<br />

geradeaus. Leider musste ich gegen 19<br />

Uhr, als es schon recht dunkel war, eine<br />

unfreiwillige Rast von 30 min. einlegen,<br />

weil ich meine Stirnlampe nicht fand!<br />

Nach mehrfachem Durchwühlen der Tasche<br />

war dann doch Ausräumen angesagt,<br />

und ich hielt die Lampe in den<br />

Händen. Solche Kleinigkeiten übt man<br />

zu Hause wirklich nicht und doch können<br />

sie viel Zeit und Nerven kosten.<br />

Leider wollte der 5-km-Marker, der den<br />

Checkpoint am Ken Lake ankündigte,<br />

einfach nicht auftauchen, und nachdem<br />

mich auch meine Sinne schön langsam<br />

verließen (ich war sicher, das Checkpoint-Lagerfeuer<br />

direkt vor mir zu sehen;<br />

nachdem ich ein paar Kilometer auf dem<br />

See zurückgelegt und eine Halbinsel<br />

umrundet hatte, musste ich dann leider<br />

erkennen, dass es der Mond hinter<br />

leichten Wolken war, der da so gelb<br />

leuchtete!), biwakierte ich dann doch<br />

noch und hatte erst am 17.02. gegen<br />

15.15 Uhr 230 km hinter mir Am Ken<br />

Lake war ich dann dafür so gut drauf,<br />

dass Shelley und ihr Mann fast etwas irritiert<br />

schienen. Nach 2 Tellern Suppe<br />

mit 4 Bockwürsten und 3 Semmeln sowie<br />

zwei Tassen heißer Schokolade mit<br />

viel Zucker verließ ich deshalb die Hütte<br />

am See auch schon wieder und machte<br />

mich auf in Richtung Carmacks, einem<br />

für mich wichtigen Punkt. Bis hierher<br />

wollte ich "durchziehen" und dann meine<br />

weitere Strategie überdenken. Schließlich<br />

hatte ich bisher max. 213 km (48-h­<br />

Lauf Köln 2004) am Stück zurückgelegt.<br />

Gesagt, getan: Nach gut einer Stunde<br />

war ich wieder auf dem See und voller<br />

Schwung für die nächste Etappe von 70<br />

km - dachte ich! Nach einem weiteren<br />

langen See (Mandanna Lake) ging es<br />

durch einen mustergültigen Zauberwald<br />

recht flott zurück Richtung Yukon River.<br />

Irgendwann waren noch mal ein paar<br />

Stunden Biwak angesagt, und bald war<br />

ich wieder auf dem Fluss. Die Brücke<br />

von Carmacks war schon in Sichtweite,<br />

da kam mir ein Läufer entgegen: Es war<br />

der Österreicher Klaus, der die 100 Meilen<br />

erfolgreich bewältigt hatte und nun<br />

mit der Organisationscrew das Feld begleitete.<br />

Auf meine Nachfrage, wie es<br />

ihm gehe, leuchteten seine Augen, und<br />

ich werde so schnell nicht vergessen,<br />

wie er förmlich schwor: "Nächstes Jahr<br />

mache ich die 300!". Kurz nach diesem<br />

Treffen hatte ich Carmacks erreicht und<br />

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